Begleitmaterial zu Woyzeck

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Begleitmaterial zu Woyzeck
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WOYZECK
Begleitmaterialien
für den Unterricht
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WOYZECK
Ballett von Christian Spuck nach dem Dramenfragment von Georg Büchner
Musik von Alfred Schnittke, György Kurtag, Philip Glass und Martin Donner
Zürcher Première: 12. Oktober 2013
Uraufführung: 24. Sept. 2011, Najonalballetten, Den Norske Opera & Ballett Oslo
Dauer: ca. 90 Minuten
Besetzung
Choreografie
Dirigent
Bühnenbild und Kostüme
Lichtgestaltung
Dramaturgie
Christian Spuck
Vello Pähn
Emma Ryott
Reinhard Traub
Michael Küster, Bibbi Moslet
Ballett Zürich / Junior Ballett Zürich
Philharmonia Zürich
Woyzeck
Marie
Christian, deren Sohn
Andres
Margret
Tambourmajor
Hauptmann
Professor
Doktor
5 Soldaten
5 Trommler
1. Besetzung:
2. Besetzung:
Jan Casier
Olaf Kollmannsperger
Katja Wünsche
Juliette Brunner
Ludwig Hoefs
Ty Gurfein
Andrei Cozlac
Galina Mihaylova
Irmina Kopazcynska
William Moore
Cristian Assis
Cristian Assis
Arman Grigoryan
Filipe Portugal
Daniel Mulligan
Manuel Renard
Ty Gurfein
Eric Christison
Andrei Cozlac
Benoît Favre
Nathan Chaney
Ty Gurfein
Matthew Knight
Christopher Parker
Aeden Pittendreigh
Tars Vandenbaek
Tigran Mkrtychan
Hans-Peter Achberger, Luca Borioli, Michael Guntern,
Mario von Holten, Ramon Kündig
Einstudierung
Ballettmeister
Korrepetitoren
Jahn Magnus Johansen
Jean-François Boisnon, Chris Jensen, François Petit
Christophe Barwinek, Luigi Largo
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Vorbemerkungen
Nach dem grossen Erfolg des Balletts Leonce und
Lena in der letzten Spielzeit, präsentiert das Ballett Zürich nun eine weitere Ballettadaption eines
Theaterstücks von Georg Büchner. Das von Christian Spuck 2011 für das Norwegische Nationalballett
geschaffene Ballett Woyzeck. Büchners Fragment
gebliebenes Drama Woyzeck beschreibt schlaglichtartig das Schicksal eines einfachen Soldaten.
Woyzeck liebt Marie, mit der er ein uneheliches Kind
hat. Er bessert seinen kargen Sold auf indem er den
Hauptmann rasiert und dem Doktor für fragwürdige
wissenschaftliche Experimente zur Verfügung steht
und wird gedemütigt und ausgenutzt. Als Marie ihn
mit dem Tambourmajor betrügt, nimmt die Katastrophe ihren Lauf. Christian Spucks übersetzt die
metaphernreiche prägnante Sprache Büchners in
eindringliche choreografische Bilder, deren Faszination man sich schwer entziehen kann.
Die vorliegenden Begleitmaterialien zum Ballett
Woyzeck richten sich an Lehrpersonen der Oberstufe, die mit ihren Schülerinnen und Schülern eine
Vorstellung des Balletts besuchen und diese vor- oder
nachbereiten möchten. In diesen Materialien finden
Sie Informationen über den Stoff sowie Hintergrundinformationen zum Ballett Woyzeck. Ausserdem erhalten Sie Anregungen für den Unterricht.
Wenn Sie Fragen zu diesen Materialien oder zum Ballett Woyzeck haben oder wenn Sie uns Ihre Kritik und
Anmerkungen mitteilen möchten, können Sie sich
gerne mit uns in Verbindung setzen. Wir freuen uns
auf Ihre Rückmeldungen und wünschen Ihnen und
Ihren Schülerinnen und Schülern einen anregenden
Besuch im Opernhaus Zürich!
Kontakt:
Bettina Holzhausen
Vermittlung|Tanzpädagogik Ballett Zürich
Mail: bettina.holzhausen@opernhaus.ch
Tel. 044 259 58 26
Roger Lämmli
Leiter Musik|Theater|Pädagogik
Mail: roger.laemmli@opernhaus.ch
Tel. 044 268 64 35
Opernhaus Zürich
Falkenstrasse 1
CH - 8008 Zürich
www.opernhaus.ch
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Seite Inhalt
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Besetzung Woyzeck
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Vorbemerkungen
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Inhaltsverzeichnis
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Portrait Ballett Zürich
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Einführung
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Inhaltsangabe
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Georg Büchners Dramenfragment Woyzeck
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Woyzeck - eine wahre Geschichte
10Georg Büchner (1813-1837)
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Unsterbliche Experimente
Essay von Herman Kurzke
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Musik
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Die Komponisten
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Von einem der abirrt
Interview mit Christian Spuck
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Lebenslauf von Christian Spuck
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Glückskind aus Belgien
Portrait Jan Casier
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Der Mann für alle Fälle
Portrait Inspizient Felix Bierich
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Bühnenbild und Kostüme von Emma Ryott
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Besuch in den Werkstätten
Die Hutmacherei
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Ideen für den Unterricht
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- «Einen Woyzeck von Büchner gibt es nicht»
38
- Beobachtungen
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- Ermittlungen im Mordfall Woyzeck
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Kleines Tanzlexikon
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Merkblatt zum Vorstellungsbesuch
im Opernhaus Zürich
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Quellenangaben, Links, Literatur- und Filmhinweise
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Portrait ballett zürich
Die grösste professionelle Ballettkompanie der
Schweiz wird seit der Saison 2012/13 von Christian
Spuck geleitet. Beheimatet am Opernhaus Zürich,
bestreitet das 36 Tänzerinnen und Tänzer umfassende Ensemble mit seinen Produktionen nicht nur
einen wesentlichen Teil des Opernhaus-Spielplans,
sondern wird regelmässig auch auf internationalen
Gastspielen gefeiert.
Hervorgegangen aus dem einstigen Ballett des
Stadttheaters Zürich, wurde die Kompanie von ihren
Direktoren Nicholas Beriozoff, Patricia Neary, Uwe
Scholz und Bernd Bienert geprägt. Der Schweizer
Choreograf Heinz Spoerli, Ballettdirektor von 1996
bis 2012, etablierte die Kompanie innerhalb weniger
Jahre zu einer der führenden europäischen Ballettformationen.
Unter Leitung des deutschen Choreografen Christian Spuck pflegt das Ballett Zürich die gewachsenen
Traditionen des Ensembles und setzt neue künstlerische Akzente. Mit neuen choreografischen Mitteln
wird die traditionsreiche Form des Handlungsballetts
weiterentwickelt. Ausserdem widmen sich die Tänzerinnen und Tänzer dem zeitgenössisch-abstrakten
Tanz. International renommierte Choreografen wie
William Forsythe, Paul Lightfoot, Sol León, Douglas
Lee, Stephan Thoss und Edward Clug arbeiten in Zü-
rich und garantieren eine stilistische Vielfalt des choreografischen Repertoires. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Pflege des choreografischen Erbes
von Heinz Spoerli, dessen Ballette weiterhin zum Repertoire des Balletts Zürich gehören. Künstlerische
Eigenverantwortung übernehmen die Mitglieder des
Ensembles in der Reihe «Junge Choreografen».
Als Einrichtung zur Förderung des tänzerischen
Nachwuchses wurde 2001 das Junior Ballett ins Leben gerufen. Vierzehn junge Tänzerinnen und Tänzer
aus aller Welt erhalten hier die Möglichkeit des betreuten Übergangs vom Ende ihrer Berufsausbildung
bis zum Eintritt ins volle Berufsleben. Im Rahmen
eines nicht länger als zwei Jahre währenden Engagements trainieren sie gemeinsam mit den Mitgliedern des Balletts Zürich, tanzen mit ihnen in ausgewählten Vorstellungen des Repertoires sowie jede
Saison in einem eigens für sie zusammengestellten
Ballettabend. So sammeln sie die für eine Tänzerlaufbahn nötige Bühnenerfahrung.
Begleitet werden die Vorstellungen des Balletts Zürich von einem umfassenden Rahmenprogramm mit
Matineen vor den Ballettpremieren, Stück-Einführungen vor den Vorstellungen, regelmässig stattfindenden Ballettgesprächen und einer Vielzahl spezieller Kinder-, Jugend- und Schulprojekte.
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einführung
«Ich verachte Niemanden, am wenigsten wegen seines Verstandes oder seiner Bildung,
weil es in niemands Gewalt liegt, kein Dummkopf oder kein Verbrecher zu werden –
weil wir durch gleiche Umstände wohl alle gleich würden und weil die Umstände
ausser uns liegen.»
(Georg Büchner, Brief an die Eltern, Februar 1834)
Schon seit langem ist Christian Spuck von den Werken des deutschen Dramatikers Georg Büchner
fasziniert. Mit sezierendem Blick hat der Dichter
gleichsam Autopsien der menschlichen Seele vorgenommen und, wie es der Lyriker Durs Grünbein formulierte, «die Risse, die durch den Einzelnen gingen,
früh und keineswegs kalt registriert.»
Ab 1836 wirkte Georg Büchner in Zürich als Privatdozent für Medizin und ist hier 1837 im Alter von nur 23
Jahren gestorben. Das Drama Woyzeck wurde von
Georg Büchner als Fragment hinterlassen und erschien erst nach seinem Tod 1879. in einer überarbeiteten Fassung. Woyzeck beschreibt schlaglichtartig
das Schicksal eines einfachen Soldaten.
«Ich hoffe noch immer, dass ich leidenden, gedrückten Gestalten mehr mitleidige Blicke zugeworfen
als kalten, vornehmen Herzen bittere Worte gesagt
habe», schreibt Büchner in einem Brief an seine Eltern. Dabei ist ihm das Mitgefühl zu den Entbehren-
den und Leidenden so selbstverständlich wie sein
Hass gegen jene, «die (...) die grosse Masse ihrer Brüder ihrem verachtenden Egoismus opfern». Büchner
hat in wenigen Werken die Grenzen und Abgründe
des Menschen erkundet: Melancholie, Wahnsinn,
Verbrechen, Sexualität. Heute gilt er als einer der
grössten deutschen Autoren des 19. Jahrhunderts
und als Bahnbrecher der Moderne.
2011 schuf Christian Spuck das abendfüllende Handlungsballett Woyzeck, das nur fünf Tage vor Büchners 200. Geburtstag mit dem Ballett Zürich zur
schweizerischen Erstaufführung gelangte. Christian
Spuck übersetzt die metaphernreiche prägnante
Sprache Büchners in eindringliche choreografische
Bilder. In reizvoller Kombination mit Spucks Ballett
Leonce und Lena, eine Adaption von Georg Büchners gleichnamigem Lustspiel fürs Ballett, wirft das
Ballett Zürich mit zwei sehr unterschiedlichen Stücken, einen neuen, ungewöhnlichen Blick auf einen
bis heute modernen Dichter.
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INHALTSANGABE
Woyzeck ist ein einfacher Soldat. Er liebt Marie, mit der er ein uneheliches Kind hat. Sein karger
Sold reicht für die drei kaum zum Überleben.
Um sich etwas hinzuzuverdienen, übernimmt Woyzeck verschiedene Gelegenheitsarbeiten. Allmorgendlich rasiert er den Hauptmann der Garnison.
Einem Doktor stellt er sich für dubiose medizinische Experimente zur Verfügung. Drei Monate
lang darf Woyzeck nur Erbsen essen. Der Doktor untersucht regelmässig die physischen und
psychischen Auswirkungen dieser absurden Diät.
Ausserdem dient Woyzeck einem Professor als Studienobjekt. Von ihm und seinen Studenten
muss er alle erdenklichen Demütigungen einstecken.
Einen Vertrauten hat Woyzeck in seinem Kameraden Andres, doch Ruhe findet Woyzeck nur,
wenn er mit Marie und seinem Sohn zusammen ist. Immer wieder wird er jedoch von unheilvollen
Stimmen heimgesucht.
Marie ist fasziniert vom stolzen Tambourmajor der Militärkapelle und lässt sich von seinen Geschenken und Umwerbungen verführen.
Als er an Marie ein Paar neue Ohrringe entdeckt, realisiert Woyzeck, dass sie ihn mit dem Tambourmajor betrügt. Doch diesem Nebenbuhler ist er nicht gewachsen. In seiner ausweglosen
Verzweiflung ersticht er Marie.
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GEORG BÜCHNERS DRAMENFRAGMENT WOYZECK
«Sehn Sie, wir gemeine Leut, das hat keine Tugend, es kommt einem nur so die Natur,
aber wenn ich ein Herr wäre und hätte einen Hut und eine Uhr und eine Anglaise und
könnt vornehm reden, ich wollt schon tugendhaft sein. Es muss was Schönes sein um die
Tugend, Herr Hauptmann, aber ich bin ein armer Kerl..»
(Georg Büchner, Woyzeck)
Mit Woyzeck schrieb Büchner ein Drama, das erst
viele Jahrzehnte nach seinem Tod Beachtung finden
sollte. Dann aber beriefen sich von den Naturalisten bis zu den Expressionisten viele nachfolgende
Dramatikergenerationen auf das Werk. Nicht nur
formal scheint Büchners Woyzeck das erste moderne Drama zu sein. Sein schonungsloser Blick auf
die Welt ist zeitlos geblieben. Büchner zeichnet eine
zerrissene, moderne Welt, in der Religion ebenso wie
die Naturwissenschaften, in der die Werte und die
Moral ebenso wie die Triebhaftigkeit des Menschen,
in der Gott und die Welt in Frage gestellt wird.
Wie in allen seinen Dramen bohren auch in Woyzeck
schier unlösbare Zweifel in den Figuren. Mehrfach im
Stück wird in unterschiedlichen Zusammenhängen
die Frage gestellt: Was ist der Mensch? Der Doktor sucht die Natur in Menschenexperimenten zu
erforschen. Der Hauptmann verweist auf Religion
und Moral, die den Menschen bändigen sollen. Der
Marktschreier erzählt vom Tierischen im Menschen
und vom Menschlichen im Tier. Woyzeck selbst sieht
Zeichen in der Natur, hinter denen er tiefere Bedeutungen ahnt. Alle blicken sie aus unterschiedlichen
Perspektiven auf die Welt und den Menschen. Aber
keiner findet Antworten, die die Natur des Menschen
wirklich fassen könnten.
Als Vorlage für das Stück gelten Publikationenn
und Gutachten zum historischen Mordfall. Büchner
nimmt die historische Geschichte auf und nimmt sie
zum Anlass einen Blick in die Abgründe der menschlischen Seele zu werfen: Franz Woyzeck tötet seine
Geliebte, nachdem sie ihn betrogen hat. Was aber
macht ihn zum Mörder? - Sind es die erniedrigenden
Umstände? Ist es die Eifersucht? Sind es die Folgen
der Fehlernährung durch die wissenschaftlichen Experimente des Doktors? Oder gar Woyzecks Geistesverwirrungen? Büchner geht der Frage nach den
Mordmotiven und Bedingungen nach. Beantworten
aber will und kann er sie nicht, diese zeitlose Frage,
die Büchner Danton in Dantons Tod in den Mund
legt: Was ist das, was in uns hurt, lügt, stiehlt und
mordet?
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WOYZECK
EINE WAHRE GESCHICHTE
Am 21. Juni 1821 erstach der 41jährige Friseur Johann Christian Woyzeck in Leipzig aus Eifersucht
seine 46jährige Geliebte, die Woostin. Als Mordwaffe diente eine abgebrochene Degenklinge, für
die sich Woyzeck einen Griff hatte machen lassen.
Die Woostin hatte Woyzeck seit längerer Zeit abgewiesen, er war ihr zu abgerissen und heruntergekommen und trank ihr auch zu oft.
Woyzeck war eine unstete Natur. Zwölf Jahre war er
in sächsischen Kriegsdiensten gewesen. 1810 wollte
er die Wienbergerin heiraten, mit der er ein Kind
hatte. Seine Offiziere wollten ihm auch den Trauschein beschaffen. Da erfuhr Woyzeck, dass sie sich
mit anderen Soldaten eingelassen hatte, liess sie
sitzen und begann ein ruheloses Wanderleben. 1819
lernte er in Leipzig die Witwe Woost kennen. Aber es
gab Streit. Woyzeck verfolgte die Frau. Er versuchte
sich ihr immer wieder zu nähern, wurde von Nebenbuhlern verprügelt und wegen seiner Armut verspottet, bis er schliesslich die Frau im Streit erstach.
Ohne grosse Mühe wurde er festgenommen. Hofrat Clarus musste ein psychologisches Gutachten
anfertigen. Er kam zu dem Ergebnis, dass Woyzeck
„viel moralische Verwilderung, Abstumpfung gegen
natürliche Gefühle und wahre Gleichgültigkeit in
Rücksicht auf Gegenwart und Zukunft, auch Mangel an äusserer und innerer Haltung“ zeige, aber
„voll zurechnungsfähig“ sei. Für jene Zeit ist diese
typische Reduktion aller Werte auf die bürgerliche
Weltordnung charakteristisch. Es kann kein Zweifel
daran bestehen, dass Woyzeck an Sinnestäuschungen und Zwangsvorstellungen litt. Das wurde auch
schon damals teilweise erkannt. Ein Gelehrtenstreit
um den Fall Woyzeck brach aus, der jahrelang in
Fachzeitschriften ausgetragen wurde. Schliesslich
siegte wieder die Besorgnis um die bürgerliche Sicherheit. Clarus verlangte die Verurteilung Woyzecks zur
Abschreckung, um zu zeigen wohin „Arbeitsscheu,
Spiel, Trunksucht, ungesetzmässige Betätigung der
Geschlechtslust und schlechte Gesellschaft“ führen
müssten.
