Dressur für Islandpferde
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Dressur für Islandpferde
BILTING-NEWS Ausgabe 3, September 2007 Liebe Leser, die dritte Ausgabe der “Dressur. Was ist das überhaupt?” BILTING-NEWS liegt vo r Ihnen. Unter hinter uns eine turbulente Zeit. Die letzte Ausgabe hat für einige Bewegung gesorgt. Kaum zwei Wochen, nachdem die BILTING-NEWS Nr. 2 zum Thema “tiersch u t z r e l e vantes Satteln” erschienen war, gab es in Fra n k r e i ch und Österreich die ersten Verwarnungen für Sättel, die zu weit hinten lagen. Ve r warnungen in Deutsch l a n d folgten. Allerorts wurden die korrekte Sattellage diskutiert. Das zeigt, dass die BILTING-NEWS Entwicklungen hochaktuell begleitet, teilweise sogar vorwegnimmt. Ein Umden-ken hat nicht nur begonnen, es hat sogar die Richter erreicht. Eine Entwicklung, von der alle Island-pferde profitieren können. Der passende Sattel ist Voraussetzung für körpergerechtes Reiten und für eine sorgfältige Grundausbildung im Sinne der klassischen Dressur. Da ist es nur logisch, diese auch zum Thema der vo r l i e g e n d e n BILTING-NEWS zu machen. Sie erreichten die Redaktion die Redaktion der BILTING-NEWS unter redaktion.bilting@googlemail.com Falls Sie jemandem die BiltingNews übermitteln wollen, dürfen Sie dies gern tun. Sie können aber auch unter newsletter.bilting@googlemail.com einen neuen Kontakt eintra g e n bzw. eintragen lassen. THEMA FÜR DIE NÄCHSTE BILTING-NEWS Vom Durchgehen. Temperament oder Wegrennen? Impressum: Redakteur: Tatjana Brandes Redaktion: 21259 Todtshorn Fasanenweg 4 So trivial die Frage klingen mag, so berechtigt ist sie. Wer hat nicht bei dem Wort “Dressur” diese fürc hterlichen Rollkur-Bilder der “Dressur-Giraffen” im Kopf, eng zusammen geschnürte Pferdehälse und den Kadavergehorsam mit dem resignierte Kreaturen Kringel um Kringel im Dressurviereck laufen müssen? Ohne Zweifel: Diese Bilder gibt es. Sie sind weder Vorurteil, noch sogenannte Momentaufnahmen. Tatsächlich bilden sie Deutschlands alltägliche Dressurarbeit nur zu gut ab. Nur: was haben diese Bilder mit Dressur gemein? Nichts. Das, was sich allerorts auf Turnierplätzen vom lokalen Vereinsturnier bis hin in die internationalen Events durchzieht, hat streng genommen mit Dressur so viel zu tun wie ein Elefant mit Ballett. Sicher, die Sparte nennt sich so. Aber das ist eigentlich schon die einzige Gemeinsamkeit. Denn Dressur meint n i cht das Aneinanderreihen vo n Lektionen zum Zwecke der Mehrung der Schleifenkollektion. Dressur meint: Gymnastizierung. Im eigentlichen Wortsinne bedeutet Dressur eher A b r i chten, Anlernen durch häufige Wiederholung, oft sogar mit Gewalt oder zweifelhaften Hilfsmitteln. Ginge man allein danach, dürfte man fast alle Sportpferde auf Deutschlands Ovalbahnen als “dressiert” bezeichnen. Dieses Abrichten jedoch hat mit Reiten wenig zu tun. Schlimmer noch: es schadet dem Pferd an Psyche und Körper. Viel richtiger wäre es, statt des Begriffes “Dressur” das Wort “Schulung” zu benutzen. Denn das Pferd ist von Natur aus nicht dazu geschaffen, einen Reiter zu tragen. Der Reiter ist in der Pflicht, das Pferd in eine (muskuläre wie auch geistige) Lage zu versetzen, in der es den Reiter mit Freunde und Ausdruck und unter Erhaltung seiner Gesundheit trägt. Dem Pferdekörper muss das “Reiten” also erst beigebracht werden. Dazu dient die Schulung. Die Schulung umfasst den körperlichen Umbau des Pferdes von einem Dauergraser im S chlendermodus mit gelegentlichen Temperamentsausbrüchen zum leistungsbereiten, erhabenen, mit dem Reiter zu einer Einheit verschmolzenem, ausdrucksvollen Wesen. Für diesen muskulären Umbau benötigt der Reiter wie auch das Pferd die Gymnastizierung. Und damit wären wir dann wieder bei der Dressur. Bzw. bei den Dressurlektionen. Die nämlich hat sich niemand ausgedacht, weil sie schön aussehen, sondern weil sie das Pferd gymnastisch fordern und ihm helfen sich zu dem zu entwickeln, was der Reiter von ihm verlangt. Das klingt nach einer tollen Lösung. - Birgt aber eine große Schwierigkeit. Denn die Frage ist nun: WELCHE Lektionen eignen sich für die Gymnastizierung? WIE sind sie wirklich korrekt auszuführen? Und - noch schwieriger: WER bringt sie mir verdammt noch mal bei? Das Heer der Islandpferdereiter, das lustig Seite um Seite vergurkte Schenkelweichen abliefert und dabei glaubt, schönste Schulterhereins zu reiten ist dabei größer, als mancher zugeben mag. Aber wer will es diesen Leuten verdenken? Wer von uns kennt sie nicht, diese Ausbildungssprüche, mit denen wir unser Leben als Islandpferdereiter begonnen haben: “Lass einfach die Hand stehen und dann treib mal ordentlich von hinten.” “Hol doch mal den Kopf hoch, sonst wird die Schulter nicht frei.” “Du hast viel zu weit vorn gesattelt, da kann das Pferd ja nur auf der Vorhand latschen!” “Setzt dich mal weiter im Sattel zurück, dann töltet der schon!” “Du musst mit den Zügeln gegenhalten, dann gibt der schon irgendwann nach.” „Nimm mal die Kandare, dann macht der sich rund. Ohne tiefere Kenntnisse in der B i o m e chanik und der Skala der Ausbildung, ve r s u cht man diese genauso ungenauen wie unkorrekten Anweisungen umzusetzen und kommt am Ende doch nicht weiter. immer borniert auf dem hohen Ross, das „Im Tölt ist alles anders“ heißt und einen fähigen klassischen Trainer, der sich auch an Islandpferde herantraut gibt es nicht an jeder Häuserecke. Was also tun? D o ch ist die Dressur, bzw. die Gymnastizierung hier wirklich eine Alternative? 