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Benefits!
Das bAV-Fachmagazin von Towers Watson Deutschland
Ausgabe 02 | Juli 2013
towerswatson.de
„Reformvorschläge
„
für die bAV werden vor der
Bundestagswahl öfter zu hören sein. Es bleibt zu
hoffen, dass es um das Thema auch nach der Wahl
nicht stiller wird.“
Rentendebatte:
bAV in Wahlkampf­
programmen, Grund­
satzposition der BDA
Versicherungslösungen:
Prüfpunkte und Anbie­
terauswahl angesichts
des Niedrigzinsumfelds
Pensionsfonds:
Kapitalleistungen nun
zulässig – steuerrecht­
liche Behandlung
Pensionsvermögen:
Anlagemanagement
im Niedrig­zinsumfeld –
Umdenken erforderlich
Compensation &
Benefits: Ausdifferen­
zierung des „Centers
of Excellence“ – Studie
Muster-Rubrik
Inhalt
Juli 2013
Herausgeber:
Towers Watson GmbH
V.i.S.d.P.: Reiner Jung
Editorial
4
Ceterum censeo …
24
Kapitalleistungen bei
Pensionsfonds
Redaktion
Ulrike Lerchner-Arnold
Im Fokus
5
Dauerbrenner
­Rentendebatte
26
Geplante EU-Auf­sicht
für EbAV: Kein „level
playing field“
8
Nachgefragt –
„‘One size fits all‘
hat ausgedient“
27
DAX-Pensionswerke
schlagen Benchmark
Verantwortlich:
Prof. Dr. Dr. Wolfgang Förster
Dr. Michael Karst
Sybille Siefer
Dr. Manfred Stöckler
Dr. Claudio Thum
Online-Archiv
Benefits! ist auch online abrufbar unter:
www.towerswatson.com/de-DE/Insights/
Newsletters/Europe/benefits-fachmagazin
10
Altersvorsorge in
Deutschland
12
Mit besseren Rahmen­bedingungen weiteren
Ausbau erreichen
Praxis Benefits
14
Zeitwertkonten –
Markttrend zur Arbeitszeitflexibilisierung
17
Lohnt sich eine Versi­
cherungslösung noch?
20
Nachgefragt –
Betriebsrente erst
mit 67 Jahren?
Bilanzen & Finanzen
22
bAV in der Risiko­
berichterstattung
28
Niedrigzinsumfeld –
Umdenken im Anlage­
management
Recht & Steuern
30
BBG-Sprung 2003:
„Kehrtwende“ des
BAG
31
Versorgungsaus­
gleich: Zins
33
Berufsunfähigkeits­
rente bei teilweiser
Erwerbsminderung?
34
Dienstzeitbegren­
zung von 40 Jahren
zulässig
35
Widerruf einer Versor­
gungszusage wegen
Treuepflichtverletzung
36
EinkommensteuerÄnderungsrichtlinien
2012 verabschiedet
38
Angeschaffte Pensi­
onsrückstellungen in
der Steuerbilanz
Administration &
Software
40
Die bAV-Administra­
tion im Wandel
HR-Strategie,
Talent & Rewards
42
Das Compensation
& Benefits Center
of Excellence
News
44
bAV-Konferenz 2013
45
Rückblick:
Pensions­kassentag
von Towers Watson
46
75 Jahre aba
46
Towers Watson unter
Top-25-ManagementBeratungen
Benefits! 3
Editorial
Ceterum censeo …
Karthago muss weg! Die Hartnäckigkeit, mit der
der römische Staatsmann Cato diese Forderung
immer wieder vorbrachte, ist legendär. Mit dem
Satz „ceterum censeo Carthaginem esse delen­
dam“ (lat. „im Übrigen bin ich der Meinung, dass
Karthago zerstört werden muss“) soll er jede
seiner Reden im Senat beendet haben, und zwar
unabhängig vom eigentlichen Thema. Der Verlauf
der Geschichte ist bekannt: Nach dem Dritten
Punischen Krieg verschwand Karthago von der
Bildfläche.
Hartnäckigkeit lohnt sich auch mehr als zweitausend
Jahre nach Cato, schaut man auf die Hindernisse,
denen die betriebliche Altersversorgung (bAV) ausge­
setzt ist. So waren betriebliche Pensionsfonds vom
Start an mit einigen „Fußfesseln“ behaftet. Einige
davon wurden nach vielfältigen Wortmeldungen von
Fachexperten und bAV-Verantwortlichen gelöst, wie
etwa 2005 die Verpflichtung, laufende Rentenleis­
tungen aus Leistungszusagen versicherungsförmig
zu garantieren. In der Folge nahm der „Newcomer“
unter den Durchführungswegen der bAV erst richtig
Fahrt auf. Zwei Jahre später waren die Deckungsmit­
tel der Pensionsfonds in Deutschland auf das Zwölf­
fache gestiegen: von rund einer Milliarde (2005)
auf 14 Mrd. Euro (2007). Jüngst fiel das Verbot für
Pensionsfonds, Kapitalleistungen zuzusagen (siehe
Beitrag auf S. 24). Das wird dem fünften Durchfüh­
rungsweg weiteren Zulauf verschaffen.
Vielfach kritisiert wurde auch die Absicht der EUKommission, betriebliche Pensionskassen und Pen­
sionsfonds aufsichtsrechtlich wie Versicherungsun­
ternehmen zu behandeln – obwohl sie mit anderen
Zielen und unter anderen Rahmenbedingungen
arbeiten. Inzwischen ist dieser Plan vertagt worden
(siehe Beitrag auf S. 26), aber Wachsamkeit ist
weiterhin geboten.
„Hartnäckigkeit
„
lohnt sich, schaut man auf die
Hindernisse, denen die bAV ausgesetzt ist.“
nicht stiller wird. Im Gegenteil: Dann ist es für bAVVerantwortliche und Fachexperten wieder an der
Zeit, sich zu Wort zu melden, um Wahlversprechen
einzufordern und die Errichtung neuer Hemmnisse
zu verhindern.
Towers Watson wird sich an dieser Diskussion weiter
beteiligen – nicht nur, weil bAV unser Beratungs­
schwerpunkt ist. Das Engagement vieler Unterneh­
men für eine so wesentliche Sache wie die finanzielle
Absicherung des Ruhestands verdient eine „freie
Bahn“. Das soll keineswegs ein Plädoyer für einen
regulierungsfreien Raum sein. Geordnete Rahmenbe­
dingungen für den „Marathonlauf“ bAV sind sinnvoll
und notwendig – Hürden und Slalomfähnchen aber
nicht. Was Unternehmen, Fachexperten, Anbieter und
Verbandsvertreter dazu vorschlagen, stellt dieses
Benefits-Heft in den „Fokus“ (siehe S. 5. ff.). Eine
interessante Lektüre wünscht
Dr. Thomas Jasper
Leiter Retirement Solutions
Towers Watson Deutschland
Ideen, Konzepte und Reformvorschläge für die bAV
werden in den kommenden Wochen und Monaten
immer wieder zu hören sein. Die Zeit im Vorfeld der
Bundestagswahl steht im Zeichen wohlklingender
Wahlversprechen. Es bleibt zu hoffen, dass es um
das Thema „Altersversorgung“ auch nach der Wahl
Die nächsten Ausgaben
Das nächste Benefits-Fachmagazin erscheint im November. Der Newsletter Benefits! online bietet
zuvor im September ein kurzes Update zu Recht und Bilanzierung.
4 towerswatson.de
Im Fokus
„Bei
„ der Frage nach Reformbedarf geht es um eine bessere
Gewichtung innerhalb des Drei-Säulen-Systems bzw. die
Verbesserung der Detailausgestaltung.“
Dauerbrenner Rentendebatte
Parteien vor der Bundestagswahl: bAV im Fokus?
Im „Warmlaufen“ für die Bundestagswahl skizzieren die Parteien auch ihre Vorstellungen von einer nachhaltigen Rentenpolitik. Aus den Wahlprogrammen ist auch abzulesen, welche Bedeutung sie der bAV
neben gesetzlicher und privater Altersvorsorge beimessen.
Bei der Entwicklung der Programme 1 standen neben
Themen wie Wirtschaft, Arbeit, Energie oder Europa
auch die Alterssicherung im Blickfeld der Parteien.
Die Rentendebatte ist seit den Rentenreformen der
rot-grünen Regierung von Bundeskanzler Schröder
mit der Kürzung der staatlichen Rente und der damit
einhergehenden Förderung von betrieblicher Alters­
vorsorge (bAV) und privaten Vorsorgemöglichkeiten
(Riester- und Rürup-Rente, nachgelagerte Renten­
besteuerung) ein Dauerbrenner. Der demografische
Wandel, die Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise
sowie das absinkende Eck-Rentenniveau heizen die
Debatte über drohende Altersarmut weiter an. So
diskutieren die Parteien auch die Angleichung der
Renten in Ost- und Westdeutschland, eine Reform
der Riester-Rente, ein verbessertes Versorgungsan­
gebot für Selbstständige sowie vor allem Konzepte
zur Erreichung einer soliden Grundsicherung im Alter.
CDU/CSU: Verbreitung der bAV in KMU
fördern
„Wir wollen dafür sorgen, dass sich Lebensleistung,
private und betriebliche Vorsorge für die Menschen
lohnt und durch Freibeträge im Alter erhalten bleibt.“
Die gesetzliche Rentenversicherung wird von CDU
und CSU weiterhin als tragende Säule der Altersvor­
sorge gesehen. Sie ist für sie Grundlage einer ver­
lässlichen Rentenpolitik. Gleichzeitig setzen sie mit
der von Arbeitsministerin von der Leyen ins Spiel
gebrachten „steuerfinanzierten Lebensleistungs­
rente“ darauf, dass die Lebensleistung jener, die
ihr Leben lang gearbeitet und für ihr Alter Vorsorge
getroffen haben, anerkannt wird. Dabei werden Kin­
dererziehungs- und Pflegezeiten in der Anrechnung
höher bewertet, wenn 40 Jahre in die Rentenkasse
eingezahlt und privat vorgesorgt wurde.
1Z
u Redaktionsschluss hatten nur SPD und Grüne ihre Wahlprogramme bereits verabschiedet. CDU/CSU, FDP und Die Linke hatten
Entwürfe veröffentlicht, die bei der Erarbeitung dieses Beitrags einbezogen wurden. Die im Text verwendeten Zitate wurden diesen
Quellen entnommen.
Benefits! 5
Im Fokus
Die geringe Verbreitung der bAV in kleinen Unterneh­
men und bei Geringverdienern sieht die Union mit
Sorge – hier will sie Veränderungsanreize setzen.
Dabei lehnt sie eine obligatorische Betriebsrente ab
und will durch Freibeträge im Alter sowie zusätzliche
Anreize für die private Altersversorgung bei Gering­
verdienern eine Stärkung der zweiten und dritten
Säule erreichen.
SPD: Stärkung durch Allgemeinverbindlichkeit bzw. Opting out
„Die betriebliche und tarifvertraglich abgesicherte
Altersversorgung ist aus unserer Sicht die beste
Form der privaten und zugleich kollektiven Altersversorgung. Wir wollen sie stärken und durch die
Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeit auch in
den Regionen und Branchen durchsetzen, in denen
sie derzeit wegen geringer Tarifbindung nur wenig
genutzt wird. Der Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge darf dabei nicht allein von den Beschäftigten
getragen werden.“
Auch die SPD verankert die gesetzliche Rente
als tragende Säule für die Absicherung und den
Schutz vor Armut im Alter im Wahlprogramm.
Zudem will sie Übergänge vom Arbeitsleben in
die Rente erleichtern. Mit der steuerfinanzier­
ten Solidarrente in Höhe von 850 Euro will die
SPD Kleinverdiener aus der sozialhilfeähnlichen
Grundsicherung im Alter herausholen und nach
30 Beitragsjahren (bzw. 40 Versicherungsjahren)
einen eigenständigen Anspruch sichern. Mit einem
erleichterten Zugang zur Erwerbsminderungsrente
und einer ausgeweiteten Teilrente ab 60 Lebens­
jahren mildert die SPD ihre eigenen Beschlüsse
zur Rente ab Alter 67 aus der eigenen Regierungs­
zeit stark ab.
Konkrete Reformen strebt die SPD für die bAV an,
die als zweite Säule gestärkt und weiter verbreitet
werden soll. Die Erleichterung der Allgemeinver­
bindlichkeit soll die bAV in Branchen mit geringer
Tarifbindung fördern. Zudem holt die SPD mit dem
Vorschlag eines Opting-Out-Modells für die Entgelt­
umwandlung eine international bereits geführte
Debatte (siehe auch Benefits! Dezember 2012)
auch in die deutsche Politik. Dadurch soll die durch
Entgeltumwandlung finanzierte Altersvorsorge
zum Normalfall werden – oder die Nichtvorsorge
zumindest auf einer bewussten Entscheidung des
Arbeitnehmers (statt auf Versäumnis, Unwissen­
heit usw.) beruhen. Die SPD will den angestrebten
Ausbau der bAV nicht allein durch die Arbeitnehmer
finanzieren lassen, was an Modelle wie „Matching
Contributions“ (siehe auch Benefits! August 2012)
denken lässt.
6 towerswatson.de
FDP: Erhöhung von Freibeträgen, Nichtanrechnungsregelungen
„Wir wollen private Vorsorge für jeden Geringverdiener attraktiv machen. Daher dürfen Einkommen aus
privater und betrieblicher Vorsorge nur teilweise auf
die Grundsicherung im Alter angerechnet werden.“
Die FDP lehnt die Entwicklung der gesetzlichen Ren­
tenversicherung in eine Erwerbstätigenversicherung
und den Aufbau einer Mindestrente ab. Eine deutli­
che Änderung strebt sie beim Übergang in die Rente
an: So sollen Zuverdienstmöglichkeiten zur Rente
ab dem 60. Lebensjahr ausgeweitet und damit auch
ein flexiblerer Ausstieg aus dem regulären Arbeitsle­
ben ermöglicht werden.
Im Drei-Säulen-System zeigt die FDP eine Präferenz
für die private Vorsorge. Der bAV steht sie aufgrund
deren kollektiven Charakters zurückhaltend gegen­
über. Mit der Erhöhung von Freibeträgen und Nichtan­
rechnungsregelungen sowohl in der Anspar- als auch
in der Rentenbezugsphase soll private und betrieb­
liche Altersversorgung für alle Einkommensgruppen
attraktiver werden.
Bündnis 90/Die Grünen: Schwerpunkt auf
erster Säule
„Private und betriebliche Alterssicherung sind wichtig
für die Lebensstandardsicherung im Alter. Dafür wollen wir die Riesterrente grundlegend reformieren.“
Ein klares Bekenntnis zur gesetzlichen Rentenversi­
cherung geben die Grünen in ihrem Wahlprogramm
ab. Die erste Säule soll ein angemessenes Renten­
niveau sicherstellen und dazu beitragen, dass der
Sozialstaat eine Sicherung des Lebensstandards
über der Armutsgrenze im Alter gewährleistet. Dabei
soll die gesetzliche Rente in Ost und West zeitnah
angeglichen und schrittweise in eine Bürgerversiche­
rung erweitert werden, sodass alle Berufsgruppen
und Einkommensarten einbezogen werden. Mit der
steuerfinanzierten Garantierente von 850 Euro soll
ab 30 Versicherungsjahren eine Rente oberhalb
der Grundsicherung für alle Erwerbstätigen einge­
führt werden.
Die bAV wird im Wahlprogramm der Grünen als
wichtiges Element der Lebensstandardsicherung
im Alter angesehen. Ebenso wie die private Versor­
gung soll sie nur teilweise auf die Ansprüche aus
der Garantierente angerechnet werden, um der Auf­
gabe als ergänzende Versorgung zur gesetzlichen
Rente nachkommen zu können.
Die Linke: Keine Perspektive für bAV
„Die Linke will den schleichenden Ausstieg der Arbeitgeberseite aus der Altersvorsorge stoppen, wie er mit
der Riester-Rente begonnen hat und durch die Pläne
der SPD, die betriebliche Alterssicherung auszubauen,
fortgesetzt werden würde. Jegliche Form der Mindest-
sicherung im Alter ist eine gesamtgesellschaftliche
Aufgabe und muss dementsprechend auch gesamtgesellschaftlich, also durch Steuern, finanziert werden.“
Während sich die anderen Parteien mehr oder
minder deutlich zum Drei-Säulen-System bekennen,
setzt Die Linke auf die Abschaffung der bAV. Die
gesetzliche Rente soll den Lebensstandard im
Alter sichern. Dafür will sie die Anhebung des Ren­
tenniveaus auf wieder 53 Prozent, die Rücknahme
der Abschläge für Erwerbsminderungsrentner sowie
ein Ende der Rente mit 67. Als steuerfinanzierte
Mindestrente plant die Die Linke eine Höhe von
1.050 Euro ohne weitere Bedingungen. Die Umge­
staltung der gesetzlichen Rentenversicherung soll
analog zum bedingungslosen Grundeinkommen
alle Bürgerinnen und Bürger unabhängig von einer
Erwerbstätigkeit einbeziehen. Im Gegenzug soll die
Beitragsbemessungsgrenze langfristig aufgehoben
und dabei das Äquivalenzprinzip durch eine abge­
flachte Leistungskurve verlassen werden.
(ähnlich der in Großbritannien eingeführten OptingOut-Lösung) und einem obligatorischen Arbeitgeber­
zuschuss einen deutlicheren Vorstoß zur weiteren
Verbreitung. Dagegen fokussiert sich die CDU mit
Blick auf den Alterssicherungsbericht von 2012 auf
den Ausbau der bAV in kleinen Unternehmen, ohne
jedoch konkrete Maßnahmen zu benennen. Einig
sind sich Union und FDP in der Festlegung eines
Freibetrags, die auch für Geringverdiener betriebli­
che und private Vorsorge lohnenswert werden lässt.
Für die zweite und dritte Säule der Altersversorgung
sieht Die Linke keine Perspektive, lässt allerdings
offen, wie bestehende Anwartschaften in das skiz­
zierte System der gesetzlichen Rentenversicherung
überführt werden können.
Größere oder kleinere Reformimpulse
Bei näherer Betrachtung der Wahlprogramme bzw.
Programmentwürfe zeigt sich, dass die gesetzliche
Rentenversicherung (unterschiedlich ausgeprägt)
für alle Parteien weiterhin die wichtigste Säule der
Altersversorgung darstellt. Bis auf Die Linke sind
sie sich einig, dass die gesetzliche Rentenversi­
cherung allein zukünftig keinen angemessenen
Lebensstandard im Alter sicherstellen kann. Die
betriebliche und private Altersvorsorge ist daher ein
nicht mehr wegzudenkender Bestandteil der Alters­
sicherung. Wie die Förderung der bAV im Einzelnen
aussehen könnte, bleibt im Rahmen der Wahlpro­
gramme allerdings eher vage. Lediglich die SPD
wagt mit der verpflichtenden Einführung der bAV
Fazit
Jeder der skizzierten Reformansätze für die
bAV würde kleinere oder größere Impulse für
die Stärkung der zweiten Säule im Alterssi­
cherungssystem setzen und zu einer gesi­
cherten Versorgung im Alter beitragen, auch
wenn manche Vorschläge der Fachwelt (z. B.
in puncto Doppelverbeitragung, Sozialabga­
benfreiheit, Dotierungsregelungen) unberück­
sichtigt bleiben.
Sebastian Weigle
sebastian.weigle@­
towerswatson.com
Telefon: +49 7121 16272-27
Janina Reuter
janina.reuter@
towerswatson.com
Telefon: +49 611 794-4509
Mehr zum Thema
Die Konzepte der Parteien sind nachzulesen unter
CDU – Entwurf des Regierungsprogramms:
www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/antrag-starkes-deutschland-chancen-fuer-alle.pdf
SPD – Regierungsprogramm:
www.spd.de/95466/regierungsprogramm_2013_2017.html
FDP – Entwurf des Regierungsprogramms:
www.fdp.de/files/4540/Antragsbuch.pdf
Grüne – Rentenbeschlüsse zum Regierungsprogramm:
www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/BDK_2013/Beschluesse/G_Teilhaben_an_sozialer_Sicherung.pdf
Die Linke – Entwurf des Regierungsprogramms:
www.die-linke.de/fileadmin/download/wahlen2013/Leitantrag-Wahlprogramm.pdf
Benefits! 7
Im Fokus
Nachgefragt
„‘One size fits all‘ hat ausgedient“
Rentenalter, Finanzierungsquellen und pragmatische
Lösungen für die Altersvorsorge
Im Wahlkampf werden höchst unterschiedliche – und unterschiedlich geeignete – Lösungen für die
Altersvorsorge aufgeworfen, diskutiert und wieder beiseitegelegt. Benefits! klopft einige Eckdaten im
Experteninterview ab.
Herr Dr. Jasper, wer soll die Altersvorsorge
finanzieren – Mitarbeiter, Arbeitgeber oder
der Staat?
Alle drei sind gefragt – schon unter Diversifikationsge­
sichtspunkten. Ein arbeitgeberfinanzierter Pensions­
plan gehört meiner Meinung nach zur Positionierung
eines Unternehmens als guter Arbeitgeber dazu.
Mitarbeiter wissen, dass die gesetzliche Rente allein
nicht mehr ausreichen wird. Sie suchen daher nach
effizienten Möglichkeiten für die ergänzende Alters­
vorsorge und sie sind auch bereit, hierfür eigenes
Geld in die Hand zu nehmen. Das zeigt die Studie
„Altersvorsorge aus Arbeitnehmersicht“ von Towers
Watson. Der Staat sollte schließlich regulatorische
Vorsorgehindernisse aus dem Weg räumen und Rah­
menbedingungen schaffen, die gute bAV-Lösungen
ermöglichen. Er muss sich aber auch finanziell betei­
ligen – wie etwa mit der steuerlichen Begünstigung
und der Sozialabgabenfreiheit auf Vorsorgebeiträge.
Obligatorium für die bAV – ja oder nein?
Dass wir eine ergänzende Altersvorsorge auf breiter
Basis benötigen, ist unumstritten. Die bAV ist hierfür
sicherlich ein sehr effizienter Weg. Ein Obligatorium
halte ich für ungeeignet. Ein Modell, das Mittelständ­
ler und DAX-Konzerne, Facharbeiter und Vorstands­
chefs in dasselbe Korsett zwingt, passt im Ergebnis
niemandem. Die ergänzende Altersvorsorge lebt
davon, dass Menschen je nach Lebenssituation
und Bedarf wählen können, wann und wie viel sie
ansparen, und dass Unternehmen die für sich und
ihre Belegschaft optimale Lösung entwickeln. Das
ist bei einem Obligatorium nicht möglich.
Außerdem mindert ein Obligatorium den personal­
politischen Wert der bAV und damit das Interesse
der Unternehmen an diesem personalpolitischen
Instrument. Wenn alle Wettbewerber zwangsläufig
das gleiche anbieten, ist ein guter Pensionsplan im
„war for talents“ kein Vorteil mehr.
8 towerswatson.de
Die bAV ist aber noch nicht flächendeckend
verbreitet und Vorsorgelücken schließen sich
nicht von allein. Wenn es kein Obligatorium
sein soll – was hilft der bAV dann auf die
Sprünge?
Unternehmens- und branchenindividuelle Optingout-Lösungen wären eine bessere Alternative. Hier
werden Mitarbeiter automatisch in den betrieblichen
Vorsorgeplan aufgenommen. Aus ihrem Gehalt wer­
den – wenn sie sich nicht explizit dagegen entschei­
den – automatisch Beiträge für die Betriebsrente
angespart. Das dürfte die Verbreitung der Eigenvor­
sorge deutlich steigern – Entscheidungsträgheit,
Versäumnis oder die Scheu vor komplexen VorsorgeFragestellungen kann so überbrückt werden. Und
wer tatsächlich keinen Vorsorgebedarf hat, kann
ja jederzeit aussteigen. Die individuellen Steue­
rungsmöglichkeiten bleiben damit gewahrt und das
personalpolitische Instrument wird gestärkt.
Rente mit 65, 67 oder 70 – was ist Ihre
Meinung?