Am 27. August 1824 wurde Woyzeck öffentlich hingerichtet Der Leipziger Pöbel liess sich die 30 Jahre
entbehrte Sensation einer Hinrichtung nicht entgehen, er machte eine Art Volksfest daraus. Die
Gutachten und Gegengutachten zum Fall Woyzeck
wurden in der „Zeitschrift für Staatsarzneikunde“
veröffentlicht. Büchners Vater war selbst Mitarbeiter
dieser Zeitschrift, so war sie Georg Büchner sicherlich leicht zugänglich.
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GEORG BÜCHNER (1813-1837)
«Ich glaube, man muss die abgelebte
moderne Gesellschaft zum Teufel gehen lassen. Zu was soll ein Ding, wie
diese, zwischen Himmel und Erde herumlaufen. Das ganze Leben derselben
besteht nur in Versuchen, sich die entsetzlichste Langeweile zu vertreiben.
Sie mag aussterben, das ist das einzig
Neue, was sie noch erleben kann.»
Georg Büchner an Karl Gutzkow, Anfang Juni 1836
Georg Büchner wird am 17. Oktober 1813 in einem
kleinen Dorf im Grossherzogtum Hessen-Darmstadt
in Deutschland geboren und wächst in der Enge eines
der typischen Kleinstaaten des Deutschen Bundes
auf (die Residenzstadt Darmstadt hat nicht mehr als
20‘000 Einwohner, die Staatsfläche des Herzogtums
wird durch etliche Nachbarstaaten zerschnitten). Er
ist das erste von fünf Kindern des Arztes Ernst Büchner und seiner Frau Caroline. Bevor er in die Schule
kommt, übersiedelt die Familie in die Stadt Darmstadt, wo er in eine neu gegründete Schule, die «Privat-Erziehungs- und Unterrichtsanstalt» ‚ des Theo-
logen Dr. Weitershausen eingeschult wird. Bereits mit
acht Jahren wird er in Geometrie, Geschichte, Physik, Latein, Griechisch und Französisch unterrichtet.
Als er auf ein humanistisches Gymnasium wechselt, trainiert er den Umgang in klassischer Rhetorik, die maßgeblich sein Schreiben beeinflussen wird.
Auf Wunsch seines Vaters nimmt Georg Büchner in
Strassburg das Studium der Medizin auf. Strassburg
ist zu dieser Zeit ein wichtiger Zufluchtsort für Kritiker
und politisch Verfolgte, die sich gegen die Machtverhältnisse im Deutschen Bund auflehnten und durch
den misslungenen sogenannten «Frankfurter Putschversuch» (1833) eine schwere Niederlage erlitten.
1833 kehrt Büchner aus Strassburg zurück, er verbringt den Sommer in Darmstadt, zieht dann nach
Giessen, um dort sein Studium fortzusetzen. Er leidet
immer wieder an Depressionen. Die kleinbürgerliche
Enge der herzoglichen Universitätsstadt, die soziale
Not der hessischen Bauern und die Starre und Ungerechtigkeit der feudalistischen Gesellschaftsstrukturen erbittern ihn, lassen ihn aber auch zum Revolutionär werden, der für die Freiheit und Gleichheit
aller und gegen die materielle und politische Unter-
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drückung der niederen Stände kämpft. Der hessische Landbote und Dantons Tod entstehen, Büch-
ner wird politisch tätig und schreibt in der ständigen
Angst, verhaftet zu werden. Schliesslich flüchtet er
1835 vor polizeilichen Ermittlungen nach Strassburg. Dort entstehen Lenz, Leonce und Lena und
Woyzeck. Zeitgleich arbeitet er an seiner Doktorarbeit über das Nervensystem der Flussbarbe.
Im Oktober 1836 zieht Georg Büchner nach Zürich
und wird nach einer Probevorlesung in die philosophische Fakultät aufgenommen. Während der Vorbereitung auf seine Lehrtätigkeit erkrankt er im Januar 1837 an Typhus. Georg Büchner erliegt am 19.
Februar 1837 im Alter von 23 Jahren seiner Krankheit
und wird in Zürich beigesetzt.
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«Wenn in unserer Zeit etwas helfen soll, so ist es Gewalt. Wir wissen, was wir von unseren Fürsten zu erwarten haben. Alles, was sie bewilligten, wurde ihnen durch die Notwendigkeit abgezwungen. (…) Man wirft
den jungen Leuten den Gebrauch der Gewalt vor. Sind wir denn aber nicht in einem ewigen Gewaltzustand? Weil wir im Kerker geboren und grossgezogen sind, merken wir nicht mehr, dass wir im Loch stecken
mit angeschmiedeten Händen und Füßen und einem Knebel im Munde. Was nennt ihr den gesetzlichen
Zustand? Ein Gesetz, das die große Masse der Staatsbürger zum frohnenden Vieh macht, um die unnatürlichen Bedürfnisse einer unbedeutenden und verdorbenen Minderzahl zu befriedigen?»
Georg Büchner, aus einem Brief an die Familie. In: „Werke und Briefe“, 1998
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UNSTERBLICHE EXPERIMENTE
Ein Essay von Hermann Kurzke
Das Proletarier-Elend des 19. Jahrhunderts in Büchners Woyzeck zu entdecken und sich darüber pflichtschuldig zu empören – das ist moralisch korrekt, aber
zum Gähnen. Das Theater vom armen Mann, den unmenschliche Gesellschaftsmächte – der Hauptmann,
der Doktor – zum Mord an seiner Geliebten treiben,
ist heruntergekommen zur Phrasendreschmaschine
für Schreibtischempörungen. Wir brauchen einen
Woyzeck, der uns anders packt, und zwar unmittelbar körperlich, nicht auf dem Umweg über den Kopf.
Ballett ist Körpertheater, hat Büchner etwas dafür
zu bieten? Welche Körper begegnen uns in seinen
Szenenentwürfen?
Es ist ein groteskes Panoptikum. Es gibt Dünne und
Dicke, Kurze und Lange, Krumme und Gerade, Babys
und Greise, Schmiegsame und Steife, Rapide und
Apathische, Taumelnde und Standsichere, Potente
und Impotente, Menschliche und Viehische, Geistige
und Fleischige. Es treten auf: ein Kind, ein Idiot, ein
Narr, ein Soldat, ein Marktschreier, ein alter Mann,
ein gelehrtes Pferd, betrunkene Handwerker, eine
Grossmutter und mehr noch. «Ich bin ein lebendiges
Skelett», so stellt sich ein ausgezehrter Barbier vor,
«die ganze Menschheit studiert an mir». Für einen
halben Gulden in der Woche zeigt er den Studenten
seinen verkrümmten Rücken. Er hat sich so heruntergehungert, dass man alles prächtig sehen kann,
die Knochen, die Muskeln, die Bänder, Sehnen und
Gefässe. Er ist ein bezahltes Objekt. Die Medizinerwelt
ist kalt, sie verzehrt Körper und legt sie in Spiritus.
Eine Frau hat Gesichtskrebs, cancer aquaticus, sagt
der Doktor, sie ist in vier Wochen tot, das Schöne
daran ist: «sie gibt ein interessantes Präparat». Der
Doktor ist kurzbeinig, dürr und zuckelig. Er kräht «Kikeriki», bewegt sich wie ein Blitz, hetzt «hinter dem
Tod drein». Der Hauptmann nennt ihn «Sargnagel».
Der Körper des Doktors hat wie ein Dämon kaum
Materie. Er ist so schnell, dass er immer schon fort ist
von dem Ort, an dem man ihn gerade noch gesehen
hat – eine gespenstische Figur. Büchner selbst war
Anatom, im Zerschneiden und Präparieren von toten
Körpern geübt. Er kannte diese Welt, er satirisierte
sich selbst in ihr und bannte so seine eigene Urangst,
ein Unmensch zu sein.
Marie, Woyzecks Geliebte, hat «einen so roten Mund
als die grossen Madamen». Sie ist selbstbewusst
und traut sich was. Sie ist ein scharfes Weib. «Zum
Fortpflanzen von Kürassierregimentern und zur Zucht
von Tambourmajors», trompetet der Tambourmajor.
«Wie sie den Kopf trägt, man meint das schwarze
Haar müsse ihn abwärts ziehen», sagt der Unteroffizier. «Als ob man in einen Ziehbrunnen oder zu einem
Schornstein hinunter guckt», sekundiert der Tambourmajor. «Ein köstlich Weibsbild! die hat Schenkel
und Alles so fest!» sagen sie zueinander. Woyzeck
aber ist lang und dünn wie der Schatten von einem
Spinnenbein, beinahe körperlos, das kann nicht gut
gehen. Sie verweigert sich ihm, das Geisthafte ekelt
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sie. «Ich hätt lieber ein Messer in den Leib, als deine
Hand auf meiner», sagt sie zu ihm. Er ist ein guter Mensch, aber reicht das? Marie begehrt etwas
Elementareres, einen Mann, vital und brutal. Der
Tambourmajor ist ein «Stier», ein «Löw», ein «Baum»
– also ein echter Mann, wenn auch ein Tier. «Ich bin
stolz vor allen Weibern», sagt Marie verblendet, als
sie ihn ansieht. Es ist nur der Körper und nichts als
der Körper, dessen Hitze alle anderen Gesichtspunkte
verbrennt. Alle Personen in diesem Stück hängen an
den Seilen des Triebs. Marie ist nicht die unschuldig
Verführte, sondern eine Begehrende – «sie guckt siebe
Paar lederne Hose durch». Ihre Lippen sind heiss, «die
Wespen setzen sich gern drauf». In der frühesten
Fassung ist Marie nur eine Soldatenhure. Erst in der
letzten Fassung hat Büchner sie ein bisschen veredelt,
so dass sie Fausts Gretchen zu ähneln beginnt.
Der Tambourmajor ist zwar ein dummes Schwein,
aber er hat Courage wie ein Hengst, deshalb bekommt er die heisse Marie. Sein Hauptmann hat
keine Courage. «Hm, aufgedunsen, fett, dicker Hals,
apoplectische Constitution», lautet die Diagnose des
Doktors. Der Hauptmann ist massig und ungesund,
sein Körper ist hässlich, er schnauft wie ein Ochse. Er
ist kein schneidiger Offizier, sondern ein alter Sack.
Er verdrängt seine Sexualität und schwadroniert von
der Tugend. Er schaut von seinem Fenster aus den
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Mädchen unter die Röcke, wenn sie sie schürzen,
um bei Regenwetter über die Pfützen zu springen.
Wenn er Glück hat, sieht er ein Bein bis zum Knie. Er
verzichtet, weil er feig ist und sich selbst nicht achtet
– nicht weil er die Würde der Mädchen achtete. Auch
er hat Marie gesehen, sah sogar auf ihren Lippen die
des Tambourmajors, auch er begehrt sie – «Woyzeck,
ich habe wieder die Liebe gefühlt» – schwermütig
und chancenlos.
Woyzecks Körper ist steif und verspannt. Er läuft gehetzt wie ein offenes Rasiermesser durch die Welt, er
stakst erst breitbeinig und wird dann immer schneller.
«Gesichtsmuskeln starr, gespannt, zuweilen hüpfend,
Haltung aufgerichtet gespannt.» Er «tastet mit seinen Füssen herum wie mit Spinnenfüssen», pisst an
die Wand, «steht ganz grad», «kracht mit den Fingern». Er bekommt nur Erbsen zu essen, sein Haar
ist ganz dünn geworden, sein Puls ist ungleich, die
Studenten betasten ihm Schläfe, Puls und Busen. Er
ist nicht ganz von dieser Welt, ein Seher, ein Prophet,
ein Philosoph, «so vergeistert», ein Intellektueller,
auch wenn er nichts studiert hat ausser der Bibel. «Er
schnappt noch über mit den Gedanken.»
Von der Körperlichkeit her gesehen, bringt es gar
nichts, das Personal soziologisch in Täter und Opfer
aufzuspalten. Sklaven sind sie vielmehr alle – Sklaven
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ihrer Körper. Sie sind alle grotesk, im strengen Sinne
von karikaturistisch überzeichneten Mischformen von
Menschheit und Tierheit. Das meiste am Menschen ist
noch Tier. Büchner hat schon die Evolution gesehen.
«Der Aff’ ist schon ein Soldat, s’ist noch nit viel, unterst Stuf von menschliche Geschlecht.» Alle verfolgen das Interesse ihres Geschlechts. Sie sind grotesk,
wenn sie sich etwas Geistiges herausnehmen und so
tun, als seien sie mehr als Tiere – der Doktor, wenn er
faselt von der Revolution in der Wissenschaft, die er
bewirken werde, der Barbier, wenn er den dogmatischen Atheismus verkündet, der Hauptmann, wenn
er Moral predigt, der Tambourmajor, wenn er sich
etwas auf seinen Federbusch einbildet, Marie, wenn
sie stolz ist auf einen Mann, der doch nur ein Baum
ist, Woyzeck, wenn er die Freimaurer unter dem Boden
wühlen hört. Alle sind komisch und elend. Alle sind
tragisch und lächerlich. Darin liegt die unverwüstliche
Modernität.
Büchner hatte nicht die Absicht, ein Theaterreformer zu sein. Das hat sich eher nebenbei ergeben. Er
hatte auch nicht die Absicht, eine Pauperismusstudie
vorzulegen. Das Thema Armut interessierte ihn zwar,
aber es ist nur ein Teilaspekt, der im ersten WoyzeckEntwurf noch gar nicht vorkommt. Die Armut gehört
zu den Mächten, die Woyzeck in die Enge treiben,
aber seine Marie fällt nicht für Geld, sie fällt, weil
der Tambourmajor ein Stier ist. Die unbeherrschbare
Triebhaftigkeit der Menschen ist das Herzstück, nicht
die soziale Not.
Auf seine biografischen Voraussetzungen befragt,
erweist Woyzeck sich als Spiegel zahlreicher Konflikte,
die Büchner mit sich herumtrug und in sein Drama
hineintrug. Es spielt in den Tiefen und Abgründen
seiner Seele. Es spielt nicht dort, wo es bürgerlich
und aufgeräumt zugeht und das Verdrängte unter
strenger Kontrolle steht, sondern dort, wo die Gefühle
lagern, die nicht sein sollen und für die er keinen anderen Platz hat als die Dichtung. Die biografischen
Beziehungen zu seinem Dramenpersonal sind eng.
Das lebende Skelett hatte er als Strassburger Medizinstudent gesehen; ein Grausen war ihm davon
übrig geblieben. Er kannte auch Ernährungsexperimente, Sektionen, Präparate und die wissenschaftliche Medizin, die Menschen aufspiesste wie Käfer
und, damals wie heute, im Patienten hauptsächlich
Material für Forschungen sah. «Wenn Gott will, dass
Ihre Zunge zum Teil gelähmt wird, so machen wir die
unsterblichsten Experimente.» Diesem Typus entsprach auch Büchners Vater, der eine selbstmordwil-
lige Patientin markierte Stecknadeln verschiedener
Länge schlucken liess, um herauszufinden, wie lange
diese brauchen, um den Darm zu durchwandern. Die
Figur des Doktors ist insoweit eine höchst persönliche
Angelegenheit des jungen Georg Büchner, der dem,
was er kritisiert, gefährlich nahe war.
Auch dem Hauptmann ist er nicht fern. Der Hauptmann ist ja kein zackiger Militär, sondern ein Melancholiker, hamletisch unfähig, seinem Begehren
Handlungsgestalt zu geben. Büchner hatte sich
allzufrüh verlobt, als Neunzehnjähriger, und fühlte
sich nun gefesselt. Er träumte von vielen Frauen, wie
seine Dichtungen zeigen, die voll von grossartigen
Frauenfiguren sind, die meisten davon erotisch sehr
anziehend. Bestimmt sah auch er den Mädchen
unter die Röcke. Aber wie der Hauptmann war er
gefesselt durch die Tugend. Er wäre zwar manchmal
gern ein Tambourmajor gewesen, der sich die Frauen
einfach nimmt, aber zugleich verachtete er diesen
Typus, er war zu anständig und ein Intellektueller mit
einem Kopf voller Bedenken. Seine Verlobte durfte
ausserdem nicht wissen, dass er noch eine heimliche
Geliebte hatte, die er zur Tugend führen wollte. Dem
Tagebuch des Freundes Alexis Muston verdanken
wir eine sensationelle Nachricht: Büchner habe sich
«in einer Art mystischen Anbetung in ein gefallenes
Mädchen verliebt, das er auf die Stufe von Engeln zu
erheben träumte.»
