Hoch geehrt und viel getadelt. Die Leipziger Universitätsrektoren

Transcription

Hoch geehrt und viel getadelt. Die Leipziger Universitätsrektoren
Hoch geehrt und viel getadelt. Die Leipziger Universitätsrektoren und ihr Amt bis 1933
Jens Blecher
In der europäischen Universitätsgeschichte lassen sich verschiedene Universitätsmodelle und
Universitätsverfassungen finden - allen gemeinsam ist jedoch die Vertretung nach außen und
innen durch einen Vorstand, der gemeinhin als Rektor bezeichnet wird.
Um das Jahr 1200 entsteht im italienischen Bologna ein erster Zusammenschluss, eine
universitas, von Lehrenden und Lernenden. Die neue Gemeinschaft verordnete sich selbst
gefasste Regeln (Statuten) und wählte als Oberhaupt auf Zeit einen Rektor aus ihrer Mitte, der
den Vorstand führte und dessen Gerichtsbarkeit sie sich unterwarf. Infolge des städtischen
Versuchs, die Lehrer und ihre wirtschaftliche Tätigkeit ab 1217 mit einem Eid an die
Stadtgrenzen zu binden, werden die Lehrer jedoch bald von den Schülern entrechtet: Das aktive
und passive Wahlrecht für das Rektorat kam danach nur den Studenten zu. Die Entwicklung zur
Scholarenuniversität, die eine Organisation der zahlenden Interessenten an Bildung darstellt und
die Lehrenden von der Verwaltung ausschloss, bleibt in der abendländischen Bildungsgeschichte
jedoch weitestgehend auf den italienischen Raum beschränkt.1
Ein weiteres Universitätsmodell konnte sich ebenfalls nicht in Europa durchsetzen: Kaiser
Friedrich II. (1194 – 1250), in seiner Funktion als König von Sizilien, gründete 1224 die
Universität Neapel – die erste europäische Staatsuniversität.2 Ohne gewählten Rektor wurde sie
direkt von einem königlichen Kanzler geleitet und Akademiker und Studenten unterlagen
weiterhin der königlichen Gerichtsbarkeit. Allein der König ernannte und besoldete die Lehrer, in
seinem Namen wurden die Studenten geprüft und alle studienwilligen Untertanen zwangsweise
an die neue Universität verwiesen.
In Paris entstand nahezu zeitgleich mit Bologna um 1208 ebenfalls eine universitas3 – und ihre
Organisationsform entwickelte sich zu einem Vorbild,4 der die später gegründeten Universitäten,
1
Stein, Friedrich: Die akademische Gerichtsbarkeit in Deutschland. Leipzig 1891, S. 27. Beispiel dafür Siena, Perugia,
Padua.
2
Grundmann bezeichnet sie als „erste Staatsuniversität“ (Grundmann, Herbert: Vom Ursprung der Universität im Mittelalter,
in: Ausgewählte Aufsätze. Teil 3 Bildung und Sprache, Stuttgart 1978, S. 300).
3
Kaufmann, Georg: Geschichte der deutschen Universitäten, Band I, Vorgeschichte, Graz 1958. Band II, Entstehung und
Entwicklung der deutschen Universitäten bis zum Ausgang des Mittelalters, Graz 1958. Photomechanischer Nachdruck der
Ausgabe Stuttgart 1888/1896, hier Kaufmann I, S. 250/251: Die erste überlieferte Handlung bestand in der Aufstellung eines
2
auch die Prager und Leipziger, folgten. Dort entwickelten sich Selbstorganisationsstrukturen, die
die Universitäten bis heute prägen, so „... die Leitung durch eigene, aus ihrer Mitte gewählte
Rektoren mit Gerichtsbarkeit über die Universitätsangehörigen, die Gliederung der Studienfächer
in Fakultäten mit gleichfalls gewählten, wechselnden Dekanen an der Spitze, ihr Prüfungs- und
Promotionsrecht zur Verleihung des Doktorgrades und der Lehrberechtigung und manches
andere bis hin zu den Amtsbezeichnungen der Ordinarien, Lektoren, Pedelle, der Amtstracht der
Talare und Barette, der Matrikel und Immatrikulation der Studenten, der Benennung des Kollegs,
des Auditoriums, der Aula usw.“5
Zunächst schien die Universität Paris jedoch nicht vom Schicksal begünstigt - über die Frage der
Zugehörigkeit bzw. über die Autonomie des Lehrkörpers und dessen Selbstergänzung entbrannte
ein heftiger Streit zwischen dem Bischof (dem Universitätskanzler) und der universitas. Die
Selbstorganisation und Eigenverwaltung des Lehrbetriebes war ein Privileg, um das mit harten
Bandagen gekämpft wurde. Mehrfach wurden Mitglieder der Universität durch den Pariser
Bischof exkommuniziert und die Universität stellte daher den Lehrbetrieb im Jahre 1219 aus
Protest ganz ein, 1229 erfolgte sogar ein Auszug der Pariser Universität.
Eine zukunftsweisende Entscheidung fiel erst, nachdem sich die päpstliche Autorität wohlwollend
zu Gunsten der Gelehrtengemeinschaft engagierte: „Fast ein Menschenalter hindurch währte der
Kampf, den die Magister deshalb gegen den Kanzler von Notre Dame führten und der nach
wiederholtem Eingreifen des päpstlichen Stuhls damit endete, dass Gregor IX. durch die Bulle
Parens scientiarum vom Jahre 1231 den Magistern eine bestimmte Mitwirkung bei den
Prüfungen einräumte, dem Kanzler aber das Recht der Lizenzerteilung beließ, welches für sein
Gebiet auch der Abt von St. Genoveva ausübte.“6 Damit wurde der Kanzler faktisch aus der
8-Männer-Ausschusses, der Regeln für die Tracht, die Vorlesungen und die Leichenbegängnisse in ein förmliches Statut
fassen soll.
4
Paulsen, Friedrich: Die Gründung der deutschen Universitäten im Mittelalter, in: Historische Zeitschrift (45) 1881, S. 251311, hier S. 256: „Bologna...Errichtungs- und Stiftungsbriefe führen häufig ihren Namen im Munde, aber nur um zu
versichern, dass die neu zu gründende Einrichtung an Freiheiten und Privilegien hinter ihr nicht zurückbleiben solle; die
Einrichtungen der Bologneser Universität sind nirgends Vorbild gewesen.“; Grundmann, S. 301: Zwar war dem Prager Stifter
(Karl IV.) die Stiftungsurkunde von Neapel bekannt und Textelemente flossen in die Stiftungsurkunde mit ein, als Vorbild
für Prag werden jedoch nur Paris und Bologna erwähnt.
5
Grundmann, S. 303. Zur Herausbildung der Universitätsstrukturen siehe auch: Müller, Rainer: Geschichte der Universität,
München 1990, S. 18 ff.
6
Stein, S. 5.
3
Universität herausgedrängt und ihm die Rolle des externen Prüfers für Graduierungen bzw. des
Aufsehers über die päpstlich verbrieften Gemeinschaftsrechte zugewiesen.7
Die Grenzen des Aufsichtsrechts blieben jedoch unbestimmt und auch das Verhältnis zwischen
Kanzler und Rektor war weitgehend ungeklärt. Im Jahre 1283 geriet die Universität daher in
einen neuerlichen Streit mit dem Kanzler. Die Auseinandersetzung betraf die rechtliche Stellung
zwischen Kanzler (der als geprüfter Magister ebenfalls der universitas angehörig war) und dem
aus dem Kreise der Magister gewählten Rektor. Die Universität bestritt eine privilegierte Stellung
des Kanzlers in der Universität mit dem Argument: „…ihr Haupt sei der Rektor, und deshalb
könne der Kanzler nicht auch noch ihr Haupt sein, sonst würde die Universität ja ein
zweiköpfiges Ungeheuer sein.“ Um ihre Rechtsauffassung zu bekräftigen, fügte sie selbstbewusst
den Verweis auf die höchste Autorität des christlichen Abendlandes an und erklärte: „Außer dem
Rektor haben wir kein anderes Haupt als den Papst.“8
Gut zweihundert Jahre später geriet die Prager Universität in einen ähnlichen Konflikt, als der
König in die inneren Auseinandersetzungen zwischen Universitätsangehörigen eingriff. Durch
die im Jahre 1409 von König Wenzel9 (1361-1419) geänderte Machtverteilung innerhalb der
vier Nationen und die Einsetzung eines neuen, böhmischen Rektors an der Prager Universität
wurden die nichtböhmischen Nationen entmachtet und bewusst gedemütigt.10 Aus Protest gegen
diesen willkürlichen Eingriff in die direkt mit dem Rektoramt verbundene Selbstverwaltung
verließen viele der nichtböhmischen Akademiker Prag.11 In diesem Exodus liegen die Anfänge
7
Chartularium Universitatis Parisiensis, éditions H. Denifle et E. Chatelain, Paris, Delalain, 1889, Tome 1, p. 136-139: Die
Bulle bestätigte zugleich den Anspruch der universitas sich ein eigenes Statut zu geben, die Zeit und die Art der
Lehrveranstaltungen selbst zu bestimmen, für die Gemeinschaft Kleiderregeln zu entwerfen, die Leichenbegängnisse zu
regeln und Verletzungen der Ordnung innerhalb der Gemeinschaft selbst zu ahnden. Wurde ein Übergriff von außen auf
einen Universitätsangehörigen nicht binnen 15 Tagen bestraft, so hatte die Universität das Recht, den Lehrbetrieb einzustellen
bis ihr volle Genugtuung widerfahren war.
8
Kaufmann I, S. 273.
9
König Wenzel (1376-1400 Römischer König; 1363-1419 König von Böhmen).
10
Nach Gretschel setzte der böhmische König während der Auseinandersetzungen zwischen den Nationen in Prag als
Interimsrektor seinen Küchenmeister ein (Gretschel, Carl Christian Carus: Die Universität Leipzig in der Vergangenheit und
Gegenwart, Dresden 1830, S. 13).
11
Bereits seit 1384 hatte es wegen der Ausstattung der Nationen mit Pfründen Konflikte innerhalb der Universität gegeben.
Dabei wehrten sich die drei nichtböhmischen Nationen gegen die Eingriffe des Kanzlers (Erzbischof von Prag) in die
Verfassung der Universität mit „... der Einstellung der Vorlesungen und aller Universitätsakte.“ Erler, Georg: Der Auszug der
Prager Magister und Studenten und die Gründung der Universität Leipzig, in: Das schwarze Brett. Festnummer zum
500jährigen Jubiläum der Universität Leipzig, Leipzig 1909, S. 4-8, hier S. 5 und zu den Vorüberlegungen der drei
nichtböhmischen Nationen wegen eines Auszuges vgl. S. 7.
4
der Universität Leipzig 1409, die im politischen Konsens zwischen Flüchtlingen und den
wettinischen Landesherrn entsteht.12
Für die Privilegierung der neuen Universität ergaben sich günstige politische Umstände,13
wodurch ihre Gründung in rasantem Tempo vonstatten ging: Im Mai 1409 verlassen die
deutschen Akademiker Prag, am 9.9.1409 wurde die päpstliche Bestätigungsbulle unterzeichnet
und am 2.12.1409 im Beisein der Landesherrn der erste Leipziger Rektor gewählt, die
Universitätssatzung verlesen und die Universität damit offiziell eröffnet. Kurz darauf gibt sich die
Universität Leipzig eigene Statuten – und wie nicht anders zu erwarten, behandeln die ersten 9
der insgesamt 12 Abschnitte das Rektorenamt.14 Die Voraussetzungen für das Wahlamt, der
Wahlmodus, die Bekanntmachung der Wahlergebnisse, der Eid und die Pflichten des Rektors
werden explizit festgeschrieben.
Gewählt werden konnte zunächst nur ein Mitglied aus einer der vier Nationen - in den Statuten
von 1409 wurde nur ein Mindestalter von 25 Jahren gefordert.15 Für die Partizipation an den
Rechten der vier Nationen war eine zuvor erworbene Graduierung in der Artistenfakultät
zunächst die wichtigste Voraussetzung. Offenbar bildete die universitas, bis weit über die
Reformationszeit hinaus, eine geschlossene Sphäre,16 in der der frühere weltliche Stand nicht
12
Zu den Interessen der Stadt Leipzig an der Universitätsgründung finden sich in der Literatur keine Belege. Boockmann,
Hartmut: Wissen und Widerstand. Die Geschichte der deutschen Universität, Berlin 1999, S. 93 bringt mit der Gründung der
Universität Basel im Jahre 1460 ein Beispiel. Neben dem Verbleib der studierenden Jugend im Territorium erhofft sich der
Magistrat bei einer Zahl von 1000 Studierenden eine Steigerung des Sozialproduktes in der Stadt von ca. 20 Taler pro
Student, also schätzungsweise 20.000 Talern. Durch ein Rechenexempel belegt Boockmann, dass mit einem solchen
Zuwachs eine Verdoppelung des Sozialprodukts der Stadt erzielt worden wäre.
13
Erler Auszug, S. 8: „Das von den abgefallenen Kardinälen nach Pisa berufene Konzil hatte einen unbestreitbaren Erfolg
gehabt. Gregor XII. wie sein Gegner Benedikt XIII. waren entsetzt worden und am 26. Juni 1409 hatte das Konzil Alexander
V. zum Papst gewählt. Wie der größte Teil der deutschen Fürsten, so haben sich auch die meißnischen Markgrafen, ohne
Rücksicht auf Ruprechts ablehnende Haltung, dem neuen Papst genähert. ... Sicher ist, daß, sobald die Wahl in Deutschland
bekannt wurde, die Markgrafen Wilhelm und Friedrich Boten mit der Bitte um Bestätigung ihrer Stiftung an die Kurie
sandten. Nichts konnte dem Papst erwünschter kommen, als durch die Gewährung der Bitte sich die mächtigen Wettiner zum
Dank verpflichten zu können.“
14
Zarncke, Friedrich: Die Statutenbücher der Universität Leipzig aus den ersten 150 Jahren ihres Bestehens, Leipzig 1861, S.
48-53.
