PDF 35 - Deutsche Sprachwelt

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PDF 35 - Deutsche Sprachwelt
AUSGABE 35
Frühling 2009
10. Jahrgang – 1
ISSN1439-8834
(Ausgabe für Deutschland)
Besuchen Sie uns auf der
Laßt euch nicht auffressen!
12.–15. März 2009
Stand A 103 in Halle 5
Wir freuen uns auf Sie!
Orthographische
Konferenz
Rudolf Wachter erklärt die Arbeit
der Schweizer Fensterputzer der
deutschen Rechtschreibung.
Seite 3
Siemens-Deutsch
Geert Teunis verteidigte die
deutsche Sprache auf der diesjährigen
Siemens-Hauptversammlung in München.
Seite 6
Eurofon
Klaus Däßler stellt seine Erfindung eines persönlichen
Sprachübersetzers vor, der die
Rettung der Sprachenvielfalt
bedeuten könnte.
Seite 7
Sprachwahrer
des Jahres
Die Leser der DEUTSCHEN
SPRACHWELT haben die
„Sprachwahrer des Jahres
2008“ gewählt.
Seite 10
Sie spenden für:
• Zusendung der DEUTSCHEN
SPRACHWELT
• Aktionen für die deutsche Sprache
Dringende Bitte: Geben Sie bitte auf
dem Überweisungsvordruck Ihre Anschrift an, zumindest Postleitzahl und
Wohnort. So können wir die Spende
Ihrem Namen zuordnen und sicherstellen, daß wir Sie nicht versehentlich aus der Bezieherliste streichen.
Vielen Dank!
Ihr Verein für Sprachpflege
Besuchen Sie
www.Sprachpflege.info
2009 stimmen wir auch über die Zukunft der deutschen Sprache ab
Von Thomas Paulwitz
B
erichte entsetzter Leser über einen Fehlgriff bildungspolitischer
Öffentlichkeitsarbeit in Sachsen erreichten Anfang dieses Jahres die Redaktion der DEUTSCHEN SPRACHWELT. Im gesamten Stadtgebiet der
sächsischen Landeshauptstadt Dresden
prangten auffällige Großflächenplakate. Zu sehen war ein gelbes Ungeheuer, das die durchgestrichenen Symbole
Sachsens, Deutschlands und der Europäischen Union (EU) frißt. Darunter
war zu lesen: „Level 2009“ und „Get
ready 4 vote!“ (siehe Bild). Als Verantwortliche für die Plakate tritt die Sächsische Landeszentrale für politische
Bildung auf.
Was wollte uns die Landeszentrale damit
sagen? Daß Sachsen, Deutschland und
die EU kurz davor stehen, verspeist zu
werden? Und von wem? Soll das gelbe
Ungeheuer etwa die Amerikanisierung
verkörpern, die Sächsisch, die deutsche Sprache, ja die Sprachenvielfalt
Europas auffrißt? Wir gingen der Sache
nach. Dabei kam dies heraus: Die Landeszentrale für politische Bildung hatte
Studenten der Technischen Universität
Dresden in einem Seminar des Instituts
für Kommunikationswissenschaft die
Aufgabe gestellt, ein Plakat für einen
Wahlaufruf zu entwerfen. Zielgruppe
sollten besonders Jugendliche sein.
Der Titel des Seminars lautete: „Outof-Home-Medien“. Auf deutsch heißt
das schlicht und einfach „Außenwerbung“. Anbieter des Kurses war die
„Ströer Out-of-Home Media AG“, die
mit einem Anteil von fünfzig Prozent
und mit rund 230.000 Werbeflächen in
Deutschland Marktführer für Außenwerbung ist. Ströer rühmt die „gute
Visibility“ (Sichtbarkeit) der „Out-ofHome-Medien“. Mit Hilfe des US-Investors „Oaktree Capital Management“
(OCM), der über 55 Milliarden USDollar verwaltet, will Ströer sich nun
auch international weiter ausbreiten.
OCM zählt zu den „Hedgefonds“, die
im Volksmund auch als „Heuschrecken“ bekannt sind.
Bild: Sächsische Landeszentrale für politische Bildung
Unter den Entwürfen der Dresdner Studenten siegte derjenige, auf dem das gelbe Ungeheuer zu sehen ist, das auch als
gefräßiger „Pac-Man“ in Videospielen
sein Unwesen treibt. Die Plakatentwürfe mit deutschen Texten fielen durch.
Ströer plakatierte das Siegerplakat auf
eigene Kosten in ganz Dresden.
englischsprachiger Werbung erfolgreich sein werden. In der Brüsseler EUBürokratie, in der die deutsche Sprache
kaum Fürsprecher hat, lacht man sich
unterdessen gewiß schief. Solche Aktionen durchkreuzen die Bemühungen
deutscher Politiker, Deutsch als Arbeitssprache in der EU zu stärken.
Frißt also Englisch alles auf? Nein, wie
wir sehen, sind wir es selbst, die die
deutsche Sprache opfern. Die Landeszentrale für politische Bildung ist dem
sächsischen Kultusministerium zugeordnet. Kaum zu glauben, daß eine mit
Steuergeldern finanzierte Einrichtung
die Verdrängung und Verhunzung unserer Sprache derart fördert. Mit ihrer
Auswahl signalisiert die Landeszentrale den angehenden Werbeleuten in
verheerender Weise, daß sie bei einer
deutschsprachigen Kundschaft nur mit
Die Wahlen in diesem Jahr, besonders
zum Europaparlament und zum Deutschen Bundestag, bieten uns Wählern
die Möglichkeit, solche Volksvertreter
in die Parlamente zu schicken, die sich
für die deutsche Sprache einsetzen,
statt sie dem Zeitgeist zum Fraß vorzuwerfen. Jeder kann seiner Wahlentscheidung auch Prüfsteine zur deutschen Sprache zugrundelegen. Jeder
kann den Bewerbern um politische
Ämter Fragen stellen. Jeder kann in der
Presse verfolgen, wie sich Parteien und
Erfolge aus der Arbeit der DEUTSCHEN SPRACHWELT
Sprachpflege 2.0:
Welttag der Muttersprache:
Am 13. Januar schaltete XING, das
führende Personenverzeichnis für Geschäftskontakte, die Gruppe DEUTSCHE SPRACHWELT frei. Dort
können sich Sprachfreunde aus allen
Berufsgruppen über die deutsche Sprache austauschen. Über 250 Personen
nutzen bereits dieses neue Angebot,
und es werden immer mehr.
www.xing.com/net/dsw
Am 18. Februar berief die traditionsreiche Nürnberger Sprachgesellschaft „Pegnesischer Blumenorden“
(gegründet 1644) den Schriftleiter
der DEUTSCHEN SPRACHWELT,
Thomas Paulwitz, zum Ordensrat für
Sprachpflege und Leiter des Sprachausschusses. Auf der Grundlage der
Arbeitsergebnisse im Sprachausschuß
verbreitete die DEUTSCHE SPRACHWELT zum Welttag der Muttersprache
am 21. Februar die Forderung nach einer verständlichen Finanzsprache.
Siehe Seite 6.
Netzforum eröffnet
Finanzsprache
angeprangert
Verbraucherschutz:
Anti-SALE-Aktion
begonnen
Zum Winterschlußverkauf begann die
DEUTSCHE SPRACHWELT eine
neue Verbraucherschutzaktion. Unter
dem Leitspruch „Schluß mit dem Ausverkauf der deutschen Sprache“ fordert
sie eine kundenfreundliche Sprache
und verbreitet Flugblätter und kostenlose Aufkleber.
Siehe Seite 4.
Politiker zur deutschen Sprache äußern
und verhalten.
Einen Hinweis darauf, ob sich Politiker
ihrer besonderen Verantwortung für
die deutsche Sprache bewußt sind, gibt
als erstes der Lackmustest: Achtet der
Kandidat in seinen Reden und Texten
auf eine verständliche und bürgernahe
Sprache? Vermeidet er mißverständliche und irreführende Ausdrücke? Setzt
er sich für den Gebrauch und das Ansehen der deutschen Sprache ein?
Als nächstes folgt der Herz-und-Nieren-Test zur Sache. Wahlprüfsteine sind
zum Beispiel, ob der Kandidat bereit ist,
sich in seiner zukünftigen Parlamentsarbeit dafür einzusetzen, die Flut von
Amerikanismen einzudämmen; ob er
entsprechende fraktionsübergreifende
Initiativen zum Schutz der Verbrauchersprache unterstützen würde; ob er für
die Verankerung der deutschen Sprache
in der Verfassung stimmen würde; ob
er für die Stärkung des Deutschunterrichts in der Schule eintritt; ob er für die
Stellung der deutschen Sprache in der
Wissenschaft und in der Europäischen
Union zu kämpfen bereit ist.
Als Krönung kommt schließlich die
Nagelprobe. Mit welchen handfesten
Maßnahmen wollen der Bewerber und
seine Partei die Stellung der deutschen
Sprache verbessern, ihr Ansehen mehren, das Sprachbewußtsein fördern?
Falls sie darauf keine Antwort finden,
können sie sich gerne bei der DEUTSCHEN SPRACHWELT einen Beratungsgutschein abholen. Politiker ohne
Bodenhaftung, die der Verdrängung
der deutschen Sprache tatenlos zusehen, statt mit Leib und Seele für sie zu
kämpfen, müssen auf die Stimmen der
Sprachfreunde allerdings verzichten.
Leserbriefe
Seite 2
Deutsch ins Grundgesetz I
Zum Beitrag „Kommt Deutsch ins Grundgesetz?“
von Thomas Paulwitz in DSW 34, Seite 10
ereits in einer vor zwei Jahren vom ben Es geht schlicht und ergreifend um
SPIEGEL in Auftrag gegebenen Diskriminierung, Deklassierung und
Meinungsumfrage von Infratest (SPIE- Erniedrigung. Ob Migrant oder UreinGEL Nr. 40 / 2006 – Titel: „Deutsch wohner, hierzulande werden einem tagfor sale“) sprachen sich, man lese und täglich Wörter aus einer Sprache um die
staune, 78 Prozent der Befragten für Ohren gehauen, die oft weder die einen
Deutsch als Staatssprache im Grundge- noch die anderen verstehen. Und bei
setz aus. Jüngste Umfragen haben diese technischen Geräten kann man, angesatte Dreiviertel-Mehrheit bestätigt. Ne- sichts der auf englisch gekennzeichneten
benbei bemerkt: Die ersten Anregungen, Bedienungsknöpfe und Schalthebel, als
die deutsche Sprache im Grundgesetz Verbraucher noch heilfroh sein, wenn
zu verankern, kam nicht, wie im letzten nichts verschmort oder verbrennt, man
Artikel dieser Zeitung vermerkt, 2004 keinen elektrischen Schlag kriegt oder
von einem Düsseldorfer Romanisten, einem bei der Handhabung nicht noch
sondern von unserer Kölner Region zusätzlich die Einzelteile um die Ohim „Verein Deutsche Sprache“. Denn ren fliegen. Also liebe Bedenkenträger,
schon einige Jahre zuvor hatte ich dieses nur darum geht es. Und deshalb gehört
drängende Thema bereits angesprochen Deutsch ins Grundgesetz Denn nicht die
und in Briefen an unseren Dortmun- Sprachgemeinschaft bestimmt derzeit,
der Hauptvorstand dazu geraten, dafür wie bei uns gesprochen wird, sondern die
bundesweit zu werben. Die Auseinan- SALE-‚ easyCRASH- und „MONEY to
dersetzung zum Thema „Deutsch ins go“-Global-Player, -Heuschrecken und
Grundgesetz“ hat inzwischen aber leider -Pleitegeier Deren Hochstapler-Globaeinen völlig falschen Drall bekommen. lesisch ist eine Gewalt, die nicht vom
Die Befürworter bewegt in Wirklichkeit Volke ausgeht. Deshalb gehört Deutsch
doch nichts anderes als die skandalöse schleunigst ins Grundgesetz. Also nichts
sprachliche Ausgrenzung von Millionen wie rein damit!
Menschen, die hier in diesem Lande le- Dietmar Kinder, Köln
B
E
Was hat Ihnen gefallen? Was hätten wir
besser machen können? Worauf sollten
wir stärker eingehen? Schreiben Sie uns,
wir freuen uns auf Ihre Meinung! Auch
wenn wir nicht jeden Brief beantworten
und veröffentlichen können, so werten
wir doch alle Zuschriften sorgfältig aus.
Bei einer Veröffentlichung behält sich
die Redaktion das Recht vor, sinnwahrend zu kürzen. Auf diese Weise wollen
wir möglichst viele Leser zu Wort kommen lassen. Schreiben Sie bitte an:
DEUTSCHE SPRACHWELT
Leserbriefe
Postfach 1449, D-91004 Erlangen
schriftleitung@deutsche-sprachwelt.de
Seltsame
Krankheit
Über eine neue Sprachkrankheit
mehr sicher ist, begriff ich erst, als
ich kurz vor dem Jahreswechsel im
Hausflur folgenden Anschlag am
Schwarzen Brett las: „Die Hausverwaltung macht darauf aufmerksam,
daß das Abschießen von Raketen in
der Wohnanlage polizeilich verboten
ist. Dem Hausbesorger wurde angewiesen, jedes Vergehen gegen dieses
Verbot zur Anzeige zu bringen.“ Ob
dem Hausbesorger dafür, daß er tat,
was er (!) zu tun angewiesen worden
war, eine besondere Prämie auf sein
Konto angewiesen wurde, ist mir allerdings nicht bekannt.
Peter Moser, Salzburg
Deutsch ins Grundgesetz II
Zum Beitrag „Kommt Deutsch ins Grundgesetz?“
von Thomas Paulwitz in DSW 34, Seite 10
ollte die Mehrheit der Delegierten Die historisch geprägte Ausdruckskraft
des CDU- Bundesparteitags mit ih- europäischer Sprachkunst wird weltweit
rem Eintreten für die Aufnahme der deut- geschätzt. Hätte ein Goethe oder ein
schen Sprache in das Grundgesetz mehr Schiller denglisch gedichtet, so wären
bewirken wollen, als einen Blickfang für uns diese Koryphäen bis heute unbekannt
das Superwahljahr 2009 abzuliefern? geblieben. Gleiches gilt auch für William
Dann könnte dies ein erster sichtbarer Shakespeare, Molière oder Miguel de
Schritt für einen besseren Schutz, der Cervantes. Frankreich hat dies rechtleider zur Beliebigkeit verkommenen, zeitig erkannt und gilt heute in Sachen
identitätsstiftenden und zur Vermittlung Sprachschutz als vorbildlich, während
komplexer geistesgeschichtlicher Zu- bei uns die undefinierbare Kombination
sammenhänge notwendigen Kommuni- von Deutsch, Denglisch und Englisch
kationsart Sprache werden. Die Wahr- in zunehmendem Maße Platz greift. Da
scheinlichkeit, daß der ungewöhnliche Sprache mit vielen anderen Faktoren in
öffentlichkeitswirksame Vorstoß bald Wechselwirkung tritt, kann sie aus einer
aufs Abstellgleis gerät, ist allerdings sehr erfolgreichen Zukunftsgestaltung nicht
hoch. Dabei sollte uns der Blick in die ausgeklammert werden.
Vergangenheit eines Besseren belehren. Roland Grassl, Bühl
S
Eigenartig wirkt die Krankheit,
Nicht schlau
Die der VolksMund Dummheit nennt.
Unter der nur andre leiden,
Währenddessen der Patient
Keinerlei Beschwerden kennt.
Dumm und faul
Dativitis
ine neue Sprachkrankheit
geht um: die Dativitis. Daß
der Dativ dem Genitiv sein Tod ist,
wissen wir spätestens seit Bastian
Sicks geistreichen Büchern. Daß der
Dativ auch dem Akkusativ sein Tod
sein kann, kennen wir zumindest
aus einigen Mundarten, wie dem
Berlinerischen („Ick hab dir lieb“)
oder dem Wienerischen (,‚Nach
der Verletzung wird eahm der Trainer no net spielen lassen“; so etwa
der Fußballexperte des österreichischen Fernsehens, Herbert Prohaska). Aber daß auch der Nominativ
vor dem ausufernden Dativ nicht
Liebe Leser!
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 35_Frühling 2009
Zum Beitrag „Ins Netz gehen!“ in DSW 34, Seite 5
S
ie sorgten bei mir kurzfristig für
einen erhöhten Blutdruck. Sie
schreiben „Lexikon: Machen Sie sich
schlau und …“ Vielleicht ist meine
Ansicht nicht richtig. Wenn ich diese neue Redewendung „Machen Sie
sich schlau“ höre, dann denke ich,
man kann sich nicht schlau machen.
Wer klug ist, pfeift auf „MegaChips“,
Auf „SoftWare“ und Maschinen,
Denn diese haben keinen Grips
Keine alten Weiber
Und lassen sich bedienen!
Zum Beitrag „‚Altweibersommer‘
frauenfeindlich?“ in DSW 34, Seite 12
Günter B. Merkel, Wilhelmsfeld
D
Aus: Günter B. Merkel: Große
Sprüche vom gnadenlosen Dichter, SWP-Buch-Verlag, Wilhelmsfeld 2007, 128 Seiten, fester
Einband, 9,50 Euro. Bestellung
unter Telefon 06220/6310
urch den Begriff „Altweibersommer“ brauchen sich betagte Frauen nicht beleidigt zu fühlen. Er
kommt nämlich von „weiben“, dem
althochdeutschen Wort für das Weben, besonders für das Knüpfen von
Spinnennetzen. Ins heutige Deutsch
übersetzt bedeutet „Altweibersommer“ nichts anderes als „alter Spinnwebensommer“.
Anton Karl Mally, Mödling bei Wien
Zum Beitrag „Eine Leitkultur zerfällt“ von Thomas Paulwitz in DSW 33, Seite 1
D
Krankheit hat. Mit der Dudenmeinung im Rücken wird der Beitrag zum
Verschandeln der deutschen Sprache
nicht bemerkt. Gottfried Fischer, der
seinerzeitige Schriftleiter der „Wiener Sprachblätter“, hat mir im Jahr
2001 zum Thema „-fähig“ eine Liste
mit über 120 Affixoiden (adjektivistisches Suffixoid) geschickt, das
Ergebnis aus zehn Jahren Sammeln.
Sie dürfte bis heute erheblich erweitert worden sein. Theoretisch gibt es
so viele „Fähigkeiten“, wie es Gegenstände gibt. Das regelmäßige Lesen und Hören von neuen, meistens
unsinnigen Sprachschöpfungen und
Unwörtern, nicht nur im Umgangsdeutsch, gleicht einer allgemeinen
Einladung, den riesigen Sprachmüllkorb zu füllen. Prominente und
Sprachkundige geben ein schlechtes
und wirksames Beispiel, statt sprachliches Vorbild zu sein. Die meisten
Leser der DEUTSCHEN SPRACHWELT werden das Wort „zukunftsfähig“ nicht als kritikwürdig empfinden, lesen und hören sie doch ständig
mit „fähig“ „suffix“ierte Gegenstände und Begriffe. Außerdem, es steht
ja schließlich in der DEUTSCHEN
SPRACHWELT an auffälliger Stelle. Das Wort wird so oft benutzt, daß
sich kaum mehr jemand fragt, was es
bedeutet. Es hat wohl etwas mit „Zukunft“ und „Verhalten/Handeln“ zu
tun. Das reicht schon allen, die dem
allgemeinen Trend entsprechend nur
mit halber Aufmerksamkeit lesen
oder hören und schon zufrieden sind,
wenn sie das Mitgeteilte ungefähr
verstehen. Wer jedoch aufmerksam
zuhört (liest), mitdenkt und sich mit
dem Sinn des Mitgeteilten fortlaufend auseinandersetzt, hält schon bei
der „Zukunft“ inne und fragt, ist das
jetzige Verhalten/Handeln im Hinblick auf die Zukunft (= die noch
bevorstehende Zeit) oder das Verhalten/Handeln in der Zukunft gemeint?
Und, mit Einbezug des Kulturbegriffs, sollen wir die aktuelle Kultur,
also die „Gesamtheit der geistigen
und künstlerischen Errungenschaften einer Gesellschaft“ (durch unser
Verhalten/Handeln) so verändern,
oder wie Alois Glück sagte, „entwickeln“, daß sie eine Zukunft hat?