2 Mit sorgfältiger Gymnastizierung auf dem Weg zur Hankenbeugung - sogar im Tölt. Diese Frage ist leicht beantwo r t e t , wenn man sie anders stellt: Nützt einem ein geschmeidiges, elastisches, leistungsfähiges Pferd, das jede unsichtbare Reiterhilfe sofort umsetzen kann? Natürlich! Dieses Ziel erreicht man nur über das Gymnastizieren mittels Dressurlektionen. Um mal einen alten (wenn auch immer noch hochaktuellen) Spruch zu bemühen: “Die Dressur ist für das Pferd da - nicht das Pferd für die Dressur.” Das klingt gut. Besonders vor dem Hintergrund, dass wir mit einem Islandpferd wohl kaum in die hohen Weihen der Grand Prix-Lektionen stoßen wollen. Wer im Dressursport reiten will, der sollte sich nach einer anderen Pferderasse als dem Islandpferd umsehen. Trotzdem hat auch unser Töltpony die korrekte Gymnastizierung und Ausbildung ve r d i e n t , damit es uns schöne, ausdrucksstarke und ausbalancierte Gangzauberei zeigen kann. Dass hierfür ein großes Interesse besteht, zeigt der starke Zulauf, den “klassische” Ausbilder, teilweise sogar aus dem sogenannten Barockbereich, aus dem Islandpferdelager erhalten. Dem gemeinen FN-Ausbilder wird offenbar aufgrund der Skandale rund um die Rollkur nicht mehr geglaubt, und dem Blaujack ums Eck sowie dem gemeinen IPZV-Trainer traut man teilweise auch nicht mehr zu, als das kurzfristige Auftunen des Pferdes für Turnierauftritte. Die Schaar derer, die Gymnastizierung nicht nur für ein notwendiges Übel halten, sondern sogar Spaß an den Momenten der Harmonie und der Stimmigkeit - seien sie auch noch so kurz – haben, wächst von Tag zu Tag. Das Problem: die Ausbilder kommen nicht hinterher. Das stereotype Bedienen von Klischees, das Daherbeten von Platitüden wie auch das operative Tricksen statt sauberer Grundlagenerarbeitung reicht heute vielen Islandpferdereitern nicht mehr aus. Leider stehen sie allzu oft allein dar: die Ausbildungsqualität der FN hinkt hinter dem erwartbaren Standard hinterher, die des IPZV hat noch gar nicht angefangen zu laufen und sitzt noch Das Islandpferd klassissch geritten: einhändig auf blanker Kandare, am langen Zügel und doch in perfekter Biegung. Beste Grundlage für einen ausdrucksvollen Tölt. Dass tierschutzrelevante Praktiken wie das Satteln zu weit hinten und das grobe Verwenden scharfer Gebisse von Richtern bemerkt und vermehrt geahndet werden, ist ein Fortschritt. Doch dem Reiter klarzumachen, dass das, was er da macht, nicht erwünscht ist, ist das eine. Ihm zu erklären, was er stattdessen tun sollte, ist das gänzlich andere! Wieviele hochbegabte Reitertalente sind durch die Tricksermühle gegangen und werden nun für das, was sie gelernt haben abgestraft? Sie werden allein gelassen mit der unkorrekten Reiterei. Allein die Tatsache, dass all das, mit dem man früher Platzierungen erritten hat nun auf einmal nich t e r w ü n s cht ist, dürfte eine gewisse Frustration und Orientierungslosigkeit hervorrufen. Was sollen diese jungen Reiter jetzt tun? Einige werden vielleicht resignieren. Einige werden versuchen, mit ihren bisherigen Trainern so weiter zu tricksen, dass den neuen A n s p r ü chen einigermaßen genüge getan wird – und einige werden vielleicht völlig umdenken und sich näher und gründlicher mit der Ausbildung ihres Reitpferdes befassen. Wer letzteren Weg beschreitet oder beschreiten will, benötigt nicht nur entsprechend fähige Ausbilder, sondern auch die theoretische Basis dessen, was er erreiten soll. Und nicht zuletzt benötigt ein solcher Reiter eine große Portion Motivation. Diese Ausgabe der BILTING-NEWS wird ve r s u chen, dieser Reitergruppe Entscheidungshilfen für die klassische Ausbildung ihres Pferdes anzubieten. Sie wird sich damit beschäftigen, ob die Dressur tatsächlich so schädlich für den Tölt ist und ob es wirklich zwingend ist, dass ein Islandpferd, das dressurmäßig geschult ist, sein Feuer verliert und seine natürliche Lauffreude. Und nicht zuletzt möchte die BILTING-NEWS motivieren, über den Tellerrand hinauszuschauen. Tatjana Brandes, Chefredaktion IHRE MEINUNG LESERBRIEFE an die BILTING-NEWS Vielen Dank für die Bilting-News und