Berichte Jubiläumswanderritte 2011
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Berichte Jubiläumswanderritte 2011
Muttertagsritt zum Café Gudhorst am 7. Mai 2011 Der diesjährige Muttertagsritt wurde auf den Sonnabend vorgezogen – Konfirmationstermine machten es notwendig; dem unvergleichlichen Vergnügen, lange Waldwege an einem herrlichen Frühlingstag flott zu reiten, tat dies keinen Abbruch. Immer wieder locken die Wälder östlich von Wolfsburg: Sarling, Lappwald, Bisdorfer Forst und Rottorfer Ölper haben lange, gut bereitbare und ungestörte Waldwege zu bieten. Am Zielort, Rottorf am Klei, erwartet uns sehr freundliche Aufnahme für Pferd und Reiter: Paddockwiese mit frischem Grasbestand (extra für diesen Besuch noch nicht gemäht!), ein Tränkteich mit kühlem Wasser und für uns Reiter kulinarische Stärkung aus biologischen Zutaten. Das Café Gudhorst ist weit über die Wolfsburg-Helmstädter Region hinaus als Tagungsstätte und Ausflugslokal bekannt. Das ganze Anwesen ist unter ökologisch-ganzheitlichen Gesichtspunkten angelegt und bewirtschaftet. Beginnend bei den Baumaterialien, der Energiegewinnung und Wasserbewirtschaftung, den Seminarangeboten und der Gastronomie steht alles unter einem überzeugenden weil umweltschonenden Gesamtkonzept. Wir Reiter freuen uns bei jedem Besuch, dass wir hier Gäste sein dürfen. Drei „Premieren“ hatten wir auf diesem Muttertagsritt: Liv, 8 Jahre, ritt auf Snerpa, dem Pferd ihrer Mutter, die volle Strecke von 35 km mit und war kein bisschen müde. Jacqueline und ihr neues Familienmitglied Grímur meisterten den Hinweg vorbildlich; Grímur zeigte sich ganz als Sohn seines bei allen Reitern beliebten Vaters Myrkvi und war fleißig, brav, aufmerksam und zuverlässig. Dass Jacqueline, in Gudhorst angekommen, „fix und fertig“ war, lag an ihrer wilden Fantasie und dem Film (den sich ihr Innenleben bastelte), in dem sich die dollsten Geschichten mit schnaubenden, tobenden, durchgehenden und anderweitig wild gewordenen Rössern abspielten. Zur Glättung der Nerven (bzw. zur Schonung von Grímur) stand ihr für den Rückweg Myrkvi zur Verfügung. Für Anette war dieser Ritt insofern eine Premiere, weil sie ihren Ófeigur zum ersten Mal ohne „Eskortenreiter“ an der Seite auf einem Fernritt dieser Länge ritt – er hat sie 35 km lang mit schönen Gängen und bewundernswerter Unerschrockenheit erfreut. Kathis Brüder … Ach, es war so ein schöner Ritt … Das Foto, für dessen Erstellung wir Monika Keeb, die beim Knipsen ganz offensichtlich mitten im Teich stand, danken, zeigt, dass ein paar Pferde Angst vor dem Tod durch Ertränken hatten; das Aufstellen für das Gruppenfoto dagegen nahmen sie entspannt hin. Mit unterwegs waren: Anette mit Òfeigur, Anita mit Jóna, Christina mit Ögri, Claudia mit Bjarki, Jacqueline mit Grímur, Kathi mit Svartur und Svalur, Klara mit Egill, Liv mit Snerpa, Ralph mit Atli, Sabine mit Brellir, Simone mit Lítill und einige nette Gäste, die uns zum Mittag besuchten. M.-K. Petersen-Rauhaus Himmelfahrtsritt zum Klieversberg Ein wenig Südwind … … nahm Allah und schuf damit das arabische Pferd, das erklärte uns Renate; Odin mischte ein paar wilde nördliche Winde unter und schuf so das Islandpferd, das wissen alle Islandpferdereiter. Am 2. Juni, dem Himmelfahrtstag, waren wir um 8 Uhr morgens schon unterwegs auf diesen Pferden, die unverkennbar arabisches Temperament entwickeln können und in der Mähne den nördlichen Sturm tragen. Seit zwei Jahrzehnten reiten wir an diesem Tag zum Klieversberg, der höchsten Erhebung im Wolfsburger Land. Ein Frühlingstag mit allen Vorzügen lockte und die 14 Kilometer lange Strecke war in kaum mehr als einer Stunde geschafft. Die alten Hasen – äh, Pferde – kennen schon den Platz, an dem hoch über der Stadt