EEG Einfuehrung

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EEG Einfuehrung
Grundlagen Biomedizinischen Technik Labor
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ÜBUNGEN EEG – EVOZIERTE POTENTIALE
Das Elektroenzephalogramm
Skriptum zu den Laborübungen in Grundlagen der Biomedizinischen
Technik
Letzte Überarbeitung am
Datum: Jul. 2005
WS 2005/2006
Dipl.-Ing. Dr. Alois Schlögl
e-mail: alois.schloegl@tugraz.at
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ÜBUNGEN EEG – EVOZIERTE POTENTIALE
Einleitung
Das Elektroenzephalogramm ist eine nicht-invasive Methode um die (elektrische) Aktivität des
Gehirns zu bestimmen. Das EEG bei vollem Bewusstsein der Versuchsperson und beinahe in jeder
Lebenslage aufgezeichnet werden. Im Vergleich zu anderen Techniken zur Bestimmung von
Hirnaktivität ist der Geräteaufwand zur EEG-Messung relative gering. Weiters bietet es den Vorteil
einer hohen Zeitauflösung, welche von bildgebenden Verfahren nicht erreicht werden kann.
Diese Vorteile werden jedoch von einem Nachteil begleitet, welcher in der sehr kleinen
Signalamplitude des EEG begründet ist. Viele verschiedene Einflüsse können Störungen
verursachen, welche durchaus in der Größenordnung des EEG’s liegen können. Kurz gesagt, das
Signal-Rausch Verhältnis ist sehr klein.
Wichtige Anwendungsgebiete der EEG-Analyse sind in der Diagnose: (i) Schlafanalyse und
Epilepsie. In der Therapie (ii) wird man in Zukunft das EEG für ein nicht-invasiven BrainComputer Interface verwenden können um behinderten Personen einen zusätzlichen
Kommunikationskanal zu ermöglichen. Möglicherweise kann es auch für Biofeedback z.B. in der
Schmerztherapie verwendet werden. In der Forschung (iii) wird das EEG naturgemäß in den
Neurowissenschaften wie z.b. (Experimentelle) Psychologie, Kognitionswissenschaften und der
Neurophysiologie sowie in der Pharmakologie verwendet. In der klinischen Routine (iv) wird es zur
Überwachung von Patienten in der Intensivstation, zur Überwachung der Narkosetiefe (Anästhesie)
verwendet.
Ziel dieser Übung ist es, die Technik der EEG-Messung kennenzulernen. Dazu werden die
wichtigsten Phänomene das EEG demonstriert sowie die Schwierigkeiten bei der EEGAufzeichnung erläutert und diskutiert.
1. Entstehung des Elektroenzephalogramms
Das EEG entsteht durch die elektrische Aktivität der 1010 -1012 Nervenzellen (Neuronen) im
menschlichen Gehirn (ca. 1.2-1.4kg). Die Neuronen erzeugen und übertragen Aktionspotentiale
(Spikes) welche bis zu 70mV groß sind und ca. 1ms dauern. Die durchschnittliche Feuerrate kann
von 1 bis 1000 Spikes pro Sekunde variieren. Diese Spikes erzeugen sogenannte postsynaptische
Potentiale (PSP), welche in exzitatorische postsynaptische Potentiale (EPSP) und inhibitorischen
postsynaptische Potentiale (IPSP) unterschieden werden können. Diese PSP’s erzeugen
Summenpotentiale welche an der Cortexoberfläche gemessen werden können. Solche
Aufzeichnungen werden Elektrocorticogramm (ECoG) genannt. Das Elektroenzepaphalogramm
(EEG) ist die nicht-invasive Methode, zur Messung dieser Potentiale.
Es wird angenommen, dass der Hauptanteile des EEG’s in der Oberfläche des Neocortex (0.25m²,
durchschnittlich etwa 3mm dick) entstehen. Diese enthält ca. 70000 Neuronen/mm³ (Graue Masse).
Die Neuronen sind über sogenannten Synapsen miteinander verbunden, die durchschnittliche
Anzahl der Synapsen pro Neuron wird mit 7000 geschätzt. Um Verbindung zwischen Neuronen
über größere Distanzen zu ermöglichen, gibt es Nervenfasern (mit einer Dichte von bis zu
4km/mm³), welche hauptsächlich in der „Weißen Masse“ des Gehirns zu finden sind.