Ich denke, das Modell „one size fits all“ hat für den
Rentenbeginn ausgedient. Wir alle erleben, dass der
Anstieg der Lebenserwartung nicht nur eine statisti­
sche Größe ist. Das Vermögen, engagiert zu arbeiten
und der Wunsch, die eigenen Fähigkeiten im Wert­
schöpfungsprozess einzubringen, fällt nicht an einem
bestimmten Datum von hundert auf null. Und auch
für ein Unternehmen wird ein Mitarbeiter nur wegen
einer weiteren Kerze auf der Geburtstagstorte nicht
weniger wertvoll – gerade vor dem Hintergrund des
sich mit Macht ankündigenden Fach- und Führungs­
kräftemangels.
Was wir brauchen sind Lösungen, die flexible
Übergänge in den Ruhestand ermöglichen – etwa
Kombinationen aus Teilzeit und Teilrente – je nach
Neigung und finanzieller Situation der Mitarbeiter, Art
der Arbeit, Personalbedarf des Unternehmens usw.
Für Unternehmen wäre das eine Chance. So bleiben
ihnen das Wissen und die Fähigkeiten älterer Mitar­
beiter länger erhalten. Gleichzeitig stellt es sie vor
die Herausforderungen, die bAV, Zeitwert- und Alters­
teilzeitlösungen, aber auch tradierte Karrierepfade
und Vergütungsmodelle anreizkompatibel zu gestal­
ten, zu flexibilisieren und mit neuen Modulen der
Langzeitvorsorge intelligent zu kombinieren.
bAV oder private Rente – welche Säule hat
mehr Perspektive?
Aus Sicht der Mitarbeiter ganz klar die bAV. Sie
wird nach der gesetzlichen Rente als zweitwich­
tigste Einkommensquelle im Ruhestand genannt,
wie die Studie „Altersversorgung aus Arbeitneh­
merperspektive“ belegt. Alle anderen Vorsorgefor­
men – Ersparnisse, Wohneigentum usw. – landen
weit abgeschlagen dahinter.
Tatsächlich bietet die kollektive betriebliche Vorsorge
einige Vorteile. Die Frage „muss das Ersparte bis
zu meinem 70. oder 90. Geburtstag reichen?“ lässt
sich für den Einzelnen nicht gut beantworten. Für
eine große Anzahl von Menschen lassen sich Lebens­
erwartung sowie Invalidisierungs- und Todesfallrisiko
hingegen hinreichend verlässlich einschätzen und
Rentenzahlungen gut planen. Bündeln Arbeitgeber die
Nachfrage nach Altersvorsorgemöglichkeiten, profitie­
ren die Mitarbeiter von Skaleneffekten und günstigen
Konditionen – sie erhalten dann mehr Rente für den
gleichen Beitrag. Schließlich ist nur im Rahmen der
bAV die steuerlich günstige Vorsorge aus dem BruttoEntgelt möglich.
Die Fakten sprechen also für die bAV ...
Nicht nur die finanzwirtschaftlichen Fakten –
Altersvorsorge hat auch etwas mit Vertrauen zu
tun. Bei privaten Vorsorgeprodukten besteht ein
Interessenskonflikt: Aus den Vorsorgebeiträgen
müssen sowohl die (durchaus legitimen) Gewinn­
interessen der Produktanbieter als auch möglichst
hohe Renten für die Sparer finanziert werden. Bei
betrieblichen Pensionsplänen ziehen beide Seiten
am selben Strang. Unternehmen bieten gute Pensi­
onspläne an, um damit qualifizierte Mitarbeiter zu
gewinnen und im Unternehmen zu halten. Mitarbei­
ter wollen gute Pensionspläne, damit sie im Alter
finanziell gut versorgt sind.
Daher ist es verständlich, dass Mitarbeiter bei der
Altersvorsorge eher ihrem Arbeitgeber vertrauen.
Die Umfragewerte bestätigen das: Drei Viertel der
Mitarbeiter erwarten, dass ihr Arbeitgeber einen
Pensionsplan bereitstellt. Ebenso viele sind bereit,
zumindest in einem gewissen Umfang Eigenbeiträge
einzubringen. Das sind gute Voraussetzungen für die
bAV. Eine Altersvorsorgelösung, die von allen Betei­
ligten befürwortet wird, hat gute Chancen, sich auch
langfristig durchzusetzen.
Dr. Thomas Jasper leitet die bAV-Beratung bei
Towers Watson Deutschland. Er verfügt über umfas­
sende Beratungserfahrung zu Finanzierungsstrate­
gien, kapitalmarktorientierten Versorgungsmodellen
sowie der Gestaltung von Pensionsplänen. Darüber
hinaus hat er eine breit gefächerte Erfahrung in der
Betreuung von Mittelständlern und internationalen
Großunternehmen.
Benefits! 9
Im Fokus
Altersvorsorge in Deutschland
Reformbedarf für die zweite Säule
Gastbeitrag von Nikolaus Schmidt-Narischkin, Dr. Reiner Schwinger und Carsten Velten
Das Drei-Säulen-System als Modell ist grundsätzlich sinnvoll. Jedoch gilt es, viele Ungereimtheiten,
insbesondere im Bereich der bAV, zu beseitigen, um das Altersversorgungsniveau in Deutschland
zumindest auf den OECD-Durchschnitt zu heben.
Seit langem wurde in Deutschland nicht mehr so
intensiv über eine vermeintlich notwendige Rentenre­
form diskutiert. Die Vielstimmigkeit der Debatte im
Wahlkampf verwundert kaum. Im Kern der Debatte
scheinen sich die Parteien durchaus einig zu sein:
Mit dem AVmG 2001 habe man Großes geleistet.
Kaum Differenzen zeigen sich auch beim Blick nach
vorn: Es gilt, Altersarmut zu vermeiden und Leistun­
gen bei der Erwerbsminderung zu verbessern. Wäh­
rend bei Mindestniveau und Erwerbsminderung die
grundsätzlichen Bestrebungen der großen Parteien
in die gleiche Richtung zeigen, so gehen die Meinun­
gen zum Reformbedarf bei der betrieblichen und
privaten Versorgung jedoch deutlich auseinander.
Welcher Reformbedarf besteht?
Das umlagefinanzierte System der gesetzlichen Ren­
tenversicherung als solide erste Säule der Altersvor­
sorge in Deutschland bietet (neben seinen Vorteilen)
den großen Nachteil, auf die bekannten demografi­
schen Veränderungen vorrangig mit Umverteilungs­
maßnahmen reagieren zu können. Diesem Problem
wurde 2001 politisch begegnet, indem ein Mischsys­
tem aus öffentlicher Umlage und betrieblicher oder
privater Kapitaldeckung geschaffen wurde.
Aktuelle politische Forderungen (z. B. der „Linken“)
zur Rückkehr zur gesetzlichen Rente als einzig tra­
gender Säule der Alterssicherung und zur Rente mit
65 Jahren negieren, dass die „Staatsrente“ weder
risikoärmer noch renditestabiler und damit auch
nicht „gerechter“ als heute bekannte kapitalge­
deckte Systeme ist. Die Rendite in einem Umlage­
system, die sich implizit aus der Wachstumsrate
der beitragspflichtigen Einkommenssumme ergibt,
kann nur bei größeren Lohnsteigerungs- und Gebur­
tenraten sowie geringer Arbeitslosigkeit hoch sein.
Die gute aktuelle Beschäftigungslage verdeckt,
dass es mit der Entwicklung der anderen beiden
Faktoren nicht weit her ist. Daran wird sich auch
auf absehbare Zeit nichts ändern.
Nun kommt die jüngste Kritik an kapitalgedeckten
Systemen nicht von ungefähr. Sie entzündete sich
vor allem an der Riester-Rente und damit der priva­
ten Altersvorsorge. Ihren Anbietern werden irrefüh­
rende Angebotsunterlagen, hohe, z. T. verschleierte
Kosten, ein allein provisionsgetriebener Vertrieb
und eine systematische Benachteiligung gerade von
Geringverdienern bei der Weitergabe von Überschüs­
10 towerswatson.de
sen vorgeworfen. Katalysator des Proteststurms ist
die aktuelle Zinssituation. Kunden können mit Kos­
ten leben, wenn die Rendite stimmt – dies tut sie
aber immer weniger. Über eine Umkehr der 2001
eingeleiteten Reformen nachzudenken und Mittel
der Kapitaldeckung aufgrund der Staatsschulden­
krise wieder in die Umlage umzuleiten, wäre den­
noch absurd. Man würde „alle Eier in einen Korb
legen“, auf dem bereits „der Kuckuck klebt“.
Bessere Gewichtung innerhalb des DreiSäulen-Systems
Wenn es bei der Frage nach Reformbedarf also nicht
um einen Paradigmenwechsel bei dem Drei-SäulenSystem gehen kann, dann bleibt die Herausforderung
einer besseren Gewichtung innerhalb des Systems
bzw. der Verbesserung der Detailausgestaltung.
Im Vergleich der 34 OECD-Länder liegt Deutschland
bei der Nettoersatzquote abgeschlagen auf Platz
25. Der deutsche Eckrentner erhält rund 58 Prozent
seines letzten Nettoverdienstes als Rente, der
OECD-Durchschnitt 72 Prozent. An der gesetzlichen
Rentenversicherung liegt es nicht: Hier schneidet
Deutschland durchschnittlich ab. Ließe sich die
betriebliche und private Vorsorge für Deutschland
hinzuzählen, wäre ein Platz im Mittelfeld gesichert.
Jedoch ist hierfür der in der OECD-Systematik gefor­
derte Mindestverbreitungsgrad nicht gegeben. Hier
liegt des Pudels Kern: Es reicht nicht aus, über zwei
oder drei Prozentpunkte mehr im Leistungsniveau
der gesetzlichen Rente zu debattieren. Eine nachhal­
tige Verbesserung lässt sich nur durch eine deut­
liche Verbreiterung der betrieblichen und privaten
Altersvorsorge erreichen – eine Situation also, in der
acht von zehn Bundesbürgern privat oder betrieblich
Vorsorge betreiben.
Rentenniveau auf OECD-Durchschnitt heben
Noch einmal: Es liegt nicht an einem Erkenntnisde­
fizit der Politik (besagte Linke vielleicht ausgenom­
men). Welche konkreten Ansätze müssen verfolgt
werden, um gerade bei der betrieblichen Altersver­
sorgung (bAV) einen Verbreitungsgrad zu realisieren,
der dazu beiträgt, das Rentenniveau wenigstens auf
den Durchschnitt der OECD-Länder zu heben?
Betriebliche Altersvorsorge fällt nun einmal nicht
vom Himmel, sondern muss gewollt werden – und
zwar von allen Stakeholdern: Arbeitnehmern, Arbeit­
gebern und Staat. Hierzu fehlt bis dato das taugliche
halbwegs konsistente Politikmodell, das eine selbst­
verständliche Beteiligung für eine bAV in adäquater
Höhe sicherstellen würde. In der Sozialwissenschaft
hat sich für die Teilhabe an nahezu allen funktio­
nalen Teilsystemen (Luhmann) der Gesellschaft
der Begriff der Inklusion als zentrales Paradigma
durchgesetzt. Warum nehmen wir nicht dieses und
entwickeln vielseitige, aber durchgreifende Betei­
ligungsmodelle genau daran? Hier bestehen noch
beträchtliche Potenziale zur Weiterentwicklung und
Fokussierung der Debatte, bevor es zu spät ist.
Um mit einer Illusion aufzuräumen: BAV kostet Geld
– auch den Fiskus. Wenn wir nicht bereit sind, eine
Steuer- und Sozialabgabensystematik bereitzustel­
len, die Vorsorgesparen effizient fördert, und dafür
temporäre Belastungen der Haushalte in Kauf zu
nehmen, werden wir die angestrebten Verbreitungsund Durchdringungsgrade nicht erreichen. Für den
Staat würde ein solches Versäumnis zum Bume­
rang, sobald die Zuschüsse zur gesetzlichen Rente
oder zu den Sozialsystemen explodieren. Aber neh­
men wir an, die Politik sei verständig – was muss
sie tun, um bei den beiden anderen Stakeholdern
die Bereitschaft zum Mitmachen zu erhöhen?
Sozialstaat als Vorsorgehemmnis
Schauen wir zuerst auf die Arbeitnehmer. Zwar
haben auch junge Arbeitnehmer erkannt, welche
Bedeutung eine stabile bAV für sie hätte – auch
um den Preis eines temporären Konsumverzichts.
Jedoch besteht ein tiefes Misstrauen: Ist sicher­
gestellt, dass Angespartes im Alter tatsächlich zur
Verfügung steht und dass sich damit auskommen
lässt? Dass derjenige, der spart, im Alter mehr hat,
als derjenige, der nicht vorsorgt? Unser derzeitiges
Sozialsystem ist ein real existierendes Vorsorge­
hemmnis. Zudem passen die Restriktionen der bAV,
z. B. ihre fehlende Vererbbarkeit, nicht zur Lebens­
wirklichkeit der heute jungen Generation. Schließlich
„verschlimmbessert“ die Politik die Situation: Mit
Ideen wie Wohnriester oder der Zuschussrente
werden ehemals streng getrennte Systeme bis zur
Unkenntlichkeit vermengt. Jedoch zeigt die Verhaltens­
ökonomie, dass Intransparenz verbunden mit Wahl­
freiheit langfristig zu Teilnahmeverweigerung führt.
Diese Defizite mögen ein Grund dafür sein, wes­
halb sich Gewerkschaften zurückhalten. Ein Fehler,
wie wir meinen: In anderen Ländern ist die bAV ein
Kernthema der Arbeitnehmervertretungen. Mit unse­
rem Instrumentarium aus Betriebsvereinbarungen
und Tarifverträgen bestünde die Möglichkeit, die
Versorgungslandschaft nachhaltig zum Vorteil der
Arbeitnehmer zu gestalten.
Haftungsrisiken für Arbeitgeber
nen werden. Auf sie wartet der schwer kalkulierbare
Aufwand, der vor allem der deutschen Pensionszu­
sage inhärent ist: dauerhaft für die Erfüllung gege­
bener Zusagen einstehen zu müssen, ohne
•• zwingend und dauerhaft gewährleisten zu können,
dass Verpflichtungsumfang und Versorgungskapi­
talien korrespondieren,
•• sich durch individuelle Abstandszahlungen oder
Verkauf einer Verpflichtung entledigen zu können.
Mit dieser deutschen Besonderheit können große
Unternehmen gut umgehen. Die im ständigen Wan­
del befindlichen KMU und Start-ups aber kämpfen
damit. Ein Blick zu europäischen Nachbarn zeigt
praktikable Möglichkeiten der Enthaftung, von denen
manche des Nachdenkens seitens der hiesigen
Industrie und Gesetzgebung allemal wert sind.
Hinzu kommen aktuell regulatorische Risiken:
Über eine Neufassung der Pensionsfondsricht­
linie sollen, völlig sachfremd, Grundsätze des
Verbraucherschutzes für breit gehandelte Finanz­
produkte auf die bAV und damit das Arbeitsrecht
übertragen werden. Schließlich sind da noch die
handwerklichen Fehler einer kurzsichtigen Ad-hocGesetzgebung, die Arbeitgebern die Durchführung
der bAV unangemessen schwer machen: sei es die
Inkaufnahme einer Kollision des Entgeltumwand­
lungsanspruchs mit den Höchstgrenzen des § 3.63
Einkommensteuergesetz (EStG), die Doppelverbei­
tragung in der Sozialversicherung oder die fehlende
Durchlässigkeit der Durchführungswege.
Zuerst systemimmanente Hindernisse abbauen
Nun ist es nicht so, dass Erschwernisse, mit denen
die Arbeitgeber zu kämpfen haben, nur unter großen
Mühen und mit Einnahmeausfällen für den Fiskus
bereinigt werden könnten. Nein, für die Behebung der
Mehrzahl der aufgeführten Moniten gibt es bereits
Vorschläge – aufkommensneutral. Eine durchdachte,
gut umgesetzte Bereinigung würde dazu führen, dass
Interesse, Durchdringung, Beiträge und schließlich
auch Rentenniveaus steigen. Die bAV ist für Arbeitge­
ber nicht nur ein Vergütungsbestandteil unter vielen,
sondern ein wertvolles personalpolitisches Instrument.
Selbstverständlich ließe sich auch der anscheinend
einfache Weg der Verordnung der bAV beschreiten
– durch ein System des Opting-out (wie die SPD vor­
schlägt) oder – schlimmer noch – durch ein Obligato­
rium. Damit käme man schnell auf die gewünschten
Verbreitungs- und Durchdringungsgrade. Allerdings
haben sich Systeme, die gegen das Interesse der
Menschen und betriebswirtschaftliche Realitäten
eingesetzt werden, langfristig noch nie durchgesetzt.
Deshalb muss der erste Schritt sein, systemimma­
nente Hindernisse abzubauen.
Studien zeigen, dass davon auch die Arbeitgeber
profitieren würden. Doch auch sie müssen gewon­
Benefits! 11
Im Fokus
Nikolaus Schmidt-Narischkin
Fazit
Nikolaus Schmidt-Narischkin ist Managing Director
Deutsche Asset & Wealth Management
Brauchen wir also die ultimative Renten­
reform? Wir meinen: nein. Vieles wurde in
der Vergangenheit richtig angefangen, aber
nicht zu Ende gebracht. Es hängt am Detail:
der Kompatibilität unterschiedlicher Durch­
führungs- und Ausfinanzierungswege, ihrer
steuerrechtlichen Begleitung und sozialversi­
cherungsrechtlichen Untermauerung. Das ver­
langt Fleißarbeit und den Einsatz von Mitteln
dort, wo es sich wirklich lohnt. Kein Spitzenge­
spräch, sondern Arbeitstreffen unter Experten
mit dem Mandat, vernetzt und rechtsbereichs­
übergreifend zu arbeiten. Und zwar, bis weißer
Rauch aufsteigt. Wo ein Wille ist, ist ein Weg,
heißt es. Wege sind da.
Dr. Reiner Schwinger
Dr. Reiner Schwinger ist Managing Director von
Towers Watson Deutschland
Carsten Velten
Carsten Velten ist Leiter der Abteilung Pensions der
Deutschen Telekom AG
Mit besseren Rahmenbedingungen einen
weiteren Ausbau erreichen
Grundsatzposition der BDA zur bAV
Gastbeitrag von Florian Swyter, BDA
Die BDA hat in den letzten Monaten, gemeinsam mit ihren Mitgliedsverbänden und den angeschlossenen
Unternehmen, ihre Grundsatzposition zur bAV überarbeitet, aktualisiert und erweitert.
Das absehbare Ende dieser Legislaturperiode und
die anstehende Bundestagswahl sind auch für
die Arbeitgeber eine gute Gelegenheit, ihre Grund­
satzposition zur betrieblichen Altersvorsorge (bAV)
zu überprüfen und ggf. weiterzuentwickeln. Dass
sich die deutschen Arbeitgeber immer wieder mit
den Rahmenbedingungen der bAV befassen, hat
gute Gründe.
Die demografische Entwicklung erfordert eine
Gewichtsverschiebung von der umlagefinanzierten
zur kapitalgedeckten Vorsorge. Die umlagefinan­
zierte Alterssicherung wird den Lebensstandard
der Versicherten nicht allein gewährleisten können.
Vielmehr bedarf es einer leistungsfähigen zusätz­
lichen kapitalgedeckten Vorsorge, die aufgrund
12 towerswatson.de
ihrer flexibleren grenzüberschreitenden Investitions­
möglichkeiten unabhängiger von der inländischen
demografischen Entwicklung ist.
Dies gilt trotz des schwieriger gewordenen Kapital­
marktumfelds für Versorgungswerke und Versiche­
rungen. Allerdings zwingt das Niedrigzinsumfeld
noch mehr zu Kosteneffizienz, denn hohe Verwal­
tungskosten lassen sich kaum noch durch höhere
Kapitalerträge „verstecken“. Gerade hier kommt
die besondere Stärke der bAV zum Tragen. Aufgrund
ihrer kollektiven Struktur kann sie mit einer beson­
ders günstigen Kostenstruktur punkten. Schließlich
haben die Tarifparteien in den letzten zehn Jahren
gerade für die Entgeltumwandlung günstige Bedin­
gungen und in vielen Branchen leistungsfähige
Versorgungswerke geschaffen. Mit Erfolg: Seit zehn
Jahren hat die Zahl der sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten mit Betriebsrentenanspruch deutlich
von rund 14 auf über 17 Mio. zugenommen.
Vereinfachung statt Komplexitätssteigerung
Die Weichen sind also richtig gestellt, aber das Ziel
ist noch nicht erreicht. Welche Schlussfolgerungen
zieht die BDA nun? Welche Vorschläge unterbreitet
sie der Politik für die nächste Legislaturperiode?
Zunächst: Die bAV hat noch Steigerungspotenzial.
Um dieses auszuschöpfen, müssen erst einmal
Erschwernisse für die bAV ausgeräumt werden. In
den vergangenen Jahren war dies nicht immer der
Fall. Zuletzt haben zahlreiche gesetzliche Änderun­
gen die Komplexität der bAV gesteigert, Kosten ver­
ursacht und Ressourcen der Unternehmen gebun­
den, z. B. das neue Versorgungsausgleichsrecht, die
Bilanzrechtsreform, Änderungen der Finanzmarktauf­
sicht sowie steuerliche Belastungen. Nennenswerte
Vereinfachungen oder bürokratische Entlastungen
der bAV waren hingegen nicht zu verzeichnen.
Dennoch stehen die Chancen gut, dass noch mehr
Arbeitgeber ermutigt werden, sich in der bAV zu
engagieren, wenn wichtige Stellschrauben nach­
justiert werden. Dazu bedarf es nicht einmal einer
grundsätzlichen Neukonzeption der gesetzlichen
Rahmenbedingungen. Vielmehr kann die bAV durch
konkrete Maßnahmen im Steuer- und Sozialrecht
sowie im Aufsichts-, Arbeits- und Versorgungsaus­
gleichsrecht von bürokratischem Aufwand effektiv
entlastet und damit ihre kostengünstigen Struktu­
ren erhalten werden. Jeder Euro, den die Betriebe
für die Verwaltung ihrer Pensionspläne verwenden
müssen, geht an Alters- und Risikoabsicherung für
die Beschäftigten verloren.
Die Vermeidung neuer und der Abbau bestehen­
der Regulierung ist auch wichtig, um die kleineren
und mittleren Unternehmen stärker für die bAV zu
gewinnen. Gerade hier können einfachere, unbü­
rokratischere Regelungen zu einem zusätzlichen
Wachstum beitragen. Eine wichtige Voraussetzung
für die Nutzung und weitere Verbreitung der bAV sind
vor allem attraktive steuerliche Rahmenbedingun­
gen. Dabei geht es nicht um eine Subventionierung,
sondern darum, die bAV gegenüber anderen Vorsor­
geformen nicht zu benachteiligen und nicht mehrfach
– in der Aufwands-, Anspar- und Leistungsphase – mit
Steuern und Beiträgen zu belasten. Zudem gilt es,
neue steuerliche Belastungen – wie z. B. durch eine
Finanztransaktionssteuer – und steuerliche Hemm­
nisse zu vermeiden, die der effizienten Administration
von betrieblichen Vorsorgeplänen entgegenstehen.
Ferner dürfen für Einrichtungen der bAV (EbAV) nicht
die gleichen aufsichtsrechtlichen Regelungen gelten
wie für Lebensversicherungsunternehmen. Vielmehr
muss auf nationaler und europäischer Ebene den
Besonderheiten der bAV deutlich mehr Rechnung
getragen werden. Leistungsfähige EbAV können bei
Gewährleistung der notwendigen Rahmenbedingun­
gen eine Schlüsselrolle bei der weiteren Verbreitung
der bAV und ihrer effizienten Ausgestaltung spielen.
Daher sind aufsichtsrechtliche Mindestbedingungen
notwendig, die das Primat der arbeits- bzw. tarifver­
traglichen Vereinbarungen beachten und hinrei­
chende Flexibilität gewährleisten.