Die Zukunft beginnt immer bereits
in den nächsten Sekunden und umfaßt alles Denkbare. Das Suffix „-fähig“ löst weitere Fragen aus. Fähig
zu tun, zu gestalten, zu verändern,
zu beeinflussen, zu fördern? Und in
passivischer Hinsicht im Sinne von
geeignet, tauglich, würdig, trächtig,
reich? Wie es im Artikel heißt, gehöre zu einer zukunftsfähigen Kultur „aber auch eine ausdrucksstarke,
ehrliche und verständliche Sprache,
laufend weiterentwickelt von ihren
Sprechern.“ Hier bin ich voll auf der
Seite des Autors. Allerdings sehe ich
in dem Schwammwort „zukunftsfähig“ keinen ausdrucksstarken und
verständlichen, höchstens einen dudenfähigen Ausdruck, der nicht des-
Gegründet im Jahr 2000
Erscheint viermal im Jahr
Auflage: 28.000
Die jährliche Bezugsgebühr beträgt 10 Euro.
Für Nicht- und Geringverdiener ist der Bezug
kostenfrei. Zusätzliche Spenden sind sehr
willkommen.
Bundesrepublik Deutschland
Verein für Sprachpflege e. V.
Stadt- und Kreissparkasse Erlangen
Bankleitzahl 763 500 00
Kontonummer 400 1957
BIC: BYLADEM1ERH
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Republik Österreich
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Nicht „zukunftsfähig“
er im Leitartikel zur Leitkultur dargelegten Meinung zur
kritiklosen Übernahme von Anglizismen stimme ich grundsätzlich zu. Allerdings sollten wir bei der Abwehr
des Denglischen nicht das deutsche
Deutsch aus den Augen verlieren.
Schon in der Unterzeile der Überschrift steht ein markantes Beispiel
für schlechtes (deutschunfähiges)
Deutsch. Dem dudenfähigen Wort
„zukunftsfähig“ (Duden – Die deutsche Rechtschreibung 2006) möchte
ich als Werber für klares Deutsch
keine Zukunftsfähigkeit wünschen.
Schon vor vielen Jahren kritisierte
ich den Duden auf meinen Netzseiten, weil er das Suffix „fähig“ für den
passivischen Gebrauch freigegeben
hat. Das Ergebnis können wir täglich
schriftlich wie mündlich in Form aller möglichen (Pseudo-)Fähigkeiten
beobachten, von „abgasfähig“ bis
„zugfähig“. Der Vorrat an Gegenständen und Begriffen, die be-„fähigt“
werden, ist unerschöpflich und wird
auch weitgehend genutzt, um „dudenmäßig“ mit der Zeit zu gehen.
Dabei werden oft die Suffixe „-bar“
und „-fähig“ verwechselt. Kaum
mehr steigerbar (steigerungsfähig) ist
die dudenfähige Verwandlung einer
streichbaren Butter in eine „streichfähige“ und ein lenkbares Auto in ein
„lenkfähiges“. Neueste Sprachblüte:
„ein wartezimmerfähiger Patient“,
womit jemand gemeint ist, der nicht
übel riecht und keine ansteckende
Schlauheit ist eine Charaktereigenschaft. Man ist oder man ist nicht
schlau. Richtig wäre aus meiner Sicht
„Informieren Sie sich“. Ich wollte
darüber schon immer einen Leserbrief
schreiben, jetzt haben Sie mir die Gelegenheit dazu geboten – danke.
Harald Baureiß, Mariapfarr
halb im Duden steht, also dudenfähig
ist, weil er Ausdruck von gutem und
richtigem Deutsch ist, sondern weil
er zum „Umgangsdeutsch“ gehört,
nicht zuletzt mit Dudenförderung.
Wörterbücher bieten mehrere Ausdrücke an, die das mißverständliche
„-fähig“ vermeiden. So sind sogar im
Rechtschreibduden von 2006 noch
die Wörter zukunftsgerichtet, -orientiert, -reich, -voll und -weisend angeführt. Im Wahrig stehen zur Auswahl:
zukunftsorientiert, -sicher, -tauglich
und -weisend. Ich biete weitere an:
zukunftsgeeignet, -gestaltend, -beständig, -würdig, -erhaltend, -fest
und -fördernd und sogar -zerstörend.
Sicher lassen sich weitere Adjektive
finden, die dem Sachverhalt näher
kommen als das „dudenmäßige“
stereotypische und universell verwendete „-fähig“. Die Angelegenheit
erinnert mich an die Floskel „davon
ausgehen“, die Wissen vortäuscht,
wo Unwissen herrscht. Ohne sie
kommt niemand mehr aus, wenn er
etwas annimmt, glaubt, vermutet und
so weiter. Das kann man nicht mehr
als Unsitte bezeichnen, sondern als
allgemein übliches Verbreiten von
Falschinformationen. Der Duden hat
diese Wendung früher korrekt erläutert. Er ist bereits eingeknickt und
hat das Schwammdeutsch der Straße
übernommen.
Ihr DSW-fähiger Leser
Ulrich Werner, München
www.sprache-werner.info
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Anschrift mit Postleitzahl angeben!
ISSN 1439-8834
(Ausgabe für Deutschland)
ISSN 1606-0008
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Ursula Bomba, Rominte van Thiel, Dagmar
Schmauks, Wolfgang Hildebrandt, Diethold
Tietz, Jürgen Langhans, Ulrich Werner, Klemens Weilandt
Druck
Ferdinand Berger & Söhne GmbH
Wiener Straße 80, A-3580 Horn
Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der
Redaktion wieder. Das gilt besonders für
Leserbriefe.
Die 36. Ausgabe erscheint im Sommer
2009. Redaktions- und Anzeigenschluß
sind am 18. Mai 2009.
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 35_Frühling 2009
Hintergrund
Seite 3
Wo bleibt die
Deutsche Orthographische Konferenz?
Von Rudolf Wachter
Empfehlungen aus der Schweiz für eine einheitliche und sprachrichtige Rechtschreibung
D
as Chaos, das die sogenannte
Rechtschreibreform und ihre
schritt- und teilweise erfolgte Rücknahme angerichtet haben, hat uns
Schweizer besonders hart getroffen.
Erstens sind unsere Gepflogenheiten
in den Standardwerken zu wenig berücksichtigt. Zweitens ist die deutsche
Hochsprache von unserer eigentlichen
Muttersprache, dem Schweizerdeutschen, bedeutend weiter entfernt als
sie es für Sie in Deutschland ist. Hochdeutsch ist unsere erste Fremdsprache,
und wir finden diese schon schwierig
genug. Daß man sie nun auch noch in
älteren und neueren Büchern und mannigfaltigen anderen Druckerzeugnissen
ganz verschieden geschrieben findet
und bald schon selber nicht mehr weiß,
wie man schreiben soll, macht sie für
uns zum noch größeren Problem.
Wie Sie wissen, trifft man heute „des
weiteren“ sehr oft in einem Wort geschrieben an, etwas häufiger noch
kommt es in zwei Wörtern vor, und
zwar mit großem oder mit kleinem „w“
geschrieben; „ohne weiteres“ aber findet man praktisch nur getrennt, jedoch
ebenfalls mit großem oder kleinem
„w“. – Ja, was soll denn nun gelten?
Zwei Tendenzen:
klein und
zusammen
Lassen Sie mich anhand dieses Beispiels die beiden schwersten Verfehlungen, die sich die Reform hat zuschulden kommen lassen, erläutern. Es
gibt in der deutschen Rechtschreibung
seit dem späten 19. Jahrhundert zwei
Tendenzen, die nach der Reform von
1901 konsequent umgesetzt und in der
Folge vielen der kleinen Anpassungen
im Laufe des 20. Jahrhunderts Pate
gestanden haben: erstens die Zusammenschreibung fester Ausdrücke, die
mehr und mehr als ein einziges Wort,
linguistisch ausgedrückt als „univerbiert“, empfunden werden; zweitens
die weitgehende Kleinschreibung in
dem Sinne, daß nur noch wirkliche,
echte Substantive groß geschrieben
werden (und natürlich die Eigennamen
und Satzanfänge, wie in allen europäischen Sprachen).
Ein Ausdruck wie „des weiteren“ war
nun, was den zweiten Punkt betrifft,
schon seit Jahrzehnten als fester adverbieller Ausdruck in Gebrauch gewesen.
„Das Weitere“ ist in der Verbindung
„des weiteren“ für den Sprachbenutzer längst kein echtes Substantiv mehr,
denn echte Substantive im Genitiv sind
im Satzzusammenhang meist Attribute
zu einem anderen Substantiv (zum Beispiel „des Knaben Wunderhorn“), sonst
allenfalls noch Objekte („laß dich meins
Leids erbarmen“) oder partitive Ergänzungen („der Blümlein es viel brechen
wollt“). Das alles liegt hier nicht vor,
sondern der feste Ausdruck hat die klare
Funktion eines Adverbs, wie „zudem“,
„überdies“, „abgesehen davon“ und
dergleichen, und die schreibt man alle
klein. Was den ersten Punkt, die Tendenz zur Zusammenschreibung, betrifft,
so verbucht zwar der Duden von 1991
im vorliegenden Fall nur die Getrenntschreibung, aber in der Praxis war die
Zusammenschreibung „desweiteren“
schon damals so häufig, daß sie in einer der nächsten Auflagen unweigerlich
aufgenommen worden wäre, entsprechend etwa „desgleichen“.
Und in diesen Status quo einer langfristigen Entwicklung hinein platzten
nun die Reformer, behaupteten, man
erwarte nach „des“ ein Substantiv, und
forderten dessen Großschreibung und
demzufolge auch die Getrenntschreibung. Damit nicht genug, nach dem
gültigen Regelwerk 2006 müssen wir
„des Weiteren“ und „im Weiteren“
groß schreiben, „ohne weiteres“ aber
nicht, weil dieses keinen Artikel enthalte, also offenbar weniger stark nach
einem Substantiv schmecke. Dem Normalverbraucher ist das Vorhandensein
oder Fehlen des Artikels völlig egal;
was für ihn zählt, ist die Gemeinsamkeit einer festen adverbiellen Fügung
mit „weiteres“, und die will er beidemal gleich schreiben dürfen. Und er
will sie klein schreiben, besonders mit
Blick auf Ausdrücke wie „im voraus“,
„im nachhinein“, bei denen jedem klar
ist, daß keine wirklichen Substantive
vorliegen, und schließlich in Analogie
zu „vor allem“, „unter anderem“
und so weiter, die seit 2006
wieder klein geschrieben werden
müssen, und „zum einen“, „zum
anderen“ (mit Artikel!), die sogar
zwischen 1996 und 2006 nicht groß
geschrieben werden durften.
Die Exzesse, zu denen die Großschreib- und Trennungswut der Reformer geführt hat, sind Ihnen bekannt.
Alltägliche Wörter wie „jedesmal“,
„Handvoll“, „sogenannt“ sollte es fortan nicht mehr geben, ausdrucksstarke
und für die deutsche Sprache und ihre
Wortbildung so typische zusammengesetzte Adjektive wie „aufsehen-“ und
„grauenerregend“, „fleischfressend“,
„notleidend“, „ratsuchend“ waren mit
dem Sündenfall des Dudens 1996 (und
des Wahrigs bei Bertelsmann) auf einen
Schlag aus dem deutschen Wortschatz
getilgt. Andererseits mußten die Reformer „angsterfüllt“, „bahnbrechend“,
„freudestrahlend“,
„haarsträubend“,
„herzerquickend“, „zähneknirschend“
weiterschleppen, weil diese Adjektive
mehrgliedrigen Ausdrücken entsprechen und nicht einfach aufgelöst werden konnten. Das leuchtete ebenfalls
niemandem ein, zumal die Steigerung
derart zerschnittener Adjektive wahrhaft
groteske Resultate ergäbe, zum Beispiel
„Dies war viel Aufsehen erregender,
und am Aufsehen erregendsten war …“
Reparaturarbeiten
Die riesigen Proteste bewogen die
Kultusminister der beteiligten Staaten,
eine Zwischenstaatliche Kommission
einzusetzen, in der freilich bis auf wenige Ausnahmen dieselben Leute saßen, die die Sündenfall-Wörterbücher
von 1996 vorbereitet hatten. Sie ließ
volle acht Jahre tatenlos verstreichen.
Dann brachte sie ein neues Regelwerk
heraus, das von den Kultusministern
handstreichartig in Kraft gesetzt wurde. Es stützte sich weitgehend auf die
Reform und ließ nur bei den gröbsten
Ungeschicklichkeiten die herkömmliche Schreibung wieder zu, aber meist
ohne die Reformschreibung wieder
abzuschaffen. Auch dieses Regelwerk
sorgte wiederum für große Proteste.
Die Kultusminister setzten daraufhin
die Zwischenstaatliche Kommission ab
und ersetzten sie durch den noch heute
bestehenden Rat für Rechtschreibung.
Darin sitzen zwar einige neue Köpfe, aber die alten sind auch noch da,
was zur Folge hatte, daß im nächsten
Regelwerk, das der Rat schon zwei
Jahre später herausbrachte, eben dem
heute gültigen Regelwerk 2006, zwar
zahllose herkömmliche Schreibungen
wieder gestattet, aber fast keine Re-
formschreibungen zurückgenommen
sind. Das neue Regelwerk enthält zudem viele Inkonsequenzen und Fehler,
zum Beispiel hat man offenbar schlicht
vergessen, das Wort „jedesmal“ zu rehabilitieren; und mit gewissen Themen
durfte sich der Rat auf Geheiß der Kultusminister überhaupt nicht befassen,
besonders mit der Groß- und Kleinschreibung.
Der Punkt, an dem wir als Schweizer
Orthographische Konferenz (SOK)
eingehakt haben, ist die riesige Zahl
von Varianten, die nun plötzlich erlaubt sein sollten. Die Tatsache, daß
die herkömmlichen Schreibungen nach
wie vor sehr häufig sind, brachte uns
auf die Idee, unseren Empfehlungen
Bild: Stockxpert
den Grundsatz „Bei Varianten die herkömmliche“ zugrunde zu legen. Wo die
herkömmliche Schreibung wieder gestattet ist, empfehlen wir also diese, und
wohlverstanden nicht etwa aus Nostalgie, sondern schlicht und einfach, weil
sie nach wie vor die beliebtere und fast
immer auch die bessere ist.
Wir bauen bewußt auf dem amtlichen
Regelwerk 2006 auf, andererseits aber
ignorieren wir fast vollständig die
Empfehlungen von Duden und Wahrig. Die beiden Wörterbücher weichen
bekanntlich sehr oft voneinander ab
und sind generell noch viel zu reformhörig. Daß die deutschen Nachrichtenagenturen den Konsens dieser beiden
Wörterbücher zu ihrem ersten Kriterium gemacht haben, war ein diplomatischer Schnitt ins eigene Fleisch. Denn
jetzt müssen sie zahllose gleichartige
Fälle je unterschiedlich schreiben,
nämlich zum Beispiel „wach liegen“,
aber „stillsitzen“, „flach klopfen“, aber
„schieftreten“, „krumm biegen“, aber
„geraderichten“, „naß schwitzen“, aber
„trockenreiben“ – oder auch „Mammografie“, aber „Choreographie“. Das ist
natürlich völlig untauglich.
Die Fensterputzer
der Rechtschreibung
Wir von der SOK haben unseren Vorschlag ganz bewußt als Empfehlung
deklariert. Mit der Rechtschreibung
soll unseres Erachtens niemand reich
werden. Eine gute Orthographie ist
unsichtbar. Sie gleicht einer sauber
geputzten Fensterscheibe eines Gipfel-
restaurants in den Alpen, die den ungehinderten Blick hinaus in die wunderbare sonnige und weiß verschneite
Bergwelt erlaubt: Wenn ich lese, möchte ich von der Orthographie möglichst
nichts merken, sondern mich ganz auf
den Textinhalt konzentrieren können –
egal ob ich ihn dann genieße oder mich
über ihn ärgere. Die deutsche Rechtschreibung aber ist 1996 mutwillig und
völlig unnötig aus dem Zustand einer
praktisch einhellig als gut empfundenen, ganz unauffälligen Rechtschreibung zu einer gemacht worden, die uns
dauernd anspringt, die auffällt und uns
vom Inhalt ablenkt.
Erste Erfolge unserer Bemühungen
sind nicht ausgeblieben. Am enthusiastischsten begrüßt werden unsere
Empfehlungen von den Druckmedien.
So hat Mitte des vergangenen Jahres
in unserem Land zuerst die Konferenz
der Chefredaktoren und im Frühherbst
dann auch der Verband Schweizer
Presse beschlossen, die Empfehlungen der SOK zu unterstützen und deren Umsetzung ihren Redaktionen ans
Herz zu legen. Auch unsere nationale
Nachrichtenagentur, die Schweizerische Depeschenagentur (SDA), hält
sich seit längerem an unsere Empfehlungen, ferner verschiedene Tageszeitungen und Zeitschriften. Besonders wichtig ist für uns, daß die Neue
Zürcher Zeitung, die sich schon von
Anfang an deutlich von der Reform
distanziert hatte, eine Rechtschreibung
pflegt, die in den meisten Punkten mit
unseren Empfehlungen übereinstimmt
und uns bei der Arbeit in vielem Vorbild war.
Wir sind uns aber durchaus im klaren,
daß der Wettstreit noch lange nicht gewonnen ist. Es ist besonders der offizielle Sektor, der uns Kopfzerbrechen
macht. Die Politik und Administration
wird schließlich – wenn die Verlage
und seriösen Druckmedien zu einer einheitlichen Rechtschreibung zurückgekehrt sind – ganz von selbst einlenken.
Wahrscheinlich werden sie das Schlußlicht bilden. Aber die mutigeren unter
den Politikern werden bestimmt schon
etwas früher reagieren, zum Beispiel
indem sie den Lehrkräften die unsinnigen Reformschreibungen nicht weiter
stur vorschreiben. Und die Schule, die
hauptleidtragende Institution, dürstet
nach einem pragmatischen Weg! Hier
gibt es ein kluges Votum von Anton
Strittmatter aus der Geschäftsleitung
des Schweizer Lehrerverbands: „Die
Lehrer dürften sich an der Schreibweise der seriösen Leitmedien orientieren. Die können sich weder eine
Rechtschreibverluderung noch einen
dünkelhaft-germanistischen Volksbelehrungsstil leisten. Sonst werden sie
einfach nicht mehr gekauft.“
Ich rechne damit, daß in spätestens fünf
Jahren die ungeschicktesten Reformschreibungen aus den Regelwerken
und Wörterbüchern wieder herauszufallen beginnen und daß in zehn Jahren
wieder eine einigermaßen einheitliche
Rechtschreibung herrschen wird. So
homogen, wie sie bis 1996 war, wird
sie zwar noch lange nicht wieder sein.
Aber wenn die beiden langfristigen
Tendenzen, Zusammenschreibung und
Kleinschreibung von Nicht-Substantiven, wieder in Ruhe wirken dürfen und
wenn wieder zur altbewährten langfristigen Strategie der Beobachtung und
der Stärkung des Beliebtesten und Besten übergegangen wird, werden wir
dem Ziel ziemlich bald wieder recht
nahekommen.
Empfehlungen
Zum Schluß möchte ich Ihnen nun noch
ganz kurz die wichtigsten Empfehlungen der SOK vorstellen. Am wichtigsten ist der Grundsatz, bei Varianten
die herkömmliche Schreibung zu benutzen, sofern sie das Regelwerk 2006
gestattet. Dieser Grundsatz führt schon
sehr weitgehend zu einer guten Rechtschreibung, und er wird mit kleineren
Abweichungen von wichtigen Medien
angewandt, in der Schweiz zum Beispiel von der NZZ, in Deutschland von
der FAZ, der Süddeutschen Zeitung
und dem Spiegel. Wo dieser Grundsatz
aber nicht zum Ziel führt, ist guter Rat
etwas teurer, und da gibt die SOK nun
detaillierte Empfehlungen:
Erstens empfiehlt sie in einigen Fällen, der Regelung 2006 nicht zu folgen. Dies betrifft die willkürlichen
ä-Schreibungen vom Typ „Gämse“,
die falschen Herleitungen vom Typ
„nummerieren“, die meisten Fälle des
Bereichs Groß- und Kleinschreibung,
den der Rat für Rechtschreibung, wie
erwähnt, für das Regelwerk 2006
noch nicht wieder überdenken durfte,
sodann die unsinnige Regelung, daß
nach Ziffern in gewissen Fällen (35mal, 23-jährig) neu ein Bindestrich
gesetzt werden müsse, in anderen aber
nicht (04er, 20stel) oder nicht unbedingt (16fach/16-fach), und schließlich
den Bereich Fremdwörter und ein paar
kleinere Dinge.