Ausser seiner Verlobten hatte der junge Büchner also
noch diese «fille perdue», wie sie im französischen
Original heisst, zu verkraften, und wollte sie «relever
au niveau des anges». Vielleicht war sie eine Prostituierte, was Büchners erstaunlich gute Kenntnisse des
Hurentons erklären würde. Vielleicht wollte Büchner
sie auf den bürgerlichen Pfad zurückführen, vielleicht
war er daran gescheitert, vielleicht war sie mit irgendeinem Tambourmajor von dannen gezogen,
vielleicht rührte daher eine tiefe Kränkung, die er
seinem Woyzeck mitgibt, dem es auch nicht gelingt,
die heisse Marie zu zähmen.
Büchner gehörte eher zu den Langen und Dünnen
als zu den Breitbrüstigen und Standsicheren. Er treibt
seinen Woyzeck so in die Enge, dass dieser im Mord
den einzigen Ausweg sieht. Der Tod auf dem Schafott
wird die Folge sein. Büchner kannte die Todesangst.
Er hatte eine Grundangst vor Enge. Sein dichterisches Werk ist voll von klaustrophobischen Bildern.
Er erlebte die Welt wie einen Sarg, der sich gerade
schliesst. Die Grundangst, die vielleicht schon aus
15
der Kindheit kam, hatte sich verschärft durch die
sehr konkrete Angst, verhaftet zu werden. Er wurde
ja in Deutschland wegen seiner aufrührerischen
Flugschrift Der Hessische Landbote steckbrieflich
gesucht. Die Anklage hätte auf Hochverrat gelautet.
Freunde von ihm sassen im Knast; er wusste, wie
schrecklich das war.
Er konnte zwar noch rechtzeitig fliehen, aber die
Angst blieb, auch Strassburg war ja nicht besonders
sicher. Alle Figuren in Woyzeck sitzen in diesem klaustrophobieerzeugten Gefängnis, vor allem Woyzeck
selbst, aber auch seine Marie. In ihrer Ausweglosigkeit
beten sie. Aber nicht einmal im Himmel ist der Raum
offen. «Ich glaub’ wenn wir in Himmel kämen, so
müssten wir donnern helfen», sagt Woyzeck.
Die Rückbindung an die Biografie soll das Werk nicht
privatisieren, es nicht verkleinern und erniedrigen
zum Resultat nur der Psychopathologie seines Autors, sondern es erweitern und reicher machen. Das
ergreifende junge Leben, das im Februar 1837 in
Zürich so jäh endete, soll immer präsent sein und
dem Kunstwerk eine tiefe Saite hinzufügen, die im
Theatererleben mitschwingt. Die Trauer um ihn darf
sich mischen mit der Trauer um Woyzeck und Marie.
Das Grosse an Büchner ist ja nicht allein, dass er uns
die Trieb- und Interessengebundenheit allen Lebens
zeigt. Das Grosse ist die Trauer, mit der er das tut. Er
triumphiert ja nicht, als hätte er endlich Aufklärung
gebracht, als hätte er den Geist und die Seele und
die Menschlichkeit aus purer Wahrheitsliebe entlarvt.
Er trauert um die Menschen, die er zeigt, weil sie sich
nicht losmachen können aus ihren Ställen und Käfigen, weil sie keine Adler sind, sondern Stiere, Gockel,
Ochsen und Schweine, Affen, Spinnen, Zuchtstuten
und Ziehbrunnen. Oder bewusstlos vegetieren wie
Kinder, Narren und Betrunkene. Er sähe gern Erlöste,
findet aber nur Gefangene. Früher und genauer als
andere sah er, was aus den vermeintlich aufgeklärten
Bürgern des modernen Staates geworden war: Leute
wie der Doktor, der Hauptmann, der Tambourmajor,
die sich Menschen wie Woyzeck und Marie gefügig
machen, anstatt sie als Freie und Gleiche zu behandeln. Im Woyzeck-Drama gibt es keine revolutionäre
Perspektive, niemand tritt auf, der die Verhältnisse
verbessern könnte. Gerade weil niemand wirklich etwas ändern kann, wirkt das Soziale in seiner Fatalität
so empörend, so sehr als Gefängnis. Daran hat sich
im Prinzip wenig geändert seitdem. Die Bürgerrechte
gehören faktisch nur wenigen. Dem einzelnen Sozialfall wird oft nicht geholfen, oder man kann ihm nicht
helfen. Das soziale Netz hätte den Mörder Woyzeck
nicht gehalten. Der Fall Woyzeck ist aktuell wie eh und
je. Büchner ist ein ausgezeichneter Seismograph, der
Erschütterungen wahrnahm, von denen noch heute
die Erde zittert. Hermann Kurzke ist Professor emeritus für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Universität Mainz. In diesem
Jahr ist seine vielbeachtete Biografie über Georg Büchner
im H.C. Beck-Verlag erschienen
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MUSIK
PROLOG
Maries Ohrringe
Philip Glass: Music Box
György Kurtág: Hommage à Mihaly András – 12 Microludes
Martin Donner: Intro
für Streichquartett op. 13, daraus: 2. Quasi allegretto
György Kurtág: Aus der Ferne III für Streichquartett (1991)
Stadtszene
Alfred Schnittke: The Ascent Suite, daraus: 3. Remorse
Johann Sebastian Bach / György Kurtág:
Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit,
WIRTSHAUS
Sonatine, BWV 106 (aus «Játékok»)
Alfred Schnittke: Adventures of a Dentist-Suite,
Alfred Schnittke: The Glass Harmonica Suite,
daraus: 3. Der Park. Tempo di valse
daraus: 1. The Musician and the Carillon
Martin Donner: Tavern Interlude
Alfred Schnittke: Adventures of a Dentist-Suite,
Woyzeck und Andres
daraus: 7. Walzer: Moderato
Martin Donner: Woyzeck + Andres
György Kurtág: Hommage à Mihaly András – 12 Microludes
Woyzeck
für Streichquartett op. 13, daraus: 10. Molto agitato
Alfred Schnittke: The Glass Harmonica Suite,
daraus: 3. The Faces – The Flights – Pyramids
Woyzeck und Hauptmann
Alfred Schnittke: Rikki-Tikki-Tavi, daraus: Nacht
Woyzeck tötet Marie
Alfred Schnittke: The Ascent Suite,
Tambourmajor und Soldaten
daraus: 2. On the Sleigh
Martin Donner: Tambourmajor
Alfred Schnittke: The Ascent Suite, daraus: 3. Remorse
Marie und Woyzeck
Wirtshaus II
Alfred Schnittke: Die Kommissarin, daraus: Regen
Alfred Schnittke: The Waltz Suite, daraus: 3. Factory
Philip Glass: Music Box
EPILOG
Woyzeck und Doktor
Johann Sebastian Bach / György Kurtág: Gottes Zeit ist
Alfred Schnittke: The Glass Harmonica Suite,
die allerbeste Zeit,
daraus: 4. The Musician – Awakening
Sonatine, BWV 106 (aus «Játékok»)
Marie und Tambourmajor
Alfred Schnittke: Die Kommissarin,
daraus: Einzug in die Stadt
Martin Donner: Marie + Tambourmajor
Woyzeck und Professor
Alfred Schnittke: Rikki-Tikki-Tavi, daraus: Kampf
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DIE KOMPONISTEN
Christian Spuck ist ein Meister der klug arrangierten
Musikcollagen - eine Eigenschaft, für die der Choreograf inzwischen weithin bekannt geworden ist.
Auch für Woyzeck bedient er sich verschiedener musikalischer Werke, die er zu einem stimmigen Ganzen
zusammen setzt und der tänzerischen Komposition
an die Seite stellt. Die musikalische Auswahl spricht
eine eigene Sprache, verweist auf die unterschiedlichen Epochen und Entstehungszusammenhänge
der Werke und erschafft Stimmungen, welche gemeinsam mit Tanz und Bühnenbild die Geschichte
erzählen.
Für Woyzeck hat Martin Donner perkussive Teile
komponiert, die sich nahtlos in den Musikteppich
aus Kompositionen von György Kurtag, Philipp Glass
und vor allem Filmmusik von Alfred Schnittke einfügen.
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Alfred Schnittke
Der deutsch-russische Komponist Alfred Schnittke
zählt ohne Frage zu den bedeutendsten Komponisten der Gegenwart. Man hat ihn als «Gratwanderer
zwischen Ost und West» bezeichnet – und das spiegelt sich auch in seiner Musik wider.
Geboren wurde er 1934 in Engels, der damaligen
Hauptstadt der Autonomen Wolgadeutschen Sowjetrepublik. Sein Vater war Journalist, lettischer Jude.
Seine Mutter war eine wolgadeutsche Katholikin. Von
1946 bis 1948 lebte die Familie in Wien. Sein Leben
zwischen der deutschen und russischen Kultur bestimmte auch zeitlebens sein Wirken und findet sich
in seinem kompositorischen Schaffen wieder.
Erste Kompositionsversuche unternahm der zwölfjährige Schnittke in Wien, doch der Grundstein für
sein reiches Wirken wurde 1948 in Moskau gelegt.
Dort besuchte er fünf Jahre lang eine Musikfachschule und liess sich zum Chorleiter ausbilden. 1953
begann er dann am Moskauer Konservatorium sein
Studium der Komposition und Kontrapunktik. Ab
1962 lehrte Schnittke dort selbst und arbeitete freischaffend als Komponist. Berühmt machten ihn zunächst seine vielen Kompositionen für den Film.
Schnittke widmete sich aber längst nicht nur der
Filmmusik, so begründete er die mit seinem Namen
eng verbundene sogenannte Polystilistik. Als beispielhaft dafür gilt seine Erste Sinfonie (1969-1972),
die er mit Zitaten aus Barock-, Tanz- und Jahrmarktmusik durchsetzt hat. Seine Violinsonate Nr. 2 von
1968 war der Durchbruch auf diesem Gebiet.
Genauso wie er die verschiedenen musikalischen
Genres aufnahm, zerlegte und neu zusammensetzte, zitierte er in seinem Schaffen auch häufig
seine musikalischen Vorbilder (u.a. Bach, Mahler,
Bruckner, Ives und Schostakowitsch). Dass sich
Schnittkes Musik schon früh im Westen durchsetzte,
verdankte er vor allem dem Geiger Gidon Kremer
und dem Dirigenten Gennadi Rozhdestvensky. Sie
führten bei Konzerten seine Werke auf, und so dauerte es nicht lange, bis Schnittke bei Musikfestivals
in Graz, Paris, London, Berlin und Wien gespielt
wurde.
1990 siedelte Schnittke nach Hamburg über. Er
nahm eine Professur an der Musikhochschule an. Er
starb am 3. August 1998 in Hamburg.
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bei Kurtág mit einem hohen Grad an Selbstzweifel
und einer überaus selbstkritischen Haltung einher
gehen. Bemerkenswert sind diverse, mehr oder weniger versteckte und verschlüsselte Verweise in seinen Werken, so etwa mit den Opuszahlen oder Titeln, beispielsweise mit op. 27 …quasi una fantasia
… an Beethoven oder mit op. 28 Officium breve an
Weberns Streichquartett. Zudem gibt es kompositorische Anspielungen in den zahllosen Widmungsstücken des Work in progress, Játékok.
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György Kurtág
György Kurtág wurde 1926 in Lugoj im Bánát geboren, einer Region, die seit 1918 zu Rumänien gehört.
Er gilt als der bedeutendste zeitgenössische ungarische Komponist – nahm 1948 die ungarische Staatsbürgerschaft an. Kurtág kam 1946 nach Budapest,
um Musik zu studieren. Er graduierte zunächst in den
Fächern Klavier und Kammermusik, um anschliessend sein Kompositionsstudium abzuschliessen. 1957
ging er für ein Jahr nach Paris, wo er in Kompositionskursen bei Darius Milhaud und Olivier Messiaen
nachhaltige Eindrücke sammelte. 1971 verbrachte er
als Stipendiat des DAAD ein Jahr in Berlin. Bis zu seinem Ruhestand 1986 war er Professor an der Budapester Musikakademie.
Bis zu seinem 1993/95 entstanden Opus 33 und dem
Claudio Abbado und den Berliner Philharmonikern
gewidmeten Orchesterwerk Stele, komponierte Kurtág – ausser einigen Chorwerken – Kammermusik. Die
Botschaften des verstorbenen Fräuleins R.V. Troussova,
op. 17 (1981) für Sopran und Kammerensemble machten seinen Namen international bekannt.
Die Musik Kurtágs ist geprägt von einer Verdichtung
musikalischer Texturen. Kurtágs Sprache ist dabei
spielerisch und assoziativ. Dennoch ist sie in ihrer oftmals radikalen Beschränkung und Konzentration
durchdrungen von Erkenntnis und Vergeistigung, die
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Martin Donner
Jahrgang 1974, ist seit Mitte der neunziger Jahre als
Komponist, Produzent und Musiker tätig. Musikalisch
vielseitig interessiert, arbeitet er seit 2000 als freischaffender Künstler in verschiedenen Projekten und
Formationen. Dabei setzte er sich intensiv mit der
Ästhetik und Produktion elektronischer Musik auseinander. In Kooperation mit der Agentur Publikmacher baute er ein digitales Klangarchiv für das Internet auf und war von 2001-2003 Dozent für Audioproduktion an der Medienwerkstatt Stuttgart.
Seit 2002 komponierte er regelmässig Musik für verschiedene internationale Theater und Tanzkompanien. Dabei arbeitete er mit Christian Spuck, René
Pollesch und Hans Kresnik zusammen. An der Berliner Humboldt-Universität absolvierte er ein fortbildendes Studium der Kultur- und Medienwissenschaften. In der Folge entstanden neben seiner Musik auch
theoretische Texte und Klanginstallationen.
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VON EINEM DER ABIRRT
Im Tanz geht es um Eleganz und Leichtigkeit.
Ballettdirektor Christian Spuck aber bringt mit Büchners gedemütigtem Soldaten Woyzeck eine Figur auf die Ballettbühne, die diesen Schönheitsidealen
radikal widerspricht
Herr Spuck, waren Sie schon einmal am Grab von
Georg Büchner hier in Zürich?
Selbstverständlich war ich schon da. Es tritt einem
dort sofort wieder vor Augen, wie jung Büchner war,
als er starb. Was hätte er noch alles schreiben können, wenn er nicht mit 23 Jahren gestorben wäre. Die
Grösse seines Werks ist ja auch so schon unfassbar.
Allein die Formen, die er in seinen Dramen geprägt
hat und die völlig unüblich waren für seine Zeit. In
vielerlei Hinsicht kann man sagen, Georg Büchner
habe das moderne Theater vorweggenommen. Denken Sie an die enorme Szenenverdichtung und
Sprachverknappung in Woyzeck. Oder Leonce und
Lena – diese Komödie ist fast schon absurdes Theater. All das hat er geschaffen, ohne seine Stücke je
gesehen zu haben. Wenn man Büchner auf die
Bühne bringt, hat man immer das Gefühl, einfach
nicht heranzureichen an das, was er mit seiner Sprache ausdrücken konnte. Man fühlt sich klein, weil sein
Werk so gross ist.
Nach «Leonce und Lena» in der vergangenen
Spielzeit choreografieren Sie nun mit «Woyzeck»
das zweite Büchner-Schauspiel als Ballett am
Zürcher Opernhaus. Ist es nicht eine ziemlich abwegige Idee, ausgerechenet «Woyzeck» in Tanz
zu verwandeln?
Das mag sein, aber es ist eine sehr verlockende
Heraus­forderung. Die Hauptfigur Woyzeck hat eine
Haltung, die dem Tanz eigentlich völlig widerspricht.
Er bewegt sich geduckt, mit hängenden Schultern,
eingezogenem Kopf und flüchtigen Blicken – während
es im Tanz immer darum geht, möglichst aufrecht
zu sein, den Raum auszufüllen. Der Schönheitsbegriff wird gross geschrieben, es geht um die Darstellung von Eleganz im Spiel der Körper. Im 19. Jahrhundert war die Sehnsucht nach Leichtigkeit und Überwindung der Schwerkraft etwas sehr Wichtiges. Und
das alles passt gar nicht zu Woyzeck. Das macht
die Figur spannend. Woyzeck ist unstet und rennt die
ganze Zeit wie in einem Hamsterrad. Er ist ein Ge-
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triebener, will es allen recht machen, muss sein Geld
verdienen, um zu überleben.
Und wie lösen Sie diesen Widerspruch auf?
Gar nicht. Wir spielen mit ihm. Wir haben den Tänzern schwere Schuhe angezogen und versuchen so
etwas wie eine «Eleganz der klobigen Absätze» zu
kreieren. Wir wollen das Kantige in Woyzeck zeigen,
aber die Basis unserer Choreografie bleibt dennoch
eine genau umgesetzte Musikalität. So entstehen
Spannungsfelder, und die sind mir wichtig. Die Beziehung zwischen Marie und Woyzeck beispielsweise
ist alles andere als harmonisch, es liegt etwas Widerstrebendes in den Momenten, in denen sie sich nahe
kommen. Man spürt, dass sie eigentlich nicht miteinander zurechtkommen. Sie müssen zusammen leben, weil sie gemeinsam dieses uneheliche Kind haben. Und trotzdem haben wir organische, fliessende
Bewegungen für ihre Pas de Deux choreografiert.
Denn würden sie sich nur voneinander weg bewegen,
gerieten diese schnell plakativ und banal. Man muss
Ambivalenzen stark machen und den Zwischentönen nachspüren. Im Tanz droht immer die Gefahr,
dass der Ausdruck zu eindimensional wird, weil eine
Bewegung zunächst einmal nur eine Bewegung ist.