hoffentlich bleibt sie so schön kritisch! F. Köhler, per E-Mail Gerade habe ich mir die Mai-Ausgabe über Sättel heruntergeladen, es waren sehr spannende Hintergründe dabei und der Newsletter ist wirklich optimal zum Weitergeben Caroline, per E-Mail Das musste mal gesagt werden. Danke, Bilitng. J. Handtke, Hoerpel per E-Mail Nach der Lektüre habe ich überall nur n o ch falsch gesattelte Islandpferde gesehen. Krass, wie wenig einem das vorher aufgefallen ist. M. Schütt, Lübeck per E-Mail Ihr spinnt doch. Werden doch erstemal selbst Weltmeister, dann könnt ihr erst mit reden, das mit den Sattel muss so sein! Anmerkung: Rechtschreibfehler nicht korrigiert. Anonym als “Pjattur” per E-Mail “Die Ausbildungsskala beginnt mit Takt. Isländer haben meistens keinen.” de). Sie gibt Sitzschulungsku rse und ist Mitglied im Redaktionsteam der DressurStudien. Früher Besitzerin zweier Islandpfe rde (Lett i r und Blakkur), bildet sie heute ihren jungen Lusitano Saltimbanco aus. Ihre reiterliche Ausbildung erhielt sie bei der FN, fortführend ritt sie bei Horst Becker, P. K. G. Malleroni, Christiane Horstmann (Schü-lerin vo n Richard Hinrichs) und Sonja Weber (Schülerin von M. de Brossia und P. Karl). BILTING-NEWS: „Frau Will, was würden Sie unter einem „gesunden Maß an Gymnastizierung” für ein Islandpferd verstehen? Gehen wir mal davon aus, dass es sich um ein durchschnittliches Freizeitpferd mit den rassetypischen Handicaps (Gebäude-Eigenheiten, starker Gehwille bei hoher Autonomie) handelt. Welche Lektionen würden sie als sinnvo l l betrachten, ab wann ist das durchschnittliche Islandpferd überfordert?” Gangpferde zu reiten ist eine Sache für sich. Gerade Islandpferde stehen in dem Ruf, besonders schwer zu gymnastizieren zu sein. „Dressur”, so hört man oft, „zerstört den Tölt”. Das ist sicherlich so nicht korrekt und liegt auch daran, dass viele Leute beim Hören oder Lesen des Begriffs “Dressur” die gängigen Grand Prix-Bilder im Kopf haben. Trotzdem gibt es eine Strömung, die ihrem Islandpferd ein gesundes Maß an Gymnastizierung zugesteht. Das Islandpferd ist aufgrund seiner Veranlagung natürlich nicht unbedingt für den Dressursport prädestiniert – und wer hohe Schule reiten will, kauft sich besser ein anderes Pferd. Aber auch ein Islandpferd muss lernen, einen Reiter mit seiner Muskulatur zu tragen, damit es gesund bleibt. Nur: wie verhält es sich mit dem Maß? Wann ist es zuviel, wann zuwenig? Eva Kreisel fragte bei Sandra Will nach. Sandra Will, 38, ist Lektorin im Bereich Sachbuch Kunst, vorher Sachbuch Pferd, studierte Histo r i kerin und Hispanistin sowie FNTrainerin C (auch Gangpfer- Sandra Will: Jedes Gangpferd sollte ein Maximum an Lektionen erlernen, die zu seiner Entspannung und zur Dehnung der Oberlinie führen. Dazu gehören für mich unbedingt alle Abkauübungen an der Hand und unter dem Sattel, Übertreten an der Hand und unter dem Sattel, Schritt und Trab in Dehnungshaltung – wobei eine echte Dehnungshaltung mit geöffnetem Genick entscheidend ist. Dann alle biegenden Übungen. Wenn nötig auch mit weit mehr Halsbiegung als eine Volten- oder Zirkellinie erfordert. Gangpferde, vor allem solche mit Pass, sind nach meinem Dafürhalten besonders steif in der Längsbiegung. Dies würde ich unbedingt angehen. Wenn Taktunsicherheiten mehr nicht hergeben eben nur im Schritt. Dabei ist jedoch auf einen ruhigen Schritt zu achten. Das Pferd darf nicht einfach davoneilen dabei, sondern sollte zu einem balancierten Schritt erzogen werden. Rückwärtsrichten ist ebenfalls wichtig und auch dieses unbedingt in langsamen, kleinen Tritten ausgeführt. Grundsätzlich gilt, dass Pferde mit hohem Muskeltonus, wie es Isländer oft sind, in langen ruhigen Reprisen gearbeitet werden sollten. Hektikerpferde müssen auch unbedingt lernen, den angelegten Schenkel zu akzeptieren. Die meisten Isländer laufen vor dem Bein einfach davon und verspannen sich, sobald es doch einmal dran kommt. Das führt dann jedesmal zu Taktschwierigkei-ten. Überfordert sind viele Isländer bereits mit Seitengängen im Trab. I n w i e w e i t Seitengänge im Tölt gymnastisch wertvoll sind, kann ich nicht beurteilen – aus dem Bauch heraus würde ich es dann für sinnvoller halten, sich auf den Schritt zu beschränken. Richtig schwierig wird es mit allen versammelnden Lektionen. Schon ein Antraben aus einem versammelten Rückwärtsrichten – auch für Dreigänger keine leichte Lektion – endet oft im Tölt. Versammelte Galopplektionen sind den allerwenigsten möglich – Ausnahmetalente bestä- 3 Dehnungshaltung im Tölt: machbar und nötig. Aus: “Islandpferde besser Reiten, Anke Schwörer-Haag/Thomas Haag tigen die Regel und ein sehr geschickter Reiter mit sehr viel Geduld kann E r s t a u n l i ches erreichen! Wer eine Galopppirouette oder Fliegende Wechsel mit einem Gangpferd reitet hat meinen