Zweitens gibt die SOK Empfehlungen
in Fällen ab, in denen der Grundsatz
deshalb zu keiner eindeutigen Entscheidung führt, weil keine oder umgekehrt
mehrere herkömmliche Schreibungen
nach der Regelung 2006 richtig sind.
Hier finden sich zum Beispiel die Fälle
„aufseiten“, „aufgrund“, „anstelle“, für
die wir – der erwähnten langfristigen
Tendenz gemäß – Zusammenschreibung empfehlen.
Das ist eigentlich schon alles! Der Rest
ist Detailinformation. Ich lade Sie nun
herzlich ein, www.sok.ch zu besuchen,
mitzudenken und uns fleißig Ihre Eindrücke und Kritiken zukommen zu
lassen. Ferner würden wir uns, wie
mein Kollege Urs Breitenstein letzten
Sommer schon der Forschungsgruppe
Deutsche Sprache ans Herz gelegt hat,
riesig freuen, wenn die SOK bald Geschwister, vielleicht mit dem Namen
DOK und ÖOK, bekommen sollte. Wir
würden mit diesen liebend gern zusammenarbeiten.
Und vor allem: Wir haben nun mehr
als zwölf Jahre geschimpft und uns
geärgert. Die Reform ist inzwischen
entlarvt und hat auch längst ihren Nimbus der Fortschrittlichkeit eingebüßt.
Laßt uns deshalb lieber frohgemut
und pragmatisch – und ohne uns über
jede Schreibung, die uns nicht paßt,
aufzuregen – auf das einzig sinnvolle
gemeinsame Ziel hinarbeiten: in etwa
zehn Jahren wieder eine einigermaßen
einheitliche und möglichst sprachrichtige deutsche Rechtschreibung zu haben!
Dies ist ein Auszug aus einem Vortrag,
den Prof. Dr. Rudolf Wachter (Basel/
Lausanne) am 17. Januar 2009,
dem 2. Jahrestag der Gründung der
Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft, im Spiegelsaal des Schlosses
Köthen/Anhalt hielt.
www.sok.ch
Anstöße
Seite 4
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 35_Frühling 2009
SALE? Nicht mit uns!
Eine neue Aktion der DEUTSCHEN SPRACHWELT
Von Thomas Paulwitz
S
chluß mit dem Ausverkauf der deutschen Sprache!“ Unter dieser Überschrift
begann die DEUTSCHE
SPRACHWELT (DSW) im
Januar die Anti-SALE-Aktion. In einer Aussendung zum
Winterschlußverkauf forderte
sie die Geschäftsleute dazu
auf, eine kundenfreundliche
Sprache zu verwenden und
auf Werbeanglizismen wie
„SALE“ zu verzichten. Für
eine begleitende Protestaktion
ließ die DSW 6 000 Aufkleber drucken (siehe Abbildung)
und verbreitet ein Flugblatt
(links unten).
geben. Darum bieten wir im
Rahmen der Anti-SALE-Aktion kostenlos ein vorgefertigtes Protestschreiben und
einen Protestaufkleber an. Das
Schreiben kann jeder aus dem
Netz herunterladen oder von
dieser Seite kopieren und dafür
verwenden, sich in SALE-Läden zu beschweren. Den Aufkleber können Geschäftsleute,
die ohne SALE auskommen,
Der Sprachrettungsklub Bautzen/Oberlausitz schloß an ihren Schaufenstern anbrinsich der Anti-SALE-Aktion der DEUTSCHEN SPRACHWELT an. Der Vorsitzende Diethold Tietz (rechts) über- gen. Außerdem kann ihn jeder
gab im Geschäft Schmautz der Verkäuferin Manuela für ein Bekenntnis zur deutHoyer (links) ein Dankschreiben für den Verzicht auf schen Sprache nutzen. Er zeigt
Bild: Serbske Nowiny/M. Bulank ein durchgestrichenes „SALE“
englischsprachige Werbung.
und enthält den Leitspruch der
verschenken haben, sondern daß sie Aktion „Schluß mit dem Ausverkauf
Offenbar gilt in zahllosen Geschäften den Preis für bestimmte Waren redu- der deutschen Sprache“. Den Aufkle„Alles muß raus – auch die deutsche ziert haben. Warum schreiben sie das ber können Sie, solange der Vorrat
reicht, kostenlos unter bestellung@
Sprache“. Am auffälligsten ist dabei dann nicht hin? Gute Frage …
deutsche-sprachwelt.de oder über den
die Überflutung der Innenstädte mit
dem Wort „SALE“, nicht nur zur Zeit CDU-Bundesvorstandsmitglied Bestellschein auf Seite 5 anfordern.
des Winter- oder Sommerschluß- Erika Steinbach von der Initiative
verkaufs. Das ganze Jahr heißt es: „Sprachlicher Verbraucherschutz“ Ziel der Aktion ist es nicht nur, die
SALE, SALE, SALE. Auf deutsch hatte bereits in DSW 24 auf Seite 4 Innenstädte von der SALE-Seuche zu
bedeutet dieses Wort nichts ande- geschrieben: „Wer erlebt hat, wie ein befreien, sondern auch ein Umdenken
res als „Verkauf“, wenn es aus dem betagtes Frauchen ratlos vor einem in der Geschäftswelt zu bewirken. Es
Englischen kommt. Es ist aber auch Kaufhaus steht, auf dessen Schaufen- muß wieder selbstverständlich werden,
das italienische Wort für „Salz“ und stern in großen Buchstaben ‚SALE‘ die Kunden in ihrer Sprache anzuspredas französische für „schmuddelig“. zu lesen ist, und das leise irritierte chen. Ausdrücke wie „Kaffee to go“
Wird in den SALE-Läden Salz ange- Murmeln ‚Ist Sale nicht ein Fluß?‘ ziehen Spott auf sich. Wann verstehen
boten? Nein. Bieten sie schmuddeli- mitbekommt, dem wird schlagartig die Werbestrategen das endlich?
ge Ware feil? Auch nicht. Verkaufen klar: Hier stimmt etwas nicht mehr
sie etwas? Ja: welch ein Wunder! Mit im Lande.“
Der Sprachrettungsklub Bautzen/
dem Hinweis auf „Verkauf“ (engl.
Oberlausitz (SRK) unter der Füh„sale“) wollen die Ladenbesitzer je- Wir sind der Meinung: Auf die deut- rung von Diethold Tietz griff die
doch nicht betonen, daß sie nichts zu sche Sprache darf es keinen Rabatt Anti-SALE-Aktion der DEUT-
60%
30%
70%
SALE
50%
20%
40%
[sale (italienisch): „Salz“] – [sale (französisch): „schmuddelig“]
Liebe Verkäuferin, lieber Verkäufer!
Wäre es nicht schön, wenn alle Bürger die Beschriftungen
im eigenen Land verstehen könnten?
Leider machen Sie es mir schwer, in Ihrem Geschäft einzukaufen. Überall bei Ihnen lese ich das unverständliche und
unnütze Wort „SALE“. Warum bemühen Sie sich denn
nicht, die Kunden in ihrer Sprache anzusprechen?
Wir alle müssen darauf achten, daß unsere Kinder ihre Muttersprache richtig und unverfälscht lernen.
Geben Sie 100 Prozent für unsere Sprache! Unterstützen
auch Sie die Aktion „Schluß mit dem Ausverkauf der deutschen Sprache“. Die Kunden werden es Ihnen danken.
Leiten Sie diese Botschaft bitte
an den Geschäftsführer weiter. Danke!
Schluß
mit dem Ausverkauf der deutschen Sprache!
Diese Aktion wurde von der Zeitschrift „Deutsche Sprachwelt“ ausgerufen.
Chefredakteur: Thomas Paulwitz (V.i.S.d.P.), Deutsche Sprachwelt, Postfach 1449, D-91004 Erlangen.
www.deutsche-sprachwelt.de – schriftleitung@deutsche-sprachwelt.de
Bestellen Sie den Aufkleber auf Seite 5 oder über eine Nachricht an
bestellung@deutsche-sprachwelt.de!
SCHEN SPRACHWELT sogleich
auf. Der SRK besuchte 27 Geschäfte
in Bautzen. Von diesen warben lediglich 13 auf deutsch. Diese erhielten
ein Dankschreiben der Sprachretter.
Die „schwarzen Schafe“ erhielten
das Anti-SALE-Flugblatt der DSW.
Dabei stellte sich heraus, daß die
Verkäufer mit den Sprachrettern oft
einer Meinung waren. Sie sagten in
der Regel zu, das Protestschreiben
an die Geschäftsführung weiterzureichen, und betonten, daß man es
vernünftiger fände, wenn „die dort
oben“ verständlich würben.
Vorbildlich verhielt sich auch der
Sprachschützer Wolfgang Strempel,
der als gebürtiger Köthener auch
den Anstoß für die Wiedergründung
der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft gegeben hatte: Er reimte ein
Gedicht (siehe Kasten), mit dessen
Hilfe er in Bremerhavener Geschäf-
ten protestierte, die SALE-Anzeigen
geschaltet hatten. Binnen zehn Tagen verzichteten zwei der Geschäfte in ihren Anzeigen auf den Zusatz
„SALE“. Statt dessen hieß es wieder
„Winterschlußverkauf“.
Die Saale ist ein deutscher Fluß
Bekannt im ganzen Land.
Die SALE mit nur einem „a“
Ist doch recht hirnverbrannt.
Die Santa Sale – was ist das?
Und Summer Sale auch?
Hört mit dem Blödsinn endlich auf,
Und dann verstehen wir Euch auch.
Wolfgang Strempel, Bremerhaven
Verwenden Sie die Vorlage links unten auf dieser Seite oder laden Sie
das SALE-Protestschreiben herunter: www.deutsche-sprachwelt.de/
archiv/SALE-Protestschreiben.pdf
Die DSW in der Presse
Die „Nürnberger Nachrichten“ schrieben am 5. Februar 2009:
„Schluß mit dem Ausverkauf
der deutschen Sprache“
omentan fordern die Denglisch-Gegner selbstredend „Schluß mit
M
dem Ausverkauf der deutschen Sprache“ durch die allgegenwärtigen
„Sale“-Werbetafeln in den Kaufhäusern. Eine kundenfreundliche Sprache
würde einfach von Winterschlußverkauf reden und auf Werbe-Anglizismen
verzichten, meint die Erlanger Sprachzeitung „Deutsche Sprachwelt“.
Auf die deutsche Sprache dürfe es keinen Rabatt geben; offenbar gelte in
vielen Geschäften: „Alles muß raus – auch die deutsche Sprache.“ Die
Geschäftswelt müsse umdenken. Deshalb bietet die „Sprachwelt“ Protestschreiben und -aufkleber für Mitstreiter an.
Gesucht: Die besten
deutschen Werbesprüche
U
m die deutsche Sprache in der
Werbung zu fördern, unterstützt die DEUTSCHE SPRACHWELT gemeinsam mit „Centaur“,
dem Kundenmagazin der Drogeriekette Rossmann, den Wettbewerb
„Die besten deutschsprachigen Werbesprüche“. Die Aktion Deutsche
Sprache (ADS) sucht die besten
deutschen Werbesprüche in Industrie,
Handel, Handwerk und Dienstleistungsgewerbe, die vom 1. April bis
zum 31. Juli 2009 verbreitet worden
sind. Die ADS möchte damit nachweisen, daß auch in deutscher Sprache ideenreich, treffsicher und witzig
einprägsam und werbewirksam um
Kunden geworben werden kann.
Der Wettbewerb findet in vier Kategorien statt: Industriewerbung (zum
Beispiel Philips, Bosch, DaimlerBenz), Handelswerbung (zum Beispiel EDEKA, REWE, Mediamärkte), Werbung im Handwerk (zum
Beispiel Installateure, Bäckereien,
Dachdeckereien) und Werbung für
Dienstleistungen (zum Beispiel Banken, Versicherungen, Telekom). Bewertet werden Ideenreichtum, Treffsicherheit und Humor.
Jeder Teilnehmer kann je Kategorie
bis zu drei Werbesprüche einsenden.
Anzeigen und Prospekte sind im Original, Werbesprüche auf Plakaten und
Fahrzeugen sind fotografisch (analog
im Format 13 x 18 cm oder digital im
jpg-Format in der Auflösung von 300
dpi) einzureichen. Jedes Werbemittel
oder Foto ist mit den folgenden Angaben zu versehen: Vor- und Nachname, Anschrift und Telefonnummer
des Einsenders. Ferner ist anzugeben,
wann und wo der Werbespruch veröffentlicht worden ist.
Das Preisgericht besteht aus der Aktion Deutsche Sprache, dem Sprachrettungsklub Bautzen, der Neuen
Fruchtbringenden Gesellschaft zu
Köthen/Anhalt, dem Kundenmagazin
„Centaur“ der Dirk Rossmann GmbH
und der DEUTSCHEN SPRACHWELT (DSW). Die Namen der Preisträger werden sowohl im Kundenmagazin „Centaur“ als auch in der DSW
veröffentlicht. In allen vier Kategorien ist ein 1., ein 2. und ein 3. Sachpreis ausgesetzt. Sie werden am 28.
August dieses Jahres übergeben oder
versandt.
Einsendungen an: Aktion Deutsche
Sprache e. V., Stichwort: Werbesprüche, Lothringer Straße 33 B, 30559
Hannover oder centaur@rossmann.de.
Einsendeschluß ist der 31. Juli 2009.
Leserdienst
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 35_Frühling 2009
Farbe bekennen!
32 Sommer 2008
Faltblatt
Lieferbare Ausgaben
35 Frühling 2009
34 Winter 2008/09
U
nser neues Faltblatt „Rettet
die deutsche Sprache“ findet
weiterhin reißenden Absatz. 9 000
Stück sind bereits gezielt verteilt
worden: die meisten durch unsere Leser. Bestellen und verbreiten
auch Sie das Faltblatt und klären
Sie über die Sprachpflege und die
DEUTSCHE SPRACHWELT auf!
Den Bestellschein finden Sie auf
dieser Seite.
Unsere Arbeit
ist abhängig
von Ihrer Spende!
Verein für Sprachpflege e.V.
Bundesrepublik Deutschland
Stadt- und Kreissparkasse Erlangen
Bankleitzahl 763 500 00
Kontonummer 400 1957
BIC: BYLADEM1ERH
IBAN: DE63763500000004001957
Republik Österreich
Volksbank Salzburg
Bankleitzahl 45010
Kontonummer 000 150 623
Unter anderem: Thomas Paulwitz: Kein
Europa ohne Deutsch / Wolfgang Reinhart: Stärkt Deutsch in Europa! / Karin
Pfeiffer: Wie Kinder heute das Schreiben
lernen müssen / Thomas Paulwitz: Zum
gegenwärtigen Stand der Rechtschreibreform / Hermann H. Dieter: Was Sprachbilder vermögen (Teil 2) / Gespräch mit
Richard G. Kerschhofer, dem Verfasser
eines angeblichen Tucholsky-Gedichts /
Buchbesprechungen / Beiträge der Schülerinnen Diana V. Behr, Undine Schenke und Anna-Maria Weigelt aus dem
Schreibwettbewerb „Schöne deutsche
Sprache“ 2008 / Sprachsünder-Ecke:
Deutsche Welle / Thomas Paulwitz:
Kommt Deutsch ins Grundgesetz? / Ausstellungen zur deutschen Sprache / Angelika Davey: Über den Abbau des Fremdsprachenunterrichts in England / Klemens
Weilandt: Ein genialer Ski / Altweibersommer frauenfeindlich? / Wolfgang
Hildebrandt: Swinging Christmas auf
der Wartburg (Anglizismenmuffel)
33 Herbst 2008
Unter anderem: Thomas Paulwitz: Eine
Leitkultur zerfällt / Josef Kraus: Wider
die Selbstvergessenheit einer Sprachnation (Rede zur deutschen Sprache) / Hermann H. Dieter: Was Sprachbilder vermögen (Teil 1) / Ferdinand Urbanek:
Sportler-Deutsch: Das gesprochene Wort
(Teil 2) / Thomas Paulwitz: Sinkt Sicks
Stern? / Wolfgang Hildebrandt: Einspruch, Herr Sick! / Heinz Böhme: Happy oder Aua? / Albrecht Balzer: Rettet
die Fälle, bevor sie uns davonschwimmen
/ Hartmut Koschyk: Deutsch gehört ins
Grundgesetz! / Georg Ochsner: Wird
es bald Netzanschriften mit „ß“ geben?
/ Sprachsünder-Ecke: „Hall of Fame des
deutschen Sports“ / Astrid Vockert:
Freude an der Muttersprache wecken
/ Dieter Althaus: Verteidigen wir die
deutsche Sprache! / Petra Wust: Bitterfeld-Wolfen kämpft gegen englische
Straßennamen / Klemens Weilandt: Der
Nachruf – eine üble Nachrede? / HeinzPeter Haustein: Deutsch nicht in die
Mottenkiste / Wolfgang Hildebrandt:
Sprachbankrott (Anglizismenmuffel)
Unter anderem: Thomas Paulwitz: Ein
Haus für die deutsche Sprache / Jürgen
Trabant: Globalesisch ist ein Sprachenkiller / Rominte van Thiel: Die
große Büchervernichtung / Dagmar
Rosenstock: Zur Geschichte des Wortes „deutsch“ (Teil 3) / Hartmut Heuermann: Zehn Thesen zu Sprachkultur
und Sprachverfall / Ferdinand Urbanek:
Sportler-Deutsch: Das geschriebene
Wort (Teil 1) / Thomas Paulwitz: Gebt
der deutschen Sprache eine Zukunft!
Stellungnahmen im „Lesesaal“ der
F.A.Z. / Oliver Höher bespricht Jutta
Limbachs „Hat Deutsch eine Zukunft?“
/ Rominte van Thiel bespricht Eike
Christian Hirschs „Deutsch kommt
gut“ / Heinz Böhme: Immer noch mit
der gleichen Frau verheiratet? / Hellmut
Seiler: Sprachschmuddelei / Sprachsünder BASF antwortet auf Kritik / Sprachsünder-Ecke: Peterstaler Mineralquellen
(„Black forest“) / Diethold Tietz: Zehn
Jahre Sprachrettungsklub Bautzen/
Oberlausitz e. V. / Urkundenübergabe
an Initiative „Sprachlicher Verbraucherschutz“ / Wolfgang Hildebrandt: Waterboarding (Anglizismenmuffel)
31 Frühling 2008
Unter anderem: Thomas Paulwitz:
Ammenmärchen auf englisch – Irrwege der Bildungspolitik: Frühenglisch
und Immersionsunterricht / Wolfgang
Hildebrandt: Ein boshaftes Blendwerk
– das Buch „Ausgewanderte Wörter“
/ Thomas Paulwitz: Nichts als heiße
Luft: Fünf Jahre Deutscher Sprachrat
/ Wörter mit Migränehintergrund? /
Mit Rechnerlinguistik Muttersprachen
retten – Gespräch mit Klaus Däßler /
Dagmar Rosenstock: Zur Geschichte
des Wortes „deutsch“ (Teil 2) / Diethold Tietz: Im Lustgarten der Wortspiele – Gespräch mit Reinhard Risch
/ Thomas Paulwitz: Fremde Melodien
für Millionen: Nord-rhein-Westfalens
Bürger sollen sich mit Englisch identifizieren / Rominte van Thiel: Langenscheidts „Übelsetzungen“ / Gespräch
mit Reiner Kunze über eine neugegründete Stiftung / Sprachwahrer des Jahres 2007 / Sprachsünder-Ecke: BASF /
Niedersachsens Politiker wollen Anglizismenflut bekämpfen / NFG feiert einjähriges Bestehen / Klemens Weilandt:
„Sorge um’s Image der FAZ“ / Gegenhalten statt Einknicken: Kommentar von
Thomas Paulwitz zur FAZ / Wolfgang
Hildebrandt: Loveletters für Zumwinkel (Anglizismenmuffel)
Lieferbar sind auch noch alle früheren
Ausgaben. Die Inhaltsverzeichnisse
sämtlicher Ausgaben finden Sie unter
www.deutsche-sprachwelt.de/
archiv/papier/index.shtml.