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Büchners Szenen sind reich an bildmächtigen Beschreibungen der Figuren und ihrer Physiognomie. Der Hauptmann sagt etwa zu Woyzeck: «Er
läuft wie ein offenes Rasiermesser durch die
Welt, man schneidet sich an ihm.» Hilft das
beim Choreografieren?
Büchners Sprache bringt alles unglaublich präzise
auf den Punkt, und aus den Sätzen spricht starke
Konkretion. Das lässt sich natürlich gut durch den
Körper erzählen. In dieser Hinsicht ist Woyzeck leichter auf die Bühne zu bringen als etwa Leonce und
Lena, wo man den feinen Humor und die Ironie des
Stücks zu fassen kriegen muss. Woyzeck ist griffiger.
Denken Sie nur an den Tambourmajor, von dem es
heisst, er schreite daher wie ein Löwe. Der besteht
nur aus Eitelkeit und Sex, und den interessiert auch
nur Sex.
In welcher Atmosphäre spielt «Woyzeck»?
Ich empfinde das Stück als sehr dunkel. Der Umgang
der Menschen untereinander ist extrem bedrohlich.
Der Schriftsteller Martin Walser hat von der grossen Leere gesprochen, die einem aus den Dramen des Dichters entgegengähne, vom «Büchner-­
Horror». Empfinden Sie den auch?
Über dem Stück liegt eine beklemmende Trostlosigkeit, das ist keine Frage. Trotzdem lebt es auch von
einem bissigen Sarkasmus. Der Hauptmann hat in
seiner Arroganz und Selbstverliebtheit doch auch etwas Überzeichnet-­Lächerliches. Allen Figuren wohnt
dieser Holzschnittcharakter inne. Der Hauptmann,
der Doktor, der Tambour­major, der Professor – das
sind Typen, die im Stück noch nicht mal einen Namen haben. Es sind Karikaturen. In ihnen kann man
auch erkennen, wie Büchner die Sozialkritik angelegt
hat. Sie sind Täter, die Woyzeck demütigen, aber sie
sind auch Opfer ihrer eigenen Sozialisation. Sie können nicht anders. Sie sind lächerlich und abgründig
zugleich. Büchner ist ein Meister solcher Doppelbödigkeiten.
Und wie kann man die in einem Ballettabend auf
die Bühne bringen?
Wir müssen es mit den Möglichkeiten des Tanzes versuchen, etwas anderes bleibt uns ja nicht. Ich liebe
zum Beispiel die Jahrmarktatmosphäre, die in dem
Stück angelegt ist. Die Figuren erinnern mich an
Schiessbudenfiguren, die plötzlich hochklappen und
wieder verschwinden, ihre Physiognomie hat etwas
Mechanisches und Blechernes. Damit kann man ar-
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beiten. Oder die Professorszene, die ich um fünf Studenten ergänzt habe: Das Bewegungs­material, das
wir in dieser Szene verwenden, kommt wie aus einem
schwarzen Musical. Die Studenten tragen Zylinder,
mit denen sie spielen, und traktieren Woyzeck, als
veranstalteten sie eine skurrile Show. Den Menschen­
experimenten verleihen sie so den Charakter eines
düsteren Cabarets. Mit solcherart Ideen versuchen
wir, Sarkasmus und ironische Schwärze ins Spiel zu
bringen. Die Szenen bekommen einen sinistren Unterhaltungscharakter. Umso grösser ist der Schock,
wenn alles in der Katastrophe endet.
Spielt Ihr «Woyzeck» in einer konkreten Gesellschaft?
Wir haben die Szenen in eine gottverlassene Dorfsituation eingebettet, die ist aber nur mit sparsamen
Zeichen angedeutet. Es tauchen Paare auf, die sich
immer nur als Dorfpaare bewegen – Mann und Frau
immer eingehakt. Sie verkörpern eine demonstrative
Dorfharmonie, während Marie und Woyzeck fremd
zwischen ihnen wirken. Sie sind eben kein perfektes
Paar, sie sind Aussenseiter. Man sieht die Bemühungen der beiden, das gleiche Schrittmaterial wie die
Dorfgesellschaft zu verwenden. Nur klappt das nie,
weil sich immer einer falschherum bewegt. Es ist ein
ständiges Aneinandervorbei zwischen Aussenseitern
und Gesellschaft. Woyzeck will unbedingt ein Teil
dieser Gesellschaft sein, aber er schafft es nicht. Wir
haben uns gefragt, was in diesem Stück Walzer und
Polka bedeuten und dann versucht, mit den Mitteln
des Tanzes provin­zielle Enge und das Aussenseitertum zu erzählen.
Was muss ein Tänzer mitbringen, um Woyzeck
tanzen zu können?
Kraft! Es bedarf einer riesigen Energieleistung, denn
Woyzeck ist in nahezu jeder Szene präsent auf der
Bühne. Unser Woyzeck Jan Casier ist eigentlich noch
sehr jung für die Figur, aber er bringt die notwendige
Athletik und Ausstrahlung mit. Der Abend beginnt
mit einem Solo für ihn. Es dauert drei Minuten und
ist irrsinnig schnell. In diesem Solo wird Woyzecks Bewegungsrepertoire exponiert: Er spielt den folgsamen Soldaten, den Gedemütigten, den Wahnsinnigen usw. Das gesamte Vokabular der Hauptfigur ist
da hinein gepackt und wird extrem verdichtet vorgestellt. Alles spinnt sich ausgehend von diesem Solo
fort. Wenn du das getanzt hast, bist du schon fix und
fertig, obwohl der Abend gerade erst begonnen hat.
Woyzeck offenbart sehr viele Facetten, neben dem
geschundenen Charakter auch das Irrlichternde und
«Hirnwütige». Im Moment beschäftigen wir uns deshalb in den Proben gerade mit der Frage des Fokus
bei Woyzeck. Was hört er? Wo guckt er hin? Wie reagiert er auf Menschen? Normalerweise ist der Fokus im Tanz streng definiert, zu einer anderen Figur,
zum Publikum oder ganz grund­sätzlich diagonal.
Woyzecks Fokus jedoch irrt immer ab. Er ist in seiner
eigenen Gedankenwelt gefangen und hat Visionen.
Das muss zum Ausdruck kommen.
Kann «Woyzeck» als Ballettabend genauso tiefgründig auf die Bühne kommen wie als Schauspiel?
Wenn ich mich als Choreograf dafür entscheide, Literatur oder ein Schauspiel für den Tanz zu adaptieren, weiss ich von vornherein, dass ich bestimmte Ansprüche nicht einlösen kann. Das muss ich in Kauf
nehmen. Es kann immer nur eine Version werden, die
«nach einem Stück von Georg Büchner» konzipiert
ist. Aber ein Tanzabend, wenn er gelingt, berührt den
Zuschauer vielleicht auf andere, ungeahnte Weise.
Bei einem Gastspiel von Leonce und Lena bin ich vor
einiger Zeit mit Koryphäen der deutschen Georg-­
Büchner-Gesellschaft zusammengetroffen. Eine Expertin sagte zu mir nach der Vorstellung, sie habe
zunächst grosse Probleme gehabt, sich auf den
Abend einzustellen, weil sie das Stück so gut kennt.
Aber irgendwann habe sie ihr ganzes Wissen abtrennen können von dem, was auf der Bühne zu sehen
war – und von diesem Moment an habe sie den
Abend sehr genossen. Ich habe das als Kompliment
empfunden. Man muss sich von der Vorlage lösen,
der du als Choreograf nie gerecht werden kannst.
Das Gespräch führte Claus Spahn
22
Lebenslauf von Christian Spuck
Christian Spuck stammt
aus Marburg und erhielt
seine Ausbildung an der
John Cranko Schule in
Stutt­gart. Seine tänzerische
Laufbahn begann er in Jan
Lauwers’
Needcompany
und Anne Teresa de Keersmaekers Ensemble ROSAS.
1995 wurde Christian Spuck
Mitglied des Stuttgarter
Balletts. Als erste Urauffühurng für die Compagnie
entstand 1998 die Choreografie Passacaglia. 2001 wurde Christian Spuck zum
Hauschoreografen des Stuttgarter Balletts ernannt.
Seit 1998 hat er 15 Uraufführungen für die Compagnie choreografiert, darunter die drei abendfüllende Handlungsballette Lulu. Eine Monstretragödie
nach dem Schauspiel von Frank Wedekind (2003),
Der Sandmann nach der gleichnamigen Erzählung
von E.T.A. Hoffmann (2006) und Das Fräulein von
S. (2012), ebenfalls nach einer Vorlage von E.T.A.
Hoffmann. Mit diesen Werken führte er die von John
Cranko beim Stuttgarter Ballett begründete Tradition des neu geschaffenen Handlungsballetts innovativ und zeitgemäss weiter.
Seine hohe Musikalität, sein souveräner Umgang
mit dem Raum, seine stilsichere Inszenierungskunst
und seine Fähigkeit, mit grossen Besetzungen zu arbeiten verlangen geradezu nach dem erzählenden,
abendfüllenden Format. Sein erstes grosses Handlungsballett schuf Spuck ebenfalls für das Stuttgarter Ballett: uraufgeführt. Mit diesem Werk gelang
es ihm, die grosse Tradition des neu geschaffenen
Handlungsballetts innovativ und zeitgemäss fortzuschreiben.
2006 wurde Spuck für eine Spielzeit zum Resident
Choreographer der Compagnie Hubbard Street
Dance 2 Chicago ernannt und erhielt den Deutschen
Tanzpreis «Zukunft» für Choreografie. Für das Aalto
Ballett in Essen entstand 2004 das Ballett Die Kinder,
das 2005 für den Prix Benois de la Danse nominiert
wurde. 2007 folgte im Theaterhaus Stuttgart die Uraufführung von Don Q. Eine nicht immer getanzte
Revue über den Verlust der
Wirklichkeit.
Seit 1999 hat der Choreograf
Uraufführungen für eine
Reihe renommierter Ballettcompagnien in Europa
und den USA geschaffen:
Morphing Games für das
Aterballetto (1999), Adagio
für 6 Tänzer des New York
City Ballet (2000), this- für
das Ballett der Staatsoper
Berlin (2003), The Restless
(2005) für Hubbard Street
Dance 2 Chicago und The Return of Ulysses (2006)
für The Royal Ballet of Flanders.
Seit 2005 tritt Christian Spuck auch in den Bereichen
Film und Musiktheater in Erscheinung: Am Theater
Heidelberg inszenierte er 2005 erstmals eine Oper:
Berenice von Johannes Maria Staud. Marcia Haydée
als Penelope, ein 25-minütiger Tanzfilm mit Marcia Haydée und Robert Tewsley, wurde 2006 von
ARTE ausgestrahlt. 2009 führte er bei Glucks Orphée et Euridice, einer Koproduktion der Staatsoper
Stuttgart und des Stuttgarter Balletts, Regie und
zeichnete auch für die Choreografie verantwortlich.
2010 inszenierte er Verdis Falstaff am Staatstheater
Wiesbaden. Die 2008 beim Aalto Ballett Theater in
Essen uraufgeführte Ballettproduktion Leonce und
Lena nach Georg Büchner wurde auch ins Repertoire
der Grands Ballets Canadiens de Montreal und des
Stuttgarter Balletts übernommen.
Seine Uraufführung von Poppea//Poppea für Gauthier Dance am Theaterhaus Stuttgart wurde von
der Zeitschrift Dance Europe zu den zehn erfolgreichsten Tanzproduktionen weltweit im Jahr 2010
gewählt und gewann 2011 den deutschen Theaterpreis Der Faust. Jüngste Projekte waren Woyzeck
für das Norwegische Nationalballett Oslo (2011) und
die Uraufführung Das Fräulein von S. beim Stuttgarter Ballett (2012). Seit Beginn der Saison 2012/13
ist Christian Spuck Direktor des Balletts Zürich, für
die er als erste Produktion Romeo und Julia choreografierte.
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19
GLÜCKSKIND AUS BELGIEN
Jan Casier tanzt den Woyzeck in Christian Spucks
Choreografie des Büchner-Schauspiels.
Für den Antwerpener ist es die grösste Herausforderung
in seiner jungen Karriere
Jan Casier kommt von der Ballettprobe. Er betritt
das Restaurant im leichten Pullover und macht einen sehr unbekümmerten und frohen Eindruck. «Wir
haben heute das erste Mal einen ganzen Durchlauf
gemacht», sagt der junge Belgier mit grosser Zufriedenheit im Gesicht. «Es ist gut gelaufen, aber wir haben noch viel zu tun bis zur Premiere.» Wir, das sind
der Ballettdirektor Christian Spuck und die 51 Tänzerinnen und Tänzer des Balletts Zürich, dem Jan Casier seit vergangener Saison als festes Mitglied angehört. Am 12. Oktober hat Spucks Produktion von
Woyzeck Premiere, und Jan Casier wird die Titelfigur
tanzen. Woyzeck, der Soldat aus einfachen Verhältnissen, der sich aus finanzieller Not für korrupte medizinische Experimente zur Verfügung stellt und
schliesslich aus Eifersucht seine Freundin Marie ersticht. Wenn man Jan Casier so gegenübersitzt und
ihm zuhört, fällt die Vorstellung nicht leicht, dass
ausgerechnet er diese ambivalente Figur aus der Fe-
der Georg Büchners verkörpern soll. Seine Stimme ist
von jugendlichem Enthusiasmus erfüllt und gleichzeitig spricht er mit einer Besonnenheit, als könnte
ihn nichts aus der Ruhe bringen. «Ich empfinde wirklich Mitleid mit diesem Mann. Das Leben meint es
nicht gut mit ihm und er weiss nicht, wie er mit all
den Sorgen umgehen soll. Ich persönlich führe ein
vollkommen anderes Leben, und genau deshalb
finde ich diese Figur so interessant.» Sein Leben sei
nicht nur anders, sondern sehr glücklich, ergänzt der
Tänzer mit einem ehrlichen Strahlen im Gesicht.
Bevor er letztes Jahr in die Schweiz gekommen ist,
hat Casier in Belgien gelebt. Das Land beherbergt
eine der renommiertesten Schulen für zeitgenössischen Tanz, hat einige der einflussreichsten Choreografinnen und Choreografen hervorgebracht und
verfügt zudem über eine hochkarätige Compagnie,
das Royal Ballet of Flanders in Antwerpen, wo Jan
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Casier getanzt hat, bis er vergangenes Jahr in die
Schweiz gezogen ist. «Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich mal beim Ballett Zürich tanzen werde;»
Aufgewachsen ist Casier in Antwerpen. Weder seine
Eltern noch andere Verwandte hatten einen Bezug
zum klassischen Tanz und trotzdem hat er im Alter
von elf Jahren seine ersten Ballettschritte getan. Bereits ein Jahr später hatte er eines jener Schlüsselerlebnisse, über die wohl jeder Tänzer berichten kann.
Im Falle Jan Casiers war es ein Sommerkurs an der
Royal Ballet School in Antwerpen. Nach dem einwöchigen Kurs konnte er sich ein Leben ohne Ballett
nicht mehr vorstellen. «Ich habe ja schon vor diesem
Sommerkurs getanzt, aber in dieser einen Woche
spürte ich, dass ich mich beim Tanzen vollkommen
wohlfühle in meiner Haut.» Als er danach zu einer
Audition an derselben Schule eingeladen wurde, bestand für den Zwölfjährigen kein Zweifel mehr, dass
er sein Leben dem Tanz widmen wollte. Beim Vortanzen reüssierte er und was folgte, waren sechs Jahre
Vollzeitausbildung an der Royal Ballet School in Antwerpen. «Diese sechs Jahre waren die bisher beste
Zeit meines Lebens.»
Die Ausbildung an der Royal Ballet School in Antwerpen gilt als sehr vielfältig und für junge wissbegierige Tänzer als ein ausgezeichneter Ort, um verschiedene Tanzstile kennenzulernen. Während seiner Zeit
an dieser Schule ist bei Jan Casier das Interesse an
zeitgenössischem Bühnentanz immer stärker geworden, was vor allem damit zu tun hat, dass er und
seine Mitschüler mit einer Vielzahl bekannter Choreografen zusammenarbeiten konnten und die Gelegenheit hatten, deren Werke einzustudieren. «Ich
empfand diese Chance als ein grosses Privileg und
wünsche mir, dass ich in meiner Karriere als Tänzer
noch mit vielen Choreografen zusammenarbeiten
darf. Ich möchte als Tänzer nicht stehenbleiben.»
Jan Casier ist wie die meisten Tänzer sehr selbstkritisch und gewohnt, jeden Tag das Beste aus sich herauszuholen. Wie viele andere trägt er auch viel Optimismus und Ehrgeiz in sich, jeden Tag ein bisschen
besser zu werden. «Als Woyzeck kommen so einige
Pas de Deux auf mich zu», sagt er lachend. Und man
glaubt sofort, dass dieser Tänzer seine persönliche
Herausforderung mit Bravour meistern wird.