Kein Obligatorium
Falsch wäre hingegen, den weiteren Ausbau der
bAV durch staatliche Zwangslösungen erreichen zu
wollen. Die bAV ist kein reiner Sparvorgang, der mit
der Zahlung eines Beitrags abgeschlossen ist. Sie
bedeutet eine meist jahrzehntelange – aufgrund
sich verändernder gesetzlicher Rahmenbedingun­
gen auf internationaler und nationaler Ebene sowie
Rechtsprechung –, nur bedingt kalkulierbare Haftung
des Arbeitgebers für die gegebene Pensionszusage.
Dies kann einem Arbeitgeber nicht aufgezwungen
werden. Zudem muss die bAV immer aus der im
Betrieb erwirtschafteten Wertschöpfung finanziert
werden. Insofern können – wie bei sonstiger Vergü­
tung auch – nur die Arbeits- bzw. Tarifvertragspar­
teien entscheiden, inwieweit die Finanzierung der
bAV durch den Arbeitgeber möglich ist. Schließlich
wäre jede Form eines gesetzlichen Obligatoriums
– auch in Form einer automatischen Entgeltumwand­
lung – immer mit Bürokratielasten und steigenden
Haftungspflichten verbunden.
Fazit
Die Entwicklung der bAV in der letzten
Dekade hat gezeigt, dass mit geeigneten
Rahmenbedingungen auch auf freiwilliger
Grundlage eine weitere Verbreitung der
ergänzenden Altersvorsorge erreicht werden
kann. Bei weiteren Verbesserungen wird
diese positive Entwicklung anhalten. Zwar
werden sich weitere Fortschritte nicht „über
Nacht“ erreichen lassen, dafür ist der dann
erreichte Fortschritt aber umso nachhaltiger.
Florian Swyter
Rechtsanwalt Florian Swyter
ist Referent für betriebliche
Altersvorsorge im Bereich
Soziale Sicherung bei der
Bundesvereinigung der Arbeit­
geberverbände (BDA).
Benefits! 13
Praxis Benefits
„Die
„
Frage, inwieweit sich eine Versicherungslösung lohnt,
wird wegen der Komplexität des Themas und aufgrund
­fehlender Marktinformationen häufig nur unvollständig
und daher missverständlich beantwortet.“
Zeitwertkonten – Markttrend zur
Arbeitszeitflexibilisierung
Paradigmenwechsel / Demografischen Wandel gestalten
Im Rahmen der Demografiestrategie der Bundesregierung wird u. a. diskutiert, wie in Zukunft Mitarbeiter motiviert, qualifiziert und gesund bis zum Rentenalter arbeiten können. Hier nehmen auch Zeitwertkonten eine zentrale Rolle ein.
Die aktuelle politische Debatte
Was Mitarbeiter schätzen
Wertguthaben können unter bestimmten Vorausset­
zungen Beschäftigten und Betrieben mehr Flexibili­
tät bei der Arbeitszeitorganisation geben und z. B.
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstüt­
zen. Als Lebensarbeitszeitkonten können sie dazu
beitragen, den Übergang aus dem Erwerbsleben in
den Ruhestand den Bedürfnissen von Betrieben
und Arbeitnehmern anzupassen. Einig sind sich die
politischen Diskussionspartner darüber, dass Wert­
guthaben nur dann genutzt werden können, wenn
Beschäftigte Guthaben in nennenswertem Umfang
aufbauen können. Die Rahmenbedingungen hierfür
müssen so unbürokratisch und flexibel wie möglich
sein, ohne die Sicherheit der angesparten Werte
zu gefährden. Was führt zu diesen Erkenntnissen?
Entspricht die Demografiestrategie den personalpo­
litischen Marktbedürfnissen?
Der aktuelle politische Diskussionsstand trifft durch­
aus die Wünsche von Mitarbeitern zu (Lebens-)
Arbeitszeitflexibilisierung. Arbeitszeitkonten, die
u. a. eine Flexibilisierung der Arbeitszeit ermög­
lichen, sind eines der beliebtesten Benefits, wie
eine Umfrage von Towers Watson im Dezember
2012 unter rund 1.000 Mitarbeitern zeigt (siehe
Abb. 1). Auch die Global Workforce Study von
Towers Watson (Juli 2012) bestätigt die Bedeutung
von flexiblen Arbeitszeitmodellen für Mitarbeiter.
Die (Lebens-)Arbeitszeitflexiblisierung nimmt damit
im aktuellen Umfeld eine zunehmend bedeutsame
Rolle ein.
14 towerswatson.de
Abb. 1: Die beliebtesten Benefits aus Mitarbeitersicht
(Angaben in Prozent)
Betriebliche Altersversorgung als
arbeitgeberfinanzierte Sozialleistung
68
Krankenzusatzversicherung als
arbeitgeberfinanzierte Sozialleistung
53
Arbeitszeitkonto
46
Arbeitgeberfinanzierte
Unfallversicherung
46
Gutscheine, z. B. Tankgutscheine,
Essensmarken etc.
37
Dienstwagen
22
0 1020 30405060 70
Paradigmenwechsel zur flexiblen Lebens­
arbeitszeitgestaltung
Zeitwertkonten als Instrument zur Gestaltung des Wandels
Das klassische Karrieremodell war eher von einem
Vollzeiteinstieg in die Arbeitswelt sowie einer konti­
nuierlichen Weiterführung der maximalen Arbeitszeit
bis zum Ruhestand geprägt. Hingegen ist künftig mit
einer tendenziell zunehmenden Abkehr von diesen
starren Erwerbsbiographien zu rechnen. Die Gründe
hierfür sind vielfältig:
Zeitwertkonten als spezielle Form der Arbeitszeit­
konten bieten den Vorteil, dass Mitarbeiter auch
bei längeren Freistellungen (mehr als drei Monate)
weiterhin in den gesetzlichen Sicherungssystemen
versichert bleiben (sozialversicherungsrechtliche
Beschäftigungsfiktion). Dadurch wird gewährleistet,
dass Versorgungsanwartschaften in der gesetzli­
chen Rentenversicherung nicht beitragszeitbedingt
reduziert und der gesetzliche Krankenversiche­
rungsschutz nicht negativ berührt werden.
•• Insbesondere bei der sogenannten Generation Y
(der zwischen 1980 und 2000 geborenen Mitar­
beiter-Generation) stehen Werte wie Freizeit und
Selbstverwirklichung im Vordergrund. Neben die
klassische Karriere im Unternehmen treten weitere
Präferenzen wie Sabbaticals, längere Erziehungs­
zeiten sowie eine ausgewogene Work-Life-Balance.
•• Mitarbeiter zwischen 45 und 60 Jahren können in
„Sandwichpositionen“ geraten, in denen sie sich
gleichzeitig um die Erziehung ihrer Kinder und die
Pflege ihrer Eltern kümmern müssen. In dieser
Konstellation kann eine längere Auszeit aus dem
Arbeitsleben erforderlich werden.
•• Der demografische Wandel wird in den nächsten
Jahren und Jahrzehnten zu einer zunehmenden
Knappheit qualifizierter Mitarbeiter im Unterneh­
men führen. Daher sollten für Wissensträger
Arbeitsbedingungen geschaffen werden, die einen
langfristigen Verbleib im Unternehmen bis zur
Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversi­
cherung ermöglichen. Hierzu können Teilfreistellun­
gen aus Zeitwertkonten beitragen. Sie ermöglichen
es, eine Reduzierung der Arbeitszeit in der Phase
vor dem Ruhestand durch Verbrauch des angesam­
melten Wertguthabens finanziell zu kompensieren.
Ungewollter kurzfristiger Know-how-Verlust kann so
vermieden werden.
Neben einer längerfristigen Freistellung kann
das Modell auch für die bereits genannten, ggf.
vergleichsweise kurzfristigen Verwendungen – wie
z. B. Sabbaticals – eingesetzt werden. Das klas­
sische Einsatzgebiet der Modelle ist weiterhin die
vollumfängliche oder anteilige Freistellung unmit­
telbar vor dem Ruhestand.
Finanzierung von Zeitwertkonten: vielfältige
Einbringungsmöglichkeiten
Zeitwertkonten können entweder durch Einbringung
von Zeit (Überstunden, Resturlaub, Überführung von
betrieblichen Gleitzeit- und Urlaubskonten) oder von
Vergütungsbestandteilen (z. B. Teile des Gehalts,
Sonderzahlungen) dotiert werden. Dabei sind arbeit­
nehmer-, arbeitgeber- oder mischfinanzierte Modelle
möglich. Durch die langfristige Vorausfinanzierung
und die gesetzlich vorgeschriebene Insolvenzsiche­
rung ist gewährleistet, dass ausreichend Mittel vom
Unternehmen angesammelt werden, so dass im
Leistungsfall keine ungeplante finanzielle Belastung
für eine der beiden Seiten entsteht. Welche finanz­
wirtschaftlichen Vorteile Zeitwertkontenmodelle
(im Vergleich zu alternativen Übergangsmodellen in
den Ruhestand) für Unternehmen bieten, zeigt die
nächste Ausgabe von Benefits!.
Benefits! 15
Praxis Benefits
Muster-Rubrik
Tabelle 1: Personal- und finanzwirtschaftlichen Aspekte von Zeitwertkonten
Arbeitgeber
•• Moderne Arbeitszeitgestaltung
•• Planmäßige Vorausfinanzierung
•• Flexible Benefits
•• Steuerliche Rückstellungsbildung
•• Strategische Personalsteuerung
•• Vorteile durch Mitarbeiterbeteiligung
Personal
•• Individuelle Lebensarbeitszeitplanung
•• Lohnsteuerfreie Einbringung
•• Finanzierung des Vorruhestands
•• Beitragsfreiheit der Beiträge
•• Flexible, kurzfristige Freistellung
•• Insolvenzsicherung
•• Überführung anderer Zeitkonten
•• Beschäftigungsfiktion in der
Freistellungsphase
Finanzen
•• Attraktivität als Arbeitgeber erhöhen
Arbeitnehmer
Fazit
Beratung durch Towers Watson
Aus Sicht der Mitarbeiter stellen Zweitwert­
konten ein ideales Instrument zur eigenver­
antwortlichen, individuellen Gestaltung der
Lebensarbeitszeit dar. Unternehmen bieten
sie die Chance, gut auf Mitarbeiterbedürf­
nisse zu reagieren und dadurch die Mitarbei­
terbindung und den Erhalt von Know-how im
Unternehmen zu unterstützen.
Towers Watson unterstützt Unternehmen
bei der Erarbeitung und Implementierung
von Zeitwertkonten, die sorgsam auf die
jeweiligen Erfordernisse des Unterneh­
mens zugeschnitten sind. Die Bandbreite
reicht von der Standardlösung bis zu einer
in die Gesamtvergütung integrierten indivi­
duellen Systemgestaltung.
Markus Stein
markus.stein@towerswatson.com
Telefon: +49 89 51657-4618
16 towerswatson.de
Lohnt sich eine Versicherungslösung noch?
Prüfpunkte bei einer externen Finanzierung der bAV über
Lebensversicherungen
Deutsche Lebensversicherer bieten unter Risikogesichtspunkten seit Jahren eine über dem Kapitalmarkt
liegende, sichere Gesamtverzinsung. Sie gewährleisten dabei eine Balance zwischen Chance und Garantie.
Allerdings wachsen die Unterschiede zwischen den Angeboten im Markt, so dass die Bedeutung einer
sorgfältigen Anbieterauswahl zunimmt.
Sollen betriebliche Versorgungssysteme extern finan­
ziert werden, sind Lebensversicherungen i. d. R. eine
der betrachteten Optionen. Angesichts des anhalten­
den Niedrigzinsniveaus am Kapitalmarkt wird jedoch
derzeit diskutiert, welche Auswirkungen dies auf
Lebensversicherer hat. Tatsächlich machen einzel­
nen Versicherern die Zinsgarantien für Verträge aus
dem Altbestand (diese liegen je nach Versicherungs­
beginn bei bis zu vier Prozent) zu schaffen. Diese
Garantien müssen teilweise mit Reserveauffüllungen
bedient werden (sog. Zinszusatzreserve), welche die
Überschussdeklaration auch für Neuverträge belas­
ten. Jedoch ist an dieser Stelle auch die Duration
der Kapitalanlagen im Bestand des Versicherers zu
berücksichtigen: Je länger die Duration ist, desto
mehr zeitlichen Spielraum hat der Versicherer, die
derzeitigen Zinsversprechen zu erfüllen.
Im Gefolge dieser Diskussion wird nun verstärkt
hinterfragt, inwieweit sich eine Versicherungslösung
lohnt. Diese Frage wird in der Praxis – wegen der
Komplexität des Themas und aufgrund fehlender
Marktinformationen – jedoch häufig nur unvollstän­
dig und daher missverständlich beantwortet.
Abb. 1: Qualität der Gesamtverzinsung
Einflussfaktoren
Sicherheitsgrad
Bewertungsreserve
•• Höhe der Bewertungs­ •• Geringer
Sicherheitsgrad
reserven
•• Kapitalanlagestruktur •• Sehr volatil
•• Aktuelle Versicherten­
struktur
Schlussgewinn
•• Finanzkraft
•• Langfristige Perfor­
mance
•• Geringer bis mittlerer
Sicherheitsgrad
Laufender Überschuss
•• Nachhaltiger Kapital­
anlageerfolg
•• Kosten /Vertrieb
•• Versichertenstruktur
•• Mittlerer bis hocher
Sicherheitsgrad
•• Jährliche unwiderruf­
liche Gutschrift
•• Höchststandsgarantie
Garantiezins
•• Tarifkalkulation
•• Kostenstruktur
•• Höchster
Sicherheitsgrad
•• Festlegung bei Ver­
tragsbeginn bis zum
Ablauf
Entscheidungsgrößen: Nicht nur Garantierente
Bei der Analyse von Lebensversicherungen (Basis:
klassische Rentenversicherung) werden oftmals nur
die Zahlenwerte für sog. Eckalterberechnungen
(z. B. für die Alter 30, 40 und 50) für vorgegebene
Tarifgestaltungen betrachtet. Jedoch sollten neben
den garantierten und voraussichtlichen (hochge­
rechneten) Versicherungsleistungen auch Rück­
kaufswerte, Kosten- und Risikobeiträge einbezogen
werden. Darüber hinaus sollten die unverbindlichen
Hochrechnungen mit ausgewählten Bilanzkenn­
zahlen (zur Überprüfung der „Werthaltigkeit“ der
Berechnungen) abgeglichen werden.
Je nach Finanzierungsvolumen und Umfang der
Risikoabsicherung unterscheiden sich die Tarifkal­
kulationen eines Lebensversicherers erheblich.
Mit alternativen Kapitalanlagen, die gerade keine
(garantierte) Risikoabsicherung bieten, lassen sie
sich nur näherungsweise vergleichen. Hierfür wird
der Sparbeitrag (also den Teil der Versicherungsprä­
mie, welcher der Finanzierung der späteren Alters­
versorgungsleistung dient) herangezogen.
Grundsätzlich gilt:
•• Lebensversicherer kalkulieren (bezogen auf den
Sparbeitrag) die Versicherungsleistungen derzeit
auf Basis eines Garantiezinses von 1,75 Prozent
p. a. (zulässiger Höchstrechnungszins gemäß
Deckungsrückstellungsverordnung). Dabei werden
neuerdings übrigens auch in der betrieblichen
Altersversorgung (bAV) nahezu ausschließlich
Unisex-Tarife zugrunde gelegt.
•• Diese Garantieleistung erhöht sich von Jahr zu
Jahr um laufende Überschüsse (sog. laufende
Verzinsung).
•• Neben der Gewährung sog. Schlussüberschuss­
anteile, die bei Endfälligkeit des Vertrages eine
zunehmende Rolle spielen, ist auch
•• die 50-prozentige Beteiligung an den vom Versiche­
rer gebildeten Bewertungsreserven als Kennziffer
bei der Ermittlung von erwarteten Beitragsrenditen
relevant.
Benefits! 17
Praxis Benefits
Aufgrund des niedrigen Zinsniveaus bei festverzins­
lichen Anlagen sind die Bewertungsreserven aktuell
teilweise erheblich gestiegen. Einige reservestarke
Versicherer haben mittlerweile mit einer weiteren
Absenkung der laufenden Verzinsung reagiert. Der
Umfang der gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligung
der Versicherungsnehmer an den Bewertungsre­
serven ist nicht zuletzt aufgrund dieser aktuellen
Entwicklungen umstritten und auch auf Gesetzge­
berseite in der Diskussion.
Die zu erwartenden Beitragsrenditen deutscher
Lebensversicherer bei einer klassischen Renten­
versicherung liegen mit ca. 3,66 Prozent für einen
2012 abgeschlossenen Vertrag und 3,37 Prozent
für einen 2013 abgeschlossenen Vertrag deutlich
über der Verzinsung festverzinslicher Bundeswert­
papiere sowie der Inflationsrate (siehe Abb. 2).
Die ausgewiesenen Beitragsrenditen erhöhen sich
außerdem noch um die Schlusszahlungen. Hier­
bei muss natürlich berücksichtigt werden, dass
sich je nach gewähltem Leistungspaket (z. B. bei
Einschluss einer Invaliden- oder Hinterbliebenenren­
tenabsicherung) deutliche Unterschiede in der Bei­
tragsrendite ergeben können (der im Beitrag enthal­
tene Sparbeitrag und der sich daraus aufbauende
Zinsträger dienen maßgeblich zur Finanzierung der
späteren Versorgungsleistungen). Hinzu kommen
etwaige Vertragskosten (z. B. Abschlusskosten für
die Vermittlung und Vertragseinrichtung), die je nach
Versicherungsvolumen und Versicherer unterschied­
lich kalkuliert werden können.
Risikominimierte Anlageform
Sicherlich lassen sich über andere Anlageformen
(Aktien, Direktinvestments, Spezialfonds usw.) auch
höhere Renditen erzielen – allerdings bei höherem
Risiko. Hingegen gilt für Lebensversicherer, dass
einmal getroffene Zusagen konstant bleiben und
nachträglich i. d. R. nicht verändert werden können.
So ist ein Lebensversicherer „lebenslang“ an seine
Tarifkalkulation gebunden. Er legt daher bei der Kal­
kulation sehr vorsichtige Sterbetafeln zugrunde und
übernimmt im Gegenzug für den Kunden das Langle­
bigkeitsrisiko. Bereits erreichte Überschüsse werden
durch (Höchststands-)Garantien fixiert, sobald sie
dem Vertrag (üblicherweise jährlich) zugeteilt werden.
Gerade für die Absicherung außerplanmäßiger
Leistungsfälle (Tod oder Berufsunfähigkeit) bieten
kleine Kollektive (z. B. in kleinen und mittleren
Unternehmen) keinen ausreichenden Risikoaus­
gleich. Bereits der Eintritt eines solchen Leistungs­
falls verdeutlicht die Attraktivität der Absicherung
über einen Lebensversicherer (bei gleichzeitiger
finanzieller Entlastung des Arbeitgebers).
Zu berücksichtigen ist auch, dass die Kapitalanla­
gen eines Lebensversicherers langfristig ausgerich­
tet und breit gestreut sind. Die hohen Anlagevolu­
mina führen i. d. R. zu deutlichen Kostenvorteilen,
die der Versicherer z. T. an die Versicherungsneh­
mer weitergibt.
Abb. 2: Renditen der Lebensversicherung im Vergleich
8,0
7,0
6,0
Prozent
5,0
4,0
3,0
2,0
1,0
0,0
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
Rendite von Bundeswertpapieren mit einer Restlaufzeit von zehn Jahren (Quelle: Bundesbank)
Inflation (Quelle: Statistisches Bundesamt, Prognose 2013: Bundesbank)
Nettoverzinsung der Kapitalanlagen der Lebensversicherer (Quelle: GDV)
Laufende Verzinsung der Lebensversicherer (ohne Schlusszahlungen, Quelle: Assekurata)
Prognostizierte Beitragsrendite einer Rentenversicherung (ohne Schlusszahlungen, Quelle: Assekurata)
18 towerswatson.de
Für die späteren Rentenanpassungsverpflichtungen
auf Arbeitgeberseite (§ 16 Betriebsrentengesetz)
können im Versicherungstarif feste Anpassungs­
größen (z. B. Anpassung von ein Prozent p. a. im
Rentenbezug) als garantierte Anpassung mitversi­
chert werden.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Lebens­
versicherung zwar kein „Allheilmittel“ und auch
nicht für jeden Arbeitgeber der zielführende Finan­
zierungsansatz ist. Sie kann aber insbesondere
•• für kleine bis mittlere Unternehmen,
•• bei wenig homogenen Belegschaften oder
•• bei einzelnen besonders hochwertigen Ver­
sorgungszusagen (z. B. an Geschäftsführer
oder Vorstände)
eine vorteilhafte Lösung sein, um eine risikoarme
Durchführung der Entgeltumwandlung oder die
Minimierung etwaiger Nachschussverpflichtungen
zu erreichen.
Neue Trends
Im Bereich der Lebensversicherung bleibt es –
gerade mit Blick auf die bAV – spannend. Im Produkt­
bereich geht der Trend bei einigen Versicherern weg
von lebenslangen Zinsgarantien. Die Kapitalzusage
wird stärker postuliert. Gleichzeitig nimmt der Fokus
auf die Absicherung biometrischer Risiken zu. Kapi­
talstarke Versicherer werden ihr Anlageinvestment
zunehmend in risiko- und ertragreichere Anlagefor­
men verschieben (bei entsprechend erforderlicher
Hinterlegung von Eigenkapital unter Solvency II).
Langfristig wird die „Marktverdichtung“ weiter zuneh­
men und der Kreis potenzieller Anbieter – der sich im
Bereich der qualifizierten bAV ohnehin nur auf eine
kleinere Anzahl beschränkt – weiter schrumpfen.
Hinweis für die Praxis
Im Markt für Lebensversicherungen bestehen
deutliche Unterschiede bei der Überschuss­
deklaration. Auch die Definition der Zins­
träger (also die Bemessungsgrundlage, mit
welcher das bereits vorhandene Kundengut­
haben verzinst wird) ist nicht einheitlich defi­
niert. Entsprechend weichen die zu erwarten­
den effektiven Beitragsrenditen ggf. von der
(in der Öffentlichkeit) deklarierten Gesamt­
verzinsung ab. Arbeitgeber sollten sich daher
für eine fundierte Finanzierungsentscheidung
einen über reine Tarifberechnungen hinausge­
henden Überblick zu den infrage kommenden
Versicherungsgesellschaften verschaffen.
Beratung durch Towers Watson
Towers Watson unterstützt seine Kunden
bei der Einführung oder Neugestaltung
versicherungsförmiger oder durch Versi­
cherungsprodukte rückgedeckter Versor­
gungslösungen, führt Anbietervergleiche
durch und berät bei öffentlichen Verga­
beverfahren. Nach der Systemeinführung
übernimmt Towers Watson dauerhaft die
laufende Betreuung der abgeschlossenen
Versicherungsverträge.
Dr. Uda Buttig
uda.buttig@towerswatson.com
Telefon: +49 611 794-355
Christopher Schumbert
christopher.schumbert@
towerswatson.com
Telefon: +49 611 794-273
Benefits! 19
Praxis Benefits
Betriebsrente erst
mit 67 Jahren?
Handlungsbedarf und Gestaltungsoptionen in der Praxis
In einer Einzelfallentscheidung vertrat das Bundesarbeitsgericht 2012 die Meinung, dass in
Pensionszusagen „regelmäßig“ auf die jeweilige
Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung abzustellen sei. Wie haben Unternehmen
darauf reagiert? Benefits! sprach mit bAV-Verantwortlichen sowie einer Fachexpertin von Towers
Watson.
Manfred Sauer
GEA Group AG
Wolfgang Kese
Dortmunder Volksbank eG
Nicole Zahnleiter
Towers Watson
Nachgefragt
Manfred Sauer, Leiter betriebliche Altersversorgung,
GEA Group AG, Düsseldorf
Altersgrenze 65, 67 oder eine Zwischenlösung
– wofür hat die GEA Group sich entschieden?