Seite 5
Geben Sie der schweigenden Mehrheit eine Stimme
Z
ur Sprache gehört auch das
Schweigen. In der Stille können
die besten Gedanken reifen. Doch
manchmal ist Schweigen nicht Gold,
sondern Blech, nämlich dann, wenn
die Mehrheit ihr Stimmrecht an eine
Minderheit verliert. Im Grunde vertreten die Sprachfreunde ein Anliegen
der Mehrheit – denn wer sollte kein
Interesse an verständlicher Sprache
haben? Wenn die Mehrheit jedoch
schweigt, kann sie von einer Minderheit beherrscht werden. Nutzen
Sie Ihre Stimme. Sie wissen, daß Sie
nicht allein sind. Das können Sie tun:
n Versammlungen: Schweigen Sie
nicht, wenn ein paar vom Zeitgeist
besoffene Mitbürger eine Versammlung auf Linie in Richtung
Verdrängung und Verschandelung
unserer Sprache bringen wollen.
Denken Sie daran, daß die schweigende Mehrheit hinter Ihnen steht.
Sie wird aufhören zu schweigen,
wenn Sie sie mit Ihrem Mut anstecken. Und unterstützen Sie
Mitbürger, die diesen Mut bereits
aufgebracht haben, nicht nur durch
Schulterklopfen.
n Faltblätter: Führen Sie unser Faltblatt „Rettet die deutsche Sprache“
in Ihrer Jacken- oder Handtasche mit.
Bei passender Gelegenheit können
Sie es herausholen, um Ihre Haltung
zu verstärken und zu verdeutlichen.
n Aufkleber: Kleben Sie den Sprachverderbern eine und bekennen Sie
Farbe mit unserem neuen Aufkleber „Schluß mit dem Ausverkauf
der deutschen Sprache!“
n Briefe: Schreiben Sie an die Verantwortlichen; seien es Leserbriefe oder Briefe an Politiker, Geschäftsführer und so weiter. Steter
Tropfen höhlt den Stein!
n Ansprache: Melden Sie sich zu
Wort. Sprechen Sie aus, was Sie
stört. Nur so spüren die Verantwortlichen, daß es Widerstand
gibt. Betonen Sie den Wert einer
verständlichen Sprache. Sprechen
Sie die Lehrer Ihrer Kinder an, Ihren Wahlkreisabgeordneten, Ihren
Bürgermeister, den Redakteur Ihrer Heimatzeitung, den Verkäufer
in dem Geschäft, in dem Sie immer einkaufen. Wenn Ihr Nachbar oder Arbeitskollege ohne
nachzudenken dem Zeitgeist das
Wort redet, kann Ihr freundlich
vorgetragener Einspruch zu einer
durchdachteren Sichtweise beitragen.
Durchbrechen Sie mit uns die
Schweigespirale.
Ihre DEUTSCHE SPRACHWELT
schriftleitung@deutsche-sprachwelt.de
Die zehn sprachpolitischen Forderungen
1. Deutsch muß im öffentlichen Raum die vorrangige Sprache sein.
2. Die Unterrichtssprache in Schulen und Hochschulen ist Deutsch.
Deutsch muß nationale Wissenschaftssprache sein.
3. Die deutsche Rechtschreibung muß einheitlich geregelt sein.
4. Deutsch muß in der Europäischen Union Arbeits- und Veröffentlichungssprache sein.
5. Die deutschen Mundarten und die deutsche Schrift sind besonders
zu schützen.
6. Die Beherrschung der deutschen Sprache ist Voraussetzung für
Einbürgerung und langfristigen Aufenthalt.
7. Bildung und Familie müssen gefördert werden, um die deutsche
Sprache zu stärken.
8. Die deutsche Sprache muß auch im Ausland gefördert werden.
9. Die deutsche Sprache ist vor politischem Mißbrauch zu schützen.
10. Ein neuer Deutscher Sprachrat betreut die Erfüllung dieser
Forderungen.
Mehr auf unserer Netzseite www.deutsche-sprachwelt.de/forderungen.shtml
Bitte deutlich schreiben!
Unterstützen Sie die DEUTSCHE SPRACHWELT. Sie haben drei Möglichkeiten:
1. Die Spende
2. Die Bestellung
3. Die Empfehlung
Bitte nutzen Sie den beigelegten Zahlschein für Ihre
Spende. Mit einer Einzugsermächtigung ersparen
Sie sich den Gang zur Bank. Über die Einrichtung
von Daueraufträgen freuen wir uns sehr.
Wir bitten um eine Spende zur Deckung unserer Kosten
auf das Konto des Vereins für Sprachpflege e.V.
Bitte senden Sie die DEUTSCHE SPRACHWELT auch an:
Einzugsermächtigung
Zur Erhaltung der DEUTSCHEN SPRACHWELT
möchte ich den Verein für Sprachpflege e. V.
regelmäßig unterstützen. Darum ermächtige ich
diesen Verein,
einmalig - vierteljährlich - halbjährlich - jährlich
[Nichtzutreffendes bitte durchstreichen]
einen Betrag von EURO
von meinem Konto abzubuchen.
Diese Einzugsermächtigung kann ich jederzeit
widerrufen.
Bank
Bankleitzahl
Kontonummer
Datum und Unterschrift
Meine Anschrift
regelmäßiger Bezug
Bitte senden Sie mir regelmäßig kostenlos und unverbindlich die DEUTSCHE SPRACHWELT. Bei
Gefallen werde ich sie mit einer Spende unterstützen.
Ich verpflichte mich aber zu nichts.
Mehrfachbezug
Ich besitze eine Arztpraxis oder habe eine andere
Gelegenheit, die DSW auszulegen. Bitte schicken
Sie mir von jeder neuen Ausgabe ______ Stück.
Nachbestellung
Bitte liefern Sie mir:
______ DSW-Ausgabe(n) Nr.______ (kostenlos)
NEU! ______ Faltblätter „Rettet die deutsche Sprache!“
(kostenlos)
______ Stück der Broschüre „Gebt der deutschen
Sprache eine Zukunft! Antworten im ‚Lesesaal‘
der F.A.Z.“ von Thomas Paulwitz. Für das Büchlein habe ich 5 Euro als Spende überwiesen.
NEU! ______ Aufkleber „Schluß mit dem Ausverkauf
der deutschen Sprache!“ (kostenlos!; 9,5 x 14,5
cm; farbig; witterungsbeständig)
Schicken Sie den ausgefüllten Bestellschein bitte an:
DEUTSCHE SPRACHWELT, Postfach 1449, D-91004 Erlangen
1
Name, Vorname
Straße, Postleitzahl und Ort
2
Name, Vorname
Straße, Postleitzahl und Ort
3
Name, Vorname
Straße, Postleitzahl und Ort
4
Name, Vorname
Straße, Postleitzahl und Ort
5
Name, Vorname
Straße, Postleitzahl und Ort
6
Name, Vorname
Geburtsdatum
Straße
Postleitzahl und Ort
Name, Vorname
Straße, Postleitzahl und Ort
Wirtschaft
Seite 6
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 35_Frühling 2009
Siemens spricht nur von „Compliance“
Vortrag vor der Hauptversammlung der Siemens AG am 27. Januar 2009
Erfahrungsbericht von Geert Teunis
D
fällt auf, daß sowohl Cromme und Löscher als auch die übrigen Redner das
Wort „Compliance“ ständig benutzen
(auch in Verbindungen wie „Compliance Monitor“, „Compliance Headman“, „Chief Compliance Officer“,
„Compliance-Problem“, „ComplianceProgramm“).
ie Besucher strömen ab 8 Uhr in
die Olympiahalle München. Ich
bin um 9 Uhr am Wortmeldetisch, fülle
meinen Wortmeldezettel aus und trage
das Thema „Denglisch bei Siemens“
ein. Es gibt keine Information darüber,
ob ich überhaupt zum Zuge komme
oder wann ich aufgerufen werde. Der
Ablauf und damit auch die Reihenfolge werden allein vom Versammlungsleiter, dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates Gerhard Cromme, festgelegt.
Die Versammlung beginnt um 10 Uhr.
9.500 Besucher in der Olympiahalle
hören die Berichte des Vorsitzenden
des Aufsichtsrates, Gerhard Cromme,
und des Vorsitzenden des Vorstands,
Peter Löscher. Beide Sprecher sagen,
daß Siemens trotz der „Compliance“Verstöße in Verbindung mit der Korruptionsaffäre der vergangenen Jahre
in der momentanen Wirtschaftskrise
bestens auf das kommende Geschäftsjahr vorbereitet ist. Löscher legt gute
Zahlen vor. Im „Sector Healthcare“
ist Siemens weltweit an die Spitze gerückt. Es fällt auf, daß Bezeichnungen
für Vorstandsbereiche durchweg englisch sind, zum Beispiel „Sector Industry“, früher Bereich Industrie, „Sector
Siemens-Hauptversammlung 2009
Healthcare“, früher Bereich Medizin,
„Corporate Finance and Controlling“,
früher Finanzen, „Supply Chain Management“, früher Einkauf.
Um 12 Uhr wird die Generaldebatte eröffnet. Für Redner stehen zwei
Sprechpulte zur Verfügung. Die in den
Hinweisen für Redner angegebene Re-
Bild: Siemens-Pressebild
dezeit von maximal 15 Minuten wird
aufgrund der insgesamt 42 Wortmeldungen auf zehn Minuten festgelegt.
Damit liege ich mit meinem Manuskript im Zeitrahmen. Zuerst sprechen – wie auf Hauptversammlungen
üblich – die Vertreter der Banken und
Aktionärsvereinigungen. Die SiemensFührung wird überwiegend gelobt. Es
„Sie sind dabei,
die deutsche Sprache abzuschaffen!“
Geert Teunis auf der Siemens-Hauptversammlung
am 27. Januar 2009 in München
H
err Vorsitzender, sehr geehrte
Damen und Herren! Ich bin mit
dem Zug angereist und mußte feststellen, daß man bei der Deutschen Bahn
fundierte Englischkenntnisse benötigt:
Ticket, Service Point, McClean, Touchpoint, Touch and Travel, Surf and Rail
– all das muß man voll drauf haben.
Aber auch sonst geht es im Alltag
nicht mehr ohne Sale, Back-Factory,
Flatrate, Facility Manager, Flyer, Entertainment. Ohne skypen, simsen,
voipen oder downloaden ist man nicht
mehr up to date. Überall ist Denglisch,
dieses Kauderwelsch aus Deutsch und
Englisch, auf dem Vormarsch.
Und bei Siemens? Ich hatte im Zug
Gelegenheit, den wiederum ausgezeichnet gestalteten Geschäftsbericht 2008 zu studieren. Es wimmelt
von Begriffen wie Industry, Energy,
Healthcare, Cross-Sector Businesses, Equity Investments, Performance,
People Excellence, Corporate Responsibility. Supply Chain Management,
Capital Market Days, Non-FinancialInhalte,
Energiespar-Contractings,
IT-Outsourcing-Anbieter und so weiter
und so weiter.
Selbst wenn man englische Grundkenntnisse hat oder meint, der englischen Sprache einigermaßen mächtig
zu sein, versteht man meist nur Bahnhof. Es ist weder begründbar noch
nachvollziehbar, daß Sie, Herr Löscher,
uns in der deutschen Fassung des Geschäftsberichts solchen Mischmasch
aus Deutsch und Englisch zumuten. Im
internationalen Geschäftsverkehr ist
die englische Sprache zweifellos ein
Muß für Siemens, aber deutsche Aktionäre und Kunden wollen in ihrer Muttersprache angesprochen werden, und
diese Sprache ist in Deutschland nun
mal Deutsch und nicht ein deutschenglisches Kauderwelsch.
Die Problematik bekommt einen ernsteren wirtschaftlichen Stellenwert,
wenn potentielle Kunden SiemensProdukte bestellen wollen. Dies möchte ich an einem Beispiel aus dem Hausgerätebereich erläutern. „Die Zukunft
zieht ein“ heißt es auf den Internetseiten der Siemens-Hausgeräte. So weit
so gut. Aber „Big is beautiful“ heißt es
dann für die Siemens-Küche bei den
Siemens-Produktlinien Extra-Klasse,
siemens-modul-line, myStart und aCool. Die a-Cool-Kältegeräte liefern
kaltes Trinkwasser und crushed ice mit
noFrost-Technologie, Multi-AirflowSystem und einem AirFresh-Filter. Die
neuen Waschvollautomaten verfügen
über einen aquaStop-Schlauch und
sind mit touchControl-Tasten ausgestattet.
Es gibt Kochherde mit activeClean,
touchSlider und powerInduktion für
eine coole Hitze. Geradezu lächerlich
wird es, wenn Siemens als deutsches
Unternehmen in Frankreich französisch, in Spanien spanisch, – aber in
Deutschland englisch wirbt. So lesen beispielsweise Passagiere auf
dem Flughafen Madrid den Spruch
„Siemens – la fuerza de la innovacion“, während dieselbe Firma auf dem
Frankfurter Flughafen mit „Siemens –
the force of innovation“ wirbt.
Herr Löscher, Sie und Ihre Führungskräfte sind auf dem besten Weg, die
deutsche Sprache abzuschaffen und
einen Zustand heraufzubeschwören,
in dem die Deutschen weder richtiges
Deutsch noch korrektes Englisch sprechen. [...] Warum erkennen Sie nicht,
was Ihr Volkswagen-Kollege Professor
Winterkorn erkannt hat, als er mir sagte, daß „die zu intensive Verwendung
englischer Begriffe in der deutschen
Sprache einen Kulturverlust bedeutet“?
Die Siemens-Werte Verantwortungsvoll, Exzellent und Innovativ bilden die
Basis des Unternehmensprogramms
„Fit 4 2010“. Das sind hohe Ansprüche. Diese gelten bisher aber nicht für
eine verantwortungsvolle, exzellente
und innovative Kommunikation mit
der Kundschaft. Deshalb muß sich bei
Siemens in puncto Denglisch möglichst bald etwas ändern. Herr Löscher,
Sie, Ihre Fachleute und wir Aktionäre
sollten das Thema Denglisch auf die
Tagesordnung setzen.
Mehr als drei Redner beanstanden das
Englische bei Siemens („Dafür gibt es
doch sicher auch ein deutsches Wort“,
„Schon wieder was Englisches“, „Viele Besucher hier haben viel Geld, können aber kein Englisch“). Um 15 Uhr
wird die Redezeit auf fünf Minuten
verkürzt, da noch 34 Wortmeldungen
vorliegen. Ich kürze daraufhin meinen
Text um die Hälfte! – Um 17 Uhr werde ich im vierten Rede/Antwort-Block
als Redner aufgerufen.
Löscher hört aufmerksam zu und sogar einmal zustimmend, obwohl ich
ihn persönlich angreife: „Sie und Ihre
Führungskräfte sind auf dem besten
Weg, die deutsche Sprache abzuschaffen.“ Der nachfolgende Redner
hat aufgrund meiner Ausführungen
von seinen drei Punkten den Punkt
Denglisch nicht vorgetragen. Er macht
lediglich noch den Vorschlag, „Compliance“ möge durch „Unternehmenskultur“ ersetzt werden. Herr Löscher
antwortet um 19 Uhr auf meinen Redebeitrag. Er zeigt sich aufgeschlossen
und sagt: „Ich finde es sehr ehrenwert,
daß Sie als Verfechter der deutschen
Sprache das Thema hier aufgreifen.
Das ist eine Aufgabe der Kommunikationsabteilung.“ Daraufhin gibt es
von den Aktionären Beifall, was sonst
nicht üblich ist.
Die Presse berichtete ausgiebig über
die Hauptversammlung. Dabei fiel
auf, daß zum Beispiel Financial Times
Deutschland, Süddeutsche Zeitung
und Berliner Zeitung (BZ) die in der
Hauptversammlung
verwendeten
englischen Wörter – abgesehen von
Zitaten – nicht wiedergaben, sondern
übersetzten.
Geert Teunis nutzt die Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften, um
für die deutsche Sprache einzutreten.
Vergleiche DSW 26, Seite 3 („VW gesteht Kulturverlust ein“) und Seite 4
(„Vom Kundendienst zum After Sales
Service. Geert Teunis auf der Hauptversammlung der Volkswagen-AG“).
Die DSW in der Presse
Zum Internationalen Tag der Muttersprache am 21. Februar 2009 verbreitete
die DEUTSCHE SPRACHWELT die folgende Pressemitteilung::
Tag der Muttersprache:
für verständliche Finanzsprache
rlangen, 20. Februar 2009 – Wird die „Hypo Real Estate“ zur „Pfandbriefbank“? Nach Auffassung von Sprachfreunden bietet der morgige
Internationale Tag der Muttersprache den Anlaß, sich im Finanzwesen auf
eine verständlichere Sprache ohne entbehrliche Fremdwörter zu besinnen.
Am Mittwochabend (18. Februar) hat der Sprachausschuß der 1644 gegründeten Nürnberger Sprach- und Literaturgesellschaft „Pegnesischer
Blumenorden“ über Fremdwortersetzungen beraten. Dabei schlug er unter
anderem „Pfandbriefbank“ für die zu rettende „Hypo Real Estate“ und für
„Bad Bank“ die deutsche Entsprechung „Auffangbank“ vor. Das berichtete heute der neue Leiter des Sprachausschusses, der Chefredakteur der
DEUTSCHEN SPRACHWELT, Thomas Paulwitz.
Unternehmen, Politiker und Medien ständen in der Verantwortung, für Verständlichkeit und Durchsichtigkeit zu sorgen. So schrieb „Spiegel online“
mißverständlich von „Bad-Banks, die Giftassets übernehmen sollen“. Auf
englisch bedeutet „gift“ Geschenk, gemeint waren jedoch „Giftanleihen“.
Deutsche Zeitschriften mit englischen Titeln wie „Young“ und „Tomorrow“ seien offenbar veraltet und von gestern und werden eingestellt, ironischerweise im Zuge eines „Change Programmes“ von Burda mit dem Titel
„Concentrate, Integrate, Innovate“. Paulwitz rief dazu auf, auch die deutsche Sprache in den Mittelpunkt eines Erneuerungsprozesses zu stellen.
Eine im Januar veröffentlichte Untersuchung von „Marketagent“ fand heraus, daß die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Banken oft
unverständlich sind. Fachleute schätzen den wirtschaftlichen Schaden, den
unverständliche Texte verursachen, auf mindestens eine Milliarde Euro
jährlich. Immer mehr Unternehmen entdecken daher wieder die Vorzüge
einer verständlichen deutschen Sprache, gerade Banken und Versicherungen. Besonders vorbildlich hätten sich in jüngster Zeit die „ING-DiBa
Austria“ und die NÜRNBERGER Versicherung hervorgetan, so Paulwitz.
Die ING-DiBa hat ihre AGB nach den Kriterien der Verständlichkeit und
Übersichtlichkeit vollständig umgeschrieben. Die NÜRNBERGER stellt
Mitarbeiter an, die „Versicherungsdeutsch in eine allgemein verständliche
und überzeugende Sprache“ übersetzen. Die DEUTSCHE SPRACHWELT
ruft Banken und Versicherungen dazu auf, diesen Beispielen zu folgen.
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Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 35_Frühling 2009
Einzigartiges Eurofon
In Berlin ist der Prototyp eines persönlichen
digitalen Sprachübersetzers zu sehen
S
eit über fünfzig Jahren versucht
die Informatik, den jahrhundertealten Traum eines automatischen
Sprachübersetzers zur Verständigung
von Menschen verschiedener Sprache zu verwirklichen. Bislang wurden
trotz großen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Interesses keine befriedigenden Ergebnisse erzielt.
Zwar gibt es gut funktionierende
Übersetzungsprogramme für umfangreiche Fachtexte mit spezialisiertem,
genau festgelegtem Vokabular, deren
Ergebnisse sich kaum von handübersetzten Texten unterscheiden. Das
spontane Gespräch jedoch bereitet
schier unüberwindliche Hindernisse.
Deshalb sind beim Gespräch zweier
Staats- oder Wirtschaftsführer im allgemeinen persönliche Dolmetscher
dabei, die die Gedanken und Absichten ihrer Kunden in beiden Sprachen genau artikulieren können. Der
Hauptgrund bisheriger Mißerfolge
der Rechnerlinguistik ist deren (falsche) Annahme, daß sich alle Sprecher auf einen gemeinsamen, festen
Begriffskontext beziehen, wie man
ihn bei Wikipedia, in Lexika oder gar
in der Bibel vorfindet, die in Hunderte
von Muttersprachen übersetzt wurde.
Das modernste, militärisch geförderte, US-amerikanische Übersetzerprojekt „TransTac“ beweist erneut, daß
man von diesem Prinzip nicht abgehen will, ebenso das soeben beendete
EU-Projekt „TC-Star“.
