Ausgabe 2002 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

Transcription

Ausgabe 2002 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
Hohenzollerische Heimat
Herausgegeben vom
52. Jahrgang
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Hohenzollerischen Geschichtsverein
Nr.l - März 2002
E 3828
Die Stadt Trochtelfingen ist durch die Stadtsanierung zu einem wahren Schmuckstück geworden.
Trochtelfinger Stadtfest 2001
„Wiedergutmachung preußischen Unrechts" mit diesen markanten
Worten überschrieb die Schwäbische Zeitung in ihrer Ausgabe vom
13- Oktober 1951 einen Artikel, mit welchem von einer Änderung
der Gemeindeordnung im damaligen Bundesland WürttembergHohenzollern berichtet wurde. Mit dieser Rechtsänderung wurden
fünf hohenzollerischen Gemeinden - und eine davon war Trochtelfingen - das Recht wieder zugesprochen, die Bezeichnung "Stadt"
zu führen. Dieses Recht hatten die fünf Gemeinden (außer Trochtelfingen waren dies Gammertingen, Veringenstadt, Hertingen, und
Haigerloch) im Jahr 1900 mit dem Inkrafttreten der damaligen hohenzollerischen Gemeindeordnung (und deren Urheber waren die
Preußen, denn Hohenzollern war ja bekanntlich damals preußische "Provinz") verloren.
Der Landtag von Württemberg - Hohenzollern änderte 1951 die
Gemeindeordnung und schuf so die rechtliche Grundlage dafür,
dass die fünf Gemeinden sich künftig offiziell wieder als Stadt bezeichnen konnten, eine Rechtsänderung, welche die Schwäbische
Zeitung eben als "Wieder- gutmachung preußischen Unrechts" be-
bereits seit dem Hochmittelalter inne (erstmals als Stadt bezeichnet
wurde Trochtelfingen um das Jahr 1310).
Die - natürlich mit den hohenzollerischen Fahnen geschmückte Eberhard-von-Werdenberg-Halle bot den angemessenen Rahmen
für den Festakt, an dem als Ehrengäste u.a. der Präsident des Regierungsbezirks Tübingen, Hubert Wicker, der Landrat des Landkreises Reutlingen, Dr. Edgar Wais, die Wahlkreisabgeordneten
des Landtages, zahlreiche ehemalige und jetzige Mitglieder des Gemeinderates und viele weitere Gäste und Einwohner der Gesamtstadt teilnahmen.
Teil des Festaktes war eine Ausstellung des Geschichts- und Heimatvereines; in diesem Rahmen stellte der Geschichts- und Heimatverein als Herausgeber das von Rudolf Griener verfasste Buch
"Trochtelfingen 1900 bis 2000 - das Leben im Städtle" vor (siehe
Buchbesprechung in diesem Heft) Der formelle Teil wurde eröffnet mit einer abendlichen Serenade von Bürgerwehr, Stadtkapelle
und Freiwilliger Feuerwehr. Höhepunkt der Vorträge war ein Festvortrag, verfasst von Karl-Werner Steim, Redakteur aus Riedlingen
Salutschießen der Trochtelfinger Bürgerwehr beim Stadtfest 2000
titelte (und da es sich um die Änderung eines Gesetzes, im Grunde
nur um die Rückgängigmachung einer früheren gesetzlichen Regelung, handelte, gibt es auch keine Wiederverleihungsurkunde:
die Rechtsänderung trat - ganz unspektakulär - mit ihrer Verkündigung im Gesetzblatt im Oktober 1951 in Kraft).
Für die Stadt Trochtelfingen war dies trotzdem ein Grund, mit einem
Festakt am 02. November 2001 an den 50. Jahrestag der "Wiederverleihung" zu erinnern, hat doch Trochtelfingen die Stadtrechte
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und einer der profundesten Kenner der hohenzollerischen Geschichte. Leider musste Herr Steim kurzfristig wegen Krankheit
absagen, und so sprang Rektor a.D. Friedrich Ströbele "in die Bresche" und hielt den Festvortrag. Alles in allem war es ein sehr gelungener Abend, der in würdiger Form an diesen Teil der hohenzollerischen Geschichte Trochtelfingens erinnerte und stilgerecht
mit dem gemeinsamen Singen des Hohenzollernliedes ausklang.
(Nach einem Bericht im "Trochtelfinger Heimatbrief' 2001)
Mitteilungen
aus dem
Hohenzollerischen
Geschichtsverein
Veranstaltungen
im 2 . Q u a r t a l 2 0 0 2
I. Mitgliederversammlung
III. Exkursionen
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder
des Hohenzollerischen Geschichtsvereins!
1. Der Geschichtsverein veranstaltet unter der Leitung von Beiratsmitglied Otto Bogenschütz, Hechingen, am Samstag,
11. Mai, eine Geologische Wanderung rund um Jungingen.
Treffpunkt: Um 14 Uhr vor dem Rathaus in Jungingen.
Ich lade Sie recht herzlich zur Mitgliederversammlung
am Montag, 29. April, um 18.30 Uhr in den Konstantinsaal
des „Museums" in Hechingen ein.
Tagesordnung:
1) Begrüßung und Nachrufe,
2) Tätigkeitsbericht des Schatzmeisters,
3) Rechnungsprüfungsbericht zum 31.12.01,
4 ) Anträge und Verschiedenes.
Anträge bitte ich bis spätestens 21. April 2002
dem Sekretariat, Karlstraße 3, 72488 Sigmaringen
(Tel. 07571/101-580 oder 559) mitzuteilen.
An die Mitgliederversammlung schließt sich um 20.15 Uhr
am gleichen Ort ein öffentlicher Vortrag an.
Es spricht Christine Glauning M.A., Stuttgart
Das Unternehmen „Wüste" und das Konzentrationslager in
Bisingen.
II. Vorträge
2. Unter der Leitung von Dr. Casimir Bumiller findet am Samstag, 29. Juni, die
Exkursion zum Kultur- und Museumszentrum Schloss Glatt
statt.
Unter der Trägerschaft der Stadt Sulz a.N. und des Landkreises
Rottweil ist im ehemaligen Wasserschloss Glatt ein Kultur- und
Museumszentrum entstanden, das aus insgesamt vier musealen
Einrichtungen besteht, nämlich einem Adelsmuseum, einem
Schlossmuseum, einem Bauernmuseum und einer Galerie, in
welcher wichtige Werke der Bernsteinschule zu sehen sind,
darunter Arbeiten von HAP Grieshaber und Paul Kälberer. - Da
Dr. Bumiller die Museumskonzeption erarbeitet hat, bekommen die Teilnehmer somit Informationen aus erster Hand.
Abfahrt:
Sigmaringen um 13 Uhr an der Bushaltestelle
Marstallpassage,
Hechingen um 14 Uhr am Obertorplatz.
Rückkehr: Hechingen um ca, 19 Uhr,
Sigmaringen um ca. 20 Uhr.
Anmeldungen nimmt das Sekretariat des Hohenzollerischen
Geschichtsvereins, Karlstr, 3, 72488 Sigmaringen (Telefon
07571/101-580 oder 559) entgegen.
1. Christine Glauning M.A., Stuttgart
Das Unternehmen „ Wüste" und das Konzentrationslager in
Bisingen (s. oben unter I.)
IV. Seminare
1. Das Volkshochschulheim Inzigkofen bietet in Zusammenar2. Heinrich Bücheler, Inzigkofen
beit mit dem Staatsarchiv Sigmaringen und dem HohenzolleriNapoleon und die Deutschen. Teil2: Die Napoleonkritiker. schen Geschichtsverein vom 10. bis 15. Juni das Seminar
Montag, 15. April, um 20 Uhr im Prinzenbau (Staatsarchiv) in
Geschichtliche Landeskunde Hohenzollerns
Sigmaringen.
an.
Neben Vorträgen werden unter der Leitung von Dr. Volker Trugenberger und Dr. Otto Becker auf drei Exkursionen die vielfältigen landschaftlichen Reize Hohenzollerns zwischen
3. Dr. Frank Raberg, Stuttgart
Schwarzwald und Bodensee und auch die kunstgeschichtlich
Südweststaatsbildung und Hohenzollernfrage.
bedeutsamen Stätten hohenzollericher Geschichte, wie die naDienstag, 07. Mai, im Sitzungssaal des Landratsamts
mengebende Burg bei Hechingen, die frühneuzeitliche ResiZollernalbkreis in Bahngen, Hirschbergstraße 28.
denzstadt Haigerloch und die Deutschordensschlösser Achberg
und Hohenfels aufgesucht. Die letztendlich dem extravaganten
Lebensstil der Fürstin Amalie Zephyrine zu verdankende geschichtliche Sonderentwicklung, die Hohenzollern für knapp
hundert Jahre zum Außenposten Preußens in Südwestdeutschland machte, kommt selbstverständlich ebenfalls nicht zu kurz.
Weitere Informationen über dieses Seminar erteilt:
Volkshochschulheim Inzigkofen, Parkweg 3, 72514 Inzigkofen
(Tel. 07571/739833).
Mittwoch, 10.07., 19 30 Uhr
Wahlraum Rathaus Inzigkofen
Quellen zur Orts- und Heimatgeschichte in den verschiedenen
Archiven (Dr. E. Weber)
2. Das Kultur- und Archivamt Sigmaringen wiederholt wegen
großer Nachfrage
in Zusammenarbeit mit dem Hohenzollerischen Geschichtsverein und dem Bildungswerk Inzigkofen den
Einfiihrungskurs für Heimatforscher.
Mittwoch, 24.07., 19-30 Uhr
Staatsarchiv Sigmaringen
Quellen zur Orts- und Heimatgeschichte im
Staatsarchiv Sigmaringen (Dr. Otto Becker)
Kursprogranun:
Mittwoch, 26.06., 19.30 Uhr
Gewölbekeller Kl. Inzigkofen
Überblick über die Territorialstruktur und Herrschaftsverfassung in Südwestdeutschland im Alten Reich (Dr. E. Weber)
V. Hinweis
Mittwoch, 03 07., 19 30 Uhr
Gewölbekeller Kl. Inzigkofen
Die Binnenverhältnisse in den Dörfern und Städten der vorindustriellen Zeit (Dr. E. Weber)
Mittwoch, 17.07., 1 9 3 0 Uhr
Kreisarchiv Sigmaringen
Quellen zur Orts- und Heimatgeschichte in Kommunalarchiven
des Landkreises Sigmaringen (Dr. E. Weber)
Am Dienstag, 07. Mai, findet um 20 Uhr im Sitzungssaal des
Landratsamts Zollernalbkreis in Balingen die Präsentation des
Bandes
Vorderösterreich an oberem Neckar und oberer Donau
statt.
gez. Dr. Becker
Vorsitzender
Zur Trochtelfinger Stadtgeschichte
Die Frühgeschichte
Die Frühgeschichte von Trochtelfingen betrifft hauptsächlich den
Ortsteil Haid. Hier gab es noch im 19. Jahrhundert zahlreiche
Grabhügel aus der Bronzezeit. Die meisten sind heute eingeebnet.
Grabungen auf der "Haid" erbrachten Funde aus der Bronze- und
Eisenzeit. Die Anwesenheit der R ö m e r ist durch einige spärliche
Zeugnisse erwiesen. Spuren einer römischen Siedlung wurden
aber nicht nachgewiesen. Wohl führte eine Römerstraße über
Trochtelfinger Gebiet.
Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr. siedelte sich nahe der Seckachquelle eine alamannische Sippe an. Sie mied wohl den quellenlosen
Bereich der Haid (der erst im 19. Jahrhundert besiedelt wurde). W o
diese alamannische Siedlung lag, ob in der Nekkarhalde neben der
Seckach oder auf dem höchsten Punkt, w o heute Kirche und Schloß
steht, läßt sich wohl nicht mehr mit Bestimmtheit feststellen.
Bei der Christianisierung im 7-/8. Jahrhundert wurden die größeren Orte Urpfarreien. Es ist anzunehmen, daß Trochtelfingen eine
solche Urpfarrei war, denn viele der ersten Gotteshäuser wurden
dem hl. Martinus geweiht, der auch noch heute Patron der Kirche
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ist. Zur Pfarrei Trochtelfingen gehörten die Kirchen von Steinhilben, Wilsingen und Meidelstetten. Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts war Trochtelfingen Sitz des Dekanates Trochtelfingen-Ringingen. Die erste sichere urkundliche Nennung fällt auf das Jahr
1161. Anläßlich eines Zehntstreites mit Bernloch kommt Bischof
Hermann von Konstanz nach Trochtelfingen (Trudolvingin).
Wir nähern uns dem Mittelalter. Trochtelfingen gehörte damals
zur Grafschaft Gammertingen. Mit dem Aussterben der Grafen
von Gammertingen kam das Gebiet um Trochtelfingen in die
Hände der Grafen von Ronsberg, dann in den Besitz der Pfalzgrafen von Tübingen.
Diese werden als die Stadtgründer von Trochtelfingen angesehen.
Schon im 13. Jahrhundert hatten die Grafen von Hohenberg Besitz in Trochtelfingen. 1310 verkauften die Grafen von Hohenberg
ihren Besitz in Trochtelfingen "der statt" an den Grafen Eberhard
von Württemberg. Dieser übergab Trochtelfingen an seine Tochter Agnes, die den Grafen Heinrich von Werdenberg heiratete, als
Aussteuer (1316/17).
Zeit der Werdenberger undFürstenberger
Die Zeit der Werdenberger (bis 1534) darf mit Recht als eine
Blütezeit der Stadt Trochtelfingen gesehen werden. Damit sind
wir wieder beim "Städtle" angelangt, wie es sich den Bewohnern
und Fremden heute darbietet. Freilich herausgeputzt, saniert, ergänzt und erweitert. Teile des Städtles sind Zeugen v o m Wirken
der Werdenberger: Das Schloß, das um 1450 (1480?) unter Graf
Eberhard III. erbaut wurde, die Kirche, die nach dem großen
Stadtbrand 1320 wiederaufgebaut werden mußte (von dieser Kirche stammt der Chor mit seinem Kreuzrippengewölbe und der
untere Teil des ftirmes), das Langhaus der Kirche, um 1450 erbaut, die Stadtbefestigung (die heute noch sichtbaren Reste stammen allerdings aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts), die Hennensteinkapelle ( 1 3 2 2 ) , die Haidkapelle ( 1 4 7 5 ) , die Erhardskapelle ( 1 3 6 3 ) mit ihren 1910 aufgedeckten Fresken, die der
Trochtelfinger Meister Heinrich Gretzinger um 1430 malte, die
Michaelskapelle ( u m 1420 genannt und 1823 abgebrochen),
drei der vier Mühlen (Äußere- Untere- und Stadtmühle).
Weitere Zeugnisse aus der Werdenbergischen Zeit gibt es in der
Kirche, die drei trauernden Frauen ( u m 1430), eine "Mater amabilis" ( u m 1470), das Weltgericht (Fresko um 1480), ein wertvolles Kreuz (eine Stiftung des Grafen Johann von Werdenberg
um 1500), das Grabmal des » h e r her Johannes« (neben dem Seitenaltar auf der Südseite-Anm.: Das Erbbegräbnis von zwölf Grafen von Werdenberg-Trochtelfingen in der Kirche ist nicht mehr
einsehbar), und das Werdenberg-Zimmersche Wappen an der
Nordwand außen.
Das Leben der Grafen von Werdenberg und der Bürger der Stadt
war eng mit der Kirche verbunden. Die Bürger lebten in einem
Abhängigkeitsverhältnis zur Herrschaft und zur Kirche. Beide Seiten pochten unerbittlich auf ihre Rechte, zum Leidwesen der Lehenbesitzer, Pächter ... , die unter den Abgaben (Groß-, Klein-,
Neubruch-, Blutzehnte, Landgarbe, Zins, (Gült) schwer zu leiden
hatten. Weitere Geschehnisse, fallen in die Zeit der Werdenberger: 1501 wird der Friedhof nach außerhalb der Mauern verlegt.
Um 1500 wird das Chorgebet eingeführt (bis 1821) und eine
neue Orgel angeschafft. - Ob es die erste war, ist fraglich, denn
1414 wird ein "Ludimagister" genannt, der wohl die Orgel spielte.
- Ab 1400 stiften die Werdenberger und reiche Bürger neun
Pfründe für ihr und anderer Seelenheil. Damit war die Anstellung
von weiteren Kaplänen verbunden.
Unter Graf Eberhard III. gehörten 1441 neben Trochtelfingen
auch Salmendingen, Meldungen, Stetten u.H., Erpfingen, Mägerkingen, Oberstetten und die Herrschaft Jungnau zu dessen Herrschaft. Mägerkingen und Erpfingen kamen etwas später an Graf
Ludwig von Württemberg. Beide Orte wurden deshalb 1535 evangelisch.
Im Jahre 1534 endete die Herrschaft der Werdenberger. D i e
Tochter des letzten Grafen, Anna heiratete den Grafen Friedrich
III zu Fürstenberg. Die Herrschaft fiel damit bis zum Jahre 1806
an Fürstenberg. Im Schloß zog ein Obervogt ein.
Hatten die Werdenberger dem Städtchen ihr Gepräge gegeben, so
versuchten die Fürstenberger möglichst viel herauszuholen. I n
der Folgezeit trafen die Bewohner schwere Heimsuchungen. Hexenprozesse fanden Ende des 16. Jahrhunderts statt. Mehrere
Male wütete die Pest. Von 1609 bis 1612 starben 92 Erwachsene,
von 1630 bis 1635 waren es sogar über 300 Tote. In den Nachbargemeinden war es nicht anders. Dort mußten eigene Friedhöfe angelegt werden. Bisher führten die Steinhilber und Hörschwager ihre 'Toten über die Totenwege zum Trochtelfinger
Friedhof. Während des Dreißigjährigen Krieges war das "Städtle"
von den Kaiserlichen, dann von den Schweden, wieder von den
Kaiserlichen und nochmals von den Schweden und Franzosen besetzt. Der Mariaberger Konvent suchte Zuflucht bei Dekan Benkler im Trochtelfinger Pfarrhof. Die Menschen wurden arm. Nach
1700 suchten viele Überzählige ihr Glück in der Auswanderung.
Bauern und Handwerker waren es, die keine Bleibe mehr sahen.
Ihr Ziel war meistens Ungarn. I m Jahre 1786 zählte man i m
"Städtle" 200 Auswanderer. - Nach dem 2. Weltkrieg sind viele
Nachkommen in die engere Heimat ihrer Vorfahren zurückgekehrt.
Schwarze Tage
Trochtelfingen hat deren mehrere erlebt. Der g r o ß e Stadtbrand
1320 wurde schon erwähnt. A m 11. September 1726 brach im
Barn der "Goldenen Krone" Feuer aus. 52 Häuser brannten nieder und 72 Familien wurden obdachlos. Im Jahre 1707 erschien
eine feindliche Reiterschar vor den Toren. Sie verlangten tausend
Gulden. Das verarmte Volk brachte diese Summe nicht zusammen. Geiseln wurden mitgenommen. Es mußten nun die M e ß geräte, die in Sicherheit gebracht waren, verpfändet werden, um
die Geiseln wieder zurückzuerlangen. Im Jahre 1388 überfielen
Reutlinger aus Rache ahnungslos arbeitende Bauern, töteten 20
davon und nahmen 30 mit sich fort.
Das Trochtelfinger Handwerk
Die erste Zunftordnung für die Obervogtei Trochtelfingen stammt
v o m 1. Mai 1655. In ihr waren alle Handwerker vereinigt. Ihre
Produkte waren nur für den Bezirk der Obervogtei bestimmt.
Fremden Handwerkern war es verboten, in der Herrschaft zu
hausieren. Eingeschränkt wurden diese an bestimmten Jahr- und
Wochenmärkten zugelassen. Ab 1717 gab es vier Zünfte mit eigener Zunftlade lind Herberge. Die wirtschaftliche Lage der Handwerker war meistens sehr schlecht. 1791 schrieb der Pfarrer:
"Die Professionen sind meist weiter nichts als eine kleine Nebenerwerbung und der Feldbau der Hauptnahrungszweig!" 1778
vermochten die Strumpfstricker und Hafner nicht mal mehr die
Auslagen ihrer Zunftlade zu bestreiten. Doch waren die Vermögensverhältnisse der Bauern als Hauptabnehmer der Handwerksprodukte keine besonders günstige. Zudem waren die einzelnen Handwerke im Vergleich zur Bevölkerung überbesetzt. So
gab es z. B. 1785 in Trochtelfingen allein 138 Handwerker. Durch
verschiedene Bestimmungen wurde erreicht, daß für Trochtelfingen die Zahl der Handwerksmeister auf 113 festgesetzt wurde, für
Meldungen auf 39, für Salmendingen auf 33, für Ringingen auf
38 und Steinhilben auf 33. im ganzen waren dies für den Bezirk
259 Meister. Das Jahr 1869 brachte dann auch für Trochtelfingen die Gewerbefreiheit. Zugleich lösten sich die Zünfte ganz auf.
Viele Berufe sind inzwischen ausgestorben: die Nagel-, die Mes5
ser, die Hufschmied, die Weber, die Küfer, die Gerber, die Wagner,
die Müller, die 'llichmacher... Alle diese Handwerke waren noch
um die Jahrhundertwende vertreten, z.T. noch in großer Zahl. So
gab es z.B. um diese Zeit 10 Schuhmacher im Städtle! Aus den vielen Handwerken entwickelten sich seit 1930 und nach dem Krieg
doch einige leistungsfähige Betriebe. Über die industrielle Entwicklung und die Veränderungen in der Landwirtschaft wird in
dem neuen Buch von Rudolf Griener ausführlich berichtet.
Die Zeit nach 1806
Trochtelfingen wurde 1806 mediatisiert, d. h. es kam unter die
staatliche Oberhoheit des Fürstentums Hohenzollern-Sigmarigen. Schon um 1812 wurden die Stadttore und der Bierturm beseitigt. 1809 wurden Wilsingen, 1824 Hörschwag und 1845
Steinhilben eigene Pfarreien. Das fürstenbergische Obervogteiamt blieb als fürstlich - hohenzollerisches Oberamt bestehen und
wurde 1861 dem Oberamt Gammertingen angegliedert.
In der Märzrevolution von 1848 ging es recht turbulent zu. » Z u r
Beruhigung« schickte die fürstenbergische Verwaltung einen
Domänenrat nach Trochtelfingen. Während im Rathaus verhandelt wurde, entstand auf der Straße ein Auflauf. Weiber mit Säbeln
unter den Schürzen sollen gerufen haben: »Schmeißt ihn heraus«. Auf gutes Zureden des Stadtpfarrers zerstreute sich die
Menge schließlich wieder. Der Domänenrat wurde im Rathaus
festgehalten, erst am nächsten Tag ließ man ihn wieder frei. A m
30. Juli 1848 wurde die Ernennung von Erzherzog Johann zum
Reichsverweser gefeiert. Stadtpfarrer Maier hielt eine festliche
Ansprache. Alt und Jung zogen mit der Bürgerwehr und Musik
auf den Hennenstein. Unter Böllerschüssen und Gewehrsalven
wurde ein Hoch auf Erzherzog Johann ausgebracht. 1850 wurde
auch das »Städtle« preußisch. 1869 erwarb die Gemeinde das
Schloß und baute es als Rat- und Schulhaus aus. Das alte Rat- und
Schulhaus, das 1747 wegen Mangel eines geeigneten Versamm-
GERD BANTLE
Michael Walter, Schulmann
und Heimatforscher
I m letzten Jahr hätte eine bedeutende hohenzollerische Persönlichkeit ihren 125. Geburtstag feiern können: der aus Grosselfingen stammende ehemalige, Regierungsdirektor Michael Walter.
Als Heimatforscher hat er sich auch um die hiesige Region verdient gemacht.
Michael Walter, geboren am 24. September 1876 und gestorben
am 19. April 1958 in Rangendingen, brachte es v o m einfachen
Bauerssohn zum Volks- und späteren Realschullehrer. 1913 berief man ihn als Schulrat nach Pforzheim und wenig später als Regierungsrat an das badische Kultusministerium. Vorbildlich für
ganz Deutschland war bald die von ihm aufgebaute badische
Fortbildungsschule. I n Anerkennung seiner Verdienste wurde
Walter zum Oberregierungsrat und später zum Regierungsdirektor ernannt.
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lungsraumes bzw. Rathauses von der Stadt erbaut wurde, wird
etwas später Herberge für die Post. 1882 wurde Trochtelfingen
mit den übrigen hohenzollerischen Kleinstädten als Landgemeinde eingestuft. 1889 veräußerte die Herrschaft das Rentamt.
Verkehrsmäßig war Trochtelfingen früher sehr benachteiligt. Immerhin wurde der Ort 1901 an die Hohenzollerische Landesbahn
angeschlossen. Als nach dem 2. Weltkrieg der Straßenverkehr
stark zunahm, wurde die bisherige Kreisstraße zur Bundesstraße.
Aber noch lange quälte sich der wachsende Verkehr durch das
ganze Städtle. Durch den Bau der Umgehungsstraße, der 1959
begann, wurde Trochtelfingen v o m Durchgangsverkehr entlastet.
Durch die Gemeindereform wurde Trochtelfingen zum Zentralort
mit den Teilorten Hausen a.L., Mägerkingen, Steinhilben und Wilsingen. Das alte Hohenzollern-Städtchen gehört seit 1972 zum
Kreis Reutlingen. Im Jahre l 6 0 0 hatte Trochtelfingen 600 Einwohner, 1748 waren es 1128, im Jahre 1948 nur 1112, im Jahr
2000 3697 Einwohner (Gesamtstadt: 6569 Einwohner).
U m 1920 gibt es nur zwei evangelische Familien im "Städtle".
Heute gibt es fast ebensoviele, evangelische wie katholische Christen. 1959 wurde die evangelische Christus-Kirche erbaut und
1993 das neue Gemeindehaus eingeweiht.
D e r Sinn für Überlieferung und Erhaltenswertes war in der Nachkriegszeit wenig ausgeprägt.
Auf Initiative der Gebrüder Schoser wurden jedoch damals schon
einige Fachwerke freigelegt. 1979 wurde die Gesamtanlage
"Stadtkern Trochtelfingen" unter Denkmalschutz gestellt. Mit einer großzügigen Sanierung wurde begonnen, die mehr als ein
Jahrzehnt in Anspruch nahm. Dabei wurde nicht nur an die
äußere Fassade gedacht, sondern auch im Inneren der Häuser
auf gediegene Wohnqualität Wert gelegt. Für Trochtelfingen kann
man dies als Jahrhundertwerk bezeichnen.
(Zusammengestellt nach Unterlagen von Fritz Eisele
und Rudolf Griener).
Walter widmete sich mit Leib und Seele auch der Geographie. Er
war Mitbegründer des Verbands deutscher Schulgeographen und
Geschäftsführer der Geographischen Gesellschaft in Karlsruhe.
Bei Forschungsreisen in Deutschland und auch im Ausland sowie
durch wissenschaftliche Veröffentlichungen in Büchern, Zeitschriften und Zeitungen erwarb er sich internationale Aufmerksamkeit.
Auch um die hohenzollerische Heimatkunde hat sich der Forscher verdient gemacht. Zu seinen bedeutendsten Arbeiten, die
sich auf die hiesige Region beziehen, zählen unter anderem "Die
Schwäbische Alb zwischen Achalm - und Hohenzollern", "Flurnamenforschung in Hohenzollern", "Die mittelalterlichen Badstuben mit besonderer Berücksichtigung Hohenzollerns", "Der
Name Sigmaringen" und "Was sagt uns der Name Josefslust?"
Weitere Arbeiten behandelten Waldnamen, sowie hohenzollerische Ortsnamen mit den Endungen "ingen", "hausen", "kofen"
" h e i m " und "dorf". Viele von Walters Arbeiten erschienen in den
"Hohenzollerischen Jahresheften" und der „Hohenzollerischen
Heimat".
Die Hohenzollerische Heimat in neuem Gewände
Die "Hohenzollerische Heimat" erscheint jetzt im 52. Jahrgang.
Die erste Nummer erschien im Januar 1951, also in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Ihr geistiger Vater war der damalige
erste Vorsitzende des hohenzollerischen Geschichtsvereins, Dekan Nikolaus Maier. Seine Gedanken über das neu geschaffene
Heimatblatt hat er in einem Vorwort zur ersten Nummer der
"Hohenzollerischen Heimat" zum Ausdruck gebracht:
auch den vielen Hohenzollern, die irgendwo im Rheinland
oder Baden oder sonst wohnen! Sie alle denken gerne an die
Heimat zurück undfreuen sich, über so einen Heimatgruß.
Die "Hohenzollerischen Jahreshefte" (heute "Zeitschrift für
Hohenzollerische Geschichte"), die der Verein seinen Mitgliedern alljährlich als Gabe zu überweisen sich bemüht, erhalten durch diese Blätter keinen Konkurrenten, sondern
"Das Fehlen eines Heimatblattes für Hohenzollern wird seit
eine Ergänzung Viele Beiträge, die dort keinen Platz finJahren beklagt. Bei den Generalversammlungen des "Verden, können hier erscheinen. Wir haben aber auch die Hoffeinsfür Geschichte, Kultur und Landeskunde in Hohenzol-nung, daß viele Leser der "Hohenzollerischen Heimat" sich
lern" 1949 und 1950 wurde die Notwendigkeit hervorgeho-angeregt fühlen werden, dem Verein beizutreten, um die
ben. Es ist kein schlechtes Zeichen, daß man in den Zeiten "Jahreshefte" zu erhalten. Es dürfte wenige Vereine geben,
der Not umso mehr sich aufdie engere Heimat, ihre Schöndie
- um 6.- DM ihren Mitgliedern so viel bieten. Der 10.
heit, ihre Geschichte und Kultur besinnt, nachdem in derBand, 1950, dürfte nun in den Händen aller Mitglieder sein.
"großdeutschen Zeit" der Blick von ihr abgelenkt wurde und
die "Zollerheimat" mit ihrem 10. Jahrgangs 1941 leider ihrWas soll die "Hohenzollerische Heimat" bringen? Sie ist ein
Erscheinen einstellen mußte, die "Heimatklänge" aber, Kleinorgan
die
für alle Belange der Heimatkunde und das NachBeilage zum "Der Zoller", schon früher nicht mehr erschie-richtenblatt des Hohenzollerischen Geschichtsvereins. Sie
nen. Die "Hohenzollerische Heimat" will nun allen Heimat-soll berichten über Bodenfunde, Erdßlle, Geschichte und
freunden Gelegenheit bieten, ihr Wissen zu erweitern und
Kunst, alles wasfür die Natur und Kultur unseres Landes von
Liebe um unser Ländchen zu wecken. Sie möchte ein LeseInteresse ist. Ferner über anderswo erschienene Aufsätze
stofffür die Familie sein, der alle interessiert.
und Bücher, die sich auf Hohenzollern beziehen, über Veranstaltungen, Vorträge, die der Heimatkunde gewidmet
Seit Kriegsschluß wird der Mangel an heimatlichem Lesestoff
sind, über bedeutende Persönlichkeiten und über wichtige
in der Schule sehr beklagt.
Vorkommnisse derJetztzeit.
Wiefreuten wir Alten uns einst, wenn so ein schöner Aufsatz
Die Schriftleitung hat Hauptlehrer J. Wiest, Gammertingen
über Hohenzollern im Unterricht durchgesprochen wurde
übernommen, dem schon so manche Arbeit über die Geoder aus dem reichen Schatz hohenzoüerischer Sagen eine
schichte unserer Heimat zu danken ist.
Person oder ein Ort unsere Phantasie ganz gefangen nahm.
Die alten hohenzollerischen Lesebücher, angefangen vom
Möge sein Ruf reichen Widerhallfinden.
Reiserschen, (Musterlehrer Heinrich Reiser aus Gammertingen, 1805-1889) waren heimatlich ausgerichtet. Beiträge
Möge dieses Heimatblatt des Hohenz. Geschichtsvereins
zur Heimatkunde jeder Art möchte unser Blatt für Schülernun eine große Lesergemeinde finden.
und Lehrer darbieten. Viele Lehrpersonen sind jetzt tätig,
denen unser Land erschlossen werden muß, weil sie in anTräger der "Hohenzollerischen Heimat" ist der "Verein für
deren Gauen aufgewachsen simi Womit sollen sie sich vorGeschichte, Kultur- undlandeskunde in Hohenzollern", der
bereiten? Die'Hohenzollerische Heimat" bringt den Stoff. seit 1867 schon so viele Studien über fast alle Orte Hohenzollems veröffentlichte und hier über den Kreis der MitglieDen Heimatforschem muß ein Blatt offen stehen, das die Er-der hinaus sich an das ganze Zollerland wendet."
gebnisse ihrer Arbeit aufnimmt und sie interessierten Lesern
zufuhrt. In der Tagespresse geschieht das nur zum Teil undIm Untertitel des Blattes stand: „Vierteljahresblätter für Schule
gerät schnell in Vergessenheit Diese Blätter stehen nun und
zur Haus". Hergestellt wurde die neue Zeitschrift von der
Aufnahme bereit. Die Buchdruckerei S. Acker in Gammertin
Druckerei
Acker in Gammertingen, die auch das finanzielle Rigen übernimmt mit dem Erscheinen der "Hohenzollerischensiko trug. Schriftleiter war der bewährte Gammertinger HeiHeimat" ein großes Risiko. Mögen viele Mitarbeiter und eine
matforscher und Schulleiter Josef Wiest, der auch viele Beiträge
große Lesergemeinde das in sie gesetzte Vertrauen lohnen.selbst
In lieferte. Seit 1969 wurde die Hohenzollerische Heimat in
die Hand der Schüler, und in die Schülerhilfsbücherei derder Druckerei Liehner, bzw. Thorbecke Verlag in Sigmaringen
Schulen gehört das Vierteljahresheft, in die Pfarrbücherei
gedruckt. Nun ist sie sozusagen zu ihren Ursprüngen zurückgeebenso wie in die Familienbibliothek. Schickt das Heft auch
kehrt und erscheint in neuem Gewände bei der Druckerei
Euren im Ausland wohnenden Verwandten und Freunden
Acker in Gammertingen.
Ausstellung und Buchveröffentlichung über die Sigmaringer Fasnet
Anläßlich des Narrentreffens der Landschaft Donau der Vereinigung
Schwäbisch - Alemannischer Narrenzünfte e. V. am 2./3. Februar
2002 in Sigmaringen und ihres bevorstehenden 90. Geburtstags veranstaltete die Narrenzunft Vetter Guser Sigmaringen e.V. zusammen
mit dem Staatsarchiv vom 6. Januar bis 12. Februar 2002 im Prinzenbau in Sigmaringen die Ausstellung "Fünf Jahrhunderte Sigmaringer Fasnet - 90 Jahre Narrenzunft Vetter Guser e. V "
Im ersten Teü der Schau wurde, ausgehend von der Sigmaringer
Fastnachtsordnung von 1594, anhand von Dokumenten, Bildern, Fotos und Plakaten, aber auch dreidimensionalen Ausstellungsstücken
die Geschichte der Sigmaringer Fasnet vom 16. Jahrhundert bis in
die Gegenwart dargestellt und erläutert. Breiten Raum nahm dabei
das 1723 erstmals erwähnte "Bräuteln" ein, bei dem am Fastnachtsdienstag die grünen, sübernen, goldenen und auch diamantenen
Hochzeiter inmitten einer großen Narrenschar und bei dem Spiel
der Stadtkapelle und des Spielmanns- und Fanfarenzugs von den
"Bräutlingsgesellen" auf einer gepolsterten Stange um den Brunnen
vor dem Rathaus in Sigmaringen getragen werden. Das Bräuteln, das
sich aus dem Gesellen- und Bräutlingsbaden des Spätmittelalters und
der frühen Neuzeit in Schwaben entwickelt hat, ist der älteste Sigmaringer Brauch, der später von einer Reihe von benachbarten Gemeinden und auch in Haigerloch rezipiert worden ist.
Der zweite Teü der Ausstellung war der Geschichte der 1912 gestifteten und bei der Bräutlingsfeier 1913 aus der Taufe gehobene Narrenzunft Vetter Guser gewidmet, die sich die Bewahrung des Sigmaringer Fasnetsbrauchtums, insbesondere aber das historische Bräuteln zur Aufgabe gestellt hat. Zu den Spitzenstücken der Schau zählten u.a. die Drehorgel von Härtung mit der liebevollen Darstellung
des Bräuteins auf dem Rathausplatz und die Präsentation der Ornate
bzw. der Häser des Elfer- und Narrenrates, der Traditionsfledermaus,
der -Braunen Fledermaus, der Kinderfledermaus, des Schloß-Narros und der Bräutlingsgesellen des Vetter Guser.
Schmankerln stellten sicherlich auch der Film vom Narrentreffen der
Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte 1936 in
Oberndorf a.N. mit der Vorführung des Sigmaringer Bräuteins sowie
die Bilderschau zur Fasnet 2001 in Sigmaringen dar.
Zur Ausstellung wurde ferner ein von Otto H. Becker und Mitautoren
bearbeitetes Buch mit dem Titel "Freut Euch des Lebens. Zur Ge-
Fürst Friedrich von Hohenzoliern in Kapitänsuniform, auf der Kogge
„ Windjammer" beim Fastnachtsumzug i960 in Sigmaringen
schichte der Sigmaringer Fastnachtsbräuche" mit 216 Seiten Umfang
und rund 200 zumeist farbigen Abbildungen herausgebracht. In
dem stattlichen Band werden u.a. auch die übrigen Träger der Sigmaringer Fasnet im Laufe ihrer Geschichte gewürdigt; er ist zum
Preis von 28 Euro im Buchhandel erhältlich (ISBN 3-9807995-1-4).
Dr. Otto H. Becker
BERNHARD RÜTH UND ANDREAS ZEKORN
Graf Albrecht II. und die
Grafschaft Hohenberg
Im April 1998, erinnerten das Berneuchener Haus Kloster Kirchberg, der Landkreis Rottweil, der Zollernalbkreis sowie der Hohenzollerische Geschichtsverein mit einer Vortragsveranstaltung
an das Dynastengeschlecht der Grafen von Hohenberg. Dieses Geschlecht bestimmte die territoriale Entwicklung des oberen Neckarraumes vom späten 12. Jahrhundert bis ins späte 14. Jahrhun8
dert entscheidend mit. Den Anlass für die Vortragsveranstaltung
bot der 700. Todestag Graf Albrecht II. von Hohenberg, der am 17.
April 1298 in der Schlacht zwischen Oberndorf und Leinstetten gefallen und im Kloster Kirchberg beigesetzt worden war.
Die Anregung zur Gedenkveranstaltung ging von Schulamtsdirektor in Ruhe Adolf Kiek, Balingen, aus. In Verbindung mit dem Ber-
neuchener Haus Kloster Kirchberg übernahmen das Kreisarchiv des
Zollernalbkreises und das Archiv- und Kulturamt des Landkreises
Rottweil die Vorbereitung einer Tagung mit historischen Vorträgen.
Mitveranstalter war der Hohenzollerische Geschichtsverein. Es gelang, exzellente Kenner der hohenbergischen Geschichte als Referenten zu gewinnen: Dr. Casimir Bumiller, Prof. Dr. Franz Quarthai
und Prof. Dr. Wilfried Schöntag. Die Tagung stieß auf ein äußerst reges Publikumsinteresse, das die Erwartungen der Veranstalter übertraf. An die 200 Geschichtsfreunde konnten in den stimmungsvollen
Räumen des ehemaligen Dominikanerinnen-Klosters als Teilnehmer begrüßt werden. Die Nachmittagsveranstaltung fand im Konventssaal statt, der die Zuhörerschaft kaum zu fassen vermochte.
Besonders eindrucksvoll war anschließend die Abendveranstaltung
in der Klosterkirche. Jedem der damals Anwesenden, wird die
dichte Atmosphäre, hervorgerufen durch den musikalischen Vortrag des Minnelieds Graf Albrechts durch Herrn Vinskis und den
Lichtbildervortrag von Prof. Dr. Franz Quarthai am Ort der Grablege
Graf Albrechts, in bester Erinnerung sein.
Im November 2001 konnten die Erträge dieser Tagung in Form eines Aufsatzbandes vom Archiv- und Kulturamt des Landkreises
Rottweil und vom Kreisarchiv des Zollernalbkreises vorgelegt werden. Hinzuzufügen ist, dass die letzten Beiträge erst im Sommer
2001 eingingen.
Die Bedeutung des Geschlechts der Hohenberger für die Geschichte unseres Raumes ist groß. Hervorgegangen ist es als ältere
Linie der Grafen von Zollern um das Jahr 1179 unter dem neuen
Namen Hohenberg. In teils heftigen Auseinandersetzungen mit den
Zollern büdeten die Hohenberger ein umfangreiches Territorium
ausgehend von der namensgebenden Burg Oberhohenberg bei
Schömberg-Schörzingen, über Haigerloch bis nach Rottenburg. Im
13- Jahrhundert wurden in der hohenbergischen Ära Burg und
Stadt Haigerloch um- und ausgebaut. Graf Burkhard III. gründete
das Kloster Kirchberg im Jahre 1237 als Hauskloster der Hohenberger.
Dieses Kloster diente auch als Grablege des Geschlechts, wo der
Klostergründer ( f 1253 vom Blitz erschlagen) selbst und Graf Albrecht sowie seine Ehefrau Margareta ( t 1296) bestattet sind. Um
1280 gründete Graf Albrecht die "neue Stadt" Rottenburg, als
neuen Mittelpunkt des Gesamtterritoriums. Auch nach dem Ruin
der Grafen von Hohenberg und dem Verkauf der Grafschaft an
Habsburg im Jahre 1381, ist die weitere Entwicklung des Herrschaftsgebiets von maßgeblicher Bedeutung für die Geschichte unserer Region. Ein Teil der Grafschaft, die Herrschaft Haigerloch,
kam nach zahlreichen Verpfändungen an die Zollern. Andere Teile
blieben bis 1806 österreichisch oder als österreichische Lehen in
den Händen von Angehörigen des niederen Adels.
Graf Albrecht von Hohenberg selbst war ein bedeutender Staatsmann mit besten verwandtschaftlichen Beziehungen. Seine Schwester Gertrud heiratete Rudolf von Habsburg, der 1273 zum König
gewählt wurde. Albrecht war ein enger Weggefährte und Vertrauter
des Königs. So nahm er beispielsweise an mehreren Feldzügen König Rudolfs teil und besuchte häufig die Reichstage. Albrecht er-
hielt die neu geschaffene Landvogtei Niederschwaben zur Verwaltung des - verbliebenen - Reichsguts übertragen, ebenso wurde er
zum Landvogt von Achalm bestellt. Wichtig war die Revindikation
und Reorganisation des Reichsguts als Basis für das Wiedererstarken des Königtums. Mit der Übernahme solcher Verpflichtungen
für König und Reich begann allerdings bereits der spätere Ruin der
Hohenberger. Und schließlich setzte Albrecht für das Haus Habsburg gar sein Leben ein. Er unterstützte seinen Neffen, Herzog Albrecht von Österreich, im Kampf gegen König Adolf von Nassau um
den Königsthron. Herzog Otto von Niederbayern war im Frühjahr
1298 unterwegs, um König Adolf im Breisgau zu Hilfe zu eilen. Als
er in unserer Gegend anlangte, griff ihn Graf Albrecht von Hohenberg an. Doch der Überraschungsangriff misslang, und Graf Albrecht fiel in der Schlacht, die sich am 17. April 1298 zwischen
Oberndorf und Leinstetten zutrug, nachdem ihn angeblich die meisten seiner Ritter verlassen hatten. Matthias von Neuenburg, Prokurator des geistlichen Gerichts des Bischofs von Straßburg,
zürnte mit folgenden Worten darüber: "Wären doch blutgierige
Wölfe gekommen und hätten die Feiglinge gefressen."
Mit seiner staatsmännischen und kriegerischen Tätigkeit ist eine
Seite Albrechts erfasst. Die andere Seite ist die des Literaturfreundes und Minnesängers. Obwohl Albrecht nur mit einem Gedicht in
der Manessischen Liederhandschrift vertreten ist, wird ihm dort
wegen seines hohen ständischen Ranges ein hervorragender Platz
eingeräumt. Sein letzter Kampf ist in der Liederhandschrift in der
bekannten, eindrucksvollen, aber auch blutrünstigen Darstellung
festgehalten, die selbstverständlich auch im Buch wiedergegeben
ist. Ein Zeichen seiner Wertschätzung ist, dass sein Tod mehrfach
literarisch verarbeitet wurde.