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ÜBUNGEN EEG – EVOZIERTE POTENTIALE
Beim EEG unterscheidet man zwischen (i) Evozierte Potentiale und (ii) dem ‚Spontanen’ EEG.
Evozierte Poetentiale, kurz EP’s genannt, sind Potentialschwankungen welche synchron zu einem
Stimulus auftreten. Eine Mittelung über viele Versuche minimiert die zufälligen, nicht phasenbezogenen Komponenten. Nur Komponenten mit fester Phasenbeziehung zum Stimulus bleiben
nach der Mittelung übrig. Daher nennt man EP’s auch phasen-fixierte Phänomene (engl.: „PhaseLocked“).
Dagegen hat das spontanen EEG keine feste Phasenbeziehung zum Stimulus. Das spontane EEG
kann sich zwar auch mit einem Stimulus ändern (z.b. Änderung des Alpha-Rhythmus bei Augen auf
und zu), Eine Mittelung über viele Versuche würde jedoch 0 ergeben, da die Phase des AlphaRhythmus zufällig, also nicht phase-locked, ist. [1-4].
a) Evozierte Potentiale (EP’s)
Die Evozierten Potentiale werden nach den auslösenden Sinnesreizen eingeteilt. Sowohl das
plötzliche Auftreten (On-Effekt) als auch das Aufhören (Off-Effekt) eines Sinnesreizes (Ton, Bild,
Licht ...) löst ein evoziertes Potential aus. Zur Trennung der Evozierten Potentiale von der
überlagerten kontinuierlichen elektrischen Hirnaktivität wird vor allem die Mittelung der
reizsynchronen Potentialschwankungen verwendet.
Nach dem Entstehungsort im Zentralnervensystem unterscheidet man (i) kortikale Potentiale und
(ii) Hirnstammpotentiale. Diese entstehen wie der Name sagt, im Stammhirn. Bei kortikale
Potentiale unterscheidet man weiters:
• Visuell evozierte Potentiale (Flash, Licht, Muster)
• Akustisch evozierte Potentiale (Ton, Klick)
• Somatosensorisch evozierte Potentiale (Taktile Reize, elektrische Stimulation des Nervus
Medianus oder Nervus Tibialis)
• Olfaktorisch evozierte Potentiale (Geruchssinn) [9]
b) Spontanes EEG
Das spontane EEG enthält in der Regel Spektralkomponenten im Bereich von 0 bis 40 Hz. Selten
wird der Bereich bis 80Hz analysiert. Die wichtigsten Komponenten im Spektrum des EEG’s sind
Delta (“0”-4Hz), Theta (4-8Hz), Alpha (8-13Hz), Beta (13-30Hz), Gamma (>30Hz). In jüngerer
Zeit werden die einzelnen Komponenten genauer unterschieden oder es werden personenspezifische
Werte ermittelt. Es hat sich jedoch kein einheitlicher Standard daraus entwickelt.
Der Amplitude des EEG liegt üblicherweise im Bereich von 10-500 µV. Diese hängt neben der
Aktivierung des entsprechenden Gehirnareals auch vom Elektrodenabstand ab. Größere Werte
werden über größere Distanzen (monopolare Ableitung) erreicht. Bipolare EEG-Ableitungen haben
geringere Amplituden (siehe auch Elektrodenmontage)
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2. Elektrodenanordnung:
Die EEG-Elektroden werden entsprechend dem internationalen 10 – 20 System mit Ag/AgClElektroden positioniert. Die Elektroden werden mit Colodium geklebt oder mit Elektrodenpaste
gefüllt. Auch Gold (Alu) – Elektroden, mit leitfähiger Klebe-Paste (EC2, Grass Instr.) geklebt,
werden verwendet. Für Vielfachableitungen (bis 128 Kanäle) sind Elektrodenhauben vorteilhaft.