Wir haben diese Frage bereits 2008 wegen des
Inkrafttretens der „Rente mit 67“ geregelt. Bei unse­
ren Altsystemen, die für Neueintritte schon geschlos­
sen waren, wollten wir möglichst wenig ändern und
haben daher das 65. Lebensjahr festgeschrieben.
Ohnehin laufen diese Regelungen aus; sie erfas­
sen nur noch wenige junge Mitarbeiter, die von der
„Rente mit 67“ betroffen sein können. Bei unserer
aktuellen Versorgungsordnung, einem beitragsori­
entierten Bausteinsystem, haben wir nach Eintritts­
datum unterschieden. Für Eintritte bis 31.12.2008
wurde die Altersgrenze 65 weiter festgeschrieben
(VO 2002). Für Neueintritte danach gilt als Alters­
grenze das 67. Lebensjahr (VO 2009).
Wie geht die GEA Group mit Folgefragen um?
Bei der VO 2002 wurde die Faktorentabelle für die
Alter 66 und 67 ergänzt, da wir ggf. auch diese
Dienstjahre berücksichtigen. Eine Doppelzahlung von
Betriebsrente und Versorgungsbeitrag ist aufgrund
der Leistungsvoraussetzung „Ausscheiden aus dem
Unternehmen“ ausgeschlossen. Bei der VO 2009
wurde eine neue Faktorentabelle erstellt, die hin­
sichtlich Verzinsung und Biometrie berücksichtigt,
dass die Altersrente regulär mit 67 abgerufen wird.
Ein früherer Rentenbezug, z. B. für Mitarbeiter, die
ein niedrigeres Endalter in der gesetzlichen Renten­
versicherung haben, ist nach den Bedingungen für
eine vorzeitige Altersrente möglich. Für die Bewer­
tung gab es keine größeren Veränderungen, da wir
auf das vorgezogene Endalter finanzieren.
Ihr Fazit – was würden Sie anderen Unternehmen empfehlen?
Da wir uns frühzeitig mit der Problemstellung befasst
haben, konnte uns das BAG-Urteil nicht in Zugzwang
bringen. Eine zeitnahe Klarstellung ist sicherlich für
alle Betroffenen sinnvoll.
20 towerswatson.de
Wolfgang Kese, Prokurist und Leiter Personal­
betreuung, Dortmunder Volksbank eG
Nicole Zahnleiter, Rechtsanwältin, Senior Consultant, Towers Watson
Altersgrenze 65, 67 oder eine Zwischen­
lösung – wofür hat die Dortmunder Volksbank sich entschieden?
Altersgrenze 65, 67 oder eine Zwischen­
lösung – welche Variante wird in der Praxis
häufig gewählt?
Unsere Versorgungsordnung sieht Leistungen vor,
deren Höhe neben der Anzahl der anrechnungsfä­
higen Dienstjahre auch durch die letzte tarifliche
Eingruppierung bei der Vergütung bestimmt wird.
Das Versorgungswerk wurde im Jahr 2000 für Neu­
zugänge geschlossen. Wir haben uns für die Bei­
behaltung der Altersgrenze 65 entschieden. Der
Grund lag zum einen darin, dass wir keine finanzi­
elle Verschlechterung der Versorgungszusage für
unsere Mitarbeiter/innen wollten. Darüber hinaus
war uns daran gelegen, die Höhe der Rückstel­
lungsbeträge nicht wesentlich zu verändern.
In der Praxis wurden schon alle Varianten gewählt.
Bei von der gesetzlichen Rentenversicherung unab­
hängigen Systemen haben viele Unternehmen die
Altersgrenze 65 beibehalten. Bei geschlossenen
älteren Versorgungswerken ist diese Vorgehens­
weise erfahrungsgemäß sogar deutlich in der Über­
zahl. Häufig entscheiden Unternehmen auch nach
dem Eintrittszeitpunkt bzw. treffen für unterschied­
liche Versorgungswerke unterschiedliche Entschei­
dungen zur Altersgrenze. Statistiken hierzu gibt es
allerdings nicht. Ohnehin kann die Entscheidung nur
unternehmens- bzw. sogar nur regelungsindividuell
getroffen werden – mit Blick auf die Ausgangslage
und die Belange von Versorgungsempfängern und
Unternehmen.
Wie geht die Dortmunder Volksbank mit
Folgefragen um?
Die Anhebung der Regelaltersgrenzen haben wir
zum Anlass genommen, eine komplette Überarbei­
tung unserer Versorgungsordnung vorzunehmen.
Dabei wurden diverse Regelungen an die inzwischen
geänderten Rechtslagen angepasst. Der Anspruch
auf Altersrente besteht, wenn der Mitarbeiter das
65. Lebensjahr vollendet hat und aus der Bank aus­
geschieden ist. Der Bezug der gesetzlichen Rente
ist keine Voraussetzung. Bei Personen, die über das
65. Lebensjahr hinaus arbeiten, wird die zusätzliche
Zeit als anrechnungsfähige Dienstzeit berücksich­
tigt. Es sind aber unverändert maximal 45 Jahre
erreichbar.
Ihr Fazit – was würden Sie anderen Unter­
nehmen empfehlen?
In den letzten Jahren haben Gesetzesänderungen
und Rechtsprechungen, die Auswirkungen auf die
betriebliche Altersversorgung haben, deutlich zuge­
nommen. Deshalb sollte man – insbesondere bei
noch offenen Versorgungswerken – eine Überarbei­
tung in kürzeren Abständen vornehmen als dies frü­
her erforderlich war. Aus arbeitsrechtlichen Gründen
kann es dabei sehr hilfreich sein, wenn die Verände­
rungen für die Mitarbeiter/innen keine finanziellen
Nachteile haben.
Welche Folgefragen sind dabei zu prüfen?
Vor allem arbeitsrechtliche Folgefragen, insbe­
sondere im Zusammenhang mit dem Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetz (AGG), aber auch perso­
nalpolitische, finanzielle und bewertungstechnische
Aspekte.
Was würden Sie Unternehmen empfehlen?
Die Reichweite der Fragestellung nicht zu unter­
schätzen. Unternehmen sollten zeitnah die Aus­
wirkungen der geänderten Rahmenbedingungen
auf die jeweiligen Versorgungsordnungen und den
Mitarbeiterbestand analysieren sowie Folgefragen
prüfen. Auf dieser Basis können mögliche Hand­
lungsoptionen identifiziert und abgewogen werden.
Die Entscheidung und der daraus resultierende
Regelungsbedarf in Versorgungszusagen, Teilungs­
ordnungen usw. sollte schriftlich fixiert werden, um
Rechtsklarheit zu schaffen. Viele Unternehmen
prüfen ihre Versorgungsordnungen gleich auch ins­
gesamt auf rechtlichen Aktualisierungsbedarf, um
etwaige Anpassungen „in einem Rutsch“ durchfüh­
ren zu können.
Mehr zum Thema
Die Einzelfallentscheidung zur „bAV mit 67“ (BAG vom 15.5.2012 – 3 AZR 11/10) hatte unter
bAV-Verantwortlichen für einigen Wirbel gesorgt. Tatsächlich eröffnet das Urteil Handlungsoptio­
nen bzw. erzeugt in einigen Unternehmen auch Handlungsbedarf. Genaueres hierzu ist nachzule­
sen im Benefits-Newsletter aus September 2012 (siehe Online-Archiv von Benefits! unter
www.towerswatson.com/de-DE/Insights/Newsletters/Europe/benefits-fachmagazin).
Bilanzen & Finanzen
„Daher
„
gilt es, auch unscheinbare Vorschläge rigoros zu hinterfragen,
um die Einführung von Vorschriften, die insbesondere die Tätigkeit
von kleinen und mittleren EbAV übermäßig erschweren könnten,
von vornherein zu verhindern.“
bAV in der Risikoberichterstattung
Neue Angabepflichten (IAS/IFRS)
für kapitalmarktorientierte Unternehmen
Für nach den IFRS bilanzierende Unternehmen gelten grundsätzlich ab 2013 neue Angabepflichten für
den Anhang, die den Abschlussadressaten einen verbesserten Einblick in die aus einer bAV resultierenden Risiken gewähren sollen.
Nach IAS 19 (neu) müssen Unternehmen im Einzel­
nen dabei künftig auch die Charakteristika wesentli­
cher Pensionspläne und der damit verbundenen Risi­
ken, das Fälligkeitsprofil der Pensionsverpflichtungen
und ihre Auswirkungen auf künftige Zahlungsströme
sowie Einzelheiten zu leistungsorientierten Gemein­
schaftsplänen mehrerer Arbeitgeber (Multi-EmployerPläne) offenlegen. Den gestiegenen Anforderungen
ist – abhängig von Art, Umfang und Komplexität
des betrieblichen Versorgungswerks – angemessen
Rechnung zu tragen. DRS 20 „Konzernlagebericht“
greift internationale Entwicklungen auf. Der neue
Standard ist – wie auch IAS 19 (neu) – spätestens
für Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem
31.12.2012 beginnen.
Von besonderer praktischer Bedeutung dürfte sein,
dass die Bilanzierung von leistungsorientierten Pen­
sionsverpflichtungen und der Konzernlagebericht
für das Jahr 2013 einen Prüfungsschwerpunkt der
Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR)
darstellen.
22 towerswatson.de
Charakteristika der Pensionspläne, damit
verbundene Risiken
Über Risiken ist grundsätzlich zu berichten, wenn
diese die Entscheidungen der Abschlussadressa­
ten beeinflussen können. Dabei sind in aggregier­
ter Form qualitative Darstellungen zur Art der zuge­
sagten Leistungen (z. B. endgehaltsabhängiger
Plan oder Cash-Balance-Plan, versicherungs- oder
wertpapiergebundene Zusage), zu gesetzlichen und
regulatorischen Rahmenbedingungen (z. B. eine
bestehende Insolvenzsicherungspflicht, qualitative
aufsichtsrechtliche Anforderungen an das Risiko­
management und Mindestfinanzierungsanforderun­
gen bei Pensionskassen und Pensionsfonds) sowie
zu wesentlichen Planänderungen oder Abgeltungen
der Berichtsperiode erforderlich.
Das Planvermögen ist detaillierter als bisher aufzu­
gliedern und in Asset-Klassen nach Art, Risiko und
Liquiditätsgesichtspunkten bzw. einer Börsennotie­
rung einzuteilen.
Bei Abwicklung der betrieblichen Altersversorgung
(bAV) über betriebliche Pensionskassen oder Pensi­
onsfonds, aber auch bei Contractual Trust Arrange­
ments (CTA) sind Einzelheiten zum Governance-Sys­
tem anzugeben. Lebensversicherer, Pensionskassen
und Pensionsfonds unterliegen im Hinblick auf eine
ordnungsgemäße Geschäftsorganisation bereits seit
einigen Jahren den qualitativen Regelungen von Sol­
vency II, § 64a Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG)
und der Mindestanforderungen an das Risikoma­
nagement (MaRiskVA).
Darzustellen sind die wesentlichen Risiken (ins­
besondere das Kapitalanlagerisiko) und ggf. auch
außergewöhnliche Risikokonzentrationen (z. B. bei
CTA-Gestaltungen). Bei den berichteten Risiken und
deren Quantifizierung ist auf Konsistenz zu unter­
nehmensinternen Unterlagen zu achten.
Notwendige Informationen zu etwaigen Finanzie­
rungsrisiken (z. B. Rentenanpassungen) sind ins­
besondere auch vom konkret gewählten Durchfüh­
rungsweg bzw. Anbieter der bAV abhängig.
Fälligkeitsprofil, Auswirkungen auf künftige
Zahlungsströme
Zu beschreiben sind die für die Zahlungen an
Versorgungseinrichtungen maßgeblichen Rahmen­
bedingungen. Darüber hinaus ist das Laufzeit- bzw.
Fälligkeitsprofil der Pensionsverpflichtungen (min­
destens die Duration) anzugeben. Optional kann
auch eine vollständige Cashflow-Analyse der erwar­
teten Leistungsverpflichtungen offengelegt werden.
Bei Asset-Liability-Matchings sind die Strategien
und die zum Risikomanagement eingesetzten Tech­
niken zu erläutern. Der Ausweis von Veränderungen
des Planvermögens in der Kapitalflussrechnung ist
zwar kein Prüfungsschwerpunkt der DPR, jedoch
sollten Dotierungen klarer als bisher offengelegt
werden (vgl. Benefits! Dezember 2012).
Hinweis für die Praxis
Stellt eine deutsche Kapitalgesellschaft oder SE ihren Konzernabschluss
nach den IFRS auf, so ist auch der Konzernlagebericht mit Bezug auf den
IFRS-Abschluss aufzustellen (§ 315a Abs. 1 HGB). Die IFRS selbst schrei­
ben einen Lagebericht nicht vor. Da im Lagebericht ebenfalls über Risiken
berichtet werden soll, müssen nicht alle Angaben zwingend im Anhang offen­
gelegt werden. Durch einen entsprechenden Verweis kann zumindest für
den beschreibenden Teil der Angaben eine Verdopplung vermieden werden.
Bei Versicherungsunternehmen, Pensionskassen und Pensionsfonds unter­
liegt die Risikoberichterstattung spezifischen aufsichtsrechtlichen Regelun­
gen, die mit DRS 20 kompatibel sind.
Auswirkungen auf künftige Zahlungsströme sind
durch Sensitivitätsanalysen für alle wesentlichen
versicherungsmathematischen Annahmen bei der
Berechnung der Pensionsverpflichtungen (insbe­
sondere Rechnungszins und ggf. weitere wesent­
liche Parameter) und den Einfluss signifikanter
Veränderungen des Zinsniveaus auf das Planver­
mögen darzustellen. Dabei sind Veränderungen
zugrunde zu legen, die vernünftigerweise innerhalb
eines Jahres erwartet werden können.
Leistungsorientierte Gemeinschaftspläne
Multi-Employer-Pläne sind dadurch gekennzeichnet,
dass mehrere Unternehmen an einem Versorgungs­
werk teilhaben und die für die Rechnungslegung
als leistungsorientierter Plan (Defined-Benefit-Plan)
erforderlichen Informationen pro Unternehmen nicht
ausreichend detailliert zur Verfügung stehen. Wird
die Teilnahme an einem solchen Plan als beitragsori­
entierter Plan (Defined-Contribution-Plan) behandelt,
sind zusätzliche Angaben erforderlich. Anzugeben
sind zumindest Merkmale und Dotierungsgestaltung
des gesamten Plans sowie der Umfang, in dem das
teilnehmende Unternehmen für die Verpflichtungen
der anderen Planmitglieder einzustehen hat.
Handlungsbedarf für Unternehmen
Mit den Neuregelungen in IAS 19 und DRS 20 zeich­
net sich schon ab dem Geschäftsjahr 2013 eine
wesentliche Veränderung der Berichterstattungspra­
xis ab. Dabei wird ein prinzipienorientierter Ansatz
verfolgt, der Raum für eine unternehmensindividuelle
Umsetzung nach den Grundsätzen der Materialität
und Proportionalität lässt. Umfang und Detaillie­
rungsgrad der erforderlichen Angaben müssen vom
Unternehmen mit Blick auf das Informationsbedürf­
nis verständiger Abschlussadressaten bestimmt wer­
den. Dies bedarf einer intensiven Vorbereitung und
Auseinandersetzung mit den neuen Regelungen. Für
einige Angaben sind zusätzliche Berechnungen des
Aktuars erforderlich. Die größten Herausforderungen
dürften jedoch die Angaben zu den Risiken des Ver­
sorgungswerks selbst sowie die neuen Sensitivitäts­
analysen darstellen. Entsprechende Formulierungen
für den Geschäftsbericht sollten möglichst schon zur
Jahresmitte vorbereitet und mit dem Aktuar und dem
Wirtschaftsprüfer abgestimmt werden.
Thomas Weppler
thomas.weppler@
towerswatson.com
Telefon: +49 611 794-245
Wenngleich die bAV in §§ 289, 315 Handelsgesetzbuch (HGB) nicht aus­
drücklich erwähnt wird, können die von IAS 19 geforderten Angaben auch in
einem HGB-Abschluss zu einer verbesserten Information beitragen.
Benefits! 23
Bilanzen & Finanzen
Kapitalleistungen bei Pensionsfonds
Nach Änderung des VAG nun zulässig
Nach der jüngsten Änderung des VAG ist es nun zulässig, dass Pensionsfonds Kapitalleistungen zusagen
oder Rentenleistungen mit Kapitalwahlrechten kombinieren. Pensionsfonds können damit ihr Leistungsspektrum deutlich erweitern.
Pensionsfonds waren bislang verpflichtet, Alters­
versorgungsleistungen zwingend als lebenslange
Zahlung zu erbringen (§ 112 Abs. 1 S. 1 Nr. 4
Versicherungsaufsichtsgesetz – VAG). Lediglich
30 Prozent des zu Beginn der Auszahlungsphase
zur Verfügung stehenden Kapitals außerhalb der
laufenden Zahlungen durfte als Einmalbetrag aus­
gezahlt werden (§ 112 Abs. 1 S. 2 VAG und § 1
Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Altersvorsorgeverträge-Zertifizie­
rungsgesetz). Diese Einschränkung des Leistungs­
spektrums von Pensionsfonds nach dem VAG galt
in der Praxis als Hemmnis für die Verbreitung von
Pensionsfondsversorgungen. Insbesondere die
Übertragung von Direktzusagen bzw. Unterstüt­
zungskassenzusagen, die in § 3 Nr. 66, 4d Abs. 3
und 4e Abs. 3 EStG lohnsteuerfrei vorgesehen ist,
wurde dadurch eingeschränkt.
Änderung des VAG
Zwölf Jahre nach der Einführung des Pensions­
fonds als Durchführungsweg der betrieblichen
Altersversorgung (bAV) wurde diese Einschränkung
nunmehr beseitigt. Mit Beschluss vom 25.4.2013
hat der Deutsche Bundestag dem Entwurf eines
Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/89 EU
des Europäischen Parlaments und des Rates vom
16.11.2011 zur Änderung der Richtlinien 98/78/
EG, 2002/87/EG, 2006/48/EG und 2009/138/
EG hinsichtlich der zusätzlichen Beaufsichtigung der
Finanzunternehmen eines Finanzkonglomerats zuge­
stimmt. In dessen Artikel 3 Nr. 19 ist die Änderung
für den Pensionsfonds enthalten. Geändert wurden
•• § 112 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 VAG: Jetzt ist die Alters­
versorgungsleistung als Rentenleistung oder als
Einmalkapitalzahlung möglich.
•• § 112 Abs. 1 S. 2 VAG: Danach kann jetzt eine
lebenslange Zahlung im Sinne von S. 1 Nr. 4 mit
einem anteiligen oder vollständigen Kapitalwahl­
recht verbunden werden.
•• § 112 Abs. 1a VAG: Die nicht versicherungsför­
mige Durchführung in der Rentenbezugsphase
wurde klarstellend auf Leistungen, die als Ren­
ten erbracht werden, angepasst.
Danach ist es jetzt gemäß dem VAG zulässig,
dass ein Pensionsfonds Kapitalleistungen zusagt.
Möglich ist ebenfalls, dass Rentenleistungen mit
Kapitalwahlrechten kombiniert werden. Laut Geset­
zesbegründung wird somit das Leistungsspektrum
24 towerswatson.de
des Pensionsfonds an das Leistungsspektrum der
Pensionskasse angeglichen. Pensionsfonds können
nun die gleichen Leistungen der bAV wie eine Pensi­
onskasse erbringen. Insgesamt ist dies im Hinblick
auf die seit 2002 identische Legaldefinition von
Pensionskasse und Pensionsfonds in § 1b Abs. 3
Betriebsrentengesetz (BetrAVG) gesetzessystema­
tisch ein konsequenter Schritt und für Pensionsfonds
eine attraktive Erweiterung des Leistungsspektrums
im Vergleich zur bisherigen Situation. Der aufsichts­
rechtlich relevante Unterschied zwischen Pensions­
kassen und Pensionsfonds liegt jetzt noch in dem
Verbot, für alle Leistungen eine Garantie einzuräu­
men (§ 112 Abs. 1 Nr. 2 VAG).
Steuerliche Behandlung von Kapitalleistungen
Die aufsichtsrechtlich relevante Gleichstellung hat
jedoch nur eingeschränkt praktische Auswirkungen.
Praktisch bedeutsam ist die Frage, wie die Beiträge
an den Pensionsfonds zur Erfüllung der zugesagten
Leistungen lohnsteuerlich behandelt werden. Hier
gibt es neben der Regel des § 3 Nr. 63 Einkom­
mensteuergesetz (EStG), der für alle drei externen
Durchführungswege gleichermaßen gilt, die Spezial­
regelung des § 3 Nr. 66 EStG.
Die steuerliche Behandlung der Leistungen eines
Pensionsfonds in der Auszahlungsphase hängt davon
ab, inwieweit die Beiträge in der Ansparphase nach
§ 3 Nr. 63 EStG, § 3 Nr. 66 EStG oder durch Sonder­
ausgabenabzug nach § 10a EStG und Zulage nach
Abschnitt XI EStG gefördert wurden.
Neben der aufsichtsrechtlichen Frage ist daher
insbesondere die Frage von Bedeutung, welche
steuerlichen Konsequenzen die Zusage einer Kapi­
talleistung über einen Pensionsfonds hat.
Förderung von Beiträgen
Beiträge sind nach § 3 Nr. 63 EStG nur dann steu­
erfrei gestellt, wenn die Auszahlung der zugesagten
Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgungs­
leistung in Form einer lebenslangen Rente oder eines
Auszahlungsplans mit anschließender lebenslanger
Teilkapitalverrentung vorgesehen ist. Allerdings steht
die Option, anstelle dieser Auszahlungsformen eine
Einmalkapitalauszahlung zu wählen, der Steuerfrei­
heit bzw. der Förderung nicht entgegen (BMF-Schrei­
ben vom 31.3.2010, BStBl. I 2010, S. 270, Rz. 272
bzw. Rz. 291). Damit ist es zukünftig möglich, dass
der Pensionsfonds – bei Ausübung eines solchen
Kapitalwahlrechts – Einmalkapitalzahlungen leistet.
Hingegen sind reine ex-ante-Kapitalzusagen mit dem
Gesetzeswortlaut von § 3 Nr. 63 EStG und § 82 EStG
nicht vereinbar.
Förderung von Übertragungen
§ 3 Nr. 66 EStG bzw. der in diesem Zusammenhang
auf Arbeitgeberebene zur Anwendung kommende
§ 4e Abs. 3 EStG stellen keine Anforderungen an
die Auszahlungsform der zugesagten Versorgungs­
leistung. Da jetzt auch aufsichtsrechtlich keine
Einschränkung mehr besteht, ist damit zukünftig
die Übertragung von Kapitalzusagen (sowohl in
reiner Form als auch in Form einer Rentenzusage
mit Kapitalwahlrecht) auf einen Pensionsfonds in
diesem Kontext möglich.
Im Rahmen von § 3 Nr. 66 EStG ist zwischen der
Übertragung von Versorgungsverpflichtungen gegen­
über Leistungsempfängern und Versorgungsanwart­
schaften ausgeschiedener Versorgungsberechtigter
einerseits und der Übertragung von Versorgungs­
anwartschaften aktiver Beschäftigter andererseits
(BMF-Schreiben vom 26.10.2006, BStBl. I 2006,
S. 709) zu unterscheiden.
Die Übertragung von Rentnerbeständen ist der bis­
herige Hauptanwendungsfall des § 3 Nr. 66 EStG.
Bei reinen Kapitalzahlungen ist dieser Kreis per se
nicht mehr relevant. Soweit Kapital aber nicht als
Einmalzahlung, sondern ratenweise ausgezahlt wird,
steht unverändert eine Verpflichtung im Raum. Dar­
über hinaus dürfte es im Personenkreis der ersten
Fallgruppe zukünftig möglich sein, die Versorgungs­
anwartschaften von unverfallbar Ausgeschiedenen
mit einer Kapitalzusage auf einen Pensionsfonds zu
übertragen.