15
Zarncke Statutenbücher, S. 48. Kaufmann I, S. 265: In Paris kamen schon sehr früh noch Mindest-Lehrzeiten für die Wahl
ins Rektorenamt hinzu: „Drei Jahre für die Prüfungskommission der Baccalare, sechs Jahre für die der Lizentiaten und für die
Wahlfähigkeit zum Rektor.“
16
Die Grenzen zur ständisch organisierten Außenwelt waren allerdings fließend. Bis in die Gegenwart hält die Diskussion an,
ob die Universitäten der kirchlichen, einer klerikalen oder der weltlichen Sphäre zuzurechnen seien, siehe u.a. Kaufmann,
Paulsen und in jüngster Zeit Alenfelder (Alenfelder, Klaus Michael: Akademische Gerichtsbarkeit, Baden-Baden 2002.) oder
Oexle (Oexle, Otto Gerhard: Alteuropäische Voraussetzungen des Bildungsbürgertums, in: Conze, Werner /Kocka, Jürgen:
Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert. Teil 1, Bildungssystem und Professionalisierung im internationalen Vergleich,
Stuttgart 1992, S. 29 ff.).
5
von ausschlaggebender Bedeutung war, vielmehr ein neuer sozialer Status erst erworben werden
musste. So schrieben auch die obligatorischen Bekleidungsvorschriften hinsichtlich der
Gelehrtentracht (vesticus scholasticus) den Universitätsangehörigen eine äußerlich sichtbare
Standesordnung vor: Mützen, Talare, Barett oder Birret, Doktorring.17 Folgerichtig wurde das
Erscheinen zu akademischen Akten ohne Habit als Abwesenheit angesehen und bestraft. Dem
Rektor wurde eine Kleidungsordnung in den Statuten vorgeschrieben: er sollte nicht ohne
Kopfbedeckung (aus Fell im Winter oder aus Seide im Sommer) in der Öffentlichkeit erscheinen.
Das Geld dafür kam aus den Universitätskassen - allerdings durfte er keinen außergewöhnlichen
Aufwand treiben.18
In den ersten Statuten von 1410 wurde das Wahlverfahren in einem komplizierten Regelwerk
konstruiert, um nach den Prager Erfahrungen jeglichen Missbrauch auszuschließen. „Jede Nation
erwählte zunächst einen Wahlmann; diese vier ernannten sieben andere, erst je einen von den
vier Nationen, dann noch je einen von drei Nationen, und zwar so, dass bei jeder Wahl eine
andere Nation nur einen Wahlmann erhielt. Diese sieben wählten wieder je einen von jeder
Nation und dann einen fünften von der Nation, die in dem zweiten Wahlkollegium nur einen
Vertreter hatte. Dieser Fünferausschuss wählte dann den Rektor.“19 Jeder der Wahlvorgänge
musste binnen einer Stunde abgeschlossen sein, andernfalls drohte den Wahlmännern eine
erhebliche Geldstrafe. Der neue Rektor hatte binnen fünfzehn Tagen sein Amt anzutreten, mit
Übernahme der Siegel, der Statuten und durch den beschworenen Amtseid. Zugang zum
Universitätsschatz – der Truhe mit dem Siegel, den Privilegienurkunden und dem Geldvermögen
der Universität – erhielt der Rektor nur gemeinsam mit zwei weiteren Wahlmännern. Nach den
17
Kaufmann II, S. 82 ff . Besondere Probleme ergaben sich bei der Durchsetzung der Kleiderordnung unter den Scholaren,
die gern modischen Trends folgten. Paulsen, Friedrich: Organisation und Lebensordnung der deutschen Universitäten im
Mittelalter, in: Historische Zeitschrift (45) 1881, S. 385-441, hier S. 404: „Ein langer Rock von einfarbig dunklem Zeug für
die Scholaren mit Kapuze und Gürtel, während den Magister das Barett auszeichnete ...“; Boehm, Laetitia: Die Verleihung
akademischer Grade an den Universitäten des 14.-16. Jahrhunderts, in: Chronik der LMU München, München 1958/59, S.
164 ff., hier S. 172: Das Barett oder Birett der höheren Fakultäten war in der Regel rot, bei den Magistern der Artistenfakultät
dagegen braun, die Mützen der Baccalaren waren schwarz. Die Durchsetzung von Kleiderordnungen sorgte vor allem unter
den Studenten immer wieder für Unruhe. 1482 kam es deswegen zu einem mehrwöchigen Tumult in Leipzig (Reicke, Emil:
Magister und Scholaren. Illustrierte Geschichte des Unterrichtswesens, Fotomechanischer Nachdruck der Ausgabe Leipzig
1901, Düsseldorf 1971, S. 26.). Eine schöne Darstellung der akademischen Amtstrachten in Leipzig findet sich auf einem
Gemälde aus dem Jahre 1909, das die vier Dekane und den Rektor im Jubiläumsjahr 1909 darstellt. Das Gemälde hängt heute
im Rektorat der Universität Leipzig.
18
Zarncke Statutenbücher, S. 49.
19
Kaufmann II, S. 169.
6
Statuten war er jedoch persönlich verantwortlich für das Universitätsvermögen, das er seinem
Nachfolger mit einer Schlussrechnung zu übergeben hatte. Auch musste er die Statuten gut
kennen und sollte während seiner Rektoratszeit nicht länger als drei Tage von Leipzig abwesend
sein – längere Reisen waren von der Universitätsgemeinschaft vorher speziell zu genehmigen.
Bei Krankheiten oder längerer Abwesenheit musste ein vicerector bestellt werden, der die
Dienstpflichten in Vertretung wahrnahm. 20 Dem Rektor oblag auch die Rechtsprechung über die
Universitätsangehörigen in Zivil- und Strafrechtsangelegenheiten. Gerichtsverhandlungen beim
Rektor sollten binnen 8 Tagen abgeschlossen sein, soweit sie nicht dem Konsil weiter
überantwortet wurden.
Gewählt wurde der Amtsinhaber nur auf die Dauer eines Semesters und da die vier Nationen in
wechselnder Reihenfolge einen Rektor stellten, war eine Wiederwahl frühestens nach drei
Semestern möglich.
Nicht nur die Studenten und Lehrkräfte waren der Jurisdiktion des Rektors unterstellt, dazu
zählten auch deren Familienangehörige sowie universitätsverwandte Berufe wie Schreiber,
Korrektoren oder Illustratoren und schließlich sogar alle jene, die von der Universität oder ihren
Studenten lebten.21 Eine derart ausgedehnte Gerichtsbarkeit, deren Grenzen zudem noch
äußerst unscharf gezogen waren, musste bald Konflikte mit der städtischen Gerichtshoheit
provozieren. Binnen zweier Generationen waren die Differenzen offenbar summarisch
angewachsen und 1466 gab es den ersten Vertrag zwischen Stadt und Universität über die
Abgrenzung der Gerichtshoheit. Grenzüberschreitende Streitfälle blieben allerdings ein Problem
und 1471 eskalierte eine dieser Auseinandersetzungen, die zumeist auf den Straßen
handgreiflich ausgetragen wurden, zur Leipziger Schusterfehde.22
Auch innerhalb der Universität blieb die Autorität des Rektors in heftigen Streitfällen nicht
unangefochten. 1482 musste der Landesherr tätliche Angriffe auf den Rektor unter Todesstrafe
20
Zarncke Statutenbücher, S. 50-51. In der ersten Hälfte des Jahres war je ein Verantwortlicher aus zwei verschiedenen
Nationen zu bestimmen und in der zweiten Jahreshälfte stellten die zwei anderen Nationen je einen Schlüsselbeauftragten.
21
Zarncke Statutenbücher, S. 52.
22
Sechs Schustergesellen erließen einen Fehdebrief gegen die Universität und plünderten gemeinsam mit weiteren Kollegen
drei Universitätsdörfer. Erst das Eingreifen des Landesherrn beendete die Fehde, vgl. Stübel, Bruno: Urkundenbuch der
Universität Leipzig von 1409 bis 1555, Leipzig 1879, S. 194/195.
7
stellen, um studentische Tumulte wegen einer neuen Kleiderordnung einzudämmen.23 Immer
wieder wurden die amtierenden Rektoren mit derartigen Exzessen konfrontiert, ohne jedoch die
bestehenden Zustände ändern zu können.
Während die Besetzung der Dekanatsposten in Leipzig in der Regel an das Doktoratsalter
gebunden wurde24 und der erworbene höchste akademische Grad in der jeweiligen Fakultät
dafür unumgänglich war, so wurde der Rektor nur über die Nationenverfassung bestimmt.
Hauptkriterium bei der Wahl des Rektors war die Zugehörigkeit zu einer der vier Nationen nach
wechselnder Reihenfolge, die Fakultätsangehörigkeit des Kandidaten war sekundär.25 Latent war
jedoch die Fakultätszugehörigkeit des Rektors jedem bewusst und Auseinandersetzungen
zwischen den strikt hierarchisch voneinander geschiedenen Fakultäten mussten auch jeweils das
Rektorat tangieren. Besonders die Juristenfakultät ignorierte häufig Forderungen oder
Entscheidungen des Rektors, wenn dieser aus einer „rangniederen“ Fakultät kam. Als Ideal
schwebte den Rechtsprofessoren wohl eine eigene juristische Universität innerhalb der
bestehenden Universität vor – so wie die Juristen in Prag bis zum Jahre 1409 auch einen
23
Lehms, M.G.C.: Historische Beschreibung der weltberühmten Universität Leipzig nebst einigen remarquablen Sachen und
erlittenen fatis, wie auch einer völligen Nachricht von ihrem am 04.12. des 1709. Jahres solenn-celebrirten Dritten JubelFeste, Leipzig 1710, S. 98. Vgl. auch Zarncke Statutenbücher, S. 402: In den zwischen 1471 und 1490 entstandenen Statuten
findet sich ein Hinweis dazu „DE HABITU BACCALARIORUM“. Dort heißt es, dass kein Baccalar einen zweigeteilten,
offenen Mantel mit einem Iopula (ein mittelalterliches leinenes Untergewand) oder einem wollenen Untergewand darunter
tragen sollte, welches sein Geschlecht nicht bedeckte. Auch sollten sie keine anderen unanständigen Kleidungen tragen. Im
Falle eines Verstoßes drohten zunächst Geldstrafen und weiterhin die Nichtzulassung zur weiteren akademischen
Graduierung in der Artistenfakultät.
24
Nach Gersdorf wurde in der Philosophischen Fakultät, mit ihren vielen Magistern, der Dekan (Senior) zunächst auf ein
halbes Jahr, ab 1543 auf ein Jahr, nach wechselnder Nationenzugehörigkeit gewählt. In den höheren Fakultäten wurde das
Dekanat bis 1811 auf Lebenszeit vergeben. Bei den Juristen hatte es der mit der Leitung des Spruchkollegiums betraute
Doctor Ordinarius inne (Ordinarius), bei den Medizinern und Theologen war es der am längsten mit dem Doktorat versehene
Lehrer (Decanus bzw. Primarius). Für die Benennung des Dekanatsamtes ergaben sich seit dem 16. Jahrhundert daher vier
unterschiedliche Bezeichnungen in den Fakultäten (Gersdorf, Ernst Gotthelf: Die Rectoren der Universität Leipzig nebst
summarischer Übersicht der Inscriptionen vom Jahre der Gründung bis zur Gegenwart. Leipzig 1869, S. 16). Helbig dagegen
berichtet über den jährlichen Dekanatswechsel bei den Theologen seit 1543, nach den geänderten Statuten - seit 1558 wurde
auch bei der Philosophischen Fakultät der Dekan wieder halbjährlich gewählt (Helbig, Herbert: Die Reformation der
Universität Leipzig im 16. Jahrhundert, Gütersloh 1953, S. 87 bzw. S. 114). Otto Kirn berichtet ebenfalls über den jährlichen
Wechsel im theologischen Dekanat (Festschrift zur Feier des 500-jährigen Bestehens der Universität Leipzig, Leipzig 1909.
Band 1, Otto Kirn: Die Leipziger Theologische Fakultät in fünf Jahrhunderten. Band 2, Friedberg, Emil: Die Leipziger
Juristenfakultät, ihre Doktoren und ihr Heim, Leipzig 1909, hier Festschrift 1909, Band 1, S. 46).
25
„Man berücksichtigte in der älteren Zeit bei der Wahl zunächst die Collegiaten des grossen und des kleinen
Fürstencollegiums und bei dem Eintritt der polnischen Nation in die bestehende Reihenfolge zugleich die des
Frauencollegiums, dann die wirklichen Mitglieder (actu regentes) oder Assessoren der einzelnen Fakultäten, jedoch in
freiester Form ...“ Gersdorf, S. 17.
8
eigenen Rektor hatten.26 Bei den Studententumulten im Jahre 1482 beklagte der Rektor, dass die
Doktoren der Juristenfakultät sich mit ihren Schülern gegen die beschworenen Universitätsstatuten
und die Aufrechterhaltung der Ordnung verbünden würden „... mit verspottung der unseren.“27
1526 kam es zu einem bewaffneten Zusammenstoß der baccalarei juris mit den Magistern der
Artistenfakultät, als die Juristen den Vorrang beim Fronleichnamsfest beanspruchten. Die
nachfolgenden Schlichtungsbemühungen des Rektors erkannten die Juristen nicht an, da sie nur
ihren eigenen Dekan als Oberhaupt akzeptieren wollten. Erst dem Spruch des Landesherrn
beugten sie sich.28
Derartige Geschehnisse in Leipzig waren dabei keine Ausnahme: An der 1502 gegründeten
Nachbaruniversität Wittenberg waren anfangs derbe Übergriffe der Akademiker auf Stadtbürger
zu verzeichnen, die der Rektor kaum zu unterbinden vermochte, und schließlich eskalierten auch
interne Konflikte 1512 soweit
„...dass der Rektor der Universität, Ulrich Erbar, von einem
Studenten, der sich ungerecht behandelt fühlte, auf offener Straße ermordet wurde.“29
Nach den Statuten war der Rektor ebenfalls für die Immatrikulation der neuen Studenten und für
die Führung der Matrikelbücher zuständig. Das umfasste sowohl die persönliche Vereidigung der
Studierenden, die Eintragung ihrer Namen in die Matrikel sowie die sorgfältige Führung und
Verwahrung der Matrikelbücher – die seit der Frühzeit der Universität Leipzig bis heute
vollständig überliefert sind. Durch die Art der Geschäftsführung bedingt, sind jedoch die Namen
der Studenten nicht vollständig verzeichnet: Nach der persönlichen Vorstellung beim Rektor
erfolgte
sogleich
die
Vereidigung
mit
Schwur
auf
die
Universitätsstatuten
und
das
Gehorsamsversprechen. Die Rektoren trugen die Namen aber nicht sofort in die Matrikel ein,
sondern notierten sie wohl erst in einer einfachen Liste, ehe sie, wahrscheinlich zum Ende des
26
Zarncke, Friedrich: Die urkundlichen Quellen zur Geschichte der Universität Leipzig in den ersten 150 Jahren ihres
Bestehens, Leipzig 1857, S. 872/873.