Abbildung 1: Das internationale 10-20 System in Seitenansicht (Bild A) und Ansicht von oben (Bild
B). A … Ohrlappen, F … frontal, C … zentral, P … parietal, O … okzipital, T … temporal
Im internationalen standardisierten 10-20 System sind 21 Elektrodenpositionen definiert [10]. Die
Positionen werden wie folgt bestimmt: (i) die Distanz der Referenzpunkte: Nasion (N,
Nasenwurzel, Augenhöhe) Inion (I, Sporn am Hinterkopf) über den Vertex gehend wird bestimmt;
(ii) die Distanz zwischen den beiden Präaurikulären Punkten (Prä1, Prä2) wieder über den Vertex
gehend wird bestimmt. Die Elektrodenpositionen werden dann in 10% bzw 20% dieser Abstände
ermittelt (siehe Abbildung 1). Daher stammt auch der Name „10-20 System“.
Heutzutage werden oft wesentlich mehr Elektroden verwendet. In Anlehnung an das 10-20-System
[10] spricht man vom 10-10-System [11] und dem 5%-System [12]. In unserem EEG-Labor können
bis zu 64 Kanäle gemessen werden.
Um die Gleichtaktverstärkung zu minimieren (siehe Artefakte und Störquellen) ist auch noch eine
Masseelektrode (engl.: Ground) zu montieren. Diese ist von der Referenzelektrode unabhängig und
darf auch nicht mit ihr verbunden werden. Diese wird üblicherweise an der Stirn montiert.
c) Referenz
Es gibt verschieden Methoden um die Referenz (Bezugspunkt mit 0-Potential) zu bilden. Die
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einfachste Möglichkeit ist, eine Elektrode als Referenzelektrode anzunehmen. (1) Üblicherweise
wird dazu die Elektrode A1 verwendet .
Dadurch kann es aber Unsymmetrien kommen. (2) Daher verwendet man den Mittelwert von A1
und A2. Dazu kann man die beiden Elektroden über zwei gleiche Widerstände (ca 5kOhm)
verbinden (Achtung! Nicht Kurzschließen) und den Mittelpunkt als Referenz verwenden. Eine dritte
Methode ist die bipolare Elektrodenanordnung. (3) Dabei wird das EEG von jeweils zwei
benachbarten Elektroden abgeleitet.
In jüngerer Zeit werden auch verschiedene rechnerische Verfahren zur Ermittelung des
Referenzpunktes angewandt.
(4) Eine symmetrische Referenz (wie in (2)) erhält man wenn man das Potential (A2+A1)/2 von
allen übrigen Elektroden subtrahiert. (5) Bipolare Ableitungen können ebenfalls auf rechnerische
Art von monopolaren Ableitungen ermittelt werden. (6) Die Common Average Reference (CAR)
beruht auf der Berechnung des gemeinsamen (globalen) Mittelwertes aller Elektroden. (7) “Local
Average Reference” oder Laplace-Ableitung beruhen auf der Subtraktion des Mittelwertes der 4
(small Laplacian) oder 8 (Large Laplacian) benachbarten Elektroden.
d) Filter
Bei EEG-Aufzeichnungen sind auch immer die Filtereinstellungen zu beachten. Im wesentlichen
gibt es zwei Filter. Das Tiefpassfilter (obere Grenzfrequenz des Bandpasses) ist notwendig um
Aliasing-Effekte (siehe Artefakte) zur vermeiden. Daher ist die Grenzfrequenz des Tiefpassfilters
jedenfalls niedriger als die Nyquist-Frequenz (halbe Abtastrate) zu wählen.
Das Hochpassfilter verwendet man zur Unterdrückung von langsamen Potentialschwanken bzw.
einer Drift der Nulllinie. Solche Potentialschwankungen können durch Elektrodenartefakte
verursacht werden. Dieses Hochpassfilter wird häufig durch die Zeitkonstante τ des Filters
charakterisiert. Aus der Beziehung eines Hochpassfilters 1. Ordnung kann man den Zusammenhang
zwischen der Zeitkonstante τ und der Grenzfrequenz fg herleiten (Herleitung als Übung). Der
Zusammenhang lautet:
τ = 1/(2π fg )
bzw.
fg = 1/(2π τ )
Die beiden Filter, Tiefpass und Hochpass, stellen einen Bandpass mit einer oberen und unteren
Grenzfrequenz dar. Ein weiterer Effekt dieser Filter ist, das die Bandbreite des thermischen
Rauchens (Widerstandsrauschen der Elektroden und Verstärkerrauschen) begrenzt wird.