Zudem ist es zukünftig auch möglich, nach § 3
Nr. 66 EStG den Past Service von Versorgungs­
anwartschaften aktiver Beschäftigter mit Kapital­
zusage auf einen Pensionsfonds zu übertragen.
Die weitere Entwicklung ist indes bislang nicht
abschließend geklärt. Die Finanzverwaltung
will § 3 Nr. 66 EStG nur zusammen mit § 3
Nr. 63 EStG anwenden. In Rz. 281 des bislang
noch nicht veröffentlichten Nachfolgeschreibens
zum BMF-Schreiben vom 31.3.2010 will das Bun­
desfinanzministerium (BMF) Folgendes festlegen:
Wenn im Rahmen eines Gesamtplans zunächst
eine nach § 3 Nr. 66 EStG begünstigte Übertra­
gung der erdienten Anwartschaft auf einen Pensi­
onsfonds erfolgt und anschließend regelmäßig wiederkehrend (z. B. jährlich) die dann neu erdienten
Anwartschaften auf den Pensionsfonds übertragen
werden, sollen die weiteren Übertragungen nur im
Rahmen des § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei sein. Aus
dem Gesetz kann man diese Beschränkung jedoch
nicht herauslesen. Das würde auch die Sonder­
funktion des § 3 Nr. 66 EStG nach Einschätzung
von Towers Watson ohne Not einschränken. Soll
der Future Service nicht in der Direktzusage ver­
bleiben, wird die Frage zu beantworten sein, wie
– nach einer Erstübertragung des Past Service –
der im Zeitablauf aufgelaufene weitere Future
Service zukünftig als Past Service auf den Pensi­
onsfonds übertragen werden kann.
Die Änderung des § 112 VAG hat die Frage nach
dem Anwendungsbereich des § 3 Nr. 66 EStG ver­
deutlicht. Hier wird künftig ein Hauptaugenmerk
bei der Übertragung von Kapitalzusagen auf einen
Pensionsfonds liegen.
Besteuerung der Leistung beim Empfänger
Die steuerliche Behandlung der Leistung aus
einem Pensionsfonds erfolgt auch im Falle einer
Einmalkapitalzahlung nach § 22 Nr. 5 EStG unter
Berücksichtigung des Altersentlastungsbetrags
nach § 24a EStG. Der Umfang der Besteuerung
(vollumfänglich nach § 22 Nr. 5 S. 1 EStG oder
nur z. T. nach § 22 Nr. 5 S. 2 EStG) hängt dann
davon ab, inwieweit die o. a. Begünstigungen in der
Anwartschaftsphase zur Anwendung kamen. Dem
Fiskus gehen damit gerade auch bei einer Übertra­
gung von Anwartschaften auf einen Pensionsfonds
keine Steuereinnahmen verloren.
Dr. Michael Karst
michael.karst@
towerswatson.com
Telefon: +49 7121 3122-261
Hinweis für die Praxis
Mit der aktuellen Änderung des VAG wird das Leistungsspektrum von
Pensionsfonds aufsichtsrechtlich dem von Pensionskassen angeglichen
und damit ein Verbreitungshindernis für Pensionsfonds beseitigt. Unter­
nehmen, die beabsichtigen, den erweiterten Spielraum des Pensionsfonds
auszunutzen, müssen sich neben dem geänderten Aufsichtsrecht auch
mit steuerrechtlichen, arbeitsrechtlichen und ggf. aktuariellen und admi­
nistrativen Fragestellungen auseinandersetzen, die z. T. ineinandergrei­
fen. Hierzu sollte ggf. auf externe Fachexpertise zurückgegriffen werden.
Dr. Manfred Stöckler
manfred.stoeckler@
towerswatson.com
Telefon: +49 89 51657-4601
Benefits! 25
Bilanzen & Finanzen
Geplantes EU-Aufsichtsregime für EbAV:
Kein „level playing field“
Neue Pläne / Zweite „Gurkenverordnung“ verhindern
An der QIS-Studie wurde bereits frühzeitig gravierende Kritik geäußert. Inzwischen hat die europäische
Kommission angekündigt, ihre drastischen Pläne für EbAV vorerst fallen zu lassen. Der Plan, EbAV grundsätzlich wie Versicherer zu behandeln, ist daher zumindest vertagt worden.
Die quantitativen Auswirkungen des geplanten
neuen europäischen bAV-Aufsichtsregimes wurden
Ende 2012 im Rahmen einer Studie (QIS-Studie)
untersucht (siehe auch Benefits! März 2013). Am
9. April hat die Europäische Aufsichtsbehörde für
Versicherungsgesellschaften und Einrichtungen der
betrieblichen Altersversorgung (EIOPA) vorläufige
Ergebnisse der Studie veröffentlicht – und ernüch­
ternde Vorbehalte vorangestellt: Nicht zuletzt, weil
die QIS fachlich unzureichend vorbereitet war, seien
die Ergebnisse innerhalb einzelner Länder und
zwischen Ländern teilweise nicht vergleichbar. Sie
seien daher mit größter Vorsicht zu genießen. Dass
Pensionskassen im Ländervergleich vergleichsweise
gut abschneiden und dass nur deutsche und schwe­
dische Pensionsfonds in der „Benchmarkvariante“
im Schnitt keinen zusätzlichen Eigenkapitalbedarf
benötigen, mag zwar zunächst beruhigen.
Arbeitsgruppe prüft Folgekosten der
qualitativen Vorschriften
Die Priorität der Kommission ist nach wie vor die
Erstellung eines zweiten Pensionsfonds-Richtlini­
enentwurfs. Da EIOPA mit der Konzipierung des
Richtlinienentwurfs ausgelastet ist, hat die Kom­
mission den europäischen Dachverband der Ein­
richtungen der betrieblichen Altersversorgung (Pen­
sions Europe) darum gebeten, eine Umfrage unter
seinen Mitgliedern zu den Kosten für eine Imple­
mentierung der „qualitativen“ Säulen II (Gover­
nance) und III (Berichterstattung an die Aufsicht
und an die Begünstigten) durchzuführen. Nach
anfänglichen Schwierigkeiten in der Abstimmung
hatten zumindest einige Länder, u. a. Deutschland,
zugesagt, bis Juni 2013 zu antworten.
Hierfür hatten die Arbeitsgemeinschaft für betriebli­
che Altersversorgung (aba) und die Deutsche Aktu­
arvereinigung (DAV) eine Arbeitsgruppe ins Leben
gerufen. Diese sollte den Fragebogen für einige
Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung
(EbAV) beantworten und die Ergebnisse auf alle deut­
schen EbAV hochrechnen. Ohne eine Reaktion wäre
ansonsten zu befürchten, dass die EU-Kommission
den Schluss ziehen könnte, dass die Mitgliedstaaten
zwar mit den quantitativen Vorschriften zu Recht ein
Problem hätten, dass die qualitativen Vorschriften
jedoch als durchaus akzeptabel eingestuft würden.
26 towerswatson.de
Fehlentwicklungen frühzeitig vermeiden
Das ist aber beileibe nicht der Fall. Die Erfahrungen
der Versicherer aus den Vorbereitungen auf die
Vorschriften der Säulen II und III zeigen, dass sich
zunächst hinnehmbare Vorschläge im weiteren Ver­
lauf durch die Regulierungsfreude der Kommission
zu wahren Kostenfressern entwickelten. Daher gilt
es, auch unscheinbare und unkonkret formulierte
Vorschläge rigoros zu hinterfragen und die Erfahrun­
gen der Versicherungswirtschaft zu nutzen, um die
Einführung von Vorschriften, die insbesondere die
Tätigkeit von kleinen und mittleren EbAV übermäßig
erschweren könnten, von vornherein zu verhindern.
Einmal eingeführte Richtlinien sind nachträglich nur
schwerlich zu ändern. Bei der 1988 verabschiedeten
„Gurkenverordnung“ dauerte es ganze 20 Jahre, bis
sie wieder aus der Welt geschafft wurde.
Ausblick
Die Kommission hat ihre Pläne vertagt, für EbAV eine risikobasierte
und marktkonsistente Aufsicht nach dem Schema der (für Versiche­
rungsunternehmen konzipierten) Solvency-II-Regelungen einzuführen.
Inzwischen stehen die Säulen II (Governance) und III (Berichterstat­
tung an die Aufsicht und an die Begünstigten) im Fokus. Ein eventuel­
les neues Aufsichtssystem sollte allerdings auch als allgemein besser,
sicherer und nachhaltiger als das derzeit bestehende, sehr heterogene
europäische Regelwerk angesehen sein. Es bleibt dennoch erforderlich,
auf dem noch langen Weg weiterhin wachsam zu sein!
Alfred-E. Gohdes
alfred.gohdes@towerswatson.com
Telefon: +49 611 794-4407
DAX-Pensionswerke schlagen Benchmark
Studie „Pensionsvermögen und -verpflichtungen im DAX 2012“
Der erhebliche Anstieg der Pensionsverpflichtungen hat den Ausfinanzierungsgrad der DAX-Pensionspläne
2012 trotz eines starken Anstiegs der Pensionsvermögen auf 61 Prozent gedrückt, wie eine aktuelle
Studie von Towers Watson zeigt. Die Unternehmen konnten jedoch mit geschicktem Management der
Pensionsvermögen und optimierter Gestaltung der Pensionspläne kontern.
Trotz erheblicher Herausforderungen aufgrund des
aktuellen Kapitalmarktumfelds ist der Ausfinanzie­
rungsgrad der DAX-Pensionspläne nur leicht gesun­
ken. Aufgrund des historisch niedrigen Rechnungs­
zinses für 2012 (im Median 3,5 Prozent) stieg der
heutige Gegenwert der zukünftigen Versorgungs­
leistungen auf 314 Mrd. Euro (+ 21 Prozent). Zwar
stiegen auch die Pensionsvermögen, sie konnten
jedoch mit dem Verpflichtungsanstieg nicht Schritt
halten. So erwirtschafteten die DAX-Unternehmen
auf die für künftige Rentenzahlungen reservierten
Summen beachtliche Erträge (ca. 10,3 Prozent).
Darüber hinaus stärkten sie die Pensionsvermögen
durch signifikante Dotierungen (10,7 Mrd. Euro).
Daher stiegen die Pensionsvermögen in Summe auf
192 Mrd. Euro. Gleichwohl sank der Ausfinanzie­
rungsgrad (das Verhältnis von spezifisch reservier­
tem Pensionsvermögen zu -verpflichtungen) auf
61 Prozent (– 4 Prozentpunkte). Er liegt jedoch deut­
lich über dem zum Jahresende erwarteten Ergebnis.
Für die Studie „German Pension Finance Watch Q4
2012“ war der Ausfinanzierungsgrad mit 58 Prozent
hochgerechnet worden.
Zu diesen Ergebnissen kommt die Towers-WatsonStudie Pensionsvermögen und -verpflichtungen im
DAX 2012. Die Analyse beruht auf den pensions­
bezogenen Angaben in den Geschäftsberichten
der 30 DAX-Unternehmen. Die Zahlen zeigen nach
Einschätzung von Towers Watson, dass die Unter­
nehmen die richtigen Maßnahmen für Kapitalanlage
und Risikomanagement getroffen haben. Zudem
hat bereits ein Teil der Unternehmen auf moderne,
kapitalmarktorientierte Pensionspläne umgestellt,
die weniger anfällig auf Zinsschwankungen reagie­
ren. Damit konnte es gelingen, die Hochrechnung
aus dem „German Pension Finance Watch Q4 2012“
(Benchmark) zu schlagen.
Abb. 1: Pensionsverpflichtungen und -vermögen im DAX
350
300
Mrd. Euro
250
200
150
100
50
0
19992000200120022003200420052006200720082009201020112012
Verpflichtung (DBO /PBO)
Planvermögen
Benefits! 27
Bilanzen & Finanzen
Hintergrundinformationen zur Studie
Die Studie „Pensionsvermögen und -verpflichtungen im DAX 2012“ basiert auf den Geschäftsbe­
richten der DAX-Unternehmen, einschließlich der Anhangsangaben zu den Pensionsverpflichtungen
sowie weiterer öffentlich zugänglicher Daten. Die der Auswertung zugrunde liegende Towers-WatsonDatenbank ermöglicht Vergleiche bis ins Jahr 1999.
Dr. Thomas Jasper
Alfred-E. Gohdes
thomas.jasper@­
towerswatson.com
Telefon: +49 611 794-4215
alfred.gohdes@
towerswatson.com
Telefon: +49 611 794-4407
Niedrigzinsumfeld erfordert weiteres
Umdenken im Anlagemanagement
Pension-Risk-Management multinationaler Unternehmen
Obwohl altbewährte finanzwirtschaftliche Muster im aktuellen Kapitalmarktumfeld weniger greifen,
wurde die Anlage von Pensionsvermögen in den letzten Jahren bislang noch wenig verändert, wie die
Studie „Pension Risk Management und Anlage von Pensionsvermögen“ von Towers Watson zeigt.
Die Studie untersucht die einzelnen Schritte des
Investmentprozesses bei multinationalen Unterneh­
men aus Deutschland mit sehr großen Pensions­
vermögen. Wie die Befragungsergebnisse zeigen,
haben die Unternehmen zwar innerhalb der einzelnen
Anlageklassen umgeschichtet oder umstrukturiert;
insgesamt blieb die Anlagestrategie aber weitgehend
bestehen. Da die Investmentziele der Unternehmen
jedoch meist höher liegen als die mit einem durch­
schnittlichen Portfolio erzielbare Rendite, werden
künftig weitere Anpassungen erforderlich werden.
Gleichzeitig setzen viele Investoren auf ein verstärk­
tes Risikomanagement. Zwei Drittel (68 Prozent)
legen besonderen Wert auf die Einschätzung, Beur­
teilung und den Schutz vor Extremrisiken. Allerdings
hat nur ein knappes Drittel (29 Prozent) tatsächlich
Absicherungsmaßnahmen gegen Tail-Risiken imple­
mentiert.
Portfoliokonstruktion und Renditeziele
passen nicht immer zusammen
Rentenportfolios bestehen weiterhin zum größten
Teil aus Staats- und Unternehmensanleihen. Sowohl
innerhalb des Renten- als auch innerhalb des Akti­
enportfolios der befragten Investoren zeichnet sich
ein Trend zu einer stärkeren Diversität ab. Ange­
sichts der Situation an den Finanzmärkten wären
28 towerswatson.de
jedoch nach Einschätzung von Towers Watson eine
grundsätzliche Überarbeitung der Portfoliokonstruk­
tion sowie deutlich stärkere Umstrukturierungen
innerhalb der einzelnen Anlageklassen zu erwarten
gewesen. Basierend auf dem durchschnittlichen
Portfolio aus der Studie lässt sich auf Basis des
Towers-Watson-Investment-Modells eine erwartete
Rendite von ca. 3,5 Prozent über die nächsten zehn
Jahre errechnen. Jedoch sind die Investment-Ziele
meist deutlich höher gesteckt. Investoren sollten
daher entweder ihre Portfoliokonstruktion oder ihre
Investment-Ziele anpassen. Dabei sollten sie auch
über alternative Anlageformen außerhalb des fest­
verzinslichen Bereichs nachdenken.
Governance: Noch Nachholbedarf
Mit der gestiegenen Unsicherheit an den Kapital­
märkten sind die Anforderungen an die Steuerung
von Pensionsvermögen deutlich gewachsen. Das
unternehmensinterne Governance-Budget (Fachwis­
sen zu Investmentthemen, vorhandene Ressourcen
und Prozesse zur Entscheidungsfindung) wurde von
der Mehrheit der Befragten als „mittel“ (70 Pro­
zent) eingestuft. Folgerichtig werden immer häufiger
externe Berater hinzugezogen, insbesondere bei
der Festlegung der strategischen Asset-Allokation
(68 Prozent) und der Managerauswahl (73 Prozent).
Viele Anleger beschäftigen sich derzeit verstärkt mit
ihren Governance-Strukturen. Dieser Trend dürfte
sich aufgrund der Situation an den Kapitalmärkten
künftig noch verstärken.
Investmentstrategie: Festlegung vor allem
anhand quantitativer Modelle
Die strategische Asset-Allokation richten drei Viertel
der befragten Unternehmen an der Struktur der Pen­
sionsverpflichtungen aus. Viele Investoren setzen
bei der Festlegung der Investmentstrategie immer
noch verstärkt auf mathematische bzw. quantitative
Modelle. Qualitative Aspekte werden von Investoren
zwar bereits heute schon berücksichtigt, jedoch nur
mit niedriger Priorität. Beispielsweise halten erst
64 Prozent der befragten Unternehmen qualitative
Ansätze zur Risikoeinschätzung für einen wichtigen
Baustein bei der Bestimmung der Investmentstrate­
gie. Angesichts der aktuellen Entwicklungen ist es
jedoch unerlässlich, dass die Ergebnisse quantitati­
ver Analysen stärker durch qualitative Einschätzun­
gen ergänzt werden.
Insgesamt haben die Anleger von Pensionsvermö­
gen etwaige Risiken für ihr Portfolio sorgsam im
Blick, ohne jedoch jedes einzelne Risiko abzusi­
chern. Das größte Gefährdungspotenzial sehen
die befragten Unternehmen im dauerhaften Nied­
rigzinsumfeld (77 Prozent). Jedoch haben nur
43 Prozent der Investoren einen Absicherungsme­
chanismus gegen fallende Zinsen umgesetzt. Auf
die Einschätzung, Beurteilung und den Schutz vor
Extremrisiken legen 68 Prozent der befragten Inves­
toren großen Wert. Allerdings hat nur ein knappes
Drittel (29 Prozent) tatsächlich Absicherungsmaß­
nahmen gegen Tail-Risiken implementiert. Viele
Unternehmen halten die Absicherung von Tail-Risi­
ken aufgrund der geringen Eintrittswahrscheinlich­
keit für zu teuer. Jedoch verursachen Tail-Risiken,
wenn sie eintreten, einen übermäßigen Schaden in
der Kapitalanlage. Daher sollten Portfolios grund­
sätzlich robust gegenüber solchen Risiken aufge­
stellt werden.
Risiken im Blick, aber nicht immer abgesichert
Auch in puncto Risikomanagement setzen die meis­
ten Unternehmen bislang überwiegend auf quan­
titative Modelle. Wichtig ist hier ein ganzheitlicher
Ansatz bei der Betrachtung und Steuerung von Risi­
ken, der sowohl die Größe, die Eintrittswahrschein­
lichkeit, die Höhe der Auswirkung für die Bilanz als
auch Signifikanz in Bezug auf die Investment-Ziel­
setzung einbezieht.
Hintergrundinformationen zur Studie
Die Towers-Watson-Studie „Pension Risk Management und Anlage von
Pensionsvermögen“ untersucht die einzelnen Schritte des Investmentpro­
zesses – von Governance-Strukturen über Strategieentscheidungen und
Managerauswahl bis hin zu Risikomanagement und Reporting. Sie zeigt,
wie institutionelle Investoren in Deutschland diese Aspekte betrachten,
was Towers Watson am Markt beobachtet und welche Best-PracticeAnsätze sich in den verschiedenen Bereichen entwickeln. Für die Studie
wurden multinationale Unternehmen aus Deutschland mit sehr großen
Pensionsvermögen befragt: Die Befragten halten insgesamt ca. 100 Mrd.
Euro an Planvermögen. Zum Vergleich: Dies entspricht etwa 52 Prozent
des gesamten Planvermögens aller DAX-Unternehmen.
Hinweis für die Praxis
Auf Basis der Studienergebnisse lassen
sich für Investoren angesichts der Situation
an den Kapitalmärkten folgende Handlungs­
empfehlungen ableiten: Investmentziele,
Portfoliokonstruktion, Asset-Allokation und
Diversifizierung im Portfolio sollten aufgrund
des anhaltenden Niedrigzinsumfelds nach­
justiert werden. Das überwiegend quantita­
tive Risikomanagement sollte künftig durch
qualitative Methoden flankiert werden, um
Risiken umfassend einschätzen und steuern
zu können. Schließlich sollten die vorhande­
nen Ressourcen zur Steuerung der Kapital­
anlage überprüft und der Ressourceneinsatz
ggf. optimiert werden, gerade um die Themen
‚Umstrukturierung im Portfolio’ und ‚Umden­
ken im Risikomanagement’ gut steuern zu
können. Bei Zukauf externer Ressourcen
sollten die intern vorhandenen Ressourcen
zum Controlling der ausgelagerten Prozesse
eingesetzt werden.
Nigel Cresswell
Herbert Graf
nigel.cresswell@
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Benefits! 29
Recht & Steuern
„Für
„ die Wirksamkeit des Widerrufs einer Versorgungszusage
ist es unerheblich, ob die Zusage einen Widerrufsvorbehalt
enthält oder nicht.“
Außerplanmäßige BBG-Erhöhung 2003:
„Kehrtwende“ des BAG
BAG vom 23.4.2013 – 3 AZR 475/11
Die außerplanmäßige Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze um 500 Euro im Jahr 2003 kann bei Versorgungszusagen mit gespaltener Rentenformel nicht mehr im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung
berücksichtigt werden. Vielmehr kommt eine Korrektur allenfalls nach den Regeln über die Störung der
Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht.
Im dem jetzt entschiedenen Fall hatte das beklagte
Unternehmen ein endgehaltsbezogenes Ruhegeld
mit einer sog. gespaltenen Rentenformel zugesagt.
Hierbei wurden für die Höhe der betrieblichen Alters­
versorgung (bAV) Gehaltsbestandteile oberhalb der
Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen
Rentenversicherung (BBG) stärker gewichtet als
Gehaltsbestandteile darunter. Die BBG wird seit
langem gem. §§ 159, 160 Sozialgesetzbuch VI
(SGB VI) jährlich anhand der Entwicklung der Brutto­
löhne und -gehälter angepasst. Zur Steigerung des
Beitragsaufkommens hatte der Gesetzgeber jedoch
im Jahr 2003 die BBG einmalig außerplanmäßig
um 500 Euro erhöht (sog. „BBG-Sprung“). Durch
diese Erhöhung reduzierte sich wegen der überpro­
portionalen Berücksichtigung der oberhalb der BBG
liegenden Gehaltsbestandteile die Betriebsrente
des Klägers. Der Kläger machte geltend, entspre­
chend der Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG)
vom 21.4.2009 müsse im Wege ergänzender Ver­
tragsauslegung eine Minderung seiner Betriebsrente
aufgrund des BBG-Sprungs unterblieben.
Keine lückenschließende Auslegung
Die beiden Vorinstanzen, ein Arbeitsgericht und ein
Landesarbeitsgericht hatten die Rechtsprechung
30 towerswatson.de
des BAG zum BBG-Sprung aus dem Jahre 2009 aus­
drücklich für verfehlt erklärt. Auch andere Landesar­
beitsgerichte hatten sich von dieser Rechtsprechung
distanziert und sich damit der Kritik der juristischen
Literatur an den BAG-Urteilen angeschlossen.
Das BAG hat nun seine damalige Rechtsprechung
ausdrücklich aufgegeben und hält eine korrigierende
bzw. lückenschließende Auslegung, mit der der BBGSprung 2003 bei der bAV außer Betracht bleibt, nicht
mehr für möglich. Eine Korrektur könne nur über die
Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage
(§ 313 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) erfolgen.
Voraussetzung hierfür ist, dass die Renteneinbußen
für die Betroffenen so schwerwiegend sind, dass
ihnen ein Festhalten am Wortlaut der Versorgungs­
zusage nicht zumutbar ist.
Kehrtwende wirft für Praxis Probleme auf
Der Abkehr des BAG von seiner kritisierten Recht­
sprechung aus dem Jahr 2009 ist inhaltlich
zu­zustimmen, auch wenn eine solche kurzfristige
Kehrtwende der höchstrichterlichen Rechtspre­
chung für die Praxis vielfältige Probleme aufwirft
und daher nach Möglichkeit die Ausnahme sein
sollte. Für die Praxis stellen sich damit nach die­
ser Kehrtwende einige wesentliche Fragen:
•• Es bleibt abzuwarten, wo das BAG die „Opfer­
grenze“ zieht, ab der eine Korrektur über § 313
BGB wegen Unzumutbarkeit der Kürzung für den
Betroffenen erfolgen kann. In dem am 23.4.2013
entschiedenen Fall zum BBG-Sprung lag die Ren­
teneinbuße bei sechs Prozent. Offenbar hält das
BAG Einbußen in dieser Höhe für hinnehmbar.