Wolfsburg der gemeinsame Gottesdienst aller Wolfsburger Kirchengemeinden stattfindet. Eigentlich wollten sie auch dieses Jahr von oben, mitten durch Menschenmenge, parkende Autos und Sitzbankreihen, Lautsprechersoundcheck einreiten, aber mit Rücksicht auf die Kabelgewirr und den erstmals teilnehmenden „Frischlinge“ kamen wir durch Wald und Büsche plötzlich aus dem Nichts den Klieversberg herauf geritten, wie Perlen auf einer Kette folgte ein Pferd dem anderen auf dem schmalen Pfad im hohen Gras. Die Ankunft ist wie immer vorbereitet: Auf die Pferde wartet das Morgenmahl (Abendmahl hatten sie schon zu Hause), die Paddocks stehen bereit und nachdem der Arbeitsschweiß in das Gras eingearbeitet ist, wird „gemäht“ – schön, dass das Grünflächenamt der Stadt Wolfsburg uns das Gras zum Abweiden stehenlässt. Superintendent Lenke hielt seine letzte Predigt auf dem Klieversberg (weil er Wolfsburg verlässt) und wir wissen, wie wahr seine Worte sind. Wohnungsnehmer auf dieser Erde sein zu dürfen, ist eine Aufgabe, ein privilegierter Auftrag; nur wenn wir mit Umsicht und Respekt diese uns anvertraute Erde behandeln, können unsere Nachkommen noch auf ihr leben. Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings, dass das menschliche Tun eher dem von Mietnomaden ähnelt, denn wir bemühen uns, das Land einzumüllen, die Meere zu vergiften und die Luft zu verpesten. – Im Anschluss an den Gottesdienst gab es eine kleine Kanongesangsübung; eine liebe Nachbarin vom Hof Welkensiek musste zu ihrem Geburtstag mit einem Ständchen geehrt werden – klappte dann auch, als wären wir die Wiener Sängerknaben. Den Rückweg traten wir nach einer mittäglichen Suppenstärkung, gereicht von den Pfadfindern, an. Und diesen Rückweg reiten wir gerne mal so richtig ein Stückchen durch die Stadt, drücken die Ampeln rot für die Autofahrer, nehmen mit unserer 17-Reiter- Mannschaft geordnet ganze Straßenbreiten ein, machen ein Hufgetrappellärm, dass es von den Häuserwänden schallt und grüßen lächelnd in alle Richtungen, denn immer wieder werden wir von „Sympathisanten“ erkannt. Wenn eine Reitertruppe unterwegs ist, müssen Kommandos von vorne nach hinten weitergegeben werden. Auf diesem Ritt klappte da gar nichts; ob Schwerhörigkeit vorgetäuscht oder Lust auf Stille Post alle Kommandos ruinierte, ließ sich nicht feststellen. Ein möglicher Grund könnte sein, dass Renate ihrer Hetja himmelhochjauchzenden geistlichen Beistand gab, indem sie ihr mehrmals alle 12 Strophen von Die güldne Sonne in notenreinem Gesang vortrug. Die feine samtgraue Stute hat den Einsatz ihrer Reiterin mit gutem Benehmen und Ohrenwackeln honoriert. Dass es Renate an diesem Tag so gut ging und sie einfach singen musste, lag wohl auch daran, dass ganz Italien – ihr Mann Armando und ihre beiden Töchter haben italienische Staatsbürgerschaft - auch feierte, nämlich den Unabhängigkeitstag. Gegenüber dem VW-Bad ist vor einigen Jahren ein schönes Gebäude errichtet worden, eine blaue Moschee; und vor der blauen Moschee steht eine uralte Hainbuche. ´Uralte Buchen / sollst du suchen / musst sie umkreisen / ihnen deine Wünsche weisen´ - haben wir gemacht, stumm und andächtig sind wir rundherum geritten und haben uns was Schönes gewünscht. Allerdings wäre es gut zu wissen, ob man für umfangreichere Wünsche auch mehrere Runden drehen muss … Am Hasselbach entlang ging es dann in einem Hui, an der Steimschen Schweiz vorbei nach Barnstorf, dann noch ein kleiner Abstecher – weil´s so schön war – durch den Wald und schon saßen wir glücklich bei Kaffee und Kuchen, schmeckte fabelhaft, auf dem Hof in der Himmelfahrtsnachmittagssonne und hatten uns was zu erzählen. Mit unterwegs waren an diesem 2. Juni 2011: Alexa mit Seiður, Anke mit Ögri, Anita mit Jóna, Anna K. mit Laufey, Anna N. mit Bjarki, Inga mit Myrkvi, Karl mit Alskær (und Blesi), Kathi mit Svartur, Kerstin mit Rügen, Kira B. mit Blesi (und Alskær), Kirsten mit Snerrir, Lena mit Álka, Liv mit Snerpa, Ralph mit Atli, Renate mit Hetja, Sabine mit Brellir, Silke mit Reginn (seit 6 Jahren mal wieder!!!) und Simone mit Lítill. Für´s Equipment sorgten Udo und Markus - danke dafür! M.