Aus den Erfordernissen wachsender
Weltkommunikation heraus favorisiert man nun die einfache WeltVerständigungssprache Global-Englisch, die immer mehr Menschen in
Industrie- und Entwicklungsländern
beherrschen und erlernen sollen. Ein
Problem dieses einheitlichen Ansatzes ist die massive Beeinträchtigung
der individuellen gedanklichen Vielfalt – der positiven Triebkraft des
kulturellen Fortschritts dieser Welt.
Besitzt die globalisierte Gesellschaft
die Kraft, in echter Mehrsprachigkeit
ihre kulturelle Vielfalt zu erhalten,
aber gleichzeitig frei und zwanglos
globale Kommunikation zu pflegen?
Eurofon beschreitet als derzeit
weltweit offenbar einziges Projekt
einen personenbezogenen Ansatz,
für den die einheitliche, in Lexika
festgeschriebene Bedeutung aktuell
verwendeter Begriffe nur noch eine
Grundlage ist – dies ist ein typisches
Merkmal eines echten Dialogs. Diesen Ansatz nennt man polykontextural. Eine wichtige Voraussetzung
hierbei ist, daß jede Person ihren eigenen kleinen Sprachpartner besitzt.
Der Sprecher spricht über eine
Mikrofongarnitur in sein Eurofon.
Dieses überträgt seine Lautfolge –
derzeit – mittels eines akustischen
Erkenners in einen sogenannten
Fließtext. Dieser Text wird auf der
Basis eines statisch-semantischen
und eines semiotischen Lexikons
(das ist ein dynamisches Lexikon
der persönlichen, wandelbaren
Begriffe des Sprechers) in ein
semiotisches Netz umgewandelt,
einen flüchtigen Graphen der aktuellen Äußerung des Sprechers,
der mittels sogenannter Basiskategorien aufgespannt wird.
Basiskategorien sind nichtsprachliche geistige Gebilde, die allen
Menschen aufgrund ihrer Reflexion derselben Welt gemeinsam
sind. Einige davon wurden schon
durch den deutschen Philosophen
Immanuel Kant entdeckt, andere
wurden durch den KünstlicheIntelligenz-Forscher
Hermann
Helbig zusammengetragen. Der
Graph wird, unkenntlich für die
Umwelt, auf das Eurofon des Gesprächspartners übertragen, das
ihn in einen Fließtext und diesen
in die dem Rezipienten vertraute
Lautsprache umsetzt.
Ausgangspunkt unserer Entwicklung ist die deutsche Sprache.
Der vorliegende Prototyp wird
für das Sprachpaar Deutsch/Englisch entwickelt. Er enthält, auch
aus Schutzgründen, noch keine
semiotischen Komponenten. Weitere Sprachpaare sollen folgen.
Aus: Die Sprache Deutsch.
Eine Ausstellung des Deutschen
Historischen Museums Berlin,
herausgegeben von Heidemarie
Anderlick und Katja Kaiser, Sandstein-Verlag, Dresden 2008, 384
Seiten mit 300 farbigen Abbildungen, 25,00 Euro (Museumsausgabe), mit hartem Einband 48,00
Euro (Buchhandel), Seite 244f.
Das Eurofon wird im Deutschen
Historischen Museum Berlin im
Rahmen der Ausstellung „die Sprache Deutsch“ vom 15. Januar bis 3.
Mai 2009 gezeigt. www.dhm.de
Wissenschaft
Seite 7
Sprachenvielfalt vor der Rettung?
Fragen an Klaus Däßler, den Erfinder des Eurofons
Wann wird denn das Eurofon am
Markt erscheinen?
DEUTSCHE
SPRACHWELT:
Herr Däßler, in der empfehlenswerten
Ausstellung „Die Sprache Deutsch“
im Deutschen Historischen Museum
Berlin wird Ihr Übersetzungsapparat
„Eurofon“ als einziges Ausstellungsstück der modernen deutschen Computerlinguistik gezeigt. Ist denn Ihre
Arbeit in Deutschland führend?
Klaus Däßler: Das anzunehmen
wäre wohl vermessen. Es ist eher
so, daß wir mit Eurofon und unserem Verständnis von Sprache eine
ganz andere Zielstellung verfolgen
als die herrschende Computerlinguistik, nämlich einen muttersprachlichpolykontexturalen Ansatz. Es gibt
tatsächlich weit über 1 000 deutsche
Computerlinguisten, an einer großen
Zahl von Lehrstühlen, in staatlichen
Projekten und in Forschungszentren,
sowie in den USA. Alle haben gemeinsam, daß für sie der Übergang
zu einer einheitlichen Weltsprache,
Global-Englisch, auch in Deutschland, praktisch vollzogen ist – das ist
ja die wissenschaftliche Realität, die
sie erleben, und vereinfacht ihre Aufgabe. So kommt es, daß es weltweit
meines Wissens keinen dem Eurofon
vergleichbaren Ansatz gibt, und das
mag die Schöpfer der Ausstellung inspiriert haben.
Klaus Däßler
gegenüber etwas sehr Genaues. Wo
er sich ungenau ausdrückt, spricht
auch dort eine wichtige Information.
Und die Begriffe und Befindlichkeiten der Gesprächspartner bedeuten
eben mehrere Kontexte, die wir berücksichtigen müssen.
DHM_DtSprachwelt_109x254
HALT
25.11.2008
13:35 Uhr
Seite 1
Sie sprachen vom „muttersprachlichpolykontexturalen Ansatz“, Ihrem Alleinstellungsmerkmal gegenüber der
internationalen Computerlinguistik.
Was ist denn der Unterschied zwischen Sprache und Muttersprache?
Muttersprache ist tief an nichtsprachliche Denkstrukturen des Menschen
gebunden; wir nennen sie Basiskategorien und bauen darauf auf. „Sprache“ in der Interpretation der Computerlinguistik wird als ein Gebilde
aus Wörtern, ihren festen, geordneten Bedeutungen, ihrer Wortlehre,
ihrer Satzlehre, Häufigkeit und ihrer
gegenseitigen Zuordnung, etwa in
einem Fremdsprachwörterbuch betrachtet – praktisch ein starres, formales System. Man wundert sich,
warum es mit der Sprachübersetzung einfach nicht glücken will; man
schiebt es auf die Ungenauigkeit des
Menschen und versucht es durch
massive Mehrdeutigkeitsanalyse zu
beheben. Das muß schiefgehen. Nach
unserer Interpretation ist die Äußerung eines Menschen einem anderen
die
DEUTSCH
Eine Ausstellung des
DEUTSCHEN
HISTORISCHEN MUSEUMS
15. Januar bis 3. Mai 2009
täglich 10-18 Uhr
Von Werner Pfannhauser
anz so abwegig ist diese Frage deutsch reden darf. Allerdings kommt
nicht! Die Zahl der Vorlesun- es vor, daß dem Professor selbst der
gen, die nur mehr in englischer Spra- deutsche Fachbegriff nicht einfällt.
che abgehalten werden, nimmt rapi- Ja, es gibt so etwas wie „Inländerdisde zu. Die Kommunikation zwischen kriminierung“ durch den AusschließStudenten erfolgt „mit Rücksicht“ lichkeitsanspruch der englischen
auf die Gaststudenten (ERASMUS) Sprache an den Universitäten.
zumeist auf englisch. Statt
Ein typisches Erleb– wie früher üblich und
nis: Ein ERASMUSauch gut angenommen –
Student aus Litauen
auch die Sprache des Gastkommt ans Institut.
landes zu erlernen, kann
Er spricht ganz ausgeder Gaststudent heute geDENGLISCH
zeichnet deutsch und
trost darauf verzichten.
ist auch etwas stolz
darauf. „Ja“, sagt er,
Unter die Räder kommt
„ich habe das in der
manch
österreichischer
Schule gelernt und bin
Student. Das deutsch geschriebene Lehrbuch kann er beisei- auch deshalb nach Österreich gegantelegen, dem englischen Vortrag des gen.“ Einige Wochen später meint
Professors folgt er mit Mühe. Wenn der gleiche Student: „Ich bin nicht
er zur Prüfung antritt, gewährt der glücklich. Meine Kolleginnen und
Professor großzügig, daß er auch auf Kollegen reden vorwiegend englisch
Siehe auch: Mit Rechnerlinguistik
Muttersprachen retten. Gespräch mit
Klaus Däßler zum Internationalen
Jahr der Sprachen 2008, in: DSW 31
(1/2008), Seite 4. Bestellmöglichkeit
auf Seite 5.
Anzeige
Werden unsere Universitäten englisch?
G
Bild: pau
Wir kämpfen bei vielen Instanzen um
eine Förderung, denn die Arbeit ist
hochkomplex und umfangreich; erfordert hohes Fachwissen und auch Geld.
Leider liegen wir bisher nicht im Modetrend, deshalb haben wir es schwer.
Es muß schnell gehen, denn der Ablösungsprozeß der Muttersprachen
durch die Globalsprache schreitet
rapide voran. Er würde durch das Erscheinen des Eurofons gestoppt. Wir
hoffen, binnen zwei bis drei Jahren
ein erstes verkaufbares Produkt anbieten zu können. Leider glaube ich nicht
an den Hauptgewinn. Mit ihm wäre
das Eurofon sehr schnell am Markt.
oder zumindest teilweise. Englisch
habe ich nicht gelernt. Jetzt muß ich
in Österreich Englisch lernen, um alles verstehen zu können.“
Begleitprogramm:
Lesungen, Vorträge,
Symposium
Filmreihe »Mundart«
im Zeughauskino
Infos: www.dhm.de
Prof. Dr. Werner Pfannhauser ist
Obmann der Interessengemeinschaft
Muttersprache in Österreich Graz
e. V., Postfach 43, A-8047 GrazRagnitz, Telefon und Telefax +43(0)316-302026,
muttersprache@
pfannhauser.at, www.pfannhauser.
at/muttersprache.
Pfannhauser erhielt im November
2008 das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik
Österreich, eine der höchsten Auszeichnungen, die der Staat zu vergeben hat. Am 21. Juni 2009 spricht
Pfannhauser auf dem Köthener
Sprachtag über Deutsch als Wissenschaftssprache (siehe Seite 12).
a
f
Ausstellungshalle von I.M. Pei
Unter den Linden 2
Berlin-Mitte
Besprechungen
Seite 8
Eide, Weistümer,
Rechtsspiegel
Früheste Beiträge zur Vereinheitlichung der deutschen Sprache
D
ie Verschriftlichung
des Rechts im Mittelalter schnitt nicht nur in
die Rechtskultur ein, sondern auch in die deutsche
Sprache. Zuvor hatte das
Recht jahrhundertelang auf
dem Ansehen des mündlichen Verfahrens geruht.
Die Ausbildung schriftlicher Rechtstraditionen leitete einen entscheidenden
Wandel sozialer, politischer
und kultureller Prozesse
ein. Das Buch „Kommunikation und Herrschaft“ von
Christa Bertelsmeier-Kierst
macht diesen Umbruch im
deutschsprachigen Raum
zwischen 1200 und 1300
sichtbar.
ar 1900 gültig. Noch heute
lebt der Sachsenspiegel in
manchen Paragraphen des
Bürgerlichen Gesetzbuches
fort, zum Beispiel im Erbrecht in der Verpflichtung
des Erben, bestimmten Familienangehörigen des Erblassers in den ersten dreißig
Tagen nach dem Eintritt des
Erbfalls Unterhalt zu gewähren (Paragraph 1969).
Die ersten Rechtstexte in
Eike von Repgow
deutscher Sprache sind
zum Beispiel Eide, Schiedssprüche folgten in der zweiten Hälfte des 13.
oder Gerichtsbriefe. Sie sind die Fol- Jahrhunderts zahlreiche Bearbeitunge mündlicher Rechtshandlungen. gen und Nachahmungen. BertelsAb dem zweiten Viertel des 13. Jahr- meier-Kierst wählt für eine tiefere
hunderts kommen dann die Landfrie- Untersuchung den im süddeutschen
denstexte auf. Bedeutend ist hier vor Raum erfolgreichen „Schwabenspieallem der 1235 in lateinischer und gel“ aus, der in oberdeutscher Spradeutscher Sprache abgefaßte Main- che verfaßt wurde.
zer Reichslandfrieden. Er wirkte traditionsstiftend. Des weiteren folgten Eike von Repgow schrieb mit dem
Güter-, Zins- und Lehnsverzeichnis- Sachsenspiegel das erste deutsche
se, die sogenannten „Urbare“, und Rechtsbuch in mittelniederdeutscher
„Weistümer“, also Rechtsauskünfte, Sprache. Es entstand zwischen 1220
in deutscher Sprache. Als neue For- und 1235 und ist eines der ersten Prosamen volkssprachlicher Rechtsprosa werke in deutscher Sprache überhaupt.
kommen Landrechte und Rechts- Forscher konnten in Europa Einflüsspiegel hinzu, schließlich die Stadt- se bis in die Ukraine nachweisen. In
Preußen galt der Sachsenspiegel bis
rechts- und Statutenbücher.
zur Einführung des Allgemeinen LandMaßgeblich beeinflußte vor allem rechts 1794. Im Herzogtum Anhalt und
der „Sachsenspiegel“ Eike von Rep- in Thüringen blieb der Sachsenspiegel
gows die Entwicklung der weiteren sogar bis zur Einführung des BürgerliRechtsprosa. Dem Sachsenspiegel chen Gesetzbuches (BGB) am 1. Janu-
Das heute noch geläufige
Sprichwort „Wer zuerst
kommt, mahlt zuerst“ findet seine Entsprechung im
Sachsenspiegel: „Wer zuerst zur Mühle kommt, der
soll auch zuerst mahlen.“
(Ursprünglich: „Die ok irst
to der molen kumt, die sal
erst malen.“) In heutigem
Rechtsdeutsch ist man da
weitaus umständlicher, wie Paragraph
17 der Grundbuchordnung belegt.
Dort heißt es nämlich: „Werden mehrere Eintragungen beantragt, durch
die dasselbe Recht betroffen wird,
so darf die später beantragte Eintragung nicht vor der Erledigung des
früher gestellten Antrags erfolgen.“
Eike von Repgow hätte das sicher
einfacher ausgedrückt. Der Sachsenspiegel ist wegen seiner weiten Verbreitung einer der frühesten Beiträge
zur Vereinheitlichung nicht nur des
Rechts, sondern auch der deutschen
Sprache gewesen. (dsw/pau)
Christa Bertelsmeier-Kierst, Kommunikation und Herrschaft. Zum volkssprachlichen Verschriftlichungsprozeß des Rechts im 13. Jahrhundert,
Zeitschrift für deutsches Altertum
und deutsche Literatur 9, S. Hirzel
Verlag, Stuttgart 2008, 250 Seiten,
kartoniert, 42,00 Euro.
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 35_Frühling 2009
E
Hausbuch
deutscher Dichtung
s gibt Bücher, über die freut man
sich bereits beim Öffnen der
Verpackung. Der Duft des druckfrischen Bandes strömt dem Neugierigen entgegen, und dieser weiß sofort,
daß er es hier nicht mit der üblichen
Massenware zu tun hat. Um so größer ist seine Freude, wenn sein erster
Eindruck beim Aufschlagen des Buches bestätigt wird. Dieses Erlebnis
bescherte das neu aufgelegte „Hausbuch deutscher Dichtung“, das sich
als „Blütenlese deutscher Gedichte,
Volkslieder und Spruchweisheit vom
13. Jahrhundert bis zur Gegenwart“
vorstellt. Begründet hat das Werk
Otto Lyon 1903. Der Bund für deutsche Schrift und Sprache hat es nun
neu aufgelegt und dabei die Auswahl
vollständig überarbeitet und erweitert. Das Buch ist vollständig in gut
lesbarer Fraktur gesetzt, für die Gedichte wurde die schöne Humboldt-
er Forschungsschwerpunkt des
Germanisten Gotthard Lerchner lag auf den Theorien und Methoden der Sprachgeschichte. Zu Ehren
seines 70. Geburtstages veranstaltete
die Sprachwissenschaftliche Kommission der Sächsischen Akademie
der Wissenschaften im Jahr 2005 ein
Kolloquium über dieses Thema. Ein
von Klaus Bochmann herausgegebener Sammelband vereinigt und verschriftlicht nun die Materialien dieser
Sprachveranstaltung. Peter von Polenz
bespricht den Tagungsband „Sprachgeschichte als Kulturgeschichte“, der
erwartungsgemäß den „deutschen
Sprachnationalismus“ in den Vordergrund rückt. Oskar Reichmann
berichtet über die Bedeutung historischer Wörterbücher für die Sprachgeschichtsforschung. Ingo Reiffenstein
plädiert für eine „Sprachgeschichte
der Regionen“, so wie bereits die
Blütenlese: die deutsche Sprache – (k)ein Grund zur Heiterkeit?
Von Rominte van Thiel
K
Erneut hat Klemens Weilandt zahlreiche Beispiele für den liederlichen
Umgang mit der deutschen Sprache
gesammelt. Diesmal zitiert er aus
Presseartikeln, Texttafeln der Fernsehsender, vielen Sportreportagen
und anderem. In seinem früheren
Buch hatte er hingegen den Blick vor
allem auf die Schule gerichtet (siehe
auch DSW 26, Seite 8: Deutsch oder
so – Die Schule im Räderwerk der
Sprachverderber). Die aufgespießten
„Blüten“ aus gesprochener und geschriebener Sprache sind samt und
sonders durch Quellenangaben belegt.
Weilandt fragt sich, ob die Inflation von Sprachpreisen Ausdruck der
Hochschätzung unserer Sprache ist
oder ob man sich um eine Sprache
sorgt, die sich vor dem Abgrund befindet. So kommentiert er die Verleihung
des Jacob-Grimm-Preises an Frank
Schirrmacher für „seine sprachlichen
Leistungen und das sprachliche Niveau des FAZ-Feuilletons“ mit Sarkasmus, indem er auf die Grammatikverstöße ebendieses Feuilletons
verweist. Damit bleibt er vielleicht
etwas zu sehr an der Oberfläche. Eher
in Richtung Kulturkritik geht das Kapitel „Der Kerner muß weg“, wobei es
sich hier um ein von ihm nicht erfundenes, aber gern aufgegriffenes Wortspiel um die gleichnamige Rebsorte
und den „Dampfplauderer“ handelt.
Allen Kapiteln, die sich bewußt ohne
roten Faden aneinanderreihen, ist ein
zum Nachdenken anregendes Sprichwort oder ein Ausspruch einer bekannten Persönlichkeit vorangestellt.
Die „Blütenlese“ selbst wird von launigen Kommentaren eingeleitet und
begleitet. Weilandt sammelt Beispiele für fehlende Deklination, fehlende
Kongruenz, falsche Konjunktive, fal-
sche Kommata und die grassierende
Seuche Apostrophitis. Bei manchen
Grammatikfehlern ist indes der Blütenreichtum recht üppig ausgefallen.
Zu Weilandts Fundstücken im Kapitel „Schwacher Umgang mit starken Verben“ zählen „geschliffene“
(statt geschleifte) Festungen, eine
„verstreichte“ (statt verstrichene)
Nachfrist und „vermeidete“ (statt
vermiedene) Dinge. Weiterhin beschreibt er den „Krieg der Fälle“ und
stellt zu Recht fest, daß einerseits
fast niemand mehr den Genitiv richtig anwenden kann („Die SPD gedenkt den Opfern“, „angesichts dem
Rückzug“), andererseits der hier so
bedrohte Genitiv sich da breitmacht,
wo er nun gar nicht hingehört („die
Schüler gemäß dieser Ideale erziehen“, „nahe des Bahnhofs“).
Neben so spaßigen Blüten wie „Katholiken und Evangelisten“ gibt es
auch solche, die vielleicht erst auf den
zweiten Blick als ungenau auffallen,
weil der Leser sich ins Richtige zurechtrückt, was der Schreiber falsch
und mißverständlich ausgedrückt hat.
Peinlich wird so etwas in Todesan-
www.bfds.de
Bund für deutsche Schrift und Sprache, Hausbuch deutscher Dichtung
in Fraktur gesetzt, Hannover 2008,
gebunden, 632 Seiten, 22,90 Euro.
Theorien und Methoden
der Sprachgeschichte
D
Der Fisch stinkt vom Kopf her
ennen Sie den „Vonitiv“?