27
Festschrift 1909, Band 2, S. 29.
28
Festschrift 1909, Band 2, S. 29. Vgl. ausführlich dazu Weller, Thomas: Theatrum Praecedentiae. Zeremonieller Rang und
gesellschaftliche Ordnung in der frühneuzeitlichen Stadt: Leipzig 1500-1800, Darmstadt 2006, S. 267 ff.
29
Meinhardi, Andreas: Über die hochberühmte und herrliche Stadt Wittenberg, Leipzig 1508. Übersetzung, Einleitung und
Anmerkung von Martin Treu, nachgedruckt, Leipzig 1986, S. 7. Vgl. auch Kaufmann II, S. 179: Der Täter war bereits zuvor
von der Universität als Student relegiert und für zwei Jahre aus der Stadt verwiesen worden. Er kehrte heimlich zurück und
erschlug den Rektor mit einem eisernen Kreuz. Da er nicht mehr durch die akademischen Privilegien geschützt war, wurde er
zum Tode verurteilt und hingerichtet.
9
Semesters und des Rektorats, fein säuberlich in die Matrikelbücher übertragen wurden.30 Ihrer
wichtigen Nachweisfunktion wegen führte der Rektor noch ein weiteres Kopialbuch der Matrikel,
welches an einem separaten Orte verwahrt wurde, jedoch bald ein Eigenleben entwickelte und
sich im Ergebnis zum Teil erheblich vom Original unterschied.
Aus diesem Verfahrensgang resultierte die Mahnung an jeden neuen Rektor (dies war bereits
durch den Amtseid zu beschwören), tatsächlich alle Studenten aufzuführen und keinen zu
vergessen.31 Die alltägliche Praxis sah jedoch anders aus, weswegen Studenten später um die
Korrektur oder die nachträgliche Immatrikulation beim Rektor anfragen mussten.32
Doch umgingen einige Studenten die Immatrikulation bewusst und waren so der Gerichtsbarkeit
des Rektors nicht unterworfen. Sie lebten außerhalb der universitären Gemeinschaft in
Bürgerhäusern und waren des strengen akademischen Regimes dadurch ledig. Dass es sich
dabei nicht nur um Einzelfälle handelte, darauf weisen wiederkehrende Ermahnungen an die
Rektoren in den Matrikelbüchern hin, derart „gerichtslose“ Scholaren, unbeaufsichtigt durch
einen Magister oder Doktor lebend, nicht unter den Schutz der akademischen Privilegien zu
stellen.33
Tatsächlich
trugen
diese
freien
Schüler
im
Jahre
1516
erheblich
zur
Konfliktverschärfung in einem Streit zwischen dem Fürstencollegium und der Artistenfakultät bei.
Auch diese Auseinandersetzung konnte der Rektor (als Verfahrensbeteiligter) nicht schlichten und
erst ein vom Landesherrn persönlich ausgehandelter Vergleich stellte den Frieden wieder her.34
30
Erler, Georg: Die Matrikel der Universität Leipzig. I. Band 1409-1559. II. Band Die Promotionen von 1409-1559. III. Band
Register. Leipzig 1895/1897/1902, hier Erler Matrikel I, S. XXXI: Die Eintragung der Studentenamen in der Matrikel
erfolgte in vier Gruppen, geordnet nach den vier Nationen in wechselnder Reihenfolge. So konnte der Rektor erst zum Ende
des Semesters die Reinschrift vornehmen. Erler vermutet, dass die Namen der Studierenden zunächst nur auf losen Blättern
vermerkt wurden, was manchen fehlenden Namen erklären würde.
31
Zarncke Statutenbücher, S. 50: DE IURAMENTO NOVI RECTORIS.
32
Erler Matrikel I, S. XXXI.
33
Erler Matrikel I, S. XVIII: Direkt über dem Schwurblatt der ältesten Matrikel findet sich bereits dieser Zusatz
(wahrscheinlich allerdings erst 1516 nachgetragen).
34
Mit der Übergabe des Roten Kollegs im Jahre 1515 und dem Umzug der Artistenfakultät dorthin eskalierte ein Streit mit
den Collegiaten des Fürstenkollegiums, der 1516 zu heftigen Tumulten führte. Die Artisten wollten nicht mehr für die
Nutzung des Fürstenkollegiums zahlen und lieber die eigenen Räumlichkeiten nutzen. Mit dem landesherrlichen
Kompromissvorschlag wurden die Promotionsverfahren auf die unmittelbar nebeneinander liegenden Gebäude verteilt: im
Roten Kolleg die Examen, im Fürstenkollegium die feierliche Renunziation und im Vaporarium (einem großen beheizbaren
Hörsaal auf dem Hof des Fürstenkollegiums, der auch für Universitätsversammlungen genutzt wurde) fand schließlich der
Festschmaus statt. Dazu zahlte die Artistenfakultät an das Fürstenkollegium noch eine hohe Ablösesumme für die
entgangenen Einnahmen. Vgl. Franke, Erich: Die Universitätsgebäude von 1409 bis ins 17. Jahrhundert, in: Leipziger
Universitätsbauten. Die Neubauten der Karl-Marx-Universität seit 1945 und die Geschichte der Universitätsgebäude, Leipzig
1961, S. 121-166, hier S. 145-149 sowie weiter dazu Zedler, Johann Heinrich: Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller
10
Aus der Immatrikulation35 flossen den Rektoren sogenannte Sporteleinnahmen zu – ebenso wie
aus den nach Disziplinaruntersuchungen verhängten Strafgeldern. Aus den Leipziger Statuten ist
dazu nichts zu entnehmen, nach den Prager Statuten, an denen sich Leipzig in der Praxis
orientierte, stand dem Rektor ein Drittel der Immatrikulationsgebühren zu, der Rest kam in die
Universitätskasse.36 Diese besonderen Amtseinnahmen wurden in der Regel recht schnell wieder
aufgezehrt, denn die Rektoren bezahlten den Bilderschmuck oder die poetischen Beigaben der
Matrikelbücher aus der eigenen Tasche.37 Nachdem zur Ausschmückung der Matrikeleinträge
zunächst nur unterschiedliche Farben verwendet wurden, finden sich seit 1485 mit Blattwerk und
in Gold ausgeführte verzierte Initialen, Wappendarstellungen der Rektoren und seit 1488 auch
bildliche Darstellungen von Heiligen.38 Der Bilderschmuck geht jedoch im Zuge der Reformation
allmählich zurück. Stattdessen kamen nach 1532 poetische Beigaben in Mode: „Der Inhalt aller
dieser Verse ist ziemlich eintönig. Das Lob des Rectors wird verkündet oder es werden fromme
Segenswünsche und Gebete ausgesprochen.“39 Mit dem sich erholenden geistlichen Leben in
Sachsen nach der Reformation kehren auch die Illustrationen wieder in die Matrikel zurück, sie
werden als Buchschmuck noch bis ins Jahr 1673 weitergeführt.40
Die Bürokratie zu jener Zeit war allerdings viel ausgeprägter als die Statutentexte vermuten
lassen und verlangte dem Rektor einiges an Arbeit ab. Auf eigene Beamte konnte der Rektor sich
dabei nicht stützen, ihm zur Seite standen nur Wahlbeamte, die seine Tätigkeiten (im Sinne der
abordnenden Korporation, von der sie kamen, seien es Nationen, Fakultäten oder Kollegien)
eher überwachten als unterstützten. Aus dem Arbeitsumfeld des Rektors finden sich nur wenige
Wissenschaften und Künste. 64 Bände und 4 Supplementbände, Band 16, Halle/Leipzig 1737, S. 1687-1688. Dazu auch Erler
Matrikel I, S. XVIII.
35
Franke, S. 149. Zarncke verweist auf ein Musterformular in der Rektoratskanzlei zum Einladungsverfahren für den
Doktorschmaus aus dem Jahre 1526 (Zarncke Statutenbücher, S. 139).
36
Erler Matrikel I, S. LVI-LVII. Vgl. auch Kaufmann II, S. 173.
37
Erler Matrikel I, S. XXV.
38
Erler Matrikel I, S. XXIV. Der Rektor des Wintersemesters 1488, Wenceslaus Fabri, hatte seinen Namenspatron Wenzel in
der Matrikel seines Amtssemesters illustrieren lassen.
39
Erler Matrikel I, S. XXVII.
40
Seit 1673 (Erler, Georg: Die jüngere Matrikel der Universität Leipzig 1559-1809. I. Band 1409-1559. II. Band 1634-1709.
III. Band 1709-1809, Leipzig 1909, hier Erler jüngere Matrikel II, S. V.) war es nicht mehr gebräuchlich, den
Matrikeleintragungen Schmuckblätter voranzustellen. Erst 1809 wird wieder ein ganzes Schmuckblatt der Immatrikulation
der drei sächsischen Prinzen Friedrich August, Clemens und Johann gewidmet (Universitätsarchiv Leipzig UAL, Rektor M
11, 1809). Etwas Vergleichbares tritt bis zum Ende der Matrikelbücher (1950) nicht wieder auf. Denn einerseits war diese
Ehrung eine sehr unauffällige und andererseits verloren die Matrikelbücher als wichtigstes Dokument neben den Statuten
immer weiter an Bedeutung.
11
schriftliche Belege, er erscheint daher als Figur, die mehr interagieren als agieren konnte. Eine
schriftliche Quelle und das zugehörige Notariatsamt werden bei Zarncke jedoch ausführlich
behandelt, das als Pergamenthandschrift geführte libellus formularis.41 In dieser 1495
entstandenen Textsammlung wird Vieles aus dem Alltagsleben der mittelalterlichen Universität
Leipzig in einzigartiger und anschaulicher Form sichtbar.42 Der Verfasser war Ioh. Fabri de
Werdea,43 der nach 1440 wahrscheinlich in Donauwörth geboren wurde. Im Sommersemester
1470 wurde er in Leipzig in die Matrikel eingeschrieben, er promovierte zum Magister artium
und begann ein weiteres Studium an der Juristischen Fakultät, das er mit dem Baccalaureat
beider Rechte beendete. Gut zehn Jahre später, 1481, hat er eine feste Kollegiatur am Kleinen
Fürstenkolleg. Im Sommer 1486 wird er Rektor und im darauf folgenden Semester Dekan der
Artistenfakultät. Nebenher bekleidet er schon seit dem Jahre 1480/81 das Amt eines Notarius
der Universität, er selbst bezeichnet sich als „insignis studii Lipsensis notarius“.
Zu
seinen
Amtsgeschäften
gehörte
nicht
nur
die
sorgfältige
Protokollierung
der
Universitätsversammlungen, sondern auch die Überwachung der Geschäfte zwischen Stadtrat
und Universität.44 Um die Übersicht über den Universitätsschriftverkehr zu behalten und auch, um
sich die Arbeit durch vereinheitlichte Textvorlagen zu erleichtern, legte Werdea ein
Formularbuch an, in dem er die Briefe und angeführten Wendungen notierte.
Er war also mit den Amtsgeschäften eines Rektors gut vertraut und noch dazu bemüht, die
ordnungsgemäße Verwaltung weiter zu verbessern; Zarncke bescheinigt ihm einen besonderen
„… Sinn für Ordnung und Genauigkeit.“ Vermutlich zieht er sich durch seine penible
Amtsführung in der Fakultät und in der Universität einflussreiche Feinde zu. Augenscheinlich
suchte er deshalb Zuflucht in den Statutentexten, um sich zu rechtfertigen, denn 1495 ordnet er
die aus seiner Amtstätigkeit resultierenden wichtigen Schreiben in einem libellus formularis
zusammen, 1497 erstellt er eine Abschrift der Statuten des Kleinen Fürstenkollegs und 1498
entsteht von seiner Hand auch eine neu geordnete Textausgabe der Statuten der bayrischen
41
Zarncke Statutenbücher, S. 97-154.
Zarncke, Friedrich: Die deutschen Universitäten im Mittelalter, Leipzig 1857, S. X.
43
Alle weiteren Angaben zu seiner Tätigkeit und seiner Biographie aus Zarncke Universitäten, S. 257-261.
44
Alle schriftlichen Verhandlungen wurden von Werdea im Liber actorum inter senatum et universitatem seit 1494
aufgezeichnet. Dieses Buch umfasst rund 250 Blatt und wurde noch bis ins Jahr 1556 weitergeführt (Zarncke urkundliche
Quellen, S. 629-631).
42
12
Nation. Mitten in diesen Aktivitäten, im Winter 1498/1499 verliert er unverhofft sein Amt als
Notarius - das libellus formularis übergibt er unter diesen Umständen nicht seinem Nachfolger.
Erst nach seinem Tod 1505 wird es von einem seiner Vertrauten dem Rektor ausgehändigt.
Das libellus selbst ist vom Textumfang gut doppelt so umfangreich wie die von Borner 1543
redigierte Statutenfassung und enthält 146 verschiedene Formschreiben, zu denen Zarncke noch
10 weitere beifügt.45 Die Sammlung beginnt mit dem Mandat zur Wahl des neuen Rektors und
reicht über Einladungen zum Universitätsgottesdienst (mit Androhung von Geldstrafen bei
Abwesenheit), über Aufforderungen zur Teilnahme an Vorlesungen zum Universitätsstatut bis hin
zu Vorlagen für das alltägliche Bürogeschäft. Darin finden sich für die Sozialgeschichte
interessante Vorladungen von Studierenden, Texte zu Relegationen und Exklusionen von
Studenten, Ankündigungen zu Aussetzungen des Lehrbetriebes wegen Gewalttätigkeiten, Briefe
über den Ausschluss nichtimmatrikulierter Studenten vom Unterricht, das Verbot unschicklicher
Kleidung, Mandate gegen nächtlichen Lärm, Mandate über die Zahlung von Beleuchtungsgeld
für Kerzen, Verbote die Kloakenreiniger zu beleidigen, die Diener bei Festschmäusen zu
beleidigen, um Geld zu spielen, Abfall oder Urin auf Personen auszuschütten, Schwerter oder
andere Waffen zu führen, Mandate gegen Schmähschriften; weiterhin unterschiedliche
Zeugnisbescheinigungen über das absolvierte Triennium, für Baccalaren bzw. Magister in der
Artisten- und der Theologischen Fakultät, Pässe und Reisebescheinigungen für Zoll- und
Geleitfreiheit, Genehmigungen für den ständigen Aufenthalt in Nicht-Universitätsquartieren,
Einladungen zur feierlichen Promotion (pro aula doctorandum) und zum Doktorschmaus,
schließlich formelle Anschreiben an den Merseburger Bischof (u.a. zur Ernennung des ViceKanzlers) und an den Landesherrn.