-K. Petersen-Rauhaus Elm - Dorm - Ritt 2011 Pfingsten ist Frühling, die Landschaft lockt und wem danach zumute ist, der freut sich über einen Ausflug. Uns war am Pfingstsonnabend danach und um 14 Uhr ging´s los. Das südliche Hindernis von Heiligendorf aus ist immer die Schunter. Nachdem wir sie bei Glentorf überquert hatten, begann der Ritt interessant zu werden: Wir ritten auf der noch existierenden Trasse der Bahnstrecke Salzwedel – Braunschweig. Ein bisschen eigenartig fanden wir die Menge an diversem Ackergerät, am Rande des Bahndamms abgestellt und vor sich hin rostend; Ralph wusste, woher der Kram stammte: vom letzten Krieg. Aha! Schnurgerade - nein bahndammgerade - geht es Richtung Süden und ehe wir uns versehen, haben wir Scheppau erreicht. Die Elmhöhen und Bornum schon voraus im Blick, reiten wir entlang des westlich von uns gelegenen Lenebruchs, der im Gegensatz zu seiner Bezeichnung (Bruch = Niederung) einen Höhenzug bewaldet, östlich sieht man den Rieseberg liegen. Dazwischen eine flotte Strecke durch freie Feldmark geritten und schon sind wir in Bornum angekommen, keine drei Stunden, wir staunen über das Tempo unserer Pferde. Kurz vor Bornum queren wir die Bahngleise der Strecke Braunschweig- Helmstedt; will man über die alte Lüneburger Salzsstraße Bornum erreichen, kommt man an ein Kuriosum. Dort steht vor verschlossener Schranke eine Art Telefon in der Landschaft und da hinein muss man seinen Querungswunsch äußern, damit sich wie von Geiserhand die Schranke öffnet; auf der anderen Seite muss man melden, dass man angekommen ist und die Gleise wieder frei sind; erst dann senken sich die Schranken wieder. Das Ding steht schon seit mindestens 30 Jahren in der gleichen Funktion dort. Der „Lindenhof“, eine traditionelle Herberge in Bornum, ist das Menschenquartier, im Grasgarten vom Bornumer Kaiser - der Mann heißt mit Nachnamen so - durften die Pferde Kraft tanken. Das Pferdetränkwasser musste von gegenüber geholt werden und war wahrscheinlich Weihwasser, denn es sprudelte direkt und quellfrisch unter der Kirche hervor. Früher gab es an dieser Wasserstelle zwei große steinerne Bottiche, die als Viehtränken und für den landwirtschaftlichen Wasserbedarf genutzt wurden; die Bornumer Kinder saßen an den warmen Sommertagen zu ihrem Vergnügen bis zum Hals in den beiden „Badewannen“ und betrachteten das Leben, das sich vor ihnen auf der Dorfstraße abspielte. Der Lindenhofwirt, ein Mann von ca. 40 Jahren, hat aus eigenem Erleben davon berichtet. Die vielen Quellen am Elmfuß führen klares, sauberes Wasser, allerdings enthält es reichlich Elmkalk. Nicht trinken, ist gefährlich, warnte Ralph deshalb auch, verkalkt man! Wir haben uns an Wein und Bier gehalten, scheint ungefährlicher, denn davor hat Ralph nicht gewarnt. Ach, ja, dazu haben wir Spargel, Spargel, Spargel gegessen, war ja schließlich Spargelzeit. Spargelstark haben wir Pfingstsonntagmorgen ausgemistet; der Kaiser von Bornum wollte die Pferdeäppel lieber auf seinem Komposthaufen als auf der Wiese haben, konnten wir auch verstehen. Überraschend war aber, dass die Pferde, anders als zu Hause im Auslauf, wo sie pro Pferd die ganze Woche zusammen nur eine Karre voll scheißen, hier in einer Nacht ihre Wochenration abgedrückt hatten – schweißtreibend, was wir zu misten hatten! Unser Sonntagmorgenziel war „Dianaruh“, ein Räubergasthaus, oben