allerhöchsten Respekt! BILTING-NEWS: „Gilt die Ausbildungsskala der FN auch für Islandpferde?” Sandra Will: Die Au s b i l d u n g s s k a l a beginnt mit Takt. Isländer haben meistens keinen. Für solche Pferde muss es eine Ausbildungsskala vor der Ausbildungsskala geben: Ruhe, Gehorsam, Gleichgewicht und eine eindeutige Sprache der Hilfen. Häufig wird der Reiter eines Gangpferdes ein Pferdeleben lang damit beschäftigt sein, „nur“ das herzustellen, womit die F N - Ausbildungsskala fast beiläufig beginnt: Takt. Takt ist beim Gangpferd eher ein Ergebnis der übrigen Ausbildung und nur bei sehr begabten Exemplaren in allen vo r h a n d e n e n Gangarten überhaupt zu erreichen. Ein wichtiger Punkt der Ausbildungsskala ist allerdings die Losgelassenheit. Diese wird zugunsten eines spektakulären Tölts häufig völlig vernachlässigt, scheint mir. Somit würde ich auch denken, dass ein langsamer Tölt noch lange kein versammelter ist. den Tölt nur so reiten? Was meinen Sie?” Übrigens nicht anders als anderswo zugunsten eines spektakulären starken Trabs… BILTING-NEWS: „Wagen wir einen kleinen Abstecher in den Islandpferde-Sport. Im langsamen Tempo muss hier das Pferd hohe Aktion bei korrektem Takt zeigen – ein hoher Kraftaufwand. Und das sogar mit wechselnder Einbeinstütze. Mit w e l chen gymnastischen Übungen würden sie so ein Pferd auf diese Lektion vorbereiten?” Sandra Wi l l : Wenn ich Tölter verschiedener Rassen betrachte, steht und fällt die Aufrichtung – die ja im Sporttölt verlangt wird – mit dem Gebäude des Pferdes. Eine Ausbildungsskala für Isländer sollte vielleicht die Losgelassenheit über alles stellen. Anlehnung, ja, kann vergleichbar wie beim Nicht-Gangpferd betrachtet werden, ist höchstens durch die Halsung des Isländers häufig e r s chwert und muss relativ zum Gebäude angepasst werden. Die übrigen drei Punkte der Ausbildungsskala können so stehen bleiben, sofern man sie denn als Maßstab anlegen möchte. Für mich gibt es aber grundsätzlich hilfreichere Leitfäden für die Pferdeausbildung. BILTING-NEWS: „Viele Islandpferde werden ausschließlich über Schenkelweichen – oft rundenlang – „gymnastiziert”. Was ist davon unter den Aspekten der Rittigkeitsförderung und des Muskelaufbaus zu halten?” Sandra Will: Ich halte dieses Ziel nicht für erstrebenswert und somit brauche ich keinen Übungsaufbau dafür. Wenn ich spekulieren darf könnte es mit der Passage eines dreigängigen Pferdes ve r g l e i chbar sein. Au ch diese ist anstrengend und kann vom Pferd nur dann gut ausgeführt werden, wenn es optimal vorbereitet ist. I 4 Isländer haben nun einmal häufig niedrig angesetzte, schwere Hälse. Wie soll so ein Pferd sich hoch aufrichten, ohne den Unterhals vorzudrükken? Wird das Pferd dann noch gegen die Reiterhand in Spannung geritten, ist der Unterhals perfekt. Tölter, deren Hals höher angesetzt und vielleicht ein bisschen länger und leichter ist, können sich sicher auch im Tölt ohne Unterhals tragen und aufrichten. „Kleinen Mäusen“ sollte hingegen erlaubt werden, mit weniger Sandra Will: Übertreten und Schenkelweichen wirken diagonalisierend und somit positiv auf Pferde, die zur Lateralen neigen. Aber jede Übung wird pervertiert, wenn der Reiter sie bis zum Exzess betreibt. Abgesehen davon birgt Sch e n k e l w e i chen nur einen verhältnismäßig kleinen Teil der erforderlichen Gymnastizierungsmöglichkeiten. Einzig auf diese Übung zu bauen erscheint mir zu schmalspurig. BILTING-NEWS: „Verlangt der Tölt Ihrer Meinung nach Versammlung? (Beispiel: langsamer Tölt) Es gibt Meinungen, die sagen, der Tölt sei eine schwunglose Gangart und verlange daher keine Form der Versammlung.” Der falsche Knick: auch beim Islandpferd kon traproduktiv und gesundheitsschädigend. Das systematische Einrollen ersetzt nicht die sorgfäl tige Ausbildung. Sandra Will: Wenn eine schwunglose Gangart grundsätzlich nicht versammelbar wäre, könnte auch der Schritt n i cht versammelt geritten werden. Dies ist aber nachweislich der Fall. Nebenbei halte ich den versammelten Schritt gerade für Gangpferde für eine wichtige Übung – gesteigert bis zum Z e i t l u p e n s chritt, der die Balance extrem verbessert. m Islandpfer-desport scheint mir das häufig nicht vergleichbar der Fall zu sein. Grundsätzlich wird aber ein Pferd, das gelernt hat, losgelassen und in Balance zu gehen, sich in jeder kraftraubenden Übung weniger verausgaben als eines, das gegen den Reiter kämpft und um Gleichgewicht ringen muss. Also bringt jede gymnastische Übung, die diese beiden Ziele verfolgt, auch den Turniertölter weiter. Ob der Tölt versammelbar ist vermag ich nicht zu beurteilen, dazu liegt meine Erfahrung mit eigenen Isländern zu lange zurück.. Aber im Falle des Trabs ist ein langsamer Trab noch lange kein versammelter. BILTING-NEWS: „Sieht man sich offizielle Bilder