Der Rektor war also wesentlich stärker an allen offiziellen Akten der Gesamtkorporation,
Gottesdiensten und den zugehörigen Prozessionen oder festlichen Umgängen, sowie an den
akademischen Akten und Promotionen in den Fakultäten mit beteiligt, als die wenigen Passagen
zu seinem Amt in den Statuten vermuten lassen.
45
Die ersten 118 Texte stammen von Werdea, dann folgen 21 von Georg a Szoda zwischen 1533 und 1534, schließlich 7
weitere Textpassagen aus den Jahren 1551-1554. Zarncke fand die zusätzlichen Formulare in der Matrikel (Zarncke
Statutenbücher, S. 151-154).
13
Dabei beginnt sich spätestens mit der Reformation auch die Rolle der Universität innerhalb der
Stadtmauern zu wandeln. Aus den Akademikern, die dem geistlichen Stand zugeordnet werden
und gemeinschaftlich wohnen und arbeiten, werden Bürger mit eigenem Haus und vielköpfigen
Familien. Zugleich gewinnt die Universität erheblich an materieller Ausstattung - dank der
engagierten Tätigkeit ihres Rektors Caspar Borner (1492-1547).46 Borner war seit 1507 in
Leipzig immatrikuliert, schloss sich dem Humanisten Johann Rhagius (Aesticampianus, 14571520) an und zog um 1511 gemeinsam mit ihm nach Italien. 1522 kehrte er als Rektor der
Thomasschule nach Leipzig zurück und erhielt 1538 eine Kollegiatur am
Fürstenkolleg.
Während seiner drei Rektoratssemester (Wintersemester 1539, Wintersemester 1541,
Wintersemester 1543) bemühte er sich um die Reform der Universität und konnte zugleich in
Verhandlungen mit Herzog Moritz die materielle Fundation der Universität erheblich verbessern.
Dank seiner Initiative und seines Verhandlungsgeschicks erhielt die Universität nicht nur die
Bibliotheken aufgelöster Klöster (allein aus dem Leipziger Dominikanerkloster rund 600 Bände),
sondern sie konnte auch den Gebäudekomplex der Dominikaner mitsamt der Paulinerkirche als
Eigentum übernehmen und wurde zudem noch mit den neu übertragenen fünf Dorfschaften aus
dem Besitz des ehemaligen Thomasklosters reich belehnt.47
Dabei war die Verhandlungsposition des Rektors bei den vorbereitenden Gesprächen alles
andere als einfach gewesen, nur für ein Semester mit der Amtsführung beauftragt, hatte er sich
gegen die Ansprüche des Rates der Stadt und gegenüber den fürstlichen Räten zu behaupten.48
Gleichzeitig war Borner auch noch mit einer Universitätsreform wegen der neuen konfessionellen
und politischen Verhältnisse beschäftigt und hatte mit Widerstand aus den eigenen Reihen zu
kämpfen. Zumindest eine Fakultät war 1542 auch nicht bereit, für die geplanten Reformen
Eingriffe in ihre alten Korporationsrechte hinzunehmen. „Die erhoffte Bestätigung der großen
Stiftung zögerte sich eine Zeitlang hin. Die Universität blieb indessen nicht untätig. Vor allem
ging man an die Umarbeitung der Satzungen, worüber eine auf den 4. März einberufene
46
Ausführlich dazu Kößling, Rainer: Caspar Borner, in: Wiemers, Gerald: Sächsische Lebensbilder. Band 5, Stuttgart 2003,
S. 45-74, hier S. 59-73.
47
Gretschel, S. 27-28.
48
Kößling, S. 57: Unter diesen Bedingungen kam Borner, der sich im Oktober 1539 gerade von einer Kurreise nach Leipzig
zurückkehrend, nun als Rektor wiederfand, die Wahl durchaus nicht gelegen.
14
Universitätsversammlung zu Gehör kam. Caspar Borner, der das Archiv der Universität gut
kannte und darin Ordnung geschaffen hatte, nahm sich dieser Aufgabe mit an; waren doch die
Fundationsurkunden, Privilegien, Statuten u.a. zur Einsicht des Herzogs und der Regierung nach
Dresden eingefordert worden. Ein Ausschuss zur Beratung der Abänderungswünsche wurde
bestellt und mit der Bearbeitung der neuen allgemeinen Satzung der Universität Camerarius49
beauftragt, der den gewünschten Entwurf rasch fertig stellte. Auch drei der Fakultäten, die
theologische, die medizinische und die philosophische, gingen auf die Satzungsänderung ein.
Nur die Juristenfakultät wies das Ansinnen zurück; sie gab durch ihren Senior (Ambr. Rauch,
einst Propst zu St. Thomae) zur Antwort: die Fakultät wundere sich, dass der Rektor die
juristischen Statuten abzufordern wage, die selbst dem Fürsten Georg versagt worden seien. Die
Fakultät habe sich ihre Satzung selbst gegeben und werde sie von sich aus ändern, ohne den
Fürsten und den Rektor. In der Tat legte sie, ihren Anspruch auf Selbstverwaltung wahrend, neue
Satzungen nicht vor.“50
Die neu geschaffenen Statuten der Universität und der drei Fakultäten wurden schließlich am 16.
April 1543 in einer feierlichen Universitätsveranstaltung verkündet. Anstelle der ursprünglichen
12 Paragraphen von 1410 weisen die neuen Universitätsstatuten des Jahres 1543 nunmehr 17
Hauptartikel und 34 Ergänzungsparagraphen (die sich auf das akademische Gerichtswesen
bezogen) auf – die Textmenge hatte sich damit gut verdreifacht.
An der wackligen Machtfülle des Rektoramtes51 hatte sich in Leipzig aber nichts geändert: der
Rektor hatte nicht nur äußerste Vorsicht den inneren Mächten (den Fakultäten und Dekanen, den
Kollegien und Nationen) gegenüber an den Tag zu legen – nunmehr gewannen die äußeren
Mächte, insbesondere der Landesherr einen sehr viel weiter reichenden Einfluss auf die
49
Joachim Camerarius, 1500-1574.
Helbig Reformation, S. 67/68: Die von den anderen Gremien der Universität am 22.3.1542 nach Dresden übersandten
Satzungen und Dokumente scheinen für die Bewilligungsurkunde der neuen Universitätsfundation vom 26.5.1542 auch nicht
herangezogen worden zu sein. Zumindest lagen sie ohne weiteren Bezug noch bis Januar 1543 in Dresden.
51
Kaufmann II, S. 182: „Die Rektoren begnügten sich, die laufenden Geschäfte zu erledigen, und glücklich war, dem das zur
Befriedigung gelang.“ und weiter S. 185: „Wichtige Angelegenheiten schleppten sich von einem Rektorat in das andere
hinüber und wurden ohne Kraft und Geschick verrichtet.“
50
15
Universitätsgeschäfte: „Hoch geehrt und viel getadelt zu werden, das war das wahrscheinlichste
Los, das den Rektor erwartete.“52
Besonders der Landesherr erlangte nach 1542 als Schutzherr der Universität wesentlich mehr
Einfluss, zunächst durch das Besetzungsrecht über die landesherrlich gestifteten Professuren und
weiterhin über das Merseburger Bistum und das damit verbundene Kanzleramt. Denn nach dem
Tod des letzten katholischen Bischofs53 begleiten die Wettiner als Administratoren54 fortan die
Geschicke des Bistums.
Das bedeutete aber auch, dass die weltliche Stellung einzelner Akademiker in der
protestantischen Universität ebenfalls an Gewicht zulegte und auf die akademische
Standeshierarchie zurückwirkte. Deutlich sichtbar wird das wiederum in den Passagen zum
Rektorat. Nach dem Statut von 1543 kam nur ein guter, kluger, ehrenhafter und frommer Mann
in Frage, der als Mitglied der akademischen Korporation älter als 25 Jahre und kein Stadtbürger
sein sollte. Bereits in den nächsten Sätzen wird diese Altersbeschränkung erheblich gelockert
und auch jüngeren Kandidaten die Rektorabilität zugestanden, wenn sie fürstlichen Geblüts seien
und ihnen ein Beisitzer für das Amt zugeordnet werde.55
Bereits 1475 hatte es erstmals einen hochadligen Studentenrektor, Adolf von Anhalt-Zerbst56,
gegeben. Im Sommersemester 1475 wurde der Fürst und Landesherr, der bereits 1471 im Alter
von 13 Jahren an der Universität immatrikuliert worden war, zum Rektor gewählt. Er hat diese
Funktion wohl auch tatsächlich ausgeübt, denn ein spezieller Amtsverweser wird in der Matrikel
nicht erwähnt.57
Doch erst mit der Regeländerung von 1543 wurde diese Möglichkeit von der Universität sehr
viel häufiger genutzt. Als Ursache dafür kommt wohl auch das stärkere Interesse der
52
Kaufmann II, S. 185.
Michael Helding, genannt Sidonius, geboren 1506 bei Riedlingen (Schwaben), Studium in Tübingen (Magister 1528) und
in Mainz (Dr. theol. 1543), er starb 1561 in Wien. „Karl V. setzte H.s Wahl zum Bischof von Merseburg am 28.5.1549 durch;
die päpstliche Bestätigung erfolgte erst am 16.4.1550.“ Bautz, Friedrich-Wilhelm /Bautz, Traugott: BiographischBibliographisches Kirchenlexikon, online unter http://www.bautz.de/bbkl/h/helding_m.shtml.
54
Nach dem Tode seines Sohnes Alexander (1554-1565) übernahm Kurfürst August von Sachsen (1526-1586) selbst die
Administration des Stifts. Vgl. auch Schirmer, Uwe: Die Verfassung des Hochstifts Merseburg vom Ende des 15. bis zur
Mitte des 17. Jahrhunderts, in: Kund, Holger /Ranft, Andreas /Sames, Arno /Wittmann, Helge: Zwischen Kathedrale und
Welt. 1000 Jahre Domkapitel Merseburg, Petersberg 2005, S. 121 ff., hier S. 127.
55
Zarncke Statutenbücher, S. 77.
56
Neue deutsche Biographie, Berlin 1953, Band 1, S. 85.
57
Erler Matrikel I, S. 298.
53
16
Landesherren
an
Universitätsreformen
in
Betracht,
dem
ein
hochadliger
Rektor
als
Standesgenosse eher entgegenzutreten vermochte. Tatsächlich hat es in Leipzig eine ganze
Reihe hochadliger Studentenrektoren gegeben, denen immer ein erfahrener Akademiker als
eigentlicher Amtsverwalter (Adiunctus Prorector) zugeordnet wurde.
Namen der studentischen Rektoren bzw. der Prorektoren Rektoratssemester
Ulrich Johann, Herzog von Schleswig
1595 Sommersemester
Adiunctus Prorector Franz Romanus, Dr. iur.
1595 Sommersemester
Philipp Julius, Herzog von Pommern (immatrikuliert WS 1601)
1602 Sommersemester
Adiunctus Prorector Andreas Hommel, Dr. iur.
1602 Sommersemester
Adolph Friedrich, Herzog zu Mecklenburg (immatrikuliert SS 1604)
1604 Wintersemester
Adiunctus Prorector Michael Wirth, Dr. iur.
1604 Wintersemester
Johann Philipp, Herzog zu Sachsen (immatrikuliert SS 1612)
1612 Wintersemester
Adiunctus Prorector Michael Wirth, Dr. iur.
1612 Wintersemester
Johann Philipp, Herzog zu Sachsen (immatrikuliert SS 1612)
1613 Sommersemester
Adiunctus Prorector Leopold Hackelmann, Dr. iur.
1613 Sommersemester
Johann Philipp, Herzog zu Sachsen (immatrikuliert SS 1612)
1613 Wintersemester
Adiunctus Prorector Christoph Bruno, Dr. med.
1613 Wintersemester
Johann Philipp, Herzog zu Sachsen (immatrikuliert SS 1612)
1614 Sommersemester
Adiunctus Prorector Wolfgang Corvinus, Lic. med.
1614 Sommersemester
Georg Ernst, Herr von Schönburg (immatrikuliert WS 1616)
1618 Wintersemester
Adiunctus Prorector Christoph Preibisius, Dr. iur.
1618 Wintersemester
Georg Ernst, Herr von Schönburg (immatrikuliert WS 1616)
1619 Sommersemester
Adiunctus Prorector Johannes Stieglitz, Dr. med.
1619 Sommersemester
Jacob, Herzog von Livland, Kurland und Semgallen (immatrikuliert
1623 Sommersemester
WS 1622)
Adiunctus Prorector Philipp Müller, Lic. med.
1623 Sommersemester
17
Jacob, Herzog von Livland, Kurland und Semgallen
1623 Wintersemester
Adiunctus Prorector Sigismund Finckelthaus, Dr. iur.
1623 Wintersemester
Janusz Radziwill, Herzog von Birze (immatrikuliert WS 1628)
1629 Sommersemester
Adiunctus Prorector Polycarp Leyser, Dr. theol.
1629 Sommersemester
Heinrich X. Reuss jüngere Linie von Plauen (immatrikuliert SS 1638)
1641 Wintersemester
Adiunctus Prorector David Lindner, Dr. iur.
1641 Wintersemester
Heinrich X. Reuss jüngere Linie von Plauen (immatrikuliert SS 1638)
1642 Sommersemester
Adiunctus Prorector Johannes Ittig, Lic. med.
1642 Sommersemester
Heinrich X. Reuss jüngere Linie von Plauen (immatrikuliert SS 1638)
1642 Wintersemester
Adiunctus Prorector Johannes Philippi, Dr. iur.