•• Unternehmen, die im Anschluss an die Entschei­
dungen des BAG von 2009 ihre Zusagen mit
gespaltener Rentenformel und die darauf beruhen­
den Rentenberechnungen nicht angepasst hatten,
wurden in dieser Haltung vom BAG jetzt bestätigt.
•• Unternehmen, die ihre Zusagen bzw. Rentenbe­
rechnungen zwar arbeitsrechtlich noch nicht ange­
passt haben, jedoch unter Berücksichtigung der
Rechtsprechung Rückstellungen gebildet hatten,
müssen prüfen, ob diese Rückstellungen gesenkt
bzw. ggf. vollständig aufgelöst werden müssen.
Dem Grunde nach ist der Rechtsgrund für eine
vorsorgliche Rückstellungsbildung mit der neuen
BAG-Entscheidung (weitestgehend) entfallen.
•• Demgegenüber müssen Unternehmen, die der
Rechtsprechung des BAG arbeitsrechtlich gefolgt
waren und entweder in den Berechnungen und ggf.
auch in Versorgungszusagen Anpassungen der
Regelungen vorgenommen hatten, prüfen, ob im
Lichte der neuen BAG-Entscheidung bisher gezahlte
(höhere) Renten ggf. wieder gekürzt werden und
geänderte Rechtsgrundlagen wieder „zurückge­
ändert“ werden (können). Dazu sind im Einzelfall
detaillierte Prüfungen erforderlich. Entsprechendes
gilt für Unternehmen, die bereits bei der Geset­
zesänderung in 2003 ihre Vereinbarungen bzw.
Zahlpraxis geändert hatten, sich jetzt jedoch der
Auffassung des BAG aus 2013 anschließen wollen.
Dr. Michael Karst
michael.karst@
towerswatson.com
Telefon: +49 7121 3122-261
Ausblick
Christine Bleeck
Die weiteren Details bleiben abzuwarten, da bislang die Entscheidungs­
gründe nicht veröffentlicht sind, sondern nur eine Pressemitteilung. Übereilte
arbeitsrechtliche Entscheidungen ohne Kenntnis der genauen Begründung
des BAG sind daher nicht zu empfehlen. Nach Vorliegen der Entscheidungs­
gründe sollten sich Unternehmen jedoch mit den für sie relevanten Frage­
stellungen und den möglichen Folgen im Detail auseinandersetzen.
christine.bleeck@
towerswatson.com
Telefon: +49 611 794-336
Versorgungsausgleich: BilMoG-Zins nicht
bei allen Zusagen maßgeblich
BGH vom 6.2.2013 – XII ZB 204/11
Für die Berechnung der im Versorgungsausgleich erforderlichen Barwerte ist grundsätzlich der BilMoGZins maßgeblich. Abweichend hiervon ist bei beitragsorientierten Leistungszusagen, denen ein bestimmtes
Zinsversprechen zugrunde liegt, i. d. R. der vom Versorgungsträger zugesagte Systemzins maßgeblich.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte darüber zu
entscheiden, wie die im Versorgungsausgleich
maßgeblichen Kapitalwerte bei einer beitragsori­
entierten Leistungszusage zu ermitteln sind. Die
streitgegenständliche Zusage sah vor, dass jährlich
Versorgungsbeiträge in eine „Versicherungssumme“
umzurechnen sind, indem sie mit Altersfaktoren
multipliziert werden (vorweggenommene Verzinsung).
Den Altersfaktoren lag ein von Tarifvertragsparteien
ausdrücklich vereinbarter Richtzins zugrunde. Die
Vorinstanz setzte als Ehezeitanteil den Kapitalbetrag
an, der bei einem fiktiven Versorgungsfall (Invalidität)
zum Stichtag Ehezeitende zu leisten gewesen wäre
(„Versicherungssumme“ einschließlich der darin ent­
haltenen vorweggenommenen künftigen Verzinsung).
Benefits! 31
Recht & Steuern
Der BGH hob die Entscheidung auf und verwies sie
zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Dabei hat er klargestellt, dass der auf den Stichtag
Ehezeitende bezogene (abgezinste) Barwert (§ 45
Abs. 1 S. 1 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG)
i. V. m. § 4 Abs. 5 S. 1 VersAusglG) maßgeblich ist.
Auf eine fiktive Versorgungsleistung (Invaliditätsleis­
tung) zum Stichtag Ehezeitende kann nicht abgestellt
werden. Zudem hat er in den Entscheidungsgründen
einige grundlegende Aspekte angesprochen.
Beitragsorientierte Leistungszusagen:
Vorrang der unmittelbaren Bewertung
Der BGH nahm erstmals Stellung dazu, wie der Ehe­
zeitanteil bei vor dem 1.1.2001 erteilten beitragsori­
entierten Leistungszusagen zu ermitteln ist. Arbeits­
rechtlich ist die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft
hier wegen der Übergangsregelung in § 30g Abs. 1
Betriebsrentengesetz (BetrAVG) zeitratierlich zu
ermitteln (§ 2 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 BetrAVG). Das
der unmittelbaren Bewertung im Versorgungsaus­
gleich entsprechende „Erdient-Verfahren“ (§ 2
Abs. 5a BetrAVG) kommt arbeitsrechtlich für diese
Zusagen grundsätzlich nicht in Betracht. Ungeachtet
dessen ist der Ehezeitanteil bei beitragsorientierten
Leistungszusagen demgegenüber zwingend unmittel­
bar zu ermitteln (§ 45 Abs. 2 S. 1 i. V. m. §§ 39 ff.
VersAusglG). Dies sei sachgerecht, da bei beitragsori­
entierten Zusagen der Wert des gesamten Anrechts
im Versorgungsausgleich keine Rolle spiele.
Ermittlung der Barwerte: Zinssatz bei
beitragsorientierten Leistungszusagen
entierten Leistungszusagen maßgeblich ist. Liegt der
Versorgung eine beitragsorientierte Leistungszusage
„mit einem bestimmten Zinsversprechen“ zugrunde,
ist für die Abzinsung „in der Regel“ der vom Versor­
gungsträger zugesagte Zinssatz maßgeblich.
Externe Teilung: Ausgleichswert nur bis
Rechtskrafteintritt zu verzinsen
Nach dem Halbteilungsgrundsatz muss der Versor­
gungsträger den Ausgleichswert ab Ehezeitende
grundsätzlich mit dem bei der Barwertermittlung
herangezogenen Rechnungszins verzinsen. Bislang
war zwischen Oberlandesgerichten umstritten, ob
die Verzinsungspflicht den Zeitraum bis zum Eintritt
der Rechtskraft oder – weitergehend – auch bis zur
tatsächlichen Auskehr des Ausgleichswerts an den
Zielversorgungsträger umfasst. Laut BGH gilt sie
nur bis Eintritt der Rechtskraft, was zwischenzeitlich
auch durch den BGH-Beschluss vom 13.2.2013 (XII
ZB 631/12) bestätigt wurde. Sofern der abgebende
Versorgungsträger den Ausgleichswert nach einer
diesbezüglichen Aufforderung (Mahnung) nicht an
den Zielversorgungsträger auskehre, komme jedoch
eine Verzinsung wegen Schuldnerverzugs in Betracht.
Diese bezieht sich nach Einschätzung von Towers
Watson auf den Zeitraum zwischen Zugang der Mah­
nung und tatsächlicher Auskehr des Ausgleichswerts.
Dr. Andreas Hufer
andreas.hufer@towerswatson.com
Telefon: +49 611 794-4419
Zudem hat der BGH erstmals ausdrücklich Stellung
zu der Frage bezogen, welcher Rechnungszins bei der
Ermittlung der Barwerte nach § 45 Abs. 1 Satz 1 Vers­
AusglG i. V. m. § 4 Abs. 5 BetrAVG bei beitragsori­
Hinweis für die Praxis
Zinssatz bei beitragsorientierten Leistungszusagen: Die Gesetzesmaterialien zum VersAusglG geben ohne Einschränkung vor, dass
für die Barwertermittlung der Zinssatz nach § 253 Abs. 2 HGB i. V. m. der Rückstellungsabzinsungsverordnung heranzuziehen sei
(vgl. BT-Drs. 16/11903, Seite 112). Hiervon weicht der BGH nun erstmals ab, indem er für bestimmte beitragsorientierte Leistungs­
zusagen vorgibt, dass hier i. d. R. der Systemzins anwendbar sei. Sofern beitragsorientierte Leistungszusagen bestehen, ist es
sinnvoll, diese darauf zu analysieren, ob sie ein bestimmtes Zinsversprechen enthalten, und ggf. die Teilungsordnung anzupassen.
Auszahlung von Ausgleichswerten bei externer Teilung: Entscheidungen über den Versorgungsausgleich werden erst mit Eintritt
ihrer Rechtskraft wirksam (§ 224 Abs. 1 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit – FamFG). Damit kann der Zielversorgungsträger frühestens ab diesem Zeitpunkt die Auskehr des Ausgleichs­
werts anmahnen und dadurch Schuldnerverzug auslösen. Etwaige Zahlungsaufforderungen vor Rechtskrafteintritt sind insoweit
bedeutungslos. Sofern der Zielversorgungsträger jedoch mitteilt, dass bereits Rechtskraft eingetreten sei, ist diesem Hinweis
nachzugehen, wenn Schuldnerverzug vermieden werden soll. Teilweise werden einzelne Versorgungsträger bei der Versendung der
Rechtskraftmitteilungen nicht berücksichtigt, was am Vorliegen der Rechtskraft aber nichts ändert. Sofern die durch den Hinweis
ausgelöste Nachfrage zu dem Ergebnis führt, dass tatsächlich bereits Rechtskraft eingetreten war, ist der Ausgleichswert zur Ver­
meidung von Schuldnerverzug umgehend auszuzahlen.
32 towerswatson.de
Invalidenleistung bei Berufsunfähigkeit
oder teilweiser Erwerbsminderung?
BAG vom 9.10.2012 – 3 AZR 539/10
Enthält eine Versorgungszusage eine dynamische Bezugnahme auf den sozialversicherungsrechtlichen
Begriff der Berufsunfähigkeit, sind die Voraussetzungen hierfür auch dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer
teilweise erwerbsgemindert ist.
Die dem Urteil zugrunde liegende Versorgungsordnung
sieht vor, dass für die Dauer der festgestellten Berufsoder Erwerbsunfähigkeit sowie der Rentenzahlung
durch den Rentenversicherungsträger nach Auflösung
des Arbeitsverhältnisses Berufs- oder Erwerbsunfä­
higkeitsrente gewährt wird. Die Deutsche Rentenver­
sicherung Bund bewilligte der Klägerin zunächst eine
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43
Abs. 1 S. 2 SGB VI n. F. Diese wurde einige Monate
später auf eine Rente wegen voller Erwerbsminde­
rung umgestellt. Der beklagte Arbeitgeber gewährte
der Klägerin betriebliche Ruhegeldleistungen aller­
dings nur für die Zeit, ab der sie eine Rente wegen
voller Erwerbsminderung bezog. Zugleich wurde der
Klägerin mitgeteilt, dass ihr für die Zeit des Bezugs
der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung keine
Leistungen zustünden. Die hiergegen gerichtete
Klage hatte vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG),
anders als in den Vorinstanzen, Erfolg.
Berufsunfähigkeit nicht mehr durch Rentenbescheid nachweisbar
Das BAG stellt fest, dass die streitgegenständliche
Versorgungsordnung die Begriffe „Erwerbsunfähig­
keit“ und „Berufsunfähigkeit“ nicht eigenständig
Hinweis für die Praxis
Das vorliegende Urteil bestätigt, dass i. d. R. von einer dynamischen
Bezugnahme auf die Begriffe des Sozialversicherungsrechts auszugehen
ist. Es schließt damit an das Urteil vom 19.1.2011 – 3 AZR 83/09 (siehe
Benefits! August 2011) an.
Klargestellt wird allerdings auch, dass sich die Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung erheblich von Voraussetzungen und Inhalt der früheren
Rente wegen Berufsunfähigkeit unterscheidet. Eine Rente wegen voller
Erwerbsminderung entspricht laut einer früheren Entscheidung des BAG
hingegen nach Voraussetzungen und Inhalt der bisherigen Erwerbsunfä­
higkeitsrente.
Gleichwohl verweist das BAG unterschiedslos darauf, dass weder eine
Berufs- noch eine Erwerbsunfähigkeit nach Inkrafttreten des Rentenre­
formgesetzes durch einen Bescheid des Rentenversicherungsträgers
nachgewiesen werden kann. Enthält eine Versorgungsordnung also kei­
nen dynamischen, sondern einen statischen Verweis auf diese Begriffe,
müsste die Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit anderweitig (z. B. durch
Vorlage eines amtsärztlichen Attests) nachgewiesen werden.
definiert. Mit dem Erfordernis, dass die Berufs- oder
Erwerbsunfähigkeit festgestellt sein muss und dass
Zahlungen durch den Rentenversicherungsträger
erfolgen müssen, sei jedoch hinreichend klargestellt,
dass die Begriffe der „Erwerbsunfähigkeit“ und der
„Berufsunfähigkeit“ im Sinne des Sozialversiche­
rungsrechts gemeint sind.
Zwar könne der Arbeitnehmer nach Inkrafttreten
des Rentenreformgesetzes zum 1.1.2001 durch
einen Bescheid der Rentenversicherung eine
Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nicht mehr nach­
weisen. Zudem unterscheide sich die Rente wegen
teilweiser Erwerbsminderung nach Voraussetzungen
und Inhalt wesentlich von der bisherigen Rente
wegen Berufsunfähigkeit.
Jedoch hinreichende Klarstellung durch dynamische Verweisung
Die Ruhegeldregelung sei damit aber nicht lücken­
haft geworden. Vielmehr enthalte sie eine zeit- und
inhaltsdynamische Verweisung auf die sozialversi­
cherungsrechtlichen Tatbestände, an deren Erfüllung
das jeweils geltende Sozialversicherungsrecht die
Zahlung einer gesetzlichen Rente wegen Leistungs­
minderung knüpft. So soll die Betriebsrente zum
einen immer dann gezahlt werden, wenn nach dem
jeweils geltenden Sozialversicherungsrecht eine
gesetzliche Rente wegen Berufs- oder Erwerbsun­
fähigkeit gezahlt wird (zeitdynamische Verweisung).
Zum anderen wird die Zahlung der Betriebsrente
allein von der Zahlung der gesetzlichen Rente und
dem Ausscheiden des Mitarbeiters aus dem Arbeits­
verhältnis abhängig gemacht, ohne dass es auf die
Höhe der Leistungen des Rentenversicherungsträ­
gers ankommt (inhaltsdynamische Verweisung).
Etwas anderes könne beispielsweise dann gelten,
wenn dem Arbeitnehmer eine Gesamtversorgung
versprochen wurde.
Sebastian Löschhorn, LL.M.
sebastian.loeschhorn@
towerswatson.com
Telefon: +49 611 794-4414
Benefits! 33
Recht & Steuern
Dienstzeitbegrenzung von 40 Jahren zulässig
BAG vom 11.12.2012 – 3 AZR 634/10
Eine Dienstzeitbegrenzung von 40 Jahren in einer Versorgungsordnung stellt keine Diskriminierung wegen
des Alters dar, da sie nicht an ein bestimmtes Lebensalter anknüpft und ein typisches Erwerbsleben nahezu
vollständig abdeckt.
Die dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG)
zugrunde liegende Versorgungsordnung sieht eine
Dienstzeitbegrenzung auf 40 Jahre vor. Bei mehr als
40 Dienstjahren zählen die letzten 40 Jahre. Der
Kläger, der vorzeitig mit einer unverfallbaren Anwart­
schaft aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist,
fordert allerdings, dass seine gesamte erreichbare
Dienstzeit von rund 43 Jahren bei der Berechnung
der fiktiven Vollrente gemäß § 2 Abs. 1 Betriebsren­
tengesetz (BetrAVG) zu berücksichtigen sei. Ande­
renfalls sei eine unzulässige Benachteiligung wegen
des Alters gegeben. Durch die Dienstzeitbegrenzung
auf 40 Jahre würden – so der Kläger – vorzeitig
ausgeschiedene Mitarbeiter, die ihre Beschäftigung
vor Vollendung des 25. Lebensjahres aufgenom­
men haben, bei gleicher Betriebszugehörigkeit eine
geringere Betriebsrentenanwartschaft erwerben
als vorzeitig ausgeschiedene Mitarbeiter, deren
Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 25. Lebens­
jahres begonnen hat. Sofern das Gericht dieser
Argumentation nicht folgen sollte, ist nach Ansicht
des Klägers § 2 Abs. 1 S. 1 BetrAVG aber zumin­
dest EU-richtlinienkonform dahingehend auszulegen,
dass bei der Berechnung des Unverfallbarkeitsfak­
tors als mögliche Betriebszugehörigkeit lediglich die
nach dem Pensionsplan höchstens anrechenbare
Dienstzeit von 40 Jahren zugrunde gelegt wird.
Risikobegrenzung sachlich gerechtfertigt
Dieser Argumentation folgt das BAG nicht. Die Dienst­
zeitbegrenzung auf 40 Jahre beinhaltet laut BAG
zum einen keine unmittelbare Diskriminierung wegen
des Alters, da sie nicht an ein Lebensalter anknüpft.
Zum anderen könne die Dienstzeitbegrenzung zwar
typischerweise zu einer Benachteiligung wegen jün­
geren Alters führen. Allerdings sei die Dienstzeitbe­
grenzung durch ein rechtmäßiges Ziel – die Risiko­
begrenzung des Arbeitgebers, der durch eine solche
Regelung die von ihm zu erbringenden Leistungen
überschaubar und kalkulierbar halten möchte –
sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung
dieses Ziel seien angemessen und erforderlich.
Eine Dienstzeit von 40 Jahren decke ein typisches
Erwerbsleben nahezu vollständig ab. Damit ist nach
dem BAG durch eine solche Dienstzeitbegrenzung
bereits tatbestandlich auch keine mittelbare Alters­
diskriminierung nach § 3 Abs. 2 des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gegeben.
34 towerswatson.de
Das BAG führt mit Bezug auf seine Urteile vom
19.7.2011 (3 AZR 571/09 und 3 AZR 434/09)
außerdem aus, dass auch § 2 Abs. 1 S. 1 BetrAVG
keine Altersdiskriminierung bewirke. Daher sei im
vorliegenden Fall die volle erreichbare Dienstzeit von
rund 43 Jahren bei der Ermittlung des Unverfallbar­
keitsfaktors anzusetzen. Die Regelung in § 2 Abs. 1
BetrAVG knüpfe an das allgemein akzeptierte Ver­
ständnis an, dass die betriebliche Altersversorgung
(bAV) als Gegenleistung für die gesamte Betriebs­
zugehörigkeit aufgefasst wird. § 2 Abs. 1 BetrAVG
diene damit einem legitimen, im Allgemeininteresse
stehenden Ziel i. S. von Art. 6 Abs. 1 Richtlinie
2000/78/EG, nämlich der Verbreitung der bAV.
Hinweis für die Praxis
Das BAG stellt klar, dass das rechtmäßige
Ziel, das im Rahmen einer Versorgungsrege­
lung über das Vorliegen einer mittelbaren
Diskriminierung entscheidet, kein Ziel aus
den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeits­
markt und berufliche Bildung im Sinne des
Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG sein
muss. Ausreichend sei vielmehr ein von der
Rechtsordnung anerkannter Grund für die
Verwendung der mittelbar diskriminierenden
Regelung.
Unklar ist allerdings, ob das BAG auch eine
kürzere Dienstzeitbegrenzung noch für ange­
messen halten würde. Außerdem sagt das
Urteil nichts über die Zulässigkeit von Dienst­
zeitbegrenzungen aus, die an ein bestimmtes
Alter anknüpfen (z. B. „versorgungsfähig ist
die Dienstzeit zwischen dem 25. und dem
65. Lebensjahr“). Solche Regelungen könn­
ten also nach wie vor als altersdiskriminie­
rend angesehen werden.
Sebastian Löschhorn, LL.M.
sebastian.loeschhorn@towerswatson.com
Telefon: +49 611 794-4414
Widerruf einer Versorgungszusage
wegen Treuepflichtverletzung
BAG vom 13.11.2012 – 3 AZR 444/10
Hat ein Arbeitnehmer die Unverfallbarkeit seiner Versorgungsanwartschaft durch Vertuschung schwerer
Verfehlungen erschlichen, ist die Berufung eines Arbeitnehmers auf seine Versorgungszusage rechtsmissbräuchlich und die Versorgungszusage kann widerrufen werden.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte darüber zu
entscheiden, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, die
versprochenen Versorgungsleistungen an einen
mittlerweile verstorbenen Arbeitnehmer bzw. seine
Hinterbliebenen zu erbringen. Die Parteien streiten
darüber, ob der Arbeitgeber die dem ehemaligen
Arbeitnehmer erteilte Pensionszusage (Direktzu­
sage) noch vor Eintritt des Versorgungsfalls wirksam
widerrufen hat. Die Versorgungszusage enthält
einen sog. Treuepflicht-Vorbehalt. Demnach ist das
Unternehmen zum Widerruf der Anwartschaft auf Ver­
sorgungsleistungen berechtigt, wenn der Arbeitneh­
mer Handlungen begeht, die in grober Weise gegen
Treu und Glauben verstoßen oder zu einer fristlosen
Entlassung berechtigen. Der Arbeitgeber hat den
Widerruf der Versorgungszusage damit begründet,
dass der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten
über Jahre hinweg in grober Weise verletzt und das
Unternehmen dadurch erheblich geschädigt hat.
Arbeitnehmer vorrangig auf Schadensersatz
in Anspruch nehmen
Das BAG entschied, dass der Arbeitgeber die
Erbringung der Versorgungsleistungen nicht mit der
Begründung verweigern kann, dass der Arbeitnehmer
dem Unternehmen durch grobe Verletzung seiner
arbeitsvertraglichen Pflichten erhebliche Vermögens­
schäden zugefügt hat. Nach ständiger Rechtspre­
chung des BAG berechtigen grobe Pflichtverletzungen
Hinweis für die Praxis
Der Widerruf einer Versorgungszusage ist nur im Ausnahmefall zulässig.
Grobe Pflichtverletzungen, die ein Festhalten des Arbeitnehmers an dem
Versorgungsversprechen rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen, muss
der Arbeitgeber beweisen. Bei sicherer Kenntnis solcher Widerrufsgründe
sollte ein Widerruf unverzüglich ausgesprochen werden. Anderenfalls kann
das Widerrufsrecht verwirkt und der verspätet ausgesprochene Widerruf als
unzulässige Rechtsausübung unwirksam sein. Die in Versorgungszusagen
weit verbreiteten sog. steuerunschädlichen Mustervorbehalte – hier der
sog. Treuepflicht-Vorbehalt – wirken nicht rechtsbegründend. Für die Wirk­
samkeit des Widerrufs einer Versorgungszusage ist es daher unerheblich,
ob eine Versorgungszusage einen Widerrufsvorbehalt enthält oder nicht.
des Arbeitnehmers den Arbeitgeber unabhängig von
dem sog. Treuepflicht-Vorbehalt in der Versorgungs­
zusage nur dann zum Widerruf, wenn die Berufung
des Versorgungsberechtigten auf die Versorgungszu­
sage dem Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt
ist. Das BAG begründet dies mit dem Entgeltcharak­
ter der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung
(bAV) und zieht sodann die Parallele zur vereinbarten
Monatsvergütung. Der Arbeitgeber könne sich auch
nicht ohne weiteres von der Zahlung des Arbeits­
entgelts befreien, wenn der Arbeitnehmer ihm einen
erheblichen Vermögensschaden zufügt.