von h o ch rangigen Sportve ra n s t a l t u n g e n an, sieht man selten Pferde, die im Tölt korrekt über den Rücken gehen, der Unterhals scheint obligat. Kann man hoch getragenem Kopf zu tölten – das geht ja auch. Im Prinzip ist das Dilemma aber dasselbe wie im schlecht ausgeführten Dressursport auch. Bloß werden den Pferden dort per definitionem die Köpfe herunter geritten und die Unterhalsverspan-nungen fallen dort nicht so auf. Das gegen die Hand reiten führt aber immer zu einem festen Unterhals – was letztlich den Rücken blockiert und die Hinterhand auch. Dem Turnier-Tölter scheint dies aber sogar noch entgegen zu kommen, um einen spektakulären Tölt auszuführen. ren und die Bahn nur so sparsam wie möglich einsetzen. 5 Bei Trainern würde ich vor allem nach einem suchen, der völlig frei von Schema F unterrichtet. Außerdem einen, der Pferde sozusagen stückweise bearbeitet: Das Maul lokkern, das Genick lockern, den Hals lockern, den Rücken aufbauen, die Hinterhand aufbauen – alles gezielt, eins nach dem anderen und erst später zusammenbauen lassen. Es muss in jedem Fall jemand sein dem klar ist, dass Takt ein Ziel ist, kein Ausgangspunkt. Und er sollte die urwüchsigen Inselpferde entweder um ihrer selbst willen mögen oder die spezielle Herausforderung, die es bedeutet ein Gangpferd in der Dressur auszubilden. Frau Will, wir danken Ihnen für das Gespräch. Das andere, viel häufiger anzutreffende Extrem: die massive Unterhalsmuskulatur als Folge einer erzwungenen, nicht ehrlich errittenen Aufrichtung. BILTING-NEWS: „Wenn ich als Freizeitreiter nur im Wald gerade aus flott voran reiten will, bra u che ich dann überhaupt Dressur im Sinne der Gymnastizierung? Wenn nein, warum nicht – wenn ja folgt die Frage nach der Ausbildung von Pferd und Reiter: An wen sollten sich Freizeitreiter wenden, wenn sie das Gymnastizieren ihrer Pferde fachgerecht lernen wollen?” Dressur mit Islandpferden – ich gestehe, ich sehe diese Entwicklung mit g e m i s chten Gefühlen. Der Dressurreiter in mir sagt „natürlich, sofort!!!!“ Der Pragmatiker in mir sagt: Das Islandpferd ist über tausend Jahre ohne Dressur ausgekommen – bei nachweislich hoher Lebenserwartung bei harter Nutzung. Sein ganzes Gebäude wurde nicht darauf selektiert, in einer aufgerichteten Beizäumung in möglichst großer Gangmechanik zu tanzen – sondern seinen Reiter so bequem wie möglich über endlose Strecken und unwegsame Böden zu befördern. Große Dressura n s p r ü ch e damit befriedigen zu wollen, oder unbedingt beweisen zu wollen, dass das auch ein Isländer kann, artet häufig in Frust für Reiter und Pferd aus. Die meisten Isis, die ich kenne, finden eine Reitbahn eine höchst sinnfreie LITERATUREMPFEHLUNGEN ZUM THEMA: Erfindung. Man kommt ja nirgendwo an. Vor kurzem durfte ich einen Isi tölten. Ein ausnehmend kleines Pferd mit einem sehr angenehmen Freizeittölt, der am durchhängenden Zügel auch von mir, die ich lange nicht getöltet bin, abzurufen war. Das Pferd ist nachweislich viele hundert Kilometer an Wa n d e r r e i t s t r e cke in seinem Leben gelaufen – meist im Tölt. “Der Reiter formt das Pferd”, Zietschmann/Bürger Wenn ich die Bemuskelung seiner Oberlinie anschaute, schrie der Dressurästhet in mir auf. Da war überhaupt keine Muskulatur, die ich für ein Reitpferd für erforderlich halten würde. Trotzdem ist das Pferd bei all der von ihm erbrachten Leistung fit und munter. Muss man den wirklich in der Dressur knechten? “Denksport Reiten”, Strick Andererseits hat sich der Isländer in den letzten 50 Jahren verändert. Er ist erheblich größer geworden und die Ansprüche an seine Gangmechanik sind unglaublich gestiegen. Ke i n e Ahnung, ob die Lebenserwartung eines Isländers heute im Durchschnitt noch genauso hoch liegt wie noch vor 30 Jahren. Ich würde einen Isländer vermutlich vorwiegend im Gelände gymnastizie- “Vollendete Reitkunst”, Bürger “Islandpferde besser Reiten”, Schwörer-Haag/Haag “Die Skala der Au s b i l d u n g ”, Schöffmann “Reiten ist ganz leicht”, Symbill “Finger in der Wunde”, Heuschmann “Gymnastizierung von Gangpferden”, Jänisch/Stührenberg “Dressurübungen im Gelände”, Bolze “Dressurreiten im Gelände”, Jost “Gangpferde besser reiten”, Gohl/Dresel “ Ve r s p a n n t e Isländer neigen zum Wegrennen” Anja Görtzen (www.anjagoertzen.de) ist als Instruktorin für „Re i ten aus der Körpermitte“ (nach Sally Swift), TTEAM-Practionerin und Reitlehrerin mit Sc hwerpunkt Dressur seit acht Jahren im Gro ß ra u m Hamburg und Uelzen tätig. Zu ihren Re i tschülerinnen gehören immer mehr Islandpferde. Schwerpunkt meines Reitunterrichts ist nicht das Erlernen von Lektionen um ein Pferd zu gymnastizieren. Ich gehe davon aus, dass in erster Linie der Sitz und die daraus erfolgende Einwirkung die Pferde in die gewünschte Haltung bringen. Ich wünsche mir ein