am Elmrand gelegen. Mehr als 1000 Meter quälten wir uns nach oben, nein, nicht senkrecht, aber fast wie senkrecht!!! Der Blick von oben entlohnte die Mühsal – in stiller Morgenschönheit lag die Landschaft uns zu Füßen, ein Milchhimmel darüber ausgebreitet. Wir wurden freundlich bewirtet, die Pause tat gut, Susanne konnte ihrer bösen Zahnwurzel hier eine verpassen, eine Tablette nämlich. Als wir aufsaßen, wussten die Pferde, dass wir nun endlich in Form waren: Kammerholz, Lauingerode, Schoderstedterholz, Hainholz, Badeholz, allesamt Waldbezeichnungen im Elm, durchritten wir und schon lag Königslutter hinter uns, acht Kilometer schöne Elmwege zum flotten Reiten. Und die Wege beinahe für uns allein. Den kleinen Hunger zwischendurch stillten wir in Kirschenallee - komme, was wolle, reife Kirschen kann man doch nicht hängen lassen; danach waren wir satt, hier und da fing unterwegs was an zu rumoren. Flott runter vom Elm, durch das Tal der Schunter, hinter Schickelsheim kommt Groß Steinum am Dorm und dahin kommt unser Mittagessen gefahren. Schnell noch einmal steil aufwärts, im Galopp, die Pferde sind richtig gut in Form. Am Waldrand ist Mittagsrast, von oben ein atemberaubender Blick! Das Tal der Schunter liegt im stillen, sanften Mittagslicht, die Stimmung eines entrückten Pfingstsonntags fängt uns ein und verzaubert alle. Kaum möchten wir diesen andächtigen Ort verlassen. Der angereiste „Pfingstbraten“ bestand übrigens aus Tomatenmozarellasuppe, Brot, Eiern, Säften und Kaffee zur Linzer Torte, schmeckte gut. Die weitere Wegstrecke belohnt unseren Aufbruch - wir reiten den Dormhöhenweg in seiner ganzen Länge und nicht einer Menschenseele begegnen wir. Bei Beienrode klettern wir vom Dorm wieder herunter und wir Flachlandindianer fühlen uns ein kleines bisschen wie in den isländischen Bergen. Inzwischen kennen die Pferde unseren geheimen Durchschlupf unter der A2 und finden nichts mehr dabei, wenn über uns der Verkehr dröhnt. In Neindorf sind wir nett zu den Pferden und machen anstelle von Wanderritt Wandermit, ist für die Geschmeidigkeit der Reiter auch gut. Dass wir Atli damit zu neuen Einsichten über die reiterlichen Aufstiegsvarietäten seines Herrn verhalfen, konnten wir nicht ahnen. Im Bilde festgehalten wurden folgende Phasen: Vom Findling aus - hebt sich das Reiterbein über den Pferdehals (Verwunderung bei Atli!), - gerät schwungvoll in den sogenannten Halssitz (Atli wiehert vor Lachen!), - durch mühevolle Korrektur erreicht der Reiterhintern irgendwann den Sattel (Atli atmet auf) - und der Ritt kann in angemessener Form fortgesetzt werden (Atli entspannt!). Alles gut, Knie verdreht, aber der Ritt endet eh nach wenigen Kilometern. Ehe Udo es gedacht, war die Reiterei schon wieder auf dem Hof angelangt, es gab kalten Kaffee, warmen Saft, Hasenbrote und angeditschte Eier, also die Reste; um die Reiter wieder in Bewegung zu bringen, musste Keks geholt und Kaffee nachgekocht werden – erst nach dieser Stärkung konnte der Ritt für beendet erklärt werden. Mit unterwegs auf den waren: Anette mit Ófeigur, Anita mit Snerpa, Claudia mit Jóna, Kathi mit Svartur und Svalur, Ralph mit Atli, Sabine mit Brellir, Simone mit Lítill, Susanne mit Birkir, Udo, Markus und Monika, die uns mit Mittagessen versorgten bzw. im Lindenhof mit uns Pfingstsause feierten. M.