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Jan Casier schiebt seinen leeren Teller zur Seite, füllt
sein Wasserglas nach und schaut aus dem grossen
Fenster auf die Quaianlagen. «Zürich ist wirklich eine
fantastische Stadt. Ich bin unglaublich froh, hier tanzen und leben zu dürfen. Zudem sind die Zürcher ein
wunderbares Publikum. Es ist eine Freude, ihnen auf
der Bühne Geschichten zu erzählen.» Dabei ist das
narrative Ballett vergleichsweise neu für ihn, denn
als Tänzer beim Royal Ballet of Flanders hat er in erster Linie abstrakte Werke getanzt. Erst in seinem
letzten Jahr bei der königlichen Compagnie sei das
Stück Onegin von John Cranko in den Spielplan aufgenommen worden und von da an sei in ihm das Bedürfnis immer stärker geworden, auf der Bühne fiktive Rollen zu verkörpern. Mit diesem Wunsch ist Jan
Casier in Zürich gut aufgehoben. Das narrative Talent Christian Spucks, der seine Ausbildung in Stuttgart gemacht hat und somit in der Tradition John
Crankos steht, ist dem Zürcher Publikum seit Romeo
und Julia und Leonce und Lena bestens bekannt.
«Christian hat eine wundervolle Art Geschichten zu
erzählen. Ich schätze ihn sehr als Künstler und kann
noch eine Menge von ihm lernen, das ist grossartig.»
Und was kommt nach Zürich? Und wie stellt er sich
sein Leben nach der bekanntlich kurzen Tänzerkarriere vor? «Darüber mache ich mir jetzt noch nicht
allzu viele Gedanken. Wer weiss schon, was bis dahin alles passiert. Ich möchte einfach meine Zeit im
Ballett Zürich geniessen, mit allem was dazu gehört.» Casier ist kein Tänzer, der versucht, mit allen
Mitteln aus dem Rahmen zu fallen. Er weiss um seine
Fähigkeiten und schöpft daraus die tägliche Kraft,
um den anstrengenden Alltag als Balletttänzer zu
meistern. Die Kraft wird er brauchen, wenn er als Aussenseiter Woyzeck auf der Bühne steht.
aus MAG 12, Text: Isabelle Jakob
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DER MANN FÜR ALLE FÄLLE
Wie Inspizient Felix Bierich dafür sorgt,
dass die Aufführungen reibungslos ablaufen
Schon fast alle im Saal haben ihre Plätze eingenommen. Ein gedämpftes Gemurmel füllt den Opernsaal.
Unsichtbar für die Besucher sitzt Felix Bierich (48) in
seinem schwarzen Kabäuschen, das sich direkt hinter den goldenen Stuckaturen des rechten Bühnenrands befindet. Er drückt auf einen der unzähligen
Knöpfe seines Schaltpults und sagt mit sanfter
Stimme: «Bitte Klingelton spielen.» Wenige Sekunden später ertönt im Saal ein lautes Klingeln, das die
Opernbesucher daran erinnern soll, ihr Handy auszuschalten. Ein wenig später betätigt er einen anderen Knopf und gibt erneut eine Anweisung durch:
«Und Saal dunkel» das Gemurmel verstummt.
Felix Bierich ist Inspizient. Die Berufsbezeichnung leitet sich vom lateinischen Begriff «inspicere» für besichtigen oder untersuchen ab. Bierich ist dafür verantwortlich, dass während der Vorstellung alles so
läuft, wie es soll. Via Headset und Schaltknöpfen
kann er alle Kollegen kontaktieren, die einen Knopf
im Ohr oder einen Lautsprecher in ihrer Nähe haben.
Manchen gibt er nur per Lichtzeichen Anweisungen
wie dem Schnürmeister, der für alles zuständig ist,
was von oben auf die Bühne schwebt.
Heute wird «Woyzeck» gespielt, ein Ballett nach dem
Dramenfragment von Georg Büchner. Die Tänzer und
die Trommler hat Bierich schon vor ein paar Minuten
hinter die Bühne gerufen. Jetzt überprüft er via Monitor, ob Bühne und Orchestergraben bereit sind. Der
Inspizient gibt dem Dirigenten grünes Licht. Ein Glockenspiel in Moll erklingt. Bierich blickt in die Noten,
schon naht der zweitletzte Takt des Vorspiels. Er
löscht das Lichtzeichen für den Schnürmeister. Der
schwarze Samt, der den Blick auf die Bühne bisher
verborgen hat, hebt sich.
Das Opernhaus Zürich beschäftigt insgesamt vier Inspizienten, die pro Jahr 270 Vorstellungen und unzählige Proben betreuen. Sie haben alle einen unterschiedlichen Werdegang, denn im deutschsprachigen Raum gibt es keine Ausbildung für Bühnenwarte
oder Stage Manager, wie die Inspizienten auch genannt werden. Felix Bierich kommt vom Sprechtheater, wo er in diversen Häusern in Deutschland als
Schauspieler und Regieassistent gearbeitet hat. Dass
er heute am Opernhaus tätig sein kann, hat er seinem Hobby, dem Klavierspielen, zu verdanken. Denn
als Inspizient muss er Noten lesen können.
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Auf der Bühne stehen fünf Trommler vor einem weissen Schleier. Woyzeck tanzt zu ihrem Wirbel, als ob
er exerzieren würde. «Requisite bereitmachen zum
Nebelstarten.» Bierich betätigt erneut den Schalter
für den Schnürmeister. Der Schleier lüftet sich. Woyzeck zieht sich aus seinem Lichtkegel zurück. «Uuund Nebel Start.» Nebel wabert auf die Bühne.
Beim «Woyzeck» arbeiten rund 200 Personen auf,
hinter oder über der Bühne. Alle ihre Aufgaben werden von Felix Bierich koordiniert. Die Partitur, die offen auf dem Inspizientenpult liegt, gibt den Fahrplan
vor. Deren Seiten sind voller Post -its, farbiger Markierungen und Bleistiftzeichnungen: «Mit der Zeit
kenne ich den Ablauf wie im Schlaf, aber bis es so
weit ist, muss ich mir Notizen machen.»
Das Stück nimmt seinen Lauf. Schon xmal haben die
Tänzer die bewegliche Wand auf der Bühne um 180
Grad gedreht, und x-mal schickte Felix Bierich die
Möbler los, um Stühle und Tisch bereit- oder wegzustellen. Bald beginnt der Anfang vom Ende: Woyzecks Geliebte Marie wird sich vom Tambourmayor
verführen lassen.
Konzentration und die Fähigkeit, auf verschiedenen
Ebenen zu denken, sind das Wichtigste in Bierichs
Job. Je nach Kommunikationsmittel und je nach Adressat muss er mit Zeitverzögerungen rechnen, bis
seine Anweisung durchgeführt wird. Und obwohl er
ganz bei der Sache sein muss, sprechen ihn die Leute
immer wieder an: «Wo sind wir?» Oder: «Darf ich ein
Ricola?» Bierich ist allen ein Rettungsanker. Egal, ob
es sich um Orientierungsprobleme oder einen Hustenreiz handelt.
Auf der Bühne tanzen Woyzeck und Marie einen
Kampf. «Druckaufbau für den Regen», sagt Bierich.
Woyzeck hat die Untreue entdeckt. Bierich betätigt
die Taste für den Schnürmeister. Wasserdampf nieselt herunter. Woyzeck bohrt Marie ein Messer in den
Bauch. Alles läuft wie am Schnürchen. Das ist nicht
immer so. Bei der Oper «Die Soldaten» musste
Bierich kürzlich auf die Bühne, um einen verkeilten
Wagen wieder in die Fahrspur zu rücken während der
Aufführung. Woyzeck kniet neben Marie. Die Musik
verklingt. Schwarz senkt sich von oben nieder. Das
Publikum klatscht. Bierich ist nassgeschwitzt und
geniesst den Applaus.
aus Migros Magazin, 14.10.2013, Text: Andrea Freiermuth
23 & 24
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BÜHNENBILD UND KOSTÜME von
EMMA RYOTT
Emma Ryott
Emma Ryott schloss ihr Bühnen- und Kostümbildstudium in Nottingham Trent University mit dem Bachelor of Arts ab für Theatre Design ab. Emma Ryott
arbeitete zunächst als Kostümassistentin beim English National Ballet und am Londoner Royal Ballet,
später als Leiterin der Kostümproduktion der Royal
Shakespeare Company. Sie stattete Opernproduktionen u.a. bei den Bregenzer Festspielen und an der
New Yorker Metropolitan Opera aus und schuf das
Kostümbild für eine Vielzahl von Bühnenproduktionen, u.a. an der English National Opera, der Oper
Göteborg, am Piccadilly Theatre und des Savoy Theatre in London, an der Dresdner Semperoper und
bei den Salzburger Festspielen. 2006 entwarf sie die
Kostüme zu Tom Stoppards Theaterstück Rock ’n’
Roll, das am Londoner Westend sowie am Broadway
große Erfolge feierte.
Mit Christian Spuck hat Emma Ryott bereits mehrfach zusammen gearbeitet, u.a. für Falstaff am
Hessischen Landestheater Wiesbaden, Leonce und
Lena für Aalto Ballett Essen, Orphée und Euridice
an der Staatsoper Stuttgart, Sleepers Chamber am
Theater Augsburg, Le tableau perdu für Royal Swedish Ballet, Woyzeck für das Norwegische Nationalballett in Oslo, The Return of Ulysses für das Royal
Flanders Ballet in Antwerpen sowie Don Q und Poppea/Poppea am Theaterhaus Stuttgart. Beim Stuttgarter Ballett zeichnete sie für die Ausstattung von
Spucks Ballettproduktionen Das Fräulein von S., Der
Sandmann, Lulu. Eine Monstertragödie und ...peau
blanche... verantwortlich.
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Bühnenbild
Das Bühnenbild von Woyzeck besteht aus einer s-förmigen Wand, die von den Darstellern selbst bewegt wird.
Die beiden Seiten sind unterschiedliche gestaltet mit einer gelblichen horizontalen Linie auf einer und dem Relief
eines Dorfes auf der anderen Seite. Schwarze Stühle und Tische deuten je nach Szene unterschiedliche Räume an.
Die Bühne ist schwarz ausgehängt.
26-29
30
Kostüme
Woyzeck und Marie sind einfach und ärmlich in grau bzw. grün-braun gekleidet. Die vier Gegenspieler von
Woyzeck (Tambourmajor, Hauptmann, Doktor und Professor) sind karikaturistisch als Typen herausgearbeitet. Der Hauptmann hat, sehr untypisch für einen Tänzer, einen dicken Bauch, der Professor eine Brille und
die Rockschösse seines Fracks sind aufgezwirbelt, der Doktor trägt einen überdimensionalen Zylinder. Der
Tambourmajor trägt Fragmente einer Uniform und den charakteristischen Tschako.
Die Studenten und das Volk sind historisierend mit Anzügen, Zylindern, schlichten Trachtenröcken und Schnürschuhen angezogen.
30-33 Figurinen von links nach rechts: Doktor, Hauptmann, Professor und Tambourmajor
34 & 35 Figurinen von Woyzeck
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Besuch in den Werkstätten
Die Hutmacherei
In der Hutmacherei werden nicht nur Hüte, sondern alle Arten von Kopfbedeckungen hergestellt: Mützen,
Helme, Blumenkränzchen, Schleier und Verzierungen, die in eine Frisur gesteckt werden und andere Arten von
Kopfschmuck. Ausgenommen sind Perücken (Maskenbildnerei) oder Masken (Kostümbearbeitung, Maskenbildnerei oder Theaterplastik). Die Hutmacherei ist eine Abteilung der Kostümdirektion. Im Ganzen hat die
Kostümdirektion über 100 Mitarbeiter, die in verschiedenen Funktionen und Werkstätten für die Produktion,
Anpassung und Pflege der Kostüme zuständig sind.
Die Hutmacherei des Opernhauses Zürich hat 3 festangestellte Modistinnen. Die Anforderungen der Produktionen an die Hutmacherei sind sehr unterschiedlich. Es gibt Produktionen, die wie das Ballett Woyzeck, für
die eine grössere Anzahl Hüte und Kopfbedeckungen hergestellt werden müssen und andere für die es nur
wenig bis gar nichts braucht.
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Beruf Modist/in (Hutmacher/in)
Die gängige Berufsbezeichnung ist heute Modist/in und fasst die Berufe Hutmacher/in und Modist/in zusammen. Modist/innen stellen Kopfbedeckungen aus unterschiedlichsten Materialien in vielfältigen Formen
von Hand her oder ändern und reparieren alle Arten von Kopfbedeckungen.
Frühere Unterscheidung zwischen Hutmacher/in und Modist/in
Hutmacher/innen stellen hauptsächlich Herrenhüte her, Modist/innen sind für die Produktion und das
Schmücken von Damenhüten zuständig. Daneben stellt ein Modist/in auch Mützen, Kappen, Brautgestecke,
etc. her.
Das Herstellen von Hüten und Kopfbedeckungen für normale Kundschaft in einem Hutmacheratelier unterscheidet sich sehr von den Anforderungen, die im Theater gestellt werden. Ein Hut für den Alltag muss
bequem sein und schön aussehen. Im Theater werden viele historische Kopfbedeckungen hergestellt und die
Schauspieler, Sänger und insbesondere die Tänzer müssen sich mit dem Hut sehr gut bewegen können, ohne
dass er dabei verrutscht oder herunterfällt. Massarbeit, Umgang mit unterschiedlichsten Materialien und
handwerkliche Perfektion gehören selbstverständlich dazu.
Ausbildung: 3 jährige Berufslehre als Bekleidungsgestalter/in Fachrichtung Modisterei
Informationen: http://www.berufsverband-modistinnen.ch/
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Entstehung der Kopfbedeckungen und Hüte für eine Oper oder ein Ballett:
Kostümpräsentation: Der Kostümbildner stellt ca. 6 Monate vor der Premiere der gesamten Kostümabteilung
alle Figurinen vor und es wird besprochen, welche Anforderungen die Werkstätten der Kostümabteilung (Kostümschneiderei, Schuhmacherei, Hutmacherei, Kostümbearbeitung und Maskenbildnerei) für die Umsetzung
der Entwürfe zu erfüllen haben
›
Einzelbesprechung: Jede Abteilung hat eine Besprechung mit dem Kostümbildner, an der die Details der
Umsetzung jeder einzelnen Figur besprochen werden. Auf Grund dieser Besprechung wird im Fundus nach
vorhandenen Kopfbedeckungen gesucht, die umgearbeitet werden können und es werden Versuche mit Materialien gemacht, evt. auch Mützen, Hüte etc. bestellt, die dann angepasst werden. Dann werden Materialien getestet und Prototypen hergestellt.
›
Herstellung: Materialbestellung und Herstellung von Hüten und Kopfbedeckungen. Je nachdem auch Umarbeitung von bestehenden Hüten oder in einem ersten Schritt Tests mit unterschiedlichen Materialien und
Formen.
›
1. Anprobe: Bei der ersten Anprobe des Kostüms mit dem Darsteller werden alle Teile des Kostüms, also auch
Hüte und andere Kopfbedeckungen mit der Kostümbildnerin besprochen und in der Folge korrigiert und angepasst.
›
Bühnenproben: Für die Klavierhauptprobe muss alles fertig sein. Alle Kostüme kommen das erste Mal auf die
Bühne. Ein Mitarbeiter/in jeder Werkstatt sitzt im Publikum und schaut von aussen, wie die Kostüme, Schuhe,
Hüte und Maske im Licht aussehen und ob sie so wirken, wie vom Kostümbildner gewünscht. Meistens gibt es
Änderungen, die dann in wenigen Tagen umgesetzt werden müssen.
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38
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Kopfbedeckungen für Woyzeck:
Alle Rollen des Balletts sind dreifach besetzt und da die Kopfmasse der Tänzer sehr unterschiedlich sind,
müssen für jeden Darsteller eigene Hüte hergestellt werden. Für das Ballett Woyzeck sind es folgende Hüte:
Woyzeck: Soldatenbéret
Tambourmajor: hoher Tschako
Doktor: hoher Zylinder
Gruppen:
5 Soldaten: Tschakos („Husarenhelm“: Kopfbedeckung der Fusstruppen der meisten Armeen am
Anfang des 19. Jh.)
5 Studenten: Zylinder (Herrenhut 19. Jh.)
6 Männer auf der Strasse: Zylinder
Die Zylinder sollen gebrauchte, historische Zylinder sein. Die Suche nach den passenden Zylindern ist schwierig, da die meisten alten Zylinder zu klein sind für heutige Köpfe. Ausserdem waren diese natürlich auf Mass
des damaligen Trägers gemacht, als auch die Kopfform spielt eine Rolle. Zu grosse Hüte kann man eher noch
mit Schaumstoff o.ä. zum Passen bringen, zu kleine Hüte kann man nicht anpassen.
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Herstellung neuer Zylinder:
Die Herstellung des Zylinders für den Doktor, für den man nicht auf eine bestehende Form zurückgreifen
konnte, braucht etwa 1.5 Wochen. Wenn eine Hutform vorhanden ist, geht es schneller, ca. 3 Tage.
Spezielle Anforderungen von Kopfbedeckungen fürs Ballett:
Die Kopfbedeckungen müssen genau passen und perfekt sitzen, so dass sie auch bei Drehungen und Sprüngen nicht verrutschen können. Gleichzeitig sollten sie so leicht wie möglich sein und aus einem Material sein,
das sich nicht mit Schweiss vollsaugt. Je nach Aktion auf der Bühne kommen noch andere Anforderungen
hinzu: Der Hut muss von einem anderen Darsteller auch getragen werden, was natürlich wegen der unterschiedlichen Kopfgrössen kaum geht.