schwungvoll über den Rücken gehendes, kooperatives, zufriedenes Pferd, das bis ins Alter keine Beschwerden entwickelt. Und eine Reiterin, die achtsam, losgelassen, ausbalanciert, ohne Schmerzen und mit Freude an der Entwicklung ihres Zusammenseins mit dem Pferd experimentiert. Um dies zu erreichen, arbeite ich viel über Bilder als „Anweisungen“, wie z.B. „Rückwärts Fahrradfahren im Schritt“ (ein Element aus dem Centered Riding) oder „die Boje“ zum Auspendeln des Oberkörpers (aus dem Connected Riding). Diese Bilder dienen eher als konkrete Ve r ä n d e r u n g s vo r s chläge für die Körperorganisation und denn als techn i s che Anweisungen. Ob eine Veränderung erfolgreich war, zeigt mir in erster Linie die Reaktion des Pferdes. Wenn ich Islandpferde-Reiterinnen im Unterricht oder auf Kursen neu kennenlerne, fällt mir häufig auf, dass Isis in allen Grundgangarten schnell, staksig, auf der Vorhand, hart und ohne Takt laufen. Die Pferde eiern steif durch die Kurven, drücken den Rücken weg, haben dabei einen Unterhals und hektischen Ausdruck in den Augen. Sie wirken, als würden sie weglaufen. Viele Reiter stemmen sich regelrecht in den Sattel und wirken hart mit der Hand ein. Häufig beobachte ich zudem, dass die Reiter ihr Becken falsch kippen, mit nach vorne gestrecktem Bein quasi im Bügel stehen oder die Unterschenkel wegstrecken. Als Grund für diese Art Reiten wird mir häufig erklärt, dass über das Vorwärtsreiten die Hinterhand aktiviert werden soll. Vorne soll gehalten werden, um einerseits Spannung ins Pferd zu bekommen (in Hinblick auf das Töltreiten) und um das Pferd aufzurichten. Dass sie mit dieser Art Einwirkung eher das Gegenteil erreichen und ihre Pferde quasi dazu zwingen, physiolog i s ch ungesund zu laufen, ist den wenigsten meiner Reitschülerinnen am Anfang bewusst. Ich finde es wichtig, dass man beim Reiten verstehen lernt, was man tut und warum man es tut. Offenbar wurde das aber nur wenigen meiner Reitschülerinnen so vermittelt. Denn die meisten Reiterinnen wissen gar nicht, was ihr Reiten bewirkt. Es ist dann interessant hera u s z u f i n d e n , warum sie sich bestimmte Ve r h a l t e n sweisen angewöhnt haben oder warum sie z.B. eine bestimmte Übung reiten. Der nächste Schritt ist dann über vers chiedene Übungen deutlich zu machen, dass das Pferd ständig R ü ckmeldung gibt, ob es die Einwirkung als hilfreich oder als störend erlebt. Jede Störung in Form von Taktfehlern, unrunden Volten, mangelnde Anlehnung usw. ist ja ein Signal für einen Balanceverlust. Abgesehen von unpassendem Equipment und Exterieurproblemen stört natürlich eine steife, schiefe, unbewegliche oder unausbalancierte Reiterin. Und Spannung erzeugt Gegenspannung. Manchmal haben die Schülerinnen Angst, weil sie ihre Isländer nur schwer im Tempo regulieren oder anhalten können. Erfahrungen mit Durchgehen gibt es ebenfalls. Wer aber aus Angst mit den Oberschenkeln klemmt oder ständig hart einwirkt, wird sein Pferd noch weniger regulieren können! Denn wenn zwei Lebewesen sich miteinan- der bewegen und dabei angespannt sind, verlieren sie ihre Flexibilität, Elastizität und Leichtigkeit. Den Pferden helfe ich auch am Boden über spezielle Übungen aus der TTEAMArbeit nach Linda Tellington-Jones und aus dem Connected-Riding nach Peggy Cummings. Wenn sie ein besseres Körpergefühl am Boden entwickeln, können sie auch mit der Reiterin besser ins Gleichgewicht kommen. 6 Die Reiterinnen müssen lernen, sich in die Bewegungen des Pferdes einzufühlen und herauszufinden, ob die Qualität des Zusammenseins gut oder gestört ist – sowohl körperlich als auch auf der Vertrauensebene. Wenn der Bewegungsfluss gestört ist, versuche ich mit meinen Schülerinnen gemeinsam herauszufinden, warum. Viele Islandpferde-Reiterinnen sind bei dieser Art der Hera n g e h e n sweise zunächst skeptisch. Schließlich bedeutet es, dass sie sich fast mehr mit sich selber als mit dem Pferd beschäftigen müssen. Es scheint mir, dass im typischen IsländerUnterricht sonst mehr auf das Pferd und weniger auf den Reiter geguckt wird. Dabei lässt man aber leich t außer acht, dass besonders Isländer bei Störungen häufig mit Gangfehlern reagieren. Daran ist aber oft nicht das Pferd (und seine Veranlagung) „Schuld“ sondern das Zusammenspiel aus Pferd und Reiterin. Wenn man bedenkt, dass Pferde kleine Fliegen auf ihrer Haut spüren, wird deutlich, welche fatalen Folgen eine falsche Einwirkung hat. Isis empfinde ich als sehr sensibel, aber nicht so unmittelbar reaktiv wie „hochblütige“ Pferde. Das bedeutet für mich, dass ich bereits kleine Verspannungen erkennen muss, um daran rechtzeitig zu arbeiten. Verspannte Isländer neigen oftmals zum Weglaufen oder zum „Dichtmachen“. Beim Reiten machen sie –z.B. auch bei Überforderung- regelrecht zu. Werden sie dann noch mit zu