Entsprechend seiner Bedeutung ist der erste Beitrag des Buches
aus der Feder Prof. Dr. Franz Quarthals, Historisches Seminar der
Universität Stuttgart, Abt. Landesgeschichte, der „Hauptperson"
Graf Albrecht gewidmet. Die Abhandlung trägt den Titel „Graf Albrecht II. als Territorial- und Reichspolitiker zur Zeit der Könige Rudolf und Albrecht von Habsburg". Im Mittelpunkt der breit angelegten biographischen Abhandlung steht Albrechts Anteil an der
„großen Politik". Quarthai würdigt sein reichs- und territorialpolitisches Engagement differenziert. Einen großen Teil seines Lebens
widmete Rudolf, wie bemerkt, dem Verwaltungsdienst sowie politischen und militärischen Missionen König Rudolfs von Habsburg.
Dabei stellte Albrecht die Interessen seines eigenen Hauses gegenüber denjenigen des Reiches und des Hauses Habsburg hintan.
Am Ende des Beitrags werden ausführlich die politischen Umstände der Schlacht bei Oberndorf/Leinstetten sowie das Kampfgeschehen selbst, bei dem Albrecht den Tod fand, dargestellt.
Aber der Beitrag Franz Quarthals geht weit darüber hinaus: wir erhalten Auskunft über das Herkommen der Hohenberger und ihren
Herrschaftsraum; aufgezeigt werden die Heiratsverbindungen des
Geschlechts als wichtigstem Indikator für dessen sozialen Rang.
Und die Hohenberger - so das Fazit - bewegten sich in den besten
Kreisen. Als Territorialpolitiker hingegen gelangen Albrecht keine
großen Herrschaftszugewinne, allerdings gründete er an einer topographisch wichtigen Stelle die neue Stadt Rottenburg und ver9
drängte damit das Kloster Kreuzlingen aus dem Herrschaftsraum. In
dieser Stadt stiftete er wohl auch ein Karmeliterkloster (um 1276).
Ansonsten trat er mehrfach als Wohltäter umhegender Klöster auf.
Schließlich geht Quarthai auf Graf Albrecht als Minnesänger ein.
Insgesamt erhalten wir eine neue, auf dem aktuellen Forschungsstand beruhende Biographie Albrechts, die ihn als einen Mann erfasst, der noch ganz dem Denken der mittelalterlichen Feudalwelt
sowie einem ritterlichen Ehrenkodex als Norm verhaftet war.
Vettern hatten sich als treulos gegenüber dem Kaiser erwiesen, deshalb wollten sich die Hohenberger von derartigen Vettern distanzieren. So legten sie die zollerische Tradition ab und übernahmen
diejenige der Grafen von Haigerloch-Wiesneck, welche ebenfalls
prestigeträchtig war. Es ging sogar so weit, dass die Hohenberger
den Vorgängern ihre eigene, hohenbergische Geschichte überstülpten und zwar derart erfolgreich, dass sogar moderne Historiker Hohenberger und Wiesnecker gleichsetzten.
Nicht minder faszinierend ist die siegelkundliche Untersuchung
Prof. Dr. Wilfried Schöntags, Präsident der Landesarchivdirektion
Baden-Württemberg, mit dem Titel „Rechtsstellung und Selbstverständnis der Grafen von Hohenberg im Spiegel ihrer Reitersiegel".
Schöntag bezieht dabei nicht nur die Siegel, sondern auch die
Grabplatten als Zeugnisse des Selbstverständnisses dieses Hochadelsgeschlechts in die Betrachtung ein. Mit der Untersuchung wird
der Blickwinkel auf die Gesamtgeschichte des Hauses Hohenberg
erweitert. Dem Verfasser verdanken wir bereits grundlegende,
neue Erkenntnisse über die Entstehung der Linie der Grafen von
Hohenberg, die sich als ältere Linie von den Zollern abspaltete. Dabei konnte die ideologisch vorbelastete Geschichtsschreibung des
19- Jahrhunderts, die im Dienste des preußischen Königs- bzw.
Kaiserhauses stand und die bis ins 20. Jahrhundert hinein wirkte,
revidiert werden. Anhand der Reitersiegel und Grabmäler kann
Schöntag zahlreiche Erkenntnisse zur Vorstellungswelt und zur
verfassungsrechtlichen Stellung der Hohenberger im 13- und 14.
Jahrhundert gewinnen. Sehr differenziert wird beispielsweise der
hohe verfassungsmäßige Rang der Hohenberger innerhalb des
Adels, der knapp unterhalb des Reichsfürstenstandes anzusiedeln
ist, und die Veränderungen innerhalb dieser Rangfolge herausgearbeitet. Zugleich legen die Grabmäler Zeugnisse ab von der Verhaftung des Geschlechts innerhalb des ritterlichen Ideals, das niederen und hohen Adel umspannte. Die zur gleichen Zeit entstandenen Grabmäler der Grafen von Württemberg etwa dokumentieren dagegen den Willen dieser Grafen zur Repräsentation und damit ihren Anspruch auf Zugehörigkeit zum hohen Adel.
Der letzte Aufsatz im Band aus der Feder des Historikers Hans Peter Müllers trägt den Titel „Genealogia Hohenbergica - Die Linien
Wildberg und Nagold". Diese Abhandlung eines profunden Kenners der archivalischen Quellen wurde nachträglich in den Band
aufgenommen. Die Genealogie der Hohenberger in den Linien Nagold und Wildberg wird dabei einer Revision unterzogen. Durch
den Aufsatz Hans Peter Müllers erhalten wir mithin eine auf dem
neuesten Forschungsbestand beruhende, in Teilen korrigierte Geschichte der Wüdberger und Nagolder Linie der Hohenberger.
Mit dem Selbstverständnis der Hohenberger befasst sich auch der
Historiker Dr. Casimir Bumiller in seinem Aufsatz über „Die Hohenberger in der Tradition der Grafen von Haigerloch-Wiesneck".
Diese Grafen von Haigerloch-Wiesneck waren die älteren Grafen
von Haigerloch, die von den Hohenbergern beerbt wurden. Bumiller formuliert in seinem Aufsatz zum einen beachtenswerte Hypothesen zur Geschichte der Besitzvorgänger der Hohenberger, den
Grafen von Haigerloch-Wiesneck, einem der großen Adelsgeschlechter des 11. Jahrhunderts. Diese Grafen hatten einen umfangreichen Besitzkomplex, wozu u.a. die namengebende Burg
Wiesneck im Dreisamtal gehörte; weiterhin besaßen sie eine reichhaltige Tradition, beispielsweise zählten der Gründer des Klosters
St. Märgen und der Reichskanzler Adelbert zu diesem Geschlecht.
Ferner verfügten die Wiesnecker über eine Geschichte, die sich zumindest in der Sage - bis in ottonische Zeit zurückverfolgen ließ.
Dies waren ideale Voraussetzungen für die Grafen von Hohenberg,
sich die Tradition ihrer Vorgänger anzueignen. Die Hohenberger
sahen sich nämlich nach ihrer Abspaltung von den Zollern
genötigt, sich eine neue Tradition zu verschaffen. Die zollerischen
10
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass der vorzustellende Aufsatzband eine Fülle neuer Erkenntnisse zur Geschichte der Grafen
von Hohenberg im hohen und späten Mittelalter bietet. Die ältere
Forschung wurde revidiert und gegebenenfalls berichtigt. Das Buch
beinhaltet nicht allein Ausführungen zu Graf Albrecht II. selbst, sondern zur Geschichte der Hohenberger überhaupt. Die landesgeschichtliche Forschung wird damit ein gutes Stück weiter gebracht.
Im, wie es Bernhard Rüth formulierte, „südwestschwäbischen"
Kulturraum wird man sich wieder der gemeinsamen historischen
Wurzeln der Regionen zwischen Schwarzwald und Schwäbischer
Alb bewusst. Dieser Aufsatzband steht am Anfang einer Folge landesgeschichtlicher Publikationen, die aus Vortragsveranstaltungen
von überregionaler Tragweite hervorgegangen sind. Als organisatorische Basis der historischen Büdungsarbeit bewährt sich das
Netzwerk der Kreisarchive und der Geschichtsvereine. Anzukündigen sind in diesem Zusammenhang gleich die nächsten Bücher: am
28. April 2002 wird der Öffentlichkeit das Buch „Vorderösterreich
an oberem Neckar und oberer Donau" präsentiert und zwar dann
im Landratsamt in Bahngen. Dieser Band geht auf eine entsprechende Vortragsveranstaltung des Jahres 1999 zurück. Auf eine
noch weiter zurückliegende Tagung geht das Buch „Adel zwischen
Schwarzwald und Schwäbischer Alb" zurück, das ebenfalls in naher Zukunft vorgestellt wird.
Finanziell getragen wurde das Buch durch den Landkreis Rottweil,
und den Zollernalbkreis, die als Herausgeber des Bandes fungieren. Gedruckt wurde das Buch mit Unterstützung der Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW).
Bibliographie
Graf Albrecht II. und die Grafschaft Hohenberg. Herausgegeben
von Bernhard Rüth und Andreas Zekorn im Auftrag des Landkreises Rottweü und des Zollernalbkreises. Bibliotheca academica
Verag Tübingen, 124 Seiten, 2 Farbtafeln, 13 Abbildungen, 2
Stammtafeln, 1 Karte ISBN 3-928471-44-9- Ladenpreis 17,00 Euro.
Zu beziehen über jede Buchhandlung.
EDWIN ERNST WEBER
Zum Tod des Heimatforschers
und langjährigen Kreispflegers
Meinrad Häberle
Im hohen Alter von 91 Jahren ist am 23. Oktober 2001 der Heimatforscher und langjährige Sigmaringer Kreispfleger Meinrad
Häberle gestorben. Als geschäftsleitender Verwaltungsbeamter des
Kreisverbandes Sigmaringen von 1949 bis zu seinem Ruhestand
1975 und sodann als Chronist seines Heimatkreises hat sich Häberle bleibende Verdienste erworben.
Meinrad Häberle entstammt einem alteingesessenen Bauerngeschlecht in Sigmaringendorf, das sich mit seinem Anwesen an der
Krauchenwieser Straße bis in das 17. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Am 19- Januar 1910 wurde er hier als das erste Kind des
Landwirts Meinrad Häberle senior (1879 - 1952) und seiner aus
Scheer stammenden Ehefrau Theresia geb. Merk (1886 - 1955)
geboren, zwei jüngere Geschwister, Paul und Wilhelmine, folgten
nach. Meinrad Häberle senior spielte im "Dorfer" Gemeindeleben
zwischen Kaiserreich und NS-Diktatur eine fuhrende Rolle und bekleidete als Vorsitzender des Kriegervereins, der Ortsgruppe des
katholischen Zentrums sowie als Gemeinderat herausragende Positionen, die er mit Beginn des "Dritten Reiches" einbüßte.
Nach der Volksschule seines Heimatortes besucht der junge Meinrad Häberle von 1922 bis 1928 bis zur Mittleren Reife die Realschule im württembergischen Nachbarstädtchen Mengen. Am 1.
April 1928 tritt er als Volontär in die Dienste beim damals noch
preußischen Landratsamt Sigmaringen und lernt hier in der Folge
als Staatsangestellter die ganze Bandbreite der staathchen Kreisaufgaben von der Registratur über die damals noch junge Kfz-Verwaltung bis zum Jagdwesen kennen. Der strebsame Verwaltungsmann legt 1936 die Sekretär-Prüfung für den mittleren und 1938
die Inspektoren-Prüfung für den gehobenen Verwaltungsdienst ab
und wird zum Beamten in der Landkreis-Selbstverwaltung, dem
Kreisverband.
Vorübergehend eine andere Richtung erhält die Berufslaufbahn
von Meinrad Häberle, als er Ende 1938, im Gefolge der Annexion
Österreichs durch Nazi-Deutschland, in die "Ostmark" abgeordnet
wird und in die Dienste der Bezirkshauptmannschaft Amstetten in
Niederösterreich tritt. Zum 1. April 1940 wechselt er als Stadtoberinspektor in den kommunalen Verwaltungsdienst der benachbarten Stadt Neunkirchen. Im Jahr darauf verheiratet er sich mit
der aus Laiz stammenden Elisabeth Lutz, die mit dem im Mai 1941
geborenen Sohn Werner in die neue Heimat nach Österreich nachzieht. Zwei weitere Söhne, Rainer und Gerhard, werden dem Ehepaar nach dem Zweiten Weltkrieg geschenkt.
Zum 1. Januar 1942 wird Meinrad Häberle zum Kriegsdienst einberufen, der ihn in einem Artillerie-Regiment auf den Balkan und
an die Ostfront fuhrt. Nachdem er bei Kriegsende in der Tschechoslowakei in russische Kriegsgefangenschaft geraten war, muss er
die folgenden zweieinhalb Jahre in einem Lager in der kriegszerstörten Stadt Woronesch südöstlich von Moskau verbringen. Bei
seiner Entlassung Ende Oktober 1947 in die Heimat ist er gesund-
t
Mein rad Häberle (19.10-2001)
Aufnahme 1997. Bildvorlage Kreisarchiv Sigmaringen
heitlich stark angeschlagen und über drei Monate lang bis zu seiner Genesung krank geschrieben. Häberle trifft seine Familie in
Laiz wieder, wo sich seine Frau mit ihrem kleinen Sohn kurz vor
Kriegsende von Niederösterreich aus hinbegeben hatte. In der
Schreinerei des Schwiegervaters Franz Lutz ist Meinrad Häberie im
Frühjahr 1948 einige Monate lang als kaufmännischer Mitarbeiter
tätig, ehe er von August bis Dezember 1948 als Aushilfs-Angestellter bei der Hohenzollerischen Landesbank Sigmaringen zur Abwicklung der damaligen Währungsreform eingesetzt wird.
Nachdem er sich über Monate hinweg vergeblich bei hohenzollerischen und württembergischen Kreis- und Gemeindeverwaltungen
um eine Wiedereinstellung als Beamter bemüht hatte, wird er im
Dezember 1948, nach dem Abschluss seines Entnazifizierungsverfahrens und der Einstufung als "Mitläufer", als Angestellter beim
Kreisverband Sigmaringen beschäftigt. Bereits ein halbes Jahr später, im April 1949 übernimmt er bei der Selbstverwaltungskörperschaft des Landkreises die Aufgaben als geschäftsleitender Beamter und Leiter der Haupt- und Finanzverwaltung (Kreispfleger).
Die damit verbundene, umfangreiche Zuständigkeit für das Personal- und Organisationswesen des Kreisverbandes, die Finanzver11
waltung, die Geschäfts- und Protokollführung für Kreistag und
Kreisrat sowie die Einrichtungen des Kreises wie Kreisaltersheim,
Kreisautobetrieb und seit 1963, mit dem Übergang der Stiftungsverwaltung für das Sigmaringer Fürst-Carl-Landeskrankenhaus auf
den Landkreis, auch noch das Krankenhauswesen behält Häberle
bis zur Kreisreform von 1972/73. Wichtige Projekte des Landkreises Sigmaringen in der Nachkriegszeit wie der Neubau des Kreishauses in der Karlstrasse 1955, die Errichtung des neuen Berufsschulzentrums in der Talwiese 1958/61 und der Baubeginn für das
neue Kreiskrankenhaus auf dem Dettinger Berg 1974 sind untrennbar mit dem Wirken von Häberle verbunden.
Daneben setzt sich der Verwaltungsmann für eine kulturgeschichtliche Profilierung "seines" Landkreises ein - durch die Annahme
eines Kreiswappens 1954, die Herausgabe eines Wappenbuches
zum Landkreis und seinen Gemeinden 1958 und die Veröffentlichung eines "Kreisbuches" in der Reihe "Heimat und Arbeit" des
Theiss-Verlags 1963. Eine letzte große Herausforderung bringt die
Kreisreform von 1973, die an die Stelle des 1925 gebildeten hohenzollerischen Kreises Sigmaringen einen nahezu doppelt so
großen "Dreüänderkreis" mit badischen, württembergischen und
hohenzollerischen Gebietsanteüen treten lässt. Die damit verbundenen Verwaltungsaufgaben und Vermögensauseinandersetzungen
beschäftigen den 1973 zum Kämmerer des "neuen" Landkreises
Sigmaringen bestellten Häberle noch ein ganzes halbes Jahr über
seinen regulären Ruhestandsbeginn hinaus bis in den Sommer
1975. In Erinnerung gebheben ist der Verwaltungsbeamte Meinrad
Häberle vielen früheren Mitarbeitern wie auch zahlreichen Bürgern durch sein ausgeprägtes Pflichtgefühl, seine Zuverlässigkeit,
die Sorgfalt und Korrektheit seines Arbeitsstils und seiner Aufgabenerfüllung. Die andere Seite dieser von Häberle geradezu verinnerlichten preußischen Beamtentugenden waren allerdings eine
gewisse Pedanterie und ein ausgeprägtes Kontroll- und Sicherheitsbedürfnis. Zu erkennen ist diese Neigung des langjährigen
Kreispflegers bis heute an den von Häberle akkurat geführten
Kreistagsprotokollen, die allerdings nicht nur in einer Fassung,
sondern zudem noch in mitunter drei bis vier weiteren Kopien vorliegen, sowie in einer überbordenden Flut handschriftlicher Aktenvermerke zu allen nur denkbaren Verwaltungsgegenständen.
Die von Häberle bestimmte Ära gehört zur Freude des Archivars auf
jeden Fall zu den am besten dokumentierten Perioden der Landkreisgeschichte.
Meinrad Häberle identifizierte sich mit "seinem" Landkreis weit
über seine aktive Berufstätigkeit hinaus. Zu seinem Abschied in
den Ruhestand holte er sich 1975 das Einverständnis des Kreisrats
zu seinem Vorhaben, fortan als Pensionär gegen Stundenvergütung
die Altakten der Landkreisverwaltung zu sichten und zu ordnen
und langfristig eine Darstellung zur Kreisgeschichte zu erarbeiten.
Am Ende dieser Erforschung der Vergangenheit des Landkreises
stand 1985, nach zehnjähriger akribischer Arbeit, die Veröffentlichung einer umfangreichen Verwaltungsgeschichte zum "alten"
hohenzollerischen Kreis Sigmaringen von 1925 bis 1972. Das dem
Vorwort zufolge "aus Verbundenheit mit meinem Heimatkreis" verfasste Buch trägt den Charakter eines Nachschlagewerks, das kompetent und minutiös, mit zahlreichen Fakten, Statistiken und Gesetzesverweisen die Geschichte, die Organe und das breite Aufgabenspektrum der Landkreisselbstverwaltung auffächert.
12
Bereits in hohem Alter widmet Meinrad Häberle sodann noch ein
weiteres Buch seinem Heimatort Sigmaringendorf. Um "die ortsgeschichtlichen Fakten und Begebenheiten zu erhalten, bevor
diese mit der älteren Generation verschwinden und verloren gehen", erstellt er in wiederum zeitaufwendiger Quellen- und Fleißarbeit eine Zusammenstellung der Bei- und Hausnamen von Sigmaringendorf, die nichts weniger als ein Panoptikum der alten
"Dorfer" Geschlechter bietet und auch so manches Original der
Vergessenheit entreißt. Dabei wird Häberle auch zum Chronist seiner eigenen bäuerlichen Famihe, die nach dem Tod seines als Hofnachfolger bestimmten Bruders Paul im Zweiten Weltkrieg und
später auch der kinderlos gebliebenen Schwester Wilhelmine mittlerweüe in Sigmaringendorf nicht mehr fortbesteht. Am jahrhundertelangen Standort des Häberleschen Bauernhofes befindet sich
heute ein Wohn- und Geschäftshaus, das zunächst als Apotheke
und sodann als Bankfiliale genutzt wurde.
Verdient gemacht hat sich Meinrad Häberle weiterhin durch ein
ausgeprägtes soziales Engagement: Vor allem für ältere Menschen
übernahm er Pflegschaften, Testamentsvollstreckungen und vielfache Betreuungsaufgaben, als sachkundiger Ansprechpartner war
er bei Kontakten und der Wahrnehmung von Rechten gegenüber
Behörden, Verbänden und Versicherungen behilflich. In jüngeren
Jahren hatte sich Häberles öffentliches Engagement überdies auf
den Sport erstreckt: Neben einer aktiven Laufbahn seit 1924 als Jugendturner, Leichtathlet und Fußballer im Turnverein seiner Heimatgemeinde hatte er als Schriftführer zunächst bei den Hirnern in
Sigmaringendorf und sodann, nach dem Zweiten Weltkrieg, auch
noch beim wiedergegründeten Turnerbund an seinem neuen
Wohnort in der Kreisstadt Sigmaringen fungiert. Seinen Lebensabend verbrachte Meinrad Häberle zusammen mit seiner Ehefrau
in dem 1952 von der Famihe bezogenen Haus in Hedingen, in unmittelbarer Nähe des "Prinzengartens", den er bis kurz vor seinem
Tod für seine Spaziergänge nutzte.
Quellen und Literatur;
Kreisarchiv Sigmaringen V - 1990/1 Nr. H.
Schwäbische Zeitung Sigmaringen v. 19. 1. 1990: "Auf vielen Gebieten verdienstvoll gewirkt - Zum 80. Geburtstag von Kreiskämmerer a.D. Meinrad Häberle"
Südkurier Sigmaringen v. 19.1.1990: "Sein Bestes für die Heimat
getan -Kreiskämmerer a.D. Meinrad Häberle feiert heute seinen
80. Geburtstag"
Schwäbische Zeitung Sigmaringen v. 24. 10. 2001 mit Todesanzeige für Meinrad Häberle
Protokoll der Zeitzeugenbefragung von Elisabeth Häberle durch
Kreisarchivar Dr. E. W e b e r a m 15.1. u. 5- 2.2002 (Kreisarchiv Sigmaringen)
Meinrad Häberle: Tabellarischer Lebenslauf mit Daten von 1928 1971, o.D., masch.-schr. (Kopie Kreisarchiv Sigmaringen)
Meinrad Häberle: Der Landkreis Sigmaringen 1925 - 1972. Ein
Beitrag zu seiner Geschichte. Sigmaringen 1985.
Meinrad Häberle: Bei- und Hausnamen in Sigmaringendorf. Ein
Beitrag zur Geschichte der Gemeinde. Sigmaringen 1996.
6 ichbespreciiunger-
Rudolf Griener,
Trochtelfingen 1900 - 2000,
Das Leben im Städtle
Die Stadt Trochtelfingen feierte 2001 ein Jubiläum: Fünfzig Jahre
Wiedererlangung der Stadtrechte. Bleibende Erinnerung an dieses
Jubiläum ist ein außergewöhnliches Heimatbuch, nicht nur wegen
der Größe ca. 30 x 22cm, den 240 Seiten auf Kunstdruckpapier und
etwa 225 zum großen Teü farbigen Abbüdungen. Es schildert einfach, wie der Untertitel schon sagt, das Leben im Städtle in den letzten hundert Jahren. Wer 1900 zwei Pferde und mindestens vier
Milchkühe hatte, war reich. Arm waren eigentlich nur die, welche
überhaupt nichts hatten. Irgendwie besaß fast jeder Haushalt eine
kleine Landwirtschalt und ein Gärtie von dem man leben mußte.
Wasser gabs vom Brunnen und der Seckach, das Vieh wurde in den
Bach getrieben. Armselig und beengt waren auch die Wohnverhältnisse der meisten Bürger. Das Leben in der Gemeinde war vor allem
durch die Landwirtschaft und das Handwerk geprägt.
Dem werden die Verhältnisse am Ende des 20. Jahrhunderts gegenübergestellt. Die Bürger leben in Sicherheit und Wohlstand (die
meisten jedenfalls). Im Städtle gibt es Sport-, Tennis-, Reitplätze,
Festplatz, Hirn - und Festhalle, Schießanlage, ein Altersheim und
vieles mehr. Jährlich ziehen etwa 200 Menschen nach Trochtelfingen
und etwa die gleiche Zahl wieder weg. Und doch ist das Städtle für
die meisten Heimat geblieben und für viele geworden.
Der Verfasser hat seinen umfangreichen Stoff in drei Teile gegliedert.
Im ersten Teü wird über die geschichtliche Entwicklung berichtet,
die von den großen, meist schlimmen politischen Ereignissen geprägt wurde: Bis zum 1. Weltkrieg, Der 1. Weltkrieg, Die Inflation,
Die Zeit der Weltwirtschaftskriese, Von 1933 bis zum 2. Weltkrieg,
Die Kriegsjahre, Das Kriegsende in Trochtelfingen, Die Jahre bis zur
Währungsreform, Die Zeit nach der Währungsreform.
Das Leben des Einzelnen und der Gemeinde in der ersten Hälfte des
Jahrhunderts wurde von Ereignissen bestimmt, auf die niemand Einfluß hatte. Mit der „Währung" begann dann eine Entwicklung, von
der damals niemand etwas ahnte. Die Zeitmarken waren nicht mehr
vor oder nach dem Krieg oder in der „Hitlerzeit", sondern die „60er
Jahre", die „80er" Jahre, kurzum 55 Jahre Friedenszeit bis zur Jahrtausendwende. Von schlechten Zeiten, die vielleicht auch wieder
kommen könnten, sprachen nur noch die Alten. Neue Probleme kamen auf, der ständig wachsende Verkehr, Umweltverschmutzung,
schnelles Wachstum der Wohngebiete und der Industerie und vieles
andere. Ein wichtiges Kapitel sind natürlich die Folgen der Gemeinde-und Kreisreform. Die jahrhundertealte Bindung an Hohenzollern wurde durch Anschluß an den Kreis Reutlingen abgelöst und
Trochtelfingen wurde zum Zentralort, in den auch altwürttembergische, evangelische Orte integriert wurden.
Unzählige Zeitzeugen wurden befragt, von denen viele inzwischen
verstorben sind. Alle werden sie persönlich vorgestellt, oft sind sie
auch auf einem alten Foto zu sehen. Neben Erfreulichem werden
auch schlimme Ereignisse nicht verschwiegen.
Im zweiten Teil geht das Buch auf die Strukturen des Städtles ein, Kir-
chen, Schule, Kindergarten, Gemeindedienste, Wasserversorgung,
Gebäude, Gasthäuser, Kaufläden, Fürstlicher Wald, Staatswald und
Gemeindewald. Besonders wichtig sind die Kapitel Handwerker und
Landwirtschaft. Hier hat sich im 20. Jahrhundert am meisten verändert und vieles ging unwiederbringlich verloren. Der Verfasser hat
viele Bauern und Handwerker genau nach ihrer früheren Tätigkeit
befragt und so vieles aufgeschrieben, an das sich kaum noch jemand
erinnert. Der dritte Teil bringt Daten, Zahlen und Tabellen. Es gibt
nichts in Trochtelfingen, das man nicht hier nachschlagen könnte.
Die Stadtverwaltung, Gemeinderatswahlen und ihrer Ergebnisse, Gefallene und Vermisste der beiden Weltkriege, Stadtkernsanierung,
Hausbesitzer, Landwirte mit Betriebsgrößen, Ehrungen und Auszeichnungen, Pfarrer, Lehrer, Ärzte, Tierärzte, Hebammen, Architekten, Ordensschwestern, Polizei, Post, Banken und vieles mehr,
selbstverständlich sind die Vereine und die Fasnet nicht vergessen.
Von den über 200 Fotos, die den Text begleiten, wurde schon berichtet. Den Abschluß bilden Fotos von der Fußballmannschaft, der
Stadtkapelle, dem Fanfarenzug der Feuerwehr, der Bürgerwehr, des
Kirchenchores von St. Martin und des Singkreises der Christuskirche. Ein großes farbiges Luftbild zeigt die Stadt mit allen Baugebieten und ein Plan demonstriert die bauliche Entwicklung von 1847 bis
1995. Im Vorwort schreibt der Verfasser: „Wir sind zufrieden, wenn
das ganze Jahrhundert als eine bewegte Zeit voller Veränderungen,
in Freud und Leid, als umfassendes Leben für Sie gegenwärtig erscheint." Dies darf man als voll gelungen bezeichnen und man kann
die Trochtelfinger zu diesem Heimatbuch nur beglückwünschen.
Herausgeber des Buches ist der Geschichts-und Heimatverein
Trochtelfingen, dessen Mitglieder in Teamarbeit die Herstellung vorbereitet haben. Das Buch kann bezogen werden beim Geschichtsund Heimatverein Trochtelfingen zum Preis von 25 Euro zuzüglich
Versandkosten.
Karl Werner Steim,
Haigerloch in alten Ansichten Band 2
1981 erschien der ersten Band ,Haigerloch in alten Ansichten', der
inzwischen neu aufgelegt wurde. Die reizvolle Lage der Stadt regte
schon früh die Herstellung von Ansichtskarten an, von denen sich
viele erhalten haben. Karl Werner Steim hat nun Ansichtskarten aus
der Zeit von 1900 bis um 1924 zum Band 2, Haigerloch in alten Ansichten' zusammengestellt.
In der Einleitung berichtet er über die Verleger und die Fotografen
aus dieser Zeit. Auf 76 Abbüdungen wird das Aussehen und die Entwicklung von Haigerloch im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts gezeigt. Durch die eingehenden Büdbeschreibungen erfahren auch
Nicht-Haigerlocher etwas über die reiche Geschichte und die Schönheit der Eyachstadt.
1924 hat der Fotograf Paul Weber in Haigerloch ein Fotogeschäft
eröffnet, das bis heute besteht. Es entstanden seither unzählige Fotos
und Ansichtskarten. Diese sollten in einem eigenen Band gezeigt
werden.
Karl Werner Steim, Haigerloch in alten Ansichten Band 2. ISBN
90 288 6678 7, Europäische Bibliothek Zaltbommel/Niederlande.
13
HEDWIG MAURER
Abgegangene Siedlungen im Gebiet der ehemaligen Grafschaft Zollern
und dem alten Kreis Hechingen (Fortsetzung)
100
Schönrain
TK 7619 FKSW1408
Stein
Im Volksmund erzählt man sich von einem dort gestandenen Dorf
und der Burg der Herren von Bechthold. Von 1405 bis 1478 wird
Dorf und später der Hof Schönrein in verschiedenen Urkunden erwähnt. 1405 stellte Volkard von Ow, genannt Wutfuß, einen Lehensrevers gegen Abt Heinrich von Alpirsbach um das Gut Schönrain bei Stein an die Pflege Haigerloch aus. 1410 entschied Graf
Eberhard von Wirtemberg in Streitsachen zwischen denen von Ow
und Graf Fritz dem Älteren von Zolr. Unter anderem beklagten sich
die Herren von Ow, daß die Grafen von Zolr ihnen in Sickingen,
(Bechtolds)-Weiler und Schönrain großen Schaden verursacht haben. "und darnach an dim zinstag und am Mittwoch do branten sy
im (ihm) und den sinen (seinen) ze schönrain ... und ze Wiler
schupen hof, und Hessen im ainen sew (See) ab., und branten im
um den wyer (Weiher) die höwschochen (Heu-)., daz schatt
(Schaden) im anderthalb hundert guldin, minder oder mehr".
1472 kaufte Graf Jos Niclas die Dörfer Stein, Weiler, Sickingen und
Schönrain samt dem Weiher um 1836 Gulden von Graf Ulrich
von Wirtemberg. Alpirsbach, das 1478 immer noch Besitz in
Schönrain hatte, verkaufte in diesem Jahr an Graf Ulrich von Wirtemberg und Mömpelgard 12 Pfund Heller jährl. Gilt aus dem Hof
und den Gütern zu Schönrain um 240 Gulden. 1646 lesen wir: "Im
Schönen Rain ietz die weillerhaldn genannt". Demnach existierte
der Weiler 1646 nicht mehr. Wann es verlassen wurde, ist nicht bekannt.
101
Seeheim
TK 7620 FK SO 1901/02/03
Ringingen
Auf den Gemarkungen von Jungingen, Killer und Ringingen finden
wir Flurnamen die auf ein abgegangenes Seeheim hinweisen.
Greifbar ist nur ein Ulrich von Sehan und ein Volrich von Sehan,
der zu Beginn des 14. Jh. Abgaben an das Kloster Beuron entrichten mußte. 1365 gab Hans ftifelli, Bürger von Reutlingen, seiner
Schwester Yrmelin, Klosterfrau zu Stetten 10 ß Hlr. aus der großen
Wiese zu Sehan neben Albrecht sei. Wies von Killwiler. 1507
schenkte Peter Schwelher zu Straßberg seiner Base Veronika von
Neuneck geb. Spet sein Recht am Seeheimer Thal und Seeheimer
Berg bei Killer zur beliebigen Verwendung für die von ihr beabsichtigte Stiftung in die Kapellen bei Ringingen und auf dem Kornbühl bei Salmendingen. Am 26 Juli 1513 verkauite sie Seeheimer
Thal und Berg an die Gemeinde Ringingen. 1545 und 1584 lesen
wir "underm Schloßgraben des Seeheimers Berges". Demnach war
1507 die Siedlung schon verschwunden. Die Seemühle wurde um
1680/85 erbaut. 1936 wurde der Betrieb eingestellt. Im Jahre
1949 war der Weiher verschlammt.
14
102
Seelhof
TK 7619 FKSW 1912/11
Grosselfingen
Der Seelhof in Grosselfingen war gemeinsamer Klosterbesitz von
Beuron und Stetten. Im Beuroner Urbar vom Anfang des 14. Jahrhunderts steht: "ain gut, ist gemain der frowen von Stetten und der
herren ze Bürren". Zinspflichtige Äcker und Wiesen lagen "uf ebnit
horbach, in minheld, staina und ein wis in dem brül". Im Jahre
1349 gelangte dieser Hof der "uff der ebeni untz an dem weg, der
gen Balgingen gat" lag, durch Gütertausch an Graf Friedrich von
Zollern dem Vitztum zu Augsburg (Herr auf der Hainburg). Er
tauschte Äcker zu Buch, zu Madach, "haisset der anwander" zu
Brand "haissent die stain ege" (heute Stunga). Diese insgesamt 4
Jauchert tauscht er "für ain recht aygen umme alles das sü uff dem
seelhoff hettan uff der ebeni untz an den weg, der gen Bagingen
galt".
103
Semdach, Burgstall, Hofstatt
TK7619
FKSW 1804 (1904)
Boll
Semdach, das sich unter dem Flurnamen Sindoch versteckt, begegnet uns oft in alten Urkunden. Bei Sankt Johannisweiler lasen
wir, daß es 1402 zum Erbteil des Öttingers gehörte, der es 1415 an
Württemberg verkaufte. 1310 ging eine Stiftung aus Semdach an
das Kloster Stetten. 1344 einigten sich Dietterich Branber, Bürger
zu Hechingen, und seine Söhne Herman, Dietherich und Friderich
über Güter und Gefälle mit Lüttgart von Semdach, des erstgenannten Schwester, die im Kloster zu Stetten war. Friedrich der Walch
verkaufte 1351 seinen Acker zwischen Stetten und Semdach in den
Stadtäckern gelegen, dem Kloster Stetten. 1354 verkaufte Werner
von Boll eine Wiese zwischen Semdach und Boll an das Kloster.
Konrad der Schenk von Stauffenberg gab dem Kloster Stetten 1361
dafür, daß seine Töchter Mätze und Adelheid in der Pfründ sind, u.
a. Zinsen aus dem Brühl zu Semdach. 1390 löste Itelwalch eine
Schuld an seine Schwester Gutta, Klosterfrau in Stetten. Bei den
Gütern, die er ihr übergab, waren auch Wiesen zu Semdach. Aus
den Urkunden können wir entnehmen, daß Semdach im 14. /15.
Jahrhundert einen eigen Ortsadel hatte, der sich später in Hechingen niederließ. Vermutlich haben die Herren von Semdach die
Burg gebaut, deren Lage wir beim "Burgstall" vermuten dürfen.
1452 empfing Hans Junckt von Semdach, "gesessen zu Stetten unter Zolre"' ein Erblehen vom Kloster. Auch die Walchen, die von
Staufenberg und natürlich die Grafen von Zollern waren dort begütert. 1428 scheint nur noch ein Hof zu Semdach bewirtschaftet
worden zu sein.
104
Sießen, Süßen?
TK 7620 FK SW 1602/01, SO 1601
Schlatt
An der nordöstlichen Gemarkungsgrenze von Schlatt gegen Salmendingen und Beuren ist aufiallig, daß dort eine Ausbuchtung in
die Gemarkung Salmendingen stößt. Manchmal deuten solche sonderbare Grenzverläufe auf eine abgegangene Siedlung hin. Auf alten Karten lesen wir anstelle der "Süß"-Flurnamen "Sieß". 1461 ist
von einer Sießenegart und 1584 von Siesach und Sießheimer Steig
die Rede. Aus dem Althochdeutschen können wir ableiten, daß das
Wort etwas mit "sitzen", zu tun hat. Demnach könnte es einen
Wohnsitz anzeigen. Die in der Nähe vorkommenden Flurnamen "in
Brunnentrögen, Stelle, Stellebene, (wo das Vieh zusammengetrieben wurde), Auchtert (Nachtweide)" lassen alle auf Weidebetrieb
schließen. So kann man vermuten, daß hier durch Waldrodungen
Platz geschaffen wurde um Stallungen für das Vieh und Wohnungen
für die Hirten zu bauen. Ob daraus ein Weiler entstand und wie
lange er existierte, wissen wir nicht.
105
Spechtshart
TK 7620
FKSW 1503/02
Beuren
Die Lage des Weilers Spechtshart finden wir auf einer Forstkarte
vom Jahre 1733- Dort ist er auf Beurener Gemarkung als "Spethserhoff" eingetragen. Nahe dabei treffen wir auf die Flurnamen Hof-
berg, Hofwäldle, Hofgärten. Bei Buch haben wir schon gelesen,
daß 1324 der Maier von Spechtshart zur Pfarrei Mössingen
gehörte. In jener Zeit waren die meisten Orte nicht in der Hand nur
eines Herren. Adlige oder Klöster waren meist Besitzer von Höfen,
die sie von Maiern bewirtschaften ließen. Selbst Burgen wurden
von mehreren Adelsfamilien bewohnt. Auf Spechthart war wohl
eine Käserei, denn 1316 verkaufte Walter der Schenk von Hurningen (Hirrlingen) 40 Käse und 3 Pfund und 7 Schilling Heller jährliches Geld aus zwei Gütern zu Spechtshart an den Maier von
Wurmlingen. 1377 verschrieb Graf Friedrich "der Ältere" die Hälfte
von Spechtshart und andere Güter seiner Gemahlin Adelheid von
Fürstenberg. Auch wissen wir bereits, daß 1402 bei der ErbteÜung
Spechtshart Eitelfritz zugesprochen wurde. 1484 traf der Junker
Werner einen Entscheid wegen eines Wegstreits zwischen den Maiern zu Spechtshart und den Erben zu Beuren. 1589 wurde der Hof
Spechtshart zur Hälfte Junker Adam von Ow, zur andern Hälfte dem
Barfüßlerkloster zu "Reitlingen" zinsbar.
Spechtshart ist eine der wenigen Siedlungen von der wir den Zeitpunkt ihres Abgangs kennen. Fritz Staudacher fand im Pfarrarchiv
zu Hechingen folgenden Eintrag: "den 11 Julii (1732) ist der sogenandt spechzemayer hoff ze beyern durch ein gelögtes feyer zue
aschen verbrennen und dasiger mayer, so von Rangendingen gebürtigt nit ein hellers werth salvieren können undt mit größter gefahr seines löbens das in der wiegen gelegenes kindt noch erröttet,
weiter nichts". Das dürfte das Ende des Weilers Spechtshart gewesen sein, der zu jener Zeit nur noch aus einem Hof bestand.
Register 2001
Altheim, Das Salpetergraben in der Herrschaft Dürmentingen und der Streit darüber in Altheim
Berus, Die Hohenzollern in Burg und Herrschaft Berus
Bingen, Eine spätgotische Beweinungsgruppe in Bingen - Frage nach der Herkunft
Burladingen, Vom alten Pfarrhof (Leserbrief)
Burladingen - Hermannsdorf, Zur Geschichte der Küche
Hechingen, Aufregung um das Hechinger Musikfest im Jahre 1837
Hechingen St. Lützen, Die Zunge des Hl. Antonius
Heimatbücherei in Hechingen wird elektronisch erfaßt
Hohenzollerischer Geschichtsverein, Einführungskurs für Heimatforscher
Hohenzollerischer Geschichtsverein, Jahresversammlung (2001)
Hohenzollernstraße, 10 Jahre Hohenzollernstraße
Inzigkofen, Krippenbau und Kunsthandwerk im Kloster Inzigkofen
Jungingen, Die Junginger Evangelistenfiguren des einheimischen Büdhauers Joachim Taubenschmid
Mayenfisch, Freiherr Karl von
Neufra, Hochbergkapelle, Einst kamen PÜger von der ganzen Alb
Sigmaringen, Herrschaft über den öffentlichen Raum, die Zeit des Nationalsozialismus in der Stadt
Singer Franz, Der Meßkircher Baumeister (1701 - 1757)
Stockwerkseigentum, ein aussterbendes Recht in Hohenzollern
Straßberg, Zum 75. Todestag von Dr. Paul Wilhelm v. Keppler, Bischof von Rottenburg
Stroppel Caspar, vnd die frommen Frawen zue Ynzkoffen
Strüb Jakob, Veringenstadt, Ein bisher unbekanntes Büd von Jakob Strüb
S. 28
S. 18
S. 34
S. 14
S. 56
S. 27
S. 37
S. 35
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S. 53
S. 55
S. 42
S. 7
15
Verlag:
Hohenzollerischer Geschichtsverein
Karlstraße 3, 72488 Sigmaringen
E 3828
PVSt, DPAG, »Entgelt bezahlt«
Vilsingen, Zur Geschichte der Vilsinger Zehnt - und Pfarrscheuer
Weckmann - Werkstatt, Drei Sebastiansfiguren aus der Ulmer Weckmann - Werkstatt
S. 8
S. 57
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte im Internet
Zollern, Abgegangene Siedlungen in der Grafschaft Zollern (Fortsetzung)
Zollern, Abgegangene Siedlungen... (Fortsetzung)
Zollern, Abgegangene Siedlungen... (Fortsetzung)
Zollern, Abgegangene Siedlungen... (Fortsetzung)
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Zollernalbkreis, Gedenkstätten - Initiative
S. 37
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Buchbesprechungen:
Ausflugsziel Schönbuch
S. 47
Damals im Killertal (Hausen)
S. 31
Das Ende von Kloster und Reichsabtei Zwiefalten
Daud, Ein Afrikanerkind in Calw
S. 47
S. 13
Die Schwäbische Alb, Bildband
Geschichte von Baden und Württemberg 1900 - 1952
Glückwunsch - Verse für Gratulanten
Gsälzbrot und Bärlauch
"Höhnet " Schwäbische Gedichte von Rösle Reck, Hinterglasbüder von Ilse Wolf
S.
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Maß und Gewicht im Gebiet des Königreichs Württemberg und Hohenzollern am Ende des 18. Jahrhunderts
MirSchwoba
Obs au gnuag Himmel geit
S. 32
S.48
S. 13
S' Neue Testament ond d Psalma
Wo ist Württemberg?
Werwars?
www.i-brauch-de.com
HOHENZOLLERISCHER HEIMAT
herausgegeben vom Hohenzollerischen
Geschichtsverein, Postfach 1638,
72486 Sigmaringen
ISSN 0018-3253
Erscheint vierteljährlich.
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Die Autoren dieser Nummer:
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Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat« ist
eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung im alten Land Hohenzollern und den angrenzenden Landesteilen mit der
Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie
bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge.
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€ 7,-. Abonnements und Einzelnummern können beim Hohenzollerischen Geschichtsverein
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16
Stettengasse 25, 79540 Lörrach
Bernhard Rüth,
Archiv- und Kulturamt,
Landratsamt Rottweil,
78614 Rottweil
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Die mit Namen versehenen Artikel geben die
persönliche Meinung der Verfasser wieder;
diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung sind
als solche gekennzeichnet.
Dr. Edwin Emst Weber,
Leopoldstraße 4, 72488 Sigmaringen
Manuskripte und Besprechungsexemplare werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten,
Dr. Andreas Zekron
Landratsamt Balingen
Hirschbergstraße 29, 72334 Balingen
Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische
Heimat« weiterzuempfehlen.