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Ideen für den Unterricht
«Einen Woyzeck von Büchner gibt es nicht»
Art
Dauer
Fach
Anforderung
Ziel
Arbeitsgruppen & Plenum
ca. 1 Lektion
Deutsch
Die Schüler/innen kennen die Szenentitel mit kurzen inhaltlichen Angaben (s. unten)
Ein oder mehrere Exemplare des Texts von Woyzeck stehen zur Verfügung
Erfahrungen mit der konzeptionellen Arbeit, Konstruktion eines Handlungsablaufs auf
Grund des Dramenfragments von Büchner.
«Einen Woyzeck von Büchner gibt es nicht» schreibt Herman Kurzke in seiner neuen Biografie über Georg
Büchner. Kurz vor seinem Tod mit nur 23 Jahren hat Georg Büchner intensiv an Woyzeck gearbeitet und
war gerade dabei den Text in einer 4. Fassung umzuarbeiten. Woyzeck existiert darum nur als Dramenfragment. Es ist nicht klar in welcher Reihenfolge die erhaltenen Szenen von Woyzeck erzählt werden
sollent und ob Büchner evtl. noch weitere Szenen wie einen Prozess oder Verurteilung von Woyzeck hinzufügen wollte. Jeder Regisseur, der sich Woyzeck vornimmt, muss sich darum seine eigene Version von
Woyzeck erarbeiten.
Die Schüler/-innen werden anhand von Zusammenfassungen der Szenen ihre eigene Version des Handlungsablaufs von Woyzeck zusammenbauen.
Gruppenarbeiten (3-4 Schüler/innen)
Die Gruppen lesen die Szenenzusammenfassungen und versuchen eine eigene Variante der Woyzeck-Geschichte zusammen zu stellen (s. folgende Seite).
Es kann hilfreich sein, die Szenen auszuschneiden, so dass man die Texte herumschieben kann, bis eine
Reihenfolge gefunden ist, die den Vorstellungen der Gruppe entspricht.
Hinweis: Die Geschichte muss nicht chronologisch erzählt werden, Vor- oder Rückblenden oder assoziative
Verbindungen der Szenen sind erlaubt!
Präsentationen der Gruppenarbeiten vor der ganzen Klasse
-
Die Gruppen präsentieren ihre Version von Woyzeck und kommentieren diese.
-
Vergleich der verschiedenen Varianten
Erweiterung durch Inszenierung einer Szene:
Jede Gruppe wählt eine Szene aus und versucht diese mit Blick auf ihre Version von Woyzeck zu inszenieren. Für die Inszenierung überlegen. (Ausgesuchte Szenen für die Gruppen aus dem Theaterstück kopieren)
-
Was wissen die einzelnen Figuren in diesem Moment?
-
In welcher emotionalen Verfassung sind sie?
-
Welche Gefühle oder Geschehnisse sind in der Szene zentral? Diese sichtbar und verständlich
machen.
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Szenen Dramenfragment Woyzeck
Der Hauptmann. Woyzeck
Der Offiziersbursche Woyzeck rasiert den Hauptmann.
Dem geht es zu schnell, wie alles, was Woyzeck tut. Woyzeck bleibt einsilbig. Das macht den Hauptmann nervös.
Er hänselt ihn wegen seiner Dummheit und kommt dann
auf sein Lieblingsthema, die Moral: „Woyzeck Ist immer so
verhetzt. Er ist ein guter Mensch, aber er hat keine Moral.
Er hat ein Kind ohne Segen der Kirche.“ Woyzeck tröstet
sich mit dem Wort des Heilands: „Lasset die Kleinen zu
mir kommen! Wir armen Leute haben weder Geld noch
Zeit für die Tugend, wenn diese sicher auch etwas Schönes
ist.“
Freies Feld. Die Stadt in der Ferne
Vor der Stadt in einem Gebüsch schneiden Woyzeck und
sein Kamerad Andres Stecken für den Hauptmann. Woyzeck erzählt eine Spukgeschichte. Er bekennt Andres seine
Angst vor den Freimaurern, die alles verzaubern. Andres
wird von der Furcht angesteckt und will sie mit einem Lied
vertreiben. Als aber Woyzeck Feuer am Himmel zu sehen
glaubt und die Posaune des Gerichts hört, packt auch ihn
die Angst, beide verstecken sich im Gebüsch. Doch alles
bleibt ruhig. Die Trommel von der Stadt ruft sie heim.
Marie mit ihrem Kind am Fenster. Margreth
Marie sitzt am offenen Fenster und hält ihr Kind auf dem
Schoss. Vor dem Fenster steht die Nachbarin Margret und
plaudert mit ihr. Der Zapfenstreich zieht vorbei, die beiden
unterhalten sich über den stattlichen Tambourmajor, dessen Gruss Marie nach Margrets Meinung allzu freundlich
erwidert. Darüber geraten die beiden in Streit und Margret
wirft Marie vor, versessen auf Männer zu sein. Beleidigt
schlägt diese nun das Fenster zu. Dann aber redet sie
ihrem Kind gut zu und singt ihm ein Schlummerlied. Woyzeck, der durch den Zapfenstreich zurückgerufen wurde,
klopft ans Fenster. Marie fällt auf, dass er verstört ist.
Geheimnisvoll berichtet Woyzeck nun von einem Gesicht,
das er angeblich hatte, das auf wirren Vorstellungen von
der Geheimen Offenbarung des Johannes beruht. Er lädt
Marie auf den Abend zur Kirmes ein und eilt wieder fort.
Marie ist von seiner Angst angesteckt, sie geht ins Freie,
um Ruhe zu finden.
Woyzeck. Der Doktor:
Der Doktor benutzt Woyzeck als Faktotum und Versuchskaninchen. Zunächst muss er eine Strafpredigt einstecken,
weil er die Vorschriften des Doktors nicht genau einhielt
und ihm den Urin nicht für die Analyse aufgehoben hat.
Seit längerer Zeit lebt er nur von Erbsen, weil der Doktor
die Auswirkung einer solchen Ernährung erproben will Als
der Doktor sich beruhigt erzählt ihm Woyzeck von seinen
Visionen. Der Doktor, der alles natürlich Auswirkung
einer solchen Ernährung erproben will Als der Doktor sich
beruhigt erzählt ihm Woyzeck von seinen Visionen. Der
Doktor stellt eine beginnende geistige Verwirrung fest. Sie
macht Woyzeck zu einem noch interessanteren Objekt
für ihn. Er bewilligt ihm eine Zulage. Dann beginnt er die
Untersuchung.
Buden, Lichter, Volk - Unteroffizier. Tambourmajor Das Innere der Bude
Woyzeck hat Marie auf die Kirmes geführt. Ein Leierkastenmann singt von der Vergänglichkeit des Menschen.
Woyzeck gibt dazu wirre Anmerkungen von den Leiden
aller Menschen, die Marie nicht versteht und für Narrheit
erklärt. Ein Marktschreier führt einen als Soldaten kostümierten Affen vor. Die Kreatur ist nichts, so verkündet
er, Kunst ist alles: „Der Äff ist Soldat; ‚s ist noch nicht viel
unterste Stufe von menschliche Geschlecht.“ Ein anderes
Kostüm aber macht ihn zum Baron. Dann kündigt er das
astronomische Pferd und die kleine „Kanaillevögel“ an.
Marie möchte das sehen, sie gehen in die Bude. In diesem
Augenblick beobachtet sie der Tambourmajor, der mit einem Unteroffizier kommt. Beide bewundern Marie höchst
eindeutig und folgen ihnen. In der Bude staunt Marie
über die vielen Lichter, die Woyzeck als schwarze Katzen
mit feurigen Augen erklärt. Das dressierte Pferd wird
vorgeführt, um seine „viehische Vernünftigkeit“ zu zeigen.
In grotesken Wendungen und Verdrehungen werden Vieh
und Mensch. Vernunft wird zur Verbildung der Natur, die
Natur vor vernünftiger Verbildung nicht mehr gesehen.
Schliesslich verlangt der Budenbesitzer eine Uhr, da das
Pferd die Zeit ablesen soll. Der Unteroffizier leiht grossspurig seine Uhr her. Marie, die vor Neugier glüht, sucht in
der vordersten Reihe Platz. Diese Gelegenheit benützen
Tambourmajor und Unteroffizier, um sich ihr zu nähern.
Marie. Tambourmajor
Der Tambourmajor besucht Marie. Beide haben sich
gefunden und sind stolz aufeinander. Der Tambourmajor
prahlt mit seinem ganzen Glanz in der sonntäglichen
Montur. Marie lockt ihn durch spöttische Zweifel an
seinem Mannestum. Der Tambourmajor fasst zu, Marie
reizt seine Begehrlichkeit noch mehr durch verstellten
Widerstand bis sie endlich nachgibt: „Meinetwegen. Es ist
alles eins.“
Der Hof des Professors
Der Professor hält den Studenten, die im Hof stehen, eine
Vorlesung über seine Naturphilosophie. Er will als Beweis
der göttlicher Weltordnung die Schwerkraft vorführen,
indem er eine Katze aus dem Dachfenster in den Hof
wirft. Woyzeck verdirbt den Versuch, indem er die Katze
auffängt. Der Professor ist ungehalten, wird aber gleich
wieder vergnügt, als Woyzeck erklärt, er habe das Zittern
und ihm werde dunkel vor den Augen. Er vergisst zunächst alles, als er auf der Katze Hasenläuse zu entdecken glaubt. Dann führt er sein Versuchsobjekt Woyzeck
vor und zeigt die Folgen der einseitigen Ernährung durch
Erbsen und die Funktion der Ohrmuskeln.
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Marie
Marie sitzt mit dem Kind auf dem Schoss und besieht
ihr Bild in einem Stückchen Spiegel. Sie bewundert noch
den Tambourmajor, der Woyzeck einfach weggeschickt
hat. Sie ist stolz ist auf die glänzenden Ohrringe, die ihr
der Tambourmajor geschenkt hat. Sie sieht im Spiegel,
dass sie genau so schön ist wie die vornehmen Damen
mit ihren großen Spiegeln und ihren Herren, die ihnen die
Hände küssen. Sie ist aber arm. Das Kind wird unruhig,
sie beschwichtigt es. Als Woyzeck unvermutet eintritt,
erschrickt sie und verdeckt unwillkürlich die Ohrringe. Aber
er hat sie gesehen und wird misstrauisch, kann sich auch
nicht gleich zufrieden geben, als sie erzählt, sie habe sie
gefunden. Dann aber wendet er sich in rührender Sorge
dem Kind zu, gibt ihr Geld und geht wieder fort. Marie
wird angesichts dieser Fürsorge von erster Reue über ihre
Untreue gepackt. Aber das Liebeserleben ist noch zu
stark, sie wirft die Bedenken hinter sich: „Geht doch alles
zum Teufel, Mann und Weib!“
Hauptmann. Doktor
Der Hauptmann trifft den Doktor auf der Strasse, hält ihn
auf und erzählt ihm von seinen melancholischen Anwandlungen. Der Doktor stellt ihm eine höchst unerfreuliche Diagnose und kündigt ihm einen Schlaganfall an.
Der Hauptmann aber tröstet sich mit dem Gedanken,
dass man an seiner Bahre sagen wird „Er war ein guter
Mensch“. Dann reissen die beiden einige fade Witze miteinander als der Hauptmann Woyzeck vorübereilen sieht.
Aus Bosheit oder reiner Freude am Klatsch macht er ihn
darauf aufmerksam, dass Marie ihn mit dem Tambourmajor betrügt. Die Wirkung ist erschreckend, der Doktor
beobachtet sie ganz sachlich. Woyzeck erklärt, dass er
sonst nichts auf der Welt habe. Er ist nicht sicher, ob der
Hauptmann nicht bloss Spass mit ihm macht, aber die
Eifersucht wühlt in ihm. Er stürmt davon, der Doktor eilt
ihm nach, um das interessante Objekt weiter zu beobachten. Der Hauptmann aber findet, dass man sein Leben
lieben müsse und nicht eilen dürfe.
Marie. Woyzeck
Woyzeck ist bei Marie. Er findet keine Anzeichen ihrer
Untreue. Marie ist zuerst verschüchtert, aber als sie
merkt, dass Woyzeck nichts Sicheres weiss, leugnet sie
trotzig. Da wirft Woyzeck ein: „Ich hab ihn gesehn!“ Marie
aber spottet: „Man kann viel sehn, wenn man zwei Augen
hat und nicht blind ist und die Sonn scheint.“ Woyzeck
fährt auf „Mensch!“ Marie aber erhebt sich gegen ihn und
warnt ihn, sie anzurühren. Woyzeck hält sich zurück, aber
die Zweifel bleiben.
Die Wachstube
Andres und Woyzeck sitzen in der Wachtstube, Andres
singt gedankenlos vor sich hin. Sie unterhalten sich über
das schöne Sonntagswetter und Andres erwähnt, dass
es vor der Stadt Musik und Tanz gibt. Woyzeck lässt es
keine Ruhe mehr. Er denkt daran, dass er vielleicht Marie
und den Tambourmajor beim Tanz treffen könne. Voller
Unruhe läuft er hinaus.
Wirtshaus: Die Fenster offen, Bänke vor dem Haus
Im Wirtshaus geht es hoch her. Zwei betrunkene Handwerksburschen prahlen mit ihrer Lust, sich zu schlagen
und mit ihrem Branntweindurst, der die Welt erst schön
macht. Andere singen. Woyzeck stellt sich ans Fenster
und sieht Marie und den Tambourmajor vorbeitanzen. Sie
tanzen mit Leidenschaft. Marie summt im Rhythmus der
Musik: „Immer zu, immer zu!“ Der Griff, mit dem der Tambourmajor sie fasst, ist eindeutig genug. Nun ist Woyzeck
klar, dass Marie ihm untreu geworden ist. Eine Welt bricht
in ihm zusammen, alle armselige Ordnung, die er noch für
sein Leben zu haben glaubte, gerät in Verwirrung. Während er zusammenbricht, hält der betrunkene Handwerksbursche eine parodierende Predigt.
Freies Feld
Woyzeck ist ins Freie geflüchtet, aber zum Rhythmus der
herüber klingenden Tanzmusik hört er immer noch Maries
aufpeitschendes „Immer zu!“. Aus dem Boden glaubt er
plötzlich andere Stimmen zu hören, die rufen: „Stich, stich
die Zickwolfin tot!“ Noch ist der Entschluss nicht gefasst,
er zweifelt: „Soll ich? Muss ich?“ Die geheimnisvollen Stimmen aber klingen weiter.
Wirtshaus: Woyzeck, Tambourmajor, Leute
Woyzeck ist ins Wirtshaus zurückgekehrt und trifft den
Tambourmajor, der offenbar eben mit seiner neuen Eroberung prahlte. Er warnt jeden davor, mit ihm anzubändeln.
Dann fordert er Woyzeck zum Saufen auf. Als dieser nicht
antwortet, wird er wütend, die beiden ringen miteinander
und Woyzeck wird besiegt und verletzt. Nun prahlt der
Tambourmajor erst recht, Woyzeck aber in seiner Beschämung wird in seinem noch vagen Entschluss gefestigt. Als
er weiter verspottet wird, deutet er dunkel an: „Eins nach
dem anderen.“
Nacht: ein Zimmer in der Kaserne
Andres und Woyzeck liegen in einem Bett, Woyzeck rüttelt
Andres wach. Er kann nicht schlafen. Immer, wenn er die
Augen zumacht, hört er die Geigen, und dazu spricht es
aus der Wand. Andres weist ihn ab. Woyzeck aber beharrt
darauf, dass es aus der Wand tönt: „Stich, stich!“ Andres
erklärt ihn für einen Narren und schläft wieder ein.
Kasernenhof
Woyzeck fragt Andres, ob er nichts über den Tambourmajor und Marie gehört habe. Ausweichend antwortet
dieser, dass er mit einem Kameraden sei. Auf dringlichere
Frage aber erklärt er, dass sich der Tambourmajor seines
Erfolges bei Marie gerühmt habe. Woyzeck bleibt ganz
kalt, aber er erinnert sich des nächtlichen Traumes von
einem Messer. Unter dem Vorwand, für seinen Offizier
Wein holen zu wollen, geht er weg. Im Abgehen aber sagt
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er bedauernd: „Sie war doch ein einziges Mädel.“
Maries Kammer
Marie sitzt mit dem Kinde und dem Narren in ihrer Kammer und blättert in der Bibel. Sie liest im Evangelium von
der Ehebrecherin; sie grübelt über das Wort aus dem Petribrief: „Und ist kein Betrug in seinem Munde erfunden.“
Das Kind ist ihr quälende Mahnung an ihre Untreue. Der
Narr erzählt sich selbst wirre Märchen, er verwechselt sie
alle, Marie sinnt: „Der Franz ist nit kommen, gestern nit,
heut nit.“ Sie sucht wieder Trost in der Bibel und liest das
Kapitel von der großen Sünderin aus Lukas 7, 38. Mit ihr
möchte sie die Füsse des Heilands salben. Aber sie bleibt
allein, alles um sie herum ist tot.
Woyzeck. der Jude
Bei einem Juden will Woyzeck zuerst eine Pistole kaufen,
aber sie ist ihm zu teuer. Da kauft er ein Messer und geht
zur Tat entschlossen ab.