Erstmals beschrieben hat ihn
Klemens Weilandt in seinem neuen
Buch „Blütenlese“. Der „Vonitiv“ ist
ein neuer Fall im Deutschen, der den
Genitiv ersetzt. Tatsächlich damit
gebildete Sätze lauten zum Beispiel
„Obwohl das Reich von Karl dem
Großen keinen Bestand hatte“ oder
„Nach gut einem Jahr Sanierung ist
das Geburtshaus von Martin Luther
in Eisleben wiedereröffnet worden“.
Weilandt sinniert, ob Luther wohl
noch immer lebt.
Fraktur gewählt. Insgesamt 123
Dichter sind vertreten, nicht in der
üblichen chronologischen, sondern in
alphabetischer Reihenfolge. Sie werden mit Bild, Unterschrift und einer
kurzen Beschreibung von Leben und
Werk vorgestellt. Neben Gedichten
enthält das Buch 57 Volkslieder mit
ihren Melodien. Richtschnur bei der
Auswahl der Gedichte war es, Werke
in wohlklingender Sprache zu vereinen, die eine Erziehung zum „Schönen, Guten und Wahren“ zu fördern
vermögen. Zeitgeistiges Wortgeklingel wird der Leser vergeblich suchen.
Dafür gebührt dem Herausgeber alle
Achtung. (dsw)
zeigen, wenn ein betagter Firmengründer „unverhofft“ (statt unerwartet) verstorben ist. So spürt Weilandt
auch falsche oder unangemessene
Sprachbilder auf und läßt die „weißen
Schimmel“, die Tautologien („erfolgreich gelungen“, „sichere Gewähr“),
muntere zwei Runden galoppieren.
Weilandt stören weniger die Fehler
der Allgemeinheit, sondern vielmehr die Schnitzer derjenigen, deren Handwerkszeug die Sprache ist.
Die gern gebrachte Entschuldigung,
daß auch in England ein Großteil der
Bevölkerung miserables Englisch
spreche und dies der Sprache nicht
schade, läßt er nicht gelten. Denn
dort sprächen zwanzig Prozent der
Bevölkerung exzellentes Englisch,
und diese bestimmten Literatur,
Zeitungswesen, Rundfunkanstalten,
Wirtschaft und Politik. Deswegen
könne dort – anders als in Deutschland – nicht der „Fisch vom Kopf her
zu stinken anfangen“.
Klemens Weilandt, Blütenlese. Die
deutsche Sprache – (k)ein Grund
zur Heiterkeit, Leuenhagen & Paris,
Hannover 2008, gebunden, 400 Seiten, 19,90 Euro.
Landesgeschichte seit langem fester
Bestandteil der Geschichtswissenschaft ist. Klaus Bochmann stellt
die Möglichkeit vor, mittels Sprachbiographien Erkenntnisse über die
jüngere Sprachgeschichte auch unter
dem Blickwinkel der Sozialgeschichte zu gewinnen. Hans Ulrich Schmid
erläutert das Projekt einer historischen Syntax des Deutschen, über die
die Arbeitsgruppe „Diachrone Syntax
des Deutschen“ forscht. An das Ende
des Sammelbandes setzte der Herausgeber zwei Vorträge von Rudolf Große („Das Obersächsische Wörterbuch
1955 bis 2003“) und Wulf Kirsten
(„Das Feuer der Philologie“). (dsw)
Klaus Bochmann (Herausgeber),
Theorien und Methoden der
Sprachgeschichte,
Sächsische
Akademie der Wissenschaften / S.
Hirzel Verlag, Leipzig 2007, 74 Seiten, 18,00 Euro.
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900 Jahre Zisterzienser –
900 Jahre literarisches Schaffen
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7000
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Bücher
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A. Neussner,
D-37284 Waldkappel
Literatur
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 35_Frühling 2009
Goethe ungeschminkt
Eine schwer zu übersetzende Sprache
Zum Kuckuck mit dem Dichterfürsten:
Günter B. Merkels neuestes Gegenbuch
Einladung, einen englischen Renaissancedichter zu entdecken
Von Thomas Paulwitz
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ieses Buch paßt wie der Faust ster!“ (Gedicht „Divan-Poesie“).
aufs Schillerjahr. Der Dich- Goethe reimt – trotz Benutzung
ter Günter B. Merkel hat wieder eines Reimlexikons – „Griechen“
zugeschlagen und „Vernichtendes auf „besiegen“ oder „bestrafen“
zu Werk und Charakter eines Gec- auf „fragen“. Dieser „Reimpfusch“
ken“ veröffentlicht. Mit dem „Gec- ist zu viel für Merkel, den Meister
ken“ ist kein Geringerer als Johann des reinen Reims. Weiterhin setzt
Wolfgang von Goethe gemeint. Daß er Goethes menschliche Schwächen
Merkel nicht zimperlich mit den der Kritik aus: „Der BeiSchlaf –
Dichtergrößen
dies vermuten wir
umspringt, ist
– / War GOETHEs
seinen
AnhänLebensElixier!“
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gern wohlbekannt. So gilt
Goethe nannte den
„Goethes späLiteraturkritiker
ter GegenspieGarlieb
Helwig
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ler“
(RheinMerkel (1769 bis
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pfalz) auch als
1850) ein „FerErfinder
des
kel“. Für Günter
Gegengedichts
B. Merkel hätte er
schlechthin. In
sicher noch deutseiner Buchreilichere Worte gehe „DIE ANTfunden. Obwohl
WORT
auf
Merkel es gar nicht
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die Dichtkunst
nötig hätte, holt
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der vergangeer sich sogar noch
nen 200 Jahre“
Verstärkung, indem er genüßlich
«ÀˆV…Ì iÕÌÃV… ÃÌ>ÌÌzeigt
i˜}ˆÃV…º er wieder
– durchaus auf
die Sätze bekanngleicher Augenter Goethe-Kritiker
höhe – Merkelstolz vor Dichter- wiedergibt. Zum Beispiel: „Goethronen. „Goethe ungeschminkt“ the ist an nichts zu fassen und ein
ist bereits das neunte Buch in dieser Egoist in ungewöhnlichem Grade“
Reihe.
(Friedrich von Schiller) oder „Goethe, der Großmeister der Platitüde“
Nicht, daß er Goethe nicht leiden (James Joyce) oder „Goethes Briefe
könnte; es macht Merkel einfach sind kaum der Tinte wert“ (Johann
Spaß, ihn mit Gegen- und Schmäh- Gottfried Herder). Heinrich Heine
gedichten anzugreifen, wie er in sei- beschimpfte Goethe als „Aristokranem Eingangsgedicht bekennt: „Ja, ten-Knecht“, und Gottfried August
ich darf nicht nur – ich muß! / Denn Bürger wünschte ihn zum Kucirgendwann einmal ist Schluß“ – kuck.
getreu dem Sinnspruch: „Das Wahre ist selten schön – Das Schöne ist Das Buch regt den Leser an, weiselten wahr!“ Merkel prangert zum terzumerkeln, vielleicht so: Der
einen die blinde Goethe-Verehrung Goethe war ein eitler Pfau. / Dank
an und verschont dabei selbst hoch- Merkel weiß ich’s jetzt genau! Wem
rangige und mit Steuergeldern ge- Goethe-Hudelei auf die Nerven
förderte Einrichtungen nicht: „Ir- geht oder wer an einer gewitzten
gendwann nennt man noch Schutt lyrischen Gegenposition zu Goethe
/ Nach Goethe, wie das Institut.“ Gefallen findet, für den ist das Buch
Der Zeilensprung (Enjambement) „Goethe ungeschminkt“ genau das
als Stilmittel – ein Markenzeichen Richtige.
Merkels – unterstreicht hier in seinem Gedicht „Hirnverbrannter www.merkel-gedichte.de
GOETHE-Kult“ den Tadel.
Günter B. Merkel: Goethe unge-
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Seite 9
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Zum anderen bemängelt Merkel
Goethes handwerkliches Können:
„Schlampig reimt der ‚große Meister‘, / Ja, es geht wohl nimmer drei-
schminkt. Vernichtendes zu Werk
und Charakter eines Gecken, SWPBuch-Verlag, Wilhelmsfeld 2009, 128
Seiten, fester Einband, 9,60 Euro,
ISBN 3-923062-12-5. Bestellung unter Telefon 06220/6310.
Von Oliver Höher
E
dmund Spenser (1552/53 bis beginnt Spenser jeden Vers der beiden Vollends daneben greift er dann mit der
1599), den älteren Zeitgenossen ersten Quartette mit „sweet is“, um Einführung des Tees, der nicht nur weShakespeares, kennt man hierzulande eine Einschränkung mit „but“ folgen der von Spenser vorgegeben ist, noch
gerade noch als Verfasser des allegori- zu lassen. Die beiden Strophen lauten diesem überhaupt bekannt war. Erst
im Jahr 1610 kam Tee durch die Holschen Ritterepos „The Faerie Queene“. bei Spenser (Seite 58):
länder nach Europa, nach EngDeshalb ist die vorliegende
land sogar erst im Jahr 1644.
Übertragung seiner Sonette fast Sweet is the Rose, but growes upon a brere;
Zur Erinnerung: Spensers Text
eine Pionierleistung. Alexander Sweet is the Junipere, but sharpe his bough;
erschien bereits 1595. Zudem
Nitzberg, bisher vor allem für sweet is the Eglantine, but pricketh nere;
hätte der Hinweis auf den HoÜbertragungen russischer Lyrik sweet is the firbloome, but his braunches rough
merischen Ursprung des Mobekannt, übernimmt es, den weitSweet is the Cypresse, but his rynd is tough,
lykrautes in die Anmerkungen,
gehend unbekannten Spenser
sweet is the nut, but bitter is his pill;
nicht jedoch in den Text gehört.
deutschen Lesern vorzustellen.
sweet is the broome-flowre, but yet sowre enough; Überhaupt sind diese Anmerkungen sehr befremdlich. Denn
Das Hauptproblem für jeden and sweet is Moly, but his root is ill.
auf vereinzelte Nachweise von
Übersetzer Spensers ist dessen
Bibelstellen, ein paar Hinweise zur anSprache. Der erste englische Literaturpapst Ben Jonson urteilte, Spenser sei Freiligrath bleibt nah am Text (Ferdin- tiken Mythologie und Dichtung sowie
so sehr von den Alten beeinflußt, daß and Freiligrath’ s gesammelte Dichtun- den gelehrten Hinweis, daß einmal
er gar keine Sprache schriebe. Trotz- gen, Band 4, Stuttgart 1870, Seite 143): „ein Klangspiel (pun) mit dem Namen der Geliebten (Elizabeth
dem, so fügte er hinzu, würde er
Boyle)“ getrieben wird (Seite
ihn um seiner selbst willen gele- Süß ist die Rose – süß, doch stachelicht;
212), hätte jeder Leser gut und
sen haben. Also Tadel und Lob Süß der Wacholder, doch bewehrt sein Ast;
gerne verzichten können.
zugleich für eine künstlerische Süß auch die wilde Rose, doch sie sticht;
und künstliche Sprache, die nur
Süß Fichtentrieb, doch rauh, wenn man ihn faßt;
Doch nicht nur übersetzerische
schwer zu übertragen ist. UnEigenmächtigkeiten, sondern
möglich ist es jedoch nicht, denn Süß die Cypresse, doch von zähem Bast;
auch die Beschränkung auf die
Friedrich Schlegel schrieb be- Süß ist die Nuß, doch nur ihr Inn’ res letzt;
Sonette befremden. Nitzberg
reits 1812 in seiner „Geschichte Süß ist der Ginster, doch auch sauer fast;
führt Sonette aus verschiededer alten und neuen Literatur“, Süß Moly auch, doch seine Wurzel ätzt.
nen Publikationen Spensers
Spenser sei in der Sprache unter
zusammen und scheidet dafür Texte
allen englischen Dichtern am meisten
deutsch oder germanisch. Deshalb er- Bei Nitzberg schließlich liest man der ursprünglichen Bücher aus, die
entweder keine Sonette sind oder
klärt Nitzberg, „ausgiebig Archaismen (Seite 59):
bei denen der Übersetzer –
und poetisierende Ausdrücke zu
im Gegensatz zur englischen
verwenden, wie sie vielleicht ein Zart ist die Rose und doch scharf ihr Dorn,
Spenserforschung – nicht
Christian Hofmann von Hof- zart ist die Hagebutte und doch zäh,
glaubt, daß sie tatsächlich vom
mannswaldau verwendet hätte“ zart der Wacholder und doch hart sein Knorrn,
Autor stammen (Seite 226).
(Seite 229).
zart ist die Fichte, doch ihr Zweig tut weh,
Damit werden Textzusamzart ist der Ginster, doch zu stark als Tee,
menhänge zerstört, und überAuch bei seiner Etymologie des
dies hat Nitzberg ein angebWortes „Sonett“ bewegt sich der zart ist die Nuß, doch ihre Schale herb,
lich doppeltes Sonett aus den
Übersetzer im Jahrhundert Hof- zart ist das Moly-Kraut der Odyssee,
„Amoretti“ ausgesondert.
mannswaldaus. Martin Opitz be- doch seine Zauberwurzel bringt Verderb.
zeichnete 1624 in seinem „Buch
von der Deutschen Poeterey“ Sonette Warum Nitzberg „sweet“ mit „zart“ Aus den 89 Sonetten dieses Bandes
als „klingel oder schelle“. Diese Be- übersetzt, wird wohl sein Geheimnis werden bei ihm so 88 und das eigentschränkung des Sonetts auf seinen bleiben. Ein zumindest noch verzeihli- lich zentrale Sonett XLV verschiebt
Klang wird jedoch dem gelehrten cher Fehler ist das Durcheinander der sich. Der kunstvolle Aufbau von jeAufwand, den Spenser treibt, nicht ge- Pflanzen. Die kunstvolle Verschrän- weils 21 Sonetten, die eine Gruppe
recht. Der elisabethanische Bildungs- kung von Rosen-, Zypressen- und von 47 Sonetten umrahmen, ist für
unterbrochen den deutschen Leser nun nicht mehr
hintergrund sowie autobiographische Kieferngewächsen,
Elemente sind schließlich zusammen von der Nuß, gibt er preis. Nitzberg nachvollziehbar. Diese Mängel zeimit dem Klang untrennbare Bestand- pflanzt das Molykraut – rhythmisch gen, daß Nitzberg zahlreiche Hilfsbedenklich – gleich in zwei Verse mittel der Spenserforschung nicht
teile der Spenserschen Lyrik.
und opfert damit die Zypresse. Auch kannte oder nur sehr selten herangeNitzberg blendet somit den rhetori- bringt er sich um die Möglichkeit, zogen hat. So wäre auch eine neuere
schen und allegorischen Aufbau der Spensers sprichwörtliche Wendung Textvorlage für die Übertragung und
Gedichte weitgehend aus. Ob ihm von der Nuß als „bitterer Pille“ auf die abgedruckten englischen Texte
trotzdem die Übertragung gelungen deutsch nachzubilden. Das ist um so sinnvoll gewesen, ist doch seit Ende
ist, mag ein Vergleich mit dem arg ge- bedauerlicher, als Nitzberg sich einzig der 1950er Jahre die große kritische
tadelten Ferdinand Freiligrath aus den hier gegenüber Freiligrath hätte profi- „Variorum Edition“ der Werke SpenAnzeige
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sers abgeschlossen.
1850er
Jahren
zeigen.
Im 26. Sonett lieren können. Viol Aktiv+Viabol.qxd
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Immerhin spricht Alexander Nitzberg
mit dieser Ausgabe die Einladung
aus, Edmund Spenser zu entdecken.
Dessen Sonette sind aber weit mehr
als nur „das Getön der Harfe“ (Seite
83). Läßt doch Nitzberg im selben Sonett den Dichter klagen: „Auch meinen Liedern zollte man Tribut / und
lauschte ihnen mit erlauchtem Ohr, /
doch stillten sie dir nicht des Sturmes
Wut, / noch lockten sie einen Delphin
hervor.“ Der Delphin, ein Tier Poseidons, hat gute Beziehungen zu Apollon, der zugleich Gott der Musik und
der Dichtkunst ist. Den Weg vom bloßen Klang der Musik zu den metaphorischen und rhetorischen Dimensionen
der Spenserschen Lyrik muß der Leser
nun allein gehen, denn hier verläßt ihn
die Nachdichtung leider allzu oft.
Die Lilienhand. Alle Sonette von
Edmund Spenser, Deutsch von
Alexander Nitzberg, Verlag Jung und
Jung, Salzburg und Wien 2008, 231
Seiten, 24,00 Euro (in traditioneller
Rechtschreibung).
Werkstatt
Seite 10
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 35_Frühling 2009
Mahnung an die Deutsche Welle
Die Leser der DEUTSCHEN SPRACHWELT haben die
Sprachwahrer des Jahres 2008 bestimmt
D
ie Deutsche Welle darf nicht
englisch werden. Dieser Meinung sind offenbar auch viele Leser
der DEUTSCHEN SPRACHWELT.
Denn eine Woge der Sympathie trug
die Initiative „Pro Deutsche Welle“
auf den 1. Platz bei der Wahl der
„Sprachwahrer des Jahres“ 2008.
32,7 Prozent entschieden sich für die
Initiative von über hundert Mitarbeitern der Deutschen Welle, die im
vergangenen Jahr vor der Amerikanisierung des deutschen Auslandssenders gewarnt hatten. In einem Papier
hatten sie geschrieben: „Während
das Auslandsfernsehen überall sonst
in Europa die Pflege und Vermittlung
der eigenen Sprache als Aufgabe beibehält, hat die Intendanz der Deutschen Welle nun offenbar beschlossen, unseren Sender dem englischen
Sprachraum zuzurechnen. Während
die Politik darum ringt, der deutschen Sprache in den Institutionen
der Europäischen Union mehr Geltung zu verschaffen, soll der Sender,
der das Bild der Deutschen im Ausland prägt, das Signal aussenden, daß
die eigene Sprache zweitrangig ist.“
Den zweiten Platz erreichten mit
19,4 Prozent die Europaminister
Wolfgang Reinhart und Volker Hoff,
die beide im vergangenen Jahr Initiativen zur Stärkung der deutschen
Sprache in der Europäischen Union
angestoßen hatten. Hoff hat allerdings Anfang Februar die hessische
Landesregierung verlassen, so daß
sich die Erwartungen nun vor allem
Sprachsünder
Ecke
Die Sprachwahrer des Jahres 2008
Norbert Lammert
17,3%
Manuscriptum
17,3%
Paul-Josef Raue
9,2%
Andere
4,1%
Wolfgang Reinhart
und Volker Hoff
19,4%
Pro Deutsche Welle
32,7%
auf Reinhart, den EU-Sprachenbeauftragten der deutschen Bundesländer, richten. Den dritten Platz teilen
sich mit je 17,3 Prozent Bundestagspräsident Norbert Lammert, der
sich seit langem für die Verankerung
der deutschen Sprache im Grundgesetz einsetzt, und „Manuscriptum“.
Der Verlag hält an der traditionellen
Rechtschreibung fest und vertreibt
das einzige große Wörterbuch in bewährter Orthographie.
Überraschend deutlich sprachen
sich die Leser der DEUTSCHEN
SPRACHWELT für einen Grundgesetzartikel zur deutschen Sprache aus
Deutsch ins Grundgesetz?
Davon halte ich ...
99% viel
1% wenig
0% nichts
0
20
40
60
80
100
(siehe Abbildung). Ganze 99 Prozent
halten viel von diesem Vorschlag,
was in dieser Deutlichkeit selbst uns
verblüffte. Wir ziehen aus diesem
Ergebnis den Schluß, diese Forderung weiterhin aktiv zu unterstützen.
Bei der Frage, ob sich Englisch als
Einheitssprache der EU durchsetzt,
war das Ergebnis weniger eindeutig
(siehe Abbildung). 58,2 Prozent sind
sich zwar sicher, daß dies – „hoffentlich“, wie oft zu lesen war – nicht
gelingt, aber 25,3 Prozent schwankten oder hatten keine Meinung. 16,5
Prozent glauben sogar, häufig mit
dem Zusatz „leider“, daß Englisch
Einheitssprache wird.
Wird Englisch EU-Einheitssprache?