Hohenzollerische Heimat
Herausgegeben vom
52.Jahrgang
Hohenzollerischen Geschichtsverein
Nr.2-Juni 2002
E 3828
DREILÄNDERKREIS
SIGMARINGEN
Hohenzollern
Württemberg
9 Gemeinden
• eingemeindete Ortsteile
Sowohl der "Dreiländerkreis" Sigmaringen wie auch die "Dreiländergemeinde" Ostrach im Südosten des
Kreisgebiets umfassen Anteile von allen drei historischen Vorgängerländern des heutigen
Baden - Württemberg: Baden, Württemberg und Preußen/Hohenzoüern
Vorlage: Kreisarchiv Sigmaringen
EDWIN ERNST WEBER
Buntscheckige Herrschafts- und Grenzverhältnisse
Der Ostracher Raum ist von jeher eine Grenzlandschaft. Bereits in
Mittelalter und Früher Neuzeit stoßen hier die Grenzen diverser
Territorien zusammen und gehören die Dörfer und Weder unterschiedlichen Herrschaften an. Die Hochgerichtsbarkeit, also die
herrschaftliche Zuständigkeit für die Ahndung von Kapitalverbrechen einschließlich solcher "Delikte" wie Hexerei und Zauberei, ist dreigeteilt zwischen der Grafschaft Heiligenberg im Süden, der Grafschaft Sigmaringen im Westen und der Grafschaft
Friedberg im Osten. Im Dorf Ostrach verläuft dabei die Grafschafts- und Hochgerichtsgrenze entlang des gleichnamigen Flüsschens mitten durch den Ort: Tötungsdelikte links des Bachs werden in Sigmaringen, solche rechts davon dagegen in Scheer abgestraft. Erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts kann die finanzstarke
Reichsabtei Salem in ihrem Ostracher Herrschaftsbezirk die Sigmaringer und Scheerer Hochgerichtsrechte käuflich erwerben.
Noch bunter ist das Bild im Bereich der Niedergerichts- und
Ortsherrschaft, die letztlich über die territoriale Zugehörigkeit
eines Dorfes oder einer Stadt entscheidet. Der größte Teil des
heutigen Gemeindegebiets mit den Pfarrorten Ostrach,
Tafertsweiler, Magenbuch und Levertsweiler untersteht bereits seit
dem Mittelalter der Ortsherrschaft des Klosters Salem, 1603
kommt auch noch Einhart hinzu. Territoriales "Ausland" sind aus
salemischer Sicht dagegen Jettkofen und die damals zwei Wirnsweiler Höfe, die mit Landeshoheit, Ortsherrschaft und
Besteuerung der Grafschaft Friedberg-Scheer zugehören, weiterhin auch Wangen, Burgweiler und Dichtenhausen, die letztere
beide seit dem Verkauf von 1637 durch Salem fürstenbergischer
Landes- und Ortsherrschaft unterstehen, sodann Laubbach, das
Besitz des Reichsklosters Schussenried ist, und schließlich partiell
auch Kalkreute, wo Salem zwar die Ortsherrschaft, den Inhabern
der Grafschaft Sigmaringen demgegenüber Besteuerung und
Wehrhoheit zustehen. Das Dominikanerinnenkloster Habsthal
bildet zusammen mit dem Dorf Rosna unter der Schirmvogtei der
Grafschaft Sigmaringen eine eigene, kleine Niedergerichts- und
Ortsherrschaft.
Ostrach und seine Grenzen
An der Nahtstelle des Südweststaats
entsteht ein Grenzsteinmuseum
Die "Dreiländergemeinde" Ostrach im Landkreis Sigmaringen hegt
an einer Nahtstelle des Südweststaates. Als einzige Gemeinde in
Baden-Württemberg umfasst sie badische, württembergische und
hohenzollerische Gebietsteile und damit alle drei historischen Bestandteüe des 1952 gebildeten Bundeslandes. Zum Landesjubiläum "50 Jahre Baden-Württemberg" wird in Ostrach am 28.
Juni 2002 ein Grenzsteinmuseum eröffnet, das an die bis ins Mittelalter zurückreichenden, vielfach hochverzwickten Grenzverhältnisse in diesem nordwestlichen Teü von Oberschwaben erinnert.
Bestandteile des in Kooperation der Gemeinde Ostrach, des
Flurbereinigungsamtes Ravensburg, des Landkreises Sigmaringen
und zahlreicher privater Förderer und Sponsoren entstandenen
Projekts sind eine Ausstellung im neuen Ostracher Heimatmuseum
im von der Gemeinde unlängst erworbenen früheren salemischen
Rentamt, ein Vermessungslehrpfad mit Grenzwanderweg durch die
Ostracher Gemarkung, nicht weniger als vier Dreiländerecken und
schließlich eine Freiluftanlage bei Burgweiler.
Dort wird auf einem ca. 3500 m2 großen Gelände maßstabsgetreu im Verhältnis 1 zu 200 die hügelige Endmoränenlandschaft
des Ostracher Raums mit Fluren, Wäldern, Bächen, Straßen,
Ortschaften, vor allem aber den früheren Landesgrenzen nachgehildet. Sobald die Vegetation den Winterschlaf abgelegt hat,
markieren gelbe Hecken und Blüten die badische Grenze, weiß
steht für Hohenzollern und rot schließlich für Württemberg. Informationstafeln erläutern das Museumskonzept, Aufgaben und
Geschichte der Landesvermessung, die Ostracher GrenzGeschichte durch die Jahrhunderte und nicht zuletzt die Grenzsteine als die wichtigsten Zeugnisse der früheren Grenz-Landschaft.
Die Suche und alsbald die systematische Erfassung und Dokumentation der im Ostracher Raum trotz aller Verluste noch immer in
stattlicher Zahl auffindbaren Landesgrenzsteine durch den pensionierten Ingenieur Ludwig Sautter und seine Frau Brigitte hatten
1998 am Anfang des Projektes gestanden. An der im Ostracher
Bereich ca. 30 km langen ehemaligen württembergisch-hohenzollerischen Grenze vermochte das Ehepaar Sautter in jahrelanger
Sucharbeit von ursprünglich rund 550 Landesgrenzsteinen immerhin noch etwa 190 aufzufinden. Der besondere Stolz von Ludwig
Sautter sind indessen die exakt ermittelten drei bzw. - bei Berücksichtigung eines später korrigierten Messfehlers - sogar vier
Dreiländerecken, wo von 1806 bis 1945 Baden, Württemberg und
Preußen-Hohenzollern aufeinander gestoßen waren. Alle Dreiländerecken - eine im Ried bei Laubbach und drei bei Wangen/Jetkofen sind mittlerweile durch Stellen mit den Wappen von Baden,
Württemberg und Hohenzollern markiert. Im Rahmen der vom
Landesdenkmalamt in Verbindung mit dem Schwäbischen Heimatbund, dem Schwäbischen Albverein und dem Schwarzwaldverein
zur Zeit betriebenen Dokumentation von Kleindenkmalen besitzt
die von Ludwig Sautter initiierte und sodann von der Gemeinde Ostrach und ihren Partnern in ein anspruchsvolles Museumsprojekt
umgesetzte Aktion Vorbildfunktion.
Neuordnung der Landkarte durch Napoleon
Diese in einer jahrhundertelangen Entwicklung entstandenen
buntscheckigen Herrschafts- und Grenzverhältnisse werden zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der Neuordnung der Landkarte
durch Napoleon völlig umgekrempelt: Anstelle von mehr als 100
Kreisständen, also den im Schwäbischen Reichskreis zusammengeschlossenen reichsunmittelbaren Territorien, dazu noch
zahlreichen Reichsritterherrschaften sowie diversen vorderösterreichischen Kamerai-, Lehens- und Pfandherrschaften behalten im
deutschen Südwesten zwischen Rhein und Lech bis 1806/10 gerade einmal noch fünf Staaten Bestand. In einem ersten Schritt
werden 1803 durch den sog, Reichsdeputationshauptschluss alle
geistlichen Herrschaften, Klosterherrschaften ebenso wie Hochstifte, säkularisiert und darüber hinaus auch die Reichstädte mit
ihren Landgebieten mediatisiert. Formell werden mit den
geistlichen und reichsstädtischen Besitzungen weltliche Grafen
und Fürsten entschädigt, die durch die Abtretung des gesamten
linken Rheinufers an das revolutionäre Frankreich Gebietsverluste
erlitten hatten. Das Territorium der Reichsabtei Salem beispielsweise wurde durch den Reichsdeputationshauptschluss
zweigeteüt: Die Besitzungen und Herrschaftsrechte am Bodensee
und im Linzgau kamen an die Markgrafen und späteren
Großherzöge von Baden, die oberschwäbischen Gebiete, darunter
18
Mitteilungen
aus dem
Hohenzollerischen
Geschichtsverein
Im dritten Quartal finden wegen
der Ferien keine V e r a n s t a l t u n g e n statt.
Geplant sind Vorträge über die Säkularisation der folgenden
Klöster bzw.Klausen: Stetten im Gnadental, St. Luzen, Rangendingen, Gruol, Beuren, Inzigkofen und Habsthal. - Nach der
Begrüßung und Einführung soll auch ein Referat über die Säkularisation der Klöster Gorheim und Laiz in der Säkularisation
unter Kaiser Josef II. 1782 gehalten werden.
VORANKÜNDIGUNG
1. Lichtbildervortrag
Im Rahmen des Landesjubiläums veranstalten der Hohenzollerische Geschichtsverein und die Stadt Hechingen den Lichtbildervortrag von Dr. Edwin Ernst Weber, Sigmaringen, und Reiner
Lobe, Bingen, mit dem Thema
Das genaue Programm wird im 3- Heft der Hohenzollerischen
Heimat Jg. 2002 bekanntgegeben.
Die Teilnahme an den Vorträgen ist unentgeltlich. Die Kosten
Hängt a Socke überzwerch - Hohenzollern in Bildern und
für das Mittagessen (8,50 Euro/Person) sowie für Kaffee und
Geschichte.
Kuchen
Montag, 7. Oktober 2002, um 20 Uhr im Hohenzollernsaal des
(3,25 Euro/Person) sind von den Anwesenden aufzubringen.
Neuen Schlosses (Sparkasse Zollernalb) in Hechingen.
Wegen der Verpflegung und der begrenzten Platzverhältnisse
muss auf formelle Anmeldung bestanden werden.
Während der Mittagspause besteht die Möglichkeit zur Führung
im Kloster Inzigkofen, der Klosterkirche und im Kreuzgang sowie ggfs. auch im Park Inzigkofen.
2. Vortragsveranstaltung
Zum Gedenken an die Säkularisation vor 200 Jahren bietet der
Hohenzollerische Geschichtsverein am Samstag, 9- Nov. 2002,
im Kapitelsaal des ehemaligen Augustinerchorfrauenstifts Inzigkofen (Volkshochschulheim) eine Vortragsveranstaltung von
10 bis ca. 17 Uhr mit dem Thema
Anmeldungen werden vom Sekretariat des Geschichtsvereins
jeweils von Montag bis Freitag angenommen (Tel. 07571/101
580 oder 559).
Dr. Becker
Vorsitzender
Die Säkularisation in den Fürstentümern
Hohenzollern 1802/3 an.
auch die Herrschaft Ostrach, an die Fürsten von Thum und Taxis.
Die mit Waldbeuren, Umensee und Großstadelhofen bzw. Denkingen, Großschönach und dem Amt Sohl auch im Ostracher Raum
bzw. dessen Nachbarschaft mit Untertanenorten vertretenen
Reichsstädte Pfullendorf und Überlingen büßten, wie alle anderen
oberschwäbischen Reichsstädte, 1803 ihre Reichsunmittelbarkeit
ein und kamen unter die Landeshoheit gleichfalls des Hauses
Baden.
Die Veränderungen von 1803 waren indessen nur der erste Schritt.
In einer zweiten Etappe der "territorialen Flurbereinigung" verlieren sodann 1806 im Gefolge der sog. "Rheinbundakte" auch die
meisten der 1803 vielfach vergrößerten Hochadels-Territorien
ihre Selbstständigkeit und kommen unter die Landeshoheit von im
deutschen Südwesten schlussendlich noch fünf Nachfolgestaaten:
Das Königreich Bayern, das Königreich Württemberg, das
Großherzogtum Baden sowie die beiden hohenzollerischen
Fürstentümer Hechingen und Sigmaringen. Bayern verlegt durch
die Gebietsgewinne zu Beginn des 19. Jahrhunderts seine Landes-
grenze vom Lech bis tief nach Oberschwaben an die Iiier vor.
Baden vervierfacht seine Fläche zwischen 1802 u. 1810 von 3900
auf ca. 15000 Quadratküometer, Württemberg verdoppelt sein Gebiet von 9500 auf 19500 Quadratkilometer, die Bevölkerungszahl
erhöht sich jeweils etwa im gleichen Verhältnis.
Eine Frau rettet die hohenzollerischen Fürstentümer
Stolze südwestdeutsche Hochadelshäuser, so etwa die Fürstenberger, die Waldburger oder auch die erst seit dem ausgehenden
18. Jahrhundert in Oberschwaben begüterten Thum und Taxis,
werden mit ihren teüweise umfangreichen Besitzungen mediatisiert und sind fortan landsässige "Standesherren" unter badischer, württembergischer oder hohenzollerischer Landeshoheit.
Entgegen aller Wahrscheinlichkeit entgehen 1806 ausgerechnet
die beiden hohenzollerischen Duodez-Fürstentümer aufgrund der
diplomatischen Unterstützung des stammverwandten Königs von
Preußen, vor allem aber durch die persönlichen Beziehungen der
19
damaligen Sigmaringer Fürstin Amalie Zephyrine in die Führungsschichten des napoleonischen Frankreich der Vereinnahmung
durch den König von Württemberg, der in der Residenzstadt Sigmaringen bereits seine Besitznahmepatente angeschlagen hatte.
Wie schon 1803, als u.a. die Herrschaft Glatt der schweizerischen
Fürstabtei Muri, das Augustiner-Chorherrenstift Beuren und das
Augustiner-Chorfrauenstift lnzigkofen gewonnen werden konnten,
vermag zumal das Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen auch
1806 wiederum einen beträchtlichen Gebietszuwachs zu verbuchen, darunter auch die Landeshoheit über die drei Jahre zuvor
an Thum und Taxis gefallene ehemalige salemische Herrschaft
Ostrach sowie das kleine Gebiet des Dominikanerinnenklosters
Habsthal. Die fürstenbergische Grafschaft Heiligenberg mit Burgweiler, Wangen und Dichtenhausen kommt demgegenüber unter
badische Souveränität, die bislang thum und taxissche Grafschaft
Friedberg-Scheer und damit auch Jettkofen und Wimsweiler sowie
das ehedem zum Kloster Schussenried und später den Grafen von
Königsegg gehörige Laubbach mit Ober- und Unterweiler werden
württembergisch.
mit der Gründung des Bundeslandes Badenwürttemberg dann
auch die Landesgrenze nach (Süd-) Baden. Mit der Kreis- und
Gemeindereform der 1970er Jahre werden die ehemaligen Landesgrenzen schließlich auch noch auf kommunaler Ebene beseitigt und entstehen der "Dreiländerkreis" Sigmaringen und die
"Dreiländergemeinde" Ostrach, die badische, hohenzollerische
und württembergische Gebietsanteile zugleich in sich vereinigen.
Lediglich in den kirchlichen Gebietseinteüungen sowohl der
kathohschen Diözesen wie auch der evangehschen Landeskirchen
bestehen die alten Landesgrenzen bis zum heutigen Tag fort, wobei
bei den Katholiken Hohenzollern zur - badischen- Erzdiözese
Freiburg, bei den Protestanten dagegen zur Evangehschen Landeskirche Württemberg gehört.
Der Weg zur "Dreiländergemeinde" Ostrach
Der Ostracher Raum liegt damit an der Nahtstelle der durch die
napoleonische Flurbereinigung zwischen 1803 und 1810 neu
gezogenen Grenzen zwischen Baden, Württemberg und Hohenzollern-Sigmaringen, das 1849/50 im Gefolge der Revolution von
1848/49 zusammen mit dem Hechinger Schwesternfürstentum
seine Souveränität verliert und unter preußische Landeshoheit
kommt. Die - nach einer letzten Feinbereinigung von 1810 - zu Beginn des 19- Jahrhunderts gezogenen Grenzen behalten in Südwestdeutschland und damit auch im Ostracher Raum Bestand bis
nach dem Zweiten Weltkrieg. Erst jetzt, nach eineinhalb Jahrhunderten, lösen sich in mehreren Etappen die unter Napoleon festgelegten Landesgrenzen wieder auf und gewinnt das westlich der
Iiier gelegene Oberschwaben seine Einheit wieder. Unter französischer Besatzungsherrschaft wird zunächst das aus dem preußsischen Zusammenhang gelöste Hohenzollern mit dem südlichen
Württemberg zu einer Verwaltungseinheit und sodann 1947 zum
Land Württemberg-Hohenzollern zusammengelegt, und 1952 fällt
Grenzstein-Versammlung an der ehemaligen Landesgrenze
zwischen Württemberg und Hohenzollern bei Ostrach. "KW"
stehtfür Königreich Württemberg, TTfür Thum und Taxis:
Foto: Ludwig Sautter
Mitgliederversammlung des Geschichtsvereins
Zur Jahresversammlung, die am 29. April 2002 im Konstantinsaal
des Museums in Hechingen stattfand, konnte der Vorsitzende, Dr.
Otto Becker, eine ansprechend große Zahl von Mitgliedern begrüßen. Persönlich begrüßt wurden der Hechinger Bürgermeister
Jürgen Weber und Ehrenmitglied Dr. med. Herbert Burkarth aus
Gammertingen. Wegen eines Antrags von Herrn Klaus Roth-Stielow
musste das vorgelegte Programm um einen weiteren Tagesordnungspunkt aufgestockt werden. Es folgte das Verlesen der seit der
Jahresversammlung 2001 verstorbenen Mitglieder des Hohenzollerischen Geschichtsvereins, wozu sich die Anwesenden von ihren
Sitzen erhoben.
In seinem anschließenden Tätigkeitsbericht machte der Vorsitzende eingangs deutlich, dass die stundenweise Beschäftigung von
Frau Liebhaber im Vereinssekretariat gegen Bezahlung nicht nur zu
einer stärkeren Belastung der Vereinskasse, sondern auch zu einer
stärkeren Arbeitsbelastung der Vorstandsmitglieder geführt habe.
Hinzu kam, wie der Vorsitzende weiter ausführte, dass die Archivare in der Vorstandschaft infolge des Jubüäums „50 Jahre BadenWürttemberg" und infolge der Vorarbeiten zur Landesausstellung
über die Säkularisation vor 200 Jahren mit dem Thema „Alte Klöster - neue Herren" im kommenden Jahr vermehrt in Anspruch
genommen wurden bzw. werden. Anschließend übergab der Vorsitzende dem Leiter der Hohenzollerischen Heimatbücherei, Herrn
Alf Müller, ein Exemplar der offiziellen Veröffentlichung zum Landesjubiläum, zu der er den Beitrag über Hohenzollern beigesteuert hatte.
Anschließend ging der Vorsitzende auf die Entwicklung des Mitgliederstandes ein. Danach weist der Verein zur Zeit 755 Mitglieder
auf. 12 Austritten standen 12 Eintritte gegenüber, Unter den ausgetretenen Mitgliedern befanden sich eine Schule, eine staatliche
Behörde und ein Verlag.
Doch selbst unter diesen Auspizien konnte der Hohenzollerische
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Geschichtsverein seit der Jahresversammlung wiederum ein respektables Veranstaltungsprogramm, bestehend aus Vorträgen, einem Seminar und zwei Führungen, anbieten. So sprach Herr Thomas Stier am 8. Oktober im Bildungshaus St. Luzen in Hechingen
und am 5. November in Sigmaringen über das Thema „St. Luzen in
Hechingen. Der Renaissancebau Eitelfriedrichs I." Zum 75. Geburtstag des Sigmaringer Rathauses hielt Dipl.-Ing. Franz-Severin
Gäßler am 25. Februar in Sigmaringen den Vortrag „Architektur als
Zeichen: Das Sigmaringer Rathaus, Werk Friedrich Imberys". Am
11. März fand in Hechingen der Vortrag des Tübinger Doktoranden
Matthias Ilg mit dem Thema „Fidelis von Sigmaringen. Ein Märtyrer des Dreißigjährigen Krieges" statt.
reibungslos. Hierfür sprach der Vorsitzende dem Schriftleiter,
Herrn Dr. Herbert Burkarth, seinen aufrichtigen Dank und seine
Anerkennung aus.
Heft 1 der Hohenzollerischen Heimat im laufenden Jahr wurde
nach Jahrzehnten wieder bei der Druckerei Acker in Gammertingen gedruckt. Dieser Wechsel war Folge des Austritts des Jan Thorbecke Verlags aus dem Hohenzollerischen Geschichtsverein im
vergangenen Jahr. Der Vorstand hat dies zum Anlass genommen,
der Hohenzollerischen Heimat auch ein neues Layout zu geben.
Die entsprechenden Ausschreibungen, Verhandlungen mit
Druckereien und dem Graphiker wurden von Schatzmeister Dopfer geführt. Für dieses Engagement sprach Dr. Becker dem Schatzmeister seinen aufrichtigen Dank aus.
Zusammen mit dem Landratsamt Sigmaringen veranstaltete der
Hohenzollerichen Geschichtsverein am 21. März im Landeshaus in
Sigmaringen den Vortrag „Die Hohenzollerischen Lande im
Neugliederungsgeschehen des deutschen Südwestens 1945 1952". Als Referent konnte Dr. Frank Raberg von der Kommission
für geschichüiche Landeskunde in Baden-Württemberg aus Stuttgart gewonnen werden.
Die Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte Jg. 2001 konnte
erst Ende Mai 2002 in den Druck gehen. Diese Verspätung war u.a.
auch auf außergewöhnliche Belastungen des Vorsitzenden zurückzuführen. Außerdem waren bei einigen Beiträgen vermehrt Redaktionsarbeiten erforderlich. Schließlich stellte sich auch die Veröffentlichung des Mitgliederverzeichnisses als recht problematisch
heraus.
Am 15. April sprach Oberstleutnant a.D. Heinrich Bücheler in Fortsetzung seines Vortrags vom Vorjahr über die deutschen Napoleonkritiker. - Alle Vorträge des Geschichtsvereins waren gut bis
sehr gut besucht.
Seit der letzten Jahresversammlung hatte der Vorstand und Beirat
zweimal in Gammertingen getagt. Der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende, Herr Werner, nahmen an der Feier zum 50.
Geburtstag des Heimatvereins Bisingen-Steinhofen am 2. März
2002 in der Hohenzollernhalle in Bisingen teil. Der Vorsitzende besuchte am 22. März 2002 die Mitgliederversammlung des Arbeitskreises Heimatpflege im Regierungsbezirk Tübingen.
Das vom Kreisarchiv Sigmaringen und vom Geschichtsverein gemeinsam angebotene Seminar „Einführung für Heimatforscher"
musste wegen großen Zuspruchs 2001 zum dritten Mal veranstaltet werden.
Die angebotenen Führungen am 6. Januar und 12. Februar durch
die Ausstellung „Fünf Jahrhunderte Sigmaringer Fastnacht - 90
Jahre Narrenzunft „Vetter Guser" im Staatsarchiv Sigmaringen kamen sehr gut an.
Trotz erhöhter finanzieller Belastungen konnte Schatzmeister Hans
Joachim Dopfer eine positive Bilanz des Rechnungswesens des Geschichtsvereins vorlegen. Der Vorsitzende dankte dem Schatzmeister daraufhin für seine im Ehrenamt geleistete Arbeit. Schließlich
sei eine erfolgreiche Vereinsarbeit ohne ein geordnetes Rechnungswesen nicht möglich.
Abschließend gab der Vorsitzende eine Vorschau auf das Programm des Geschichtsvereins in den kommenden Monaten. Erwähnt wurden dabei die Wiederholung des Vortrags von Dr. Raberg
zum Landesjubiläum am 7. Mai im Landratsamt Balingen, die geologischen Wanderungen rund um Jungingen unter der Leitung von
Beiratsmitglied Otto Bogenschütz, Hechingen, am 7. Mai und die
Exkursion am 29. Juni unter der Führung von Vereinsmitglied Dr.
Casimir Bumiller zum Kultur- und Museumszentrum Schloss Glatt.
Der Vorsitzende wies ferner auf das vom 10. bis 15. Juni stattfindende Seminar „Geschichtliche Landeskunde Hohenzollerns" unter der Leitung von Dr. Volker Trugenberger und Dr. Otto Becker
und das letztmals im Juni/Juli angebotene Seminar „Einführung für
Heimatforscher" hin.
Der Rechnungsprüfungsbericht der Herren Alois Schleicher und
Fritz Schöttgen, den Schriftführer Helmut Göggel vortrug, bescheinigte Schatzmeister Dopfer eine übersichtliche und einwandfreie
Rechnungsführung. Nach dem Dank an die Rechnungsprüfer beantragte der Vorsitzende die Entlastung des Schatzmeisters, was
dann auch einstimmig mit Ausnahme des Betroffenen geschah.
Auf Antrag von Herrn Norbert Stehle wurde daraufhin auch der
Vorstand insgesamt entlastet. Dr. Becker sprach danach allen Kollegen im Vorstand, nämlich dem stellvertretenden Vorsitzenden
Otto Werner, Schriftführer Helmut Göggel und Schatzmeister Hans
Joachim Dopfer für ihre Mitarbeit und ihre Anregungen seinen
Dank aus. Sein Dank galt außerdem dem Schriftleiter der Hohenzollerichen Heimat, Herrn Dr. Burkarth, dem Mitschriftleiter der
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte, Herrn Dr. Andreas Zekorn, und den Mitgliedern des Beirats sowie Frau Helga Liebhaber
und Frau Uta Neuendorff vom Vereinssekretariat.
Am 7. Oktober 2002 veranstalten die Stadt Hechingen und der Geschichtsverein im Rahmen des Landesjubiläums im Hohenzollernsaal des Neuen Schlosses in Hechingen den Lichtbildervortrag von
Dr. Edwin Ernst Weber und Reiner Löbe mit dem Thema „Hängt a
Socke überzwerch - Hohenzollern in Geschichte und Bildern". Im
Hinblick auf die Veranstaltungen zum Gedenken an die Säkularisation vor 200 Jahren im kommenden Jahr wird der Hohenzol-lerische Geschichtsverein am 9- November 2002 im Kapitelsaal des
ehemaligen Augustinerchorfrauenstifts Inzigkofen eine Vortragsveranstaltung über die Säkularisation in Hohenzollern anbieten.
Das genaue Programm und die Teilnahmebedingungen werden
Ende September in Heft 3 der Hohenzollerischen Heimat Jg. 2002
noch rechtzeitig bekanntgegeben.
Anschließend wurde der Antrag von Herrn Roth-Stielow diskutiert.
Dieser hatte mit Schreiben vom 25. März 2002 der Mitgliederversammlung den folgenden Antrag zur Abstimmung gestellt:
„Der Verein nimmt in seine Arbeit auch die Beschäftigung mit der
Besiedlung Hohenzollerns durch
1) die Römer zwischen 12 v. Chr. und 260 n. Chr. sowie
2) die Alamannen ab 260 auf".
Die Herausgabe der Hohenzollerischen Heimat erfolgte wiederum
Nach längerer Aussprache wurde auf Antrag des Vorsitzenden die
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fentlicher Vortrag statt. Es sprach Frau Christine Glauning M.A.
über das Thema „ Das Unternehmen,Wüste' und das Konzentrationslager in Bisingen". - Der Vortrag stieß auf eine außergewöhnlich große Resonanz, wie die Diskussion danach deutlich machte.
Formulierung von der Mitgliederversammlung angenommen, dass
sich der Geschichtsverein auch mit der Römerzeit und der Landnahme und Besiedelung der Alamannen im Bereich des späteren
Hohenzollern und angrenzender Gebiete beschäftigt.
Nach der Mitgliederversammlung fand an gleicher Stelle ein öf-
Dr Otto H. Becker
GERNOT PAUKERT
Das Backhaus in der Gemeindescheuer
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in Kaiseringen
Am 28. April 1936 kaufte die damals noch selbständige Gemeinde
Kaiseringen von dem Sattler Karl Seybold aus Ebingen die dem heutigen landwirtschaftlichen Anwesen von Fidelis Pfaff gegenüber hegende Scheune. Die Scheuer wurde instandgesetzt. In einen Tritt
am Eingang wurde eben diese Jahreszahl eingelassen und ist heute
noch sichtbar.
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Leider läßt sich an Hand der vorhandenen Bestände im Gemeindearchiv Abteilung Kaiseringen das Jahr der Erbauung nicht ermitteln. In einem Nachtrag zum Feuersozietäts-Kataster aus dem Jahre
1910 wird ein Alter von 45 Jahren genannt. Offensichtlich muß es
sich hier um einen Schreibfehler handeln. In einem Lageplan aus
dem Jahre 1845 ist die Fachwerkscheuer nämlich schon als Gebäude Nr. 45 enthalten.
Gemeindescheuer mit Backhaus in Kaiseringen
Backfrauen waren Mathilde Böhringer, geh. Dietz, von der Eröffnung bis ca. Ende 1945, anschließend für kurze Zeit Berta Holdenried, geb. Fauler. Es folgte Johanna Gottschalk, geb. Hartmann, vom 2.11.1946 bis 1983- Im Jahre 1983 wurde die Tätigkeit von Maria Hartmann, geb. Gauggel übernommen. Noch heute
ist Frau Hartmann jeden Freitag vormittags im Backhaus in Kaiseringen anzutreffen, wenn es gilt, den Ofen anzuheizen und Brot zu
backen wie "anno dazumal".
Das Backhaus selbst wurde im Jahre 1938 unter Bürgermeister Anton Bantle, also vor 64 Jahren, eingerichtet und befindet sich im
Bild hinter der rechten Tür des Gebäudes. Es wurde ein elektrischer Ofen, Fabrikat Neff, gekauft und von den Oberschwäbischen
Elektrizitätswerken (OEW) eingebaut. Am 6. Oktober 1938 wurde
der Backofen in Betrieb genommen. Die OEW errechneten in einem Wirtschaftlichkeitsbericht Backkosten in Höhe von 1,68 Pfennig je Pfund. Davon entfielen auf Stromkosten 1,18 Pfennig und
0,5 Pfennig auf den Backlohn. Für das Backen eines Kuchens in
der üblichen Größe wurden 6 Pfennig verlangt. Mathilde Böhringer hatte bereits privat den ersten elektrischen Backofen in Kaiseringen und mußte deshalb auch das Backhaus in Kaiseringen übernehmen.
Quellenangabe:
-
Ortschronik Kaiseringen
Gemeinde Straßberg, Bauakten
Gemeindearchiv Abteilung Kaiseringen - Az: 1523 und 1900
Freundliche Auskünfte von Herrn Anton Böhringer
FRANZ SEVERIN GÄSSLER
dem Stadtgrundriß aus dem Jahr 1823 (Abb. 2 ) ist ein Haus mit
schmaler Grundfläche (Gebäude-Nr. 4 6 ) zu sehen, das in der
nördhchen Hälfte der Hauptgasse sitzt und ihr den Weg versperrt.
Östhch dieses Gebäudes öffnet sich der Raum zu einem kleinen
Platz mit unregelmäßiger Grundfläche, geprägt durch die Fassaden
mehrgeschossiger Gebäude, von denen vermutlich die Häuser Häberle, Schluchter, und Schlageter (Zoller journal) bis in unsere
Zeit überdauerten 4 ) . Westlich des Gebäudes bleibt die Straße räumlich eingeschnürt von zwei Gebäuden, die auch heute noch an
dieser Stelle stehen - Hoftheater und Cafd Schön. Und direkt auf
der Südseite des in der Straße stehenden, schmalen Hauses,
schließt das Stadttor an. Der zweite Plan ist der "Occular-Grundriß" der Stadt Sigmaringen, der nicht datiert ist, doch vermutlich
aus der Zeit vor 1812 stammt, da auf ihm einerseits noch das 1812
abgebrochene Mühltor erkennbar ist, andererseits die Häuser entlang der unteren Antonstraße, die ab 1816 errichtet wurden, noch
Das Laizer Tor in Sigmaringen
Lage und Gestalt
Bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts hinein besaß Sigmaringen zwei Stadttore (Abb. 1 ) . Sie unterbrachen die Stadtmauer an den beiden Endpunkten der damaligen Hauptgasse, die
heute Teil der Fürst-Wilhelm-Straße ist. Damals war die Hauptgasse einzige Verbindung für Fuhrwerke in die Stadt hinein und
wieder aus ihr heraus 1). Das östhche Tor wurde Mühltor genannt
und das westliche, das zum benachbarten Dorf Laiz hin ausgerichtet war, Laizer Tor 2 ) . Keine der bisher bekannten Abbildungen
gibt uns Informationen, w o das Laizer Tor in der Zeit vor seinem
Abbruch genau stand und wie es aussah 3 ) • Einzig die beiden
Stadtpläne aus der Zeit zu Beginn des 19- Jahrhunderts zeigen das
Tor zusammen mit der Situation am westlichen Stadteingang. Auf
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nicht dargestellt sind 5). Auf diesem Plan wird die Situation am
westlichen Stadteingang ebenfalls, jedoch nur schematisch aufgezeigt. Dort ist im Straßenraum kein Gebäude zusehen; doch sind
nördlich der Toreinfahrt gleichfalls vier Gebäude gezeichnet. Einerseits besticht dieser Plan durch seinen hohen Informationswert, andererseits gibt er den Grundriß der Stadt nur verzerrt und
unmaßstäblich wieder. Prägnantes wurde überzeichnet und weniger Prägnantes weggelassen. Die weiter unten vorgetragenen Informationen lassen den Schluß zu, daß auf Mezlers Plan der Bereich um das sog. Laizer Tor nicht realitätsgetreu wiedergegeben
wurde, so daß für uns der Plan von 1823 maßgebend bleibt.
Das Tor
Auf dem Plan Schwanders ist sowohl im Grundriß als auch im Aufriß der nördliche Torpfeüer dargestellt (vgl. Abb. 3). Der gegliederte Torpfeiler bestand demnach aus einem Basisstein mit darüber liegendem Wulst und einem zweigeteUten Schaft, dessen oberes Fünftel durch eine Platte abgeteUt war. Eine weit ausladende
Gesimsplatte begrenzte den Schaft nach oben hin und trug eine
Halbkugel, die auf einer vermutlich quadratisch ausgebildeten
Platte lag. Der Basisstein maß ca. 1 mal 0.65 in, die Breitseite des
Schaftes noch ca. 85 cm. Bis zur Oberkante der Gesimsplatte erreichte der Pfeiler in der Mitte der Südseite gemessen eine Höhe
von ca. 3,05 in, bis zur Oberkante der Halbkugel ungefähr 3,55 in.
Ob am Torpfeüer ein Torflügel angebracht war, ist nicht auszumachen, da auf Schwanders Plan hierzu keinerlei Informationen ablesbar sind. Einzig die Lage von Pfeiler und Eingangstür, die an der
Gebäudekante sitzt, könnte darauf hinweisen, dass der Durchlaß
ehemals mit zwei Torflügeln verschließbar war. Denn zwischen
Torpfeiler und Eingang ins Torstüble befand sich genügend Raum,
um einen Torflügel aufzunehmen. Seit wann der Torpfeüer in dieser Form bestand, ist bislang unbekannt. Doch weist er mit seiner
Form, seinem oberen Abschluss darauf hin, dass das Tor zu jener
Zeit nicht überbaut war. Die Breite der Tordurchfahrt läßt sich nur
aus dem Stadtplan von 1823 erschließen. Da dieser nicht genau
mit dem heutigen Katasterplan übereinstimmt, kann nur ein ungefähres Maß genannt werden. Im Bereich des Schaftes könnte dies
zwischen 2,9 und 3,5 in betragen. Aufgrund dieser geringen Dimension war der Durchlass immer nur für ein Fuhrwerk passierbar und damit hervorragend zu kontrollieren.
Das Torstüble
Auf den späteren Lageplänen und Katasterkarten ist das kleine,
schmale Gebäude nicht mehr zu finden. 1831 war es abgetragen
worden 6). Im Original jenes Lageplans von 1823 ist dieses Gebäude mit der Ziffer 46 gekennzeichnet. Aus dem Sigmaringer
Häuserbuch, das Dr. Alex Frick 1973 abgeschlossen hat, erfahren
wir u.a., dass die Stadt 1671 dieses Gebäude vom Zimmermeister
Wolf Herburger errichten ließ, es über Jahrzehnte hinweg als Wohnung für sozial Schwache nutzte und daß 1820 der Bau von der
fürstlichen Hofkammer der Stadt abgekauft wurde 7). Im gleichen
Jahr hatte die Stadt nämlich beabsichtigt, erhebliche Mittel in das
Gebäude zu investieren, es umzubauen und aufzustocken. Das Gesuch reichte sie bei der fürstlichen Regierung ein, die mit es mit
Schreiben vom 17. August 1820 ablehnte. Drei Gründe teilte sie
mit: Erstens verenge die Aufstockung des Torgebäudes die Stadteinfahrt noch mehr, zweitens sei im Brandfalle der Zugang zum
nördlich angrenzenden Haus blockiert und drittens sei keine für
eine Familie ausreichend dimensionierte Wohnung zu erhalten.
Doch erklärt sich der Kauf vermutlich primär mit dem Ziel des Fürsten, das Gebäude ersatzlos abzubrechen, um die Engstelle zu beseitigen und die Stadteinfahrt zu öffnen 8 ) .
Glücklicherweise ist von jenem städtischen Vorhaben der Plan
überliefert, der das Gebäude sowohl im Grundriß zeigt als auch
dessen drei einsehbaren Fassaden (vgl. Abb. 3). Vom damaligen
Stadtbaumeister Schwander ist der Plan unterschrieben und vermutlich auch gezeichnet. Das Gebäude ist darauf als "Thorstüble"
bezeichnet, Bestand und Aufstockung des Gebäudes sind im Maßstab 1:75 widergegeben 9)- Das eingeschossige Gebäude schloß
mit einem Walmdach ab. Das Straßengefälle nach Westen, der Donau zu, glich ein Sockel aus. Aus dem Plan lässt sich eine Gebäudelänge von 10,35 in erschließen, eine Breite von 4,20 in, eine
Wandhöhe ab Oberkante Sockel von 2,65 in und eine Dachhöhe
von 2,45 in. Schmale Wände unterteüten das Innere in vier Kammern von unterschiedlicher Größe. Die größte Kammer, auf der
westlichen Seite gelegen, maß gerade einmal 13,5 m2 in der
Fläche. Sie wies jedoch drei große Fenster auf, zwei nach Süden
ausgerichtet und eines nach Westen. Einen GroßteU der mittleren
Kammer beanspruchte die Podesttreppe, die ins Dach führte. Belichtet war dieser Raum nur über ein kleines, in der Südwand stehendes Fenster. Die beiden kleinen Kammern auf der Ostseite besaßen jeweils eine kleine Fensteröffnung. Zugänglich war das Gebäude durch eine Tür, die innerhalb der Stadt, an der südöstlichen
Gebäudekante lag. Völlig geschlossen war die nördliche Außenwand. Das Gebäude besaß zwei Feuerstellen, so daß alle vier Kammern beheizbar waren. Die Stärke der Außenwände sind mit einem Maß zwischen 50 und 60 cm gezeichnet. Ob das Gebäude unterkellert war, ist nicht nachvollziehbar.
Die Stadtmauer
Im Westen der Stadt zog sich die Stadtmauer, eingebunden in die
Wohnhäuser, unterhalb des fürstlichen Marstalls in geringem Abstand östlich des heutigen Hoftheaters verlaufend bis zur heutigen
Fürst-Wilhelm-Straße (Abb. 1 und 2). Von dort aus führte sie in
südöstlicher Richtung weiter, wie auf dem Stadtgrundriss zu sehen
ist, nach wenigen Metern abknickend, und an einem Gebäude endend, in dem heute die Metzgerei Häberle Fleisch- und Wurstwaren anpreist. Wahrscheinlich lief die Mauer in diesem Abschnitt
ursprünglich wie mit der Schnur gezogen gegen Süden, so wie es
heute noch der Grenzverlauf zwischen den Grundstücken Häberle,
Knäpple, Burkart, Götz einerseits und Schön, Langenbach, Schön
andererseits andeutet. Geschickt war in diesem Bereich zudem die
Topographie ausgenutzt, denn das Gelände fiel dort mit deutlichem
Gefälle nach Westen, hin zur Donau ab.
Ob die Stadtmauer an dieser Stelle die ursprüngliche war und
ebenso das Tor, ist nicht überliefert, aufgrund der Gestalt des Tores jedoch eher unwahrscheinlich. Denn Tor und Mauer hatten zumindest in den letzten Jahrzehnten ihres Bestehens eher die Aufgabe der rechtlichen und steuerlichen Abgrenzung und der Kontrolle über Zugang und Aufenthalt in der Stadt als fortifikatorischen
Nutzen. Einer Belagerung Stand zu halten, waren Tor und Mauer
aufgrund der Konstruktion und der Abmessung wohl kaum in der
Lage. Von jenem Gebäude, das ehemals nördlich des Torstübles
stand und das Ende der Achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts
abgerissen wurde, ist uns auf Plänen noch der Kellergeschoßgrundriss überliefert. Dieser zeigt auf der Westseite des Gebäudes gewaltige Substruktionen (Abb. 2). Fundamentmauern ähnlicher Dimension finden wir auf der Ostseite der Altstadt wieder, im heutigen Wilhelmsbau des Schlosses, der aus zwei getrennten Gebäuden
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hervorging, und im Gebäude Schwabstraße 1, aber auch vom 1826
abgebrochenen Rathaus sind Fundamente mit einer Breite von
1,80 in bekannt 10). Der kleine Vergleich zeigt uns, daß die Stadtmauer zumindest zu jener Zeit in den angesprochenen Bereichen
keine einheitliche Stärke besaß, daß aber auch Gebäude, die weit
ab der Stadtmauer standen Substruktionen in ähnlich starker Dimension aufwiesen wie sie bei den Untergeschoßmauern entlang
der Stadtmauer zu finden sind. Diese Informationen werfen mehr
Fragen auf, als daß sie ohne weitere Bauforschungen schlüssige
Antworten zulassen. Doch könnten die unterschiedlichen Mauerbreiten darauf hindeuten, daß die Stadtmauer in den genannten
Bereichen nicht gleichzeitig, sondern abschnittsweise errichtet
bzw. ausgewechselt worden war. Und vermutlich wurden die
Außenwände derjenigen Gebäude, die dem Stadtgraben zugewandt
waren, beim Neubau im Vergleich zu den übrigen Außenwänden
stärker dimensioniert, so dass sie die Aufgabe einer Stadtmauer erfüllten.
Tore waren zumindest im 18. Jahrhundert und bis zu ihrem Abbruch im ersten Drittel des darauf folgenden Jahrhunderts für die
Maler und Zeichner der Stadtansichten nicht dokumentationswürdig. Ob daraus auf eine bescheidene Gestalt beider Stadteingänge
geschlossen werden kann? Auch für das Laizer Tor sind uns jetzt
die Dimensionen bekannt, so daß sich die Frage beantworten läßt.
Die zollerischen Schwesterstädte und ehemaligen Residenzen Haigerloch und Hechingen, diejenigen der Fürstenberger und Waldburger - Meßkirch, Trochtelfingen und Scheer - und ebenso die
südlich und östlich von Sigmaringen gelegenen sogenannten Donaustädte Mengen, Riedlingen und Saulgau und nicht zuletzt die
Freie Reichsstadt Pfullendorf wiesen beachtliche, das Stadtbild
prägende Toranlagen auf, die teüweise noch erhalten sind. Im direkten Vergleich blieben diejenigen der Stadt Sigmaringen, was
Größe und Gestalt betraf, eindeutig hinter jenen zurück. Und zugleich blieben sie - im Gegensatz zu den genannten Städten - für das
Stadtbild bedeutungslos. Genauso gering wie die Gestalt der Tore
war das Steueraufkommen des Zwergstädtchens von Anbeginn,
und ebenso bedeutungslos blieben sie, wie die Rolle, die das Städtchen als Marktort für die Region spielte 1 2 ) . Zudem spiegelt sich
hier möglicherweise der rechtliche Status wider, der seit der Herrschaft der Zollern über die Stadt bis zum Ende des Alten Reichs
bestimmend war und dem Sigmaringer Magistrat weitestgehende
Autonomie in der kommunalen Selbstverwaltung sicherte - die Zollern besaßen die Stadt nicht als Eigen, sondern nur als Lehen von
den Habsburgern. Dieser rechtliche Status, der zu stetigen Auseinandersetzungen zwischen Bürgerschaft und dem zollerischen
Stadtherrn führte, veranlasste den Autor des 1802 herausgegebenen Geographisch Statistisch-Topographischen Lexikon von
Schwaben zu der bezeichnenden Aussage über die städtische
Selbstverwaltung Sigmaringens: "Es (Sigmaringen) hat seinen eigenen Magistrat und ist durch Verträge befugt, seine eigene Unordnung zu erhalten 13) " Die Burg- und spätere Schloßanlage mit
ihrer überwältigenden Dimension, ihrer imposanten doppeltürmigen Torbastion, ihrer homogenen Dachlandschaft und den in diese
integrierten Türmen war und blieb zusammen mit dem l\irm der
katholischen Pfarrkirche beherrschendes Signum der Stadt. Für
dominante Toranlagen fehlten dem Zwergstädtchen zumindest die
wirtschaftlichen und politischen Voraussetzungen.