In der Regel sind die Interessen des Arbeitgebers
hinreichend gewahrt, wenn dieser den Arbeitneh­
mer auf Schadensersatz in Anspruch nimmt. Hier­
bei sind insbesondere mitwirkendes Verschulden,
beschränkte Arbeitnehmerhaftung und Pfändungs­
schutz zu berücksichtigen. Nach BAG dient hinge­
gen der Widerruf einer Versorgungszusage nicht
dazu, auf einfachem und schnellem Wege einen
Schadensersatzanspruch zu befriedigen.
Ausnahme: nicht behebbarer, schwerer
Schaden
Nach Auffassung des BAG ist der Arbeitgeber
allerdings dann nicht auf einen Schadensersatzan­
spruch zu verweisen, wenn der Arbeitnehmer ihm
einen nicht behebbaren, insbesondere durch Ersatz­
leistungen nicht wiedergutzumachenden schweren
Schaden zugefügt hat. In einem solchen Fall könne
der Rechtsmissbrauchseinwand gerechtfertigt sein.
Bei Vermögensschäden könne eine Versorgungszu­
sage nur dann widerrufen werden, wenn der Arbeit­
nehmer seine Pflichten in grober Weise verletzt und
dem Arbeitgeber hierdurch einen existenzgefähr­
denden Schaden zugefügt hat. Letzteres hatte der
Arbeitgeber jedoch nicht geltend gemacht.
Rechtsmissbrauch bei Vertuschung schwerer
Verfehlungen
Allerdings sei, so das BAG, die Berufung des Arbeit­
nehmers auf die Versorgungszusage auch dann
rechtsmissbräuchlich, wenn der Arbeitnehmer die
Unverfallbarkeit seiner Versorgungsanwartschaft
nur durch Vertuschung schwerer Verfehlungen
Benefits! 35
Recht & Steuern
erschlichen hat. Dies sei anzunehmen, wenn eine
rechtzeitige Entdeckung derartiger Verfehlungen zur
fristlosen Kündigung geführt hätte, bevor die Ver­
sorgungsanwartschaft unverfallbar werden konnte
und der Arbeitnehmer den Arbeitgeber durch die
Vertuschung daran gehindert hat, noch vor Eintritt
der Unverfallbarkeit zu kündigen. Da das Landesar­
beitsgericht (LAG) den diesbezüglichen Sachverhalt
nicht hinreichend aufgeklärt hat, war das der Klage
stattgebende Urteil des LAG aufzuheben. Die Sache
wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an
das LAG zurückverwiesen.
Alexander Schäffner
alexander.schaeffner@
towerswatson.com
Telefon: +49 7121 3122-972
Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien
2012 verabschiedet
bAV geringfügig betroffen
Nach längeren Diskussionen zwischen Bundestag und Bundesrat wurden die Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien 2012 am 25.3.2013 endgültig erlassen und im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Die Änderungen
gelten grundsätzlich ab dem Veranlagungszeitraum 2012.
Die Richtlinien 2005 in der Fassung vom 16.12.2005
unter Berücksichtigung der Änderungsrichtlinien
2008 (Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien
(EStÄR) 2008) vom 18.12.2008 sind mit den Abwei­
chungen, die sich aus der Änderung von Rechtsvor­
schriften für die Zeit bis zum 31.12.2011 ergeben,
letztmals für die Veranlagung des Veranlagungszeit­
raums 2011 anzuwenden. Die betriebliche Alters­
versorgung (bAV) und vergleichbare Verpflichtungen
sind von den aktuell vorgenommenen Änderungen
geringfügig betroffen.
Betriebsausgabenabzug bei reservepolsterfinanzierten Unterstützungskassen
In R 4d Abs. 3 S. 2 EStÄR 2012 ist eine Klarstel­
lung zum Betriebsausgabenabzug des Arbeitgebers
bei reservepolsterfinanzierten Unterstützungs­
kassen enthalten. Sie betrifft Zuwendungen des
Deckungskapitals für die ausgleichsberechtigte
Person in Fällen des Versorgungsausgleichs bei
Ehescheidungen. Generell gilt für die Dotierung,
dass das Deckungskapital für die bereits laufen­
den Leistungen der Kasse sofort bei Beginn der
Leistungen oder, solange der Leistungsempfänger
lebt, in einem späteren Wirtschaftsjahr in einem
Betrag oder verteilt auf mehrere Wirtschaftsjahre
zugewendet werden kann. Wie die Verwaltung nun
klargestellt hat, kann auch das Deckungskapital für
eine Rente im Falle der Ehescheidung oder der Auf­
hebung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft an
36 towerswatson.de
den Ausgleichsberechtigten nach dem VersAusglG
in dem Zeitraum zugewendet werden, in dem dieser
Leistungsempfänger ist.
Maßgeblichkeit der Handelsbilanz nach
Inkrafttreten des BilMoG
Für Pensionsrückstellungen enthalten die Änderun­
gen in R 6a Abs. 1 S. 2 und Abs. 20 EStÄR Klar­
stellungen zur Maßgeblichkeit der Handelsbilanz
nach Inkrafttreten des BilMoG (§ 5 Abs. 1 Einkom­
mensteuergesetz – EStG). Die handelsrechtliche
Passivierungspflicht für nach dem 31.12.1986
erteilte Pensionszusagen hat die Passivierungs­
pflicht in der Steuerbilanz dem Grunde, aber nicht
der Höhe nach zur Folge. Für die Bewertung von
Pensionsverpflichtungen geht die Finanzverwaltung
davon aus, dass die steuerlichen Regelungen gelten
(§ 6a EStG ist lex specialis). Das heißt, dass die vor
dem BilMoG bestehende Begrenzung des Werts der
steuerlichen Pensionsrückstellungen auf den zuläs­
sigen Ansatz in der Handelsbilanz aufgehoben ist.
Entsprechend den Ankündigungen im Schreiben des
Bundesfinanz­ministeriums (BMF) vom 8.12.2008 –
IV C 6 – S 2137/07/10002 (BStBl. I 2008, 1013,
Rz. 10) wurden in Abs. 20 EStR die Sätze 2 bis 4
gestrichen.
Im Übrigen gilt, dass die Höhe der Rückstellungen
in der Steuerbilanz den zulässigen Ansatz in der
Handelsbilanz nicht überschreiten darf (R 6.11
Abs. 3 EStÄR 2012). Danach wäre der steuerliche
Ansatz entweder auf den niedrigeren Handelsbilanz­
wert zu begrenzen oder der Handelsbilanzansatz
(in Abstimmung mit dem Wirtschaftsprüfer) auf den
steuerlichen Wert anzuheben. Die Regelung kann
Einfluss auf den Ansatz von Jubiläumsrückstellun­
gen oder ggf. auch von Rückstellungen für Altersteil­
zeitvereinbarungen in der Steuerbilanz haben. Sie
ist vor dem Hintergrund des steuerlichen Bewer­
tungsvorbehalts in § 5 Abs. 6 EStG nicht unumstrit­
ten. In den Richtlinien ist eine Übergangsregelung
zur steuerlichen Behandlung des sich aus der
Auflösung der steuerlichen Rückstellung (auf den
niedrigeren Handelsbilanzwert) ergebenden Gewinns
vorgesehen. Für den Gewinn, der sich durch die
Auflösung von Rückstellungen ergibt, die bereits in
dem vor dem 1.1.2010 endenden Wirtschaftsjahr
passiviert wurden, kann jeweils in Höhe von 14/15
eine gewinnmindernde Rücklage passiviert werden,
die im Grundsatz in den folgenden vierzehn Wirt­
schaftsjahren jeweils mit mindestens 1/15 gewin­
nerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum).
Steuerlicher Herstellungskostenbegriff neu
geregelt
Der Maßgeblichkeitsgedanke liegt auch den Neu­
regelungen beim steuerlichen Herstellungskosten­
begriff zugrunde. Über lange Zeit durften bei den
Herstellungskosten in der Steuerbilanz Teile der
angemessenen Kosten für die bAV berücksichtigt
werden (Aktivierungswahlrecht). Nach R 6.3 Abs. 1
EStÄR 2012 sind angemessene Aufwendungen für
die bAV künftig zwingend in die Herstellungskos­
ten eines Wirtschaftsguts einzubeziehen (Aktivie­
Hinweis für die Praxis
Die Umstellung auf den neuen Herstellungskostenumfang kann im Jahr
der Aktivierung zu einer zusätzlichen steuerlichen Liquiditätsbelastung
führen, die sich in den Folgejahren bei der Verwendung des Gegenstands
(z. B. einem Verkauf) kompensieren kann. Nach der Übergangsregelung in
R 6.3 Abs. 9 EStÄR 2012 darf die alte Richtlinienvorschrift R 6.3 Abs. 4
S. 1 EStR 2008 weiterhin für Wirtschaftsgüter angewendet werden, mit
deren Herstellung vor Veröffentlichung der EStÄR 2012 im Bundessteuer­
blatt begonnen wurde.
Unter anderem aufgrund des vom statistischen Bundesamt berech­
neten hohen Erfüllungsaufwandes veröffentlichte die Finanzverwal­
tung am 25.3.2013 ein begleitendes BMF-Schreiben – IV C 6 – S
2133/09/10001:004 (BStBl. 2013 Teil I S. 296), in dem den mit
der Änderung verbundenen administrativen Kosten durch eine weitere
Übergangsfrist Rechnung getragen wird. Im Ergebnis bleibt damit die
Anwendung der Neuregelung vorerst ausgesetzt und für die Herstel­
lungskostenermittlung kann weiterhin die bisher geltende Richtlinien­
vorschrift herangezogen werden.
rungspflicht). Bei den Aufwendungen handelt es
sich um Beiträge an Direktversicherungen und
Pensionsfonds, Zuwendungen an Pensions- und
Unterstützungskassen sowie Zuführungen zu Pen­
sionsrückstellungen (vgl. R 6.3 Abs. 3 S. 4 EStÄR
2012). Nach Ansicht der Verwaltung geht die steu­
errechtliche Bewertungsvorschrift des § 6 Abs. 1
Nr. 2 S. 1 EStG wegen des Bewertungsvorbehalts in
§ 5 Abs. 6 EStG der handelsrechtlichen Regelung
(Einbeziehungswahlrecht gemäß § 255 Abs. 2 S. 3
Handelsgesetzbuch – HGB) vor. Das gilt auch dann,
wenn der Kaufmann handelsrechtlich vom Ansatz
der Aufwendungen als Teil der Herstellungskosten
absehen kann.
Die Neuregelung ist nicht unumstritten. Gemein­
kosten, welche durch das Unternehmen als Ganzes
veranlasst sind und unabhängig von der Produkti­
onsmenge anfallen, können den Erzeugnissen der
Fertigung bzw. dem Herstellungszeitraum, wenn
überhaupt, nur mittelbar und näherungsweise zuge­
rechnet werden. Auch verfolgte der Gesetzgeber im
Rahmen des BilMoG die Absicht, die handelsrecht­
liche Herstellungskostenuntergrenze an die zum
Zeitpunkt des BilMoG geltende steuerliche Herstel­
lungskostenuntergrenze anzugleichen (Gleichklang
der Bewertung in Handels- und Steuerbilanz). Die­
ses Ziel wird nun durch die Neuregelung im Rahmen
der EStÄR 2012 verfehlt.
Mehr zum Thema
Die genannten BMF-Schreiben sind im Internet
unter www.bundesfinanzministerium.de/Web/
DE/Service/Publikationen/BMF_Schreiben/
bmf_schreiben.html abrufbar.
Heinz-Josef Heger
heinz-josef.heger@
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Telefon: +49 611 794-236
Thomas Weppler
thomas.weppler@
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Benefits! 37
Recht & Steuern
Steuerbilanzielle Behandlung angeschaffter
Pensionsrückstellungen
Gesetzliche Klärung steht weiterhin aus
Die Frage, ob erworbene Pensionsverpflichtungen in der Steuerbilanz auch nach dem Anschaffungskostenprinzip oder nur nach den Vorschriften des § 6a EStG angesetzt werden dürfen, ist weiterhin nicht
abschließend geklärt.
BFH tritt Auffassung der Finanzverwaltung
entgegen
Der Bundesfinanzhof (BFH) führt seine Rechtspre­
chung zur steuerbilanziellen Behandlung von „ange­
schafften Rückstellungen“ konsequent fort. Den
Urteilen zu entgeltlich erworbenen Drohverlustrück­
stellungen vom 16.12.2009 (I R 102 /08) und zu
Jubiläums-/PSV-Rückstellungen vom 14.12.2011
(I R 72 /10, siehe auch Benefits! März 2013) folgten
am 12.12.2012 die Urteile zu Pensionsrückstellun­
gen nach Betriebserwerb (I R 69/11) und zu Pensi­
onsrückstellungen nach Ausgliederung (I R 28 /11).
Die Entscheidungen haben nicht überrascht, da
der BFH nunmehr in ständiger Rechtsprechung der
Auffassung der Finanzverwaltung zu steuerlichen
Restriktionen nach Erwerb entgegen tritt. Der BFH
argumentiert auf der Basis des Grundsatzes der
Neutralität des Anschaffungsvorgangs, der auch
auf Passivpositionen anzuwenden ist. Entschei­
dend ist dann, dass die Bewertungsregeln des
§ 6a Einkommensteuergesetz (EStG) den Ansatz
beim „Erwerber“ mit Anschaffungskosten weder
in der Eröffnungs- /Übernahmebilanz noch in einer
Folgebilanz einschränken. Gewinne sind nur zu
berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag
infolge eines betrieblichen Umsatzaktes realisiert
sind, und nicht etwa, weil am Abschlussstichtag
eine Bewertung nach § 6a EStG (unter Berücksich­
tigung der Ansatz- und Bewertungsvorbehalte) zu
einer unter dem Anschaffungswert liegenden Rück­
stellung führen würde und damit eine erfolgswirk­
same Rückstellungsauflösung erforderlich wäre.
Vorgabe des BFH für Folgebewertung –
keine abschließende Klärung
Die Entscheidungen des BFH waren im Hinblick auf
die Folgebewertung mit Spannung erwartet worden.
Unstreitig dürfte sein, dass in der Zwischenzeit ein­
tretende Sachverhaltsänderungen (z. B. rechtliche
oder tatsächliche Veränderungen der Verpflichtun­
gen), die zu einer Reduktion des Anschaffungswer­
tes führen, zu berücksichtigen sind. Für die nach
dem Erwerb erdienten Pensionsansprüche folgt der
BFH nicht der „Einfrier-Theorie“ der Vorinstanz. Der
„Einfrier-Theorie“ nach wird eine Erhöhung der Rück­
stellung in Bezug auf diese Zuführungen solange
38 towerswatson.de
verhindert, bis die infolge des Anwartschaftskaufs
gebildete und mit den Anschaffungskosten ausge­
wiesene Rückstellung rechnerisch den Teilwert der
Anwartschaft erreicht, wenn die Rückstellung wie
zuvor beim Veräußerer auch bei Erwerber weiterhin
nach § 6a Abs. 3 EStG bestimmt worden wäre.
Vielmehr erhöhen nach Auffassung des BFH die ori­
ginär beim Erwerber neu entstandenen Wertstellun­
gen als Zuführungen den mit Anschaffungskosten
zurückgestellten Betrag nach den beschränkenden
Bewertungsvorgaben des § 6a Abs. 3 EStG. Diese
Vorgabe des BFH für die Folgebewertung führt aller­
dings nicht zur abschließenden Klärung.
Unklar ist zum einen, ob auch der Anschaffungskos­
tenbetrag fortzuentwickeln ist (z. B. im Rahmen des
Bewertungsmodus, der der Ermittlung des Anschaf­
fungsbetrags zugrunde lag), oder ob der Anschaf­
fungskostenbetrag ggf. nur reduziert werden kann
(aufgrund eines Sinkens der Verpflichtung z. B. in
der Leistungsphase). Zum anderen ist unklar, wie
die zukünftigen originären Zuführungen zu ermitteln
sind. Klar dürfte sein, dass die Verpflichtungen
einzeln zu bewerten sind. Folgende Alternativen zur
Ermittlung der Zuführungen sind denkbar:
•• Der Anschaffungsbetrag wird mit der Sollrückstel­
lung (des Veräußerers) nach § 6a gleichgesetzt.
Es werden dann die „normalen“ Zuführungen
wie auf Ebene des Veräußerers ermittelt. Diese
Betrachtung folgt dem § 6a Abs. 4 S. 1 EStG. Die
Zuführung ist die Differenz zweier Sollwerte, d. h.
zweier technischer Werte, die mit der tatsächli­
chen Rückstellung nichts zu tun haben müssen.
Die Rückstellung bleibt dann um den Anschaf­
fungsmehrbetrag erhöht. Hier stellt sich sofort
die Anschlussfrage, wie eine solche Rückstellung
dann in der Leistungsphase aufzulösen wäre.
•• Es wird die für den Einzelfall geltende Regelung
R 6a Abs. 13 Einkommensteuerrichtlinien (EStR)
analog anwendet, allerdings ohne Begrenzung.
Systembedingt entspräche bei einem solchen
Vorgehen der Finanzierungsbeginn dem Übernah­
mestichtag. Dies stünde allerdings nicht mit R 6a
Abs. 2, 10 EStR in Einklang, da in diesen Fällen
nicht nur die Verpflichtung, sondern das gesamte
Arbeitsverhältnis übergeht.
Reaktion des Gesetzgebers
Die Realisierung der Verpflichtung durch den Erwerb
hat nicht nur die aufgezeigte Erfolgsneutralität auf
Erwerberseite zur Folge. Gleichzeitig wird auf Veräu­
ßererseite auch der Aufwand in Höhe der Differenz
zwischen dem bislang nach § 6a EStG bilanzierten
Wert und dem vereinbarten Kaufpreis realisiert.
Diese Realisation war bislang von der Finanzverwal­
tung quasi in einer Gesamtbetrachtung durch die
Erfassung eines Gewinns beim Erwerber „neutra­
lisiert“ worden. Dem ist der BFH durch die o. g.
Urteile entgegen getreten. Der BFH sieht die Mög­
lichkeit der steuermindernden Realisierung stiller
Lasten, macht aber deutlich, dass eine Verhinderung
nur im Rahmen einer Gesetzesänderung möglich sei.
Der Finanzausschuss des Bundesrates wollte die
Neutralisierung durch die Erfassung eines Erwerbs­
gewinns gesetzlich im AIFM-Steuer-Anpassungsge­
setz legitimieren. Er empfahl daher im Rahmen des
Gemeinnützigkeitsentbürokratisierungsgesetzes
eine Gesetzesänderung dahingehend, dass über­
nommene Verpflichtungen, die beim ursprünglich
Verpflichteten Ansatzverboten, -beschränkungen
oder Bewertungsvorbehalten unterlegen haben,
beim Übernehmer so zu bilanzieren sind, wie sie
beim ursprünglichen Verpflichteten ohne Übernahme
zu bilanzieren wären. Dabei war der Anwendungs­
bereich der Vorschrift weit gefasst. Erfasst werden
sollten u. a. der Betriebserwerb nach § 613a des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), die Schuldüber­
nahme nach § 414 BGB, die Sonder- und Gesamt­
rechtsnachfolge nach dem Umwandlungsgesetz
(UmwG), die Erfüllungsübernahme nach § 329 BGB
sowie der Schuldbeitritt mit Schuldfreistellung im
Innenverhältnis. Der Vorschlag hätte dann entge­
gen R 6a Abs. 13 EStR auch Einzelübertragungen
erfasst. Der Vorschlag des Finanzausschusses des
Bundesrats wurde allerdings vom Finanzausschuss
des Bundestags nicht aufgegriffen.
Ausblick
Wird das Gesetz verabschiedet, hat die o. g. Rechtsprechung des BFH
nur noch Bedeutung für Altfälle, zeitlich befristet bis zum Inkrafttreten
des Gesetzes. Materiell noch nicht bestandskräftige Veranlagungen,
z. B. Veranlagungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, könnten nach
Einschätzung von Towers Watson berichtigt werden. Das gilt dann auch
für Einzelübertragungen, soweit die Begrenzung des R 6a Abs. 13 EStR
griff. Allerdings würde der neue § 52 Abs. 14a EStG die Beibe­haltung des
falschen Ansatzes zulassen. Eine Berichtigung müsste also vom Steuer­
pflichtigen beantragt werden. Ob sich das im Einzelfall rentiert, kann nur
ein Wertevergleich zeigen. Notwendig würde eine Klarstellung seitens
der Finanzverwaltung, ob das Verfahren des R 6a Abs. 13 EStR weiterhin
anwendbar bliebe.
Der Bundesrat hat die Thematik deshalb nochmals
mit gleichlautendem Beschluss in den Entwurf des
AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz eingebracht und den
Bundestag unter Bezifferung des potentiellen Steuer­
ausfalls in Höhe von 20 Mrd. Euro aufgefordert, den
Lösungsvorschlag zu unterstützen. Die Bundesregie­
rung hat dem Antrag des Bundesrats dem Grunde
nach zugestimmt. Zur Sicherstellung des Steuersub­
strates sollen die vorgeschlagenen Formulierungen
durch eine zielgerichtete Regelung weiterentwickelt
werden. Hierzu hat eine Bund- /Länder-Arbeitsgruppe
Vorschläge erarbeitet, die in das Gesetzgebungsver­
fahren eingebracht werden sollen. Allerdings hat der
Finanzausschuss des Bundestags der Forderung des
Bundesrates nach einer rechtsprechungsbrechenden
Regelung in § 5 Abs. 7 EStG wiederum ohne Begrün­
dung nicht zugestimmt (BT Drucks. 17/13562 S 13).
Aufgrund der Zusage der Bundesregierung, das
Anliegen des Bundesrats wohlwollend zu prüfen (BT
Drucks. 17/13036), scheint die momentane Situa­
tion verfahren.
Praktische Konsequenzen
Aktuell hat der Bundesrat einen etwas modifizierten
Gesetzesvorschlag empfohlen (BR Drucks. 376/13).
Danach soll beim abgebenden Unternehmen der
erhöhte Aufwand über 15 Jahre verteilt werden. Das
AIFM StAnpG selbst wurde in den Vermittlungsaus­
schuss überwiesen (ein Verhandlungsergebnis lag zu
Redaktionsschluss noch nicht vor). Geht man davon
aus, dass die Gesetzgebung in absehbarer Zukunft
umgesetzt wird, stellt sich die Frage nach der Ermitt­
lung der zutreffenden originären neuen Zuführun­
gen. Beim Erwerber würde auf den Übernahmewert
aufgesetzt. Die Zuführungen wären dann wohl die
„normale“ Zuführungen im Rahmen des § 6a EStG.
Heinz-Josef Heger
heinz-josef.heger@
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Dr. Manfred Stöckler
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Benefits! 39
Administration & Software
„Viele
„
Unternehmen rechnen mit einer
weiteren Steigerung des bereits hohen
Komplexitätsgrads in der Steuerung der
bAV-Administration.“
Die bAV-Administration im Wandel
Das Anforderungsniveau steigt
Die Verwaltung betrieblicher Versorgungsleistungen erfordert heute deutlich mehr Expertenwissen und
technisch-organisatorischen Aufwand als noch vor ein paar Jahren. Sie hat sich zu einer anspruchsvollen
Management-Aufgabe gewandelt, bei der es eine Vielzahl von Beteiligten, Schnittstellen und Prozessen
sowie große Datenmengen und moderne Kommunikationsinhalte und -medien zu koordinieren gilt.
Komplexität und Schnelligkeit bestimmen das unter­
nehmerische Handeln zunehmend und haben auch
vor der bAV-Administration nicht Halt gemacht. Für
viele Unternehmen sind die Zeiten vorbei, in denen
es genügte, einmal jährlich den versicherungsmathe­
matischen Gutachter mit relevanten Daten zu versor­
gen und fällige Leistungen auf Basis relativ einfacher
Formeln zu berechnen. Heute geht es außerdem
darum, eine ganze Reihe neuer, anspruchsvoller
Herausforderungen zu bewältigen, und dies genauso
schnell wie korrekt.
Ein wesentlicher Komplexitätstreiber ist z. B. die
Plangestaltung. Unternehmen setzen heute vor­
wiegend auf beitragsorientierte Pläne. Die dadurch
entstehende Möglichkeit, den Mitarbeitern den
Wert der betrieblichen Altersversorgung (bAV)
periodengerecht mitzuteilen, ist mit einem hohen
administrativen Aufwand verbunden: Jeder Mitar­
beiter erhält ein individuelles Versorgungskonto,
das mit aktuellen Daten geführt werden muss.