1642 Wintersemester
Schon in den ersten Statuten fanden sich Hinweise auf die Möglichkeit, die Wahl zum offenbar
wenig beliebten Rektoramt auch ablehnen zu können. Camerarius legte daher eine Strafgebühr
von 30 Gulden fest, falls keine schwerwiegenden Gründe für die Rückweisung der Wahl geltend
gemacht werden konnten.58
Dabei blieb das komplizierte, aber auf eine kurze Wahldauer ausgelegte Verfahren weitgehend
unverändert. Nach der Wahl sollte der neue Rektor binnen eines Monats sein Amt öffentlich
antreten und vom vorhergehenden Rektor die Siegel und die Statuten übernehmen. Er hatte
dann, wie auch in den alten Statuten gefordert, einen Amtseid zu leisten und die Verwaltung des
Universitätsschatzes (gemeinsam mit zwei weiteren Schlüsselträgern) zu übernehmen. Auch hier
galt wieder, dass er die Universität repräsentierte und daher seine Kleidung und sein Aussehen
nicht vernachlässigen sollte.59
Mit dem Zerbrechen der geistlichen Körperschaft der Lehrenden und Lernenden in eine weltliche
konstituierte Gemeinschaft, die zerstreut über das Stadtgebiet in bürgerlichen Quartieren lebte,
sorgte sich Camerarius offenbar auch stärker um den rechtlichen Zusammenhalt der universitas.
In einem Anhang zu den Statuten reiht er strafwürdige Vergehen auf und benennt sogleich das
58
59
Gretschel, S. 56.
Zarncke Statutenbücher, S. 78-80.
18
Strafmaß.60 Dabei sind auch die nächsten Jahre nicht gerade von einer friedlichen
Nachbarschaft zwischen Stadt und Universität geprägt und stellen die nachfolgenden Rektoren
vor schwierige Prüfungen.61
Ganz neuartige Probleme entstehen aus einem Zusammenstoß mit den Interessen des mächtigen
Landesherrn, auf den schließlich rigide Eingriffe von Kurfürst August (1526-1586) in die
korporativen Rechte der Leipziger Universität folgen. Der Kurfürst, der zugleich Administrator des
Stifts Merseburg war, wollte 1580 einen dem Landesherrn verpflichteten „... allgemeinen und
beständigen Prokanzellar der Hochschule ...“62 installieren und die Rektorabilität sollte
ausschließlich an die landesherrlichen Stiftungsprofessuren gebunden werden. Hintergrund für
diese Entscheidung bildete die Aufdeckung des Kryptocalvinismus am Dresdner Hofe im Jahre
1573. Darauf wurden im Jahre 1574 die Torgauer Artikel für die Reinheit des Glaubens
verfasst, die von allen Geistlichen und Lehrenden zu unterzeichnen waren.63 Bei der 1576
folgenden Universitätsvisitation legte ein politisch vertrauter, auswärtiger Berater dem Kurfürst
eine ganze Reihe von Verbesserungsvorschlägen vor, die im Wesentlichen auf eine Einengung
der bisherigen korporativen Selbstverwaltung hinausliefen und selbst von den einheimischen
Räten des Kurfürsten nicht befürwortet wurden.64
Auf dem Landtag zu Torgau 1579 gelangen die unterschiedlichen Auffassungen zur
Aussprache: mit den Universitäten, Teilen der fürstlichen Räte und dem größeren Teil der
Landstände auf der einen und dem Kurfürsten und seinem württembergischen Beamten auf der
60
Zarncke Statutenbücher, S. 84 ff.
Eine Auswahl von Ereignissen in den nächsten 30 Jahren belegt dies eindrucksvoll. Den theoretisch fixierten
Neuansprüchen der Universitätsreformen und des protestantischen Neubeginns stehen die Probleme einer weiterhin ständisch
organisierten Gesellschaft gegenüber: 1545 - Kämpfe zwischen Studenten und Bürgern. Erneute Androhung des Auszuges
seitens der Studentenschaft. 1547 - Ein Student wird von einem Kürschnergesellen tödlich verwundet. 1565 - Vergleich
zwischen dem Rat und der Universität wegen des Kredits an Studenten. 1567 - Vier Studenten versuchen von einem
Apotheker aus Wittenberg unter Todesandrohungen Geld zu erpressen. Der Anschlag misslingt jedoch.
1579 - Ein Student wird wegen Diebstahls mit dem Schwert hingerichtet. 1585 - Großer Tumult zwischen Studenten und
Bütteln. 1588 - Große Schlägerei auf dem Markte zwischen Studenten und Schuhknechten. Alle Angaben nach Datenbank
UAL, Chronik zur Universitätsgeschichte.
62
Erler jüngere Matrikel I, S. LXXII. Das Amt des Procancellarius perpetuus bestand nur von 1580 bis 1586. Dazu auch
Erler Magisterschmäuse, S. 13.
63
Helbig Reformation, S. 122.
64
Die Änderungen sollten greifen bei der „... Wahl des Rektors und des Dekans der philosophischen Fakultät, dem Verfahren
bei Besetzung der Professuren, vor allem der Bestellung eines Kanzlers der Universität, der die Befugnisse eines
Generalsinspektors über den gesamten Studienbetrieb, auch über die Promotionen ausüben sollte.“ Weiterhin sollte ein
einheitlicher Universitätsfiskus an Stelle der vielen einzelnen Kassen treten. Siehe dazu Helbig Reformation, S. 125.
61
19
anderen Seite. Nun wurde der Kurfürst seinen eigenen Räten gegenüber misstrauisch und
versuchte sie aus ihrer Loyalitätspflicht gegenüber den Universitätskorporationen zu entbinden.
Dazu gehört auch, dass er sie von den geschworenen Eiden, die sie lebenslang auf das Wohl
der Universität verpflichteten, zu lösen suchte. Eher unwillig folgte die Universität dem strikten
Wunsch des Landesherrn, behielt jedoch die Auffassung bei, dass die Entsagung von den Eiden
nur die Privilegien betreffe – die Verpflichtungen gegenüber den akademischen Korporationen
davon aber unbetroffen blieben. Wohlweislich informierte sie den Landesherrn allerdings nicht
von ihrer Rechtsauffassung in dieser Sache.65 Die Rechtsminderung innerhalb des bisherigen
Ständesystems war jedoch schwerwiegend, als der Immatrikulationseid 1579 dahingehend
geändert werden musste, dass die Bindung an die Hochschule auf die Zeit des Aufenthalts an
der Korporation beschränkt wurde. Eine Erleichterung war diese Einengung allenfalls für die
Rektoren, denn damit wurden zugleich die ausufernden Problemfelder der akademischen
Gerichtsbarkeit reduziert.66
Mit dem Tod des Kurfürsten August endeten diese Reformexperimente und die Fakultäten kamen
um die Wiederherstellung ihrer alten Rechte, schon wegen der daran geknüpften Einnahmen,
bei seinem Nachfolger ein.67 Christian I. von Sachsen (1560-1591), der eine liberale Auslegung
der Kirchenpolitik zum Zentrum seiner außenpolitischen Bemühungen machte, ordnete 1587
eine Visitation an, die nach Bericht an die Landstände im Jahre 1588 zu einer neuen
Universitätsordnung
führte:
„...
Rektor
und
Dekanen
wurde
ihr
Aufsichtsrecht
in
Universitätsangelegenheiten wieder eingeräumt, die Bedeutung des Kanzleramtes geschwächt,
die Verpflichtung auf die Konkordienformel aufgehoben.“68 Die Bindung an die lutherische
65
Erler jüngere Matrikel I, S. L.
Ab dem Jahre 1699 wurde statt eines Eides nur noch ein Gehorsamsversprechen verlangt, vgl. Erler jüngere Matrikel III, S.
XI.
67
Zum Verhältnis der Universität Leipzig als ständische Korporation in Bezug auf den Landesherrn, vgl. u.a. Blettermann,
Petra: Die Universitätspolitik Augusts des Starken 1694-1733, Köln 1990 sowie Hufen, F: Über das Verhältnis der
Territorialstaaten zu ihren Landesuniversitäten im alten Reich, München 1955. Zu den Hintergründen kursächsischer
Reformierungs- und Zentralisierungsbestrebungen in dieser Zeit, vgl. Rudersdorf, Manfred: Tübingen als Modell? Die
Bedeutung Württembergs für die Vorgeschichte der Kursächsischen Universitätsreform von 1580, in: Kohnle, Armin
/Engehausen, Frank: Zwischen Wissenschaft und Politik. Studien zur deutschen Universitätsgeschichte. Festschrift für Eike
Wolgast zum 65. Geburtstag, Stuttgart 2001, S. 67-85, hier S. 82.
68
Helbig Reformation, S. 132.
66
20
Glaubenslehre blieb jedoch bestehen – so erhielt die Universität eine ernsthafte Ermahnung aus
Dresden, als sie im Jahre 1629 den reformierten Fürsten Radzivil zum Rektor ernannte.69
Die zerbröckelnde Rechtsbasis der Universität in der wettinischen Landesherrschaft bewirkte auch
innere Veränderungen, die von außen an die Universität herangetragen wurden. Spätestens als
der Landesherr 1685 die Verwaltung der Fakultätsgeschäfte und den Zugang zu den
Fakultätsämtern ausschließlich an die Stiftungsprofessuren band, wurde in der Artistenfakultät
(und auch in den anderen Fakultäten) der akademische Verbund der lehrenden Magister
aufgelöst.70 Der Zugang zur Fakultät qua Professur bewirkte zugleich eine Abschottung der
Magister und Doktoren in zwei unterschiedliche Gruppen. Der Titel des besoldeten Professors
bezeichnete nun einen sozial höherrangigen Titel und in der Folge wurden die Rektoren im 18.
Jahrhundert fast ausschließlich aus der Gruppe der fest besoldeten Magister und Doktoren
gewählt. Das engte aber auch die Personalbasis der bisherigen Nationen ein und erzeugte
Nationen mit einer breiten Schar rektorabler Kandidaten und daneben bewerberschwache
Nationen. Der Wechsel von einer Nation in die andere konnte sich daher für Professoren als
lukrativ erweisen – auch wegen der Partizipation an weiteren Pfründen und Privilegien.71
Der Verlust der bisherigen Korporationsbindung und die Orientierung hin zur besonderen
Untertanenelite im kursächsischen Landesverband werden allmählich auch in der akademischen
Symbolik sichtbar. Die Rektoren wählen zur Ausschmückung ihrer Porträts in der Matrikel nicht
nur die bisherigen Zeichen ihres Gelehrtenstandes (Buch, Doktorring, Doktorhut), sondern auch
Darstellungen fürstlicher Huldbeweise, vermehrt kommen sogenannte „Gnadenketten“ in Mode.
Bereits zu früheren Zeiten wurden solche oft mit dem jeweiligen Medaillon des Verleihers
verziert. Sporadisch verliehen, dienen sie aber zunächst nur der persönlichen Rangerhöhung und
wurden nicht zu äußeren Zeichen der Rektoratswürde. Im Sommersemester 1659 lässt sich der
69
Gretschel, S. 54.
Gretschel, S. 95. Dass es keinen Protest seitens der Fakultät gab, lässt vermuten, dass die Fraktionierung in „ordentliche
Professuren“ und von der Fakultätsverwaltung ausgeschlossene Lehrkräfte längst Teil des akademischen Alltags war.
71
Mühlpfordt, Günther: Zwischen Tradition und Innovation: Rektoren der Universität Leipzig im Zeitalter der Aufklärung,
in: Die Universität Leipzig und ihr gelehrtes Umfeld. Herausgegeben von Hanspeter Marti und Detlef Döring, Basel, 2004, S.
111-194, hier S. 136/137.
70
21
Rektor der Universität Leipzig, Johannes Michaelis, gleich mit zwei Gnadenketten auf einem
Porträt in der Matrikel darstellen.72
Etwa zur gleichen Zeit, in der die Gelehrtentracht73 in den Universitäten allmählich von einer
bürgerlich-weltlichen Tracht abgelöst wird, kommen wohl auch besondere Amtstrachten für den
Rektor und die Dekane auf. Etwa um 1680 wagt es der frisch promovierte Christian Thomasius
(1655-1738), zu seinen Vorlesungen „... statt im schwarzen Talar im bunten Gewand und mit
dem Degen auf dem Katheder...“ zu erscheinen, was damals noch ziemliches Aufsehen erregt.74
Gut 20 Jahre später lässt sich dagegen der Rektor Johann Schamberg (1667-1706) nicht wie
bisher üblich in dunkler Gelehrtentracht, sondern stattdessen mit einem „Rektormäntelchen“ - als
Zeichen seiner Amtswürde - auf einem Gemälde darstellen.75 Der Rektor erscheint nicht mehr nur
als das Oberhaupt der Universität, sondern als ein öffentlicher Repräsentant in einer
bürgerlichen Welt, die den Prunk liebt, aber auch von Leistungserwartungen geprägt wird und
sich auf ein staatliches Machtzentrum hin fixiert. Als am 10.04.1714 der Rektor Gottfried
Gerhard Titius (1661-1714) während seiner Amtszeit verstirbt, erwächst daraus ein weltliches
Zeremoniell, das neue Dimensionen setzt.76 Vier Wochen lang wurden die Glocken der
Paulinerkirche und der Kirchen in den Universitätsdörfern täglich von 11-12 Uhr geläutet, vier
Wochen lang erschienen die Professoren öffentlich im „Trauermantel“, die Leiche des Rektors
wurde öffentlich aufgebahrt und bei der Grablegung hatten die Bewohner der Universitätsdörfer
in Trauerkleidung Spalier zu stehen.77
72
UAL, Rektor M 08.
Kaufmann II, S. 82 ff. Paulsen, Organisation, S. 404: „Ein langer Rock von einfarbig dunklem Zeug für die Scholaren mit
Kapuze und Gürtel, während den Magister das Barett auszeichnete ...“. Boehm, S. 172: Das Barett oder Birett der höheren
Fakultäten war in der Regel rot, bei den Magistern der Artistenfakultät dagegen braun, die Mützen der Baccalaren waren
schwarz.
74
Kittel, Rudolf: Die Universität Leipzig und ihre Stellung im Kulturleben, Dresden 1924, S. 19.
75
Zier und Zeichen. Kabinettausstellung zum 150. Jubiläum der Rektorkette. Begleitheft zur Ausstellung in der
Studiensammlung, Leipzig 2005, S. 42.
