Meilenstein in der Ziegenzucht
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Meilenstein in der Ziegenzucht
Ziegen Tierhaltung Meilenstein in der Ziegenzucht Zuchtwerte sind ein bewährtes Instrument in der Tierzüchtung. Durch die Entwicklung eines Ziegendatenverbundes kommt in Deutschland nun allmählich Bewegung in die Ziegenzucht. weiß Privatdozentin Dr. Pera Herold vom Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung BadenWürttemberg. Der Zukauf von Böcken sei für die Ziegenmilcherzeuger aus vielerlei Gründen schwierig, sagt sie. Zum einen ließe sich aus den Leistungen der Bockmütter das genetisch fundierte Leistungsvermögen nur schwer abschätzen, da der Einfluss des Betriebs groß ist, etwa bei intensiver Haltung und Fütterung. Oft sind die Böcke zudem bei Hobbyzüchtern aufgewachsen und in größeren Herden von der Zahl der Ziegen überfordert. Der Zukauf von Böcken aus dem Ausland, etwa aus Frankreich, ist nach Einschätzung von Pera Herold für viele Betriebe auch keine Lösung, zumindest nicht langfristig. Die dortigen Zuchtziele orientieren sich vor allem an der hohen absoluten Leistung, während die Nutzungsdauer nur eine untergeordnete Rolle spielt. So werden etwa Exterieurmerkmale des Euters, die eine hohe Korrelation zur Nutzungsdauer aufweisen, in diesen Populationen nicht oder nur wenig beachtet. Daher entsprechen die französischen Ziegenböcke nicht den Zuchtzielen, wie sie hiesige Ziegenhalter formulieren. Ihr Einsatz kann bestehende Standards im Exterieur der Milchziegen sogar verschlechtern, es ist hier teilweise ein „negativer Zuchtfortschritt“ zu beobachten. Züchterisches Potential heimischer Ziegen Bio-Ziegenhalter suchen robuste, langlebige Tiere mit guten Leistungen. Ein länderübergreifender Ziegendatenverbund ist der erste Schritt zu einer Zuchtwertschätzung. agrar-press V erglichen mit anderen europäischen Ländern wie Frankreich, der Schweiz oder den Niederlanden steht die Ziegenzucht in Deutschland noch ganz am Anfang und wird weitestgehend durch Kleinstbetriebe dominiert. Warum das so ist, In den Ziegenherden der Erwerbsziegenhalter steckt viel ungenutztes züchterisches Potential: Sie alle könnten einen Beitrag zum Zuchtfortschritt leisten, wenn sie sich an der Herdbuchzüchtung beteiligen und aus ihrem eigenen Kitzbestand Zuchttiere heranzüchten würden. Dies setzt allerdings voraus, dass sich die Ziegenmilcherzeuger die Mühe machen, die Milchleistungen ihrer Ziegen zu erfassen und zu dokumentieren. Doch mit der Initiative der Ziegenhalter allein ist es nicht getan. Erschwerend kommt in Deutschland die dezentrale Führung der Herdbücher hinzu, die Zuchtbücher und Leistungsprüfungen sind über die Landesgrenzen hinweg nicht vernetzt. Dadurch fehlt es an länderübergreifend verfügbaren Daten als Basis einer einheitlichen Zuchtwertschätzung. Die Folge ist, dass hierzulande in der Zuchtarbeit keine Fortschritte erzielt worden sind. Hier sind die Ziegenzuchtverbände gefragt, aktiv zu werden. Zuchtziele und Zuchtwerte Grundlage jedweden züchterischen Engagements ist es, Zuchtziele zu formulieren. Mit Hilfe des Zuchtziels wird festgelegt, in welche Richtung die zukünftige Zuchtarbeit gehen soll – sprich, welches Leistungs- bioland 05/2014 28 niveau in der nächsten Generation angestrebt wird. Die Leistungsprüfung ermöglicht es, die in den Zuchtzielen geforderten Leistungen zu testen. Die Zuchtwerte erlauben schließlich eine Aussage darüber, welches Leistungspotential ein Tier an seine Nachkommen weitergeben kann. Zum einen dienen Zuchtwerte