Gleichzeitig hält der Trend zur externen Finanzierung
der bAV an. Häufig werden interne und externe Lösun­
gen kombiniert, z. B. Mischmodelle aus Direktzusage,
CTA und Pensionsfonds. In aller Regel bedeutet dies
mehr Ansprechpartner, wie Treuhänder, Kapitalanle­
40 towerswatson.de
ger oder Versicherer. Mit den Anforderungen an die
Gestaltung und die Steuerung der Prozesse nimmt
auch der Kommunikationsaufwand zu – alle Beteilig­
ten müssen informiert werden.
Auch die Kommunikation mit den Mitarbeitern ist
anspruchsvoller geworden: Sie legen zunehmend
Wert auf betriebliche Versorgungsleistungen und
wollen, auch beeinflusst von Service-Angeboten
aus anderen Lebensbereichen, laufend wissen, wie
es um ihre Versorgungskonten bestellt ist und wie
sie sich unter welchen Voraussetzungen weiterentwi­
ckeln. Ein jährlicher Kontoauszug reicht hier in vielen
Fällen nicht mehr aus, gefragt sind vielmehr ServicePortale und mobile Medien.
Individuelle Konten, häufig mehrere Zusagen pro Mit­
arbeiter, unterschiedliche Durchführungswege, aktu­
elle Information und Kommunikation – Faktoren wie
diese führen zu einem deutlich höheren Anspruchsni­
veau für das Datenmanagement, die Prozesssicher­
heit und die Qualität der bAV-Administration. Neben
aufwändigen technisch-organisatorischen Lösungen
kommt es auch auf die Kompetenz der Administrati­
onsverantwortlichen an – laufende Schulungen und
Audits sind unerlässlich.
Vielfältige Kompetenzen zusammenführen
Zwei Treiber maßgeblich
Wesentlicher Grund für die gestiegenen Anforde­
rungen sind immer wieder neue regulatorische und
gesetzliche Anforderungen wie beispielsweise der
überarbeitete Versorgungsausgleich. Befragungen
von Towers Watson zeigen, dass die Unternehmen
mit einer weiteren Steigerung des bereits hohen
Komplexitätsgrads in der Steuerung der bAV-Admi­
nistration rechnen.
Maßgeblich für die weiteren Veränderungen der
bAV-Administration werden wohl wie in den USA
und Großbritannien zwei Treiber sein:
•• Welche Plandesigns werden sich durchsetzen?
Sollte sich der Trend zu Beitragsplänen mit einem
an angelsächsische DC-Pläne angenäherten Risi­
koprofil fortsetzen, wird die bAV-Administration
aufgrund der hohen Prozessanforderungen und
des wachsenden Kreises der Beteiligten, zu dem
auch Produktanbieter gehören, immer aufwändiger.
•• Mehr Standardisierung, beispielsweise aus europä­
ischer Regulierung, oder (noch mehr) Gestaltungs­
freiheit? Je individualisierter die Pläne, desto mehr
„Systemwettbewerb“, aber auch desto höher die
Anforderungen in der Administration im Sinne einer
hoch spezialisierten Prozesssteuerung. Im Gegen­
satz führt mehr Vereinheitlichung die bAV-Adminis­
tration eher in die Richtung eines standardisierten
Massengeschäfts.
Um in Sachen Governance und Compliance auf der
sicheren Seite zu bleiben, kommt es mehr denn je
auf die Kompetenzen unterschiedlicher Disziplinen
an: Aktuarielles, finanzwirtschaftliches, juristisches
und technisch-organisatorisches Fachwissen gehören
zusammen. Wer für die bAV-Administration verant­
wortlich zeichnet, benötigt deshalb einen substan­
ziellen Überblick – und die Fähigkeit, in komplexen
Situationen alle Perspektiven zu praktikablen Lösun­
gen zusammenzuführen.
Blick auf USA und Großbritannien als weiter
entwickelte Märkte
Wie schnell sich hierzulande die bAV-Administration
entlang dieser Linien entwickeln wird, bleibt abzu­
warten. Die vorgezeichnete Richtung ist jedoch
erkennbar, sie ergibt sich aus dem Grundcharakter
des Geschäfts und den tendenziell vergleichbaren
Rahmenbedingungen. Wer auch künftig eine profes­
sionelle Verwaltungsarbeit leisten will, sollte sich
deshalb schon heute auf das skizzierte Szenario
einstellen.
Und wie geht es in der bAV-Administration weiter?
Anhaltspunkte dafür ergeben sich – bei allen Unter­
schieden – aus einem Blick auf die heutige Praxis
in den USA und Großbritannien.
Hier gibt es bereits starke zentrale Strukturen
mit einer Tendenz zu Cross-Border-Plattformen,
zumindest bei DC-Strukturen. Zertifizierung und
Governance-Fragen haben bereits seit langem einen
wesentlichen Stellenwert. Online-Medien und SelfService-Instrumente sind weitverbreitet, und die
Administration hat die Aufgabe, verschiedene Provi­
der zu managen. Angesichts dieser Anforderungen
verwundert es nicht, dass Verwaltungsarbeiten in
großem Umfang von externen Anbietern geleistet wer­
den, die sich darauf spezialisiert haben, komplexe
Versorgungswerke mit hoher Qualität zu verwalten.
Dr. Michael Paulweber
michael.paulweber@
towerswatson.com
Telefon: +49 7121 3122-983
Abb. 1: Entwicklung der bAV-Administration
Freiheitsräume Gestaltung / Komplexität Regulierung
hoch
niedrig
Spezialisierte
Verwaltung
Hochspezialisierte
Prozesssteuerung
•• Zentrale Strukturen mit Tendenzen
zu Cross-Border (UK)
(heute)
•• Zertifizierung /Governance
?
(vor 15 Jahren)
•• Starke Nutzung Self-Service- /
Online-Medien
•• Provider-Management
Nebentätigkeit
Standardisiertes
Massengeschäft
DB
•• Hoher Auslagerungsgrad
DC
Beitragsorientierung
Benefits! 41
HR-Strategie, Talent & Rewards
„Drei
„
Viertel der Unternehmen haben eine Vergütungsstrategie definiert. Jedoch wird diese nur
bei etwa der Hälfte aus Unternehmensstrategie
oder HR-Strategie abgeleitet.“
Compensation & Benefits - Ausdifferenzierung des Centers of Excellence
Arbeitsschwerpunkte, strategische Einbindung, Ausstattung
Als „Fachabteilung“ innerhalb von HR verantwortet das Compensation & Benefits Center of Excellence
die Vergütungsstrategie und die Vergütungsrichtlinien im Unternehmen. Eine Towers-Watson-Studie
untersucht seine Organisationsform genauer.
In dem Dreiklang von HR Operations, HR Business
Partner und Center of Excellence (CoE) nach dem
Dave-Ulrich-Modell definiert das CoE Handlungsrah­
men, agiert als Produktentwickler und garantiert
neben Best Practices in seinem jeweiligen Gebiet
die Anwendbarkeit dieser Produkte im Business
und im lokalen Kontext. Im Gegensatz dazu über­
nimmt HR Operations serviceintensive Personal­
dienstleistungen. Die Business-Partner gewährleis­
ten die Ausrichtung auf die Unternehmensziele.
Arbeitsphilosophie, typische Leistungen, Technolo­
gie und Ressourcen des CoE für Compensation &
Benefits (C & B CoE) wurden erstmals in einer aktu­
ellen Studie von Towers Watson genauer betrachtet.
Vor dem Hintergrund von Kostendruck und Effizienz­
steigerungsvorgaben zeigt die Studie auch, welche
Trends und Herausforderungen C & B CoE gegen­
überstehen. Für die Studie wurden überwiegend
Unternehmen mit mehr als 20.000 Mitarbeitern im
deutschen Markt befragt.
42 towerswatson.de
Vergütungsstrategie: work in progress
Drei Viertel der befragten Unternehmen haben eine
Vergütungsstrategie definiert (knapp 80 Prozent
eine Unternehmensstrategie). Jedoch wird diese
nur bei etwa der Hälfte der Unternehmen kaska­
dierend und schlüssig aus Unternehmensstrategie
oder HR-Strategie abgeleitet. Bei 30 Prozent stützt
sie sich zumindest partiell auf übergeordnete
Strategien. Für die strategische Verknüpfung von
Unternehmensstrategie und Vergütung gilt also
nach wie vor „work in progress“. Ähnlich verhält es
sich mit der Vergütungsstrategie. Bei der Hälfte
der Unternehmen wird sie gerade erst entwickelt
bzw. besteht aus wenigen Schlüsselguidelines. Auf
einen pragmatischen Mix aus Schlüsselguidelines
und detaillierteren Vorgaben setzen 38 Prozent.
Lediglich 13 Prozent verfügen über ein komplexes,
ausformuliertes Regelwerk.
Wie die Befragung zeigt, tragen C & B CoE vor allem
für Vergütungsstrategie, Pensions- und Ruhestands­
management und Marktbeobachtung die Verantwor­
Abb. 1: Verantwortungsbereiche und Zeitaufwand
20 %
Market Intelligence
18 %
Compensation Mgt.
16 %
% time spent
14 %
Job Evaluation
12 %
Variable Compensation
10 %
Pension/Ret. Mgt.
8 %
Transfers and
expatriate packages
Benefits Mgt.
6 %
4 %
Reward Strategy
Counseling
2 %
Job Description
0 %
0 %
20 %
40 %
60 %
80 %
100 %
120 %
Responsible / Accountable
tung. Ihre wichtigste interne Zielgruppe sind TopExecutives. Die meiste Zeit verbringen Mitarbeiter
des C & B CoE mit Marktbeobachtung (18 Prozent),
Vergütungsmanagement (18 Prozent) und Jobeva­
luierung (zwölf Prozent, siehe auch Abb. 1). Somit
ergibt sich hier eine Abweichung zwischen Prozes­
sen nach Zeit und Verantwortlichkeiten.
Zentralfunktion oder interner Berater
C & B CoE funktionieren sowohl als Zentralfunktion,
die Entscheidungen und Aktivitäten bündelt und
deren Umsetzung an lokale HR-Mitarbeiter oder die
Geschäftsbereiche delegiert, als auch als interne
Beratungsfunktion. In letzterem Fall treiben die
wichtigsten Ländergesellschaften oder Geschäfts­
bereiche spezifische Entscheidungen voran (z. B.
eine spezielle Reward-Strategie). Das C & B CoE
sorgt dann nur für die Ausrichtung wichtigster wert­
schöpfender Entscheidungen an übergeordneten
Vorgaben oder Strategien.
Im Schnitt gibt es für jeweils ca. 5.500 Mitarbei­
ter im Unternehmen einen C & B-CoE-Mitarbeiter.
Insgesamt wird „nur“ ca. 25 Prozent der ­gesamten
C & B-Arbeit im CoE erledigt; den Rest übernehmen
andere HR-Funktionen bzw. die Geschäftsbereiche.
Bei der eingesetzten Software zeigt sich eine
Diskrepanz: Spezialsoftwarelösungen wie Talent /
Rewards gelten zwar als effektivste Lösung (das
zeigt die HR-Service-Delivery-Studie von Towers
Watson aus 2012), haben sich aber in der C & B
Service Delivery bisher noch nicht flächendeckend
durchgesetzt. Allerdings werden sich diese Soft­
ware-as-a-Service-Lösungen (z. B. Talent /Rewards,
SuccessFactors und Taleo) aufgrund ihrer benut­
zerfreundlichen und intuitiven Anwendungen und
Kostentransparenz künftig stärker durchsetzen.
Fazit
Insgesamt hat sich das C&B CoE als Orga­
nisationsform etabliert, befindet sich aber
noch in der Ausdifferenzierung. Es zeichnen
sich allerdings deutliche Merkmale eines
prävalenten Modells wie erkennbare Stra­
tegieanbindung, strukturierte Governance,
Dienstleistungsumfang und Technologieun­
terstützung ab, die sich mittelfristig durch­
setzen werden.
Martin Wolff
martin.wolff@
towerswatson.com
Telefon: +49 69 1505-5167
Franziska Breitling
franziska.breitling@
towerswatson.com
Telefon: +49 89 51657-4813
Benefits! 43
News
„Auf
„
dem Boden der täglichen bAV-Praxis steht
auch die bAV-Konferenz, die Towers Watson
jedes Jahr ausrichtet.“
bAV-Konferenz 2013
Veranstaltung von Towers Watson am 9. Oktober in Frankfurt
den Wünsche und Erfordernisse von Unternehmen
und Mitarbeitern anzupassen. Risiken sind zu über­
wachen und die Pensionspläne ggf. zu optimieren.
Neue Rechnungslegungsvorschriften sind umzuset­
zen, neue Strategien für die Anlage von Pensions­
vermögen im Niedrigzinsumfeld zu entwickeln usw.
Auf dem Boden der täglichen bAV-Praxis steht auch
die jährliche bAV-Konferenz, die 2013 zum siebten
Mal stattfindet. Fachexperten von Towers Watson
sowie Vertreter namhafter Unternehmen stellen
in Vorträgen und Workshops Herausforderungen,
Lösungen und Fallbeispiele vor. Darüber hinaus
bietet die Konferenz Gelegenheit zum Austausch
mit Fachkollegen und -experten.
Änderungs-, Reform- und Verbesserungsvorschläge
für die betriebliche Altersversorgung (bAV) werden
bis zur Bundestagswahl immer wieder für Diskussi­
onsstoff sorgen. In Unternehmen wird über die bAV
jedoch nicht nur geredet, sondern es wird konkret
Hand angelegt. HR- und Finanzverantwortliche stel­
len die Gestaltung von Pensionsplänen in regelmä­
ßigen Abständen auf dem Prüfstand – gilt es doch,
Pensionspläne bestmöglich an die sich wandeln­
44 towerswatson.de
Information und Anmeldung
Das Konferenzprogramm im Einzelnen sowie ein Anmeldeformular
sind demnächst unter http://events.towerswatson.com zu finden.
Die bAV-Konferenz ist eine kostenfreie Veranstaltung, eine vorhe­
rige Anmeldung ist jedoch erforderlich.
Pensionskassen: Tarifgestaltung,
Risikomanagement, Kapitalanlage
Rückblick: Pensionskassentag von Towers Watson
Am 17. April fand in Frankfurt der erste Pensions­
kassentag von Towers Watson statt – eine Tages­
konferenz speziell für Firmenpensionskassen und
deren Trägerunternehmen. In Vorträgen beleuchte­
ten Fachexperten von Towers Watson sowie Pensi­
onskassenvertreter die Ergebnisse der QIS-Studie
(siehe auch Beitrag auf S. 26), die Möglichkeiten
und Risiken der Kapitalanlage im Niedrigzinsumfeld
oder Optionen von Funktionsauslagerungen einer
Kasse einschließlich der Einbettung in eine neue
externe IT-Landschaft.
Insbesondere die Ausführungen zu neuen Trends in
der Gestaltung von Pensionskassentarifen, welche
die dauerhafte Erfüllung der Versorgungsverpflich­
tung gewährleisten, stießen auf ein großes Inter­
esse bei den rund 40 Teilnehmern. Im Einzelnen
ging es dabei um bessere Verteilung von Risiko und
Chance auf alle Beteiligten – Träger, Pensionskasse,
Mitarbeiter. Gezeigt wurden Ansätze zu innovativen
niedrigverzinsten kapitalbasierten Pensionskassen­
tarifen, die in die bestehende Tariflandschaften
regulierter Kassen überführt werden können. Leis­
tungsmaximierung bei Risikoverringerung sind mit
den Instrumenten Solidarfonds und Schattenkonto
keine unauflöslichen Gegensätze mehr; dies wurde
im Plenum intensiv diskutiert.
Die stark gestiegenen regulatorischen Anforde­
rungen an Pensionskassen im Spannungsfeld von
europäischer Aufsicht (EIOPA), Gesetzgeber und
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
(BaFin) wurden in verständliche Elemente eines
angemessenen Risikomanagements aufgeschlüs­
selt. Systematiken zu Regelungen zur Aufbau- und
Ablauforganisation bis hin zu Internen Steuerungsund Kontrollsystemen und Interner Revision wurden
übersichtlich aufgezeigt.
Die Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingun­
gen von Funktionsausgliederungen bei Pensionskas­
sen und verschiedene Beispiele von erfolgreichen
Auslagerungen von Pensionskassenadministra­
tionen wurden ebenfalls genauer ausgeleuchtet.
Der weite Spielraum für Auslagerungen, den die
aufsichtsrechtlichen Mindest­anforderungen an das
Risikomanagement (Ma Risk VA) zulassen, erlaubt
die partielle Übertragung von Funktionalitäten bis
hin zur praktisch vollständig externen Verwaltung
einer Pensionskasse, so dass Unternehmen sich
wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können.
Eine (qua Gesetz als Institution nicht vorgesehene)
externe Geschäftsstelle dient dann als Koordinator
aller denkbaren Schnittstellen einer Kasse. Die Aus­
lagerung selbst von Vorstands- und Revisionsfunkti­
onen waren Gegenstand interessierter Diskussionen
im Teilnehmerkreis.
Zuletzt wurde in einem Praxisbeispiel der Umwand­
lungsprozess eines Lebensversicherers in eine
regulierte Pensionskasse mit gleichzeitiger Einfüh­
rung eines neuen externen IT-Verwaltungssystems
vorgestellt. Wie häufig bei kleineren bis mittleren
Kassen sind vorhandene IT-Systeme kaum mehr an
aktuelle Anforderungen heranführbar. Die Refe­
renten zeigten, dass es trotz einer Vielzahl von
zu überführenden Tarifen in ein neues IT-System
möglich ist, mit vertretbarem Aufwand auf eine
neue und leistungsfähige EDV-Plattform als RemoteSystem umzusteigen, das alle Administrationsund Reporting-Aufgaben „auf Knopfdruck“ erfüllt.
Benefits! 45
News
75 Jahre Arbeitsgemeinschaft für
betriebliche Altersversorung
Noch viel zu tun / bAV-Verbreitungsoffensive gefordert
Die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersver­
sorgung e. V. (aba) feierte im Mai ihr 75. Jubiläum.
Der Fachverband für betriebliche Altersversorgung
(bAV) in der Privatwirtschaft und dem öffentlichen
Dienst meldete sich aus diesem Anlass mit der
Forderung nach einer bAV-Verbreitungsoffensive
und der Korrektur von Fehlentwicklungen zu Wort.
Die bAV müsse für Arbeitnehmer attraktiv und für
Unternehmen handhabbar bleiben. Die EU-Niedrig­
zinspolitik belaste die bAV, zumindest Aufsichts- und
Steuerrecht müssen dringend angepasst werden.
Drohende Fehlanreize wie Solvency II, Finanztrans­
aktionssteuer und praxisferne EU-Standards müs­
sen dringend verhindert, steuerliche Restriktionen
schleunigst abgebaut werden. Politik und Sozialpart­
ner sollten die Vorteile kollektiver Modelle nutzen und
angesichts wachsender Versorgungslücken gemein­
sam eine bAV-Verbreitungsoffensive starten.
tenzial, und ausgerechnet hier droht eine kontra­
produktive Mischung, wie es sie seit Jahrzehnten
nicht gegeben hat“, erklärte der aba-Vorsitzende
Heribert Karch. „Es muss der Weg geebnet werden
für eine bAV-Verbreitungsoffensive von Politik und
Sozialpartnern“, forderte Karch. „Gerade jetzt, wo
wir das Engagement aller Akteure für gute Betriebs­
renten dringender brauchen denn je, müssen die
schleichenden Fehlentwicklungen der letzten Jahre
schnellstens korrigiert werden.“
Towers Watson verbindet eine langjährige Zusam­
menarbeit mit der aba. So ist Dr. Reiner Schwinger,
Managing Director von Towers Watson Deutsch­
land, Mitglied des aba-Vorstands. Weitere Fachex­
perten von Towers Watson engagieren sich in den
Fachvereinigungen und Fachausschüssen der aba.
„Kein System der Kapitaldeckung ist so effizient
wie die bAV, keines genießt so hohe Wertschät­
zung der Arbeitnehmer, keines ist weltweit so
erfolgreich, keines hat so hohes Verbreitungspo­
Towers Watson unter den wichtigsten 25
Management-Beratungen in Deutschland
Aktuelle Lünendonk-Liste
Towers Watson zählt erneut zu den Top-25-Ma­
nagement-Beratungen in Deutschland. Auf der sog.
Lünendonk-Liste, die im Mai 2013 veröffentlicht
wurde, ist Towers Watson auf Platz 16 geführt. Das
Marktforschungsunternehmen Lünendonk veröf­
fentlicht dieses Ranking seit einigen Jahren. Es ist
eine der wesentlichen Quellen für Unternehmen,
um sich über die Größe und die Player im Berater­
markt zu informieren.
Nach Schätzungen des Bundesverbands Deut­
scher Unternehmensberater BDU e. V. sind auf
46 towerswatson.de
dem gesamten deutschen Unternehmensbera­
tungsmarkt fast 15.000 Unternehmen als Anbieter
tätig. Aus dem Kreis dieser Unternehmen hat die
Lünendonk GmbH, wieder die 25 Gesellschaften
ermittelt, die im Jahr 2012 die höchsten Umsätze
in Deutschland erzielt haben und jeweils mindes­
tens 60 Prozent ihres Umsatzes bzw. signifikant
hohe Segmentumsätze mit klassischer Manage­
mentberatung erwirtschaften.
Über Towers Watson
Towers Watson ist eine der führenden Unternehmens­
beratungen weltweit und unterstützt seine Kunden, ihren
Unternehmenserfolg durch ein effektives HR-, Finanz- und
Risikomanagement zu steigern. Weltweit sind wir mit rund
14.000 Mitarbeitern vertreten, in Deutschland mit ca.
800 Mitarbeitern an den Standorten Frankfurt, Köln, Mün­
chen, Reutlingen und Wiesbaden. Wir entwickeln Lösungen
für die betriebliche Altersvorsorge und Nebenleistungen,
für das Personal- und Vergütungsmanagement sowie das
Risiko- und Finanzmanagement, einschließlich der Beratung
von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen.
Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung bietet Towers
Watson die Expertise, um Unternehmen weltweit bei der
Gestaltung, dem Finanzmanagement, der Administration und
der Kommunikation der verschiedensten Versorgungspläne
zu unterstützen. In Deutschland haben die Experten von
Towers Watson zahlreiche bAV-Neuordnungen bei großen
Unternehmen gestaltet und dabei die Gestaltungsmodelle
für Pensionspläne maßgeblich weiterentwickelt. Fast alle
derzeit zugelassenen Unternehmenspensionsfonds wurden
bzw. werden von Towers Watson beraten.
Ebenso ist Towers Watson ein führender Anbieter im stark
wachsenden Markt der bAV-Administration (betriebliche Ver­
sorgungswerke, Unterstützungskassen, Pensionsfonds, Pen­
sionskassen etc.) und weiterer Long-Term Employee Benefits
(z. B. Zeitwertkonten). Ein Mehrwert für zahlreiche Kunden
wird durch effiziente Administrationslösungen, zertifizierte
Prozesse und transparente, planbare Kosten geschaffen.
Towers Watson verwaltet mehrere hunderttausend Versor­
gungsanwartschaften und rechnet über einhunderttausend
Betriebsrenten ab.
Experten von Towers Watson sind als anerkannte Spezia­
listen aktiv beratende Mitglieder in zahlreichen Verbänden,
Arbeitsgemeinschaften und Organisationen. Ebenso sind sie
gefragte Fachautoren und Referenten für zahlreiche Semi­
nare und Vorträge. Towers Watson führt regelmäßig Studien
zu HR-, bAV- und Risikomanagement durch.
Unsere Büros in Deutschland
Frankfurt
Reutlingen
Kontakt Redaktion Benefits!
Eschersheimer Landstraße 50
60322 Frankfurt
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TW-EU-D-0195 Juli 2013
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