groben, undifferenzierten und störenden Hilfen geritten, entsteht ein Teufelskreis aus Wegrennen, Dich t m a ch e n , Verspannung usw., an dessen Ende oftmals ein angeblich „schwieriges“ Pferd entsteht. “Dressur und nicht dressieren” Karen Diehn und Petra Socher, leidenschaftliche Freizeitreiterinnen, erzählen von ihren Wegen zur Dressur mit dem Islandpferd. Erst als mein eines Pferd R ü ckenprobleme bekam, sein Tölt immer schlechter wurde, realisierte ich, dass daran u. a. mein Reitstil Schuld war. Denn „einfach so herumreiten“ machte mir zwar Spaß, war aber nicht das, was meinen Viergänger gesund erhielt. „Das Pferd muss mehr über den Der Tölter im Mittelalter: über die Belastung des Pferdes mit zwei Reitern ließe sich schimp fen. Nicht gedoch über die vorbildliche Selbsthaltung des Pferdes: am langen Zügel ohne Unterhals oder falschen Knick und mit gut tragender Hinterhand in schöner Versammlung. Die können das nicht…“ Dabei wollte ich weder Piaffen noch Passagen lernen! Ich wollte lediglich die mir fehlenden Grundlagen der (Dressur)Reiterei vermittelt bekommen. Also das aufholen, was vier IslandpferdeExperten mir nicht hatten beibringen können oder wollen. Ich hörte mich vor allem im NichtIslandpferde-Bereich um. Aber spätestens wenn ich sagte, dass mein Pferd auch tölten kann, bekam ich oft eine Absage. Mit Verweis auf „die Gänge“… Nach langer Suche und Austausch mit anderen IslandpferdeReitern, denen es ähnlich ging wie mir, landete ich doch wieder bei einem Islandpferde-Trainer. Noch dazu kam dieser aus dem Mutterland unserer wunderbaren Pferde. In seinem Vokabular kamen Begriffe wie „über den Rücken“, „Hinterhand muss mehr tragen“ genauso vor wie „am Zügel“ oder „Ausbildungsskala“. Hier lernte ich z. B., dass „Herum-fummeln am inneren Zügel“ in Wendungen tabu ist und Tölt auch „in Haltung“ geritten werden kann, ohne dass man dazu vorne halten und hinten treiben muss. Dadurch bekam ich eine Idee davon, wie es sich anfühlen kann, wenn man auf einem „durchlässigen“ Pferd sitzt, welches „an den Hilfen“ steht, nicht davonrennt, auf der Hand liegt oder stumpf macht, was ihm gerade in den Kopf kommt. Hinzu gesellte sich ein gutes Gefühl, auch dem heiß geliebten Gangtalent damit etwas Gutes zu tun, denn Dressurreiten hat nicht etwas was mit „dressieren“ im öden Viereck zu tun. Was ich an Gymnastizierung für Geschmeidigkeit, Gehorsam und letztlich auch für die Gesunderhaltung meiner Pferde investiere, wirkt sich natürlich auch auf den Tölt aus. Karen Diehn Rücken gehen!“, hörte ich von Sattler und Osteopathin, die ich zunächst zu Rate zog. Leichter gesagt als getan. Nicht, dass ich vorher nie Unterricht genommen hätte. Aber mit derartigen Vokabeln hatte mich keiner meiner bisherigen Reitlehrer konfrontiert. Weder beim öden Herunterspulen von Hufschlagfiguren, noch beim Töltkurs. I ch suchte also einen Trainer für Dressur- U n t e r r i cht. Eine für Islandpferde „bescheinte“ Reitlehrerin meinte: „Dressurreiten mit Islandpferden geht gar nicht! Unser Logo-Tölter im Vergleich: Aufwärtspferd ohne Unterhals mit schön definierter Muskulatur. Raumgriff über die Hinterhand mit abgesenkter Kruppe vorgreifend. Nicht zu stark eingerollt,tragender Rücken. Ein Ideal, gewiss. Aber nicht unmöglich. 7 “Gutes Reiten sieht unspektakulär aus.” von Petra Socher Mit Dressur liebäugelte ich schon seit meiner Kindheit. Wie viele träumte ich damals von der Wiener Hofreitschule, nicht weniger faszinierend waren für mich Zirkusvorstellungen. Beides hatte etwas magisches. Man sah keine Einwirkungen, die Tiere zeigten Lektionen, für mich damals unbegreifbar waren und an Wunder grenzten. Aller Anfang ist schwer: die Losgelassenheit unter dem Reiter und das vertrauensvolle Herandehnen des Pferdes an den Zügel - nur mit viel Gefühl und Sachverstand zu erreichen. Später bekam ich eine junge Islandstute, die ich nur im Gelände ritt. Das Tier war bocksteif, aber töltete in jedem Tempo taktklar. Eines Tages t a u chten die Kindheitserinnerungen auf und ich konnte einen Dressur-Kurs besuchen. Ich hatte eine neue Welt entdeckt. Langsam lernte ich zu spüren, was unter mir alles passiert, wie ich einwirken konnte, um die vier Pferdefüße zu dirigieren. Ich suchte nach speziellem Unterricht in der barocken Szene. Ausbilder A betonte anfangs zwar, dass er alle Rassen unterrichte, lehnte Gangpferde bald darauf kategorisch ab, als ich meinen Isländer ins Gespräch brachte. Auch im Schritt würde er uns keinen Unterricht erteilen. Ausbilder B meinte nur ironisch, wieso ich denn mit einem Isländer ausgerechnet Dressur reiten wolle. Dafür gäbe es doch geeignete Rassen, ich hätte doch ein Geländepferd. Eine Welt war für mich zusammengebrochen. Ich versuchte es auf eigene Faust und mit einem jährlichen Kurs. Inzwischen habe ich weitere Trainer gefunden, die mir