-K. Petersen-Rauhaus Boddenrundritt 2011 Seidenhimmel und Samtluft - nur so kann man die Steigerung vom vorjährigen Kaiserwetter zum diesjährigen Herbstlüftchen beschreiben: sanfte 17ºC, zärtliche Brise unter einem milchblauen Himmel und ab und zu ein schnatternder Gänsekeil über uns – so starten wir am letzten Septemberfreitag vom Islandpferdehof Fischland in Niehagen / Ahrenshoop zum Boddenrundritt, auf dem wir in den nächsten drei Tagen unterwegs sein werden. Nach wenigen Metern beginnt schon die Show: Mitreiter Uli zeigt, was ein Mann kann und kullert unbeabsichtigt - mit Judorolle vom Pferd; davon angeregt führt Anita den geschmeidigen Kniefall in die Modder vor und ein Fahrradfahrer legt sich vor uns platt auf den Weg – „wäre aber nicht nötig gewesen“, teilen wir ihm feinfühlig mit. Unsere reiterliche Gemeinschaft wird im Laufe der nächsten 24 Stunden durch eine zweimalige „Nachhut“ aufgefüllt; für eine Lehrerin und einen Landwirt samt schulpflichtigem Nachwuchs sind am Freitag noch Schulbesuch bzw. Ernte angesagt. Der Ritt durch den Darß ist immer wieder ein Erlebnis der besonderen Art; die beschatteten Sandwege sind tempofreundlich und es wird mit großem Vergnügen schnell geritten und viel getöltet. Tobias belehrt uns auf dieser Wegstrecke, dass er „eigentlich nicht tölten könne“, was sein Pferd Snerrir zum Glück aber nicht weiß und zur Freude des Reiters macht, was es will, nämlich tölten. Über Drei Eichen, den Großen Stern und Peters Kreuz, allesamt markante Wegemarken im Darß, sausen wir nach Prerow an die Nordspitze der Halbinsel; dort ist Mittagsrast. Wie immer ist alles nett vorbereitet, für die Pferde ist die „Wäscheleine“, ein Anbindeseil, gespannt, Tränkwasser steht bereit und je nach Temperament wird gedöst oder in der Gegend herumgeguckt; in Sichtweite verschwinden in den Reitermägen Lachs auf Spinat, Scholle in Butter, Darßer Hirschmedallions oder Soljanka mit Salat. Die Sonne streichelt uns, wir - mit unseren gefüllten Mägen - fühlen uns rundum wohl, so wohl, dass sich Schläfrigkeit breit macht. Aber die längere Tagesetappe liegt noch vor uns, also scheucht Olaf, unser Reiterchef, uns auf. Ab hier sind auch Maria und Eike mit ihren Pferden Leifur und Atli dabei. Am Deich entlang vorbei am Hafen stoßen wir auf die alte Bahntrasse und das Bahnhofsgebäude, ein gut erhaltenes, gepflegtes Bauwerk. Es existieren Pläne, die alte Darßbahn, die von 1910 bis 1945 in Betrieb war, wieder zu beleben; ob sie allerdings in Zeiten des Individualverkehrs von den Gästen angenommen wird, scheint fraglich. Nach einer langen, feinen Galoppade (wegen der enormen Regenmengen der letzten Wochen mit einem vorausgeschickten Scout) über die südlichen Freesenbruchwiesen erreichen wir Timmort, den letzten Vorposten der Halbinsel, bevor wir den Meiningenstrom überqueren wollen. Staunend stehen wir vor der blanken Wasserfläche – die Pontonbrücke ist weg! Jahr für Jahr sind wir mit unseren Pferden über das schwimmende Ungeheuer gewandert und haben uns gefreut, wenn die Pferde mutig über das metallene Wabbelding marschierten. Pioniere der NVA hatten diese Behelfsbrücke 1980 innerhalb von 15 Tagen gebaut, weil der bauliche Zustand der Meiningenbrücke eine dringende Renovierung notwendig machte; da die Arbeiten aber nur durchgeführt werden konnten, wenn kein Verkehr über die alte Brücke floss, musste eine Behelfsquerung errichtet werden. Geldmangel erledigte die Pläne für eine zweispurige neue Brücke und was eigentlich als Übergangslösung gedacht war, blieb 31 Jahre bestehen. Nun ist das Behelfsding, das wir schon liebgewonnen hatten, einfach weg. Wir tippeln also mit unseren Pferden im Gänsemarsch auf der an der Ostseite befindlichen Fußgängerspur über die alte Meiningenbrücke; begegnen darf uns keiner, denn für zwei nebeneinander reicht der Platz nicht; einige wenige Fußgänger verstecken sich denn auch ängstlich in den Zwischenräumen der Stahlkonstruktion, um nicht zwischen Pferdebauch und Geländer plattgedrückt zu werden. Bei jedem Schritt kann man durch die Zwischenräume nach unten in das Boddenwasser sehen – die Pferde marschieren mit Desinteresse an den Abgründen hinter uns Reitern