Kaserne: Woyzeck kramt in seinen Sachen
Besessen von seinem Plan ist Woyzeck in die Kaserne
zurückgekehrt. Er macht eine Art Testament und schenkt
seinen kümmerlichen Besitz seinem Freund Andres. Dann
liest er seinen Militärpass. Sein Verhalten wird Andres unheimlich, er hält ihn für krank und möchte ihn ins Lazarett
schaffen. Woyzeck antwortet nur mit geheimnisvollen
Andeutungen vom nahen Sterben.
Marie mit Mädchen vor der Haustür
Marie ist unter spielenden Kindern auf der Strasse und
wartet. Die Mädchen singen ein Lied, das einigen nicht
gefällt. Marie soll singen, aber sie will nicht. Da erzählt die
Grossmutter ein ebenso geheimnisvolles wie unheimliches
Märchen von dem armen elternlosen Kind, das auszog
und suchte. Weil auf der Erde niemand mehr war, wollte
es in den Himmel gehen. Der Mond schien so freundlich,
aber als es hinkam, war es ein Stück verfaultes Holz. Und
als es zur Sonne kam, war sie eine verwelkte Sonnenblume, und die Sterne waren goldene Mücken, die wie vom
Neuntöter auf Schlehen gesteckt waren. Und als es auf
die Erde zurückwollte, war diese ein umgestürzter Hafen
und es war ganz allein. Die letzte Isolierung, die tiefste
Vereinsamung des Menschen ist in diesem Märchen gestaltet. Während Marie noch über den Sinn des Märchens
Augenblick für die Tat gekommen. Woyzeck ersticht sie in
einem rasenden Anfall. Dann läuft er kopflos davon.
Idiot. Kind. Woyzeck
Der Idiot hütet das Kind. Als er die feuchten Kleider des
verstört hereinstürzenden Woyzeck sieht, lallt er ununterbrochen: „Der ist ins Wasser gefallen.“ Er und das Kind
spüren, dass etwas Schauerliches geschehen ist. Das Kind,
das Woyzeck liebkosen will, wendet sich schreiend von ihm
ab. Er verspricht ihm einen Lebkuchenreiter und will dem
Narren Geld geben, aber dieser reisst plötzlich das Kind an
sich und flieht.
Wirtshaus
Woyzeck ist wieder in das Wirtshaus gegangen, in dem er
den Mordplan gefasst hat. Er tanzt wild mit einem lockeren Mädchen, das derbe Scherze mit ihm macht. Ihm wird
heiss, er zieht den Rock aus. Da entdeckt das Mädchen
Blut an seinem Ellenbogen. Die Leute werden aufmerksam
und stellen sich um ihn herum. Der Narr aber wiederholt
sein Märchen: „Da hat der Ries gesagt: Ich rieche Menschenfleisch.“ Grauen und Angst packen Woyzeck, er fühlt
sich als Mörder durchschaut, er rennt verwirrt hinaus.
Woyzeck allein
Woyzeck ist an die Stätte der Tat zurückgekehrt. Er sucht
nach dem Messer, das ihn verraten könnte. Er findet es
bei der Leiche und verliert sich in Wahnvorstellungen. Er
glaubt sich als Vollstrecker einer höheren Gerechtigkeit,
er glaubt, Marie entsühnt zu haben. Aber dann bricht
die Angst wieder durch, er läuft zum Wasser und wirft
das Messer weit hinein. Dann fürchtet er, dass es nicht
weit und tief genug liegt. Er watet ins Wasser, will sich
waschen und das Messer suchen, gerät dabei immer tiefer
hinein. Leute kommen hinzu, die das Rufen gehört haben.
Sie erkennen, dass jemand ertrunken ist oder ertrinkt und
eilen ans Wasser.
Kinder
Kinder strömen hinaus zum Waldweiher, um noch etwas
von dem Mord zu erspähen. Sie klären ein Kind, das noch
nichts weiss, darüber auf, dass dort jemand ermordet
wurde Sie drängen zur Eile, damit ihnen nur nichts von
dem Schauspiel verloren geht.
nachdenkt, kommt plötzlich Woyzeck und führt sie fort.
Marie und Woyzeck
Woyzeck hat Marie an eine einsame Waldstelle geführt.
Marie glaubt, er habe sich verlaufen, und zeigt ihm, wo
die Stadt liegt. Woyzeck aber beharrt darauf, dass sie
bleiben muss. Plötzlich fragt er nach der Vergangenheit
„Weißt du auch, wie lang es noch sein wird?“ fragt er weiter. Marie wird es unheimlich, sie drängt zum Heimweg,
sie müsse das Nachtessen richten. Woyzeck spricht weiter
von ihrer Liebe, macht aber erschreckende Andeutungen.
Dann schweigen sie einen Augenblick, bis Marie plötzlich
schaudernd den rot aufgehenden Mond sieht. Da ist der
Gerichtsdiener, Barbier, Arzt. Richter
Arzt, Gerichtsdiener und Richter sind am Tatort versammelt. Ein Polizist stellt beinahe vergnügt fest, dass es „ein
guter Mord, ein echter Mord, ein schöner Mord“ sei, „wir
haben schon lange so keinen gehabt“.
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Ideen für den Unterricht
Beobachtungen
Art
Klasse in Gruppen aufgeteilt
Dauer
ca. 30 Minuten
Fach
Turnen/Musik
Raum
Turnhalle oder Klassenzimmer (Bänke und Stühle wegräumen, so dass ein grösserer leerer
Raum zu Verfügung steht.)
HilfsmittelStoppuhr
Ziel
Erfahren von beobachten und beobachtet werden. Inszenierungsversuch
Woyzeck lebt in einer kleinen Garnisonsstadt. Diese Enge drückt sich auch dadurch aus, dass alle alle kennen,
beobachten und darüber sprechen. Die Wohnsituation armer Leute war prekär und eng, so dass es kaum
Privatsphäre gab. Woyzeck steht durch die ständige Beobachtung und Bewertung seines Verhaltens unter
enormem Druck.
Improvisation 1
Klasse in zwei Gruppen aufteilen. Eine Gruppe bewegt sich im Raum, „die Beobachteten“, die Schüler/-innen
der anderen Gruppe sind „Beobachter“. Jedem „Beobachteten“ wird ein „Beobachter“ zugeteilt. Nach einem
Durchgang werden die Rollen gewechselt:
-
-
-
„Die Beobachteten“ können gehen, stehen bleiben, sich hinsetzen oder hinlegen. Sie dürfen jeder
zeit ihren Ort oder ihre Stellung wechseln. Sie sollen sich natürlich bewegen und zu Beginn noch
nichts Spezielles hineininterpretieren.
„Die Beobachter“ beobachten ihren Partner genau. Sie versuchen verschiedene Möglichkeiten des
Beobachtens aus: von nah, von fern, wohlwollend oder kritisch. Übertreiben!!
Beide Gruppen versuchen ihre Rolle im Spiel immer mehr zu übertreiben und experimentieren, wohin
es sie bringt. Nicht sprechen!
Erfahrungsaustausch
Vor dem Rollentausch: Kurzer Erfahrungsaustausch unter den Schüler/innen: Wie hat sich das angefühlt beobachtet zu werden? War ein Unterschied spürbar, wenn der „Beobachtende“ seine Intention verändert hat?
Improvisation 2
Alle Schüler/-innen einer Gruppe beobachten nur einen „Beobachteten“. (Unbedingt einen Schüler/-in aussuchen, die mit den Blicken der ganzen Gruppe umgehen kann.) Die „Beobachter“ versuchen sich möglichst
als Gruppe zu verhalten: alle umkreisen den „Beobachteten“ sehr eng, alle entfernen sich, alle machen ein
aufmunterndes Gesicht etc. Mehrere Durchgänge mit unterschiedlichen „Beobachteten“. Nicht sprechen!
Inszenierung:
Die Klasse in 2-3 Gruppen aufteilen. Jede Gruppe erhält den Auftrag zu diesem Thema eine kurze Szene zu
erfinden. Es kann hilfreichsein, den räumlichen Ablauf der Gruppe und des „Beobachteten“ aufzuzeichnen.
Diesmal ist Sprache erlaubt.
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Ideen für den Unterricht
Ermittlungen im Mordfall Woyzeck
Art
Dauer
Fach
Raum
Hilfsmittel
Ziel
Klasse in 5 Gruppen aufgeteilt
1 Lektion
Deutsch
Klassenzimmer
Kopien von Texten aus dem Theaterstück Woyzeck
Genau lesen, Informationen erfassen, die sich aus dem Text herauslesen lassen und in die
Situation der Gerichtsverhandlung übersetzen.
Woyzeck hatte vor seiner Tat mit unterschiedlichen Personen Kontakt. Diese Personen werden im Laufe der
Ermittlungen durch die Polizei verhört, um den Tathergang und das Mordmotiv genau nachvollziehen zu
können.
Aufgabe:
Die Klasse wird in 5 Gruppen aufgeteilt. Jede Gruppe erhält zwei Szenen aus dem Theaterstück Woyzeck. In
beiden Szenen begegnet Woyzeck jeweils der gleichen Person.
Personen und Angaben zu den betreffenden Szenen aus dem Stück:
Andres:
Margreth/Käthe
Hauptmann
Doktor
Tambourmajor
- Freies Feld. Die Stadt in der Ferne (Woyzeck und Andres)
- Kaserne: Woyzeck schenkt Andres seine Sachen (Woyzeck und Andres)
- Marie mit ihrem Kind am Fenster (Marie, Margreth, später Woyzeck)
- Wirtshaus: Woyzeck tanzt mit Käthe (Woyzeck, Käthe und Leute)
- Hauptmann wird von Woyzeck rasiert (Woyzeck und Hauptmann)
- Hauptmann und Doktor unterhalten sich auf der Strasse (Hauptmann, Doktor
und Woyzeck)
- Doktor untersucht Woyzeck (Doktor und Woyzeck)
- Hauptmann und Doktor unterhalten sich auf der Strasse (Hauptmann, Doktor
und Woyzeck)
- Kirmes: Tambourmajor beobachtet Marie und Woyzeck (Tambourmajor, Unter
offizier)
- Wirtshaus: Tambourmajor trifft Woyzeck (Tambourmajor, Woyzeck, Leute)
Auf Grund des Textes sucht jede Gruppe Antworten auf folgende drei Fragen:
- In welchem Verhältnis stehst du/stehen Sie zu Franz Woyzeck?
- Wann hast du/haben Sie ihn zuletzt gesehen und was passierte da?
- Welchen Eindruck hattest du / Sie von ihm?
Die Gruppen können die Situation des Verhörs als Szene spielen und so alle ihre Antworten theatralisch
umsetzen.
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Kleines Tanzlexikon
Erklärungen zu Fachausdrücken aus dem Bereich Bühnentanz, Musik und Bühne
Abstrakter Tanz / Ballett Tanz, der keine Geschichte erzählt. Beispiele: George Balanchine: Seine
Werke sind nach eigener Aussage «sichtbar gemachte Musik», Merce
Cunningham u.a.m.
Akademischer Tanz
siehe klassisches Ballett
Aufwärmen
Vor einem Einsatz in Proben oder Aufführungen benötigen die Muskeln
und Bänder des tanzenden Körpers eine gute Durchblutung und Erwärmung. Ohne Aufwärmtraining besteht für den Tänzer Verletzungsgefahr.
Ausdruckstanz
auch freier bzw. expressionistischer Tanz, entstand als Gegenbewegung
zum klassischen Ballett mit dem beginnenden 20. Jh. Er dient dem individuellen und künstlerischen Darstellen von Gefühlen der tanzenden Personen.
Ballerina / (ital. Tänzerin) ist eine Solotänzerin. Eine Primaballerina ist die
Primaballerinabeste und erfahrenste Ballerina einer Kompanie.
BallettDrei Bedeutungen:
1. der in künstlerisch stilisierter Form dargebrachte Bühnentanz des
abendländischen Kulturkreises.
2. das in der oben genannten Form dargebotene Werk.
3. eine Kompanie, die solche Werke präsentiert.
Heute versteht man unter Ballett sehr unterschiedliche Erscheinungsformen des Bühnentanzes, wobei der akademische Ursprung weiterhin
durchscheint.
Das Wort kommt von italienisch «balletto»: Diminutiv von «ballo», das bedeutet «Tanz»; «ballar» bedeutet «tanzen». An den Höfen Italiens wurden
in der Renaissance festliche Aufzüge präsentiert, in denen Zwischenspiele
(«intermezzi») vorgesehen waren, zumeist als Tanzeinlagen. Ab ca. 1550
bezeichnete man diese Einlagen als «balletti». Aus diesen «balletti» entwickelten sich später die französischen «ballets de cour» (Hofballette).
Ballettdirektor
leitet eine Ballettkompanie. Er trifft alle künstlerischen Entscheidungen
und wählt die Tänzer und weitere Mitarbeiter der Kompanie aus.
Ballettmeister
leitet das tägliche Training der Tänzer und assistiert den Choreografen bei
der Erarbeitung einer Choreografie. Er übt die Tanzstücke mit den Tänzern
und studiert bestehende Choreografien neu ein.
Barre
(franz. Stange) Der erste Teil des Ballett-Trainings findet an der Stange
statt. Die Tänzer halten sich mit einer Hand an der Stange, während sie
Übungen ausführen. Dadurch werden sie beim Halten des Gleichgewichts
unterstützt. Der zweite Teil des Trainings findet dann «au milieu» statt;
freistehend in der Mitte des Raumes.
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Beleuchtung
Die Beleuchtung, also das «Licht», macht sichtbar, was auf der Bühne
vor sich geht. Das «Licht» unterstreicht die Kulissen, den Tanz und die
Musik, also die dargestellten Stimmungen und Situationen auf der Bühne,
es hebt bestimmte Dinge hervor und lässt andere wiederum in den Hintergrund treten.
Besetzung
Alle mitwirkenden Tänzer einer Choreografie und ihre Rollenzuteilung.
Bewegungsmaterial
Alle Tanzschritte und -kombinationen, die in einem Tanzstück vorkommen. Viele Choreograf/innen sind an der Art ihres Bewegungsmaterials zu
erkennen.
Bühne
In einem Theater besteht die Bühne meistens aus verschiedenen Bereichen:
Seitenbühne (rechts und links), Vorderbühne, Hinterbühne, Unterbühne und
Hauptbühne. Meistens wird nur die Hauptbühne genutzt. Der Zuschauer
sieht bei einer Guckkastenbühne (wie im Opernhaus Zürich) nur den relativ
kleinen Ausschnitt der gesamten Bühne, der durch die Proszeniumsöffnung
einsehbar ist. Die Hauptbühne befindet sich direkt in der Mitte. Die Seitenund Hinterbühne wird zur Bereitstellung von Dekorationsteilen benutzt. Die
Vorderbühne befindet sich vor dem Bühnenportal.
Bühnenbild Gesamtheit aller Bühnenbauten und Kulissen, auch Dekor genannt.
Bühnenbildner überlegt sich, wie die Kulisse, Dekorationen und Requisiten für ein Stück
aussehen sollen. Dabei richtet er sich nach den Ideen der anderen Künstler, das Bühnenbild entsteht gemeinsam mit dem Choreografen oder dem
Regisseur.
Bühnentanz
Tanzvorstellungen mit einer künstlerischen Vision, die vor Zuschauern präsentiert werden.
Choreograf ist der kreative Gestalter einer Choreografie. Er ist gleichzeitig Erfinder
und Regisseur des Stückes und repräsentiert somit im Vergleich zum
Schauspiel gleichermaßen die Rolle von Autor und Regisseur.
Choreografie(altgr. χορός «Tanz» und γράφειν «schreiben») bezeichnet das Erfinden
und Einstudieren von Bewegungen, meist in Zusammenhang mit Tanz. Eine
Choreografie wird ebenso wie eine musikalische Komposition als Kunstwerk
betrachtet und reicht vom kurzen Solo- oder Showtanz bis zur mehrstündigen Inszenierung eines Tanztheaterstückes mit vielen Personen und komplexer Handlung.
Corps de ballet
(frz. Körper/Korpus des Balletts) sind die Mitglieder des Ballettensembles, die
im Gegensatz zu den Solotänzern in der Regel als große Gruppe auftreten.
Dirigent
Musikalischer Verantwortlicher einer Ballettaufführung mit Orchesterbegleitung. Er interpretiert die Partitur und koordiniert das Orchester (und
den Chor).
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Dramaturg
Wirkt bei der Entstehung neuer Tanzstücke mit. Er sorgt für die Verständlichkeit des Handlungsablaufs und arbeitet durch Ideen und Vorschläge
beratend mit. Er macht Recherchen zum Stoff des Stücks, verfasst Texte
für das Programmheft und weitere Publikationen zu den Hintergründen
und der Aufführungspraxis des Werkes.
Duett Ein Tanzstück oder Teil eines Tanzstücks für zwei Tänzer. Wird auch Pas de
deux genannt.
Eiserner Vorhang
(Schutzvorhang) ist eine bauliche Brandschutzeinrichtung in Theatern,
die das Bühnenhaus vom Zuschauerraum in Form eines feuerundurchlässigen Schutzvorhangs trennt, um eine sichere Flucht der Zuschauer zu
gewährleisten und den Übergriff des Feuers in andere Gebäudeteile zu
verhindern.
Ensemblestück Ein Tanzstück oder ein Teil eines Tanzstücks, das für eine Gruppe Tänzer
bestimmt ist.