Das sog. "Thorstüble" entstand gut ein Jahrzehnt nach dem Aufbau
des im Dreißigjährigen Krieg niedergebrannten östlichen Teils des
fürstlichen Schlosses und des Rathauses, in einer Zeit, in der zahlreiche Hofstellen neu aufgebaut wurden 11). Auch die Form der
Torpfeiler fügt sich in die Formensprache der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts, so daß der Gedanke nahe hegt, Tor und Torhaus
gehören derselben Erbauungszeit an.
Das Pendant des Laizer Tors im Osten, das Mühltor, ist uns nur aus
einer einzigen Abbildung und dazu nur in einer Teilansicht bekannt. Auf einem Ölbild aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, das Schloss, Mühlenvorstadt und östlichen TeÜ der Altstadt
vom Mühlberg aus zeigt (Abb. 4 ) , ist auf der nördlichen Seite des
Ow'schen Hauses (Schwabstraße 1) das Mühltor zu sehen. Erkennbar sind vom fiirm: oberstes Geschoß, Satteldach, östlicher
Fachwerkgiebel und Dachreiter mit eingehängter Glocke . Reichte
die Traufe des Torturmes über jene des Ow'schen Gebäudes hinaus, so blieb sein First doch deutlich unter der Höhe jenes Hauses
zurück. Im Gegensatz zum Laizer Tor war das Mühltor überbaut.
Doch war, wie sich aus dem Ölbüd schließen lässt, der vermutlich
dreigeschossige Torturm von eher bescheidener Gestalt. Beide
Sigmaringen 1995, Abb. 94, S. 90, ist sicher ohne Detailkenntnis über den Stadt-
ANMERKUNGEN
grundriß in der Zeit vor dem Abbruch der Toranlagen entstanden und ist frei dargestellt.
1) Ein weiterer Durchlaß, jedoch mit geringerer Höhe, existiert heute noch im sogenannten Wilhelmsbau des Schlosses, kleine Pforten in der Mauer mit einer Breite
4) 1987 wurden das Gebäude Fürst-Wilhelm-Str. 38, das 1874 umgebaut worden
zwischen 1,5 und 2 Metern befanden sich auf der Südseite und auf der Westseite der
war, sowie die nördlich anschließenden Häuser abgerissen und durch Neubauten
Stadt. Das sogenannte Milchtörle, stellte über die heutige Weingasse eine kurze Ver-
ersetzt; vgl. Bauakten im Bauordnungsamt der Stadt Sigmaringen.
bindung zum herrschaftlichen Sennhaus im Süden her, das ungefähr dort lag, wo
5) Der Plan ist beigelegt Franz Xaver Mezler, Versuch einer medizinischen Topo-
heute die Alte Schule steht. Auf der Westseite konnte man über die heutige Fidelis-
graphie der Stadt Sigmaringen. Freiburg 1822, abgebildet u.a. bei Franz-Severin
straße auf kurzem Wege in den Stadtgraben gelangen, der wohl gärtnerisch genutzt
Gäßler, Carlsplatz und Carlsstraße in Sigmaringen - Stadterweiterungen in der 1.
war und im westlichen Teil auch zur Straße hin durch eine Mauer abgegrenzt
Hälfte des 19. Jahrhunderts, Teil 1. In: ZHG 29, 1993, S. 165-197, Abb. 1, S. 186.
wurde. Vgl. hierzu Abb. 2 sowie den Stadtplan "Sigmaringen im Jahr 1823", beige-
Zur Datierung des Mühltorabbruchs vgl. Maren Kuhn-Refus, Sigmaringen 1077-
legt: 900 Jahre Sigmaringen 1077-1977. Herausgegeben von der Stadt Sigmarin-
1977. Ein Abriß seiner Geschichte. In: 900 Jahre Sigmaringen 1077-1977. Hrsg.
gen. Sigmaringen 1977.
Von der Stadt Sigmaringen. Sigmaringen 1977, S. 11-66, bes. S. 47; zur Datierung
2) Zu den Namen der beiden Tore vgl. Alex Frick, Entstehung und Entwicklung des
der Gebäude entlang der Antonstraße (Nr. 19, 21, 23, 25) vgl. Alex Frick, Häuser-
Stadtbildes von Sigmaringen.
buch von Sigmaringen, Bd. 1, 1973 (mschr.).
In: 900 Jahre Sigmaringen 1077-1977. Herausgegeben von der Stadt Sigmaringen.
6) Zum Abbruch des Laizer Tores vgl. Franz-Severin Gäßler, Carls-platz und Carls-
Sigmaringen 1977, S. 69-76
straße in Sigmaringen -Stadterweiterungen in der 1. Hälfte des 19- Jahrhunderts,
3) Die Rekonstruktion des Laizer Tors von Albert Deutschmann, vgl. hierzu die Ab-
Teil 2. In: ZHG 30/31,1994/1995, S. 308
bildung bei Maren Kuhn-Rehfus, Werner Kuhn, Sigmaringen in alten Ansichten.
7) Alex Frick, Hänserbuch von Sigmaringen, maschschr. Exemplar im Staatsarchiv
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Sigmaringen. Wolf Herrenburger errichtete und plante vermutlich auch zusammen
mit Hans Simon aus dem benachbarten Laiz 1656 bis 1658 das 1827 abgebrochene
Rathaus in Sigmaringen. Vgl. hierzu Alexander Frick, Die Geschichte des alten Rathauses. In: Festschrift anläßlich der Einweihung des Rathauses zu Sigmaringen am
9. Januar 1927. Sigmaringen 1927, S. 27-36.
8) Vgl. STAS, Dep. 1, Bd. 3, Akten Nr. 1 1 84.
9) Wie Anm. 8.
10) Im nordöstlichen Teil des Wilhelmsbaus beträgt die Stärke der Außenmauer im
Vorkeller ungefähr 2 m und im darüber liegenden Erdgeschoß noch 1,7 m, im südlich angrenzenden Teil immerhin noch 1,4 m im Keller und 1,1 m im Erdgeschoß; vgl.
hierzu die Bauakten der Fürstl. Hofökonomieverwaltung zum Umbau des Kavaliergebäudes (Karl-Anton-Platz 2) im Jahr 1906 im Bauordnungsamt der Stadt Sigmaringen. Zum Vergleich beträgt beim Gebäude Schwabstraße 1 die Mauerstärke im Erdgeschoß ca. 1,35 m und im darunter liegenden Keller ca. 1,7 m; vgl. hierzu die Bauakten im Bauordnungsamt der Stadt Sigmaringen. Zur Dimension der Rathausfunda-
Abb.2:
Links: Lageplan über, den westlichen Altstadtbereich im
jähr 1823 im Bereich des Laizer Tors, des Stadtgrabens
und der Hauptgasse, Ausschnitt aus Abb. 1. Umzeichnung
eines Ausschnitts aus dem Stadtplan "Sigmaringen im
Jahre 1823". Gebäude mit Gebäude-Nm.; fürstl. Gebäude
mit kräftiger Schrajfur, kirchl. Gebäude mit Kreuzschraffur städt. Gebäude (Torstüble, Gebäude-Nr.46) mit
Schraffur nach links oben.
mente vgl. die Grabungsaufnahme des späteren Stadtbaumeisters Heck vom 1. September 1926, STAS, Dep. 1, T3, Akten Nr. 1195
11) Zur Datierung des Schlosses vgl. Walter Kaufhold, Schloß Sigmaringen. Die
Geschichte der Burg und der Schlossherren, München/Zürich 3. Aufl. 1965 (Kleine
Kunstführer; 580), S. 14; zum Rathausbau vgl. Anm. 7.
12) Zur Bedeutung Sigmaringens als Marktort vgl. Theo Hornberger, Die hohenzollerischen Städte. Diss. Uni Tübingen. Hechingen 1935.
13) Zitat bei Maren Kuhn-Relus, Sigmaringen 1077-1977, hrsg. von der Stadt Sigma-
Rechts: Lageplan über den westlichen Altstadtbereich im
jähr 2002; Ausschnitt wie nebenstehender Lageplan; Gebäude mit Haus-Nrn.; Gebäude derfürstl. Hoßammer
mit kräftiger Schraffur kirchl. Gebäude mit Kreuzschraffur; Grundstücksgrenzen, Gestrichelte Linien, Grundlage:
Katasterkarte, Vorlage: Plansammlung Gäßler
(Zeichnungen: F.-S. Gäßler)
ringen, Sigmaringen 1977, S. 11-66, S. 45. Zum rechtlichen Status vgl. Andreas Zekorn, Zwischen Habsburg und Hohenzollern. Verfassungs- und Sozialgeschichte der
Stadt Sigmaringen im 17. und 18. Jahrhundert. Sigmaringen 1996 .
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Abb.l:
Lageplan der Stadt Sigmaringen um 1823 (oben) mit der
Donauschleife, dem von Alexander Frick vermuteten
hochmittelalterlichen Stadtumgriff (punktiert), dem
spätmittelalterlichen Stadtmauerverlauf, dem Grabenbereich, den beiden Stadteinfahrten im Osten und Westen
/Laizer Tor und Mühltor), der Hauptgasse, den drei weiteren Pforten sowie dem Höhenprofil (unten) vom Rathaus
aus nach Westen und nach Nordosten, jeweils zu den Donaubrücken hin.
Vorlage: Plansammlung Gäßler/Zeichnung: F.-S. Gäßler).
25
M111 f
Flfcl
Abb.3:
Grundriß und Aufrisse des sog, "Thorstübles" an Laizer
Tor in Sigmaringen, sowie Rekonstruktion des daran
anschließenden ehemaligen Laizer Tors und dessen Umgebung (links oben Westfassade, rechts oben Südfassade,
darunter Grundriss des Torhauses (mit Kreuzschraffur),
Kellergeschoßgrundriss des 1988. abgebrochenen nordöstlich davon stehenden Gebäudes Fürst-Wilhelm-Str. 38,
und umriß des Gebäudes Fürst-Wilhelm-Str. 40, nordt
westlich des "Thorstübles"gelegen.
Vorlage: Plansammlung Gäßler (Zeichnung: F.-S. Gäßler).
Quelle: SIAS, Dep. 1, Bd. 3, Akten Nr 1184; sowie Akten
des Bauordnungsamts der Stadt Sigmaringen.
Jahre 1533 geschaffen. Die Entwürfe dazu werden dem Meister von
Meßkirch zugeschrieben. Sie gehören heute zum wertvollsten Besitz
an Glasmalerei im Landesmuseum Stuttgart. Wo aber blieben die
übrigen wertvollen Glasfenster ? Diese Frage zu beantworten könnten einige im Archiv von Hornstein Grüningen aufgefundene bruchstückartige Abschriften eines Briefverkehrs aus dem 19. Jahrhundert
zwischen dem Haus von Hornstein und dem Kameralamt Heiligkreuztal helfen.
Unter dem 12. Dez. 1828 schrieb Freiherr Honor Carl von Hornstein
zu Grüningen (1761 - 1838) an das Königl. Kameralamt in Heiligkreuztal, er wisse ,daß sich im Kreuzgang des Klosters noch mehrere
„gemalte Scheiben von seinem Familienstamm befinden, er wäre
dankbar, wenn man ihm diese Scheiben auf seine eigenen Kosten
überlassen würde. Sollte dies mit nur mit Genehmigung der höheren
Behörde möglich sein, so bitte er, sein Ansuchen durch einen günstigen Bericht zu befördern." - Offensichtlich ist der Bitte Honor
Carls nicht entsprochen worden. Er gab jedoch keine Ruhe und
wandte sich Mitte des Jahres 1829 erneut an das Kameralamt, das die
Abb.4:
Bitte des Grüninger Freiherrn im Juni des Jahres an die Königlich
Ausschnitt aus dem Ölbild "Sigmaringen, Schloß und
Württembergischen Finanzkammer des Donaukreises in Ulm weiterStadt vom Mühlberg aus". Deutlich erkennbar der Turm
leitete. Von diesem wurde das Kameralamt Heiligkreuztal angewiedes Mühltors mit Satteldach und Dachreiter nördlich des
Ow'schen Hauses (Schwabstr. 1) und teilweise verdeckt sen, es solle dem Freiherrn von Hornstein zu Grüningen zu erkennen geben, „daß man dieser Bitte um so weniger zu entsprechen
durch das hochaufragende fürstliche Bräuhaus. Im Vordergrund ist die Mühle mit dem Donauwehr zu sehen und
wisse, als denen von Hornstein durch die diesseitige Entschließung
rechts oben ein Teil des Hochschlosses mit dem gewaltivom 09- März 1824 von den meisten Fensterscheiben mit Wappen
gen Walmdach. Foto: Franz-Seberin Gäßler; Vorlage:
ihrer Familie und um welche dieselben neuerlich gebeten haben, je
Fürstlich Hohenzollemsche Sammlungen, Sigmaringen.
ein Doppelstück überlassen worden sei." - Wir erfahren also beiläufig, daß Honor Carl im Jahre 1824 schon bemalte Fensterteüe mit
Hornsteinschen Wappen aus Heiligkreuztal erhalten hatte.
Nach dem Tode Honor Carls 1838 übernahm der Sohn Carl Theodor
von Hornstein (1801 - 1862) das Hauswesen in Grüningen. Wie sein
Vater in früheren Jahren, so wurde auch er beim Kameralamt HeiHANS PETER HAUIER
ligkreuztal vorstellig und bat um Gegenstände aus ehemaligem Klosterbesitz. Ihm gelang es im Jahre 1841 mit Zustimmung der KönigÜber den Verbleib fehlender spätmittelalterlicher Glasmalelichen Württ. Finanzkammer ein geschnitztes Hornsteinwappen aus
reien der Klosterkirche zu Heiligkreuztal.
der Kirche in Heiligkreuztal zu erhalten. Er erhielt es allem nach geschenkt, denn von einem Kaufpreis ist bei der gegebenen Erlaubnis
Die heute noch vorhandenen mittelalterlichen Glasmalereien der
aus Ulm nicht die Rede! Man muß annehmen, daß diese GroßzügigKlosterkirche Heiligkreuztal gehören zu den bedeutendsten künstlekeit der Finanzkammer Karl Theodor von Hornstein veranlaßt hat,
rischen Leistungen ihrer Art im siidwestdeutschen Raum. Leider
um die im Kreuzgang noch herumstehenden Glasbilder zu bitten.
handelt es sich bei diesen Kunstwerken nur noch um Bruchstücke
Das Kameralamt Heiligkreuztal dürfte daraufhin der übergeordneten
der einstmals vorhandenen, wesentlich umfangreicheren FensterBehörde den nicht besonders guten Zustand dieser erbetenen Glasverglasung.
malereien mitgeteüt haben, worauf diese die Büder an den Freiherrn
Nach der Säkularisation ging die württembergische Regierung als
von Hornstein abgab. Unter dem 01. Sept. 1844 brachte Karl Theoneuer Besitzer der Klosteranlage sehr stiefmütterlich mit den ihr zudor die Glasgemälde zur Reparatur an „Lindenmayer in Ulm". Er
gefallenen Kulturgütern um. In der heutigen Pfarrkirche, ehemals
scheint sich des Werts dieser Glasfenster wohl bewußt gewesen zu
Klosterkirche, wurden damals offensichtlich eine ganze Anzahl wertsem und beschrieb sie vor dem Abtransport nach Ulm auf einem teilvoller Glasfenster heraus genommen und lagerten viele Jahre weitweise
schwerlesbaren Schmierzettel folgendermaßen:
gehend unbeachtet im Kreuzgang des Klosters.
(Nicht eindeutig lesbare und teilweise überschriebene Stellen sind
Das heute von so vielen Besuchern bewunderte Mittelfenster im Chor
mit „ ( ? ) " gekennzeichnet!)
der Kirche wurde aus Resten der 3 ursprünglich vorhandenen Chorfenster zusammengetragen. Diese Fensterbüder stammen größtenteils aus dem Jahre 1305 und sind eine Stiftung der Äbtissin Elisabeth
1. Große Tafel mit 2 Wappen
von Stoffeln ( 1 3 0 7 - 1312).
Jörg Wühelm Streitt von Imendingen, Johann Streitt von
Imendingen
Anno Domini MDCIV - 1 6 0 4
Die im Jahre 1870 der Königlichen Altertumssammlung in Stuttgart
zugeführten 6 Wappenscheiben aus den oberen Fenstern des Kirchenschiffs wurden unter der Äbtissin Veronika von Riedheim im
2. Eine große Tafel mit einem Wappen von Reischach von Dietfurt
26
Anno 1578
Steim, Karl Werner: Heiligkreuztal, - vom Kloster zum Dorf S 24 - 27
Riedlinger Zeitung
Beilage: Der Bussen - Heimatblätter für den Bezirk Riedlingen
2. Jg. (1931) Nr. 11-
3. Eine große Tafel mit 2 Wappen Hans Schultheiß
und
Bar bara Schultheiß geborene von Buyer Anno 1578 (?)
(sicher: 157?)
4. Eine große Tafel mit einem Wappen (die Auferstehung)
Elisabeth Pfingern von Graneck 115.7
5. Eine große Tafel mit 1 (oder 2 ?) Wappen Gabriel und
Raphael Reichlin von Meldegk,
beide Gebrüder zu Lieburg - 1 5 7 4
6. Eine kleine Tafel, Christus am Kreuz mit 1 Wappen. Melchior
Ludwig von Münchhausen und dann von Neuhausen
- A n n o 1573
„mit 2 Wappen" (nachträglicher Ergänzungseintrag,
- unklar ob zu Nr. 6 oder Nr. 7 gehörig!
Die Glasmalereien aus dem ehemaligen Cisterzienserkloster
zu Heiligkreuztal
7. Seyfried von Ulm von Roßwangen, oben mit Schweinjagd
8. Ein Wappen, Hans Friedrich von Iffling der von Graneck 1573
9. Ein Wappen
(?) Stebenhaber 1575 BL (?)
10. Ein Wappen Jerg von Neuhausen Anno Domini 1580
11. Ein Wappen - Barbara von Neuhausen geb. von Stain von
Klingenstein 1580
12. Ein Wappen Christoph von Sirgenstein zu Mowiller 1601
13 Mit 2 Wappen Hans Caspar von Ulm Vogt zu Gaienhofen
1575 Dorothea von Ulm zu Hoheneckh sein Ehegemahl
Ob noch weitere Glasbilder vorhanden waren, die nicht zur Reparatur gegeben wurden, ist nicht bekannt. Das weitere Schicksal der
Glasbilder kann aus mündlichen Überlieferungen der Familie von
Hornstein rekonstruiert werden.
Die farbigen Glasbilder waren zum Einbau in Fenster des Schlosses
Grüningen nicht geeignet, weil sie die Räume dunkel gemacht hätten. So standen sie vermuüich Jahrzehnte in unbewohnten Räumen
unter dem Grüninger Schloßdach. Vor dem II. Weltkrieg verschenkte sie Hans Christoph von Hornstein (1906 - 1948) an seinen
damaligen Freund in Freiburg namens .Junghans". Dieser habe damals diese Fenster in das Treppenhaus seines Wohnhauses eingebaut.
Es wären Nachforschungen notwendig, um zu klären, ob die wertvollen Glasmalereien aus der Klosterkirche in Heiligkreuztal noch
existieren!
Quellen:
Archiv von Hornstein Grüningen
Heiligkreuztal, Chorfenster um 1312
HEDWIG MAURER
Abgegangene Siedlungen im Gebiet der ehemaligen Grafschaft Zollern
und dem alten Kreis Hechingen (Fortsetzung)
wie Mössingen und Belsen im Besitz der Grafen von Zollern. Stainshofen lag etwa 1,5 km südlich des Westrands von Belsen am Geisbach. 1342 bestätigte "Graft Friderich von Zolr der elter, der herre
zu Zolr ist" als Gerichtsherr den Verkauf von Gütern zu Belsen, zu
106
Stainshofen
TK7620
FK SW 1402
Belsen
Stainshofen, Sankt Johannisweüer und Buch waren im 14. /15. Jh.
27
r
Buch, zu Steinshofen und zu St. Johannisweiler von Johann von
Genckingen an das Kloster Stetten. Bei der Erbteilung von 1402 zwischen den Grafen Friedrich dem Älteren, genannt Öttinger, und Eitelfriedrich von Zollern erhielt der Öttinger: "Messingen das Dorf,
Eschingen das Dorf, Belsan das Dorf, Stainshofen, Sant Johanswiler,
Stetten, Boll, Semdach, zell und der tail an der altenstatt ze hechingen". An Eitelfritz fielen: "Schlatt, Bürran, Spehtzhart, wiler ob
Schlatt, Killer, husen, Burladingen, Maigingen und das zehendli ze
Ringingen. 1407 machte der Öttinger eine Wittumsverschreibung
der obigen Güter an seine Gemahlin Anna Gräfin von Sulz. 1415 verkaufte er einen Teil seines Besitzes an Eberhard von Württemberg.
Nachdem der Öttinger geächtet worden war, wurde Burckard von
Reischach und Volkard von Ow 1417 in seine Güter eingewiesen. Im
gleichen Jahr verkaufte Volkards Sohn, nach dessen Tod, die Besitzungen an Eitelfritz. Aus dem langen Bruderzwist zwischen den Zollern war Eitelfritz als Sieger hervorgegangen. Es gelang ihm einen
Teil der verpfändeten Güter wieder zu lösen. Im Jahre 1435 ließ er
von Wernher Bickelsperg ein Lagerbuch anlegen worin alle Einkünfte des Grafen festgehalten wurden. Dort sind auch Einträge, die
Zahlungen aus heute abgegangenen Orten festhalten, zu finden. So
gibt "die Sitzin ob Schönn Hof 13 Schilling uß irem guet ze Stanshoven. Reste einer Burg sollen auf der Flur Tiergarten bei Mössingen
erhalten sein.
1435 "Die Gnepfferin git vom agker zu Uffhofen 1 Schöffel habern".
Dieser Weüer ist vermutlich in Burladingen aufgegangen.
110
Umlauf
TK7619
FKSW1612,1712
Grosselfingen
FN: Umlauf
1748 wurde ein Bericht abgefaßt über die Kosten der "Hohenzollern
- Hechingischen Lust - und Jagdhäuser" den J. A. Kraus 1935 veröffentlichte. Da steht über das "neue Jagdhaus auf dem sog. "Umlauf'
folgendes geschrieben: "Zunächst bei diesem Gebäude seynd die
also betitulten Schwarzen Wälder gelegen, in welche sich seit einigen
Jahren das schwarze Wüdpreth aus anderen Forstdistrikten sehr
stark gezogen. Weüen nun dadurch der Wüdschaden in diesem Revier vermehret worden, und die Untertanen deswegen öfter Klage geführet, so haben Ihro Hochfürstliche Durchlaucht zu Bezeugung ihrer Landesfiirstlichen Milde gnädigst erlaubet, daß ermelte Wälder
mit einem Zaun umfangen werden dörffen. Da nun die Wälder eo
ipso zu einem Tiergarten geworden, so haben Höchstdieselben (der
Fürst) teüs zur Wohnung eines Tiergärtners, teüs um von der Schweinejagd in diesen Wäldern zur Winterszeit desto gemächlicher profitieren zu können, für sich und einige Diener ein Jagdhaus innerhalb
dieses Wüdzauns auf einem Allmandplatz erbauen zu lassen, der bis
dato noch der Gemeinde Grosselfingen zugehört, wie auch auf der
Rangendinger Gemarkung eine Wohnung für einen Zaunknecht erstellt wurde. Herauf wurde bis Ende 1747 ausgegeben: 1932 Gulden,
43 Kreuzer".
107
Staufifenburg
TK 7619
FKSW1509
Hechingen/Rangendingen
Die wenigen Reste der Stauffenburg finden sich beim Stauffenburger
Hof auf einem Bergvorsprung zwischen Zimmerbach und Starzeltal,
der schroff zu den beiden Tälern abfällt, auf den übrigen Seiten war
die Burg durch Wallgraben geschützt, von denen einer noch eine
stattliche Tiefe aufweist. Infolge der Lage war die Burg geeignet Starzel - und Zimmerbachtal zu überwachen und zu beherrschen. Das
Geschlecht, das hier seine "vesti" baute, waren die Schenken von
Stauffenberg. Sie bekleideten einst das Schenkenamt bei den Grafen
von Zollern. Im Jahre 1317 tauchte der Name erstmals auf. Das Geschlecht blüht noch heute. Zwei seiner Söhne Berthold und Claus
wurden 1944 von den Nazis ermordet. Die Burg kam von den Herren von Stauffenberg in verschiedene Hände. l603 und 1610 lebten
zollrische Vögte auf der Burg. 1605 ist ist Caspar Ruof Burgvogt zu
Stauffenburg und Crist Boll als Wirt dort genannt. An den Besitz der
Schenken von Stauffenberg erinnert noch der Stauffenburger Hof an
der Einmündung des Zimmerbachs in die Starzel.
In der Nähe des Umlauf entspringt im Wald eine Quelle, die von alten Grosseifingern "Fürstenbrünnle" genannt wird, weil der Fürst
(welcher?), wenn er in diesem Gebiet auf der Jagd war, an dieser
Quelle seinen Durst löschte.
111
Vornagelhof
TK 7620 FKSW 1801,1901, SO 1801
Jungingen
Nordwestlich von Jungingen hegt der Weilerwald von dort kommen
wir über den Gänssteig zu einer Schlucht dahinter, die Vornagel
heißt. Hier lag der 1466 genannte Vornagelhof.
112
Waidenbühl
TK 7619 FKSW 1507,1607
Hechingen
Der Waidenbühl in Hechingen war einst im Besitz der Walchen und
daher eigentlich ein Walchenbühl. Ob die Walchen von Niederhechingen auf diesem Bühl auch siedelten, ist nicht sicher. Von dem in
und um Hechingen reich begüterten Geschlecht der Walchen haben
wir schon bei Semdach gehört. Im Jahre 1298 ist ein Walch Schultheiß in Hechingen. 1318 ein solcher Dekan in Maria Zell. Crusius
widmet den Walchen in seiner "Schwäbischen Chronik" von 1733 einen besonderen Abschnitt und schreibt: "Ihre Wohnung hatten sie
mehrentheils zu Nieder-Hechingen und ihr Begräbnuß im Closter
Stetten". Es ist daher nicht verwunderlich, daß sie dem Kloster als
ihrem Erbbegräbnis reiche Zuwendungen machten.
108
Stockhausen
TK 7619
Wessingen/Zimmern
Otto Bogenschütz von Bisingen schrieb 1988 in der Hohenzollerischen Zeitung, daß die Wessinger und Zimmerner unter gräflicher
Aufsicht die Gemarkung von Stockhausen unter sich aufteüten. Wo
diese Siedlung genau lag, ist nicht bekannt.
109
Uffhofen ?
TK 7720 SO 2305 ?
Burladingen/Mayingen
Fortstetzungfolgt...
28
1
schickt vorangetrieben: Herrschaftsansprüche wurden eher durch
Austarierung der Kräfte und Beruhigung der Konflikte durchgesetzt
als durch militärisches Eingreifen. Wenn von Vorteil machte sich
Habsburg auch die Anliegen seiner mittelbaren Untertanen zu eigen, um so seinen Einfluss zu stärken und seinen Machtanspruch
gegenüber den Lehensinhabern zu behaupten. Es pflegte dabei das
Büd einer starken sowie zugleich gerecht und milde regierenden
»Schutzmacht«, so dass künltige Untertanen wie in Ehingen und
Ulm sogar selbst aktiv wurden, um unter habsburgische Herrschaft
zu gelangen. Übersehen werden darf dabei aber nicht - so ein weiteres Fazit der Autoren - dass diese vermeintlich untertanenfreundliche Politik hauptsächlich dem Interesse der Machtarrondierung und des Machterhalts entsprang. Später, unter württembergischer und hohenzollerischer bzw. preußischer Herrschaft geriet die österreichische Vergangenheit zunehmend in Vergessenheit, was zeigt, dass diese Staaten ihre neuen Untertanen gut zu integrieren vermochten.
Vorderösterreich an oberem Neckar und oberer Donau
"Mit dem Gift der Widersetzlichkeit durchtränkt" waren die bis
1806 österreichischen Untertanen in Dormettingen, Erlaheim,
Nusplingen und Obernheim. Die Orte gehörten zur Herrschaft Kallenberg. Die damals ebenfalls österreichischen Einwohner von
Harthausen und Benzingen, früher zur Grafschaft Veringen, heute
zu Winterlingen gehörend, erhoben sich mit bewaffneter Hand gegen die Grafen von Hohenzollern-Sigmaringen und konnten sich
später von der Leibeigenschaft befreien. Dramatische Szenen
spielten sich vor zum Teil über 400 Jahren in unserer Gegend ab.
Etwas ruhiger war es dagegen in den Orten Schömberg und Binsdorf oder in Dautmergen, Ratshausen, Schörzingen und Weilen
u.d.R., die zur Grafschaft Hohenberg gehörten, einem der vorderösterreichischen Kerngebiete. Auch wenn es vielfach nicht
mehr im Bewusstsein ist: Österreich war bis 1806 mit großen Besitzanteilen im heutigen Gebiet des Zollernalbkreises präsent und
spielte eine zentrale Rolle. Um diese habsburgische Vergangenheit
wieder zu vergegenwärtigen fand am 16. Oktober 1999 in Schömberg-Schörzingen eine Vortragsveranstaltung unter dem Titel "Vorderösterreich an oberem Neckar und oberer Donau" statt. Aus
dieser Veranstaltung ging der gleichnamige Tagungsband hervor,
den Andreas Zekorn, Bernhard Rüth, Hans-Joachim Schuster und
Edwin Ernst Weber im Auftrag der Landkreise Rottweil, Sigmaringen, Tuttlingen und des Zollernalbkreises herausgeben. Das einleitende Kapitel „Habsburg am oberen Neckar und an der oberen Donau verfasste Prof. Dr. Franz Quartal.
Vorderösterreich an oberem Neckar und oberer Donau, hg. von
Andreas Zekorn, Bemhard'Rüth, Hans-Joachim Schuster, Ernst
Edwin Weber im Auftrag der Landkreise Rottweil, Sigmaringen,
Tuttlingen und des Zollernalbkreises, Konstanz: W/K Verlagsgesellschaft mbH, 244 Seiten, gebunden, 2 Farbtafeln, 13 Abb.,
ISBN3-89669-966-0; IF (D) 19,90/SFr 33,50
Zöpfe ab, Hosen an!
Die Fünfzigerjahre auf dem Land in Baden-Württemberg
Nie gab es in den ländlichen Gebieten Baden-Württembergs so
große Veränderungen wie in den Fünfzigerjahren. Dieses Buch
lässt mit thematischen Beiträgen und vielen originellen Fotos die
Zeit des Aufbruch wieder lebendig werden. Noch lebt die alte Dorfwelt scheints unverändert, doch die Vorboten der Moderne treten
immer sichtbarer ins Bild: der Traktor neben dem Pferdefuhrwerk,
das neue Automobil auf der Schotterpiste, der alte Tante-Emma-Laden mit dem Coca-Cola-Schild. -Ein Buch der sieben regionalen
Freilichtmuseen in Baden-Württemberg. Das Buch erscheint zum
Jubiläum 50 Jahre Baden-Württemberg und zur Ausstellungsfolge
»Was machet mer jetzt? - Das Land vor 50 Jahren« (28. April bis
3. November 2002) in den regionalen Freilichtmuseen BadenWürttembergs und im Deutschen Landwirtschaftsmuseum Hohenheim.
Von dem Buch werden alle ehemals österreichischen Orte im Gebiet der genannten Kreise berührt. Dabei war die habsburgische
Herrschaft in den vergangenen Jahrhunderten zeitweilig derart behebt, dass sich die Menschen hier als die "treuesten" habsburgischen Untertanen begriffen. Diese Liebe zu Habsburg war nicht
ohne Grund, regierte doch das Kaiserhaus oftmals mit milderer
Hand als mancher benachbarte Landesherr. Mit dem Friedensvertrag von Preßburg 1805 musste Habsburg Vorderösterreich
und damit seine gesamten Gebiete in Südwestdeutschland abtreten.
Bisherige vorderösterreichische Untertanen wechselten durch diesen Federstrich ihre Staatsangehörigkeit und wurden zu Badenern,
Bayern, Württembergern und Hohenzollern.
Die Autoren des vorliegenden Bandes machten sich für das Gebiet
am oberen Neckar und an der oberen Donau von Schramberg im
mittleren Schwarzwald bis Sigmaringen an der Donau auf Suche
nach der gemeinsamen vorderösterreichischen Vergangenheit.
Die Beiträge zeigen auch für diese Region, dass Vorderösterreich
kein einheitliches Herrschaftsgebiet war, sondern eine seit dem 14.
Jahrhundert gewachsene Ansammlung kleiner und kleinster Gebiete. Diese unterstanden nur zum Teil Habsburg direkt, meist
wurden sie von adligen Lehens- und Pfandnehmern regiert, so dass
Habsburg oft nur mittelbar Herr über die jeweiligen Untertanen
war. Galt das Hauptinteresse Wiens ab dem 16. Jahrhundert den
östlichen Grenzgebieten in Ungarn und Böhmen, so wurde die Erweiterung seines filigranen politischen Machtsystems im südwestdeutschen Raum dennoch diplomatisch und psychologisch ge-
Herausgeggeben von der Landesstelle für Museumsbetreuung
Baden Württemberg und derArbeitgemeinschaft der regionalen
ländlichen Freilichtmuseen Baden-Württemberg, erschienen
im Silherburg-Verlag, Tübingen. 216 Seiten, 193 teils farbige
Abb., EUR 16,90. ISBN3-87407-505-2.
Unternehmen "Wüste" Hitlers letzte Hoffnung.
Treibstoffgewinnung aus schwäbischem Ölschiefer, ein vergessenes Kapitel nationalsozialistischer Terrorherrschaft. Tausende von
KZ-Häftlingen starben in den letzten Kriegsmonaten für ein aussichtsloses Unterfangen. Gegen Kriegsende war die Benzinproduktion in Deutschland fast zum Erliegen gekommen. Hitlers letzte
Hoffnung galt dem ölhaltigen Schiefer unter der Schwäbischen Alb.
Unter dem Decknamen "Unternehmen Wüste" wurde das Öl-schieferprogramm am Fuße der Zollernalb konzipiert. Häftlinge aus
ganz Europa wurden von den Nazis in eilig errichtete KZs gep29
1
fercht. Unter schrecklichen Umständen wurden sie zur Arbeit in
den Ölschieferbrüchen und Verschwelanlagen gezwungen. Mehr
als 3500 Menschen kamen dabei ums Leben. Nach langen Recherchen hat Michael Grandt das erste Buch zu diesem bisher wenig
beachteten Kapitel nationalsozialistischer Terrorherrschaft verfasst. Er beschreibt die Vorgeschichte des Programms, die einzelnen Werke und Lager, die Rekrutierung der Häftlinge, die "Todesmärsche" nach der Evakuierung und das Verhalten der Bevölkerung, auch die Rache der Befreiten. Er schüdert die Exhumierung
der Leichen und die Fortführung des Ölschieferprojekts unter französischer Besatzung. Er behandelt die Kriegsverbrecherprozesse
in der Region, weil sie etwas von der Psychologie der Täter verraten, und bietet einen Überblick über die heutigen Gedenkstätten.
Historische und aktuelle Fotos runden den Band ab, der weit mehr
ist als eine Untersuchung von begrenzt regionalgeschichtlichem
Wert. Ein Buch das von der Geschichte des Erinnerns handelt und
den Opfern des Nazi-Terrors eine Stimme verleiht. Der Autor
Michael Grandt, geb. 1963, arbeitet als freier Journalist, Referent,
Fachberater und erfolgreicher Buch- und Drehbuchautor.
ten, 37 Abbüdungen, kartoniert:, Euro 18,90. ISBN 3-87407-5087. Erschienen im Silberburg-Verlag, Tübingen.
Helmut Eberhard Pfitzer:
Verschtand ond Gfühl,
Gedichte, Skizzen, Chansons
Der Stuttgarter Autor Pfitzer hat auch in unserer Region auf sich
aufmerksam gemacht: als Mundart-Kabarettist und durch Aultritte
der von ihm mitgegründeten Gruppe "Liederleut", die weit über
den schwäbischen Raum hinaus Anerkennung fand.
Im Büchlein "Verschtand ond Gfühl" (94 Seiten, Silberburg-Verlag,
Tübingen, ISBN 3-87407-520-6) spürt der Autor den Eigenheiten
der Menschen allgemein und der Schwaben im Besonderen nach:
mal im Dialekt, mal Hochdeutsch, mal in Versen und mal ungereimt. Er vergleicht die Schwaben mit den Berlinern, er sinniert
über menschhche Beziehungen, er philosophiert und übt Zeitkritik, er offenbart Liebe zur Natur und Umwelt, er zeigt Verbundenheit zum Ländle und seinen Bewohnern. Seine Texte sind eine gesunde Mischung, die sowohl Nachdenklichkeit als auch Humor
ausstrahlt.
ba
Michael Grandt:
Unternehmen "Wüste" - Hitlers letzte Hoffnung.
Das NS-Ölschieferprogramm auf der Schwäbischen Alb. 224 Sei-
HERBERT RÄDLE
Die Laizer Anna Selbdritt - ein Werk der
Ulmer Weckmann-Werkstatt
Die Reichsstadt Ulm, im Spätmittelalter eines der wichtigsten Kulturzentren Süddeutschlands, bot vielen Bildhauern und Malern reiche Arbeitsmöglichkeiten.
Unter den Bildschnitzern war Nikiaus Weckmann (Schaffenszeit
1481-1528) der bedeutendste. Seine gut organisierte Werkstatt
lieferte in den Jahrzehnten um 1500 zahlreiche Bildwerke auch für
das Gebiet des Raumes Sigmaringen, darunter die Figuren des Bingener und des Ennetacher Altars.
Die Bedeutung der Weckmann-Werkstatt für die schwäbische Plastik in der Zeit zwischen 1500 und 1530 kann kaum überschätzt
werden. Bei den Vorarbeiten zu der Weckmann-Ausstellung, die
im Sommer 1993 in Stuttgart stattfand, wurden über 6oo Bildwerke aus dieser Werkstatt und ihrem Umfeld gezählt. Nur ein geringer Teil davon konnte ausgestellt werden. Aber auch der umfangreiche Katalog ( 1 ) , der zur Ausstellung herausgebracht wurde,
mußte unvollständig bleiben.
Im Katalog nicht aufgeführt, aber dennoch herkunftsmäßig zur
Weckmann-Werkstatt gehörig, ist eine Anna Selbdritt in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Laiz bei Sigmaringen (Abb. 1). Manfred Hermann (Kunst im Landkreis Sigmaringen, 1986, S. 122)
ordnet die Laizer Anna Selbdritt treffend in ihren kunst- und geistesgeschichtlichen Zusammenhang ein und beschreibt sie wie
folgt: "Am Ausgang des Mittelalters war die hl. Anna als Schutzherrin der Mütter neben ihrer Tochter Maria die meistverehrte
Heilige. Freilich ist sie kaum einmal allein dargestellt, vielmehr zusammen mit der Gottesmutter, wobei beide sich dem spielenden,
Abb.2:
Anna Selbdritt. Achstetten Kreis Biberach. Kath. Pfarramt.
Lindenholz, hinten ausgeholt. Fassung aus dem 20. Jahrhundert. Höhe94 cm, Ulm, Beckmann-Werkstatt, um 1520.
Bildnachweis: Austeilungskatalog, wieAnm. 1, S. 468
30
1
zumeist nackten Jesuskind zuwenden. Beide Frauen versinnbildlichen das stille häusliche Glück der Familie, in der Gott als Kind eingekehrt ist. Zugleich stellt die Gruppe ein irdisches Gegenstück zur
himmlischen Dreifaltigkeit dar.
Bei der Laizer Gruppe ist klar die hl. Mutter Anna betont, die als
Matrone mit Kopf- und Halsschleier, mit rotem Kleid und goldenem
Mantel mit blauem Futter wiedergegeben ist. Die sitzende Heilige
hält das Jesuskind auf dem rechten Knie, wobei sich die Finger der
Rechten sacht in das rosige Fleisch eindrücken; mit der Linken
umfaßt sie die neben ihr stehende, mädchenhafte Maria. Diese hat
sich mit ihrem lieblichen Gesicht und goldener Krone voll dem auf
dem Knie der Großmutter balancierenden Kind zugewandt und
reicht ihm mit der Linken einen roten Apfel. Der Jesusknabe wiederum hebt sein lockiges Köpfchen der hl. Anna entgegen, die sich
ihm liebevoll zuneigt, und tastet etwas unsicher mit beiden Händen
nach der köstlichen Frucht. So ergibt sich dreiecks-förmig durch
die Blickrichtung der Dargestellten eine innige Verbindung, die
herauszuarbeiten wichtigste Aufgabe des Bildhauers war. Höchst
lebendig hat dieser aber auch die Drapierung der Mäntel vorgenommen. Jener der hl. Anna ist von links her über beide Knie geschlagen, hier einen Wulst bildend und unter dem Kind so gewendet, daß das blaue Innenfutter sichtbar wird. Zwischen den Knien
ist der Mantel eingesunken, eine V-Falte bildend, die in ähnlicher
Form auch links an der Bank auftritt. Schlichter ist das in rotsüberner Lüsterfassung gegebene Kleid und der goldene Mantel der
Gottesmutter drapiert, die ziemlich glatt niederfließen"
(Hermann, S. 122).
Dieser Beschreibung kann man sicherlich nichts Wesentliches hinzufügen außer vielleicht einem Hinweis darauf, mit welcher Kunstfertigkeit der Meister die Hände der Figuren gestaltet und angeordnet hat. Zärtlich und schätzend umschließen die Hände der
Mutter Anna die beiden anderen Figuren: sie halten die Dreieckskomposition gleichsam zusammen. Von der rechten Hand Annas
verläuft über die Füßchen des Jesuskinds und die am Leib angelegte Hand Marias eine wellenförmige Linie hinüber zur linken
Hand der Mutter Anna. Der Abwärtsbewegung der rechten Hand
Marias entspricht im Kontrast die Atifwärtsbewegung ihrer linken
Hand, die den Apfel hält. Die ruhige Harmonie und zugleich bewegte Heiterkeit der gesamten Szene drückt sich sehr schön im
Spiel der Hände um den im Bildzentrum ruhenden Apfel aus.
Hermann schreibt (a.a.O.) die Laizer Gruppe einem "Bildhauer der
Familie Strüb, Veringenstadt (Meister des Rother Altars) um 1515"
zu. Dazu ist korrigierend folgendes zu sagen. Auf dem Rother Altar (heute Reiss-Museum Mannheim) befindet sich auf der Rückseite der Predella die Inschrift: "hans strüb mäler zuo Vertagen hat
diß tafel gemachet do man zalt MCCCCC und XIII jar uff liecht meß"
( = 2. Febr. 1513). Solche nach endgültiger Aufstellung angebrachte Künstlerinschriften auf Altären gibt es mehrfach, und nach
heutigem Wissen ist es so, daß alle diese die Lieferung bestätigenden "Künstlerinschriften von den Faßmalerwerkstätten angebracht
worden sind" ( 2 ) . Es kann also aus obiger Inschrift keineswegs
gefolgert werden, daß Hans Strüb als "Bildhauer" (Hermann) die
Figuren geschnitzt hätte. Er hat sie nur bemalt (gefaßt), und er ist
es auch, der den Altar geliefert, an Ort und Stelle aufgestellt und die
letzte Hand an ihn gelegt hat. Soweit ich sehe, muß die Vorstellung,
daß es in Veringenstadt Strüb-Bildhauer gegeben hätte, aufgegeben
werden. Die Veringer Strüb-Familie war eine Malerfamilie. Der
hier genannte Hans Strüb hat - zusammen mit seinem Bruder Jakob Strüb - u.a. auch die Tafeln des Inzigkofer Altars gemalt
(=Meister von Sigmaringen). Die Laizer Anna Selbdritt ist aus
mehreren Gründen mit großer Sicherheit der Büdhauerwerkstatt
des Nikiaus Weckmann zuzuweisen:
1. spricht die hohe künstlerische und handwerkliche Qualität für
eine Entstehung in einer namhaften Werkstatt, 2. weist die Laizer
Gruppe in mehrfacher Hinsicht Ähnlichkeit mit anderen, ebenfalls
in der Weckmann-Werkstatt entstandenen Darstellungen der hl.
Mutter Anna auf, nämlich einer aus Rottweü (Katalog wie Anm. 1,
S. 134), einer aus Domat /Ems in der Schweiz (ebd. S. 358), einer aus Stuttgart (ebd. S. 467) und einer aus Achstetten im Landkreis Biberach, die wir in Abb. 2 zeigen.
Die Achstettener Figur (Abb. 2 ) weist sowohl Obereinstimmungen
als auch Unterschiede im Vergleich mit der Laizer Anna Selbdritt
auf.