76
Christoph Preibisius (1580-1651) war mehrfach Rektor der Universität und starb am 01.03.1651 während seiner Amtszeit.
Zu seiner Grablegung oder dem entsprechenden Zeremoniell existieren keine besonderen Akten im UAL.
77
Reicke, Emil: Der Gelehrte in der deutschen Vergangenheit, Nachdruckauflage der 1924 erschienenen zweiten Fassung,
Köln ohne Jahr, S. 31. UAL, Rep. 01/02/008 Acta, die Exequien des verstorbenen Rector. Magnif. Dr. Gottlieb Gerhard
Titii, Königlich poln. und Churfürstl. Sächß. Oberhofgerichts- und Juristenfac. Ass. Betr., 1714.
73
22
Der Rektor im Ornat wird nun zugleich wichtigster Teilnehmer bei allen öffentlichen
akademischen Akten und übernimmt die nach außen sichtbare Verkörperung der Universität –
sogar die Stadtsoldaten grüßen ihn als Amtsperson, wenn er das Stadttor durchschreitet.78
Um 1779 berichtet ein anonymer Zeitgenosse über das akademische Promotionsverfahren in der
Medizinischen Fakultät unter zeremonieller Mitwirkung des Rektors: „... Es versteht sich, daß der
Procancellarius das Facultätsmäntelchen während des ganzen Actus um hat, und den Doctorhut
in der Hand. Der Rector Magnificus ist bey der eigentlichen Handlung, fast immer von 11-12
Uhr, gegenwärtig, hat sein Mäntelchen um, und sitzt unter einem Thronhimmel. Ein oder zwey
Pedellen stehn immer vor der Thür des Hörsaales, und gehn, wenn der Rector, oder ein
Professor, oder Doctor kömmt, unmittelbar vor ihm auf, bis an seinen Sitz, machen ihm Platz,
verneigen sich, und gehn ab.“ 79
Mit dem zunehmenden fachwissenschaftlichen Anspruch der Disziplinen und der ansteigenden
Wissensfülle
wandelten
sich
allmählich
auch
die
bisherige
Rolle
und
die
Funktionszuschreibungen des Rektorenamtes innerhalb der Universität. Die Artistenfakultät bzw.
Philosophische Fakultät entwickelte sich von einer vor- und untergeordneten Fakultät der
Grundausbildung zur eigenständigen Fach-Fakultät der Natur- und Geisteswissenschaftler. Die
alte Universitätshierarchie und die Nationenstruktur der Universität Leipzig blieb jedoch weiterhin
bestehen, was zu universitätsinternen Konflikten führen musste. Durch Beharren auf ihren
althergebrachten Vorrechten erlangte die sich nunmehr Philosophische Fakultät nennende
Korporation 1788 einen Pyrrhussieg beim Landesherrn.80
78
Ab diesem Jahr wurde die
UAL, Fotosammlung N1200 - „Die Stadtsoldaten am Grimmaischen Thor grüssen den Rektor der Universität“ Postkarte
nach einem Aquarell von Geissler, 1783.
79
Leipzig und seine Universität vor hundert Jahren. Aus den gleichzeitigen Aufzeichnungen eines Leipziger Studenten jetzo
zuerst an's Licht gestellt, Leipzig 1879, S. 46/47. Zunächst blieb der Autor - der Student Heinrich Jugler - anonym und das
Werk wurde streng zensiert, erst in einer Neuauflage im Jahre 1909 konnte Zarncke dieses Geheimnis lüften und die Schrift
in überarbeiteter Form vorstellen, siehe Zarncke, Friedrich (Hg.): Leipzig und seine Universität im 18. Jahrhundert.
Aufzeichnungen des Leipziger Studenten Heinrich Jugler aus dem Jahre 1779, Leipzig 1909, S. 116.
80
Im März 1784 klagte die Philosophische Fakultät gegen die Juristenfakultät, mit dem Ziel, „... daß niemand in der
Theologischen, Juristischen und Medicinischen Facultät zum Doctor creiret, auch keiner qua talis einen Nationalem abgeben,
noch irgend ein munus oder beneficum academicum erlangen könne, wenn er nicht vorhero bey der Philosophischen Facultät
in magistrum promoviret habe, und daß also Magister philosophiae zu seyn mehr bedeutet, als Doctor in einer jeden anderen
Facultät.“ (UAL, Rep. 1/19/2/A/8, Bl. 21) Von Seiten der Juristenfakultät wurde dies als unerhörter Missgriff betrachtet. Den
eigentlichen Hintergrund des Streites bildete für die Beteiligten jedoch die Frage nach der Zukunft des Magisteriums, „... weil
die Juristenfac. daß Magisterium nicht für nöthig hält, dasselbe auch bey der Theologischen und Medicinischen Facultät nicht
nöthig seyn möchte.“ (UAL, Rep. 1/19/2/A/8, Bl. 9) Der Landesherr gab der Philosophischen Fakultät recht – das führte
23
Rektorabilität an den zuvor in Leipzig erworbenen Titel eines magister artium gebunden. Das
führte paradoxerweise zu einer weiteren Einengung des Kandidatenkreises, da Doktoren der
höheren Fakultäten es nicht immer als mit ihrer Würde vereinbar erachteten, „... selbst den ihnen
freiwillig angebotenen höchsten Grad in der niedern Facultät nachträglich noch anzunehmen.“81
Zusätzlich
verschärfte
es
den
Umgangston
der
Fakultäten
untereinander,
was
alle
Reformversuche – die ja vom Rektoramt ausgehen mussten – erheblich erschwerte, denn der
Rektor war nun sehr viel mehr Partei als früher.82
Der Streit um den rechten Graduierungsweg, entweder konsekutiv vom Magister zum Doktor
oder um vier unabhängig voneinander zu vergebende Grade, führte zu erheblichen, auch
persönlichen Verletzungen zwischen den Fakultäten und ihren jeweiligen Professoren. Schließlich
wurden spezielle Verträge zwischen der Theologischen und der Philosophischen Fakultät (1800,
1810) über die gegenseitigen Graduierungsvoraussetzungen geschlossen, während die
Juristenfakultät sich soweit gedemütigt fühlte, dass sie in Zukunft alle Wünsche nach
Umwandlung
des
Magisteriums
in
ein
Doktorat
blockierte
und
daran
anknüpfend
Universitätsreformen forderte. Die Philosophische Fakultät vermochte jedoch nicht einmal ihre
eigenen Statuten soweit zu reformieren, um den Wünschen der anderen Fakultäten
entgegenzukommen und weitere Veränderungen in der Universitätsstruktur zu erlauben. In
diesem Dilemma war der Rektor, als Angehöriger einer Fakultät, gefangen und an eine
Hochschulreform aus eigener Kraft war auch nicht ansatzweise zu denken.
Erst der Staat kann 1830 durch ein von außen verordnetes neues Statut die verwickelten
Verhältnisse überwinden. Die Professoren werden Staatsbeamte, der Senat wird ihre innere
Interessenvertretung, und das Rektorenamt wird zur gemeinschaftlichen Vertretung der Universität
nach außen bestimmt. Der Rektor übt sein Amt nunmehr für ein Jahr aus und allmählich wird ihm
einerseits zum Boykott aller Reformbemühungen, die zukünftig von der Philosophischen Fakultät ausgingen und andererseits
zur weiteren Verminderung des Ansehens der Fakultät, die ihren höchsten akademischen Grad nun ohne Prüfung und oft
sogar rückwirkend an Rektoren anderer Fakultäten verleihen musste, wollte sie nicht gänzlich das Gesicht verlieren.
81
Gersdorf, S. 19. Dieser unhaltbare Zustand wurde erst mit der Auflösung der Nationenversammlung am 6.2.1830
verworfen. Nunmehr wurde die Rektorabilität auf alle ordentlichen Professoren ausgedehnt und der Rektor auf ein Jahr,
bisher ein Semester, gewählt.
82
Auf die schwierige Frage, ob der Rektor nach Ende seiner Amtszeit wegen seiner Amtsführung etwa mit einer
Injurienklage belangt werden könnte, weist Zedler hin. Auch wenn die Leipziger Statuten eine nachträgliche Klage nicht für
zulässig erachteten, so ist Zedler doch der Meinung, dass sie juristisch berechtigt sein könnte (Band 30, Halle/Leipzig 1741,
S. 798).
24
ein Verwaltungskörper aus Staatsbeamten an die Seite gestellt.83 In dem neuen, wiederum
lateinisch verfassten Statut werden die Aufgaben des Rektors in Paragraph 18 explizit benannt:
Vorsitz in allen universitären Gremien, Aufsichtspflicht über universitäre Stipendien und Kassen,
Wahrung der Universitätsprivilegien.84
Das ungeliebte, staatsverordnete Hochschulstatut wurde erst 1851 einer erneuten Revision
unterzogen. Diese Universitätssatzung, nunmehr in Deutsch geschrieben und nicht mehr auf
älteren
Vorlagen
fußend,
markiert
den
endgültigen
Übergang
zu
einer
modernen
Hochschulverfassung und trägt den in den letzten Jahren geänderten politischen Verhältnissen in
Sachsen und den strukturellen Veränderungen in der Wissenschaftsorganisation Rechnung.
Dabei werden die Rechte des akademischen Senates sehr eng gefasst und es wird stets ein
Mitspracherecht des Ministeriums gewährleistet.85
Erst gut 20 Jahre später werden die Satzungen unter dem Rektorat von Zarncke 1871 wieder
geändert. Im Grunde basiert das neue Statut auf der älteren Vorlage von 1851 und fügt
zunächst die vom Ministerium seitdem vorgenommenen Änderungen als feste Elemente ein.
Zarncke sieht darüber hinaus zwei punktuelle Verbesserungen: es wird ein neuer Amtseid für die
Mitglieder des Senates eingeführt und die Stellung der drei Gremien (Senat, Plenum der
ordentlichen Professoren, Universitätsversammlung) zueinander wird spezifiziert. Dabei wird die
bisherige Geschäftverteilung weitgehend beibehalten: Die Universitätsversammlung, in der alle
ordentlichen und außerordentlichen Professoren vertreten sind, wählt aus der ordentlichen
Professorenschaft den Rektor und den Landtagsdeputierten. Das Plenum der ordentlichen
Professoren ist für die Vergabe universitätseigener Personalstellen und Stipendien und in
Verfassungsfragen zuständig. Der Senat (mit Rektor, Dekanen und den aus den Fakultäten
83
Zwahr, Hartmut: Staatsreform und Revolution. Die Universität Leipzig 1830, in: Blecher, Jens/ Döring, Detlef/ Rudersdorf,
Manfred: Naturwissenschaft – Geschichtswissenschaft – Archivwissenschaft. Festgabe für Gerald Wiemers zum 65.
Geburtstag, Leipzig 2007, S. 98-126.
84
UAL, Rep. 01/01/011 Vol 4, Bl. 7.
85
UAL, Rep. 01/01/011 Vol 8, Bl. 1-8. Von den 16 ordentlichen Professoren, die dem engeren akademischen Senat
angehörten, wurden nur 4 aus den Fakultäten gewählt, die anderen 6 direkt von Dresden aus ernannt (§15). Die übrigen
Personen waren ministeriell bestätigte Amtsträger - der Rektor, der Exrektor und die vier Dekane. Diese Bestimmung wurde
erst im Jahre 1867 aufgehoben (Bl. 11).
25
hinzugewählten Professoren) ist für alle weiteren Geschäftskreise zuständig, insbesondere für
Verwaltungsfragen, weitere Stiftungsfragen und das universitäre Grundeigentum.86
Im Einzelnen wird der gestärkte Rechtscharakter wie der erweiterte Verwaltungsauftrag des
Senates durch die gefassten Veränderungen deutlich. Der Ordinarius der Juristenfakultät wird
qua Amt als Rechtsberater zu den Sitzungen des Senates hinzugezogen (§5) und der Senat
kommuniziert für die beiden anderen Gremien nach außen (§10). Die weit in die akademische
Selbstverwaltung
eingreifenden
Vollmachten
des
Regierungsbevollmächtigten
werden
beschnitten87 und die bisherige Professorengruppe, die vom Ministerium in den Senat berufen
wurde, durch die freie Wahl aller professoralen Mitglieder aus den Fakultäten heraus
aufgehoben (§5).88 Die Verhandlungen des Senates blieben vertraulich, seine gefassten
Beschlüsse wurden jedoch gesondert verzeichnet und sollten allen ordentlichen Professoren
zugänglich sein (§18). Das neue Statut lief deutlich auf eine Verstärkung der Position des Rektors
hinaus, der in alle akademischen Gremien den Vorsitz führte und seinen direkten staatlichen
Gegenpart – den Regierungsbevollmächtigten – verloren hatte.
Die Prüfung des neuen Statuts zog sich zunächst hin, erst im Januar 1871 folgte eine
Stellungnahme aus Dresden. Neben formellen Präzisierungen, die u.a. Geheimhaltungspflichten
der Senatsmitglieder genauer fassten, gab es kaum Änderungswünsche. Interessanterweise hielt
das Ministerium aber an einem winzigen Detail fest: die vorgelegte Paragraphensammlung sollte
kein neues Universitätsstatut werden, sondern lediglich das „Statut für den akademischen Senat,
das Plenum der ordentlichen Professoren und die Universitätsversammlung der Universität
Leipzig.“89 Das Plenum der ordentlichen Professoren stimmte den kleineren Veränderungen ohne
weitere Diskussion zu und im März 1871 erhielt der Rektor die genehmigte und gesiegelte
Statutenfassung vom Ministerium zur Drucklegung.
86
UAL, Rep. 01/01/011 Vol 8, Bl. 54.
UAL, Rep. 01/01/011 Vol 8, Bl. 22: Die in den Statuten enthaltene Befugnis des Regierungsbevollmächtigten, die
Sitzungen der drei höchsten Universitätsgremien zu schließen und ihre Beschlüsse zu suspendieren, wird gestrichen, auch
weil derartige staatliche Kompetenzen an keiner anderen deutschen Universität existierten, wie Zarncke handschriftlich
anmerkt.
88
UAL, Rep. 01/01/011 Vol 8, Bl. 52: Gewählt wurden je zwei theologische, juristische und medizinische Professoren, sowie
vier Professoren aus der Philosophischen Fakultät.
89
UAL, Rep. 01/01/011 Vol 8, Bl. 34.