als wichtige Informationsgrundlage für die Züchter, zum anderen erleichtern sie Ziegenhaltern die Auswahl von Vatertieren für ihre Herde. Dadurch kommen die in den Zuchtbetrieben erzielten Zuchtfortschritte schneller und sicherer den Produktionsbetrieben zugute. Bei der Formulierung von Zuchtzielen ist es jedoch – allein aus Akzeptanzgründen – wichtig, alle relevanten Gruppen einzubinden. Im Rahmen eines wissenschaftlichen Projektes der Universität Hohenheim wurden Ziegenzüchter und -halter in Süddeutschland umfassend hierzu befragt. Als gemeinsames Zuchtziel verständigte man sich auf eine hohe Milchlebensleistung mit guten Milchinhaltsstoffen und eine allgemeine Robustheit der Tiere. Ziegendatenverbund etabliert Nun gilt es, den gesteckten Zuchtzielen schrittweise näherzukommen. Einen ersten wichtigen Meilenstein sieht Pera Herold mit der Einführung des gemeinsamen Ziegendatenverbundes (ZDV) in Bayern und Baden-Württemberg erreicht. Dieser wird in enger Zusammenarbeit der beiden Ziegenzuchtverbände Bayern und Baden-Württemberg mit dem bayerischen und dem baden-württembergischen Leistungskontrollverband entwickelt und voraussichtlich Mitte des Jahres an den Start gehen. Der ZDV soll es ermöglichen, die Ergebnisse von Milchleistungsprüfungen, Ablammungen sowie Tier- und Betriebsstammdaten systematisch zu erfassen, welche wiederum die Grundlage für eine Zuchtwertschätzung bilden. Damit schaffen die beiden Zuchtverbände die Voraussetzung für eine systematische Einführung einer Zuchtwertschätzung in Deutschland. Als Basis für die Entwicklung des ZDV dient der Rinderdatenverbund (RDV), der seit langem für die EDVBetreuung der Milchleistungsprüfung genutzt wird. Rund 60.000 Betriebe mit knapp zwei Millionen Kühen sind derzeit in dieses System eingebunden. Ebenso wie der RDV wird der ZDV eine gemeinsame Datenverarbeitung der Landeskontroll- und Zuchtverbände bei Leistungsprüfung, Herdbuchführung und Zuchtwertschätzung ermöglichen. Doch auch die Ziegenhalter und -züchter selbst werden in ihrer täglichen Arbeit unmittelbar von diesem neuen Programm profitieren: Mit Hilfe einer Onlineplattform für Mitglieds- Beliebt in der BioMilchziegenhaltung: Die Deutsche Bunte Edelziege. P. Herold betriebe der Leistungsprüfung und der Ziegenzuchtverbände, soll jeder teilnehmende Betrieb sämtliche Leistungsdaten seiner Herde inklusive grafischer Aufbereitung einsehen und zusätzlich zahlreiche Herdenmanagementfunktionen nutzen können. Mit der Fertigstellung wird Ende 2014 gerechnet. Der eingeschlagene Weg stößt bei Vertretern anderer Verbände auf positive Resonanz. Andreas Kern, Ziegenberater bei Bioland, sieht hierin eine große Chance, die Ziegenzucht in Deutschland voranzubringen. Auch Sebastian Schäfer, Sprecher der Vereinigung der Schaf- und Ziegenmilcherzeuger, begrüßt das Engagement der baden-württembergischen und bayerischen Ziegenzuchtverbände: „Bayern und Baden-Württemberg sind hier Vorreiter. Die Frage ist, wie wir es schaffen, das Ganze auf eine möglichst breite Basis zu stellen.“ Fest steht, dass es nun auf eine möglichst große Akzeptanz und breite Mitwirkung der Züchter und Ziegenhalter ankommt. Schließlich ist es in ihrem ureigenen Interesse, sich hier aktiv einzubringen und zum Aufbau einer möglichst großen Datenbasis beizutragen. Nina Weiler Journalistin aus Karlsruhe Infos zum Ziegendatenverbund Wer mehr wissen will, kann sich bei Pera Herold, Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg, E-Mail: Pera.Herold@lgl.bwl.de, und auf www.tierzucht-bw.de informieren. 29