Der augenfälligste Unterschied ist wohl der, daß bei der Achstettener Figur Maria nicht als stehende, relativ große Ganzfigur wiedergegeben ist, sondern - fast zu einer Art "Attribut" verkleinert - auf
dem Schoß der Mutter Anna sitzend und in der Bibel lesend: kompositorisch ein reines Pendant zum Jesuskind. Deutliche Unterschiede bestehen auch in der Gestaltung der Gewanddrapierung.
Sehr ähnlich erweisen sich hingegen bei einem Vergleich der beiden Figuren in Abb. 1 und 2 die Gestaltung von Kopf und Gesicht
der hl. Mutter Anna (Kopfneigung, Blickrichtung, Nase und Mund,
Kopfschleier und Halstuch). Das Jesuskind ist in beiden Fällen stilistisch nahezu identisch (Haartracht, Gesicht, Haltung von Armen
und Beinen), nur ist es auf der Achstettener Darstellung um ca. 90
Grad gedreht und blickt, wie übrigens auch Maria, auf den Betrachter. Insbesondere auch die Art, wie Annas rechte Hand das
Kind hält, sowie die Gestaltung dieser Hand ist in beiden Fällen
sehr ähnlich.
Diese signifikanten stilistischen und sonstigen Ähnlichkeiten weisen eindeutig auf die Entstehung beider Darstellungen in ein und
derselben Werkstatt, und sicherlich handelt es sich dabei um die
Ulmer Weckmann-Werkstatt.
In der neuesten Ausgabe (1997) des Dehio'schen Handbuchs findet sich übrigens die Laizer Anna Selbdritt aus welchen Gründen
immer nicht mehr verzeichnet.
ANMERKUNGEN:
1) Katalog "Meisterwerke massenhaft - Die Bildhauerwerkstatt des Nikiaus Weckmann und die Malerei in Ulm um 1500, Hrsg. vom wiirtt. l.andesmuseum Stuttgart,
Stuttgart 1993.
2) Vgl. Katalog wie Anm. 1, S. 323 f. unter der Überschrift
"Malerinschriften". Zitatauf S. 324.
3) Zur Veringer Werkstatt der "Meister Hans und Jakob Strub vgl. Claus Grimm und
Bernd Konrad, Die Fiirstenberg Sammlungen Donaueschingen, München 1990, S.
154-161.
31
Verlag:
Hohenzollerischer Geschichtsverein
Karlstraße 3, 72488 Sigmaringen
E 3828
PVSt, DPAG, »Entgelt bezahlt«
Abb.l:
Anna Selbdritt. Pfarrkirche St. Peter und Paul, Sigmaringen-Laiz. Lindenholz, hinten ausgehölt. Alte Fassungfreigelegt und ergänzt. Höhe 90 cm. Ulm, Weckmann-Werkstatt, um 1520. Bildnachweis: Hermann, Kunst im Landkreis Sigmaringen, 1986, S. 123. Dort einem Striib-Bildhauer zugewiesen. Jedoch sind meines Wissens nur
Strüb-Maler belegt. Vgl Ausstellungskatalog, wieAnm. 1,
S. 322-324
HOHENZOLLERISCHER HEIMAT
herausgegeben vom Hohenzollerischen
Geschichtsverein, Postfach 1638,
72486 Sigmaringen
ISSN 0018-3253
Erscheint vierteljährlich.
Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat« ist
eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung im alten Land Hohenzollern und den angrenzenden Landesteilen mit der
Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie
bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge.
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enthalten. Bezugspreis für Nichtmitglieder
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Die Autoren dieser Nummer:
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Heimat« weiterzuempfehlen.
32
Hohen/ollerische Heimat
Herausgegeben vom
52.Jahrgang
Hohenzollerischen Geschichtsverein
Nr. 3 - September 2002
E 3828
200Jahre Sä
2003 jährt sich die Säkularisation, die Aufhebung (fast) aller
Klöster und der Untergang der geistlichen Staaten in der Zeit
Napoleons, zum 200. Mal. An diese bedeutende Zäsur in der
Geschichte gerade auch von Südwestdeutschland erinnert das Land
Baden-Württemberg mit der Großen Landesausstellung "Alte
Klöster - neue Herren: Säkularisation im deutschen Südwesten"
vom 12. April bis 5. Oktober 2003 im Neuen Kloster von Bad
Schussenried. Begleitend zu dieser vom Württembergischen Landesmuseum und der Gesellschaft Oberschwaben für Geschichte
und Kultur gestalteten Schau mit rund 900 Exponaten, findet landesweit eine Fülle von Veranstaltungen und Projekten zum "Säkularisations-Gedenkjahr" vor Ort statt.
Im Landkreis Sigmaringen beispielsweise ist geplant, alle ehedem
17 Klöster von Mariaberg bis Pfullendorf und von Beuron bis
Moosheim mit Vorträgen und Führungen der Bevölkerung vorzustellen und mit Musik-, Kunst- und Theaterveranstaltungen zu "bespielen". Vorbereitet werden u.a. die Herausgabe eines Klosterfüh-
rers, die Erarbeitung einer Multi-Media-Schau unter dem Titel
"Klöster im Landkreis Sigmaringen in Geschichte und Gegenwart",
eine Kunstaktion im Kreuzgang des Klosters Inzigkofen, ein "Ordenstag" zu den Benediktinern in Beuron, eine Kreisexkursion an
die Stätten der klösterlichen Geschichte sowie verschiedene Konzerte mit klösterlicher Musik. Nähere Informationen:
www.landkreis-sigmaringen.de/saekularisation
Unser Bild zeigt das ehemalige Benediktinerinnenkloster Mariaberg über dem Laucherttal. Vor ziemlich genau 200 Jahren, am
24. September 1802 wurde das Kloster von württembergischem
Militär besetzt. Am 1. Mai 1847 zog die von Amtsarzt Dr. Rösch
gegründete Heil- und Erziehungsanstalt in das Gebäude ein. Heute
sind die Mariaberger Heime die älteste Einrichtung für geistig Behinderte in Deutschland. Vor ca. 20 Jahren wurden Kirche und
Klostergebäude vorbildlich renoviert. Das Foto von i960 zeigt den
Zustand vor der Renovierung. (Foto H. Burkarth)
Pfarrer Richard Schell zum Gedenken
GERD BANTLE
Am 25. Mai 2002 starb in Sigmaringen im gesegneten Alter
von 91 Jahren der Geistliche Rat
Pfarrer i.R. Richard Schell. Der
aus Bisingen stammende Geistliche hatte als Zögling des Fideliskonvikts am damaligen
StaaÜichen Gymnasium in Sigmaringen das Abitur abgelegt.
Nach dem Studium der Theologie an den Universitäten Freiburg und Tübingen wurde er
am 27. März 1938 in Freiburg
von Erzbischof Dr. Konrad GröGeisflicher. Rat Richard Schell ber zum Priester geweiht.
Monsignore Carl Vogel,
Pfarrer und Kommunalpolitiker
Vor 50 Jahren trat Pfarrer Monsignore Carl Vogel in den Ruhestand. Der Erzbischöfliche Geistliche Rat und langjährige Priester
in Straßberg ist bis heute in Hohenzollern unvergessen, denn er hat
sich auch als engagierter Politiker einen Namen gemacht.
Carl Vogel stammte aus Frohnstetten, er wurde dort am 18. März
1879 geboren. Sein Vater war Lehrer. Nach dem Besuch der Gymnasien in Sigmaringen und Rottweil studierte er in Freiburg Theologie. 1902 wurde Vogel zum Priester geweiht.
Die meiste Zeit seines Priesterlebens verbrachte Richard Schell in
Gemeinden seiner hohenzollerischen Heimat. So war er von 1949
bis 1956 Pfarrer von Liggersdorf im Hohenfelser Land. Von 1958
bis zu seiner Pensionierung wirkte er als Stadtpfarrer in Sigmaringen, w o er eine überaus rege und fruchtbare Tätigkeit im Weinberg
des Herrn entfaltete.
Auch nach seiner Pensionierung hatte Richard Schell zahlreiche
Ämter in Einrichtungen der Erzdiözese Freiburg inne und half in
der Seelsorge aus. Lange Jahre war er Regionalaltenseelsorger und
Heimseelsorger im Altenheim St. Elisabeth in Gammertingen. Ab
1986 wirkte er als Subsidiär in Trochtelfingen und in Steinhilben.
1998 war es dem Geistlichen vergönnt, das seltene Jubiläum der
Diamantenen Priesterweihe begehen zu dürfen. Die letzten Jahre
seines Lebens verbrachte Richard Schell im Altenheim Josefinenstift in Sigmaringen.
Als solcher wirkte er in der Folgezeit in Gammertingen, Inneringen, Hechingen, Breisach, Sigmaringen, Krauchenwies, Wald und
in Straßberg (in den Jahren von 1918 bis 1951) Der Geistliche genoss hohes Ansehen, was sich auch darin zeigte,
dass er von seinen Mitbrüdern zum Kämmerer gewählt wurde und
dann auch Dekan werden sollte, was er allerdings ablehnte. Erzbischof Dr. Gröber ernannte ihn zum Geistlichen Rat, Papst Pius XII.
zum Ehrenkämmerer.
Im Hohenzollerischen Kommunallandtag wurde Carl Vogel als
Nachfolger von Kamill Brandhuber im Jahr 1922 zum Vorsitzenden
gewählt.
Als solcher war er auch Vorsitzender des Hohenzollerischen Landesausschusses und Leiter des Landeskommunalverbands der Hohenzollerischen Lande. Diese politische Tätigkeit übte er bis 1933
aus.
Das Wirken des bedeutenden Priesters fand auch öffentliche Anerkennung. 1966 erhielt er den Titel Geistlicher Rat ehrenhalber.
1984 erhielt er den Fürstlich Hohenzollernschen Hausorden. 1989
wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.
Pfarrer Schell, der i960 dem Hohenzollerischen Geschichtsverein
als Mitglied beitrat, war darüber hinaus auch ein großer Fidelisverehrer und bedeutender Fidelisforscher. Die Ergebnisse seiner
langjährigen Studien über die Darstellungen des Sigmaringer Stadtheiligen und Patrons von Hohenzollern veröffentlichte er in dem
1977 bei Thorbecke verlegten Band "Fidelis von Sigmaringen
1577-1977. Der Heilige in Darstellungen der Kunst aus vier Jahrhunderten". Es folgte die Übersetzung und Kommentierung der in
der Fürstlich Hohenzollernschen Hofbibliothek verwahrten Handschrift "Fidelitas Coronata", die in der Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte 15 (1979) S. 101-110 abgedruckt wurde. 1986
veröffentlichte Richard Schell bei Thorbecke das T\igendbüchlein
des heiligen Fidelis. Ferner verfaßte er ein Büchlein mit dem Titel
"Leben mit Gott. Der Heilige Fidelis von Sigmaringen", das unter der
Überschrift "Vida em Deus. Säo Fidelis de Sigmaringa" in Piracibaba
im brasilianischen Bundesstaat Säo Paulo in portugiesischer
Sprache herausgebracht wurde.
So nahm Pfarrer Schell zum letzten Mal denn auch an einem Vortrag des Hohenzollerischen Geschichtsvereins am 18. April 2001
im Saal des Fidelishauses in Sigmaringen mit dem Thema "Fidelis
von Sigmaringen, der Heilige der Spanischen Straße" teil.
Dr. Otto H. Becker
Wie sehr Carl Vogel geschätzt war und wie verdienstvoll er gewirkt
hat, kann ein Ausschnitt aus dem „Schwarzwälder Boten" bezeugen: Unter seiner Leitung erfuhr 1929/30 das Landeskrankenhaus
Sigmaringen eine völlige Umstellung und moderne Führung und
Anpassung an die Forderung einer modernen Hygiene.
Die Landesbank wurde ausgebaut und die Nebenstellen Burladingen, Haigerloch und Ostrach wurden errichtet. Die Neueinrichtung
des Landeswohlfahrtsamtes als zusammenfassende Dienststelle des
hohenzollerischen Fürsorgeverbandes verdankt Vogel letztlich ihr
Entstehen.
Und nicht zuletzt galt sein Interesse der Modernisierung des
Straßenwesens und der Anpassung an die neuen Verkehrsverhältnisse.
Der Ausbau der Laucherttalstraße gibt immer davon Zeugnis.
Prälat Vogel, ein verdienter Bürger unserer hohenzollerischen Heimat, starb am 13. Mai 1968 und fand auf dem Straßberger Friedhof sein letzte Ruhestätte.
34
Mitteilungen
aus dem
Hohenzollerischen
Geschichtsverein
Einzelvorträge
Im Rahmen des Landesjubiläums veranstalten der Hohenzollerische Geschichtsverein und die Stadt Hechingen den Lichtbildervortrag von Kreisarchivar Dr. Edwin Ernst Weber, Sigmaringen, und Fotograf Reiner Löbe, Bingen, über die Hohenzollernstraße mit dem Titel
Hängt a Socke iiberzwerch - Hohenzollern in Bildern und
Geschichte.
Montag, 7. Oktober 2002, um 20 Uhr im Hohenzollernsaal des
Neuen Schlosses (Sparkasse Zollernalb) in Hechingen.
Franz-Severin Gäßler, Augsburg:
Der Sigmaringer Leopoldplatz als Zentrum von Kult und
Macht. Die geplante Neugestaltung im Dritten Reich.
Freitag, 25. Oktober 2002, um 20 Uhr im Spiegelsaal des Prinzenbaus (Staatsarchiv) in Sigmaringen.
II. Vortragsveranstaltung
Zum Gedenken an die Säkularisation vor 200 Jahren veranstaltet der Hohenzollerische Geschichtsverein am Samstag, 9- November 2002, im Kapitelsaal des ehemaligen Klosters Inzigkofen (Volkshochschulheim) von 9-45 Uhr bis ca. 17.30 Uhr
ein Kolloquium mit dem Thema
Die Säkularisation in den Fürstentümern Hohenzollern vor
200Jahren.
11.30 Uhr
11.50 Uhr
Kaffeepause
Otto Werner, Hechingen:
Die Säkularisation des Klosters St.
Luzen und des Kollegiatstifts St. Jakob in Hechingen.
12.30 Uhr
14.00 Uhr
Mittagspause
Robert Frank, Haigerloch:
Die Säkularisation des Klosters
Gruol.
14.40 Uhr
Otto Werner, Hechingen:
Die Säkularisation des Klosters Stetten im Gnadental und des Klosters
zum hl. Kreuz in Rangendingen.
15.10 Uhr
15.30 Uhr
Kaffeepause
Doris Muth, Bahngen:
Die Säkularisation des Klosters
Habsthal.
16.10 Uhr
Dr. Otto H. Becker, Sigmaringen:
Das Schicksal der Archive und Bibliotheken der säkularisierten Klöster
in Hohenzollern-Sigmaringen.
Schlussdiskussion und Verabschiedung.
16.50 Uhr
PROGRAMM
9.45 Uhr
10.10 Uhr
10.50 Uhr
Die Teilnahme ist unentgeltlich. Die Kosten für das Mittagessen
(8,50 Euro/Person) sowie für Kaffee und Kuchen (3,25 Euro/
Begrüßung und Grußworte
Person) sind von den Konsumenten aufzubringen.
Dr. Edwin Ernst Weber, Inzigkofen:
Geistliches Leben und klösterlicher
Wegen der Verpflegung und der begrenzten Platzverhältnisse
Alltag im Augustinerchorfrauenstift
muss auf formelle Anmeldung bestanden werden.
Inzigkofen am Vorabend der Säkularisation
Während der Mittagspause besteht die Möglichkeit zur Führung
im Kloster Inzigkofen, der Klosterkirche und im Kreuzgang.
Dr. Andreas Zekorn, Balingen:
Josephinische Säkularisationen inAnmeldungen werden vom Sekretariat des Geschichtsvereins
Hohenzollern-Sigmaringen: Die Auf- jeweils von Montag bis Freitag angenommen (Tel. 07571/
gez. Dr. Becker
hebung der Klöster Gorheim und Laiz 101-580 oder 559).
Vorsitzender
1782.
35
Friedrich Wilhelm von Zeppelin als Dienstsitz zugewiesen, der seit
Juni 1834 Hofmarschall und damit der Vorstand der Fürstlich Hohenzollernschen Hofverwaltung war. Von d e m Angebot d e r
Herrschaft, das Anwesen am Josefsberg käuflich zu erwerben,
mußte der Hofmarschall wegen des Kaufpreises schließlich Abstand nehmen.
Der Graf schied bereits im August 1836 auf eigenen Wunsch aus
dem Fürstlichen Dienst wieder aus und verließ Sigmaringen.
Danach residierte die Fürstin Therese Gustavine von Stolberg-Gedern im Haus am Josefsberg. Die Aristokratin, die übrigens eine
Cousine der Fürstin Amalie Zephyrine von Flohenzollern-Sigmaringen geb. Prinzessin von Salm-Kyrburg ( 1 7 6 0 - 1 8 4 1 ) war, starb am
15. Mai 1837. Die Trauerfeierlichkeiten der ehemaligen Reichsfürstin wurden am folgenden Tag standesgemäß in der Hedinger
Kirche begangen.
Mit herrschaftlicher Genehmigung vom 5. Juni 1837 wurde das
Haus am Josefsberg für 7000 Gulden von dem Geheimen Konferenzrat und Fürstlichen Hofgerichtsdirektor Friedrich Freiherr
von Laßberg ( 1 7 9 8 - 1 8 5 5 ) käuflich erworben. Der Käufer, Sohn
des berühmten Germanisten, Handschriften- und Büchersammlers
Josef von Laßberg ( 1 7 7 0 - 1 8 5 5 ) , hatte sich am 28. Januar 1824
mit Helene Wilhelmine d'Isque von Schatzberg vermählt.
OTTO H. BECKER
Vor dem Abriß:
Das "Klösterle" in Sigmaringen
Der Charakter der Sigmaringer Innenstadt wird in den kommenden Monaten und Jahren durch den Abriß älterer Bauten und
Neubebauung einen tiefgreifenden Wandel erfahren. Es sei hier
nur auf den Anbau des Rathauses sowie den genehmigten Abbruch
des "Deutschen Hauses" und die Neugestaltung des Anwesens am
Leopoldplatz hingewiesen. Starke Veränderung wird auch der
Bereich der unteren Josefinenstraße durch die Erweiterung des Alten- und Pflegewohnheims Josefinenstift erfahren. Diesem Bauvorhaben hatte bereits Ende Mai dieses Jahres das markante
Gebäude Josefinenstraße 4 mit seinem reizvollen Erker weichen
müssen. Geopfert wird ferner auch das bedeutsame Haus Josefinenstraße 2, das sogenannte "Klösterle". Die Geschichte des
Gebäudes an der ehemaligen Landstraße nach Krauchenwies ist in
der Tat bemerkenswert. Es wurde 1832/33 für rund 9000 Gulden
vom Haus Ilohenzollern-Sigmaringen errichtet.
Die Kosten bewegten sich somit größenordnungsmäßig im Rahmen der Baukosten, die ein Jahrzehnt zuvor für die Errichtung des
"Schlößles", aus dem später der Alte Prinzenbau hervorging, aufgebracht werden mußten. Das Anwesen des Hauses am Josefsberg
grenzte im Norden an das Anwesen des Hofkammerrates Bilharz,
das Bilharzhaus, im Süden an den Garten des Regierungspräsidenten von Huber und im Westen an das Anwesen des Sonnenwirts
Heinrich, das heutige Landeshaus. Als Besonderheit wies das
herrschaftliche Haus eine gußeisernen Altane (Balkon) zur Straße
hin auf. Das Haus am Josefsberg wurde zunächst dem Grafen
Die Braut stand offiziell als Hofdame im Dienst der Fürstin Amalie
Zephyrine. Nach den Forschungen von Fritz Kallenberg war Helene
von Schatzberg vermutlich deren Tochter aus der Verbindung mit
Oberst Karl von Voumard. Das Ehepaar von Laßberg wohnte zuerst
auch in der Residenz der Fürstin, dem "Schlößle".
Nach dem frühen Tod des Freiherrn von Laßberg 1838 veräußerte
dessen Witwe das Anwesen am Josefsberg 1841 sodann für 11000
Gulden an die Fürstin Cecilie Rosalie von Salm-Kyrburg geb. Prevost de Bordeaux. Die Freifrau Helene von Laßberg kehrte 1843
Das »Klösterle« in Sigmaringen aufgenommen 1889 von Baurat Eduard Eulenstein. Das 113 Jahre alte Foto ist mit erstaunlicher
Qualität. Reproduktion H. Burkarth
36
Sigmaringen den Rücken und ließ sich in Hertingen im damaligen
badischen Amt Lörrach nieder. Das Haus am Josefsberg wurde
nunmehr Residenz des Prinzen Ernst von Salm-Kyrburg, der im
Fürstlich Hohenzollernschen Bataillon die Charge eines Unterleutnants bekleidete. Auf sein Ersuchen hin wurde der Prinz im Juni
1842 aus dem Militärdienst entlassen und erhielt den Rang und
Charakter eines Hauptmanns à la suite.
Die Fürstin von Salm-Kyrburg versuchte daraufhin, das Anwesen
wiederzuverkaufen. In der Ankündigung der Versteigerung am 15.
April 1845 wird das Anwesen folgendermaßen beschrieben:
sicherung wurden der Anstalt alsbald noch eine Nähschule, ein
Wasch- und Bügelbetrieb sowie ein Badebetrieb angegliedert.
Die Zunahme an Aufgaben machte alsbald auch bauliche Erweiterungen notwendig. 1884/85 erfolgte ein Anbau auf der Südseite, dessen Untergeschoß einen Schlafraum für Haushaltungsschülerinnen und im Obergeschoß eine Kapelle enthielt. Im gleichen Zeitraum wurde an der westlichen Seite des "Klösterles" ein
Waschraum und ein Baderaum angebaut. Dieser Flügel wurde
1887 und 1890 u.a. zur Unterbringung von Badekabinen nochmals
erweitert.
"Ein solid und geschmackvoll gebautes, in den letzten Jahren von
Sr. Durchlaucht dem Fürsten zu Salm-Kyrburg bewohntes Haus,
aus zwei Stockwerken bestehend. In dem untern, von Stein
gebauten Stocke, sind vier Zimmer, zwei kleinere Gelasse und eine
helle, geräumige Küche; im zweiten Stocke ist ein schöner Salon
mit Altane und zwei Zimmern zur rechten und zwei Zimmer zur
linken Seite; in beiden Stockwerken Alles heizbar. Unter Dach
befinden sich fünf zum Theil sehr freundliche und auch geräumige
Zimmer für die Dienerschaft.
Das ganze Haus ist neu und im besten baulichen Zustand, sein Inneres durchgehend nicht nur elegant und bequem, sondern eben
so dauerhaft und praktisch, und geeignet sowohl für Herrschaften
als für Gewerbetreibende.
Dieses Haus, mit einer freundlichen geschlossenen Anfahrt, hegt
von allen Seiten frei an einem dazu gehörigen, etwa einen Morgen
haltenden Obst-, Blumen- und Gemüse-Garten. Anfahrt und Garten
stoßen an eine der frequentesten Straßen der Stadt und behaupten
nebenbei einen der schönsten Theile der Stadt..." Mit ihrem Angebot hatte die Fürstin von Salm-Kyrburg kein Glück.
Zu Ehren der Stifterin erhielt 1902 die damalige Krauchenwieser
Straße den Namen Josefinenstraße. Zum 100. Geburtstag der Fürstin stifteten die Angehörigen des Fürstlichen Hauses Hohenzollern
die von dem in Sigmaringen geborenen und in München tätigen
Bildhauer Prof. Alois Stehle (1854-1932) geschaffene Bronzebüste, die 1913 rechts vor dem "Klösterle" aufgestellt wurde.
Pläne zum weiteren Ausbau des Josefinenstifts wurden durch die
Inflation 1923 zunichte gemacht. Da das Fürstenhaus nicht willens
war, die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen, übertrug
Fürst Friedrich von Hohenzollern (1891-1965) mit Vertrag vom
15. August 1931 das noch verbliebene Fundationskapital dem
Provinzialmutterhaus der "Barmherzigen Schwestern des Heiligen
Vinzenz von Paul" mit Sitz in Heppenheim, von denen das Josefinenstift seit seiner Gründung betreut worden war. 1934 erwarb
das Mutterhaus zur Unterbringung von Pfründnern das Haus Josefinenstraße 4, das für die aktuelle Erweiterung bereits abgebrochen worden ist.
Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich das Josefinenstift
allmählich zu einem reinen Seniorenheim. 1972 wurde der Neubau des Stifts, ein- bis viergeschossiger Komplex, sodann ausdrücklich auch als "Altenheim" eingeweiht. Diesem Bau hatten die
1884/85 an das "Klösterle" angebaute Kapelle sowie die schräg
oberhalb gelegene Kinderbewahranstalt, errichtet 1863, weichen
müssen.
Am 9- März 1846 mußte nämlich ein weiterer Versteigerungstermin anberaumt werden. Mit Kaufvertrag vom 15. März des gleichen
Jahres erwarb schließlich der Baron von Dietfurt den Komplex am
Josefsberg für 9500 Gulden. Der Käufer war der Fürstlich SalmKyrburgische Hofrat André Emile Miné, den Fürst Anton Aloys von
Hohenzollern-Sigmaringen 1826/27 mit dem Prädikat "Baron
Miné von Dietfurt" in den Adelsstand erhoben hatte. Von dem
Baron erwarb 1858 sodann die Oberin Pauline von Mallinckrodt
aus Paderborn für 11000 Gulden das Haus samt Zubehör für ihren
Orden der Schwestern der chrisüichen Liebe, die darin später eine
Elementarschule und eine höhere Töchterschule unterbrachten.
Infolge des Kulturkampfes mußten die Ordensfrauen jedoch bereits 1879 Sigmaringen wieder verlassen. Sie durften erst 1887
wieder zurückkehren. Nach dem Auszug der Schwestern der
christlichen Liebe 1879 wurde die 1875 von der Fürstin Josefine
von Hohenzollen ( 1 8 1 3 - 1900) gegründete Suppenanstalt in dem
Gebäude am Josefsberg untergebracht, die von Vinzentinerinnen
des Fürst-Carl-Landeskrankenhauses betreut wurde.
1999 übernahmen die Schwestern des Heiligen Vinzenz von Paul
vom Mutterhaus Untermarchtal das Josefinenstift. Die von den
neuen Eigentümerinnen in Angriff genommene Erweiterung des
Josefinenstifts wird nun auch das Gebäude des "Klösterles" zum
Opfer fallen, dem als herrschaftlicher Sitz, Ordensniederlassung,
Schulgebäude und Stätte karitativer und sozialer Einrichtungen ein
ganz besonderer Platz in der Geschichte der Stadt Sigmaringen und
ihres Umlandes zukommt. Unverzeihlich wäre es deshalb, wenn
auch die Bronzebüste der Fürstin Josefine den Baumaßnahmen
zum Opfer fiele.
Am 1. April 1884 erwarb die Fürstin sodann das Anwesen von den
Schwestern der chrisüichen Liebe. Anläßlich der Goldenen Hochzeit der Fürstin Josefine und des Fürsten Karl Anton am 21. Oktober des gleichen Jahres errichteten die Kinder und Verwandte des
Fürstenpaares eine Stiftung für den Unterhalt der Volksküche,
einer Haushaltungsschule, einer Kinderbewahranstalt sowie für die
Pflege von Pensionären und übertrugen diese der Fürstin. Diese
Stiftung, die übrigens erst 1890 die offizielle Bezeichnung "Josefinenstift" erhielt, war rechtlich ein gebundener Teil des Fürstlich
Hohenzollernschen Vermögens. Zur weiteren wirtschaftlichen Ab-
Quellennachweis:
StA Sigmaringen Ho 80 T 2 C - 1 - 2b Nr. 6 (Pak. 157)
StA Sigmaringen Ho 199 T 1 Nr. 675, 680
StA Sigmaringen Dep. FAS NVA 15.539, 15-540, 15-444, 16.786,
36.385
StA Sigmaringen Dienerkartei
Verordnungs- und Anzeigeblatt für das Fürstenthum HohenzollernSigmaringen
Nr. 10 vom 9- März 1845; dass. Nr. 8 vom 22. Februar 1846
37
Literaturnachweis:
- J o a c h i m Emig: Friedrich III. von Salm-Kyrburg ( 1 7 4 5 - 1 7 9 4 ) .
Ein deutscher Reichsfürst im Spannungsfeld von Ancien régime
und Revolution. In: Europäische Hochschulschriften. R. III:
Geschichte und Hilfswissenschaften. Bd. 750. Frankfurt a.M.
- Berlin - New York - Paris - Wien 1997
- Maren Kuhn-Rehfus: Der Prinzenbau in Sigmaringen. Versuch
einer Baugeschichte. In: Zeitschrift für Hohenzollerische Ge-
schichte 15 ( 1 9 7 9 ) S. 155-171
- B i r g i t Robbers: Die Wohlfahrtsstiftungen des Hauses Hohenzollern-Sigmaringen i m 19. Jahrhundert unter besonderer
Berücksichtigung des Josefinenstifts. Masch. Zulassungsarbeit
PH Freiburg 1968
- Klara Steidle: Die Kongregation der Schwestern der christlichen
Liebe in Sigmaringen. Eine Chronik in 5 Bänden. Bde. 1 - 2 .
Masch. Sigmaringen [1984]
ERNST SCHEDLER
Die Krypta der Stiftskirche als Grablege
Der älteste Teü der Kirche geht annähernd bis in die Gründungszeit
des Stiftes zurück. Erhalten ist noch die dreischiffige Säulenkrypta
aus der Zeit um 1040, die in ihrem Bestand geschont wurde, als sie
um 1200 durch die wesentlich größere Basilika um- und überbaut
wurde. Damals befanden sich in der Krypta noch Gräber der einstigen Stifter; es wird sogar von einem Hochgrab geschrieben, das
vor der Reformation dort zu sehen gewesen sei. Die Krypta war als
geweihter Raum von Anfang an zur Grablege bestimmt. Sie besaß
drei Apsiden, die beiden seitlichen sind noch erhalten. Von ihnen
aus lasen die Priester die Messen. In der Altarplatte der nördlichen
Apsis ist die Aussparung für die Aufbewahrung der Reliquien noch
erhalten. Die mittlere Apsis musste um 1200 der größeren Kirche
weichen. In der Krypta wurden bis zur Reformation auch die Seelenmessen für die Verstorbenen an deren Jahrtagen begangen,
diese Messen waren durch besondere Stiftungen der Familien
gesichert.
Gräfin Adelheid von Hohenzollern
Äbtissin des adeligen Chorfrauenstiftes zu Oberstenfeld
Im Ortskern von Oberstenfeld steht - etwas erhöht - die Stiftskirche St. Johannes der Täufer. Sie gehörte zum 1016 gegründeten
Chorfrauenstift, das nach der Reformation 1540 in ein adeliges
Damenstift umgewandelt wurde und bis 1919 bestand. Es war gestiftet worden, um den unverheirateten Adelstöchtern ein standesgemäßes Leben zu sichern, vor allem auch damit diese durch
gottgefälliges Leben und Gebete zum Seelenheil der Familien
beitragen. Aus der frühesten Zeit des Stiftes stammt die dreischiffige Säulenkrypta. Sie blieb erhalten, als man um 1200 die querschifflose Basilika in Form einer Nonnenkirche errichtete, doch
zunächst ohne Hirm. Dieser wurde etwa 30 Jahre später angefügt.
Durch die einschneidende Renovierung von 1888 bis 1891 erfuhr
das südliche Seitenschiff im Innern w i e auch i m Äußeren
wesentliche Veränderungen.
Epitaph der Äbtissin Gräfin Adelheid von Zollern
Zu ihrem Epitaph gelangt man durch die Säulenkrypta und betritt
anschließend die Hirmkrypta. Sie stellt das unterste, kreuzrippengewölbte Geschoss des Turmes dar. Vom Beschauer aus gesehen findet man das Epitaph der Äbtissin Adelheid in der Ecke
rechts von der Altarmensa (südösthche Ecke der Krypta) aufrecht
stehend. Es ist rechteckig, 191 cm hoch, 94 cm breit, 7 cm stark
und aus feinkörnigem Sandstein gefertigt.
Die umlaufende Randinschrift verläuft zwischen eingehauenen Linien. Im oberen Mittelfeld befindet sich in einem Wappenschild
das Hohenzollern-Wappen, im unteren jenes von Rhäzüns und in
der Mitte ein Balkenkreuz, In dessen Fuß ist die Initiale A eingemeißelt, darunter die Beischrift reczinß, dem unteren Wappen
zugehörig. Der Stein lag bis 1890 im Fußboden der Apsis des
südlichen Seitenschiffes, vermutlich die Gruft bedeckend. Er ist an
den Rändern bestoßen, die Inschrift lautet (ergänzte Buchstaben
sind in ( ) gesetzt):
"In d e ( m jar) als man zalt /1502 ist gestorben die Wolgeborn Vnd
gaistlich frow adelhaid greffin Von ho / henzorn abtisin hie zvo
oberstenfeldt der got genad"
Die Schrift ist in gotischen Minuskeln mit Kapitalis-Versalien und
Kapitalis gestaltet. Das eingegrabene A auf dem Stein für Adelheid
diente dazu, die ursprünglich liegende Grabplatte leichter auffinden zu können und das darunter sich befindende Grab zu kennen, ohne erst die meist schwer zu lesende Inschrift entziffern zu
Blick in die dreischiffige Säulenkrypta aus dem 11. Jahrhun- müssen. Dasselbe gilt für das rechts daneben stehende Epitaph mit
dert, an die sich im Osten die Krypta des um 1230 errichteten der Initiale M für Margarete Münch von Rosenberg. Sie war die
Amtsnachfolgerin von Äbtissin Adelheid von Zollern.
Turmes anschließt.
38
fortgeschrittenem Alter - mit etwa 48 Jahren - die erheblich jüngere Ursula, die begüterte Tochter des Freiherrn von Rhäzüns in
Graubünden.
Dass die Ehe zwischen den beiden durch den großen Altersunterschied getrennten Partnern glücklich war, wird vom Verfasser der
Zimmerischen Chronik bezweifelt: "Aber das ich widerumb kom uf
graf Friderrichen von Zollerr und sein hausfraw, die von Ratzüns,
so hat die selbig, wie die gar alten in meiner jugendt noch wol
haben künden darvon sagen, nit sonders vil frewd oder gueter zeit
bei irem herren gehapt; schafft alles das groß eifern, dessen er sich
nit enthalten kunt, sonder ain solche Übermaß damit getriben, dass
in aller gegene ein groß sagen von im gewest." Dann wird weiter
geschildert, welche Merkwürdigkeiten der Zoller in der Ehe an den
Tag gelegt und dass später deshalb die junge Witwe ihrem verstorbenen Gemahl kaum das Totengeleit gegeben habe: "Da ist sie
widerumb zurückgegangen, sprechendt: ,Wolhin mit im zur erden
in aller teufel namen, er soll mich hinfür mit ruwen und zufrieden
lassen!' Kurzlichen darnach, dieweil ir der erst heirat mit Zollern
nit war nach irem gefallen gerathen, do wagte sie's mit grafe Sigmundten von Hochenberg, mit dem vermehlt sie sich." - Einem
abschriftlich erhaltenen Brief Ursulas an ihre Schwester Clementa
ist jedoch zu entnehmen, dass sie offenbar eine zufriedene Ehefrau
war, vielleicht trotz aller Grillen ihres nicht mehr jungen Gemahls
Eitel Friedrich I.
Aus dieser Ehe stammte: a) Jos Nikiaus I. (geb. 1433), der das
Glasfenster der Klosterkirche Stetten im Gnadental, heute im
Geschlecht weiterführte (wäre er kinderlos gestorben, wäre die
Kernerhaus in Weinsberg.
Grafschaft Zollern an die Grafen von Württemberg gefallen) und
1453 von Kaiser Friedrich III. ( 1 4 4 0 - 1 4 9 3 ) die Erlaubnis erhielt,
Herkunft der Äbtissin Gräfin Adelheid von Zollern
die Burg wiederherzustellen. Er baute sie mit Hilfe des kurStammsitz des Grafengeschlechtes, das sich von Zollern, später von
fürstlichen Hauses Brandenburg neu auf. Im Jahre 1488 starb er
Hohenzollern nannte, war die Burg Zollern bei der von ihnen
auf Burg Hohenzollern, wurde im Kloster Stetten bei Hechingen
gegründeten Stadt Hechingen mit dem benachbarten Kloster Stetbeigesetzt und 1804 in die Stadtpfarrkirche (ehemalige Stiftsten im Gnadental als Grablege. Nach 1190 entstanden durch den
kirche) umgebettet, b ) Als nächster Sohn folgte Heinrich, der
Domherr zu Straßburg wurde und nach seinem Tode um 1458
Erwerb der Burggrafschaft Nürnberg zwei Linien: die fränkische
seine Ruhestätte ebenfalls im Kloster Stetten fand, 1804 umgebetLinie der Hohenzollern, die Hohenzollern, die über Brandenburg
tet. c ) Als jüngstes Kind kam Tochter Adelheid zur Welt, die 1502
und Preußen im 18. Jahrhundert zur Königs-, und schließlich
in Oberstenfeld starb und deren Epitaph in der Turmkrypta der
1871 zur Kaiserkrone gelangt ist. Die Entwicklung der zweiten, der
Stiftskirche Oberstenfeld steht. Es ist der älteste von mehreren
schwäbischen Linie verlief bescheidener und unrühmlicher.
noch erhaltenen Gedenksteinen einer Äbtissin des Stiftes.
Durch mehrfache Teilungen und Veräußerungen wurde die Linie
wiederholt geschwächt. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts war die
Grafschaft Zollern auf ein kleines Gebiet um die Burg und die Stadt
Hechingen zusammengeschmolzen. 1401 starb Graf Friedrich der
Ältere (Fritz) von Zollern - er ist der Großvater von Äbtissin Adelheid - und nach seinem Willen sollten die beiden ältesten Söhne,
Friedrich der Öttinger und Eitel Friedrich - Vater der Äbtissin Burg und Herrschaft gemeinsam besitzen und regieren. Doch entstanden zwischen ihnen Feindseligkeiten, die über 20 Jahre hinweg
andauerten. In deren Verlauf wurde 1423 die Burg, deren Festigkeit alle Zeitgenossen gerühmt hatten, völlig zerstört.
Es soll noch einmal kurz auf die Herkunft der Ehefrau Graf Eitel
Friedrichs I., Ursula Freiin von Rhäzüns, also der Mutter Adelheids
und ihrer Brüder, eingegangen werden. Ihre Heimat Rhäzüns hegt
unweit von Chur in der Schweiz am Zusammenfluss von Vorderund Hinterrhein; die Familie hatte reichen Besitz: die Burg und
einige mit kostbaren Fresken ausgestattete Kirchen ihrer einstigen
Herrschaft machen dies noch heute deutlich. Die durch ihre Ehe
mit Eitel Friedrich eingebrachte Herrschaft Rhäzüns - der Zoller
musste sich allerdings sehr mit der neuen Verwandtschaft
herumstreiten - war wertvolle "Manövriermasse" für die Zollern:
Eitel Friedrich II., der Sohn von Adelheids Bruder, tauschte 1497
das ihm zugefallene Erbe gegen das zur Abrundung seines Territoriums wichtige Haigerloch ein, das uralter zollerischer Besitz
gewesen und 1381 an Österreich verloren gegangen war.
Eitel Friedrich I., dem es in diesem Kampf gelungen war, sich gegen
seinen Bruder zu behaupten, versuchte sich durch Teilverkauf
seiner Gebiete wirtschaftlich zu erholen, geriet dadurch jedoch in
Abhängigkeit von Württemberg. Diese Beziehungen spielten vielleicht bei der späteren Ernennung seiner Tochter Adelheid zur
Äbtissin im Stift Oberstenfeld eine Rolle. Um zu vermeiden, dass die
Grafschaft Zollern an Württemberg fiel, heiratete Eitel Friedrich in
Eitel Friedrich I., der Gemahl Ursulas geb. von Rhäzün, starb schon
früh (1439). Die Witwe heiratete um 1459 ein zweites Mal und
zwar, wie bereits erwähnt, Graf Sigmund von Zollern-Hohenberg.
39
1477 verstarb sie und wurde im Kloster Reutin bei Wildberg im
Schwarzwald beigesetzt. Von dem Kloster sind nur noch geringe
Reste vorhanden. In Erinnerung an diese 2. Ehe der Mutter ist auf
dem Epitaph Adelheids in der Oberstenfelder Stiftskirche das mütterliche Wappen senkrecht zweigeteilt: die eine Hälfte zeigt das
Wappen von Rhäzüns, die andere jenes der Grafschaft Hohenberg.
gab eine Verhandlung, die mit einem Vergleich mit der Kammer
vom 7. Juli 1471 schloss. "Für zu Unrecht erhobenes Einkommen
aus dem ihr als Äbtissin übertragenen St. Marienkloster zu Obersternfeld" musste sie nicht allein die Annaten nachentrichten, sondern darüber hinaus auch eine bestimmte Summe als Buße
bezahlen. Diesem Vorgang ist zu entnehmen, dass Gräfin Adelheid
im Jahre 1471 als Äbtissin an das Stift (Johannes d.T., nicht MariWarum kam eine Frau aus dem Hause Hohenzollern zur enkloster) Oberstenfeld gekommen war. Graf Eberhard im Bart
Äbtissinnenwürde im Stift Oberstenfeld?
soll sich damals - wie erwähnt - dafür verwendet haben.
Es überrascht, dass im Stift Oberstenfeld, weitab von den hohenzollerischen Landen, eine Äbtissin aus dem bis heute noch beÄbtissin Gräfin Adelheid von Zollern soll zwei Nonnen aus
rühmten und bekannten Geschlecht lebte und "regierte". So der
Schwäbisch Gmünd aufnehmen
häufig verwendete Ausdruck im Bück auf die Verantwortung und
Im Jahr 1478 lässt Graf Eberhard, der Schutzvogt des Stiftes, bei
Tätigkeit einer stiftischen Äbtissin. Das hat natürlich seinen geÄbtissin Adelheid von Hohenzollern anfragen und bittet mehrfach
schichtlichen Hintergrund.
darum, dass das Stift zwei Nonnen namens Vetzer aus einem Kloster
in Schwäbisch Gmünd aufnehmen möge. Nur sehr ungern gab die
Schutz- und Schirmvögte des Stiftes Oberstenfeld waren im MitteÄbtissin nach. Die 1478 erteilte Antwort der Äbtissin hat im Hauptlalter die hochadeligen Herren von Lichtenberg, zu denen u. a. Biabschnitt ihres Schreibens an Graf Eberhard folgenden Wortlaut:
schöfe und Kanzler gehörten. Sie übten das Amt des Vogtes fast zwei
"Euwer gnad hat umb mehr dann aines thuen bitten durch euwer
Jahrhunderte aus. Solange die Lichtenberger die Vögte des Stiftes
gnaden räth auch in geschriften, daz wier euwer gnaden zu heb
stellten, setzten sie als Äbtissinnen des Oberstenfelder Stifts meist
und gefallen den zwaien Fetzerinn, die zu Gmund im closter sind,
Töchter aus der eigenen Familie ein: Einige davon sind urkundlich
zwuo pfruond geben und leihen sollen, gnediger herr, daz ist uns
nachgewiesen.
schwer gewesen und noch auf diesen tag, ist der ursach halber,
dass solchs vormals in unsern orden und closter nit gehert oder
Im Jahre 1357 mussten die Herren von Lichtenberg ihre Herrherkommen ist, gewillt (geschleierte) und geordet (Ordens )
schaft, Burg und die Vogtei über das Stift an Graf Eberhard den
frowen inzunehmen, sunder dem gemainen adel sin kind, die unGreiner (reg. 1344-1392) verkaufen, d.h. an Württemberg. Nun
der den jaren sind, ufzunemen und zu ziehen nach gesatz der
war es der Graf von Württemberg, der entscheidend mitbestimmte,
pfruond, die den uf dise zeit verlihen und vergeben sin gewest
wer Äbtissin in Oberstenfeld werden sollte. Dabei kamen Familien
einer'. Weiterhin erklärt dann die Äbtissin, dass das Stift, um dem
zum Zug, denen sich Württemberg verpflichtet fühlte. Elisabeth von
Lichtenberg verblieb noch bis zu ihrem Tode im Jahr 1381 als
Äbtissin im Stift. Es folgten ihr danach zunächst drei Pfalzgräfinnen
von Tübingen.