Guckkastenbühne
Bühnentyp, der durch den Portalrahmen eine klare Trennung zwischen
Bühne und Zuschauerraum erzeugt. Sie hat drei Wände, die «vierte Wand»
zum Publikum hin ist offen.
Handlungsballett Ein Tanzstück, das eine Geschichte erzählt.
Inszenierung
Das gesamte Bühnengeschehen bei einer Tanz-, Theater- oder Opernaufführung.
Interpretation
Interpretation im Tanz, Darstellung einer Handlung oder eines Gefühlsausdrucks. In der Musik und im Tanz ist die Aufführung eines Werkes immer schon eine Interpretation (Tänzer und Musiker nennt man darum
auch Interpreten).
Isolationen Das unabhängige Bewegen einzelner Körperteile.
klassisches Ballett /
akademischer Tanz
ist der seit dem 17. Jh. entwickelte und immer mehr perfektionierte
Theatertanz, dessen Schritt- und Bewegungsfolgen in der Danse d‘école
strikt kodifiziert sind und im Exercice zur Vervollkommnung der Technik
des Tänzers täglich repetiert werden. Im 17. Jh. und 18. Jh. trugen Paris,
im 19. Jh. Mailand und St. Petersburg entscheidend zur Weiterentwicklung
des klassischen Balletts bei. Das Hauptmerkmal des klassischen Balletts
ist das Ausdrehen der Hüften und Füsse. Alle Tanzschritte haben französische Namen.
Klavierauszug
Zusammenfassung einer Orchesterpartitur für Klavier; wird unter anderem zum Erarbeiten und Proben einer Choreografie verwendet.
Kostümdesigner /
Kostümbildner
entwirft in Rücksprache mit dem Choreografen die Kleidung, die die
Tänzer während der Vorstellung tragen.
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Lichtdesigner
entwirft und realisiert die Lichtstimmungen für das Stück.
Markieren
Ein Tänzer markiert einen Part, wenn er ihn in der Probe nicht voll austanzt, sondern nur andeutet.
Moderner Tanz
Modern Dance ist eine Variante des Bühnentanzes, die sich seit 1900 in
den USA aus Erneuerungsbestrebungen des klassischen Balletts und verschiedener avantgardistischer Strömungen entwickelt hat.
Motiv
Kleinste Sinneinheit in einer tänzerischen oder musikalischen Komposition.
Pantomime
Pantomime ist eine szenische Darbietung durch wortlose Gestik, Mimik
und Gebärdenspiel.
Partitur Zusammenstellung aller Instrumental- und Singstimmen eines Bühnenwerks. In gedruckter Form die Grundlage für die Arbeit des Dirigenten.
Pas (franz. Schritt). Bedeutet Tanzschritt, wobei immer die Bewegung des
ganzen Körpers gemeint ist und nicht nur die Füsse. In der Fachsprache
des Balletts wird Pas meist in Zusammenhang mit anderen Worten gebraucht. Als Bezeichnung für einen bestimmten Schritt wie in «Pas de
bourrée», «Pas de chat» usw., aber auch als Bezeichnung für eine bestimmte Form - wie in «Pas d‘action» für eine dramatisch akzentuierte
Szene oder um die Anzahl der mitwirkenden Tänzer zu definieren: «Pas de
deux», «Pas de trois» etc. Tanzstück oder Teil für zwei, drei usw. Tänzer.
Pas de deux
Ein Tanzstück oder Teil eines Tanzstücks für zwei Tänzer, auch Duett genannt.
Proszeniumstammt über das Lateinische (proscenium) vom altgriechischen πρό
«pro» (vor) und σκήνη «skene» (Bühnenhaus). Im modernen Theater
ist das Proszenium der vordere Teil der Bühne zwischen Vorhang / Portalöffnung und Orchester. In der Proszeniumsöffnung befindet sich im
Allgemeinen der gesetzlich wegen des Brandschutzes vorgeschriebene
«Eiserne Vorhang».
Requisit Beweglicher Gegenstand, der zur Ausstattung von Szenen in Theater, Film
und Oper dient.
Repertoire
Die verschiedenen Tanzstücke, die von einer Kompanie aufgeführt werden.
Saison / Spielzeit
Zeitraum, in dem ein Theater Aufführungen veranstaltet, meist vom Spätsommer bis zum Frühsommer des Folgejahres.
Solo Ein Tanzstück oder Teil eines Tanzstücks für einen Tänzer oder Tänzerin.
Spielplan
Verzeichnis aller während einer Spielzeit an einen Theater aufgeführten
Werke.
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Spitzenschuhe
Spezielle Tanzschuhe, mit denen die Tänzerin auf ihren Zehen stehen kann.
Sie haben eine versteifte Schuhspitze (Box), deren Spitze als Standfläche
abgeflacht ist, und einer aufrecht stehenden Ledersohle, auch ‚Wirbelsäule‘
genannt. Box und Sohle verleihen den nötigen Halt und sorgen dafür, dass
die Belastung optimal verteilt wird. In einem Spitzenschuh steckt der Fuss
vertikal wie ein Korken im Flaschenhals. Die Schuhe werden mit Bändern
um den Knöchel befestigt.
Synchron
Bewegungen, die von mehreren Tänzern zeitgleich und auf exakt die
gleiche Weise ausgeführt werden.
Tanz Tanz ist ein Sammelbegriff für jede Art spielerisch-rhythmischer Körperbewegung, die Musik- oder Geräuschbegleitung interpretiert, begleitet
oder auch Teil davon ist. Tanzen bezieht sich allgemein auf Bewegung als
Ausdrucksform oder soziale Interaktion. Tanz kann in einem spirituellen
Kontext vorkommen oder auf einer Bühne präsentiert werden
Tanzstile
Hip Hop, Breakdance, Jazztanz, Musicaltanz, Ballett, Volkstanz, Gesellschaftstänze, Afrikanischer Tanz, Flamenco, Tango, Salsa, Bauchtanz,
Stepptanz, usw.
Tutu
(frz. «Ballettröckchen») ist ein kurzes, aus mehreren Stoff-Lagen (meist
Gaze oder Tüll), gefertigtes, gelegentlich auch versteiftes Ballettkostüm.
Knöchellang war es das Kostüm der Elfen- und Feengestalten des Romantischen Balletts (ab ca. 1832). Mit der Weiterentwicklung des klassischen
Tanzes hat sich auch das Tutu in seiner Form verändert und ist nicht nur
traditionelles Kostüm, sondern neben den Spitzenschuhen Symbol der
klassischen Tänzerin geworden. Heute unterscheidet man dem choreografischen Stil entsprechend im Wesentlichen zwei Formen: das lange
oder so genannte romantische Tutu und das kurze so genannte akademische Tutu.
Wiederaufnahme
Neueinstudierung einer bereits früher erarbeiteten Inszenierung / Choreografie.
Zeitgenössischer Tanz
Unter dem Sammelbegriff zeitgenössischer Tanz versteht man die choreografische Bühnentanzkunst der Gegenwart. Dabei steht der individuelle Stil des Choreografen im Vordergrund.
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Merkblatt zum Vorstellungsbesuch im Opernhaus Zürich
Wir freuen uns, dass ihr eine Vorstellung im Opernhaus Zürich besucht und euch fürs Musiktheater interessiert. Alle Mitwirkenden werden ihr Bestes geben, um euch eine packende Vorstellung zu präsentieren.
Die Oper und das Theater sind Orte der Begegnung zwischen Künstlern und Zuschauern. Die Darbietenden
kreieren die Emotionen und die Stimmungen auf der Bühne jeden Abend neu. Die Zuschauer gestalten ihrerseits die Atmosphäre durch ihre aktive Anwesenheit mit und tragen wesentlich zu einer gelungenen Vorstellung bei. Ihr spielt also eine wichtige Rolle; erst durch eure Konzentration, euer Mitdenken und Mitfühlen
entsteht eine spannende Aufführung.
Damit sowohl ihr als auch die anderen Zuschauer und die Künstler eine gelungene Vorstellung erleben können, bitten wir euch folgende Regeln einzuhalten:
Die Platzverhältnisse im Zuschauerraum sind eng. Jacken, Schirme, Rucksäcke und Sonstiges dürfen aus feuerpolizeilichen Gründen nicht in den Zuschauerraum mitgenommen
werden. Mit der Eintrittskarte können die Garderoben kostenlos benutzt werden.
Getränke und Esswaren dürfen nicht in den Zuschauerraum mit¬genommen werden.
Mobiltelefone und sonstige elektronische Geräte bleiben in der Jackentasche und sind
ausgeschaltet.
Bei einem ersten Opernbesuch ist vieles neu, interessant und vielleicht auch ungewohnt.
In der Pause und nach der Vorstellung könnt ihr euch darüber austauschen, was euch
besonders gefallen oder missfallen hat. Gespräche während der Aufführung stören die
anderen Zuschauerinnen und Zuschauer.
psst!
Die Sängerinnen und Sänger auf der Bühne singen ohne Mikrofon. Die Akustik im Haus
ist so konzipiert, dass alles, was auf der Bühne gesungen und gespielt wird, überall im
Zuschauerraum und auf der Bühne zu hören ist. Ebenso verhält es sich natürlich mit den
Geräuschen, die im Zuschauerraum produziert werden.
Bitte kommt früh genug ins Opernhaus, damit ihr das spezielle Ambiente im Haus erleben
und rechtzeitig eure Plätze einnehmen könnt. Beachtet, dass nach Beginn der Vorstellung
bis zur Pause kein Einlass mehr möglich ist.
Natürlich könnt ihr euch kleiden, wie ihr wollt. Seid euch jedoch bewusst, dass ein Opernbesuch für viele Besucherinnen und Besucher ein besonderes Ereignis darstellt und sie dies
dementsprechend auch mit ihrer Kleidung unterstreichen.
Wir wünschen euch einen anregenden Abend und hoffen, dass euch die Vorstellung gut gefällt!
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QUELLENANGABEN, LINKS,
LITERATUR- UND FILMHINWEISE
Literatur
-
Georg Büchern: Hessischer Landbote (Flugschrift), 1834
-
Georg Büchner: Dantons Tod (Drama), 1835
-
Georg Büchner: Lenz (Erzählung), 1835
-
Georg Büchner: Leonce und Lena (Lustspiel), 1836
-
Georg Büchner: Woyzeck (Dramenfragment), 1837
-
Hans-Thies Lehmann: Woyzeckzeit, aus: Das politische Schreiben, Verlag Theater der Zeit, Recherchen 12, 2002
-
Karl Pörnacher, Gerhard Schaub u.a. (hg.): Georg Büchner, Werke und Briefe, Hanser Verlag München, 1998
-
Hermann Kurzke: Georg Büchner, Geschichte eines Genies, C.H. Beck Verlag München, 2013
Musik:
-
Martin Donner: Originalkomposition für Woyzeck (2011): Intro Score, Woyzeck + Andre, Major Score, Marie + Major,
Taverninterludescore
-
Alfred Schnittke: aus Glass Harmonica Suite (1968): I. the Musician and the Carillon, III. Faces – Flights – Pyramides,
IV. The Musician – the Awakening,
-
Alfred Schnittke: aus Die Kommissarin (Filmmusik) (1967): Regen, Einzug in die Stadt
-
Alfred Schnittke: aus Rikki-Tikki-Tavi (Filmmusik) (1975): Nacht, Kampf
-
Alfred Schnittke: aus The Ascent (Filmmusik) (1976): II. On the Sleight, III. Remorse
-
Alfred Schnittke: aus Adventures of a Dentist (Filmmusik) (1965): III. Der Park: Tempo di valse, VII. Walzer: Moderato
-
Alfred Schnittke: aus The Waltz Suite (Filmmusik) (1969): III. Factory
-
György Kurtag: aus Hommage à András Mihály. Op. 13 (1977/78): 2., 10.
-
György Kurtag: Aus der Ferne III, Streichquartett (1991)
-
Johann Sebastian Bach: Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit (Sonatina)BWV 106, bearbeitet von György Kurtag
-
Philip Glass: Music Box (2006)
Film:
Woyzeck (1979): Regie: Werner Herzog, mit Klaus Kinski und Eva Mattes
Oper:
Alban Berg: Wozzeck (1921)
Inszenierungen (Auswahl):
-
1913 (Uraufführung) – Münchner Residenztheater, Regie: Eugen Kilian, mit Albert Steinrück als Woyzeck
-
1921 – Deutsches Theater Berlin, Regie: Max Reinhardt, mit Eugen Klöpfer als Woyzeck
-
1996 – Hamburger Schauspielhaus, Regie: Franz Xaver Kroetz
-
2003 – Salzburg, Regie: Michael Thalheimer
Bis 1999/2000 sind 420 Inszenierungen in deutschsprachigen Theatern nachweisbar.
Links über Georg Büchner:
-
Texte von Georg Büchner online: http://gutenberg.spiegel.de/autor/82
-
Website der Georg Büchner Gesellschaft an der Universität Marburg, Herausgeber des Georg Büchner Jahrbuchs,
viele Informationen zur Büchner-Forschung: http://www.uni-marburg.de/hosting/gbg
-
Neues aus Büchnerland – Peter Brunners Büchnerblog: Viele Informationen zum Umfeld und der
Zeitgeschichte, die Georg Büchner geprägt haben: http://geschwisterbuechner.de/
-
Ausführliche Informationen zu Leben und Werk Georg Büchners: http://www.xlibris.de/Autoren/Buechner
-
Sendung von BR-alpha über Georg Büchner (2.7.2010): http://www.br.de/fernsehen/br-alpha/sendungen/
klassiker-der-weltliteratur/georg-buechner-woyzeck-leonce-und-lena100.html
-
Radiosendung von Bayern 2: „Dann nehme ich den Schiessprügel“: Georg Büchner – ein Portrait“ (30.10.2007):
http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/radiowissen/deutsch-und-literatur/georg-buechner-dossier100.html
-
Sendung von Deutschlandradio Kultur zur neuen Biografie über Georg Büchner (21. April 2013):
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/2080707/
-
Übersicht zum Kulturprogramm der Büchnergedenkjahre 2012/13: http://www.buechner1213.de/
47
Link Christian Spuck:
-
Website von Christian Spuck mit Informationen zu seinen Werken und seinem Werdegang:
http://www.christianspuck.com/
Textnachweis:
-
Georg Büchner – Text und Kommentar, Suhrkamp BasisBibliothek, 4. Auflage 2012
-
Karl Pörnacher, Gerhard Schaub u.a. (hg.): Georg Büchner, Werke und Briefe, Hanser Verlag München, 1998
-
MAG 12, Opernhaus Zürich und Programmheft Woyzeck
-
Migros Magazin, 14.10.2013
Bildnachweis:
1) Probenfoto Woyzeck: Filipe Portugal und Jan Casier © Danielle Liniger
2) Probenfoto Woyzeck © Danielle Liniger
3) Probenfoto Woyzeck: Jan Casier und Benoît Favre © Danielle Liniger
4) Woyzeck mit Jan Casier, Manuel Renard, Filipe Portugal, Cristian Assis und William Moore © Judith Schlosser
5) Woyzeck mit Jan Casier, Filipe Portugal und Manuel Renard © Judith Schlosser
6) Hinrichtung von Johann Christian Woyzeck am 27. August 1824 auf dem Marktplatz in Leipzig,
Federlithographie von C.G.H. Geissler
7) Portraitzeichnung von Georg Büchner, Zentralbibliothek Zürich
8) Steckbrief von Georg Büchner in der Grossherzoglich Hessischen Zeitung vom 18. Juni 1835
9) Woyzeck © Judith Schlosser
10) Woyzeck, Jan Casier und Cristian Assis © Judith Schlosser
11) Jan Casier als Woyzeck © Judith Schlosser
12) Jan Casier als Woyzeck und Katja Wünsche als Marie © Judith Schlosser
13) Alfred Schnittke
14) György Kurtag
15) Martin Donner
16) Probenfoto Woyzeck: Christian Spuck und Jan Casier © Danielle Liniger
17) Probenfoto Woyzeck: Filipe Portugal und Jan Casier © Danielle Liniger
18) Portrait Christian Spuck © Stefan Deuber
19) Jan Casier © Danielle Liniger
20) Probenfoto Woyzeck: Katja Wünsche und Jan Casier © Danielle Liniger
21) Jan Casier als Woyzeck und Katja Wünsche als Marie © Judith Schlosser
22) Inspizient Felix Bierich © Suzanne Schwiertz
23) Inspizientenpult © Suzanne Schwiertz
24) Inspizientenpult © Suzanne Schwiertz
25) Probenfoto Woyzeck © Danielle Liniger
26)-29) Bühnenbildmodell von Emma Ryott
30) Figurine Doktor von Emma Ryott
31) Figurine Hauptmann von Emma Ryott
32) Figurine Professor von Emma Ryott
33) Figurine Tambourmajor von Emma Ryott
34) Figurine Woyzeck von Emma Ryott
35) Figurine Woyzeck von Emma Ryott
36) Woyzeck im Vordergrund Jan Casier © Judith Schlosser
37) William Moore als Tambourmajor © Judith Schlosser
38) Manuel Renard als Doktor © Judith Schlosser
39) Tschako der Nationalen Feldbatallone, Armeemuseum Ingoldstadt
40) Probenfoto Woyzeck © Danielle Liniger