16,5% Ja
58,2% Nein
25,3% Vielleicht / keine Meinung
0
10
20
30
40
50
60
Die meisten Gedanken machten sich
unsere Leser um die Zukunft der
Deutschen Welle. Viele schrieben
an den Intendanten Erik Bettermann
und fragten ihn, warum der steuerfinanzierte Sender die Förderung
der deutschen Sprache anscheinend
aufgeben will. Sie erhielten eine
ausführliche Antwort. Darin hieß es:
„Deutsche, die vorübergehend oder
dauerhaft im Ausland leben, sind …
An dieser Stelle stellen wir Sprachsünder vor, die besonders unangenehm aufgefallen sind,
und rufen unsere Leser zum Protest auf
Ohne Englisch wunden Popo?
Wie Apotheker mittels Sprachvernebelung
mehr Zinksalbe verkaufen wollen
Von Thomas Paulwitz
J
unge Eltern sollten die ABCDE-Regel
kennen, damit ihr Kleinkind keinen
wunden Po bekommt. Das findet jedenfalls die „Bundesvereinigung Deutscher
Apothekerverbände“ (ABDA) in einer
Aussendung vom 20. Februar dieses Jahres. Wofür steht „ABCDE“? Ganz einfach: Das ist eine aus Anfangsbuchstaben
gebildete Eselsbrücke. A steht für Luft, B
für Schutz, C für Reinigung, D für Windeln, E für Aufklärung. Wie bitte, diese
Anfangsbuchstaben passen gar nicht, im
Grunde müßte es LSRWA-Regel heißen?
Liebe Leser, Sie haben wohl vergessen,
daß junge Eltern heutzutage beste Englischkenntnisse vorweisen müssen, um
nicht als Rabeneltern zu gelten. A steht
selbstverständlich für air, B für barriers,
C für cleansing, D für diapers und E für
education.
optimal pflegen will, bekommt in der Apotheke umfassende Informationen“, wird
Ulrich Krötsch zitiert, Präsident der Bundesapothekenkammer und Mitglied des
geschäftsführenden Vorstandes der ABDA.
Weiter unten in der Pressemitteilung zieht
die ABDA dann die Maske herunter: „Eltern tragen Cremes oft zu dünn auf.“ Der
Wochenbedarf eines zweijährigen Kindes
liege bei 100 Gramm Zinksalbe, „wird
das Kind am ganzen Körper eingecremt.“
Somit entpuppt sich der scheinbar gutgemeinte Ratschlag als Versuch, gutgläubige
Eltern (und die Krankenkassen) abzuzocDer Präsident der Bun- ken. Denn erstens muß kein Kind am gandesapothekerkammer, Dr. zen Körper mit Zinksalbe eingeschmiert
Ulrich Krötsch, Mitglied werden; zweitens kämen auf Eltern eines
des geschäftsführenden zweijährigen Kindes, die dem ABDA-Rat
Vorstandes der ABDA
tatsächlich folgen, monatliche Kosten in
Bild: ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände Höhe von 40 Euro zu, wenn wir für eine
100-Gramm-Tube einen Preis von zehn
Bislang war die ABCDE-Regel in der KleinkinderEuro ansetzen. Junge Eltern sollen Englischvokabeln
pflege eher unbekannt. Wir fanden sie in der Früherpauken, wodurch sie dann auch vor anderen Eltern
kennung von Hautkrebs oder in der Zusammenfassung
mit ihrem angelernten Scheinwissen glänzen können.
von Wiederbelebungsmaßnahmen. Dort setzt sich die
Dadurch abgelenkt sollen sie ganz unterschwellig die
Abkürzung ABCDE aus den Anfangsbuchstaben deutBotschaft aufnehmen, in die Apotheke gehen und sich
scher Wörter zusammen. Nun sollen sich also nach
mit einem großen Vorrat an Zinksalben eindecken zu
dem Willen der Apotheker nicht nur Haut- und Notärzmüssen.
te die Regel einprägen, sondern auch junge Eltern. Der
Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre
frischgebackene Vater steht erstmals am Wickeltisch,
Bank oder die DEUTSCHE SPRACHWELT. Fragen
kratzt sich am Kopf und überlegt verzweifelt, wofür
Sie jedoch auch den Apotheker Ulrich Krötsch, ob
gleich noch mal ABCDE steht, während sein Töchteres sein Verband nötig hat, die Sprache zu vernebeln,
chen ungeduldig plärrt. Sie ahnt ja nicht, daß ihr Papa
damit Apotheken mehr Medikamente verkaufen
Opfer einer Sprachvernebelung von Pillendrehern gekönnen. Teilen Sie ihm mit, daß er dem Ruf zahlloser
worden ist.
ehrenwerter Apotheker einen Bärendienst erweist,
und lassen Sie uns bitte ein Doppel zukommen:
Eine echte Hilfe ist die Eselsbrücke ABCDE-Regel
nicht. Denn um Verständlichkeit geht es der „BundesSprachsünder Dr. Ulrich Krötsch, Vorstandsmitglied
vereinigung Deutscher Apothekerverbände“ offenbar
ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekervergar nicht. Die ABDA will mit der Anleihe aus dem Engbände, Jägerstraße 49/50, D-10117 Berlin, Telefon:
lischen wohl lediglich den Schein von Wissenschaft+49-(0)30-40004-0, Telefax: +49-(0)30-40004-598,
lichkeit erzeugen, um damit vom eigentlichen Anliegen
pressestelle@abda.aponet.de, www.abda.de
abzulenken: Zinksalben zu verkaufen. „Wer sein Kind
nicht … wichtigste Zielgruppe.“ Die
Förderung der deutschen Sprache sei
„weder einziger noch wichtigster Bestandteil“ der gesetzlichen Bestimmungen. In der jüngsten Aktualisierung der Aufgabenplanung würden
„sowohl regionale und geopolitische
Schwerpunkte als auch Zielgruppen
definiert“.
Als wichtigste Zielgruppe hat die
Deutsche Welle Menschen ausgemacht, „die durch ihre gesellschaftliche Stellung einen hohen Einfluß
auf die öffentliche Meinung eines
Landes haben bzw. zukünftig haben werden und sich in autoritären
Staaten aktiv für Demokratie, Freiheitsrechte und Fortschritt einsetzen.
Diese Zielgruppe nutzt vorzugsweise
landessprachige Angebote oder Englisch als Lingua franca.“ Im Februar
erklärte Bettermann: „Wir stehen vor
einer Zäsur und werden in Zukunft
nicht mehr wie bisher in erster Linie
Programm für die Deutschen im Ausland machen können … Deutschland
tut sich noch schwer, seine Rolle in
der Weltpolitik zu finden – und so
geht es der Welle auch.“
Mit anderen Worten: Es soll nicht
mehr darum gehen, deutsche Sprache
und Kultur zu vermitteln, sondern
„Weltpolitik“ nach amerikanischem
Vorbild zu machen. Die Deutsche
Welle will sich als „Sachwalter der
Menschenrechte“ – wie es allen Ernstes in einem Papier heißt – offenkundig in die Angelegenheiten anderer
Staaten einmischen. So dürfte auch
der Vorschlag eines Lesers ins Leere
laufen, das Fernsehen der Deutschen
Welle mit englischsprachigen Untertiteln zu versehen, aber in deutscher
Sprache zu senden. Ein anderer
schlug gar vor, den Sender am besten
gleich durch Großbritannien oder die
USA finanzieren zu lassen.
Die neue Aufgabenplanung befinde
sich in der Abstimmungs- und Diskussionsphase, hieß es Mitte Januar
noch. So ist zu hoffen und zu wünschen, aber nicht zu erwarten, daß
sich der starke Protest von Sprachfreunden und von Mitarbeitern der
Deutschen Welle noch in der Aufgabenplanung niederschlägt. Was soll
man auch davon halten, wenn selbst
das deutschsprachige Programm der
Deutschen Welle mit Amerikanismen
gespickt ist? Ein Leser erhielt vom
„User Service“ der Chefredaktion
DW-WORLD („feedback.german@
dw-world.de“) die Antwort: „Der
Grund dafür, daß wir auf englischsprachige Ausdrücke zurückgreifen,
liegt darin, daß wir ein internationales Medienunternehmen sind.“
Irrtum, es handelt sich um eine deutsche Anstalt des öffentlichen Rechts,
finanziert mit deutschen Steuergeldern! Für 2009 sieht die Finanzplanung des Bundes einen Etat von
275 Millionen Euro vor. Doch das
reicht der Deutschen Welle nicht.
Insgesamt hat der Sender aufgrund
seiner Neuausrichtung einen zusätzlichen Bedarf von 78 Millionen Euro
von 2009 bis 2013 angemeldet. Soll
mit deutschem Geld und englischer
Sprache wirklich die Welt gerettet
werden? (dsw)
www.sprachpflege.info/index.php/
Sprachwahrer_des_Jahres
w w w. d e u t s ch e - s p ra ch w e l t . d e /
sprachwahrer
Deutsche
Wortwelt
Das entbehrliche Fremdwort
Bad Bank
Dieses Wort ist so überflüssig
wie die Finanzkrise. Sagen
Sie doch einfach Auffangbank, Abwicklungsbank oder
Schrottbank.
Das richtig geschriebene Wort
hältst
Besonders in Briefe schleicht
sich dieser Fehler oft ein: „du
hälst“. Dabei wird nicht gehalst, sondern gehalten: Das
kleine „t“ fehlt.
Das treffende Wort
scheinbar / anscheinend
Nur
scheinbar
bedeutet
„scheinbar“ dasselbe wie „anscheinend“. Bei dem Wort
„scheinbar“ trügt der Schein
jedoch, während bei „anscheinend“ der Schein wahrscheinlich ist.
Das richtig gebeugte Wort
geschleift/geschliffen
Messer werden geschliffen,
Soldaten auch. Wenn diese
eine Festung schleifen, dann
ist sie jedoch geschleift.
Das wiederentdeckte Wort
einander
Benutzen Sie doch einmal
wieder dieses schöne Wort.
„Habt einander gern!“ ist viel
schöner als „Habt euch gegenseitig gern!“
Welche weiteren Wörter sollten in dieser Wortwelt stehen?
Schreiben Sie uns!
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Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 35_Frühling 2009
Anstöße
Georg Philipp Harsdörffer
Von Günter Körner
Sprachschöpfer, Fruchtbringer und Gründer
des Pegnesischen Blumenordens
I
n Nürnberg hat man sich bei
der Vergabe von Straßennamen
zweimal des Barockdichters Georg
Philipp Harsdörffer (1607 bis 1658)
erinnert und sowohl eine gleisführende Funktionsstraße nach ihm benannt als auch eine Gabelung, die als
Stellplatz für Altglassammler dient.
Tiefer berührt uns der seit dem 13.
Jahrhundert bestehende Johannisfriedhof. Hier bedeckt ein Meer von
liegenden Grabsteinen an die hundert
bedeutende Persönlichkeiten, wie
Albrecht Dürer, Hans Sachs, die beiden Feuerbachs, Anselm und Ludwig
Andreas, und eben auch Harsdörffer.
Das Porträt des lebenden Harsdörffer,
„des Spielenden“, wie er als Mitglied
der Fruchtbringenden Gesellschaft
hieß, zeigt ihn als kräftige Erscheinung. Der Grund für seinen frühen
Tod im Alter von 51 Jahren ist unklar
geblieben. Auf einem Kupferstich ist
er im Schäferkostüm dargestellt beim
anagrammatischen Spiel mit beschrifteten Kieselsteinen; heute heißt das
„Scrabble“. Bei genauerem Hinsehen
entdecken wir ein Gewächs, das in
der Stadtrandflora Nürnbergs natürlicherweise fehlt, nämlich den „Neu
Sprossenden Teutschen Palmbaum“.
Wenn man heute die Nürnberger
Burg aus gleicher Sicht betrachtet,
kann die Stelle, an der Pegnitzschäfer
Strephon (Harsdörffer) sitzt, genau
bestimmt werden.
Um Harsdörffers Schaffen zu erfassen, sind wir vorwiegend auf seine
gedruckten Werke angewiesen, da
das den Studienreisen zugehörige
Stammbuch als verloren gilt, wie
auch der größte Teil seines gewaltigen Briefwechsels. Geblieben ist
zum Beispiel der „Poetische Trichter“, der „Große Schauplatz jämmerlicher Mordgeschichte“, „Der
Mathematischen und Philosophische
Erquickstunden Zweyter Theil“ oder
das „Pegnesische Schäfergedicht“.
Der sprichwörtliche „Nürnberger
Trichter“ parodiert Harsdörffers
Anliegen, „die Teutsche Dicht- und
Reimkunst ohne Behuf der lateinischen Sprache in VI Stunden einzugießen“. Hielt er doch den Gebrauch der formalen Werkzeuge von
„Poeterey“ für jedermann erlernbar.
Auch meinte er keineswegs sechs
mal sechzig Minuten, vielmehr sechs
Lernziele, zunächst für Anfänger,
dann, in einem „zweyten Theil“ für
Fortgeschrittene sechs weitere Lektionen, beginnend mit allgemeinen
Betrachtungen der Reime, gipfelnd
in „Schauspielen, Freuden- und Hirtenspielen“. Im Anhang empfiehlt
sein „Trichter“ ein alphabetisch geordnetes Register wertvoller Wörter,
erläutert im Stil eines Lexikons.
Den in prägnanter Kürze gehaltenen
„Mordgeschichten“ ist jeweils ein
„Lehrgedicht“ angehängt, das dem
Leser „die Moral von der Geschicht“
als Trost und Verhaltenshilfe erklärt.
Nach der Episode von „den spaniolisierten Perlen“ lautet die Lehre, ein
Geier, der sich derart überfressen
habe, daß er nicht alles verdauen
könne, müsse sogar mit dem Ballast
noch seine eigenen Innereien herausgeben. Die Geschichte schildert
einen spanischen Hauptmann, der,
nachdem er bei einem Bordellbesuch
seiner Liebesdienerin eine Perlenkette gestohlen und verschluckt hatte,
schließlich gezwungen wurde, die
Perlen mit Hilfe eines Abführtranks
wieder herauszugeben.
In den „Erquickstunden“ sind zahlreiche Merkwürdigkeiten „von der
Waagkunst“, „von künstlichen Bewegungen“, „von der Feuerkunst“,
„von dem Lufft“ dargestellt, unter
anderem Steigraketen, Anleitungen
für Schießpulver und Bomben, sogar
höchst Gefährliches, nämlich: „Das
allerbrennenste Feuer machen, mit
fug dem höllischen Feuer verglichen,
dann ein einiger Funcken kan den
Menschen umb das Leben bringen
und mit Lunden angezündet in der
Feinde Schiffe oder Wäle geworffen verbrennet alles was es angreifft,
Stein und Eisen, ist auch schwerlich
zu leschen.“ Diese samt allen Zutaten beschriebene Mixtur ist heute bekannt als Napalm.
Ein anderes Kapitel widmet sich
der Aufgabe, „Die gantze Teutsche
Sprache auf einem Blättlein weisen“.
Harsdörffer hat deutsche Wörter in
ihre Bestandteile zerlegt, in Vor- und
Nachsilben, Anfangs-, Mittel- und
Endbuchstaben. Diese Bruchstücke hat er in konzentrischen Kreisen
auf dem „Fünffachen Denckring der
Teutschen Sprache“ angeordnet, mit
der Anweisung an den Buchbinder:
„Dieses Blätlein muß heraus geschnidten, in fünff Ringe zertheilet,
Um es vorwegzunehmen: Die Ergebnisse überraschten uns sehr und gaben
Anlaß zu lebhafter Diskussion. So hatte niemand für möglich gehalten, daß
er nur 1,3 Prozent Anglizismen aufspürte. Dabei ist nicht berücksichtigt,
inwieweit einige dieser Wörter bereits
zum festen Bestandteil unserer Sprache wurden, wie beispielsweise Image,
Party oder Interview. An der Spitze
der Nennungen lagen „Internet“ (46),
„Team“ (24) und „Handy“ (24), dieser
vermaledeite nachgebildete Anglizismus. Auf je fünf Nennungen brachten
es Story, Pool, (T-) Shirt, Stop, Partner,
Bachelor und Wellness. Auch hier liegen etliche mittlerweile eingedeutschte
Begriffe vor. Interessant war auch die
Auflistung nach dem Fachgebiet der
Zeitung: Der Gartenbau war anglizismenfrei, es folgten Religion/Theologie mit 0,2 Prozent und Ökologie mit
0,4 Prozent. Die größten Sprachsünder
– und das überrascht wohl kaum – waren Technik allgemein mit 2,1 Prozent,
Musik mit 2,4 Prozent und Computertechnik/Informatik/Datenschutz mit
4,3 Prozent.
TRADITION TRIFFT INNOVATION.
Diese Ergebnisse erheben natürlich weder Anspruch auf Wissenschaftlichkeit noch auf statistische
Sicherheit. Betrachten wir sie als
Momentaufnahme, die uns natürlich keinesfalls vom Ringen um die
Erhaltung unserer Muttersprache
abhalten darf. Andererseits scheint
die Presse besser zu sein als ihr Ruf.
Wir sollten die Rangfolge der führenden Sprachverderber analysieren
und überdenken. Womöglich sind
die Fernsehanstalten, die Politik, die
Wirtschaft, die Werbung und andere
viel schlimmere Sprachverschandler? Vielleicht auch hat bei der Presse
unser jahrelanges Bemühen um die
Sprachkultur reifere Früchte getragen als bei anderen?
www.sprachrettungsklub.de
J
A
K
D
F
M
F
K
A
MODELL 6100 REGULATEUR TECHNIK
Günter Körner ist Vizepräses des von
Georg Philipp Harsdörffer 1644 gegründeten Pegnesischen Blumenordens. Dies ist ein Auszug aus einem
Vortrag, den Körner am 17. Januar
2009 im Spiegelsaal des Köthener
Schlosses zum 2. Gründungstag der
Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft gehalten hat.
K
M
Harsdörffer war nicht nur Sammler
Einen Klassiker fortund Übersetzer, sondern schöpferisetzen.
In
aller
technischen
Konsequenz.
Und dennoch etwas
scher Poet. Die Umsetzung seines
völlig Neues schaffen. Das war die Herausforderung. Das ErSpaziergangs mit Johann Klaj entgebnis ist der REGULATEUR Technik. Ein typisches Mitglied der
lang der Pegnitz zum Schäfergedicht
traditionsreichen REGULATEUR-Familie. Aber mit einem ganz
ist Bestandteil der Gründungslegeneigenen Charakter. Dem Charakter von SINN. Schlicht, klar,
de des Pegnesischen Blumenordens,
durchdacht. Statt modisch. Ohne an Emotionalität zu verlieren.
indem es als bestellte Lobschrift zur
Die Technik: innovativ und herausragend funktional. Wie die
Doppelhochzeit in der Patrizierfamilie Tetzel geliefert wurde. Wenn wir
SINN-eigene Werkskonstruktion SZ04 in Chronometer-Qualität
heute durch die Auen wandern, semit Sekundenstopp. Oder die nachtleuchtenden Zeiger und Inhen wir die gleichen Dinge, die auch
dizes. Für ausgezeichnete Ablesbarkeit. Wer innovativ ist, macht
unsere Barockdichter gesehen haben.
keine Kompromisse. Werksabverkaufspreis mit Lederband:
Wir verweilen im gleichen Poeten1.780,- EUR.
wäldchen, das den ersten MitglieWWW.SINN.DE · TEL. +049 (0) 69 978414 - 200 · FAX - 201 · VERTRIEB@SINN.DE
dern des Ordens als Versammlungsort gedient hat. Aus genau diesem
Gefilde waren die ersten Pegnesen
vom privaten Eigentümer vertrieben worden. Harsdörffer hat nicht
mehr erlebt, wie ersatzweise dem
Blumenorden ein Stück Wald, der
„Irrhain“, „zu ewigem Lehen“ zugeeignet wurde. Wenn Sie diesen Hain
besuchen, sehen Sie etliche GedenkEinem Teil unserer
steine, beschriftet mit Angaben über
5044-AZ-DeuSpach-6100Reg-105x210-sw-Ztg-rz.indd
1
Ausgabe
(nur
Deutschland)
liegt ein Prospekt des Atlas
erinnernswerte
Ordensmitglieder,
Verlages, Weil am Rhein, bei. Wir bitten um freundliche
darunter Harsdörffer, Klaj, Birken,
Cramer; auch Wieland.
Beachtung. Vielen Dank.
Von Diethold Tietz
autzens Sprachretter starteten
in das elfte Jahr ihres KlubBestehens. Die allmonatlichen Klubabende eröffnete im Januar unser
Vereinsmitglied Albrecht Balzer aus
Zittau mit einem Vortrag zur Häufigkeit von Anglizismen und anderen
Fremdwörtern in der Presse. Er hatte
sich die mühsame Arbeit auferlegt,
250 Texte aus 36 Zeitungen und Zeitschriften von A wie ADAC-Motorwelt bis Z wie Zittauer Werkstätten
zu untersuchen.