her. Bresewitz, unser erstes Quartier auf dem Festland, erreichen wir pünktlich; Pferde versorgen und dann zum Abendessen – das Duschbad kann warten, wir haben Hunger. Nach einem guten Abendessen wandern wir satt und glücklich unter einem unglaublichen Sternenhimmel zur Boddenperle, über uns ist die Nacht voller Kranichgesang. Die Zusammenstellung der nächtlichen Wohngemeinschaften richtet sich danach, bei wem welche Geräusche zu erwarten sind: ASSA (Anette, Sabine, Simone, Anita) lachen am meisten (was die Verfasserin damals nicht wissen konnte und sollte: die ASSA-Bande bereitete heimlich ein Jubiläumsevent vor und hatte enormen Spaß dabei!), Maria, Eike und Olaf wollen ihre Ruhe haben, Kathi erklärt sich unempfindlich für die Schnorchelgeräusche ihres Schwiegersohns Tobias und Uli und Ole sind familiär abgehärtet – alles passt und wir schlafen wunderbar. Frühes Frühstück, früher Aufbruch sind angesagt, die Tagesstrecke ist lang; Kraniche, soweit Auge und Ohr Himmel und Erde erfassen können. Kranichkinder sind übrigens nicht anders als Menschenkinder; durch ihre hellen Stimmchen unterscheiden sich von den Altvögeln deutlich, und sie schubsen und rempeln, überholen und tanzen aus der Reihe – wie Menschenkinder, nur alles in der Luft und keiner fällt dabei runter. Zum Frühstück bei Marten sind wir vollzählig; Tillman, Paul, Bjarki und Svalur schließen sich uns an. Die schöne Galoppstrecke nach Pruchten führt in weiten Bögen einen zwei Kilometer langen Wiesenweg entlang, seitab glänzt die Wasserfläche des Bodden, der Morgen ist wie aus dem sprichwörtlichen Ei gepellt: blank und frisch! Ein von Schweinen wild bearbeiteter Maisschlag bremst für kurze Zeit unseren Vorwärtsdrang, danach zwitschern wir als einsame Reiter Kilometer für Kilometer durch das Barther Stadtholz – wir befinden uns streckenweise auf einem anderen Planeten! Die Mittagsrast auf dem Damwildhof in Damgarten-Ausbau ändert daran nichts, denn das Essen schmeckt vorzüglich, die Sonne scheint warm, die Pferde grasen, alles und alle sind entspannt. Alle, nur einer nicht: Atli vom Fischland plant den überfälligen Angriff auf sein Feindbild Brellir aus Wolfsburg - dem schwarzen, flinken Kerl möchte er einmal kräftig in die Backe beißen, weil er aber nicht richtig zielt, beißt er nur die Trense und der Überfall verendet kläglich. Aus unserem Paralleluniversum tauchen wir jäh auf, als ein junger Mann, fast nackt, auf seinem Minimoped wie der sprichwörtliche Affe auf dem Schleifstein um die Ecke karrt, uns seine Unterhose samt schlachtreifem Bauchumfang vorführt und uns so einen zwerchfellkrampfenden Lachanfall verursacht - hat man Ähnliches je gesehen … und das mitten in Damgarten (das ist eine Stadt, aber eben eine in Pommern!). Mit der Überquerung der Recknitz haben wir Vorpommern hinter uns gelassen und befinden uns in Mecklenburg. Die Bernsteinstadt Ribnitz umreiten wir südlich und über den Rostocker Landweg, einem alten, viel benutzten Verkehrsweg, erreichen wir Petersdorf. Nun ist es nicht mehr weit bis nach Klockenhagen, unserem nächsten Nachtquartier. Wir gehen viel Schritttempo, was der Gegend angemessen ist. Wer auf der Suche nach alten Apfelsorten ist – Mecklenburg ist ein Apfelparadies! Jeder Apfelbaum auf dieser Strecke ist uns ein Bekannter und muss gekostet werden. Auch in diesem Jahr wieder alle köstlich, der Krummstiel, Ontario und Glockenapfel. Klockenhagen kommt in Sicht, die Pferde werden zur Nacht auf die Wiesen entlassen und wir machen es uns nebenan im Honigdieb bequem. Es wird gemütlich und spät. Der dritte und letzte Reittag überrascht uns nach dem ersten Kilometer mit dem Anblick eines käsestarrenden Sockenpaares an einem Verkehrsschild in ca. 2m Höhe – was sollen sie uns sagen? Aber