Wie oben erwähnt, bestanden Verbindungen zwischen Adelheids
Vater Eitel Friedrich I., der seinerzeit zu Gebietsveräußerungen
gezwungen war, und dem aufkaufenden württembergischen Grafen. Etwas später, im Jahre 1459, kam Gral Eberhard im Bart an die
Regierung. In einer alten, farbig angelegten Handschrift sind acht
Wappen seiner weiblichen Ahnen dargestellt, darunter auch das
gevierte zollernsche Wappenschild von Eberhards väterlicher
Großmutter, der Burggräfin Elisabeth von Nürnberg. Ob die verwandtschaftlichen Beziehungen eine Rolle gespielt haben, die frei
gewordene Äbtissinnenstelle im Stift Oberstenfeld mit Adelheid von
Hohenzollern zu besetzen, kann nicht gesagt werden. Mehring
schreibt dazu: "Aus dem 15. Jahrhundert ist aus glaubhafter, wenn
auch nicht urkundlich beglaubigter Quelle überliefert, dass Graf
Eberhard im Bart seinen Einfluss als Schutzvogt des Stifts für die
Wahl der Äbtissin Adelheid Gräfin von Zollern eingesetzt habe."
In den Württembergischen Geschichtsquellen Band 2 wird aus
päpstlichen Archiven berichtet, dass Adelheid von Zollern, Klosterfrau zu Stetten, größere Geldsummen (sie sind in der Urkunde
einzeln aufgeführt) an die apostolische Kammer in Rom zu entrichten gehabt habe.
Es ging dabei um die Annaten, d. h. um den ihr als Äbtissin zustehenden Anteil am Jahreseinkommen des Chorfrauenstiftes, das sie
als neu ernannte Äbtissin einmalig an den Papst zu zahlen
verpflichtet gewesen wäre. Dies scheint sie versäumt zu haben; es
40
Epithaph der Äbtissin Gräfin Adelheid von Zollern in der
Stiftskirche Oberstenfeld. Oben das väterliche Zollemwappen,
unten das mütterliche, es zeigt hälftig das Wappen von
Rhäzüns in Graubünden undjenes von Hohenberg.
Grafen einen besonderen Gefallen zu erweisen, von der seitherigen
Übung abgehen und die zwei Nonnen aus Schwäbisch Gmünd
aufnehmen wolle, es müssten eben die andern Frauen sich so viel
abbrechen (sie!), um die beiden auszustatten.
Jahre 1489 die Einwilligung der Äbtissin zu den Vorschlägen der
Kapläne des Süfts über die Begehung der Seelenmessen. Ebenfalls
von 1489 stammt eine Urkunde, die zwar nicht mehr im Original
erhalten ist, jedoch deren aus dem 16. Jahrhundert stammende
Übersetzung aus dem Lateinischen ins Deutsche. Darin warnt
Äbtissin Adelheid, Gräfin von Zollern: Wenn die Seelenmessen
"durch die darzu verordnete und gehörige Priester kalltsinnig und
nicht mit rechtschaffenem vorsüchtigem Fleiß verrichtet werden",
auch wenn ein Priester nicht pünktlich zum Amt oder beim dritten
nächthchen Amt überhaupt nicht erscheine, soll er eine Geldstrafe
entrichten müssen. Um diesen und weiteren Missständen, die in
jener Zeit allgemein nicht selten waren, ernsthaft entgegenzutreten,
veranlasste die Äbtissin regelnde Bestimmungen über die Begehung von Seelenmessen.
Es ist wohl kaum dem Hochmut zuzuweisen, dass sich Äbtissin samt
Konvent erst nach mehrmaligem Ansuchen Graf Eberhards dazu
entschlossen hatten, die beiden nichtadeligen Nonnen eines fremden Klosters bei sich aufzunehmen. Es ist bekannt, dass bei einzelnen Mönchsorden die Scheu bestand, Glieder eines anderen Ordens aufzunehmen. Dies dürfte dann im Stift nicht anders der Fall
gewesen sein. Doch etwas anderes spielte hier eine noch wichtigere
Rolle: Wer in ein Kloster üblicher Art aufgenommen wurde, musste
die drei klösterlichen Gelübde ablegen: Keuschheit, Gehorsam und
Armut. Eine Nonne hatte - ebenso wie ein Mönch - keinerlei eigenen Besitz und bezog auch vom Klostervermögen keine Einkünfte.
Dies war im Oberstenfelder Stift anders. Das Gelübde der Armut galt
hier nicht, die Chorfrauen hatten eigenen Besitz und bezogen
regelmäßig ihren Anteil an den Einkünften des Stifts. Es herrschte
das Pfründesystem. Bei den Oberstenfelder Chorfrauen bestand
weniger die Befürchtung, dass die neu aufzunehmenden Nonnen
nicht recht in den Kreis der adeligen Frauen hineinpassen würden,
als vielmehr die begründete Sorge, dass die Vergrößerung der "Belegschaft" des Stifts eine Verkleinerung der zu verteilenden
"Kuchenstücke" herbeiführen wurde. So gesehen ist auch oben die
Ausdrucksform zu verstehen, die Chorfrauen müssten sich so viel
abbrechen, um die beiden Nonnen auszustatten.
Es folgen nun die Inhaltsangaben weiterer Pergamenturkunden
aus dem Staatsarchiv Ludwigsburg.
1494: Der Speyrer Generalvikar Jakob von Gochsheim genehmigt
auf Bitten der Äbtissin Adelheid von Zollern zu Oberstenfeld und
der Stiftsfrauen (es folgen deren acht Namen, darunter jene der
Vetzerschen Schwestern) sowie des Plebans Johann Wagner, Dekans des Landkapitels Marbach, und des Jodocus Trutwin, Schultheißen in Oberstenfeld, die Stiftung einer Marienbruderschaft zur
Abhaltung von Jahrzeiten, besonders eine mit 30 Priestern für die
Bruderschaft selbst in der Pfarrkirche zu Oberstenfeld.
1498: Gerhard von Talheim, Vogt zu Lauften, und Bernhard von
Liebenstein bringen mit der Äbtissin Gräfin Adelheid von Zollern
und den Chorfrauen von Oberstenfeld nebst ihrem Pfarrer einen
Vergleich mit dem Hofmeister Dietrich von Weiler zustande über
den Neubruchzehnten zu Lichtenberg, den dieser für die von den
Frauen zu Oberstenfeld abgeschaffte Pfründe daselbst in Anspruch
nimmt.
Doch Adelheid von Hohenzollern war klug genug, dem Schirmvogt
Graf Eberhard nachzugeben und die beiden Nonnen im Stift
aufzunehmen. Vielleicht war dabei auch noch persönliche Dankbarkeit dafür im Spiel, dass Adelheid ihm die Äbtissinnenwürde zu
danken hatte, die ihr neben der Würde auch ein besseres Einkommen sicherte. Die Nonnen Vetzer wurden dann im Stift aufgenommen; als "Chorfrau" sind sie mehrmals in Urkunden erwähnt. 13
Jahre nach dem Tode von Äbtissin Adelheid liest man 1515 zum letzten Mal von ihnen.
1500: Der Generalvikar des Bischofs von Speyer verleiht auf Bitte
der Äbüssin Adelheid Gräfin von Zollern und des Konvents der
regulierten Stiftsfrauen zu Oberstenfeld für ihre Kirche bestimmte
Ablässe.
Die Aufnahme der Gmünder Nonnen im Stift und vor allem die vorausgegangene Stellungnahme der Äbtissin ist für die Geschichte
des Stiftes Oberstenfeld von Bedeutung, denn es macht 1478 deutlich - rund 80 Jahre vor Einführung der Reformation - dass erstens das Stift dem Adel vorbehalten blieb (und dies bis zum Jahre
1919), und zweitens, dass das Stift kein eigentliches Kloster war,
sondern eben ein Stift mit Pfründensystem.
Einige Urkunden zeigen die Querelen auf, die sich aus nicht
abgeliefertem Zehnten oder strittigen Zehntrechten ergaben. In
einer weiteren Urkunde, einem Vertragsbrief, geht es um Ärger wegen Holz aus dem gemeinsamen Wald des Stifts und der Gemeinde.
Es heißt darin: "Zu Wissen, dass sich Irrung und Spahn [Unstimmigkeiten] gehalten hand, zwischen der Ehrwürdig und wohlgebohren Frowen, Frow Adelhaid Grövin von Zollern und Abüssin,
Schultheiss, Gericht und Gemeind zue Oberstenfeld uf Einen und
Mathes Müllern zum Hof (Sauserhof), andern Theils, als Mathes
obgenandt in den Wald gen Oberstenfeld gehörig etlich bäum ohnerlaubt abgehauen hat, darum die von Oberstenfeld angefochten
haben ..." Schließlich kommt es zu einem Vergleich.
Aus verschiedenen Urkunden
Die früheste Nennung von Gräfin Adelheid von Hohenzollern findet
sich wie bereits erwähnt in einer Papsturkunde in Rom. Dort wird
sie 1471 als Nonne in Stetten unter dem Hohenzollern angesprochen, hatte aber nach derselben Urkunde damals bereits die
Äbtissinnenwürde von Oberstenfeld inne. Ein Eintrag im Seelbuch
des Klosters Stetten ist nur noch in einer späteren Abschrift des
Historikers Gabelkofer gegen Ende des 16. Jahrhunderts erhalten:
"Soror Adelhaid comitissa de Zolr, abbatissa de Oberstenfeld."
Die Streitereien um den Wald hatten sich in späterer Zeit so sehr
gehäuft, dass der ursprünglich gemeinsame Wald im Jahre 1767 in
den Kommun- und den Stiftswald aufgeteilt wurde; letzterer kam
1802 in württembergischen Besitz. Noch erhaltene Markungssteine dokumentieren Teilung und Besitzerwechsel. Im Lagerbuch
Im Staatsarchiv Ludwigsburg hegt eine Reihe von Pergamenturkunden vor, die durch Äbtissin Adelheid veranlasst wurden und
z. T. noch ihr Siegel tragen. So dokumentiert eine Urkunde vom
41
des Stiftes mit Eintragungen von 1477 bis 1512 ist zu lesen: „Ein
wisen stücklin gelegen under dem petersberg, anstosst GassenHenßlins Lehnwisen, hatt ein aptissin genant Frow adelhait grefin
zu Zollre gelihen hern Bechtold rawen zu der Zeiten pfründner der
frauen pfründ umb iiii ß (4 Schilling Heller) jährlichen Zinß."
Das Gedenken an die einstige Äbtissin mag auf Grund der großzügigen Jahrtags-Stiftung über lange Jahre hinaus gesichert gewesen sein. Heute erinnert nur noch ihr Epitaph an sie, die Gräfin
Adelheid von Hohenzollern. Das Epitaph wurde bei der Renovierung während der Jahre 1888/91 in der Apsis des südlichen Seitenschiffs aufgefunden. Über eine damals darunter liegende Gruft ist
nichts berichtet. Es kann aber angenommen werden, dass die
Äbtissin einst dort beigesetzt worden war. Danach bestimmte die
Familie der Freiherren von und zu Weiler - sie hatte 1483 die Burg
Lichtenberg als Lehen erhalten - diese Apsis im 16. Jahrhundert zur
eigenen Grablege. Mehrere ihrer Epitaphe sind dort noch zu sehen.
Jenes der Äbtissin Adelheid wurde 1891 an seinen heutigen Platz in
der Turmkrypta versetzt. Es ist noch zu bemerken, dass es, obwohl
Grabplatte einer Äbtissin, nicht den Abtsstab zeigt. Ein solcher ist in
Oberstenfeld erstmals auf einem Epitaph von 1570 dargestellt. Die
so eng mit dem Stift Oberstenfeld verknüpfte Lebensgeschichte der
einstigen Äbtissin Gräfin Adelheid von Hohenzollern spiegelt ein
wichtiges Stück Stiftsgeschichte wider. So ist es wohl angebracht,
rund 500 Jahre nach ihrem Tode ihrer zu gedenken.
(Der Beitrag von Herrn Ernst Schedler erschien in den "GeschichtsBlättern aus dem Bottwartal" Nr.8/1999 mit zahlreichen
Quellenangaben. Er wird hier mit freundlicher Genehmigung des
Verfassers in etwas gekürzter Form abgedruckt. Die Abbildungen
wurden ebenfalls vom Verfasser zur Verfügung gestellt).
Ein frommes Vermächtnis
Im Staatsarchiv Ludwigsburg befindet sich des Weiteren das Seelbuch des Stiftes. Es ist eine für die Stiftsgeistlichen bestimmte Aufstellung der zu begehenden Jahrtage, also der meist festlich zu
begehenden Seelenmessen, mit genauer Angabe der Beträge, die
den einzelnen Priestern und den Chorfrauen zustehen. - Obwohl
erst 1518 angelegt, enthält das Seelbuch außer laufenden Eintragungen auch solche, die auf ein älteres zurückgehen.
So die folgende, sich auf Äbüssin Adelheid von Hohenzollern
beziehende. "Nota: Gedenkt durch gotz willen der erwirdigen und
geistlichen frauen frau Adelheit grefrin von Hohenzorn, eptissin dis
gotzhus gewesen, die hat um ir sei heils willen gesetzt ein guldin
geltz an ein ewigen jartag uf her Heinrich Boxberger pferre zu
Heinriet. Soll iglichem priester werden 15 & [Pfennig], dem mesner 1 ß [Schilling], das uberig den frauen uf den kor (Chorfrauen) . Sol der jartag begangen werden in der wochen vor purificationisMarie [Mariae Reinigung, 18. Februar]."
HEDWIG MAURER
Abgegangene Siedlungen im Gebiet der ehemaligen Grafschaft Zollern
und dem alten Kreis Hechingen (Fortsetzung)
Berichtigung zu Nr. 107 Stauffenburg, (Heft 2002 S. 28): Die erste
Nennung der Burg erfolgte nicht 1317, sondern schon 1262 mit
Hugo von Stauffenberg.
Die Herrschaft Wehrstein war Sitz eines Geschlechts von Freien, die
Vasallen der Grafen von Hohenberg waren und als deren Vasallen
1237 erstmals genannt werden. 1309 sühnt Graf Friedrich von
Zolre, "des Schalksburg ist", den dem Stift St. Gallen zugefügten
Schaden "..daz ich den hern Hiltebolden von Werstain den portener ze Sante Gallen ... niemer geirren noch geschade gen sol".
1331 schließen Graf Rudolf von Hohenberg und Elisabet, geb.
Gräfin von Sponheim einen Ehevertag "offe unsir bürg zu Wersteim
mit allin rehtin und nützin die darzu gehörint".
113
Walkofen, Walchhofen?
TK 7619
FKSW1805/04,1905/04
Boll
Dieses Walkofen auch Waldhofen war wohl eine Gründung der
Walchen von Hechingen. Vielleicht gehörte die in der Nähe liegende "Hofstatt" auch zu dem Gut.
1375 bekennen Konrad und Volz von Weitingen, "daß die Burg
Wehrstein Pfand von dem Grafen von Hohenberg sey, wieder eingelöst werden könne und demselben offen gehalten werden solle".
Der Besitz des Klosters in diesem Gewann umfaßte im Jahre 1646
einen Garten, einen Hanfgarten, 14 Mannsmahd Wiesen und 8
Jauchert Äcker, nach heutigen Maßen etwa 10 Hektar; wahrscheinlich das ganze von den Walchen begründete Hofgut.
1381 verkauft Graf Rudolf von Hohenberg um 66000 schwere
Goldgulden seine Grafschaft Hohenberg an Herzog Lupolt von
Oestreich.. "Werstain die vestin... Haigerloch die vestin und baide
statt". Die österreichischen Herren verpfändeten auch diese Herrschaft 1401 (1404?) an Ritter Burkard von Mansperg, Hauptmann
der Herrschaft Hohenberg und 1419 an die Herren von Weitingen.
Der Flurname "Walchhofen" wird im Bickelspergschen Lagerbuch
von 1435 nicht erwähnt, denn dieses verzeichnet nur den Besitz
der Grafen von Zollern, Walchhofen aber gehörte dem Kloster.
114
Wehrstein, Burg
TK 7618
FKSW 1325
Fischingen
Die Ruinen der Burg Wehrstein hegen oberhalb von Fischingen.
Die Herren von Wehrstein werden von 1101-1397 (?) genannt.
1529 kam die Herrschaft an die Grafen von Tengen-Nellenburg, die
auch Dettensee besaßen, 1552 als Lehen an Hohenzollern, 1576
an Haigerloch, 1634 wieder an Sigmaringen, 1806 an die Landeshoheit.
42
115
Weiler bei Beuren
TK 7620
FK SW 1603
Hechingen/Beuren
Dieser Weiler bei Beuren ist bisher nirgends erwähnt. Er lag zwischen Hechingen und Beuren. In den Jahren 1405,1452 und 1468
erhält das Kloster Stetten verschiedene Schenkungen aus diesem
Weiler und aus Beuren. Die Flurnamen Weiler und Weilerloch
auf Hechinger Gemarkung erinnern an ihn. Kraus hat die oben
genannten Urkunden alle dem Weiler ob Schlatt zugeordnet.
120
Weiler ob Schlatt
TK
7620 FKSW 1802/01
Jungingen/Schlatt
FN: Weüer, Weileresch, Weilerwiesen, Weilersteg/wald/wasen/kreuz.
Auf der Markung Jungingen in Richtung Schlatt lag der Weiler ob
Schlatt, der seit 1317 erwähnt wird. 1402 kam der Weiler bei der
Erbteilung zwischen Eitelfriedrich und dem Öttinger an Eitelfriedrich. 1424 bekommt Henriette von Württemberg, u. a. Weüer ob
Schlatt als Pfand von Eitelfriedrich, der 1435 die Pfandschaft
wieder einlöst. Im Hagenschen Lagerbuch von 1544 wird das Amt
Schlatt bestehend aus "Slath, Burran und Wyler" genannt. Weiler
war 1635 noch besiedelt. 1780 kauft die Gemeinde Jungingen den
Hof Weiler vom Fürsten Josef Wilhelm Eugen von Hechingen um
11600 fl. Die Katharinenkapelle wurde 1806 abgebrochen. Die
Glocke der Katharinenkapelle kam ins Schulhaus nach Jungingen.
Die in den Schenkung genannten Fluren lassen sich auch heute
noch zwischen Hechingen und Beuren finden. Außerdem läßt sich
auf der Gemarkungskarte eine Ausbuchtung von Hechingen nach
Beuren feststellen, die den Schluß zuläßt, daß der Weiler nach
Hechingen eingemeindet wurde.
116
Weiler bei Bisingen
TK7Í19
FK SW 2109
Bisingen
FN: Hinter dem Weiler, Weilergärten
1435 "Haintz Mein der alt git 4 hünr uß ainem garten lit im Wyler".
Wahrscheinlich im Dorf aufgegangen.
117
Weiler = Willa bei Empfingen
TK7619
FKSW 1323/22
121
Weiler bei Trillfingen
TK 7618
FKSW 1416
FN: Auf Weilen
Trillfingen
Ob man hier das abgegangene Geislingen vermuten darf?
122
Weiler im Weilertal
TK 7620
FK SO 2303/2403
Hausen i. K./Neuweiler
Beim heutigen Neuweüer befand sich 1113 die Siedlung Weiler
(Wiler), die um 1380 abging. 1113 gehörte sie zur Grafschaft von
Graf Friedrich von Zollern, später zur Herrschaft Schalksburg. Mit
dieser gelangte sie 1403 an Württemberg. 1113 wird die Burgsiedlung Weiler und damit die Burg erstmals genannt.
Auf einem Felsvorsprung nördlich von Weüer erhob sich im Hochmittelalter die "Weilersburg". Noch im 14. Jhd. werden die Herren
von Weiler oder Weilersburg genannt. Katharina und Beth von
Weilersburg waren Klosterfrauen in Stetten. Der letzte des Geschlechts war Pfaff Wildmann von Weilersburg, Chorherr zu Stuttgart
und Kirchherr zu Hechingen, (1368-1393) also Inhaber zweier
guter Pfründen. 1382 wird eine Meßstiftung an die Liebfrauenkapelle zu Ebingen, namentlich mit Weilersburg, Burg und Burgstall
Zinsen und Gilten aus der Mühle darunter und der Taferne zu Tailfingen dotiert. Aus der Urkunde geht hervor, daß der Ort Weiler,
der ursprünglich zur Weilersburg gehört hat, damals bereits nicht
mehr existierte. Die Frauen und Convent des Klosters Stetten verkauften 1394 an die Kapelle zu Ebingen eine jährliche Gilt aus den
Wiesen zu Wüersburg. Die Gilt rührte von Katherinen und Betten
von Wilersburg, weiland Klosterfrauen zu Stetten, her. Nach 1400
wurde die Markung Weüer mit der von Tailfingen vereinigt. Tailfingen, das ehemals zollerisch war, ging beim Verkauf der Herrschaft
Schalksburg 1403 an Württemberg über. Die Tailfingen zugekehrte
Halde des Weilertals ist die Mühlhalde, deren Name an die 1894
abgebrannte Mühle erinnert.
Empfingen/Mühlheim
am Bach
FN: Weilbank, Weillinde, Weilweg
772 schenken der Priester Kletho und Franchin dem Kloster
Lorsch "in pago Alemannorum in Amphinger Mark a 1 Hube in
Willa und in Taha 2, ebenso alle Besitzungen in Mühlheim und
Fiscina". 1343 verleihen Konrad und Werner von Werstein, Brüder,
Hug und Hug der Kirchherr zu Werstein, auch Brüder und Johann
von Werstein, Johannes sei.
Sohn dem Kloster Kirchberg den Laienzehnten zu Wila bei Empfingen als Zinslehen um 1,5 Pfd. jährlich, stiften aber zugleich diesen
Zins dem Kloster. 1547 vergleicht sich das Kloster Kirchberg mit
denen zu Mühlen über das Weiderecht auf dem Weiherhof, "zuvor
Willa genannt"'.
118
Weiler bei Melchingen
TK 7620
FK SO 1707
Melchingen
FN: Weileräcker, Weilerwiesen.
Südlich vom Dorf finden wir die Flurnamen Weilerwiesen und Weileräcker, die eine verschwundene Siedlung vermuten lassen.
119
Weiler bei Ringingen
TK 7620
FK SO 2004
Ringingen
FN: Auf Weüer, Weilerwiesen, Weilerbrunnen
Die heute noch gebräuchlichen Flurnamen auf Weiler, Weilerbrunnen und Weilerwiesen lassen eine verschwundene Siedlung
südöstlich vom Dorf bei der ehemaligen Weilerkapelle des hl.
Bernhard vermuten, von der aber nichts mehr bekannt ist. 1530
Weiler, Weilerwiesen, 1545 "des Herren Braitin uf dem Weiler, am
Brunnen hinter dem Weiler", Die Bernhardskapelle = Weilerkapelle wurde um 1830 abgebrochen. In Ringingen sind vier
Kapellen verschwunden.
Im unteren Weilertal bei Hausen standen auch zwei zollerische
"Weüertalmühlen", die im 19- Jahrhundert abgingen.
123
Weiler hinter Zollern
TK 7619
FK SW 2007
Zimmern
In einer Urkunde vom Jahre 1402, welche die Burgfriedensgrenze
für die Burg Hohenzollern festlegt, heißt es: "Und fahet der Burk43
fried an ze Zell bei der kirchen, gat biz under zolr Staig an das
crucz und den bach abhin biz gen Wiler und den Bach abhin von
Wilerbizgen Zimmern". 1283 tritt Walthero pincerna (Schenk) de
Nuwencelle als Zeuge für die Grafen von Zollern auf. Im Jahre 1293
stellt dieser Walther, ein Ritter, genannt der Schenk von Zollern, in
diesem Weiler eine Urkunde aus.
Vielleicht wurde hier eine Celia gegründet, zu der sich ein Maierhof gesellte. St. Gallen hatte in der Gegend mehrere solche Maierhöfe, auf denen Dinggerichte für die Lehensträger des Klosters
abgehalten und Geld-und Naturalzinsen eingezogen wurden.
In einer Zeit,, in der die Talstraßen gemieden wurden, hatte Zell
dafür eine günstige Lage. Es lag an der Zoller-oder Zellersteig, die
über die Ern(t) steig auf die Alb hinaufstieg und von da zu den andern Höfen und weiter an den Bodensee führten.
1328 verkauft Werner Schenk von Andeck seinen Hof zu Weiler
unter Zoller an Albrecht Renz von Onstmettingen. Im Bickelspergschen Lagerbuch der Grafschaft Zollern von 1435 sind
noch verschiedene Lehensträger im "Wylar" aufgeführt. Bei
manchem Lehen steht dabei: "lit wüst", ein Zeichen, daß dieser
Weiler allmählich aufgegeben wurde.
Man kann vermuten, daß das Amt des Maiers allmählich erblich
wurde und der einstige Klostermaier zu einem ritterlichen Dienstmann aufstieg, denn in Urkunden des 13- und 14. Jahrhundertstreffen wir hier die Herren von Celle, welche Schenken der Grafen
von Zollern waren.
124
Wiler zu Rangendingen
TK 7619
FK SW 1311
Rangendingen
Im Jahre 1341 verkauft Burkard der Junge, Schultheiß zu Haigerloch dem Kloster Stetten verschiedene Zinsen zu Rangendingen,
darunter aus der Mühle, aus der »Haldungwiese« und aus einer
Wiese, die hinter dem Wiler zu Rangendingen hegt. War dies eine
Siedlung bei Rangendingen? Im Nachlaß von Michael Walter fand
sich folgende Noüz: »Auf dem kleinen Plateau östlich vom Galgenrain, Hummelberg genannt, wurde auf dem Acker von Ignaz
Schwenk 1874 eine Wagenladung behauener Sandsteine in mauerartiger Lagerung ausgegraben«.
1318 war Pfaff Conrad Walch Dekan zu Zell. Zell war Mutterkirche
von Boll und Zimmern. 1472 wurde der Pfarrsitz von Zell nach Boll
verlegt. Wahrscheinlich hatten bereits dort einige Bewohner den
Ort verlassen.
In der Kreisbeschreibung Bahngen von 1961 lesen wir, daß der
Markungsteil um das Zeller Horn zu dem im 9- Jahrhundert von St.
Gallen angelegten Pfarrdorf Zell gehörte und die Onstmettinger
ihre Zehnten bis zur Ablösung der Grundlasten im 19. Jahrhundert
an die Pfarrkirche zu Boll entrichten mußten.
Ob dort dieser Weiler lag? Vielleicht stand dort » n u r « eine Kapelle
deren Reste ausgegraben wurden, denn zu Beginn des 19Jahrhunderts sind viele Kapellen verschwunden.
An dem Weg von Rangendingen nach Hart soll auch eine Kapelle
gestanden sein. Rangendingen scheint, wie Weilheim, eine Wehrkirche besessen zu haben.
1561 existiert noch ein Bruderhaus zu Zell, denn in diesem Jahr
hat Martin Schräder aus Boll einen Haufen Sand und Steine zum
Bruder -oder Wäschehäuslin gefahren und dafür 3 Pfund, 6 ß und
8 hlr bekommen. l601 sucht Martin Bogenschütz von Zimmern
um die Erlaubnis nach auf der Sägemühle zu Zell drei Klötze
schneiden lassen zu dürfen.
Heute erinnert nur noch die kleine Wallfahrtskirche an den Ort
und die Herren von Zell, (die sich später von Stauffenberg nannten).
Vermutlich stand auch die erste Burg der Herren von Stauffenberg
bei Zell. Willy Baur meinte, der Burgstall wäre dem dort anstehenden Tuffabbau zum Opfer gefallen.
Der Friedhof war warscheinlich befestigt, denn im Jahre 1467 als
die Herrschaft Hohenberg schon im Besitz von Österreich war, und
Zollern und Österreich wieder einmal einige "Spänn" wegen Rangendingen und Steinhofen hatten, heißt es von Rangendingen:
"hant ain guten kirichhoff". Auch ist von einem Steinhaus auf dem
Friedhof ist die Rede, was ein Hinweis auf den Ortsadel sein dürfte,
denn nur diese konnten sich »Steinhäuser« leisten.
1651 richtet die Gemeinde Boll an den Fürsten Eitelfriedrich eine
Bittschrift, worin es heißt: "Euer fürstl. Gnaden tragen vorhin
gnädige Wissenschaft, was gestalten unsere pfarrkirche am Zollersteüg durch das verderbliche Kriegswesen und sonderlich bei bloquierung der vöstung Hohenzollern ruiniert und ganz abgerissen
worden, und weilen wir willens sind, solche mit der Gnad Gottes
und dann ehrlicher kathohscher Christen hilf wieder anzubauen
und uns allerhand mittel mangeln und zimliche Unkosten erscheinen werden ... so bitten wir, uns den 8 tägiken Fron, so ew.
Gnaden von dem flecken Boll das Jahr verrichtet wird, aus milden
Gnaden nachzusehen und denselben zu diesem Bau verrichten zu
dürfen".
Heute kann man noch in Siebenbürgen befestigte Kirchenburgen
bewundern, wie es sie sicher auch bei uns gab. Im Innern der
Mauern gab es für jede Familie eine Kammer für Vorräte. In Gefahrszeiten konnte die Bevölkerung in Wohnkammern innerhalb
der Mauern Unterschlupf finden. Über die Burg auf der Hochburg
bei Rangendingen, die Kraus der Mechthild von Rangendingen zugeordnet hat, gibt es keinerlei Anhaltspunkte.
125
Zell
TK 7619
FK SW 2005
Boll
Südöstlich vom Zollerberg hegt auf einem kleinen Vorsprung am
Fuße des Steilhangs der Schwäbischen Alb in einer sehr hübschen
Lage das Kirchlein Maria Zell. Es ist der letzte Rest des Weilers Zell.
Der Name weist auf eine Gründung hin, die mit einem Kloster in
Zusammenhang steht. Wir wissen, daß das Kloster Sankt Gallen
schon in den Jahren 789 und 795 Schenkungen aus dem Hechinger Raum erhalten hatte.
126
Zollersteig
TK 7619
FK SW 2005
Boll
Auf der Zollersteig werden wohl Forsthütten oder Zollstaüonen gestanden haben, denn l603 ist Sixt Oth Burgvogt auf Zollerheislin
und 1605 wohnt Hans Geiger uf Zollersteig im Heuslin.
44
bekannten Bildband von 1986 bespricht und abbildet, schreibt sie
dort "einem Mitglied der Strüb-Werkstätte Veringenstadt, wohl Jakob
d. J." zu (S. 124). Dennoch kann, wie im Folgenden gezeigt werden
soll, kaum ein Zweifel daran bestehen, daß auch die Stettener Figuren
unter die Produkte der Ulmer Weckmann-Werkstatt einzuordnen
sind. Dies zeigt schon ein oberflächlicher Vergleich unserer Abbildungen 1 und 2, von denen die erste die Stettener Katharina zeigt und
die zweite die zweifelsfrei aus der Weckmann-Werkstatt stammende
Darstellung derselben Heiligen aus dem sogenannten Adelberger
Retabel (vgl. dazu den genannten Ausstellungskatalog, S. 440). Die
Ähnlichkeiten sind evident. Umriß und Haltung der Figuren sind sehr
ähnlich, die Gewandgestaltung ist bei beiden weitgehend identisch:
Ein Mantelzipfel ist jeweils auf der vom Betrachter aus gesehen linken
Seite hochgenommen, so daß das Untergewand sichtbar wird. Ähnlich ist auch die Gestaltung der Hände in Haltung und Gestik, jedoch
sozusagen seitenverkehrt. Die Stettener Katharina hält den Schwertknauf mit der rechten, die Adelberger mit der linken Hand, was übrigens bei der Stettener Figur eine etwas unklare Gewandführung zur
Folge hat. Am verblüffendsten ist jedoch die Übereinstimmung der
Figuren in Gesicht und Haartracht. Die Gesichter weisen eine
ausgesprochene "Familienähnlichkeit" auf (!). Beide Figuren zeigen
eine ovale, nach unten spitz zulaufende Gesichtsform mit schmalem
Mund und leichtem Doppelkinn, beide tragen langes, wellig niederfallendes Haar. Als Ergebnis kann also wohl ohne weiteres festgestellt
HERBERT RÄDLE
Zwei Heiligenfiguren aus Stetten am
Kalten Markt - Zuweisung an die Ulmer
Weckmann-Werkstatt
Die Reichsstadt Ulm, im späten Mittelalter eines des wichtigsten Kunstzentren Süddeutschlands, bot vielen bedeutenden Bildhauern und
Malern Arbeit und Brot. Unter den Büdschnitzern war Nikiaus Weckmann (Schaffenszeit 1481-1528) der bedeutendste.
Die Weckmann-Werkstatt lieferte in den Jahrzehnten um 1500
Schnitzaltäre auch für das Gebiet des heutigen Landkreises Sigmaringen, Meisterwerke, die sich teilweise noch am ursprünglichen Standort befinden, wie die Altarfiguren der Pfarrkirchen Bingen und
Ennetach, zum größeren Teil jedoch abgewandert sind in verschiedene Museen, wie das Retabel von Roth bei Meßkirch (heute
Reiss-Museum Mannheim) oder der Meßkircher Eligius-Altar (heute
Schnütgen-Museum Köln).
Im Jahre 1993 fand in Stuttgart eine Ausstellung statt, die dem Werk
des genannten Ulmer Bildschnitzers Nikiaus Weckmann und seiner
Werkstatt gewidmet war und die den bezeichnenden Titel Meisterwerke massenhaft trug. Im Katalog zu dieser Ausstellung sind über 600
noch erhaltene Werke Weckmanns aufgeführt: im zünftischen wie im
künstlerischen Sinne meisterliche Arbeiten, die offenbar massenhaft
(durch Vervielfältigung einmal gefundener Typen!) produziert wurden. Trotz seines Umfangs von über 500 Seiten konnte der genannte
Katalog jedoch nicht alle Werke der Weckmann-Werkstatt verzeichnen, einiges blieb (möglicherweise unter dem Zeitdruck der Ausstellung?) unberücksichtigt -darunter zwei Figuren eines Altars in Stetten
an Kalten Markt, denen wir uns im Folgenden zuwenden wollen. Die
Figuren - außer der in Abb. 1
gezeigten Katharina als Pendant eine
heilige Barbara - stehen in der Stettener Friedhofskapelle in einem
neugotischen Altar, wobei es unklar
ist, wie sie in die relativ bescheidene
Kapelle gekommen sind. Vielleicht
stammen sie aus Ebingen und wurden dort aus dem Bildersturm der
Reformationszeit
gerettet. Die
genannten Figuren (wie erwähnt
eine Katharina und eine Barbara)
sind an ihrem heutigen Standort in
Stetten bezogen auf eine Mittelfigur,
ein prachtvoll geschnitztes Kreuz.
Ursprünglich ist aber wohl eher eine
(heute verlorene) Madonna als Mittelfigur vorauszusetzen. Manfred
Hermann, ehemals Pfarrer in
Neufra, der die Figuren in seinem
werden, daß an der Herkunft der Stettener Katharina (und ihrer Pendantfigur Barbara) aus der Ulmer Weckmann-Werkstatt kaum ein
Zweifel bestehen kann. Figuren geschnitzt hätte. Er hat sie nur bemalt
(gefaßt), und er ist es auch, der den Altar geliefert, an Ort und Stelle
aufgestellt und die letzte Hand an ihn gelegt hat. Soweit ich sehe, muß
die Vorstellung, daß es in Veringenstadt Strüb-Bildhauer gegeben
hätte, aufgegeben werden. Die Veringer Strüb-Familie war eine Malerfamilie. Der hier genannte Hans Strub hat - zusammen mit seinem
Bruder Jakob Strüb - u.a. auch die Tafeln des Inzigkofer Altars gemalt
( = Meister von Sigmaringen). Die Laizer Anna Selbdritt ist aus
mehreren Gründen mit großer Sicherheit der Bildhauerwerkstatt des
Nikiaus Weckmann zuzuweisen: 1.
spricht die hohe künstlerische und
handwerkliche Qualität für eine
Entstehung in einer namhaften Werkstatt, 2. weist die Laizer Gruppe in
mehrfacher Hinsicht Ähnlichkeit mit
anderen, ebenfalls in der WeckmannWerkstatt entstandenen Darstellungen
Abb.l:
Hl. Katharina von Alexandria,
im neugotischen Altar der Friedr
hofskapelle Stetten a.k.M., Lindenholz, hinten ausgehöhlt, alte
Fassungfreigelegt und ergänzt,
H. 115 cm, B. 33 cm, T. 26 cm,
wohl, aus der Ulmer WeckmannWerkstatt, um 1515. Bildnachweis: M. Hermann, 1986, S. 124
45
Abb.2:
Hl. Katharina aus dem Adelberger Retabel, Adelberg, LKr. Göppingen, ev. Kirchengemeinde, Ulr
richskäpelle, Lindenholz, halbrundgeschnitzt, hinten ausgehöhlt (mit Spechtloch). Höhe
(mit Krone) 127 cm, B. 38 cm, T.
19 cm, Krone und Schwertklinge
ergänzt, Gewandfassung aus
dem 19- Jh., Preßbrokat in Anlehnung an die ursprünglichen
Muster gearbeitet, Inkarnate
weitgehend original Werkstatt
Nikiaus Weckmann in Ulm, datiert 1511. Bildnachweis: Ausstellungskatalog Wiirtt, Landesmuseum Stuttgart, 1993, S. 440.
dort auch weitere Literatur
der hl. Mutter Anna auf, nämlich einer aus Rottweil (Katalog wie Anm.
1,S. 134), einer aus Domat/Ems in der Schweiz (ebd. S. 358),einer
aus Stuttgart (ebd. S. 467) und einer aus Achstetten im Landkreis Biberach, die wir in Abb. 2 zeigen. Die Achstettener Figur (Abb. 2) weist
sowohl Obereinstimmungen als auch Unterschiede im Vergleich mit
der Laizer Anna Selbdritt auf. Der augenfälligste Unterschied ist wohl
der, daß bei der Achstettener Figur Maria nicht als stehende, relativ
große Ganzfigur wiedergegeben ist, sondern - fast zu einer Art "Attribut" verkleinert - auf dem Schoß der Mutter Anna sitzend und in
der Bibel lesend: kompositorisch ein reines Pendant zum Jesuskind.
Deutliche Unterschiede bestehen auch in der Gestaltung der Gewanddrapierung. Sehr ähnlich erweisen sich hingegen bei einem Vergleich
der beiden Figuren in Abb. 1 und 2 die Gestaltung von Kopf und Ge-
sicht der hl. Mutter Anna (Kopfneigung, Blickrichtung, Nase und
Mund, Kopfschleier und Halstuch). Das Jesuskind ist in beiden Fällen
stilistisch nahezu identisch (Haartracht, Gesicht, Haltung von Armen
und Beinen), nur ist es auf der Achstettener Darstellung um ca. 90
Grad gedreht und blickt, wie übrigens auch Maria, auf den Betrachter.
Insbesondere auch die Art, wie Annas rechte Hand das Kind hält, sowie
die Gestaltung dieser Hand ist in beiden Fällen sehr ähnlich.Diese signifikanten stilistischen und sonstigen Ähnlichkeiten weisen eindeutig
auf die Entstehung beider Darstellungen in ein und derselben Werkstatt, und sicherlich handelt es sich dabei um die Ulmer WeckmannWerkstatt. In der neuesten Ausgabe (1997) des Dehio'schen Handbuchs findet sich übrigens die Laizer Anna Selbdritt aus welchen Gründen immer nicht mehr verzeichnet.
Buchbesprechungen
eine frühere Nutzung und damit ein sich ständig verändernder Umgang der Menschen mit "ihrem Sach" - bis hin zum "Sausteigle"
unter der Hausstaffel oder hinter dem Haus, den Aborten im Holzverschlag oder dem angemauerten "Häusle" mit dem Abtritt. Sie
alle - und alles - hat Botho Walldorf aufgenommen, fotografiert
und beschrieben. Und er hat damit die Menschen und ihre Vergangenheit, den gelebten Alltag der kleinen Leute ernst genommen, ihn
zu einem Teü der örtlichen Überlieferung im ganz wörtlichen Sinne,
zur "Geschichte" gemacht: das Pferdegespann und das Kuhfuhrwerk samt. "Micke" und Geschirr, "Trippel" und Göpelwerk, Miste
und Güllenpumpe, Sausteigle und andere Kleintierställe; über Generationen hinweg unverändert gebliebene und genutzte Küchen,
Herde und Ofen, Wohnstuben und Kammern, das Kripple und den
Herrgottswinkel. "Das alte Glump sott weg!" Viele Bilder von Botho
Walldorf erzählen von dieser Einstellung. "Das Alte muss weg,
damit das Neue Platz hat!". Wir alle kennen solche Sätze. Manche
mögen und brauchen sie, manche verneinen sie, versuchen dagegen anzukämpfen. Botho Walldorf tut das auf seine, dokumentierende Art, mit seinen mittlerweile 15 Bildbänden, über 1000
Presseberichten, Kalendern, Ausstellungen und anderen Veröffentlichungen. Vor allem aber hat er es getan mit jener Sammlung
zur Geschichte und Reisekultur der Hohenzollerischen Landesbahn
und seiner Heimatstadt Gammertingen und Umgebung, die er ab
Aug. 1987 dem Staatsarchiv Sigmaringen übergeben hat. Sie umfasst mittlerweile 25 laufende Meter (davon 2,5 m von B. Walldorf
erschlossen) und ist mit ihren über 100 000 Fotos samt Texten eine
kulturgeschichtliche Dokumentation, die in ihrer Gründlichkeit,
Breite und Einzigartigkeit von Fachleuten und Benutzern höchste
Anerkennung erhält. Die "Sammlung Botho Walldorf II". (Depositum-Nr. 44) im Sigmaringer Staatsarchiv ist ein Glücksfall, für die
Forschung ebenso wie für die Heimatgeschichte und Heimatpflege.
Sie ermöglicht - mit höchstem zeitlichen und materiellen Einsatz
des Autors und mit großer Sorgfalt aller an der Herstellung
Beteiligten - ein Buch wie das vorliegende, das in einem die
Geschichte von Ort, Menschen und Alltag und damit ein Heimatbuch im besten, umfassendsten Sinn ist. Es ist eine Chronik des
Lebens im Ort gestern und heute, die nicht schönt, aussortiert und
damit das Loblied auf die gute alte Zeit singt. Es ist vielmehr eine
den Menschen und ihren gelebten Leben gewidmete Dokumentation, die so nirgendwo aufgeschrieben und festgehalten ist - obwohl sie heute noch viele wissen oder erfragen könnten. Jene
Botho Walldorf, Lebenswelt um 1900 Geborener
in Gammertingen
Häuser - Straßen - Leben; Menschen im Ort
"Ortsrundgänge oder der Versuch, an einem Ort seine Geschichte
abzulesen", so lauteten die Titel der Exkursionen, die mich erstmals
mit Botho Walldorf zusammenführten. Es war im September 1982
auf einem Kurs im Volkshochschulheim Inzigkofen, der sich mit der
"Kulturgeschichte unserer bäuerlichen Hausformen" befasste. Wer
interessierte sich damals - als Betonbegeisterung und "Weg mit
dem alten Glump" noch regierten - für alte Häuser, ihr Inventar,
das Leben und Wirtschaften "von gestern"? Es waren ohne Frage
Nostalgiker - dieses Wort kam damals auf - und Einzelgänger: Bewohner, Besitzer und vor allem Sanierer von alten Häusern, die
meist auch vom Lande kamen, nicht selten weggezogen waren und
eine Art Heimweh nach dem Vergangenen hatten. Botho Walldorf
stellte sich als Gammertinger vor. Er gehörte zu jenen, die der Arbeit wegen wegzogen, nie aber von der Heimat sich entfernt hatten.