87
26
Nach einigen ministeriellen Satzungsänderungen werden gut 20 Jahre später neue Statuten
seitens der Universität erarbeitet, die 1892 in Kraft treten.90 Über das eigentliche Amt des
Rektors finden sich auch darin kaum Bestimmungen – ihm wurde der Vorsitz im Senat, dem
Plenum der ordentlichen Professoren und in der Universitätsversammlung eingeräumt (§2), die
Rektorabilität blieb an eine ordentliche, rite angetretene und seit mindestens zwei Jahren in
Leipzig innegehabte Professur, gebunden (§4).
Gewählt wurde der Amtsinhaber durch die Universitätsversammlung, der alle ordentlichen und
außerordentlichen Professoren angehörten, jeweils im Juli oder August für die Dauer eines Jahres
(§30). Die Amtsübernahme des Rektors hatte dann am 31. Oktober (§6) zu erfolgen. Gewählt
wurde durch die Austeilung einer Namensliste mit Wahlberechtigten, von denen ein Name
durch Unterstreichen auszuwählen war (§33). Einfache Mehrheit bzw. Stichwahl oder
Losverfahren (durch den Rektor) entschieden die Wahl (§34).91
Neben dem Rektor stehen der Senat (dem besonders die Verteilung von universitären Stipendien
und grundsätzliche Entscheidungen zum Universitätsvermögen obliegen, §11), das Plenum der
ordentlichen Professoren (zu dessen Geschäftskreis das Recht zur Stellenbesetzung für
Universitätsbeamte, weitere Stipendienverwilligungen und besondere Verhandlungen mit dem
Kultusministerium gehören, §23), die Universitätsversammlung aller Professoren (zuständig für
die
Wahl
des
Rektors
und
der
Landtagsabgeordneten,
§29)
sowie
der
Regierungsbevollmächtigte (der als Vertreter der Landesregierung mit beratender Stimme an
allen universitären Gremien teilnehmen und Sitzungsprotokolle sowie Akten anfordern kann, §3).
Zum Aufgabenbereich des Rektors findet sich nur der lapidare Hinweis, dass der Rektor alle
Aufgaben übernimmt, soweit sie nicht in die Zuständigkeit eines anderen Gremiums fallen (§1).
Da das Gerichtswesen schon weitgehend staatlich war, blieb die Disziplinargerichtsbarkeit über
die Universitätsangehörigen (zuständige Behörde dafür war das Universitätsgericht), das
Immatrikulationswesen
90
(zuständige
Behörden
waren
der
Universitätsrichter
für
die
UAL, Rep. 01/01/011 Vol 11, Bl. 54-76.
Daneben existierten immer noch gebrauchsmäßige Regeln: Die Wählbarkeit zum Rektoramt wurde demnach in fester
Reihenfolge den vier Fakultäten abwechselnd zugestanden, im Jubiläumsjahr 1909 verzichtete die Juristenfakultät auf dieses
besondere Privileg. Die Feier des Fünfhundertjährigen Bestehens der Universität Leipzig. Amtlicher Bericht im Auftrag des
akademischen Senats erstattet von Karl Binding, Leipzig 1910, S. 4.
91
27
Immatrikulation und die Quästur für die Einziehung der Immatrikulations- und Studiengebühren)
und die Verwaltung des allgemeinen Universitätsvermögens (dafür zuständig war das staatliche
Rentamt an der Universität, das neben den Staatsmitteln auch das Korporationsvermögen
bewirtschaftete). Das eigentliche Verwaltungsgeschäft ist damit nicht mehr Aufgabe des Rektors er führte nur die Aufsicht über die verantwortlichen Behörden.92
Durch diese Entlastung vom Alltagsgeschäft wurden die Rektoren zunehmend darauf orientiert,
die Beziehungen zum Königshaus und zu den Dresdner Ministerien auf eine gedeihliche
Grundlage zu stellen und ein förderliches Klima für die Entwicklung der Universität zu schaffen
und zu erhalten.
Pikanterweise entwickelte sich über die dazu notwendigen Kosten ein Streit zwischen dem Rektor
Theodor Brieger93 und der Leipziger Finanzbehörde wegen der zu zahlenden Einkommenssteuer.
Nach einer Übersicht der Bezirkssteuerbehörde hatte Brieger als Professor für 1893 ein
Jahreseinkommen von etwas über 12000 Mark zu versteuern gehabt,94 wozu noch die Einkünfte
als Rektor kamen, die sich auf rund 5300 Mark beliefen. Insgesamt sollte Brieger demnach
Einkünfte in Höhe von gut 17500 Mark erzielt haben, seinen eigenen Angaben vom Mai 1893
zufolge waren davon allerdings nur rund 11000 Mark steuerpflichtig – die restliche Geldsumme
wäre für den erforderlichen Reputationsaufwand im Amt nötig gewesen. Der Streitfall durchlief
den akademischen Senat und wurde schließlich von den beteiligten Ministerien in Dresden
ausgefochten. Erst im Oktober 1895 gab das Finanzministerium nach und ein Gehaltsanteil in
Höhe von 2400 Mark wurde als Dienstaufwandsentschädigung für die mit dem Rektorenamt
verbundenen zusätzlichen Ausgaben steuerfrei gestellt.95 Zwei Jahre später wurde diese
92
Über den kleinteiligen Gremienalltag findet sich von Zarncke eine Aufstellung aus dem Jahre 1878. Darin führt er die
Informationspflichten der Universität gegenüber dem Regierungsbevollmächtigten auf, benennt grundsätzliche
Entscheidungsprinzipien für die Immatrikulationsgeschäfte und bringt Textformulierungen für Sterbefälle unter den
Hochschullehrern. Weiterhin liefert er seinen Nachfolgern eine Aufstellung der verschiedenen Stipendien nach den
Vergabegremien (Universitätsversammlung, Senat, Rektor) und weist sie auf ihre Einkünfte und auf die üblichen Ausgaben
hin. Darunter findet sich auch der Hinweis auf den sogenannten „Pedellthaler“, dessen Barauszahlung von Pedellen und
Gerichtsdienern beim Amtsantritt und beim Ausscheiden des wechselnden Rektors erwartet wurde (UAL, Rep. 1/2/24 Band
1, Bl. 1-26).
93
1842-1915, in Leipzig seit 1886 Professor für Kirchengeschichte, 1892/1893 Rektor der Universität.
94
UAL, Rep. 1/2/24 Band 1, Bl. 41.
95
Der Unterschied in der Besteuerung seines Einkommens war aus heutiger Sicht kaum erheblich: Brieger hatte für sein
angegebenes Einkommen 330 Mark Steuern gezahlt, für die geschätzten 17.500 Mark verlangte die Behörde aber 510 Mark.
(Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1894, S. 150: Einkommenssteuersätze)
28
Aufwandspauschale auf insgesamt 2800 Mark pro Rektoratsjahr erhöht – aber zugleich mussten
nun alle weiteren Zahlungen bei Reisen und jeder sonstige Aufwand vom Rektor selbst beglichen
werden.96
Durch diesen Streit mit dem Finanzbehörden gewarnt, riet das Kultusministerium dem Senat
daher im Jahre 1914 von einer Verpachtung der Jagd im universitätseigenen Oberholz mit dem
Hinweis ab, dass die Einnahmen der Jagdpacht dann in den Staatsetat einmünden müssten. Eine
Ablöse der Naturalleistungen durch Geldzahlung an die Bezugsberechtigten wäre nur noch
durch die explizite Zustimmung der Ständeversammlung zu erreichen. In einer tabellenförmigen
Auflistung der Wildbretlieferungen an die Rektoren der Jahre von 1901 bis 1916 finden sich
aufschlussreiche Zahlen zum Reputationsaufwand, der mit dem Amt verbunden war. Insgesamt
wurden 231 Rehe, 973 Hasen, 159 Fasane, 64 Rebhühner und 3 Schnepfen an die 15
Rektoren geliefert. Die Abschusszahlen richteten sich strikt nach waidmännischen Faktoren: der
Jubiläumsrektor Karl Binding (1841-1920) erhielt 1909 kaum mehr als den durchschnittlichen
Wildbretertrag: 15 Rehe, 70 Hasen und 9 Fasane.97
Zur Wertigkeit dieser Bezüge für die funktionale Symbolik der Außendarstellung findet sich noch
ein weiterer Hinweis aus dem Jahre 1931, als infolge der schlechten Haushaltslage das
Kultusministerium in Dresden die besonderen Dienstbezüge des Rektors stark kürzen wollte. In
der diesbezüglichen Stellungnahme des akademischen Senats sieht die Hochschule eine
öffentliche Herabwürdigung ihrer Reputation, da der Universitätsrektor
„... dann dieselbe
Dienstaufwandsentschädigung wie der Rektor der Handelshochschule beziehe.“98
Besonders die hohen Ausgaben für die Teilnahme bei königlichen Empfängen am Dresdner Hof
wurden in den Auseinandersetzungen von Brieger immer wieder als wichtiges Argument
herangezogen. Die enge Beziehung der Landesuniversität zu ihrem Landesherrn ist über das
ganze 19. Jahrhunderts vorhanden und das Rektoramt trägt mit symbolischen Aktionen dieser
steten Annäherung Rechnung: 1809 wird den drei neu immatrikulierten Prinzen ein Schmuckblatt
96
UAL, Rep. 1/2/24 Band 1, Bl. 45 und Bl. 47.
UAL, Rep. 1/2/24 Band 1, Bl. 274.
98
UAL, Phil.Fak. C5/51 :13 Band 1, Bl. 240.
97
29
in der Rektormatrikel gewidmet.99 Prinz Johann (1801-1873) wird anlässlich der Übergabe des
neuen Universitätshauptgebäudes 1836 von der Juristenfakultät ehrenpromoviert100 und
revanchiert sich 1855, dann als König Johann von Sachsen, mit der Stiftung einer Rektorkette.101
Schließlich
werden
seit
1875
die
sächsischen
Könige102
nach
ihrer
Krönung
fast
selbstverständlich mit dem höchsten Ehrentitel der Universität bedacht - der Ernennung zum
Rector Magnificentissimus.103 Die Verleihung dieser höchsten Würde der Universität war ein
zweischneidiges
Schwert
und
die
möglichen
Konsequenzen
für
die
akademische
Selbstverwaltung kaum absehbar. Im Nachhinein betrachtet, erwies sich die Ehrung als ein
geschickter Schachzug ohne nachteilige Folgen, da dem König zwar eine Verantwortung für die
Förderung
des
Universitätsbetriebes
angetragen
wurde,
jedoch
keinerlei
praktische
Geschäftsführung damit verbunden war.104
Den letzten Höhepunkt in der Annäherung zwischen Königshaus und Universität bildete
anlässlich der Jubiläumsfeier 1909 die Aufstellung eines überlebensgroßen Marmorstandbildes
in der Wandelhalle der Universität. Im Talar des Rector Magnificentissimus, über der königlichen
Uniform getragen, war König Friedrich August III. (1865-1932) von nun an bei allen größeren
Universitätsereignissen als Symbolfigur präsent. Diese enge Beziehung schlug erst in der Zeit des
99
UAL, Rektor M 11, 1809.
Interessanterweise wird der Vorschlag, durch Promotionsfeierlichkeiten das neue Hauptgebäude in einem akademischen
Akt 1836 feierlich einzuweihen, vom Kabinettsminister Bernhard August von Lindenau (1779-1854, Vorsitzender des
sächsischen Gesamtministeriums von 1831-1843) der Universität unterbreitet. Im offiziellen Ablaufprotokoll der
Übergabezeremonie finden die Promotionsakte aber dennoch keine Berücksichtigung, denn die Übergabe des Augusteums
erfolgte schließlich als Staatsakt durch Prinz Johann. Anschließend fanden jedoch Ehrenpromotionen der Fakultäten statt Prinz Johann, der damalige Kultusminister Hans Georg von Carlowitz (1772-1840) und der Justizminister Julius Traugott
Jakob von Könneritz (1792-1866) wurden juristische Ehrendoktoren. Von der Philosophischen Fakultät wurde Eduard von
Nostitz und Jänckendorf (1791-1858, Minister des Inneren ab 1843) ehrenpromoviert (UAL, Rep. 2/5/67).
101
Bux, Annegret: Der Kunstbesitz der Universität Leipzig, Hausarbeit, Universität Leipzig 1965, S. 25: Erstmalig wird „...
1767 in Freiburg i.Br. dem Rektor eine Kette verliehen, die er bei allen feierlichen Gelegenheiten tragen soll. Die Verleihung
solcher Ketten wird dann im 19. Jahrhundert eine beliebte Gnadenbezeugung der Fürsten für die Rektoren ihrer
Landesuniversitäten.“; Ausführlich dazu Zier und Zeichen, S. 19-30.
102
UAL, Rep. 1/2/25. Die Reihe der Ehrungen beginnt mit König Albert von Sachsen (1828-1902).
103
Weitere Beispiele dafür bei Stein, S. 56, Anm. 73. „Noch heute besteht dieser Brauch in Erlangen, Freiburg, Heidelberg,
Jena und Leipzig. In Königsberg war bis 1888 und in Göttingen ist seit 1887 ein anderes Mitglied des Herrscherhauses rector
magnificentissimus.“
104
Bereits ein Vierteljahr später konnte der Rektor befriedigt feststellen, dass auch der König Form und Umfang dieser
speziellen Huldigung erkannt habe, „...als eine der Person Sr. Majestät des Königs Albert dargebrachte Huldigung, durch
welche die Verfassung unserer Universität selbstverständlich in keiner Weise alteriert wird, wohl aber die so hocherfreuliche
und segensreiche Verbindung zwischen königlicher Huld auf der einen und der innigsten Dankbarkeit, Liebe und Verehrung
auf der anderen Seite einen bestimmenden Ausdruck und ihre formelle Besiegelung erhält.“ (UAL, „Reden gehalten in der
Aula der Universität Leipzig beim Rectoratswechsel am 31. October 1875“).
100
30
Nationalsozialismus um, als das Ministerium über seinen kommissarischen Leiter Werner
Studentkowski (1903-1951) den Rektor für eine im Mai 1935 erfolgte Blumen- und
Kranzniederlegung am Königsdenkmal in der Wandelhalle rügte und derlei Erinnerungskultur für
die Zukunft untersagte.105
Auch zu den Ministerien konnte eine gedeihliche Beziehung geknüpft werden: zwischen 1831
und 1914 hatten acht von den insgesamt neun sächsischen Kultusministern in Leipzig studiert,
eine Professur innegehabt oder waren selbst Rektor gewesen. Selbst die widersetzliche Haltung
der Universität bei der Wiedereinführung der Ständeverfassung 1848 und die nachfolgenden
Repressionen unter Universitätsangehörigen störten das gute Einvernehmen nicht nachhaltig.