3. Artefakte und Störquellen:
Grundsätzlich kann man zwischen „technischen“ und „biologischen“ Störungen unterscheiden.
Technische Störungen entstehen durch die Elektronik und durch äußere Einflüsse. Dazu zählen:
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Elektromagnetische Felder (z.B. 50Hz). das Verstärkerrauschen, Aliasing, und das
Quantisierungsrauschen des AD-Konverters (siehe auch Abb. 1). Elektrodenartefakte (z.B. durch
Bewegung der Elektrode) können u.a. zur Sättigung des Eingangsverstärkers bzw. zu einem
„Overflow“ im ADC führen.
Biologische Artefakte entsehen durch unerwünschte elektrische Aktivität im Organismus, wie z.B.:
Elektrocculogramm (EOG), Elektromyogramm (EMG), Elektrokardiogramm (EKG) [8],
Hautpotentiale [13], sowie Bewegungs-, Atmungs- und Pulseartefakte und Schweiß können
unerwünschte elektrische Potentiale (d.h. Artefakte) verursachen
Bei EP-Messungen stellt das spontane EEG ebenfalls eine Störung dar, da es die evozierten
Potentiale überlagert [6].
10
10
EEG and noise spectra
1
0
Amplitude [µV/Hz1/2]
EEG (0.5-30Hz)
10
-1
Amplifier Noise (0.5-30Hz)
Impedance noise R=10kOhm
10
-2
Impedance noise R=4.7kOhm
10
Quantization noise
-3
0
10
20
30
40
frequency f [Hz]
50
60
Abbildung 1: Typische Spektraldichte eines EEG’s und verschiedener Rauschquellen. Das Filter des Verstärkers
war auf 0.5 –30 Hz eingestellt.
e) Technische Störungen
Elektrodenrauschen:
Eine wesentliche Störquelle stellt das thermische Rauschen der Elektroden dar. Messungen
(GEDDES, 1972) haben die theoretischen Überlegungen bestätigt, daß der Effektivwert des
Rauschens von der Elektrodenimpedanz, der Signalbandbreite und der Temperatur nach folgender
Gesetzmäßigkeit abhängt:
U si = 4kT * RQ * B
wobei k=1.3807e-23 J/K die Boltzmannkonstante, T die absolute Temperatur, RQ der Widerstand
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der Signalquelle und B die Bandbreite des Signales ist.
Beispiel:
Messung von Hirnstammpotentialen
Bandbreite B=3 kHz
Die Elektrodentemperatur T kann mit der Körpertemperatur angenommen werden. T=37°C = 310K
U Noise = 4 * 1.3807 * 10−23 J / K * 310 K * 3000 Hz * 2000Ω = 0.32 µVeff
Da zwei Signalquellen am Eingang des Differenzverstärkers anliegen, ist dieser Wert mit
multiplizieren.
2 zu
Neben dem thermischen Rauschen (oder Widerstandsrauschen) können Elektroden auch andere
Störungen verursachen. Mechanische Einflüsse auf die Elektrode, z.B. durch Bewegung, können die
Übergangskapazität verändern, wodurch es zu Stromflüssen kommt.
Diese Stromflüsse verursachen sprunghafte Spannungsänderungen, welche zur Übersteuerung des
Verstärkers oder des nachfolgenden ADC führen können. Das aufgezeichnete Signal entspricht dem
oberen und unteren Sättigungswert.
Eine weitere Störquelle kann Schweiß sein, welcher das Elektrolyt (Ionengehalt in der
Elektrodenpaste) verändert. Dadurch kann es zu „Drift“ der Nulllinie kommen. Diese Drift
verändert einerseits das Spektrum, kann aber auch zur Übersteuerung führen.