helfen, mein Pferd zu formen. Matti ist ein Viergänger mit viel Trab. Der Tölt war die ersten zwei Jahre nicht vorhanden, ich musste ihn mühsam erarbeiten. Und was steht in den Büchern, über die Töltarbeit: Kopf hoch und Gas geben… Das wa r anfangs auch meine Methode, die zwar etwas unschön war, aber immerhin mäßig funktionierte. Leider verringerte sich dadurch Mattis Unterhals nicht. Da ich die Gangart aber wenig Viergänger bei tiefer Halshaltung anfangs leicht in den Trab wechselte, was ihn in hoher Position schwerer fiel, aber ebenso gelang. Das vorwärts / abwärts Reiten hat sich als eine gute Methode herausgestellt, das Pferd physisch und psychisch zu entspannen. Der Tölt, der anfangs leicht zum Trab neigte, wurde in Richtung Galopp verschoben, sodass er mir zusehends auch in der tiefen Haltung mehr und mehr taktklar töltete. Als ich konzentriert extrem viel vorwärts/abwärts ritt, wollte er plötzlich unter einer Kursleiterin nicht mehr traben und töltete auf dem Zirkel in tiefer Haltung. Entspannt, mit losem Zügelkontakt und mit einer Reiterin, die von Tölt keinen blassen Schimmer Ahnung hatte. Das war für mich der endgültige Beweis, dass vorwärts / abwärts auch für und im Tölt möglich und von Nutzen ist. Die gesamte Muskulatur der Oberlinie hat sich innerhalb eines Jahres klar verbessert. Zurzeit wiederholen wir die Stellung, die Vorstufe der Biegung. Damit lässt sich der Unterhals auch beim Antölten chic vermeiden. Mit der Biegung werden wir uns wieder den Seitengängen widmen. Erst, was im Trab sicher klappt, kann auch im Tölt funktionieren: Das Untertreten des Pferdes unter den Schwerpunkt zur korrekten Lastaufnahme. Das alles sind keine hohen Lektionen, diese können aber nur gelingen, wenn die Basis sitzt. Tut sie das nicht, ist das andere mehr Schein als Sein. Wie heißt es so treffend: Gutes Reiten sieht wahnsinnig unspektakulär aus. Lesenswertes 8 im Internet http://nicholnl.wcp.muohio.edu/ DingosBreakfastClub/BioMech/ BioMechRide1.html Englischsprachige Seite mit ausführlichen Überlegungen zum Thema Biomechanik des Reitpferds. Mit wunderbaren Schritt-, Trabund Galoppanimationen. http://www.pferdewissen.ch/bio mechanik3.html Deutschsprachige Einführung in die Biomechanik. http://www.equinestudies.org/k nowledge_base/built_to_ride.ht ml Interessante, englischsprachige WebSite zum Thema, warum Männlein und Weiblein “unterschiedlich sitzen müssen.” http://edoc.ub.unimuenchen.de/archive/00005990/01/Ziermann_Sa ndra.pdf Über Biomechanik beim Pferd allgemein und genaue Bewegungsabläufe in Schritt, Trab und Galopp. Eine Doktorarbeit. benutzte und die Aufrichtung auf ein Minimum begrenzte, begrenzte sich der „Schaden“ in einem vertretbaren Rahmen. Trotzdem störte mich das enorm, da alles andere in einem harmonischen Rahmen abläuft. http://www.sustainabledressag e.net/collection/index.php Interessantes (in englisch) rund ums Dressurreiten und Ausrüstungen Es gab Probleme mit seinem Rücken und durch falsch angepasste Sättel bildete sich ein wichtiger Teil der R ü ckenmuskulatur extrem zurück . Unterhalb des Widerristes waren eines Tages Dellen, in die sich der Sattel regelrecht eingrub. Ich musste also seine Muskulatur sch n e l l s t m ö g l i ch wieder aufbauen. Dazu verwendete ich den Chiron-Sitz und ritt ihn über ein Jahr lang vorwiegend vorwärts / abwärts gezielt in die Tiefe. Das hob seinen Rücken an. Auch und gerade im Tölt versuchte ich es lange und es gestaltete sich da als besonders kniffelig, da er als LINKS h t t p : / / w w w. r e i t e n - l e s e n - d e nk e n . d e / a u f s a e t z e / g e n e a l ogie_eines_irrtums.html Homepage von Eberhard Hübener mit einem hochinteressanten Aufsatz zum Thema “selbstständig treibender Schenkel”. http://www.dressageworld.de/d ressurgeschichte/1/home.htm Für diese Ausbildungsphase passende Aufrichtung des Halses im Tölt. Reell erritten nicht erzwungen. Geschichte der reiterlichen Dressur. Ein historischer Exkurs. “Ein Blick unter die Haut” Wer weiß als Reiter schon, wo welcher Muskel des Pferdes verläuft? Zumindest die oberflächlichen Muskelgruppen sollten aber jedem, der sich auf ein Pferd schwingt bekannt sein. Die zweite Frage ist, woher man wissen soll, welcher Muskel eigentlich welche Arbeit macht? 9 Hier das Islandpferd in perfekter Tölthaltung. Man sieht, welche Muskelgruppen bei dieser Bewegung gefordert sind und entsprechend zeichnen die sich dann auch unter dem Fell ab. Perfektion ist etwas, was wohl kaum ein Lebewesen erreichen dürfte - aber als Idealbild sollte man sie vor Augen behalten. - Bei allem, was man reiterlich anstellt. So sieht es unter der Haut aus, wenn das Pferd ohne Rücken, ohne Hankenarbeit und mit Unterhals läuft. Diese Zeichnung wurde nach dem Foto eines Weltmeisters erstellt. Ein Bild, das nachdenklich machen sollte.