Anzeigen
und auf fünff gleich-große Scheiben
von Papyr also aufeinander gehefftet
werden, daß man jeden Ring absonderlich umbdrehen kan. Wann solchs
geschehen, muß man dises fünfffache
Blat wider hinein pappen.“ Die Zahl
der Kombinationen beträgt entsprechend den Wortteilen auf den fünf
Ringen 48 mal 50 mal 12 mal 120
mal 24 = 83 Millionen! Wenn man
den Bestand an deutschen Wörtern
mit 400.000 annimmt, leisten diese
Ringe mehr als das Zweihundertfache. Harsdörffer hat die Atomisierung der Schrift aber noch weiter getrieben, indem er die Buchstaben in
gerade, gekrümmte, lange und kurze
Bestandteile zerlegt hat. Damit hat er
vorweggenommen, wie heutzutage
elektronische Rechner in digitalisierter Form Zeichen, Buchstaben und
Sprache verarbeiten.
Fremdwörter in der Presse
B
Seite 11
Bücher von Johannes Dornseiff
(Frieling-Verlag, Berlin)
Bisher
Tractatus absolutus
und
Recht und Rache
Inhaltsangaben und Auszüge unter www.johannesdornseiff.de
Jetzt
Sprache, wohin?
Bemerkungen eines Sprachteilnehmers
3EITENs%UROs)3".
Die Sprache hat, vor allem in den letzten Jahrzehnten, schlimme Entwicklungen
genommen, die man weitgehend als Schwächung oder als Verschmutzung bezeichnen
kann; ersteres vor allem in der Grammatik (Z"6IELEWàRDENDIE'EFAHRLEIDERNOCH
unterschätzen), letzteres vor allem im Wortgebrauch (z.B. schwul oder die Menschen
BEI DEN 2EFORMEN MITNEHMEN). [Zur Wortschatzverschlechterung gehört auch die
Fremdwörterei, die graecolateinische und mehr noch die englische.] Der Verfasser
stellt den verdorbenen Sprachgebrauch an den Pranger und zeigt zugleich, daß man
sich davon freihalten kann; darüber hinaus, daß auch Sprachbereicherung möglich
ist. – Im Anhang wird die Rechtschreib"reform" zerpflückt.
Verbesserungen:
[da würden sie heute noch wohnen]: DAWOHNTENSIENOCHHEUTE – [bräuchte]: brauchte
– [nichtsdestotrotz]: NICHTSDESTOWENIGER – "Das hatte ich [echt] nicht erwartet":
wirklich – [blauäugig]: naiv – kamen drei [Menschen] ums Leben: 0ERSONEN – Wir müssen
diesen [Menschen] helfen: Leuten – [Ängste]: !NGST"EFàRCHTUNGEN – Wir [danken für
Ihr Verständnis]: BITTENUM6ERSTËNDNIS.ACHSICHT – Herz[probleme]: Herzbeschwerden
– [Bürgerinnen und Bürger]: 1. Bürger und Bürgerinnen 2. Bürger – [Recycling]: 1.
Rezyklierung 2. Rückverwertung – [Ticket]: +ARTE &AHRKARTE %INTRITTSKARTE – [Job]:
3TELLE!RBEIT"ERUF!MTnes [macht] keinen Sinn: hat – [Nutzer]: Benutzer – [ethisch]:
MORALISCH –[maximal]: höchstens – [authentisch]: ECHTn[Region]: Gegend
Neubildungen:
querab (= senkrecht zur Bewegungsrichtung), Stehbleibfehler (versehentlich nicht
mitgetilgt), Bestuch (= sich bestechen lassen), sich anherzen, Hindernisse und
&ÚRDERNISSE, Multikulti und Rassamassa
www.johannesdornseiff.de
A
H
F
Bunte Seite
Seite 12
Scheinbares Denken in der Finanzkrise
Wer hätte das gedacht: Das scheinbar Undenkbare
ist anscheinend denkbar
Von Klemens Weilandt
D
as Denken, daran wird man
hin und wieder erinnert, gehört
durchaus zu den anspruchsvolleren Betätigungen des Menschen. Gelegentlich
begegnet man sogar der These, erst und
in Wahrheit allein das
Denken unterscheide den
Menschen von allen anderen Lebewesen, mache
ihn – zum Menschen!
schlägig helfenden Publikationen hätten
kaum eine Existenzberechtigung.
Sprache ist immer auch ein Wagnis.
Nicht selten muß dafür ein hoher Preis
gezahlt werden, nicht auf den internationalen Finanzmärkten, fürwahr, aber
im Alltag des Zusammenlebens, wo
sprachliche Präzision ihren Wert hat,
wenn tunlichst unterschieden werden
sollte, ob jemand scheinbar tot ist, wenn
also nichts dafür spricht, oder anscheinend, wenn also alles dafür spricht.
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 35_Frühling 2009
Könnte es auch sein, daß die Qualität
des Denkens auf den Finanzmärkten
überhaupt der entsprach, der wir in
dem F.A.Z.-Beitrag des Chefvolkswirts begegnet sind? Eines veritablen
Mitspielers unter den „Global players“! Ihm verdanken wir einen Satz
über „das Ansehen und die Reputation des Eurosystems“. Wer Ansehen
und Reputation so nebeneinander
stellt, der weiß wohl auch nicht, daß
Schimmel weiß und Rappen schwarz
sind.
Sprache setzt auch Denken voraus.
Ihm verdankt sie ihre Systematik, ihr
fürwahr nicht einfaches
und deshalb wiederum
Denken in Anspruch
nehmendes Gefüge von
Regeln. Dazu zählt auch
der Wortschatz, der sich
Na also, wird sich ein
Sind diese Barscheine nur willkürlichem, soll heiformidabler Wirtschaftsdenkfreiem oder
Bild: Sockxpert ßen
wissenschaftler – als scheinbar?
denkfaulem, Zugriff nicht
Mensch, versteht sich, aber immerhin
auch als Prof. Dr. und ausdrücklich recht fügen will – wenigstens nicht, soausgewiesen als „Chefvolkswirt bei lange noch mitgedacht wird im Umgang
Morgan Stanley“ – gedacht haben. Mit mit Sprache. Da empfiehlt doch tatsächdem einfachen Denken wollte er sich lich ein leibhaftiger Chefvolkswirt einer
aber nicht begnügen. Ausgehend von Bank, die als „Global player“ auf den
der Prämisse, „daß auch vermeintlich „Finanzmärkten“ ein großes Rad dreht,
extrem unwahrscheinliche Ereignis- uns, seinen Leserinnen und Lesern, und
se eintreten können“, behauptete er: wahrscheinlich auch seinen denkabsti„Es lohnt sich deshalb, das scheinbar nenten Mitbankern, „das scheinbar UnUndenkbare zu denken.“ (Prof. Dr. Jo- denkbare zu denken“.
achim Fels, F.A.Z. vom 17.11.2008,
Seite 24) Dann wollte er seiner Leser- Nun ist aber das scheinbar Undenkbaschaft nicht vorenthalten, daß „viele re tatsächlich das Denkbare! So wie
Akteure an den Finanzmärkten“ diese der scheinbar Tote in Wirklichkeit ein
„Lehre“ mittlerweile beherzigten. Wie Lebender ist, häufig sogar ein Springschön! Endlich ein Lichtblick! Aller- lebendiger. Und das Denkbare denken
dings hat die Lehre, des Professors und doch hoffentlich mindestens Banker
Chefvolkswirts Lehre, einen Haken, stets und immer. Kann er, der Herr
Professor, das gemeint haben, was er
nämlich einen sprachlichen.
da geschrieben hat? Er wird doch noch
Nun ist längst bekannt, daß auch die das Reale von dem Imaginären zu unSprache dem Denken zugänglich ist. terscheiden wissen? Sobald wir aber
Erst durch das (Nach)denken erschlie- das fast Undenkbare, daß nämlich der
ßen sich Inhalte, die von der Sprache Herr Professor seiner Sprache nicht
nicht so ohne weiteres preisgegeben gewachsen war, denn doch gedacht hawerden – oder werden sollen. Was, zum ben, liegt das Ergebnis auf der Hand:
Beispiel, wäre die Interpretationskunst Wir alle, so des Chefvolkswirts Rat,
ohne die Sprache in ihren verbergenden, sollen das anscheinend Undenkbare,
verschleiernden,
verklausulierenden für dessen Undenkbarkeit fast alles
Daseinsformen? Hunderte von Univer- spricht, dennoch, darauf kommt es an,
sitätslehrstühlen und Tausende von ein- zu denken wagen. Wagnis muß sein!
Wie aus dem Nichts taucht dann ein bedrückender und gleichzeitig beglückender
Gedanke auf: Könnte das Suchen nach
den Ursachen der Krise auf den internationalen Finanzmärkten nicht ein schnelles Ende haben? Könnte es sein, die Frage
drängt sich auf, daß die Krise in erster Linie das Produkt des Denkens des eigentlich Undenkbaren seitens der Kohorte der
Banker ist? Nennt man das Denken des
Undenkbaren nicht auch Spekulation?
Ging es da möglicherweise um scheinbar
sichere Geldanlagen? Sollte nur der gute
Schein gewahrt werden, wo doch längst
hätte erkannt sein können, daß Undenkbares zu denken sich nicht lohnt?
DSW-Silbenrätsel
zum Quetschen farbiger Himmelserscheinungen – 23. ein zweirädriges Fahrzeug
züchtigen – 24. Steigerung von getrocknetem Gras – 25. Lärm eines Geldbeutels
– 26. süßer Erdbegleiter – 27. jemand, der Gespenster transportiert – 28. Name
für Leute, die Pech auf dünnem Eis haben – 29. Verletzung einer Waschmaschine beim letzten Arbeitsgang – 30. Hühnerprodukt, mit dem man jemanden zum
Kaiser weiht
Der Herr Professor hat wahrscheinlich
keinen Preis im pekuniären Sinne in
Gestalt eines Abzugs beim Zeilenhonorar zu zahlen gehabt. Insoweit hat
es sich für ihn wohl „gelohnt“, Undenkbares zu denken. Allerdings kann
Blamage einen höheren Preis auf der
immateriellen Ebene darstellen, noch
dazu wenn Undenkbares von Dritten
gedacht werden sollte. Es ist in der Tat
im Grunde etwas Undenkbares, daß einem Professor, noch dazu wenn er eine
Allianz mit dem Denken vorgibt, der
Unterschied zwischen scheinbar und
anscheinend nicht geläufig ist. Tröstlich bleibt, daß man sich durch Nachdenken den Unterschied und damit das
wirklich Gemeinte erschließen kann.
Klemens Weilandt war Schulabteilungsleiter der Bezirksregierung Hannover. Kürzlich ist sein neuestes Buch
erschienen (siehe auch Seite 8). Es
enthält auch die Glossen, die bereits
in der DEUTSCHEN SPRACHWELT
erschienen sind.
Klemens Weilandt: Blütenlese. Die
deutsche Sprache – (k)ein Grund
zur Heiterkeit, Verlag Leuenhagen
& Paris, Hannover 2008, gebunden,
400 Seiten, 19,90 Euro.
Bad Bank – Kurort oder Schrottplatz?
A
ls Durchschnittsbürger kenne
ich sehr wohl Orte wie Bad
Hersfeld, Bad Tölz oder Wildbad
Kreuth und viele andere, doch wo,
um Himmels willen, liegt Bad Bank?
Und – wer soll sich dort erholen? Die
Menschen etwa, die uns finanziell in
den Abgrund gejagt haben und dafür Jahresboni bekamen, von denen
Sie, liebe Leser, noch nicht einmal
träumen? Ein Ort der Erholung für
Menschen also, die nicht notleidend,
sondern notbringend sind? Erholt
sich etwa hier das Geld, welches sich
Tag und Nacht, Monat für Monat und
Jahr für Jahr für seine Besitzer abrackert, ja, geradezu bis zum Umfallen
schuftet und nun wirklich einmal eine
Kur nötig hat? Oder handelt es sich
vielleicht um den Ort, in dem die Kriminellen ihr Geld waschen?
licher Hinsicht
– ebenso die
Banker und Politiker, die unsere Sprache am
liebsten dort sähen, wo sie auch
die schlechten
Kredite
gerne
hätten – irgendwo im Abseits, wo sie
in Vergessenheit gerät. Statt sich aus
dem reichen Schatz unserer Sprache
Wörter auszuleihen – sie sind ohne
Zins und Zinseszins zu bekommen
– behandeln sie unser Vokabular wie
etwas Toxisches. Sie versuchen, mit
einer neuen Sprache, die keiner mehr
versteht, neue Geschäfte zu machen.
Verhindern wir das, schicken wir deren Sprache dahin, wohin sie gehört –
ins Panoptikum des Abstrusen, meint
Nun, Sie haben es längst erraten,
hier handelt es sich nicht um einen
Ort, sondern um eine Auffanggesellschaft, ausgesprochen „bäd bänk“,
die sogenannte „faule“ oder auch
„notleidende“ Kredite aufnimmt und
bei sich lagert – eine Schlecht-Bank
oder Wertlos-Bank also. Bei diesem
Geschäft, das unsere Volkswirtschaft
retten soll, gerät unsere Sprache ein
weiteres Mal in ärgste Bedrängnis.
Denn faul und notleidend sind nicht
nur die Kredite, sondern – in sprach-
Ihr Anglizismenmuffel
Wolfgang Hildebrandt
Wolfgang Hildebrandt, Mal ganz ehrlich – Gedanken eines Anglizismenmuffels über Überflüssiges im Überfluß, ISBN 978-3-929744-33-0, 6,00
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Wolfgang Hildebrandt, Am Steingrab
20a, D-27628 Lehnstedt, Telefon +49(0)4746-1069, Telefax +49-(0)4746931432, hillesimm@t-online.de
Von Dagmar Schmauks
a – all – an – ap – be – bei – ben – beu – bin – bo – bör – bre – chen – cher –
da – dams – den – der – dung – ei – ein – er – fah – fee – fel – fel – fels – flucht
– fort – frei – ge – gei – gel – gel – gen – gen – gen – gen – gen – griff – heil
– heu – ho – hof – hor – horch – hös – hund – ka – kaf – kle – krach – la – lei
– lied – löf – lum – ma – men – miß – mit – mond – nig – or – pen – pflan –
pres – punkt – rad – re – rer – sal – sam – satz – sau – schla – schleu – se – sen
– spit – ster – te – tel – tel – ter – ton – trau – ver – wie – wolf – zen – zoo – zu
– zung – zwei
Lösungen: 1. Lumpenhund – 2. Fortpflanzung – 3. Eileiter – 4. Zugriff – 5. Mißton
– 6. Spitzenhöschen – 7. Allheilmittel – 8.
Hofladen – 9. Wiegenlied – 10. saugen – 11.
Klebebindung – 12. Kadavergehorsam – 13.
zweifelsfrei – 14. zoomen – 15. Fluchtorte
– 16. Angelpunkt – 17. Bengel – 18. Kaffeesatz – 19. Horchlöffel – 20. Beutelwolf – 21.
Adamsapfel – 22. Regenbogenpresse – 23.
Radschlagen – 24. Heuer – 25. Börsenkrach – 26. Honigmond – 27. Geisterfahrer
– 28. Einbrecher – 29. Schleudertrauma –
30. Salbei
1. Haustier in zerfetzter Kleidung – 2. verschwundene Plantage – 3. Steighilfe
für Hühnerprodukte – 4. gefährliche Untiefe für die Eisenbahn – 5. preisgekrönte Töpferin – 6. erstklassiger Slip – 7. Medizin für das Universum – 8. wie der
Weihnachtmann einen flachen dünnen Kuchen begrüßt – 9. Gesang beim Feststellen des Gewichts – 10. rüde Beschimpfung eines Erbfaktors – 11. stark haftende
Beziehung – 12. Folgsamkeit über den Tod hinaus – 13. ohne die beiden Felsen
– 14. deutsch-englischer Ausdruck für „Tierpfleger“ – 15. unflätig schimpfender
Kuchen – 16. winziger Platz zum Fischfang – 17. zweitklassiger Himmelsbote –
18. Äußerung eines anregenden Getränks – 19. lauschende Besteckteile – 20. hundeartiges Raubtier mit Tragetasche – 21. Kernobst unseres Urvaters – 22. Gerät
Prof. Dr. Dagmar Schmauks ist in der Arbeitsstelle für Semiotik an der Technischen Universität Berlin tätig. Semiotik ist die Wissenschaft
von den Zeichen.
Einladung zum Dritten Köthener Sprachtag
vom 19. bis 21. Juni 2009 in Köthen/Anhalt, ausgerichtet von der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft
Bitte deutlich schreiben!
Anmeldung
n
Ich nehme am Dritten Köthener Sprachtag (19. bis 21. Juni 2009) teil
und bringe ________ Personen mit. Bitte senden Sie mir die Tagungsunterlagen (endgültiges Programm, Hotelliste) zu.
___________________________________________________________
Name, Vorname
_________________________________________________________________________________________
Straße
_________________________________________________________________________________________
Postleitzahl und Ort
_________________________________________________________________________________________
Elektronische Post
_________________________________________________________________________________________
Datum und Unterschrift
Schicken Sie die ausgefüllte Anmeldung bitte bis spätestens zum 31. Mai 2009 an:
Neue Fruchtbringende Gesellschaft zu Köthen/Anhalt e. V., Schloßplatz 5, D-06366
Köthen/Anhalt, Telefon und Telefax +49-(0)3496-405740, sprachtag@fruchtbringendegesellschaft.de
S
eit 2007 ist der
jährliche Köthener Sprachtag ein
wichtiger Treffpunkt
für
Sprachfreunde
und Sprachvereine.
Das Schillerjahr, die
Sprachenpolitik der
Europäischen Union und die Förderung des Lesens sind
die
Schwerpunkte
des Dritten Köthener Sprachtags. Tagungsort ist voraussichtlich das Veranstaltungszentrum
im Schloß Köthen, Schloßplatz 4,
D-06366 Köthen/Anhalt. Der Eintritt zu sämtlichen Veranstaltungen
ist frei. Das Programm enthält unter
anderem folgende Beiträge:
Freitag, 19. Juni
Begrüßung durch den Oberbürgermeister der Stadt Köthen, Kurt-Jürgen Zander – Einführungsworte der
Vorsitzenden der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft, Prof. Dr. Uta
Seewald-Heeg – Dr.
Dr. Manfred Betz:
„Die
europäische
Akademiebewegung
unter dem Blickwinkel von Politik und
Sprache“ – Michael
Mühlenhort, Wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Klassikerwörterbuch: „Schiller
als Sprichwortautor“
– „Im Zeichen des
Schillerjahres“: Literarisch-musikalischer
Abend mit der Schauspielerin und
Schriftstellerin Blanche Kommerell,
Trägerin des „Deutschen Sprachpreises 2008“.
Samstag, 20. Juni
Rainer Robra, Europaminister des
Landes Sachsen-Anhalt: Grußwort
– Volker Hoff, Europaminister a.
D. des Landes Hessen: „Initiative
zur Stärkung der deutschen Sprache
in der EU“ – Dr. Dietrich Voslamber, Vorstandsmitglied des Vereins
Deutsche Sprache: „Fallbeispiele
zur Stellung der deutschen Sprache
in der Europäischen Union“ – O.
Univ.-Prof. Dr. Werner Pfannhauser,
Vorsitzender der IG Muttersprache,
Graz: „Zur Stellung des Deutschen
als Wissenschaftssprache“, – Otto
Stender, Vorsitzender des Vereins
„MENTOR e. V.“: „Mentor Leseförderung“ – Dr. Monika Plath, Universität Erfurt: „Zur Entwicklung
von Lesemotivation – Mit Kindern
literarische Welten entdecken“ – Dr.
Albrecht Balzer, Sprachrettungsklub
Bautzen-Oberlausitz: „Politisch korrekte Sprache“.
Sonntag, 21. Juni
Gottesdienst in der Schloßkapelle,
gehalten von Kreisoberpfarrer Dietrich Lauter, mit einer Predigt zur
deutschen Sprache.
Das endgültige Tagungsprogramm
wird sowohl auf www.fruchtbringende-gesellschaft.de veröffentlicht
als auch nach der Anmeldung zugeschickt.