Verstärkerrauschen
Aufgrund der thermischen Bewegung der Ladungsträger in den Bauelementen hat jeder Verstärker
ein Eigenrauschen, das die gemessenen und verstärkten Signale überlagert. Dieses Eigenrauschen
hängt, im wesentlichen, vom Rauschen der ersten Verstärkungsstufe und der Bandbreite des
Verstärkers ab.
Quantisierungsrauschen
Der Quantisierungsfehler wird durch den Messbereich und durch die Bit-Tiefe des Analog-DigitalKonverters (ADC) bestimmt. Da langsame Elektrodenartefakte, Mittelwertverschiebungen und
Gleichtaktaussteuerungen auch größere Potentialschwankungen verursachen können, ist es oft sinnvoll den
Messbereich größer zu wählen. Auch muss hier nicht der RMS des Signals sondern der Spitze-Spitze Wert
berücksichtigt werden. Ein 12bit ADC liefert bei einem Messbereich von 4mV ein LSB von ca. 1µV. Bei
einem 16Bit ADC kann entweder der Wertebereich erhöht werden oder das Quantisierungsrauschen
verkleinert werden. Der Effektivwert des Quantisierungsrauschen beträgt
USt=LSB/√12
Störungen durch elektrische Felder
Die Störung des EEGs durch elektrische Felder kann durch eine kapazitive Kopplung zwischen
Störquelle und Mensch dargestellt werden. Wie aus dem Schaltbild zu ersehen ist, wird die dadurch
entstehende Störspannung USt durch folgende Parameter bestimmt:
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UNetz
RC
RE
USt
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Spannung des Netzes (230 V)
Kopplungsimpedanz (C = 100 pF)
Erdungswiderstand (10 k)
Störspannung
C
UNetz
RE
USt
Die Störspannung berechnet sich nach der Formel
U Netz
1 + RC RE
Ust=7*10-3 V = 7 mV
U St =
U Netz * RE RC = U Netz * RE * ω * C
Diese Störamplitude würde jede Messung unmöglich machen. Da die Störspannung bei gleicher
Elektrodenimpedanz jedoch auf allen Ableitungen gleich groß ist, kann sie bei Verwendung von
Differenzverstärkern mit Hilfe der Gleichtaktunterdrückung weitgehend eliminiert werden.
Die heutige Verstärkertechnologie erlaubt ohne optisch getrennte Eingangsstufen eine
Gleichtaktunterdrückung (Common Mode Rejection Ratio, CMRR) von mind. 80 dB (104),
wodurch sich die Störamplitude auf reduzieren lässt.
Ust=7*10-3 * 10-4V = 7 µV
Die Störamplitude läßt sich durch Verringerung der Kopplungsimpedanz mit Hilfe abgeschirmter
Kabel noch weiter reduzieren.
Eine wesentlich günstigere Situation bietet sich durch die Verwendung von Isolationsverstärkern,
die durch die optische Trennung auch für die Patientensicherheit eine optimale Lösung darstellen.
Hier unterscheidet man zwischen einer “Common Mode Rejection Ratio“(CMRR) und “Isolation
Mode Rejection Ratio“ (IMRR). Die “Patientenerde“ hat hier nicht die Funktion als Erde, sondern
als Bezugselektrode, wodurch keine Gleichtaktspannung UCM auftritt. Die Störspannungsunterdrückung gegenüber der Geräteerde wird damit allein durch das IMRR bestimmt. Dieses erreicht
Werte von über 120 dB bei 50 Hz, sodass kapazitive Kopplungen keine Rolle spielen.
Für höhere Frequenzen, etwa 30 bzw. 90 kHz, von Leuchtstoffröhren neuester Bauart
hervorgerufen, wird das CMRR und IMRR wesentlich schlechter. Bei Isolationsverstärkern kann
man bei einer Störfrequenz von 30 kHz jedoch immer noch mit einer Störunterdrückung (IMRR)
von 90 dB rechnen.
Störungen durch magnetische Felder
Bei magnetischen Wechselfeldern wird in der Ableitschleife durch das Magnetfeld B eine Spannung
mit der Amplitude
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USt = ω*B*A
USt
ω
B
A
Störspannung
Kreisfrequenz des Magnetfeldes
magnet. Flußdichte
Fläche der Ableitschleife
induziert. Diese Störung kann nicht durch Differenzschaltung unterdrückt werden. Nur durch
verdrillen der Leitungen kann die Ableitschleife und damit die Störspannung reduziert werden.