Nur selten kollidierten die vielfältigen Pflichten und Ambitionen der Rektoren miteinander. Im
Jahre 1903 gelang es daher Karl Bücher106 rasch, die ministeriell geäußerte Unbill über seine
ausufernden Außenbeziehungen einer friedlichen Lösung zuzuführen. Bücher hatte in seinem
Rektoratsjahr 1903/1904 einen Akademischen Schutzverein gegründet, der die Interessen der
wissenschaftlichen Autoren gegenüber den Verlagen vertreten sollte und bald an allen deutschen
Hochschulen Zweigvereine besaß.107 Die Gründungsveranstaltung in Leipzig sollte nach einer
gemeinsamen Idee von den Rektoren Adolph Wach108 und Bücher genutzt werden,
um die
angereisten Rektoren zu einer weitergehenden Kooperation zu bewegen. Bücher schlug daher
vor, am 29.11.1903 in Leipzig zugleich eine „… Konferenz der Rektoren der deutschen
Universitäten zur Besprechung allgemeiner Universitätsangelegenheiten …“ zu veranstalten.109
Von den teilnehmenden 11 Universitätsrektoren und den drei Rektoren technischer Hochschulen
wurden in dieser gemeinsamen Veranstaltung die Umstellung von der lateinischen auf die
deutsche Sprache in den Hochschulformularen und –urkunden und die Sonderbesteuerung
ausländischer Studenten durch die Hochschulen erörtert. Nur ein Tagesordnungspunkt, die
Abschaffung der Karzerstrafe, kam nicht wie vorgesehen zur Diskussion. Am Ende der Runde
waren sich die Rektoren sofort einig, in Zukunft jährlich eine derartige Gesprächsrunde zu
105
Die Niederlegung von Blumen und Kränzen zum 70. Geburtstag des Monarchen war auf private Initiative erfolgt, es gab
keine offizielle Beteiligung von Seiten der Universität (UAL, Rep. 1/2/24 Band 4, Bl. 57).
106
1847-1930, in Leipzig seit 1892 Prof. für Statistik u. Nationalökonomie.
107
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18, Leipzig 1909, S. 93.
108
1843-1926, in Leipzig seit 1875 Prof. für Strafrecht, im Jahre 1902/1903 Rektor der Universität Leipzig.
109
UAL, Rep. 1/2/27 Band 1, Bl. 2.
31
organisieren – das nächste Treffen sollte in Berlin stattfinden, um auch die zahlreichen
preußischen Universitäten zu einer Teilnahme zu bewegen. Bereits wenige Tage später erhielt
Rektor Bücher ein Schreiben aus Dresden, in dem das Ministerium gegen diese Zusammenkunft,
die ohne dessen Vorwissen und Billigung statt gefunden hatte, protestierte. Bücher lies sich
einige
Tage
Zeit,
ehe
er
ein
Antwortschreiben
formulierte,
dem
er
gleich
ein
Versammlungsprotokoll beifügte. Der Protokollführer Wach hatte darin eine wichtige Änderung
vorgenommen und auf dem gedruckten Protokoll tauchte nun der unterstrichene Zusatz
nichtoffizielle Rektorenkonferenz auf.110 Damit war der ministeriellen Anforderung Genüge getan
und in Zukunft erhob sich kein Einwand gegen die Beteiligung Leipziger Rektoren an diesen
Treffen.111
Rektor Carl Chun112 sprach 1908 ein offenes Geheimnis aus: Leipzig besitze eine „… unter den
deutschen Universitäten beneidete Stellung zum Kultusministerium.“113 Ein Jahr später kann
Wilhelm Wundt114 als Festredner zum 500jährigen Jubiläum 1909 stolz darauf verweisen, dass
nicht ein einziges Mal „… unser Landtag die im Interesse der Hochschule gewünschten
Bewilligungen abgelehnt oder auch nur zu kürzen gesucht …“ hat.115
Das Ende des Ersten Weltkrieges brachte einen radikalen Umbruch im politischen System des
Deutschen Reiches und in Sachsen mit sich und recht schnell kommt es zu ersten Irritationen
zwischen der Universität und der neuen Landesregierung. Schon bei der ersten Begegnung
zwischen dem Rektor und dem neuen Kultusminister werden latente Konfliktlinien deutlich. Der
Rektor Rudolf Kittel116 empfängt im Mai 1919 den neuen sozialdemokratischen Minister Johann
Wilhelm Buck (1869-1945, von Beruf Stuckateur) „... auf eigenem Grund und Boden ...“ und
betont in seiner Begrüßungsrede gegenüber dem Minister Tradition und Eigenständigkeit der
110
UAL, Rep. 1/2/27 Band 1, Bl. 65.
Selbst die Reisekosten für die Teilnahme an dieser „Privatveranstaltung“ übernahm das Ministerium im Jahre 1907 - es
bat nur, vorher über die ungefähre Höhe der Spesen informiert zu werden (UAL, Rep. 1/2/27 Band 1, Bl. 107).
112
1852-1914, in Leipzig seit 1898 Prof. für Zoologie und Zootomie.
113
Staatliche Inspektionen führten in der Regel zu gewünschten Verbesserungen: „Durch die zweimalige eingehende und
anstrengende Inspektion unseres medizinisch-naturwissenschaftlichen Gebäudekomplexes wurde für die beiden
rückständigsten Institute, nämlich für die Chirurgische Poliklinik und für die Poliklinik für orthopädische Chirurgie eine
rasche Besserung der Existenzbedingungen herbeigeführt.“ (Rede zum Rektoratswechsel 1908, Karl Chun, S. 2/3)
114
1832-1920, in Leipzig seit 1875 Prof. für Psychologie.
115
Feier des 500jährigen Bestehens, S. 178/179.
116
1853-1929, in Leipzig seit 1898 Prof. für Theologie.
111
32
Leipziger Universität.117 Kittel betrachtet den neuen Politikerschlag als ungebildet, aber
interessiert. Besonders merkwürdig wirkt auf den Rektor, dass der Minister „... sich seiner
Vergangenheit nicht schämte.“118
Recht schnell greifen daher Befürchtungen um sich, das bisherige enge Band zwischen
Universität und Landesregierung sei aufgelöst und man müsse gar mit politischen Professoren –
direkt aus dem Ministerium ernannt - rechnen, die die Hochschule auf einen neuen Kurs führen
könnten. Diese unterschwelligen Befürchtungen führen im Oktober 1919 zu heftigen Protesten
des
Rektors
Erich
Brandenburg119
Hochschulzugangsvoraussetzungen
gegenüber
reduziert
werden
der
Landesregierung,
sollen
und
den
als
die
Immaturi120
(Volksschullehrern) die Promotion gestattet werden soll.121 Daraufhin werden die Pläne im
Ministerium zunächst zurückgestellt.
Unabhängig von den politischen Außenereignissen122 setzten in den Fakultäten und im Senat
Überlegungen zu notwendigen Satzungsänderungen ein, die der Erste Weltkrieg unterbrochen
hatte. Zu wirklichen, tiefgreifenden Veränderungen kommt es aber in der Weimarer Republik
nicht
mehr.
Lediglich
über
marginale
Statutenänderungen
lassen
sich
neue
Schwerpunktsetzungen im Rektoramt erahnen. Dabei werden auch politische Faktoren, die
außerhalb der Universitätsgrenzen wirken, berücksichtigt.
Zunächst beschäftigte sich der Akademische Senat im Mai/ Juni 1919 mit Reformen der
Universität – einer der dabei behandelten Punkte sah die Einführung der Würde eines
Ehrenbürgers bzw. Ehrensenators der Universität für finanzstarke „Gönner“ vor.123 Das heißt, die
117
Kittel, Rudolf: Die Universität Leipzig im Jahre der Revolution 1918/19. Rektoratserinnerungen von Rudolf Kittel,
Leipzig 1930, S. 115.
118
Kittel Revolution, S. 117. Kittel liefert noch eine herablassende Schilderung des ersten Minister-Rundgangs in den
Universitätsinstituten mit, bei der er die emphatische Begeisterungsfähigkeit des Ministers als eher kindisch einschätzt.
119
1868-1946, in Leipzig seit 1904 Prof. für Geschichte.
120
Personen ohne Matura: Das Maturitäts- oder Abiturientenzeugnis wurde nach erfolgter Reifeprüfung von einer höheren
Lehranstalt ausgegeben. Dafür war der Besuch einer neunstufigen Mittelschule (Gymnasium, Realgymnasium,
Oberrealschule) notwendig. In Sachsen waren seit einer Ministerialverordnung vom 30.9.1898 auch Volksschullehrer ohne
höhere Schulbildung zum Studium der Pädagogik an der Universität zugelassen.
121
UAL, Phil.Fak. C2/21 Band 2, Bl. 38.
122
Zu den politischen Ereignissen von 1918/1919, die direkt den akademischen Alltag beeinflussten, vgl. Kittel Revolution.
123
UAL, Rep. 1/16/2/A/21, Bl. 315. Diese neue Ehrung sollte, dem Beispiel Göttingens folgend, der Universität „reiche
Mittel“ zuführen und im Gegenzug auch den Stiftern etwas Repräsentatives bieten. Die ursprüngliche Idee, den Förderern ein
Ehrenzeichen zu widmen, wurde jedoch bald fallengelassen, stattdessen sollten sie einen Ehrenbrief über die erteilte Würde
erhalten. Diese neuen Würden, die an Stelle von Ehrendoktoraten vergeben werden sollten, erzeugten jedoch bei Stiftern
33
Universität suchte an Stelle der verlorenen staatlichen Förderung wenigstens teilweise Ersatz zu
schaffen. Der Rektor als Repräsentant der Universität hatte diesem Interesse natürlich
nachzugehen, er führte die vorbereitenden Gespräche mit den Herren aus der Wirtschaft und
wurde in der Folge selbst Vorstandsmitglied im Verein der Förderer und Freunde der Universität
Leipzig.124
Schließlich wird zu Beginn der 1920er Jahre der Kreis der Wahlberechtigten für das Rektoramt
ausgeweitet. Während bisher nur die ordentlichen Professoren ein aktives und passives
Wahlrecht haben, werden seit Juli 1923 auch Vertreter aus der Gruppe der Hochschullehrer,
der Lektoren und der Studenten zur aktiven Wahlhandlung stimmberechtigt zugelassen.125
Zu den ersten Maßnahmen der NS-Diktatur gehörte die auf dem Verwaltungswege erzwungene
Umstrukturierung der Hochschulen und Universitäten. Nach der Einführung des „Führerprinzips“
an der Universität Leipzig durch Verordnung des Dresdner Volksbildungsministeriums am
22.12.1933, änderte sich der bisherige Grundsatz der gemeinsamen Entscheidungsfindung
radikal - und wie es scheint ohne Widerstand seitens der Universität.126 In dem im Januar 1934
erlassenen Statut der „Grenzlanduniversität“ Leipzig wurden die neuen Prinzipien der
Hochschulorganisation – nach kaum vier Wochen Bearbeitungsfrist – bereits festgeschrieben.127
Neben der politischen Dimension, die sich nun der Universitäten bei der Diskriminierung und
Verfolgung von Staatsgegnern bediente, wurde dabei das über Jahrhunderte gepflegte
akademische Gemeinschaftsgefühl bewusst schwer geschädigt und die letzten verbliebenen
akademischen Privilegien ad absurdum geführt. In den totalitären Systemen sollten die
universitären Bildungsanstalten sich nicht im Interesse der Wissenschaftsverbreitung selbst
nicht den gewünschten Anreiz. Bereits 1924 protestierte der „Förderverein der Universität“ bei Rektor und Senat gegen einen
Regelbruch, wonach die Philosophische Fakultät für eine Geldspende eine Ehrendoktorwürde vergeben habe, noch dazu
gegen eine nicht besonders hohe Summe (1923 an den „Großkaufmann Hans Osten“). Die erfolgte Ehrenpromotion rief
Empörung unter dem Mitgliedern des Fördervereins hervor, die höhere Zahlungen gestiftet und dafür „lediglich“ einen
Ehrenbürger /-senatorentitel erhalten sollten – worauf wenigstens zwei Herren gleich ganz auf diese Ehrung verzichteten
(UAL, Phil.Fak. C5/56 :01 Band 1, Bl. 7/8).
124
Satzung des Vereins der Förderer und Freunde der Universität Leipzig, Leipzig 1935.
125
UAL, Rep. 1/11/11/ Vol. 13, Bl. 29.
126
In der Philosophischen Fakultät wurden die neuen Regeln einfach zur Kenntnis genommen, die der Dekan so
kommentierte: „1.) Die Fakultät beschließt nicht mehr, sie kann den Dekan nur beraten. 2.) Die Fakultät stimmt nicht mehr
ab, die einzelnen Mitglieder äußern ihre Meinung. 3.) Anstelle der Fakultät bzw. ihrer Abteilungen trifft der Dekan
selbständig alle Entscheidungen ...“ ( UAL, Phil.Fak. C5/51 Band 4, Bl. 146.)
127
UAL, Phil.Fak. A1/10 Band 5, Bl. 33/37.
34
verwalten,
sondern
ausschließlich
staatlichen
Interessen
in
einer
funktionsbestimmten
Verwaltungshierarchie dienen. Die Rektoren der Universitäten wurden zu besseren Direktoren –
in
ein
staatliches
Bildungssystem
durch
ministerielle
Ernennung
eingebunden,
durch
parteipolitische Institutionen in der eigenen Akademikerschaft überwacht und gegebenenfalls
einfach ersetzt.128
128
Der im April 1935 in sein Rektoramt eingeführte Felix Krueger (1874-1948, in Leipzig seit 1917 Prof. für Philosophie)
wurde nach wenigen Monaten „aus gesundheitlichen Gründen“ beurlaubt, da er seine „arische“ Abstammung nicht lückenlos
nachweisen konnte. Die Amtsgeschäfte übernahm der Prorektor und Amtsvorgänger Arthur Golf (1877-1941, in Leipzig seit
1922 Prof. für Tierzuchtlehre).