Er war und ist - leidenschaftlicher Fotograf und Sammler der Ortsund Regionalgeschichte, hervorragender Kenner von Land und
Leuten, ein Chronist des Alltags und der Zeitgeschichte. Von Kind
auf - das lernte ich schnell, verfolge und bewundere ich bis heute
- , erforscht er seine Heimat, indem er sie aufnimmt, beobachtet,
ins Bild setzt und aufs genaueste beschreibt. Sein besonderes Interesse (eigentlich müsste man sagen: seine große Liebe) gilt dabei
dem, was andere übersehen oder belächelt haben - eben jenem alten "Krutscht", dem originalen Dampflokbetrieb bei der Hohenzollerischen Landesbahn, der Landtechnik von gestern, dem Mobiliar
und den Gewohnheiten der Alten. Es war all das, was damals seit
dem "Wirtschaftswunder" der 1950er Jahre, seit Wohlstand, Mobilisierung und Modernisierung als den neuen und allgemein gültigen Lebensprinzipien - mit dem Makel des Überholten und Gestrigen versehen wurde: das was nun nicht mehr angesehen, nicht
mehr "d'r Wert" war. Es war das "auslaufende" traditionelle Handwerk, die Landwirtschaft im "alten Stil", die alten Häuser und Wirtschaftsgebäude, die man nicht mehr "richtete" und mit den Alten
vollends sterben ließ. Es waren die Fahrzeuge, alte Dampflokomotiven und Gerätschaften, die "weg sollten" - und es waren, damit
verbunden, die alltäglichen Gewohnheiten und Lebensweisen der
Menschen, die sich damit langsam und oft kaum merklich wandelten. Umbauten und Umnutzungen kamen ebenso ins Blickfeld, wie
46
durchaus erfolgreich war. Aus seinem Fundus findet man in dem
Geschichte von Originalen, Altledigen, Sonderlingen, von Familien
Büchlein ca. 30 Postkarten und zahlreiche alte Fotos. Sie zeigen das
und Straßen, Häusern und Besitz, vom "Sach" und vom teilen. GerDorf wie es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aussah. Die älade heute, wo der Umbruch der ländlichen Lebensverhältnisse sich
teste Postkarte dürfte eine Farblithographie aus der Zeit kurz vor
in einem Maß und Tempo vollzieht wie nie zuvor, sind solche
1900 sein. Wie bei anderen hohenzollerischen Orten glaubte man,
Bücher wichüg. Vielleicht regen sie andere an zu neuem Sehen,
das Dorfbild durch eine Abbildung der Burg Hohenzollern "verAufhorchen, Fragen, zum Zuhören, Aufnehmen und Aufschreiben schönern" zu müssen. Doch kurze Zeit später besann man sich auf
so wie es Botho Walldorf schon als 15-jähriger in Gammertingen
die eigenen Sehenswürdigkeiten, die Kirche, Muttergotteskapelle,
getan hat und bis heute tut: mit Neugier an der Geschichte weiterHochbergkapelle und die Ruinen Lichtenstein. Neben den Kaufläschreibend, weil sie jeden Tag weitergeht: als Heimatgeschichte, vor
den ließen auch die Wirtschaften, von denen heute keine mehr exOrt.
Prof. Dr. phil. Christel Köhle-Hezinger Esslingen/Jena
Botho Walldorf, Lebenswelt um 1900 Geborener in Gammer-istiert, Postkarten anfertigen. Fotos zeigen auch die früheren Läden,
Handwerker- und Bauernhäuser, auch einige längst abgebrochene
tingen. ISBN 3-00-008-134-8. Das Buch, das der Verfasser im
Selbstverlag herausbringt, hat 324 Seiten und ca. '500, teilweiseHäuser. Vor dem Bau der Wasserleitung hatte Neufra zwei laufende
Brunnen aus der Lichtensteinquelle. Vom Brunnen beim "Adler",
farbige Abbildungen.
hat sich ein Foto erhalten. Die Fehlabrücke am Rathaus war einmal
eine Eisenkonstruktion, die 1945 unter der Last eines französisBotho Walldorf, Feldhausen und Harthausen vor der
chen Panzers zusammenbrach. Schließlich findet man auch viele
Motorisierung.
Bilder von Prozessionen, Festumzügen, Fasnet usw. Von einigen
Jahrgängen sieht man Schulbilder, das älteste von 1909. Für Neufra
Gleichzeitig mit dem oben besprochenen Band über Gammertingen
und alle die das Dorf mögen, ist das Buch eine erfreuliche Lektüre
gab Botho Walldorf, ebenfalls im Selbstverlag, ein Buch über Feldund heute schon eine Erinnerung.
hausen und Harthausen heraus. Es muß dazu gesagt werden, daß
ISBN3-89570-788-0 Erschienen im Geiger Verlag Horb a. N.
er beide Bücher (und manch andere) selbst finanziert hat.
Seit der Gemeindereform sind die beiden Dörfer Ortsteile von Gammertingen. I m Gegensatz zu Gammertingen, das durch seine
Gabriele Loges, Wortfugen und Innenräume
Herkunft aus einer mittelalterlichen Stadt geprägt ist, waren Feldhausen und Harthausen rein landwirtschaftliche Dörfer. Seit den
Die in Hettingen lebende Leiterin der Gammertinger Stadtbücherei,
fünfziger Jahren hat sich ihr Erscheinungsbild langsam verändert.
Gabriele Loges, präsentiert in ihrem l48seitigen, mit eigenen Fotos
Es war nicht der bundesdeutsche Bauboom, sondern der Wandel in
versehenen Buch "Wortfugen und Innenräume" (Geest-Verlag,
der Landwirtschaft, der die Veränderungen des Ortsbildes und des
ISBN 3-936389-04-7, 9,40 Euro) Gedichte und Kurzgeschichten,
Lebensstils bewirkte. Neubauten auf dem Land waren meistens mit
die intensiv erlebt, scharf beobachtet und mit Gespür für das
dem Generationswechsel verbunden. War ein Haus zu alt, wurde es
Wesentliche aus dem Alltag herausgegriffen wurden und darum
abgebrochen und der Neubau wieder an der gleichen Stelle
auch mit Heimat zu tun haben. In ihren Gedichten gibt Gabriele
errichtet. Der Verfasser hat dies an mehreren Beispielen gezeigt. In
Loges den Worten eine Heimstätte. Sie formt sie zu Wortbildern,
der fünfziger Jahren waren in den Dörfern noch Bauten aus minpointiert Akzente setzend, auf Überflüssiges verzichtend, den Ledestens drei Jahrhunderten vorhanden, dem achtzehnten, neunser anregend, zwischen den "Wortfugen" "Innenräume" zu entzehnten und zwanzigsten Jahrhundert. Dies hat Walldorf hervorradecken. Er kann eigene "Gedanken buchstabieren" und etwas von
gend dokumentiert. Es gelang ihm auch manch altes Foto aufzuder "Melodie ahnen", die die Texte zart aufklingen lassen. Die Autreiben, welches das Leben im Anfang des 20. Jahrhunderts zeigt.
torin selbst bekannte im Gedicht "Wortbau": "Wörter locken/verStuben, Ställe Scheuern, Werkstätten, Kirchen und Friedhof, alles
knüpfen/bauen - Brücken". Viele der Kurzgeschichten haben mit
was das Dorf ausmacht wurde im Bild festgehalten und im Text erunserer Region zu tun, unserer vertrauten Umwelt, mit ihren Menklärt. Bemerkenswert ist, daß auch die Menschen aus dem Dorf
schen und Eigenheiten, ihren Empfindungen und Schicksalen.
gezeigt werden. Die meisten sind längst verstorben, aber im Dorf
Dabei spannt die Bibliothekarin den Bogen vom einfachen Landbekennt jeder jeden und man erinnert sich an alle, die man hier
wohner über den Dorfschullehrer bis hin zu Fürstin Amalie
wieder sieht. Vieles was in einigen Jahrzehnten völlig vergessen sein
Zephyrine von Hohenzollern-Sigmaringen. Gabriele Loges bannt
würde, wird so auch für spätere Generationen erhalten. Es sind
mit viel persönlich Erlebtem, mit Schilderungen, in denen der Leser
auch Erinnerungen von Flora Bader, Aufzeichnungen von Lehrer
sich selbst und seine eigenen ähnhchen Erfahrungen wiederfinden
Mathias Heinzelmann und Mike Hummel wiedergegeben. I m
und wiederentdecken kann, mit fesselnden Schilderungen auch,
zweiten Teil des Buches sind Ergänzungen zu den Orten Hettingen,
die betroffen machen und zum Nachdenken anregen: wie etwa in
Kettenacker, Bronnen und Neufra enthalten. Botho Walldorf Feld<- den Erzählungen "Der Kaiser ist ein guter Mann" oder "Innenhattsen und Harthausen vor der Motorisierung, ISBN: 3-00-008räume". Letztere wurde in diesem Sommer vom Berklinger "Fi134-8,180 Seiten und ca. 350Abbildungen. Fester Einband mitgurentheater für Erwachsene" in Gammertingen uraufgeführt und
zwei Farbbildern
wirkungsvoll in Szene gesetzt, ba
Manfred Tremmel, Neufra Hohenzollern. Ansichtskarten
und Bilder aus unserem Dorf.
Siegfried Ruoß, Märchen und Sagen entlang der Donau
Fast 3000 Kilometer lang ist der Weg der Donau von ihrem Ursprung bis zur Einmündung ins Schwarze Meer. Untrennbar verbunden mit dem Lauf des völkerverbindenden Stroms sind die
Geschichte und Geschichten von Völkern und Menschen. Siegfried
Der Verfasser fand vor Jahren auf einer Postkartenbörse eine alte
Ansichtskarte von Neufra. Dies war der Anlaß weiter nach alten Ansichten und Fotos seines Heimatdorfes zu suchen, eine Suche die
47
Verlag:
Hohenzollerischer Geschichtsverein
Karlstraße 3, 72488 Sigmaringen
E 3828
PVSt, DPAG, »Entgelt bezahlt«
durchs Mittelalter ist unterhaltsames, informatives Nachschlagewerk und fesselndes Geschichtsbuch in einem. Es präsentiert sich
abschnittsweise wie ein spannender Roman. Dr. Lehmann serviert
auf der Suche nach Spuren des Staufergeschlechts profundes Detailwissen. Er erläutert prägnant historische Zusammenhänge, beschreibt Lebensschicksale und Machtverhältnisse, gibt Einblicke in
Baustile, Kunst und Kultur, in mittelalterliches Denken und Handeln
und würzt das Ganze mit viel Humor und köstlichen Episoden, ba
Ruoß, der als Verleger und freier Autor in der Donaustadt Ulm lebt,
hat eine stattliche Anzahl von Geschichten zusammengetragen:
phantastische Märchen, Sagen und Erzählungen von Wassernixen
und Drachen, Geistern, Feen und Hexen, Helden und Königskindern. Diese Geschichten haben die Menschen in Deutschland
und Österreich, in der Slowakei und in Ungarn, in Kroatien, Serbien, Rumänien und Bulgarien, in Moldawien und in der Ukraine
seit Generationen bewahrt: zur Unterhaltung, Erbauung und
Belehrung, sie haben sie weitergegeben von Mund zu Mund und in
Büchern aufgeschrieben. Siegfried Ruoß hat einen Teil dieses
Schatzes gehoben und ihn in dem 224seitigen Buch "Märchen und
Sagen entlang der Donau" der Öffentlichkeit präsentiert. Es ist im
Silberburg-Verlag, Tübingen, erschienen (ISBN: 3-87407-514-1;
15,80 Euro) und ist eine empfehlenswerte Lektüre, deren Inhalt
nicht nur Donaukinder und -erwachsene verzaubern kann, ba
Herbert Mayr: 40 km rund um Ulm
Der aus dem Allgäu stammende Autor Herbert Mayr hat nach seinen
Büchern "70 km rund um Stuttgart" und "Zwischen Alb und Bodensee" nun mit "40 km rund um Ulm" im Silberburg Verlag einen
l68seitigen, mit 139 Farbabbildungen und Karten versehenen Band
veröffentlicht (ISBN: 3-87407-511-7, Euro: 15,90), der 15 Vorschläge für Wanderungen und zehn für Radfahrten enthält: "Traumtouren zwischen Ostalb und Oberschwaben" (so der Untertitel).
Johannes Lehmann: Barbarossa & Co.
Wer mit Geschichte die Vorstellung von nüchternen Zahlen- und Namensangaben, von langweiligem, trockenem Lehrstoff verbindet,
sollte das Buch "Barbarossa & Co. - Reise zu den Staufern in Südwestdeutschland" (Silberburg-Verlag, 160 Seiten, 120 Abbildungen, 16,90 Euro, ISBN: 3-87407-506-0) zur Hand nehmen, und er
wird eines Besseren belehrt werden. Der Autor Dr. Johannes
Lehmann, der sich als Journalist und Verfasser zahlreicher Sachbücher einen Namen gemacht hat, vermittelt Geschichtswissen so,
wie man es sich lebendiger und spritziger kaum vorstellen kann,
dies zudem in fundierter, überzeugender Weise. Sein Reiseführer
HOHENZOLLERISCHER HEIMAT
herausgegeben vom Hohenzollerischen
Geschichtsverein, Postfach 1638,
72486 Sigmaringen
ISSN 0018-3253
Erscheint vierteljährlich.
Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat« ist
eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung im alten Land Hohenzoll e m und den angrenzenden Landesteilen mit der
Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie
bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge.
Bezugspreis:
Für Mitglieder d e s Hohenzollerischen G e schichtsvereins ist d e r Bezugspreis im Beitrag
enthalten. Bezugspreis f ü r Nichtmitglieder
€ 7 , - . Abonnements u n d Einzelnummern können beim Hohenzollerischen Geschichtsverein
(s. 0.) bestellt werden.
Dass es in dieser Region viel zu entdecken gibt, offenbart der Autor
mit aussagekräftigen, animierenden Fotos und kurzen, aber prägnanten Beschreibungen. Die Routenverläufe sind gut dargelegt und
werden durch Karten trefflich ergänzt. Sie sind mit je einem einladenden Vorspann versehen, und ein jeweiliger "Tourensteckbrief' sorgt für schnelle Übersicht bei der Auswahl. Tipps für
lohnende Abstecher fehlen nicht. Manche Routen sind auch von
Kindern zu meistern, etliche der Wanderungen sind zudem als Radtouren geeignet oder umgekehrt, ba
Die Autoren dieser Nummer:
Gerd Bantle,
Hedingerstraße 5, 72488 Sigmaringen
Dr. Otto H Becker,
Hedingerstraße 1 7 , 7 2 4 8 8 Sigmaringen
Hedwig Maurer,
Stettengasse 25, 79540 Lörrach
Dr Herbert Rädle
Veit-Jung-Straße 13a, 9 2 3 1 8 Neumarkt
Ernst Schedler
Panoramastraße 18, 71720 Oberstenfeld
Gesamtberstellung:
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Mittelberg 6, 72501 Gammertingen
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www.druckerei-acker.de
Schriftleitung:
Dr. med. Herbert Burkarth
Eichertstraße 6, 72501 Gammertingen
Telefon ( 0 7 5 7 4 ) 4 4 0 7
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persönliche Meinung d e r Verfasser wieder;
diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der Schrifüeitung sind
als solche gekennzeichnet.
Manuskripte und Besprechungsexemplare w e r den an die Adresse des Schriftleiters erbeten,
Dr. Edwin Emst Weber, Kreisarchiv Sigmaringen W i r bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische
Leopoldstraße 4, 72488 Sigmaringen
Heimat« weiterzuempfehlen.
48
Hohenzollerische Heimat
Herausgegeben vom
52.Jahrgang
Hohenzollerischen Geschichtsverein
Nr. 4 - Dezember 2002
E 3828
Der Sigmaringer »Kreishirsch« im schicken rot-weißen Vorderösterreich-Dress und mit Hohenzollern-Fähnlein freut sich mit dem württembergischen Hirsch und dem badischen Greif über den Landes-Geburtstag (Zeichnung: Christoph Stauß, Rulfingen, Vorlage: Kreisarchiv Sigmaringen).
EDWIN ERNST WEBER
An der Nahtstelle des Südweststaats.
Grenz-Erlebnisse und Landesgründung
1952 im Dreiländereck zwischen Baden,
Württemberg und Hohenzollern
„Als Christen und Katholiken müssen wir nicht Altbaden wählen. Als
Christen und Katholiken können wir auch unbedenklich dem Südweststaat unsere Stimme geben." Mit diesen Worten widersprachen
„katholische Staatsbürger" der südbadischen Arbeitsgemeinschaft
„Baden-Württemberg" in einem am 8. Dezember 1951 auch dem
Meßkircher Südkurier beihegenden Aufruf dem Freiburger Erzbischof Wendelin Rauch, der sich zuvor in einer „persönlichen Meinung als Staatsbürger" für die Wiederherstellung der alten Länder
Baden und Württemberg ausgesprochen hatte. Die Diskussion um
die Bildung des Südweststaats sorgte zu Beginn der 1950er Jahre
auch in der badisch-württembergisch-hohenzollerischen Dreiländerecke zwischen Donau und Bodensee für heftige Emotionen und
politische Unruhe. In markantem Unterschied zum Mehrheitsvotum
in Südbaden, das sich bei der Volksabstimmung vom 9- Dezember
1951 zu 62,6 Prozent für die alten Länder entschied, fand der politische Zusammenschluss des deutschen Südwestens in den beiden
badischen Landkreisen Stockach und Überlingen eine Zustimmung
von 59,2 bzw. sogar 65,5 Prozent.
Auch wenn die Abstimmungsergebnisse von Ort zu Ort recht unterschiedlich ausfielen und beispielsweise in Illmensee, Illwangen,
Ruschweiler, Denkingen, Burgweiler, Herdwangen, Großschönach
und Zell am Andelsbach die „Alt-Badener" deutliche Mehrheiten
erzielten, war der Gesamttrend für den Südweststaat im badischen
vermeintlich „alten" Grenzen und mit ihnen die „gewachsenen" Länder Baden, Württemberg und Hohenzollern ihrerseits durch eine
radikale Neugliederung der Landkarte zur Zeit Napoleons entstanden, zu der die Bevölkerung seinerzeit und im Unterschied zu
1951 in keinster Weise nach ihrer Meinung gefragt worden war. An
die Stelle von mehr als einhundert reichsunmittelbaren Territorien
adliger, geistlicher und reichsstädtischer Provenienz, dazu noch
zahlreichen Ritterherrschaften und vorderösterreichischen Gebieten
waren zwischen 1803 und 1810 im deutschen Südwesten schlussendlich noch fünf Nachfolgestaaten getreten: Die Königreiche Württemberg und Bayern, das Großherzogtum Baden und schließlich
noch - gegen alle Logik und Wahrscheinlichkeit der Geschichte - die
beiden hohenzollerischen Duodezfürstentümer Hechingen und Sigmaringen. Diese verdankten ihren Fortbestand als souveräne Staaten
zunächst des Rheinbundes und sodann des Deutschen Bundes weniger ihren mächtigen Vettern von der preußischen Linie des Hauses
Hohenzollern als den persönlichen Beziehungen der damaligen Sigmaringer Fürstin Amalie Zephyrine in die Führungsschicht des napoleonischen Frankreich und in die Familie des französischen Kaisers.
„Seekreis" günstig. Die beiden Städte Pfullendorf und Meßkirch votierten mit 59,6 und 56,8 Prozent für die Länder-Ehe, im Grenzort
Stetten a. k. M. erreichte die Zustimmung gar einen Rekordwert von
82,5 Prozent. Aus nachvollziehbaren Gründen südweststaatsfreundlich war man mit 89,5 Prozent auch in der von hohenzollerischem
und württembergischem Gebiet umschlossenen badischen Exklave
Wangen bei Ostrach. Insgesamt fällt auf, dass im Meßkircher Raum
der Südweststaat eindeutig mehr Anhänger besaß als im Pfullendorfer Umland, wo überraschenderweise selbst verschiedene Grenzgemeinden für die Wiederherstellung des alten Landes Baden und
damit den Fortbestand der Landesgrenze votierten.
Dem allgemeinen Landestrend in Hohenzollern und Württemberg
folgend fällt demgegenüber in den damaligen Kreisen Sigmaringen
und Saulgau die Zustimmung zum Länderzusammenschluss mit 90
Prozent und mehr geradezu überwältigend aus. Die bescheidene Abstimmungsbeteiligung von gerade einmal 56 Prozent gegenüber 70
und 72 Prozent in den beiden Kreisen Stockach und Überlingen lässt
allerdings erkennen, dass die Südweststaatsdebatte in Württemberg
und Hohenzollern weitaus weniger emotionsgeladen war als bei den
badischen Nachbarn. Zumindest für gewisse Irritationen dürfte bei
den hohenzollerischen Wählern die auf den Stimmzetteln vermerkte
Alternative zum Südweststaat - die „Wiederherstellung des alten Landes Württemberg einschließlich Hohenzollern" gesorgt haben, denn
württembergisch wollte man im Zollerländchen bekanntlich von jeher zuallerletzt werden.
Trauer über die Trennung von Österreich
Dass die Bevölkerung Oberschwabens vor 200 Jahres keineswegs mit
Begeisterung zu neuen Untertanen der Könige von Württemberg und
Bayern und des Großherzogs von Baden wurde, sondern vielmehr
ihren alten Herren und hier zumal dem Haus Österreich vielfach
noch lange nachtrauerte, offenbart ein Zeugnis aus Engelswies: Der
dortige Bürgermeister weiß noch 1865 von seinem längst verstorbenen Vater zu berichten, dass die alten Engelswieser gut österreichisch gewesen seien und sie „die Losreißung von Kaiser und Reich" wie ein „Donnerschlag" überkommen sei. An Württemberg jedenfalls wollten sie seinerzeit unter keinen Umständen kommen,
„lieber noch wurden sie badisch". „Aber solange mein Vater lebte,
schlug sein Herz östreichisch, war sein Verlangen, wieder dasselbe
zu werden." Nicht wenige Orte wechselten zu Beginn des 19. Jahrhunderts gleich mehrfach ihren Landesherrn. Den Rekord dürfte
wohl das Dorf Ablach halten, das von Österreich 1805 zunächst an
Württemberg, 1810 sodann an Baden und 1812 schließlich im
Tausch gegen Rast an Hohenzollern-Sigmaringen kam.
„Vorsintflutliche" Grenzverhältnisse
Die Gründe für das vom südbadischen Landestrend auffallend abweichende Votum des badischen Seekreises für den Südweststaat
werden in einem Südkurier-Artikel zu den „Landesgrenzen im
Bodenseeraum" drei Tage vor der Wahl deutlich. Da ist von „durch
die Entwicklung längst überholten", ja „vorsintflutlichen" Binnengrenzen im Raum zwischen Donau und Bodensee mit nicht weniger
als 14 Exklaven und Enklaven die Rede. Auch wenn die Grenzpfähle
mittlerweile nur noch für die Verwaltungs-Amtsstuben existierten
und die Bevölkerung des Grenzlandes ihre familiären, geselligen,
kirchlichen und wirtschaftlichen Beziehungen über die Landesgrenzen hinweg eifrig pflege, beschere die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Bundesländern den Menschen doch manche Erschwernis im
Alltag und mitunter geradezu groteske Skurrilitäten. So habe etwa ein
heiratslustiges Paar aus dem zwischen dem badischen Herdwangen
und dem hohenzollerischen Selgetsweiler geteüten Weiler Mühlhausen in der französischen Besatzungszeit kurz nach Kriegsende für
die Hochzeitsfeier Passierscheine aus den Kreisstädten Überlingen
und Sigmaringen benötigt, obwohl man gerade einmal 30 Meter auseinander wohnte. Kaum weniger skurril erscheint dem Autor, dass
zur sonntäglichen Verkehrsregelung auf der württembergischen Exklave Hohentwiel Polizisten aus dem 25 Kilometer entfernten Tuttlingen anrücken müssten, wo doch das badische Singen so nahe liege.
Die Untertanen des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen erhalten
kaum ein halbes Jahrhundert nach den napoleonischen Umwälzungen, als Folge der Revolution von 1848/49, abermals einen anderen
Landesherrn, den König von Preußen. Dass man diesen von „oben"
verfügten Herrschaftswechsel, zu dem man unter Bruch der Verfassung auch jetzt nicht gefragt wurde, offenbar mit durchaus gemischten Gefühlen betrachtete, enthüllt die bekannte Anekdote von jenem hohenzollerischen Pfarrer, der in der ihm aufgetragenen Kirchenpredigt seiner Gemeinde verkündete, er werde heute darüber zu
sprechen haben, „wie sehr wir uns freuen sollen, dass wir preußisch
geworden sind, und darüber, dass wir dies um unserer Sünden willen
auch nicht besser verdient haben".
Vielleicht war den Seekreis-Bewohnern angesichts der kunterbunten
Grenzverhältnisse in ihrer Nachbarschaft aber auch bewusst, dass ihr
Badnerland und die bis 1945 bestehende staatliche Gliederung im
deutschen Südwesten keineswegs so altehrwürdig und organisch
gewachsen waren, wie dies die Badische Landesregierung in Freiburg oder auch der Landesvorstand der südbadischen CDU in Aufrufen vor der Abstimmung wahrhaben wollten. Vielmehr waren die
Nutznießer der Souveränitäts-Übergabe an den König von Preußen
waren vor allem die Fürsten von Hohenzollern, die als Gegenleistung
für die Abtretung ihrer Ländchen die 1803 und 1806 durch die Säkularisation gewonnenen Kloster- und Kirchengüter als Privatbesitz
garantiert erhielten. Langfristig hatte der Herrschaftswechsel von
1849/50 allerdings auch für die hohenzollerische Bevölkerung seine
50
Mitteilungen
aus dem
Hohenzollerischen
Geschichtsverein
Geschichtsverein und das Staatsarchiv Sigmaringen auch einen
Vortrag über König Carol I von Rumänien anbieten. Bei RedakHans Albrecht Oehler, Haigerloch
tionsschluss stand der genaue Termin noch nicht fest. Dieser
,Am Torwarthäuschen". Die Haigerlocher Kindernbuch-wird rechtzeitig in der Presse angekündigt.
Autorin Maria Batzer"
Mit Lichtbildern
II. Vorankündigung
Montag, 17. März 2003, um 20 Uhr im Hohenzollernsaal des
Neuen Schlosses (Sparkasse Zollernalb) in Hechingen
Der Geschichtsverein veranstaltet am Samstag, 3. Mai 2003,
eine Exkursion mit Führung in der Landesausstellung Alte
Klöster - neue Herren in Bad Schussenried.
Im Zusammenhang mit der Ausstellung „Dan ist beserzu leben
als im Schwaben land". Vom deutschen Südwesten in das Näheres darüber wird im 1. Heft der Hohenzollerischen Heimat
Banat und, Siebenbürgen werden der Hohenzollerische Jg. 2003 bekanntgegeben.
I. Vorträge
guten Seiten, denn eine derart großzügige staatliche Förderung von
Infrastruktur, Wirtschaft und Land hatten „Preußens verwöhnte
Kinder" weder vorher noch danach jemals erfahren.
des 19. Jahrhunderts gevierteilte Oberschwaben und zumal das
Dreiländereck an der oberen Donau über eineinhalb Jahrhunderte,
bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg auszeichnet. Grenzüberschreitende Kooperation wie in dem seit 1898 gebildeten badischwürttemb.-hohenzollerischen „Dreiländer"-Wasserversorgungsverband für den südlichen Heuberg war dabei lange Zeit eher eine Ausnahmeerscheinung. Der Normalfall sind Vorgänge wie 1920 in Leiberüngen und Kreenheinstetten, wo den Gemeinden der gewünschte
Anschluss an das württembergische Stromversorgungsnetz von den
badischen Behörden untersagt und ein Vertrag mit dem einheimischen Badenwerk durchgesetzt wurde. Längs der Landesgrenzen entwickelt sich im 19. Jahrhundert und erneut nach 1945 eine nahezu
hermetisch abgeriegelte Presselandschaft, die das benachbarte „Ausland" in ihrer Berichterstattung weithin ausblendet und damit die
bekannte Welt vielfach an den Grenzpfählen enden lässt.
Landestreue und Randlage
Die zu Beginn des 19. Jahrhunderts solchermaßen durchaus willkürlich gezogenen Ländergrenzen behielten über alle politischen Veränderungen Bestand bis nach dem Zweiten Weltkrieg und als Kreisgrenzen sogar bis zur großen Kreisreform von 1973- Durch die
gemeinsam erlebte und erlittene Geschichte, die jeweilige Verfassungs- und Demokratie-Entwicklung und nicht zuletzt durch eine abgrenzende Stilisierung des eigenen Landes wie auch der Nachbarn
entwickelt sich in den neu geschaffenen Ländern verhältnismäßig
rasch ein ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsgefühl und ein emotional gefärbter Landespatriotismus. Im Breisgau, im Schwarzwald
und am Bodensee, wo man zunächst mit Baden nur wenig im Sinne
hatte und weitaus lieber österreichisch gebüeben wäre, schreitet die
Landesintegration so rasch voran, dass man 1951 als Gralshüter der
badischen Einheit auftritt und die „richtigen" Badener zwischen Baden-Baden, Pforzheim und Durlach im Südweststaatsstreit schließlich an Landestreue um Längen übertrifft. Bis heute wird das Badnerlied an der Dreisam und entlang der früheren Landesgrenze zwischen Alb und Bodensee bekanntlich mit ganz besonderer Inbrunst
gesungen.
Heitere bis skurrile Grenz-Erlebnisse
Fester Bestandteil der Grenzlage sind schließlich auch zahllose heitere bis skurrile GrenzErlebnisse. Geradezu makaber erscheint dabei
ein Vorfall im Dreiländereck beim „Blindloch" zwischen Beuron,
Leibertingen und Fridingen: Als sich dort 1919 ein Leiberünger
Bauernsohn mit einem Armeerevolver erschießt, weü er seine aus
einer ärmeren Familie stammende Angebetete nicht heiraten kann,
beschäftigt der Selbstmord Polizeibehörden und Gerichte in gleich
drei Ländern. Seine positiven Seiten hatte die Grenzlage dagegen für
manche Wirtshaus-Zecher aus dem badischen Meßkirch, die angeb-
Die andere Seite der Grenzlage ist eine ausgeprägte wirtschaftliche
und infrastrukturelle Rand- und Rückständigkeit, die das zu Beginn
51
lieh mitunter bei Anbruch der Polizeistunde in Gasthäuser in der nahegelegenen hohenzollerischen Exklave Igelswies auswichen, wo
aufgrund der Entfernung zur Amtsstadt Sigmaringen keine Gendarmen-Kontrollen zu befürchten waren. Selbst im tiefen Winter spielten die Grenzverhältnisse eine wichtige Rolle, wenn noch in den
1960er Jahren auf dem südlichen Heuberg der von Buchheim kommende badische Schneepflug an der Gemarkungsgrenze der hohenzollerischen Exklave Thalheim die Schaufel anhob und erst dann
wieder absenkte, wenn er wieder badischen Boden erreicht hatte. Es
bedurfte einer hochoffiziellen Vereinbarung zwischen den Landratsämtern Stockach und Sigmaringen, damit auch Thalheims Straßen
vom durchfahrenden badischen Schneepflug geräumt wurden. Im
benachbarten Kreenheinstetten kollidieren wenige Jahre vor der
Südweststaatsgründung über der Verpachtung der dörflichen Schafweide wirtschaftliche Erwägungen und badischer Landespatriotismus ganz massiv miteinander. Als die dortige Gemeinde nämlich
mehrfach ihre Weide an einen vermutlich besser zahlenden Schäfer
aus dem württembergischen Schussenried verpachtet, versuchen der
badische Schäfereiverband und einzelne Schäfer in einem über
mehrere Jahre gehenden Streit, mit Hilfe des Stockacher Landratsamtes und sogar der Freiburger Ministerialverwaltung die Kreenheinstetter von einer solchen Bevorzugung von württembergischen
Ausländern auf badischem Boden wieder abzubringen.
Bei einer Schilderung der vielfach skurrilen Grenzverhältnisse dürfen schließlich keinesfalls die sog. Kondominate, also die Ortschaften
mit geteilter Landeszugehörigkeit unterschlagen werden. In Burgau
bei Riedlingen setzt sich die auf eine Erbteilung der Herren von
Hornstein im 14. Jahrhundert zurückgehende Spaltung des Dorfes
auf zwei Herrschaften über alle Umbrüche der Geschichte nahtlos
fort bis 1969, als im Gefolge des sog. Exklavenbereinigungsgesetzes
die mittlerweile zum württembergischen Kreis Saulgau bzw. zum hohenzollerischen Kreis Sigmaringen gehörenden Ortshälften endlich
wiedervereinigt werden. Im bereits erwähnten Weiler Mühlhausen
sodann verläuft die Landesgrenze zwischen den in den 1920er Jahren
drei badischen und zwei preußischen Bauernhöfen sogar entlang der
Feldparzellen der einzelnen Güter, so dass sich der Pfullendorfer
Oberamtmann bei einem Gemeindebesuch 1925 angesichts solch
hanebüchener Grenzverhältnisse „an die schlimmsten Zeiten der
deutschen Kleinstaaterei" erinnert fühlt. Die skurrile Teilung des
Weilers findet nach vielen Jahrhunderten gleichfalls erst 1969 mit
der Umgemeindung des hohenzollerischen Ortsteils von Selgetsweiler nach Herdwangen ein Ende.
hohenzollerischen und württembergischen Bestandteilen erscheint
dabei in gewissem Sinne als Verkörperung des Südweststaates im
kleinen.
Gänzlich vollendet ist die Landesintegration indessen auch am 50.
Geburtstag des Südweststaats noch nicht - weder auf der Ebene von
Baden-Württemberg noch auf jener von Oberschwaben und des
Landkreises Sigmaringen. Im kirchlichen Bereich etwa bestehen die
Grenzen von 1810 weiterhin fort, wobei Hohenzollern auf katholischer Seite der badischen Erzdiözese Freiburg, auf evangelischer Seite
dagegen der Evangelischen Landeskirche Württemberg zugehört.
Noch nicht zusammengefunden haben gleichermaßen die Bauernverbände, die meisten Sportverbände und nicht zuletzt auch die Sparkassen, wo sich weiterhin die württembergischen Kreissparkassen
und die badischen Bezirkssparkassen gegenüberstehen. Demgegenüber haben die Blasmusiker die alten Grenzen zwar noch nicht zur
Gänze auf Landesebene, aber immerhin auf Kreisebene überwunden,
wo man sich 1979 unter Ausschluss der weiterhin separatistischen
Bläser aus Sentenhart - zu einem einheitlichen Kreisblasmusikverband Sigmaringen zusammengeschlossen hat. Der Kreisblasmusikverband Sigmaringen konnte deshalb beim großen Bläsertreffen zum
Landesgeburtstag im Sommer 2002 in Stuttgart auch zu Recht die aus
dem Jubiläumslogo des Landes entliehenen Wappentiere von Württemberg und Baden mit sich führen - und dazu noch den Sigmaringer Kreishirsch mit österreichisch rot-weiß gefärbtem Anzug und Hohenzollern-Fähnlein. Letzteres als kleine, freche Erinnerung daran,
dass unser Bundesland neben Baden und Württemberg mit Hohenzollern noch einen häufig vergessenen dritten geschichtlichen Bestandteil besitzt.
Kurzvortrag zur Eröffnung der Ausstellung „Gemeinsam sind wir unwiderstehlich - 50 Jahre Baden- Württemberg" des Hauses der Geschichte Baden- Württemberg am 17. Juli 2002 in der Hohenzollerischen Landesbank Kreissparkasse Sigmaringen.
Quellen und Literatur:
Schwäbische Zeitung, Ausgabe Sigmaringen 195 1. Südkurier, Ausgabe Stockach/Meßkirch 195 1.
Hermann Bausinger: Die bessere Hälfte. Von Badenern und Württembergern. Stuttgart, München 2002.
Fritz Kallenberg (Hg.): Hohenzollern. Stuttgart u.a. 1996.
Momente. Beiträge zur Landeskunde von Baden-Württemberg
1/ 2002.
Napoleonische Grenzen wirken weiter fort
Mit der Südweststaatsgründung 1952 lebt man dann zwar in einem
gemeinsamen Bundesland, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts willkürlich gezogenen Grenzen bestehen indessen als Kreis- und Regierungsbezirksgrenzen weitere 20 Jahre fort. Erst die große Kreisreform von 1973 hebt nach fast 170 Jahren die napoleonischen
Grenzziehungen endgültig auf und führt das hohenzollerische Oberland wie auch den badischen Bodenseeraum nach Oberschwaben
zurück, zu dessen kleinterritorial, sakral und österreichisch geprägtem Kulturraum auch diese Gebiete bis zur Säkularisierung und Mediatisierung über viele Jahrhunderte stets gehört hatten.
Der an der Nahtstelle der früheren Grenzen gelegene „Dreiländerkreis" Sigmaringen mit seinen zu etwa gleichen Teilen badischen,
52
Wilfried Setzier: 50 Jahre Baden-Württemberg - Vom Werden eines
Bundeslandes. In: Schwäbische Heimat 2002/1, S. 22 - 32.
Edwin Ernst Weber: „Grenz-Erfahrungen" im Dreiländereck auf dem
südlichen Heuberg. In: Bernhard Maier und Werner Wohlhüter
(Hgg.): „Grenzraum". Dokumentation zum Symposium vom 9- bis
16. August 1997. Tuttlingen 1997, S. 5 - 1 0.
Edwin Ernst Weber: Von Samt-, Haupt- und Nebengemeinden. Zur
Siedlungs- und Verwaltungsstruktur von Herdwangen und Großschönach bis zur Gemeindereform von 1924. In: Helga SchnabelSchüle u. ders. (Red.): Herdwangen-Schönach. Heimatbuch zur Geschichte der Gemeinde. Herdwangen-Schönach 1994, S. 183 - 203.
Edwin Ernst Weber: Vom Wallfahrtsdorf zum Industriestandort. Engelswies vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart. In: Ders.
(Bearb.): Zwischen Wallfahrt, Armut und Liberalismus. Die Ortsgeschichte von Engelswies in dörflichen Selbstzeugnissen. Sigmaringen 1994, S. 35 - 84.
Ablauf der regulären Amtszeit, trat er den Vereinsvorsitz an seinen
Nachfolger im Staatsarchiv Sigmaringen, Dr. Wilfried Schöntag, ab.
Dem Andenken an
Prof. Dr. Gregor Richter
Prof. Dr. Gregor Richter
(1027-2002)
Vornehmlich dank seiner intensiven Ausstellungstätigkeit, seiner
zahlreichen Vortragsveranstaltungen, Exkursionen und Führungen,
aber auch dank seiner Tätigkeit als Schriftleiter der Zeitschrift für
Hohenzollerische Geschichte hat Prof. Dr. Gregor Richter bei vielen
Zeitgenossen Interesse an der Geschichte geweckt und Forscher zur
Bearbeitung historischer und landeskundlicher Themen aus dem
Bereich von Südwürttemberg und Hohenzollern angeregt. So brachte
er 1982 zusammen mit dem damaligen Tübinger Regierungspräsidenten Dr. Max Gögler das Buch „Die Geschichte des Landes Württemberg-HohenzolIern 1945 - 1952. Darstellungen und Erinnerungen" heraus. Die unter der Mitarbeit zahlreicher Wissenschaftler,
Politiker und höherer Beamter entstandene Publikation ist inzwischen zu einem Standardwerk der „großen Geschichte" des kleinen
Bundeslandes Württemberg-Hohenzollern geworden.
Am 19- Oktober 2002 starb in
Stuttgart völlig unerwartet in
seinem 76. Lebensjahr das Ehrenmitglied des Hohenzollerischen Geschichtsvereins, Herr
Präsident a.D. Prof. Dr. Gregor
Richter. Seit 1973 Mitglied und
seit 1974 Vorstandsmitglied des
Geschichtsvereins wurde der
Verstorbene im Spätherbst 1977
zu dessen Vorsitzenden gewählt
und damit auch mit der
Schriftleitung der Zeitschrift für
Hohenzollerische
Geschichte
betraut.
Auch nach der Verlegung seines Hauptwohnsitzes nach Stuttgart hat
Prof. Dr. Richter die Verbindung zu Sigmaringen und dem Geschichtsverein weitergepflegt und sein Wissen und seine Erfahrungen
in die Vereinsarbeit eingebracht. Selbst als Pensionär nahm er recht
häufig an einzelnen Veranstaltungen und Mitgliederversammlungen
des Geschichtsvereins teil. Im Rahmen des Vereinsprogramms hielt
der Verstorbene am 30. Juni in Hechingen und am 27. Oktober 1998
in Sigmaringen den Vortrag „Hofkapellmeister Thomas Täglichsbeck
- ein außergewöhnlicher Musiker in Hechingen und in Löwenberg
in Schlesien". Gerne ist Prof. Richter der Einladung des Vereins zum
Festakt am 30. September 2000 auf der Burg Hohenzollern aus Anlass des Anschlusses der Fürstentümer Hohenzollern an Preußen vor
150 Jahren gefolgt.
Dr. Gregor Richter, seit Januar 1974 Leiter des Staatsarchivs Sigmaringen, hatte mit dem Vereinsvorsitz kein leichtes Amt übernommen, befand sich der Verein doch seit der Aufhebung des Hohenzollerischen Landeskommunalverbandes und der Aufteilung des Hohenzollernlandes auf neun Landkreise, sechs Regionen und drei
Regierungsbezirke durch die Kreisreform 1973 in einer Krise. Infolge der anschließenden Kommunalreform hatte der Geschichtsverein überdies eine Reihe von korporativen Mitgliedern verloren.
Mit viel Energie und Engagement konnte Dr. Richter, der aus Schlesien stammte, die von seinem Vorgänger eingeleitete Konsolidierung
des Geschichtsvereins vorantreiben und schließlich auch zum Abschluss bringen. Dabei ist es dem neuen Vorsitzenden dank seiner
Kontaktfreudigkeit und seines Einfallsreichtums vor allem auch
gelungen, die Zahl der Mitglieder deutlich zu erhöhen.
Die Verdienste des Verstorbenen um die Geschichte und Landeskunde Hohenzollerns und um den Hohenzollerischen Geschichtsverein fanden große Anerkennung. Auf Vorschlag von Vorstand und
Beirat wurde Prof. Dr. Gregor Richter bei der Mitgliederversammlung am 6. Oktober 1998 in Hechingen einstimmig zum Ehrenmitglied des Hohenzollerischen Geschichtsvereins gewählt.
Als Dr. Gregor Richter im Dezember 1979 an die Landesarchivdirektion in Stuttgart berufen wurde, behielt er den Vereinsvorsitz
bei. Die laufenden Schreibtischarbeiten und auch die Redaktion der
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte, die sich infolge des häufigen Mangels an geeigneten Beiträgen oft als recht schwierig erwies,
erledigte Dr. Richter zumeist an den Wochenenden in Sigmaringen,
wo er zunächst auch noch seinen Hauptwohnsitz hatte. 1981, nach
Der Hohenzollerische Geschichtsverein wird seinem verstorbenen
Ehrenmitglied und früheren Vorsitzenden ein ehrendes Andenken
bewahren.
Dr Otto H. Becker
OTTO H. BECKER
chorfrauenstifts Inzigkofen ein Kolloquium, bestehend aus sieben
Fachvorträgen, über die Säkularisation in den Fürstentümern Hohenzollern.
Die Säkularisation in den Fürstentümern
Hohenzollern vor 200 Jahren
Nach der Begrüßung der über 70 Teilnehmer durch den Vorsitzenden des Geschichtsvereins Dr. Otto Becker sprach der Bürgermeister Pius Widmer auch als zweiter Vorsitzender des Fördervereins Volkshochschulheim Inzigkofen und nunmehr auch als
Eigentümer des Klostergebäudes Grußworte. Weitere Grußworte
entbot Volkshochschulheimleiter Bernd Eck.
Im kommenden Jahr gedenkt Baden-Württemberg mit einer Landesausstellung und einer Vielzahl von Veranstaltungen und Publikationen der Aufhebung der Klöster und geistlichen Korporationen 1802/3 und 1806 und dem Einzug ihrer Besitzungen durch die
weltlichen Staaten und Fürsten, also der Säkularisation. Im Vorgriff
hierzu veranstaltete der hohenzollerische Geschichtsverein e.V. am
9. November 2002 im Kapitelsaal des ehemaligen Augustiner-
Im ersten Vortrag schilderte der Sigmaringer Kreisarchivar Dr. Edwin Ernst Weber das religiöse Leben und den klösterlichen Alltag
53
r
der Augustinerchorfrauen in lnzigkofen am Vorabend der Säkularisation. Die Lebensgestaltung der Klosterfrauen schwankte, wie der
Referent vor allem aufgrund der vorhegenden Klosterchronik und
der Visitationsprotokolle lebendig darlegte, zwischen sehr hohen
religiösen Ansprüchen, einer „Hochleistungsfrömmigkeit", auf der
einen und moderaten Formen der Religiosität und durchaus auch
weltlichen Freuden auf der anderen Seite.
frauen 1807 eine Mädchenschule einzurichten. Doch, obwohl die
Dominikanerinnen dabei von dem berühmten Geheimen Medizinalrat Franz Xaver Mezler unterstützt wurden, musste die Schule,
in der vor allem hauswirtschaftliche Fähigkeiten vermittelt wurden,
wie die Referenün Doris Muth M.A. ausführte, infolge der Verweigerung staatlicher Zuschüsse bereits zwei Jahre nach ihrer
Gründung wieder geschlossen werden.
Anschließend referierte Dr. Andreas Zekorn, Kreisarchivar des
Zollernalbkreises, über die Säkularisaüon Kaiser Josefs II. im
Jahre 1782, der Vorstufe zur großen Säkularisaüon zu Beginn des
19. Jahrhunderts, der die beiden Terziarinnenklöster Gorheim und
Laiz zum Opfer fielen. Dr. Zekorn machte deutlich, dass Österreich
als Lehnherr der gef'ürsteten Grafschaft Sigmaringen dabei ohne
Rücksichtnahme auf Fürst Karl von Hohenzollern-Sigmaringen
vorging. Der Fürst ersteigerte die beiden Klostergebäude mit
einzelnen Besitzungen schließlich für 31 000 Gulden, die vom
Österreichischen Religionsfonds vereinnahmt wurden.