Die Empfehlung für EEG-Ableitungen sieht eine maximale magnetische Flußdichte von B = 200
nTss (50 Hz) vor. Bei einer Ableitschleife von A = 1 dm2 (10-2 m2 ) resultiert daraus eine
Störspannung von USt = 0.63 µVSS
Aliasing
Durch das Abtasten werden Frequenzkomponenten welche größer als die Nyquist-Frequenz (halbe
Abtastrate) sind, in den Frequenzbereich von 0 bis Fs/2 gefaltet. Diese nennt man den Aliasing-Effekt. Um
diesen Aliasing-Effekt zu vermeiden, ist ein analoges Tiefpass-Filter notwendig, welches Frequenzen über
der Nyquist-Frequenz ausreichend unterdrückt. Da nach der Digitalisierung nicht mehr zwischen der
korrekten und der gefalteten Frequenzkomponente unterschieden werden kann, muss das Tiefpassfilter vor
der Digitalisierung auf das Signal angewandt werden. Dieses Tiefpassfilter nennt daher man auch AntiAliasing Filter.
Sättigungseffekt
Jeder Verstärker und A/D-Konverter hat einen begrenzten Eingangsbereich. Daher kann es unter bestimmten
Umständen auch zu einem Überschreiten dieser Grenzen kommen. Häufig wird dies durch langsame
Potentialschwankungen und sehr niedrigen Frequenzanteilen (<1Hz) verursacht (z.B. Schweiß und
Elektrodenartefakte). Abhilfe kann die Wahl einer kleineren Zeitkonstante (höhere Grenzfrequenz) bieten.
Da bei einem ADC der Dynamikbereich immer begrenzt ist, kann man Sättigungseffekte jedoch nie ganz
ausschließen.
f) Biologische Störungen
Biologische Störungen wie EOG, EKG und EMG sind schwer zu verhindern. Teilweise kann man der
Versuchsperson sagen, dass die nach Möglichkeit Schlucken, Zähne knirschen u.ä vermeiden soll. Ebenso
hilft eine entspannte Nackenmuskulatur, EMG-Artefakte zu minimieren. Da das EMG einen großen
Frequenzbereich überstreicht (0-5000Hz) und oft eine vergleichsweise große Amplitude hat, kann es das
EEG sehr stark stören. Das EEG ist in diesem Fall nicht rekonstruierbar. In diesem Fall ist es am besten,
diese Segmente von der weiteren Analyse auszuschließen (siehe Abb.2, [5-8]).
EOG- und EKG-Artefakte können unter bestimmten Voraussetzungen (Aufzeichnung des EOG- bzw. EKGKanales) mittels rechnerischer Verfahren korrigiert werden. Der EKG-Artefakt hat eine sehr geringe
Leistung und wird daher oft vernachlässigt. EOG-Korrektur ist nicht trivial und da EOG-Artefakte visuell
leicht identifizierbar sind, werden Segmente mit EOG-Kontamination von der weiteren Analyse
ausgeschlossen.
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Abbildung 2: Verschiedene Artefakte in einem Schlaf-EEG. Es ist EEG (#1-7), EOG (#8-#9), EMG (#10-#11),
EKG (#12), Atmung (#13-15) und Sauerstoffsättigung (#16) dargestellt. Die hochfrequenten Anteile im EEG
(rechts) sind Muskelartefarte, begleitet von Sättigungsartefakten (flat line Overflow) welche durch die
(mechanische) Bewegung der Elektroden verursacht wurde. Die erste Störung nach der Mitte sind durch
Augenbewegungen (EOG-Artefakte, siehe auch EOG-Kanäle) verursacht.
g) Maßnahmen zur Vermeidung von Artefakten
In einigen wenigen Fällen gibt es rechnerische Verfahren um Artefakte zu korrigieren bzw.
minimieren. Diese sind jedoch nicht immer einsetzbar und können das korrekte Signal auch nicht
vollständig wiederherstellen. Daher ist es wichtig, Artefakte und Störungen nach Möglichkeit zu
vermeiden. Im folgenden ist eine Reihe von Möglichkeiten angeführt
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Notch-Filter zur Entfernung der 50Hz
Masseelektrode verwenden um Gleichtaktverstärkung zu minimieren
Niedrige Elektrodenimpedanz
Abschirmung von Elektromagnetischen Felder
Hochpassfilter um Mittelwertschwankungen z.B. durch Schweiß zu minimieren
Tiefpassfilter um die Bandbreite des Widerstandsrauschens zu minimieren.