nach Ringelnattern, dem Mopednackedei, einem Dickbauchfrosch, den unvertreibbaren Brüllmücken und Kaninchen auf Gartentoren kann uns nun auch kein Sockengeist mehr in Unruhe bringen; nicht nur Pommern ist voller Überraschungen, Mecklenburg hat auch was zu bieten! Zum Mittagessen gibt es Waldpilzsuppe und Wildbouletten im Pilzmuseum, während unsere Pferde im Wald stehen und dösen – schon wieder geht es uns sooo gut. Herr Kunde, einer der Pilzberater des Kreises, putzt gerade einen Berg von eben gesammelten Pilzen und die essbare Artenvielfalt und sein so nebenher geplaudertes Wissen dazu begeistert uns. Durch die Ribnitzer Heide, die keine Heide sondern ein für Reiter perfekt erschlossener Wald ist, reiten wir nach Dierhagen Strand, natürlich wieder direkt in eine Lokalität; hier gibt es Eis, Cappucino und ähnliche Leckerein. Die Pferde legen währenddessen die Schwimmflossen an, denn sie wissen: gleich geht es an den Strand. Und dann kommt die Enttäuschung – soweit das Auge blickt, sind ANDERE auch schon am Strand; verständlich, das herrliche Wetter lockte sie. Hier zeigt sich, dass auch Pferde besondere Interessengebiete haben. Während Svalur bis zum Abwinken tief in die Ostsee hinein möchte, kann sich Svartur nicht sattsehen an den Nackten und rennt mit seinem verständnislosen Reiter immer im Zickzack an die Dünenkante, um hinter die Sichtschirme zu glotzen. Irgendwann aber haben wir die Pferdebande „auf Spur“ und ziehen durch das kristallklare Wasser nach Norden. Gebadet haben wir nicht, wir sehen am Ende aber trotzdem aus als hätten wir. Anita, die auf der Anreise herumgetönt hatte, dass sie gemeinsam mit ihrer Snerpa richtig baden, sogar schwimmen, gehen wollte und dafür anstelle von Unterwäsche tagelang ihren Badeanzug trug, gebärdete sich an diesem Nachmittag irgendwie aquaphobisch; ein Riesensprung sorgte dafür, dass sie sich samt Pferd plötzlich - platsch - im tiefen Wasser wiederfand, jetzt allerdings ohne die Vorsorgebadebekleidung. An der Seebrücke in Wustrow werden wir melancholisch, wir nähern uns dem Ende des Rittes. Noch ein Tölttänzchen auf dem Gullydeckel vor dem öffentlichen Wustrower Klo und nach einem Kilometer sind wir auf dem Island-Pferdehof Fischland und der Ritt ist vorbei. Wir danken Olaf Fretwurst, dem Equipechef, und seiner Frau Maria sehr für die sorgsame Rittvorbereitung und die unterhaltsame Beleitung an drei wunderbaren Tagen. Mit unterwegs vom 24. – 26. September 2011 waren: Anette mit Lagsi, Anita mit Snerpa, Eike mit Atli, Kathi mit Svalur, Maria mit Leifur, Olaf mit Mæja, Ole mit Rauður, Paul mit Bjarki, Sabine mit Brellir, Simone mit Froði, Tillman mit Svartur, Tobias mit Snerrir und Uli mit Fenja. M.-K. Petersen-Rauhaus Hasselbachtal 2011 Nebel, Nebel, wohin das Auge sieht - nichts … und da fällt uns Alten ein, dass der Ritt ins Hasselbachtal vor zwanzig und mehr Jahren Nebelritt hieß – verständlich, denn auch damals war der November schon das, was die Germanen passend Nebelung nannten. Um in der „Suppe“ nicht von eiligen Autos überfahren zu werden, ziehen wir unsere orangefarbenen Warnwesten über und sind von weitem schon als die Heiligendorfer „Baukavallerie“ zu erkennen. So zieht der Tross von 20 Reitern die Barnstorfer Straße entlang, um dann in der Feldmark mit ein bisschen mehr Tempo zu verschwinden. Wir reiten mittleres Tempo, nicht schnell, denn wir wollen die Pferde, wenn wir auf der Terrasse des Parkhotels unser Süppchen, den Kaffee und den Kuchen einnehmen werden, nicht ganz nass auf die Wäscheleine hängen müssen. Die beiden Reiterinnen i.R.