Elektroden nicht mechanisch belasten
Angenehme Raumtemperatur wählen um Schwitzen und Zittern zu vermeiden
Versuchsperson sollte entspannt sein um Muskelartefakte zu vermeiden.
Verstärker mit kleinem Eingangsstrom (hoher Innenwiderstand)
Mittelungsverfahren
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Mittelung zur Verringerung der Störanteile
Die Trennung der stochastischen Störungen und der Evozierten Potentiale wird in allen zu diesem
Zweck gebauten und vertriebenen Geräten durch die additive Mittelung nacheinander reizsynchron
aufgenommener Signale realisiert. Durch die additive Mittelung, auch “averaging“ genannt, werden
gegenüber dem Stimuluszeitpunkt zufällig auftretende Störungen auf den Wert 1 N unterdrückt,
wobei N die Anzahl der Mittelungen ist. Bei der Stimulationssteuerung kann es jedoch vorkommen,
daß die steuernde Uhr synchron mit der Netzfrequenz läuft. Damit weicht das Mittelungsverhalten
der Netzstörung stark vom 1 N -Gesetz ab. Dieser Fall muss gesondert untersucht werden.
Das Signalrauschverhältnis (SNR) in Dezibel [dB] ist durch folgende Formel gegeben:
SNR [dB] = 20*log10 (US/UN) = 10 *log10 (US²/UN²) = 10 *log10 (PS²/PN²)
Durch Mittelung über N Wiederholungen kann der Rauschanteil um den Faktor N (im
Leistungsbereich) bzw N (im Amplitudenbereich) verringert werden.
SNR [dB] = 20*log10 ( N * US/UN) = 10 *log10 (N*US²/UN²) = 10 *log10 (N*PS/PN)
Beispiel 1:
geg.: N = 400, Leistung Signal 100 µV2, Signal-Rausch-Verhältnis SNR=20dB
ges.: Leistung des ursprünglichen Rauschens ?
aus:
20 = 10*log10(400*100µV²/Noise)
2 = *log10(400*100µV²/Noise)
10^2 = 400*100µV²/Noise
Noise = 400µV²
NoiseAmplitude = 20 µV, Beispiel 2: geg.: N = 4000, Signalleistung 25 µV², Signal-Rausch-Verhältnis
SNR=30dB
ges.: Leistung des ursprünglichen Rauschens ?
aus:
30 = 10*log10(4000*25µV²/Noise)
3 = *log10(2000*100µV²/Noise)
10^3 = 4000*25µV²/Noise
Noise = 100µV²
NoiseAmplitude = 10 µV,
4. Evozierte Potentiale:
h) Akustisch evozierte Potentiale (AEPs)
Unter dem Begriff „Akustisch evozierte Potentiale“ versteht man eine Vielzahl unterschiedlicher
elektrischer Parameter, die mit Elektroden vom äußeren Gehörgang und von der Kopfhaut bei
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Beschallung eines oder beider Ohren abgeleitet werden können. Um AEPs ableiten zu können
braucht man unterschiedliche Reiz- und Registrierparameter.
i) Klassifizierung akustisch evozierter Potentiale
Abbildung 3 stellt AEPs verschiedener Latenz dar. Die Zeitachse ist logarithmisch eingeteilt, um
eine gleichzeitige Darstellung von
• frühen Komponenten (0-10 ms)
• mittleren Komponenten (10-50 ms)
• späten Komponenten (50-1000ms)
zu ermöglichen. Die Potentiale wurden von der Vertexposition (Cz) auf eine Mastoidelektrode (M;
hinter dem Ohr) referenziert.
Abbildung 3: AEPs, die unter verschiedenen Bedingungen abgeleitet wurden. Die Zeitachse ist in
drei Abschnitte unterteilt: (i) kurze Hirnstammpotentiale (ii) mittlere Kortexreflexantwort (iii) späte
Latenzen; Vertex-Latenzen. FAEP: frühe akustisch evozierte Potentiale, AEHP: akustisch evozierte
Hirnstammpotentiale, BAEP: Brain stem acoustic evoked potential, CAR: crossed acoustic
response, CERA: cortical electric response audiometry, CNV: contingent negative variation.
•
•
j) Beurteilungskriterien für EPs
Amplitude: ist abhängig von der Quantität der intakten neuronalen Strukturen. Die Abmessung
erfolgt peak-to-base, base-to-peak oder peak-to-peak.
Form
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•
•
•
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Skalptopographie: Signale können über verschiedene Punkte an der Schädeloberfläche verteilt
werden.
Polarität
Latenz: die absolute Latenz ist die Zeitspanne zwischen Setzen eines Reizes bis zum Auftreten
der Reizantwort. Sie reflektiert die Geschwindigkeit, mit der Impulse im jeweiligen
Sinnessystem geleitet werden. Die Interpeaklatenz gilt als Zeitspanne, die zwischen dem
Auftreten eines Peaks und dem Auftreten des nachfolgenden Peaks vergeht.
5. Spontanes EEG
Die Amplitude des EEGs beträgt ca. 10 – 500 µV, der Frequenzbereich liegt zwischen l und ca. 30
Hz . Man unterscheidet folgende Aktivitäten, eingeteilt nach dem dominierenden Frequenzband:
Delta
Theta
Alpha
Beta
Gamma
< 4 Hz
4 – 8 Hz
8 – 13 Hz
13 – 30 Hz
> 30 Hz
Delta- und Thetawellen sind beim wachen Erwachsenen als pathologisch zu bewerten, sie treten
allerdings bei gesunden Kindern und in Tiefschlafphasen beim Erwachsenen auf. So ist der αRhythmus am besten bei geschlossenen Augen am okzipitalen Kortex zu sehen. Öffnet man die
Augen, wird der α-Rhythmus kleiner oder verschwindet ganz. Ein vergleichbares Phänomen kann
man über dem somatosensorischen Kortex beobachten. Eine linke (oder rechte) Handbewegung
führt zu einer Reduktion des α-Rhythmus über dem kontra-lateralen, also rechten (bzw. Linken)
Hemisphäre. (Elektrodenposition C3 und C4). Daraus kann man ableiten, dass eine kleiner αRhythmus einer „Aktivierung“ entspricht, ein großer α-Rhythmus entspricht „Ruhe“.
Obwohl allgemein alle Wellen im Bereich von 8 – 13 Hz als α-Wellen bezeichnet werden, sind die
der okzipitale α und der zentrale α-Rhythmus (okzipital und zentral) unabhängig. Der “zentralen"
α-Rhythmus wird auch als µ-Rhythmus bezeichnet.
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Abbildung 2: Beispiele für typische EEG Zeitverläufe
Der µ-Rhythmus liegt zwar im gleichen Frequenzbereich, er reagiert aber nicht auf das Öffnen der
Augen, sondern desynchronisiert bei Bewegungen und somato-sensorischer Stimulation. Diese
Definition umfasst alle zentralen Rhythmen in diesem Frequenzbereich, auch wenn sie nicht die nur
selten nachweisbare klassische Arkadenform aufweisen. Als β-Rhythmen werden Aktivitäten
zwischen 13 und 30 Hz bezeichnet, ihre Amplitude ist meist deutlich niedriger als die des µ- und αRhythmus, sodass er durch diese im Roh-EEG meist maskiert ist.
Das bedeutet auch dass man in allen EEG-Ableitungen verschiedene Frequenzkomponenten
gleichzeitig finden kann. Die einzelnen Komponenten sind nur verschieden stark enthalten. Visuelle
erkennbar ist oft nur die größte Komponente. Eine Spektralanalyse hilft uns die verschiedenen
Komponenten zu identifizieren.
6. Weiterführende Literatur:
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