*, gelenkerneuert und nun mit elastischem Hüftschwung, begrüßen uns und knipsen unseren eindrucksvollen Anmarsch. Weil die Wäscheleine aber noch nicht angekommen ist, werden unsere lauflustigen Pferde auf den Parkhotelzirkel trocken geritten (beim Zirkelverkleinern bricht Heidi und Marlies vor lauter Pferdedampf der Angstschweiß aus). * in Rekonvaleszenz Aha, die berühmte blaue Leine kommt, schnell ist sie an die Bäume gebunden, Stuten hier, Wallache da, den Hengst in die Ecke, denn auf der Terrasse lodert schon das Feuer unter dem Suppentopf – stilecht, einfach toll! So nett empfangen und bewirtet schmeckt das Mittagessen doppelt so gut und die Kürbisorangensuppe ist wirklich ein Gedicht! Eine Stunde lümmeln wir uns durch unsere Mittagspause; dann brechen wir zum Heimritt auf. Anette hat es eilig und will galoppierend die Abkürzung nehmen; im Lauf ändert sie schnell noch die Steigbügellänge und mit einer Flexvolte schafft sie mühelos den Anschluss. Oder wollte Egill mit Anette mal allein im Wald sein …? Die Steimsche Schweiz lassen wir in diesem Jahr „links liegen“ – wir wollen im Barnstorf Heiligendorfer Wald die langen, geraden Strecken tölten, traben, galoppieren. Isländisches Tempo wird geritten und wir biegen auch im flotten Tempo ab – weil alle Kommandos prompt weitergegeben werden, klappt das. Unerkannt weil sattelfest befinden sich auch drei „Kurze“ in der Mannschaft; zehn Jahre alt ist Rebecca, elf Jahre alt sind Cedric und Zoé. Wir freuen uns, wenn unsere gut ausgebildeten, mutigen jungen Reiter mit uns auf den Fernritten so souverän unterwegs sind. Aus dem Wald kommend geht der erste Blick heimwärts über die Felder Richtung Heiligendorf: Wo ist der Kirchturm, unser allgegenwärtiger Orientierungspunkt, wenn wir den heimatlichen Zielpunkt ansteuern? Auch den Pferden fehlt er - der alles verhüllende Nebel verunsichert sie. Gut, dass obenauf ein Reiter sitzt; dem vertrauen sie sich an und Pferd und Reiter landen auch im Nebel glücklich dort, wo sie herkamen. Für die Pferde beginnt an diesem Novembersonntag die schönste Jahreszeit – Herbsturlaub auf den Schunterwiesen. Die erfahrenen Herrschaften wissen sofort, was Sache ist; nur einer weiß von nichts, denn er hat in seinem Erwachsenenleben keinen Herdenurlaub mit „Männern“ erlebt. Als Hengst hatte Myrkvi andere Pflichten. Die Weite, das Gras und die Ruhe in der Schunteraue überzeugen aber auch den besten Familienvater davon, dass das Leben als „neugeborener“ Wallach seine guten Seiten haben kann. In Kathis Hütte ist inzwischen Jacqueline als Kaffeeköchin zur Höchstform aufgelaufen; bis zum Einbruch der Dunkelheit sitzen Reiter und Begleiter zusammen, lassen es sich mit allerlei Leckereien - ein Kuchen auf das Wohl des neuen Paares Myrkvi und Zoé - wohlsein und sind zufrieden mit dem, was das Leben auf dem Rücken der Pferde so zu bieten hat. Mit unterwegs waren am 6. November 2011 auf diesem 25 Kilometer langen Ritt: Anke mit Blesi und Alskær, Anette mit Egill, Anita mit Snerpa, Cedric mit Bjarki und Laufey, Claudia B. mit Hrafn, Claudia S. mit Snerrir, Christina mit Ögri und Seiður, Inga mit Seiður und Ögri, Kai mit Jötunn, Karl mit Alskær und Blesi, Kathi mit Svartur, Kerstin mit Rügen, Kirsten mit Örvar, Kristina mit Jarl, Rebecca mit Laufey und Bjarki, Renate mit Hetja, Ralph mit Atli, Simone mit Lítill, Susanne mit Birkir, Zoé mit Myrkvi, Heidi und Marlies als Fotografen, Markus und Udo als Seilschaft. Ganz sicher aber hat Svartur (mit mir) auch in diesem Jahr wieder eine persönliche Meisterleistung vollbracht. Er hat alle Fernritte mitgemacht, hat zwölf Freitagsausritte geführt, hat in allen Reiterferien Ausritte geleitet und ist im normalen Unterrichtsbetrieb immer wieder draußen mit Gruppen unterwegs gewesen – liebenswürdig, zuverlässig, unermüdlich und mit einer bewundernswerten Lauffreude hat er diese rund 700 Kilometer von Mai bis November gemeistert. M.-K. Petersen-Rauhaus