Im letzten Vortrag referierte Dr. Otto Becker über das Schicksal der
Archive und Bibliotheken der von Hohenzollern-Sigmaringen säkularisierten Klöster. Danach stellen die heute vor allem im Staatsarchiv Sigmaringen und im Depositum Fürstl. Hohenz. Haus- und
Domänenarchiv verwahrten Klosterarchivalien nur noch Überreste
dar. Den Archiven blieb jedoch die Tragödie der Bibliotheken erspart. So sind von der einmal mindestens 20.000 Bände umfassenden Bibliothek des Augustinerchorherrenstifts Beuron nur rund 900
Bücher in die Hofbibliothek bzw. in die Kapitelsbibliothek in Sigmaringen gelangt. Der Großteil der Bücher wurde bei einer Versteigerung 1824 in Beuron meistbietend an den Mann gebracht.
Der stellvertretende Vorsitzende des Hohenzollerischen Geschichtsvereins, Rektor a.D. Otto Werner aus Hechingen, steuerte
zum Kolloquium zwei Vorträge bei, nämlich über die Säkularisation des Klosters St. Luzen und des Kollegiatstifts St. Jakob in
Hechingen sowie über die Säkularisation der Dominikanerinnenklöster Stetten im Gnadental und Rangendingen. Der Referent ging
dabei sehr intensiv auf die oft bitteren Schicksale der einzelnen
Klosterinsassen ein.
Die Säkularisation, das zeigten die Vorträge, aber auch die rege
Aussprache darüber, bewirkten den Verlust bedeutsamer Ordensniederlassungen und Stifte und erniedrigte vor allem die Klosterfrauen zu Rentenbeziehern. Versuche von Schwestern, ihre Fähigkeiten in Schulen zum Nutzen der Allgemeinheit einzubringen,
stießen bei den zuständigen Stellen auf Ablehnung und mussten deshalb scheitern. Die Patres und Kanoniker wurden demgegenüber
zumeist auf Pfarrstellen versetzt
Der Haigerlocher Grund- und Hauptschullehrer Robert Frank behandelte die Säkularisation des Frauenklosters Gruol, in dem die
Schwestern mit dem Beistand des Ortspfarrers Wilhelm Mercy
1803 eine Mädchenschule einrichteten, die aber nie die Huld des
Fürsten fand und schließlich 1827 aufgegeben werden musste.
Auch im säkularisierten Dominikanerinnenkloster Habsthal, das
1806 an Hohenzollern-Sigmaringen fiel, versuchten die Kloster-
Der Umgang mit der kulturellen und religiösen Verlassenschaft der
Klöster und Stifte artete nicht selten in puren Vandalismus aus. Auf
der anderen Seite freilich bildete die Säkularisation, wie Dr.
Becker in der Begrüßung feststellte, den Einstieg in den hohenzollerischen Sonderweg, der erst in der Kreisreform 1973 sein
endgültiges Ende fand.
EDWIN ERNST WEBER
Heimatort und sodann von 1921 bis 1927 des Progymnasiums im
benachbarten Riedlingen nahm der begabte Schultheißensohn 1927
die Ausbildung am Lehrerseminar in Saulgau auf. Sein Vorhaben,
den Lehrerberuf zu ergreifen und damit in die Fußstapfen seiner
Großvaters mütterlicherseits, des Oberlehrers Felix Ruf (1.840 1.922), zu treten, musste er 1929 nach einer schweren Tuberculose-Erkrankung aber aufgeben. Inmitten dieser schwierigen Zeit
verstarb im Juli 1930 im Alter von erst 55 Jahren der Vater, und der
Mutter oblag mit Unterstützung der älteren Kindern allein die Versorgung der großen Familie.
Ein menschlicher Arzt und ein kunstsinniger Mensch:
Zum Tod von Dr. Rudolf Eisele (1910 - 2002)
Im hohen Alter von 91 Jahren ist am 5. Mai 2002 in Wald der Arzt
Dr. Rudolf Eisele verstorben, der sich über mehr als ein halbes
Jahrhundert mit seinem herausragenden medizinischen und öffentlichen Engagement bleibende Verdienste in Stadt und Landkreis
Sigmaringen erworben hat.
Nach seiner Genesung setzte Rudolf Eisele 1931 am Realgymnasium
Ulm, der „Blauschule", seine schulische Ausbildung fort und legte
dort 1932 das Abitur ab. Em Medizinstudium in Tübingen, Breslau
und schließlich in Düsseldorf schloss sich an, im November 1937
legte er das Staatsexamen ab, bis April 1939 folgte an der Medizinischen Akademie Düsseldorf die Promoüon. Noch während des
Studiums bekam er während einer dreimonatigen Famulatur im
Sommer und Herbst 1936 erstmals Kontakt mit dem Sigmaringer
Fürst-Carl-Landeskrankenhaus und lernte dabei die Laborantin
Helma Keller kennen, die spätere Ehefrau. Zum 30. Dezember 1937
Rudolf Eisele wurde am 30. November 1910 als drittes von zehn
Kindern des Schultheißen Felix Eisele und seiner Ehefrau Auguste
geb. Ruf in Erüngen im damaligen württembergischen Oberamt
Riedlingen geboren. Seine Kindheit und Jugend waren zumal in der
Zeit des Ersten Weltkriegs und den folgenden Krisenjahren nicht frei
von Not und Entbehrung, da das Einkommen der vielköpfigen Familie neben dem Verdienst des Vaters stark vom Ertrag einer kleinen
Landwirtschaft abhing. Nach dem Besuch der Volksschule in seinem
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Wahl des Kreistags gegen sechs Mitbewerber die Nachfolge von Prof.
Lieb als Chefarzt der Chirurgie an. Von 1965 bis zu seinem Eintritt in
den Ruhestand Ende März 1976 hat der behebte und angesehene
Mediziner überdies auch noch die Funktion des Ärztlichen Direktors am Landeskrankenhaus inne.
kehrte Eisele nunmehr als Medizinalpraktikant an das hohenzollerische Stiftungskrankenhaus zurück, wo zu dieser Zeit mit Anstaltsleiter Dr. End, dem Psychiatriearzt Dr. Hüetlin und dem Chirurgen
Dr. Lieb ganze drei Ärzte fest angestellt waren. Hinzu kamen noch
zwei Medizinalpraktikanten und ein oder zwei sog. Volontärärzte.
Letztere Funktion erlangt Rudolf Eisele Ende 1938, am 1. April 1939
wird er sodann zum Assistenzarzt befördert und verfügt damit erstmals über ein nennenswertes Einkommen von monatlich 305
Reichsmark. Der junge Arzt ist zunächst als Schüler und in der Folge
als Assistent dem Chirurgie-Chefarzt Dr. Lieb zugeordnet, von dessen
Persönlichkeit und fachlicher Kompetenz Eisele auch noch Jahrzehnte nach dessen Tod eine hohe Meinung hatte.
Die feste Anstellung auf einer im Frühjahr 1939 neu geschaffenen
Assistenzarztstelle bildet zugleich die materielle Grundlage für die
Heirat Eiseies mit der medizinisch-technischen Assistentin Helma
Keller, der Tochter des Sigmaringer Landwirtschaftsrats Franz Keller,
am 22. April 1940. Dem Ehepaar, das zunächst in der Konviktstraße
und seit 1951 in der Schützenstraße wohnt, werden vier Kinder
geschenkt: Lothar (1941), Brigitte (1944), Gerold (1947) und
Ortrud (1952).
Der gläubige und praktizierende Katholik Dr. Rudolf Eisele hält eine
gewisse Distanz zum Nationalsozialismus und verweigert sich einem
Beitritt zur braunen Partei. Allerdings stellt er sich der Hiüerjugend
seit 1938 als sog. „Bannarzt" zur Verfügung, in der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt ist er Stellenleiter für Jugendhilfe, und auch
dem NS-Ärztebund gehört er als Anwärter an. Für diese Betätigung
in nachgeordneten NS-Gliederungen wird er in der Entnazifizierung
nach dem Zweiten Weltkrieg mit einer Geldbuße belegt.
Dr. Rudolf Eisele (1910 - >2002) in einer
Aufnahme von 1990. Vorlage: Kreisarchiv
Sigmaringen.
In dieser Führungsposition ist Eisele eine treibende Kraft beim weiteren Ausbau Sigmaringens als regionaler Krankenhausstandort:
Wichtige Entscheidungen in seiner Amtszeit sind vor allem die Schaffung einer urologischen Abteilung im Oktober 1967, die Einrichtung
einer eigenständigen gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung im
Januar 1969 und schließlich die Bildung einer Abteilung für Anästhesie und Intensivpflege.
Unmittelbar bei Kriegsbeginn 1939 wird Eisele zur Wehrmacht
eingezogen, kann indessen bis März 1941 weiter am Sigmaringer
Krankenhaus verbleiben, wo ein Reservelazarett eingerichtet wird.
Ende 1940 wird er Augenzeuge des Abtransports von mehr als 70
Behinderten aus der Psychiatrie-Abteilung des Fürst-Carl-Landeskrankenhauses, die anschließend als „lebensunwert" in der Tötungsanstalt Grafeneck grausam ermordet werden. Weitere 19 Patienten werden im März 1941 abgeholt und anschheßend in der Tötungsanstalt Hadamar bei Limburg umgebracht. Rudolf Eisele hat
dieses unsägliche Verbrechen an behinderten Menschen sein Leben
lang nicht mehr aus dem Gedächtnis verloren.
Maßgeblichen Anteil hat Rudolf Eisele weiterhin an den Planungen
und Entscheidungen zur Errichtung eines neuen Kreiskrankenhauses auf dem Dettinger Berg in Sigmaringen. Der Baubeschluss
des Kreistags im Juli 1965, der Baubeginn im Februar 1974 und der
Bezug des neuen Hauses unter der Trägerschaft des Landkreises Anfang 1979 beenden gleichzeitig die jahrzehntelange Agonie des alten
gesamthohenzollerischen Stiftungskrankenhauses, dessen Erweiterung zum Leidwesen gerade auch des medizinischen Personals zuvor mehrfach an den Interessengegensätzen des Landeskommunalverbandes und der beiden Landkreise Hechingen und Sigmaringen gescheitert war. Die Einweihung des neuen Kreiskrankenhauses,
die gleichzeitig die Aufgabe der in ihren ältesten Teilen auf das Jahr
1847 zurückgehenden Krankenanstalt am Mühlberg bedeutet, erlebt Dr. Rudolf Eisele bereits als Pensionär, der sich freilich nach
seinem Eintritt in den Ruhestand zum 1. April 1976 auf Bitten von
Landrat Dietmar Schlee dem Landkreis nochmals ein halbes Jahr
lang als Chefarzt-Stellvertreter im damaligen Kreiskrankenhaus
Meßkirch zur Verfügung stellt.
Nachdem er bereits zuvor in Prag eine militärische Ausbildung erhalten hat, wird Eisele im März 1941 zu einer Sanitäts-Ersatzabteilung nach Ulm kommandiert, seit April 1941 ist er sodann in verschiedenen Reservelazaretten in Polen und zum Kriegsende hin in
Thüringen tätig und behandelt als Arzt die verwundeten und verkrüppelten Soldaten und Opfer der nationalsozialistischen Eroberungs- und Vernichtungskriege. Zum Ende des Kriegs gerät er in
amerikanische Gefangenschaft und ist in der Folge wiederum als
Arzt in einem Lazarett im hessischen Arolsen beschäftigt. Nach
seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft und der Rückkehr
nach Sigmaringen nimmt er am f5- März 1946 wieder seinen
ärztlichen Dienst am Fürst-Carl-Landeskrankenhaus auf, wo man
angesichts eines akuten Mangels an qualifizierten Ärzten auf den
Rückkehrer bereits dringend gewartet hatte.
In der Erinnerung seiner Kollegen, Mitarbeiter und Patienten ist
Rudolf Eisele in erster Linie als „ein mitfühlender, menschlicher
Arzt" geblieben, der sich neben seinem hohen fachlichen Können
und seinem bis zur völligen Erschöpfung gehenden Einsatz nicht
zuletzt auch durch hohe soziale Kompetenz, Mitgefühl, Bescheidenheit und auch Rückgrat auszeichnete, wie Landrat Schlee im Sep-
Im Juli 1948 wird Dr. Rudolf Eisele zum Oberarzt der Chirurgischen
Abteilung bestellt, und im August 1963 tritt er durch einstimmige
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tember 1976 bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes zu
rühmen wusste. Sein jahrzehntelanges Mühen habe dem Patienten
als Mensch und nicht nur als Behandlungsfall gegolten. Seinem
ärztlichen Beruf blieb Eisele auch noch im Alter verbunden, als er
mehrfach für seinen Schwiegersohn Dr. Hausmanns in Wald die
Praxisvertretung übernahm.
dienstkreuz verliehen, und 1985 wurde er zum Ehrenbürger der
Stadt Sigmaringen ernannt, deren Entwicklung er in den letzten
Jahrzehnten an wichtiger Stelle mitbestimmt hatte.
Die Kraft und den Antrieb für dieses außergewöhnliche ärztliche,
soziale und kulturelle Engagement fand Dr. Rudolf Eisele in einem
tiefen Glauben und einer christlichen Lebenshaltung. Diese Gaben
halfen ihm auch dabei, die Schicksalsschläge im Alter zu bestehen,
so die Behinderung seiner Frau, die er über lange Jahre bis zu ihrem
Tod 1996 aufopferungsvoll betreute und pflegte. Freude und Erholung fand er auch in seinen weitgespannten, von der Botanik über
die Geologie bis zu Musik und Lyrik reichenden geistigen Interessen
und nicht zuletzt seiner geheimen Leidenschaft, dem Sammeln und
Reparieren alter Uhren.
Neben seiner aufreibenden ärztlichen Tätigkeit, die nach der Erinnerung der Kinder nur selten Freiraum für einen Familienurlaub
gelassen habe, stellte sich Dr. Rudolf Eisele überdies im öffentlichen
Bereich sowie in der Kulturpflege in den Dienst der Gemeinschaft.
Bereits 1948 übernahm er den Vorsitz im Kreisverein der Ärzte. Im
Herbst 1962 wurde das CDU-Mitglied in den Sigmaringer Gemeinderat gewählt und gehörte diesem Gremium in der Folge als einer
der Meinungsführer in der Stadtpolitik bis 1970 an. An wichtiger
Stelle engagierte sich Eisele weiterhin beim Aufbau der neuen Sigmaringer Kirchengemeinde St. Fidelis, in deren Pfarrgemeinderat er
ebenso täüg war wie beim Aufbau der kirchlichen Altenarbeit. Auch
bei der Begründung der Sigmaringer Sozialstation und sodann in
deren Vorstand war Eisele in selbstloser Weise tätig.
Seit 2000 lebte er in der Familie seiner jüngsten Tochter in Wald, in
deren Obhut er nach schwerer Krankheit am 5. Mai 2002 verstorben ist. In einem Nachruf der „Kliniken Landkreis Sigmaringen
GmbH" wurde der Verstorbene zu Recht als „eine außergewöhnliche Persönlichkeit" gewürdigt, „den eine große Liebe zu den Menschen ausgezeichnet hat". Sein Leben und Wirken verdienen der
bleibenden Erinnerung.
Neben diesen sozialen Aufgaben gehörte das große Interesse des
Pensionärs indessen vor allem der Kultur. Er übernahm die ehrenamtliche Betreuung des städtischen Heimatmuseums im „Runden
Türm" und kam dieser wichtigen Aufgabe trotz nachlassender Kräfte
bis wenige Jahre vor seinem Tod nach. Zum Palmenbrauchtum und
Kleindenkmalen, zumal Feldkreuzen in Hohenzollern und Oberschwaben erstellte Rudolf Eisele in Bildern und Texten eine umfangreiche Dokumentation, die er noch vor seinem Tod zusammen mit
Unterlagen zur Geschichte des Fürst-Carl-Landeskrankenhauses
dem Kreisarchiv Sigmaringen zur bleibenden Aufbewahrung übergab. Gerne war der Kunstkenner auch immer wieder bereit, sein
profundes Wissen zur Geschichte und Kultur von Sigmaringen und
der Nachbarschaft bei Vorträgen und Führungen einem interessierten Publikum mitzuteilen - so zuletzt 1999 und 2000 bei den
Kreisexkursionen „auf den Spuren Vorderösterreichs im Landkreis
Sigmaringen".
Quellen und Literatur:
Kreisarchiv Sigmaringen
Fürst-Carl-Landeskrankenhaus/Kreiskrankenhaus
Sigmaringen.
Kreisarchiv Sigmaringen V - 1998/1 Nr. 2: Verleihung des Bundesverdienstkreuzes etc. 1947ff.
Kreisarchiv Sigmaringen XI/1 8: Nachlass Dr. Rudolf Eisele.
Protokoll Zeitzeugengespräch mit Frau Ortrud Hausmanns geb.
Eisele am 31-10.2002 in Wald (Kreisarchiv Sigmaringen).
Artikel „Hohe Auszeichnung für einen Arzt, der sich stets um die Patienten als Menschen bemühte" (Schwäbische Zeitung Sigmaringen
v. 22. 9. 1976).
Artikel „Zum 75. Geburtstag von Dr. Eisele: Der qualifizierte Arzt
operierte auch als Kommunalpolitiker geschickt" (Schwäbische
Zeitung Sigmaringen v. 30.11.1985). Artikel „Vor 50 Jahren geheiratet: Dr. Rudolf und Helma Eisele feiern goldene Hochzeit"
(Schwäbische Zeitung Sigmaringen v. 21.4.1990).
Todesanzeige für Dr. med. Rudolf Eisele in der Schwäbischen
Zeitung Sigmaringen v. 7.5.2002.
Nachruf der Stadt Sigmaringen auf den Ehrenbürger Dr. Rudolf
Eisele (Schwäbische Zeitung Sigmaringen v. 8. 5. 2002).
Nachruf der Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH für den ehemaligen Chefarzt und Ärztlichen Direktor Dr. Rudolf Eisele (Schwäbische Zeitung Sigmaringen v. 10.5.2002).
Zu Dank verpflichtet ist der Landkreis Dr. Eisele überdies für die von
ihm vermittelte Rückgabe zweier aus dem früheren Landeskrankenhaus entfremdeten barocker Tafelbilder Inzigkofer Provenienz,
darunter die kunstgeschichtlich bedeutsam, 1746 von Meinrad von
Au geschaffene Darstellung „Erbsünde - Erlösung - Dreifaltigkeit"
mit einer Abbildung des Heiligen Geistes in Menschen-, vielleicht
sogar in Frauengestalt.
Für sein verdienstvolles berufliches und ehrenamtliches Wirken im
Dienst der Gemeinschaft hat Dr. Rudolf Eisele zu Lebzeiten zwei
hohe Auszeichnungen erfahren: 1976 wurde ihm das Bundesver-
Berichtigung
Im letzten Heft der „Hohenzollerlischen Heimat" 3 / 2002 ist ein Fehler unterlaufen. Auf der Seite 45 rechte Spalte endet der Beitrag
von Dr. Herbert Rädle in der 27. Zeile von oben mit „... aus der Ulmer Weckmannwerkstatt kaum ein Zweifel bestehen kann."
Der Nachfolgende Text stammt aus Heft 2 / 2002; wie der an diesen Platz kam, ist ungeklärt. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
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HERBERT RÄDLE
Eine Kreuzigungstafel des Meisters von
Meßkirch aus dem Meßkircher Schloß
Die in Abb. 1 gezeigte Kreuzigungstafel befand sich ursprünglich
als Andachtsbild in den Gemächern Graf Gottfried Werners von
Zimmern im Meßkircher Schloß.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde sie zur Sicherheit auf die Burg Wildenstein gebracht, kehrte aber später wieder in die Gemächer der
Meßkircher Schloßherren zurück, bis sie 1818 nach Donaueschingen kam, wo sie sich heute befindet.
Wie bereits angedeutet, ist die Tafel als Andachtsbild konzipiert.
Sie zeigt - im Vergleich zu den vielfach üblichen figurenreichen,
erzählenden Kreuzigungen (vgl. Abb. 3) - eine einfache Szenerie.
Die wenigen Figuren sind im Vordergrund weitgehend symmetrisch angeordnet. Die Mittelachse wird vom Kreuz eingenommen,
welches von Maria Magdalena in tradiertem Gestus umarmt wird.
Den Figuren von Maria und Johannes sind oben in einer Zone dunkler Wolkenzusammenballungen Sonne und Mond kompositorisch zugeordnet.
Auch in diesem Bild hat der Meister von Meßkirch Anregungen aus
Dürers druckgraphischem Werk übernommen: so etwa die Rückenfigur des betenden Johannes von einem 1510 datierten Holzschnitt (Abb. 2), oder die Motive von Sonne und Mond sowie die
eucharistischen Engel, die das Blut Christi auffangen, von einer um
1496 entstandenen vielfigurigen Kreuzigung (Abb. 3).
Abb. 1: Meister von Meßkirch, Christus am Kreuz (aus Schloß
Meßkirch) um 1538, F. F. Gemäldegalerie Donaueschingen.
Bildnachweis: Beuroner Kunstverlag
Im Unterschied zu den eher erzählenden Blättern Dürers betont
die Kreuzigungstafel des Meisters von Meßkirch entsprechend
ihrem Zweck als Andachtsbild auf sehr eindrückliche Weise symbolhaft das Erlösungsgeschehen.
In Anlehnung an die Ausführungen Hans Hofstätters (Großer Kunstführer 81, Schnell-Steiner-Verlag München 1980, S. 64) läßt sie sich
etwa folgendermaßen beschreiben: Christus stirbt am Kreuz. Sein
nach der Seite hin geneigtes Haupt wird nicht von einem Heiligenschein umgeben, sondern ist mit drei Lilien geschmückt, die nach
der christlichen Ikonographie seit alters die Lichtgeburt des Menschen aus dem Schöße der Erde und der Nacht ankündigen.
Mit Nacht und Finsternis ist auch das Haupt Christi im oberen
Bildteil hinterlegt. Sonne und Mond nehmen trauernd Anteil am
Kreuzigungsgeschehen.
„Die Sonne schämt sich, den Gekreuzigten zu sehen und der Mond
seufzt nach Erlösung", schreibt der heilige Hieronymus. In der theologischen Auslegung bedeuten Sonne und Mond die Kirche und die
Synagoge. Die Kreuzigung scheidet endgültig das Licht des Neuen
Testamentes von der Nacht des alten.
Darauf sind auch die Engel bezogen, die das ausströmende Blut
Christi in Kelchen auffangen und damit an das Wort erinnern: „Dies
ist das Neue Testament in meinem Blute" (Lukas 2 2 , 2 0 ) . Durch ihr
Tun wird auf die Eucharistie als das zentrale Geheimnis des christlichen Meßopfers hingewiesen (soweit nach Hofstätter).
Abb. 2: Albrecht Dürer. Christus am Kreuz mit Maria und
Johannes, datiert 1510. Bildnachweis: Meder 181
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Die am Fuß des Kreuzes liegenden menschlichen Gebeine verweisen
nicht nur auf die Bedeutung Golgathas als Richtstätte (Schädelstätte), sondern deuten auch auf den ersten Menschen Adam, über
dessen Grab Christus nach der Legende gekreuzigt wurde.
Die stille Gefaßtheit des Bildes, betont noch durch den silbergeschmückten dunklen Rahmen, regt den Gläubigen an zu betrachtendem Sich-Versenken in die vielfältigen Beziehungen, die Tod und
Erneuerung umfassen.
OTTO WERNER
Vor 150 Jahren drohte dem Unteren
1\irm der Abbruch
Vom Umgang mit Baudenkmälern und einige
Überlegungen dazu
Den Unteren Türm ließ bekanntlich Graf Eitelfriedrich I. von Hohenzollern-Hechingen im Jahr 1579 erbauen. Davon zeugt die an der
Nordseite angebrachte Inschrift:
Mich hat erbaut Graf Eitel Fritz
vom Grund bis oben an den Spitz 1579
Der Obere Turm und seine Umgebung
Sein Zwillingsbruder, der Obere Turm, war, nachdem der südliche
Stadtbering durch den Bau der Pfarrkirche St. Jakobus 1779/83 aufgebrochen worden war, deplaziert. Im Jahr 1780 erbaute Kaufmann Caspar Cany das spätere Pfarrhaus als Wohn- und Geschäftshaus. Er verwendete dazu Steine der ein Jahr zuvor abgebrochenen Kirche zu Unserer Lieben Frau und St. Jakob. Das Haus wechselte noch einigemal
den Besitzer, bevor die katholische Kirchengemeinde 1865 das günstig
am Kirchplatz gelegene Gebäude erwarb. Karl Friedrich Reinhard
berichtete 1784 von der Arbeit an einem neuen Stadttor neben der
(neuen) Kirche, das sammt der Kirche gegen die elende rauchigte
Hüttchen rings herum und einen schwarzen steinernen Thurm, der
einige Löcher statt der Fenster hat, den auffallendsten Kontrast macht.
Am 10. April 1788 hieß es folglich: Da der obere Thum ganz baufälligste und nothwenig abgebrochen werden muß, auch der Plaz von der
Kronen bis an das Thor ohnfehlbar überbaut wird (...) Der Abbruch
erfolgte kurze Zeit später. Das neue obere Tor „erhielt zwei stattliche
mit Kriegstrophäen geschmückte Pfeiler." Dieses neue Stadttor hatte
nicht lange Bestand; es diente nicht einmal fünfjahrzehnte (bis 1835)
als Sperre. Seine Bruchsteine verwendete man beim Bau des Brückenhäuschens an der Johannesbrücke. Das Stadttor wäre auch einige
Jahrzehnte später beim Bau der Einmündung der Neustraße im Wege
gestanden. Das Obertorhaus mußte zusammen mit dem 'alten' Pfarrhaus' endgültig dem (Ende 1974 fertiggestellten) Bau des katholischen Pfarr- und Gemeindehauses weichen. Heute erinnert nur noch
die Bezeichnung Obertorplatz an die frühere obere (südliche) Eingangspforte zur Innenstadt.
Abb. 3: Albrecht Dürer, Vielfigurige Kreuzigungsgruppe, um
1497. Bildnachweis: Meder 120
Fürst joseph Wilhelm von Hohenzollern-Hechingen (1750-1798) sah
sich im Frühjahr 1751 gezwungen, mit der höchst benöthigten HauptReparation dero Fürstlichen Residenz, der Friedrichsburg, zu beginnen, um weiteren und größeren Schaden an dem Renaissanceschloß
vorzubeugen; u.a. sollte ein neuer Dachstuhl auf der einen Seite verfertigt werden. Auch die Hechinger Fuhrleute m u ß t e n Fuhrfronen
leisten. Die Regierung erließ am 26. Oktober 1758 ein Dekret, wonach Fürst Joseph Wilhelm der Stadt (aus besonderer Gnade) erlaubt
habe, den Schutt und Urbau, der beim Schloßhof hege, auf die Straße
vor dem oberen Tor bis auf den neu gemachten Weg abführen zu
lassen. Zwei Abgesandte aus Bisingen und Wessingen zogen im Juni
1760 vor das Reichkammergericht nach Wetzlar, um sich u.a. wider
die ihnen aufgetragene schloß Frohnen zu beschweren. Sie traten
dabei so auf, als seien sie auch von der Stadt Hechingen bevollmächtigt. Eine in die Fürstliche Hofratskanzlei berufene Deputation des
Stadtgerichts verwunderte sich nicht wenig, indeme hievon nicht d.
mindiste bekandt. Das Stadtgericht stellte formell klar, daß sie zu
dergl(eich)en Schloss-Frohnen niemahlen wären angehalten worden.
Unterdessen traf aus Wetzlar das (vorläufige) Urteil ein, daß... so wohl
die Stadt alß Landt die quaest: Frohn-Fuhren zum Schloßbauw ohnverwaigerlich... gehorsambst vollzieh(en) sollen.
Der Untere Turm und seine Umgebung
Die Umgebung des Unteren Turms unterlag mehrfach Veränderungen.
Fürst Friedrich Ludwig von Hohenzollern-Hechingen (1735-1750)
ließ 1737 den an etlichen Orthen sehr schadhaften Dachstuhl in der
Fürstlichen Residenz repariren. Hechinger Fuhrleute leisteten dabei
freiwillig Fuhrdienste. Johann Adam Kraus zitiert aus einem 1748
abgeschlossenen „summarischen Extract der auf das Schloß zu Burladingen und anderen fürstlichen Gebäude verwandten Baukosten":
„Die Residenz zumal ist ein uraltes und ehender einem Kloster als
einem fürstlichen Schloß gleichendes Gebäu, (...)"
Dies wurde einer Deputation des Stadtgerichts in der Fürstlichen
Hofratskanzlei deuthl(Iich) eröffnet und abgelesen. Die städtischen
Deputierten ließen sich dahin vernehmen, daß sie zwar wid(er) das
gegenwerthig Ihnen abgelesene Kayserl (ich) e Cammer Gerichts urthel
was d[as] Landt betreffe, lödiglich nichts dargeg(en) einzuwenden
gedenckhen, hingege(en) aber, d ( a ß ) auch die Stadt hierinnen, und
darmit eingeflochten und unterschoben worden seye, wo man doch
derentwillen, weder einige clag(en) selbsten geführet, eben so wenig
jemandt anderen hier zu Gewaldt und Vollmacht gegeben, welches ihr
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von sich gestelltes attestatum genugsam an Tag gebe, seye eine Sach,
darwid(er) man genöthiget zu protestieren, (...). Es stellte sich aber
heraus, daß ein Bürger der Stadt, nämlich der Hafner Johann
Mutschier, auf der Liste der Bauern unterschrieben hatte. Auf Befragen
gestand er vor dem Stadtgericht ein, daß dises sein Will und Meinung
also gewesen, mit dem Vorwandt jedoch, (er) habe solches allein
gethan, umb den alten p r o c e ß zu betreiben, nicht aber eine Klag
räve deren dem Landt umgelegten Schloßfrohnen zuformiren, (...).
Ihm wurde das Bürgerrecht aufgekündigt, und er mußte die Stadt innerhalb von acht Tagen mit Sack und Pack verlassen. Die Regierung
sagte hierauf zu, daß der Stadt die anverlangte rechtliche Genugthuung
uneingestellet verschafft werden solle. Dies alles zeigt deutlich, daß in
jenen Jahren Umbauarbeiten am Schloß im Gange waren.
dem Flügel gegen die Schloßstraße erhob sich eine Terasse, wahrscheinlich auf den Grundmauern eines früheren einen Vorhof zum
Schlosse bildenden Flügels. In dem Flügel gegen die Schloßstraße,
welcher zum Theil eingestürzt war (s.o.), befand sich der große Saal
mit dem Theater, aus welchem Fürst Hermann [1798-1810] gegen
die entschiedenen Einwendungen seines Bau-Inspektors Falkner, der
darauf hin pensioniert wurde, die steinernen Fensterkreuze nehmen
ließ, wodurch die Mauer an Festigkeit verlor; (...). Im Jahr 1812
stürzte des Ostflügels des Renaissanceschlosses ein.
Einsturz und Abbruch des vordem Schloßflügels betr.
Am Samstag 28t. Novemb. 1812 Nachmittag fiel am vorderen SchloßHügel, der Facade gegen die Stadt herein machte, ein Pfeiler zwischen
2 Fenstern des im untersten Stokwerkes befindlichen Registratur ein.
Dieser Pfeiler war schon seit langer Zeit in schlechtem Zustande, da er
zu einem Kamin ausgehölt war. Einige Tage vor seinem Einsturz hatte
man die daran befindlichen Risse überstrichen, um zu sehen ob sie
sich in gleichem Stande erhalten, um dann das Mauerwerk noch ausbessern zu können, oder ob sie sich vergrössern würden. In dieser
Zeit ward die sogenannte äussere Registratur ganz von Schriften, Kästen, Tischen p. ausgeleert, welche aber der Eile wegen noch grossentheils in das unmittelbar daran stossende innere Gewölb, das gegen
den Schloßhof hineinsieht, gebracht wurden.
Obwohl schriftliche Zeugnisse dafür bislang nicht aufgefunden wurden, dürfen wir davon ausgehen, daß zu jener Zeit der den Vorhof
bildende Vorbau im Osten, den der Merianstich gut abbildet, bereits
niedergelegt war. Im Kunstdenkmälerwerk ist zu lesen: „Auf Abbildungen nach 1723 ist der Vorhof nicht mehr vorhanden, es fehlen die
Zwerchgiebel, und die Zwingertürme sind mit Zwiebelhauben gedeckt."
In der Chronik der Stadt Hechingen heißt es: Unter Michel d'Ixnards
Leitung begann 1764 „ein kostpieliger U m b a u des Stadtschlosses
(1768)." - Und 1767: „Der 1764 begonnene U m b a u d e s
S c h l o s s e s wurde in diesem Jahre beendet; er kostete neben den
Fronarbeiten 29 660 fl." Pierre Michel d'Ixnard erhielt vom 18. Mai
1764 bis 29. September 1766 eine Anstellung als „Bau Direktor", zur
Neueinrichtung des Ostflügels des Hechinger Schlosses. Laut der
Baurechnungen hatte er einige Innenräume neu einzuteilen und
einzurichten. „Ein Voranschlag vom 7. August 1764 nennt fünf Zimmer
im Ostflügel und das Tafelzimmer. Weitere Zimmer werden in den
Rechnungen erwähnt. Fürst Joseph Wilhelm „scheint mit d'Ixnard
zufrieden gewesen zu sein". Der Bauherr berief ihn rund ein Jahrzehnt
später ja auch wieder als Architekt der Stifts- und Pfarrkirche St.
Jakobus d. Ä. Die baulichen Eingriffe wirkten sich jedoch statisch verheerend aus, wie wir noch sehen werden.
Am Sonntag den 30t. Novemb. abends stürzte ein 36 Schuh hohes, und
27 Schuh breites Stück aus dieser nämlichen Wand vorn heraus, und
riß 2 Fenster des grossen Saals mit sich auf die Terasse herab. Denn
diser Riß reichte gerade bis an die obere Decke des grossen Saales.
Man ersuchte den k. Würt. Landbaumeister v. Brukmann zu Rottenburg u. den Baucontrolleur Nieffer zu Bahngen hieher zu kommen, um
die Sache einzusehen, u. ihr Gutachten zu geben, was mit diesem den
fernem Einsturz drohenden Flügel anzufangen sey. Indessen wurden
alle Meubles, Fenster, Thüren aus den vor einigen Jahren neu gebauten
Appartements im obersten Stoke hinweggebracht, und zugleich unten
an Aufräumung des Schuttes gearbeitet. Am Mittwoch den 2t. Dezember 1812 vormittag kamen die besagten Baumeister mit ihren Gehülfen; ein paar Stunden früher aber, morgens um 1/2 8 Uhr stürzte plözlich vom Dach an ein ganzes Stük des Flügels 43 Schuh breit zusammen, so daß davon nur die innere Mauer gegen den Schloßhof zu noch
stehen blieb. Die Baumeister fanden dieses ganze Vorgebäude nach
Maasgabe ihres schriftlichen Augenscheinsberichtes so äusserst
schadhaft, und auch von Anbeginn so schlecht construirt, daß sie den
Rath gaben, den ganzen Flügel vollends abzubrechen.
Gleich nach seinem Regierungsantritt hatte Fürst Joseph Wilhelm auch
neue Brücken über die Starzel und den Mühlbach bauen lassen. Er
ließ damit den bisherigen Übergang von der Unterstadt zur Oberstadt
beim Spittel weiter nach Osten verlegen. Wann das 'Vorwerk' mit den
beiden Türmchen, das auf dem Merianstich von 1662 zu sehen ist,
abgebrochen wurde, wissen wir nicht genau. Die beiden Pfeiler des
Tores neben dem Unteren Turm ließ Fürst Joseph Wilhelm 1775 „aus
Hauwerk" erbauen. Das untere Tor gestaltete den Verkehr flüssiger,
der sich vorher durch das Nadelöhr des Unteren Turmes zwängen
mußte. Gegenüber dem Tor an der Staig stand das untere Torhaus; es
diente als Wohnung des Torhüters. Neben dem unteren Tor stand das
'Kegeltörle'.
Was noch an Fenstern, Laden, Thüren auf beiden Seiten, neben dem
fast in der Mitte des Flügels herabgestürzten Stüke, noch weggebracht
werden konnte, ward herausgenommen, und mit dem Abdeken des
Daches auf beiden Seiten sogleich der anfang gemacht. Alle Zimmerleute und Maurer im ganzen Lande wurden aufgeboten, um bei dem
Abbruche im Taglohn zu arbeiten, und so ging die Arbeit unter Direction des Oberst v. Hövel sehr schnell und unaufhaltsam vor sich, da
man auch Sonn- u. Feyertags daran fortmachte, bis der ganze sehr
schwere Dachstuhl, und der obere Stok samt dem Entresol zwischen
diesem u. dem grossen Saale abgetragen u. der untere Theil des
Gebäudes dadurch vollkommen erleichtert war.
Neben dem grossen Saale, in dem kleinern worinn sich das Theater
befand, an einem Fensterpfeiler gegen den Schloßhof zu, unten am
Fusse des mit Stukaturarbeit, wie der ganze grosse Saal verzierten Pfeilers fand man die Buchstaben im Stein eingegraben WN 1583 wahrscheinlich der Name des Baumeisters oder des Stuccadors, mit der
Jahrzahl 1583.
Die Schauseite des Renaissanceschlosses im Osten war durch den
„Umbau" nicht besonders gelungen. Beschreibungen aus jener Zeit
besagen: „Das hochliegende Schloß ist regelmäßig gebauet." (Büsching, 1790) - „Das Schloß, das auf einem Hügel an den Grenzen der
Stadt steht, ist im gothischen Geschmack gebaut, und besteht, wie die
alten Schlösser jener Zeit, aus 4 zusammenstoßenden Flügeln. In der
Nähe des Schlosses ist das Kanzleigebäude und Gymnasium." - „Die
Residenz selbst ist weitschichtig, groß und hoch; sie steht etwas über
der Stadt erhoben, aber sie ist halt dennoch ein altes Gemäuer, das in
der Ferne mehr verspricht, als es in der Nähe selbst ist." (Hauntinger,
1799) - Andere erwähnen das einst hochgerühmte Schloß nicht einmal mehr.
Zu Beginn des 19. Jahrhundert traten die Schäden am Schloß deutlich
zutage. Interssant ist, was Ludwig Egler zum Jahr 1814 schreibt: "Vor
Abbruch des Schlosses
Der Abbruch des Schlosses wäre nicht notwendig gewesen. Wenn es
dazu eines Nachweises bedarf, so ist dieser durch das Gutachten des
59
berühmten Architekten Friedrich Weinbrenner erbracht. F. Weinbrenner (1766-1826) gab vor allem seiner Vaterstadt Karlsruhe ein eigenartiges Gepräge durch zahlreiche Bauten im 'Weinbrennerstil', einem
Gemisch von dorisierendem Stil der Revolutionszeit mit rundbogigen
Tür- und Fensterformen und Blendnischen, in dem er auch viele öffentliche Gebäude, Kirchen etc. im badischen Land ausgeführt hat.
Aber auch in Hechingen zeigen heute noch viele im klassizistischen Stil
erbaute Häuser im Giebel das 'Weinbrennerauge'.
Für den Innenausbau des „Neuen Schlosses" wollten oder konnten die
Bauherren das Geld nicht aufbringen. Bis zur Mitte des 19. Jahrhundert residierten die Fürsten Friedrich Hermann Otto und Friedrich
Wilhelm Konstantin (1838-1850) im Schlößchen Lindich, im 'Alten
Schloß' und in der Villa Eugenia, die in den Jahren 1833-34 ihre heutige Gestalt erhielt und hoffentlich behält.
Verkauf des unteren Torhauses
1831 fiel das Torsperrgeld für die beiden Torwärter weg. 1835 wurden
auch die Torflügel beim unteren Tor und am Unteren Turm ausgehängt. Im Brandversicherungskataster von 1839 ist als Nr. 243 noch
das „untere Thorhaus, 2 Stok mit Fachwerk" aufgeführt. 1847 schrieb
es die Stadt zur Versteigerung aus. 1848 erwarb es Xaver Schraner, der
daneben staigabwärts seine Werkstätte hatte. Beide Häuser wurden
durch das Sanitätshaus Buckenmayer ersetzt. Dort befindet sich seit
einigen Jahren eine Aussichtsplattform.
Gehorsamste Beantwortung der Fragen über die Baufälligkeit und
Wiederherstellung des Fürstlich Hohenzollei-Hechingischen Residenz Schloßes.
ad 1. Nach meinem Ermessen ist die gegenwärtige Gefahr des Schloßes nicht so groß, daß es dem Einsturz droht, und dasselbe ist
allerdings zu repariren, und für die Zukunft wohnbar zu machen.
ad 2. Große Veränderungen bey einem alten Gebäude sind oft kostspieliger als neue Bauwesen; in dem vorliegenden Fall muß daher die Bequemlichkeit und Solidität des Gebäudes, in Hinsicht
auf Economie, zum Theil in Abtragung des Alten überflüssigen
Bauwesens, theils aber in Erbauung neuer fehlender Theile geschehen.
ad 3. nach vorhergehender Beantwortung der aufgestellten Fragen
wird kein neues Schloß erfordert, und da der größte Theil des
alten Schloßes wieder zu repariren und zu gebrauchen ist, so
sind auch die Kosten weit geringer, als die Erbauung eines neuen
Gebäudes.
ad 4. Eine zweckmäßige Benuzung des alten Schloßes, mit der Ergänzung, der noch für eine fürstliche Wohnung erforderlichen
Bequemlichkeiten, werden das Ganze charakterisiren. Bey einem ganz neuen Gebäude wäre dieses auch der Fall,
ad 5. Die Keller oder Souterrains in dem Schloß scheinen mir vorzüglich gut und solid zu seyn, nach dem oben angegebenen Bauplan, würden sie auch keine Veränderung erleiden, und können
so wie der
ad 6. bemerkte sogenannte Cammerflügel, während des übrigen
Baues benuzt bleiben,
ad 7. sind in finanzieller Hinsicht alle Verzierungen, insofern sie keinen Zweck haben bey einem Gebäude uberflüssig, und die Anständigkeit und Schönheit eines architektonischen Gegenstandes
ist schon durch die Übereinstimmung der einzelnen Theile mit
dem Ganzen allein zu erreichen.
Hechingen am 18. ten Merz 1816. F. Weinbrener
Vom Jahr 1835 an war der Zu- und Durchgang durch die Stadt bei Tag
und Nacht ungehindert. Der Stadtrat und der Bürgerausschuß beschlossen am 30. November 1835 einstimmig, bei der fürstlichen
Regierung den Antrag zu stellen, daß sowohl das obere als das untere
Tor, welche ohnehin bei den gegenwärtigen Umständen keine Sicherheit gewähren, abgeschafft und förmlich caßirt werden möchte. Zur
Markierung, daß man sich innerhalb der Stadt befand, waren 1834
(nach dem Beispiel benachbarter Staaten) Ortspfähle an den Ein- &
Ausgang der hiesigen Stadt gesetzt worden.
Abbruch des Unteren 1\irmes?
Auch der Untere T\irm sollte (1851) abgebrochen werden. Königliche
Regierung!
Gehorsamstes Gesuch des Stadtmagistrates dahier um Gestattung der
Entfernung des untem Thurmes. Schon vor mehreren Jahren, ehe wie
(?) Stadtgemeinde auf die Reparatur des unteren Thurmes nicht geringe Kosten zu verwenden hatte, ging man mit dem Vorhaben um, den
untem Thurm gänzlich zu entfernen. Diesem Vorhaben stand jedoch
hauptsächlich der Umstand im Wege, daß der untere Thurm die
sämmtlichen Gefängnisse der hiesigen Gerichte enthielt. Inzwischen
sind jedoch jene Gefängnisse in ein anderes Gebäude verlegt worden
u. es stünde der Beseitigung des Thurmes in dieser Beziehung ein Hinderniß nicht mehr im Wege.
Es entstand deshalb in neuerer Zeit der Gedanke, wie zweckmässig der
Abbruch des genannten Gebäudes für die Stadtgemeinde u. für den öffentlichen Verkehr seyn wurde u. es wurde deshalb von dem Stadtmagistrate unterm 24ten Februar Kaufenden) J(ahres) der Beschluß
gefaßt: „Bezüglich der Entfernung des untern Thurmes geeignete Verhandlungen einzuleiten", da der Magistrat selbst dahin einig war, daß
diese Entfernung nur als wünschenswerth erscheine.
Der fürstliche Bauherr Friedrich Hermann Otto (1810-1838) entschied sich anders. Oberst von Hövel hatte die Friedrichsburg für
baufällig erklärt, dennoch erwiesen sich beim Abbruch die Mauern
von solcher Stärke, daß sie mit Pulver gesprengt werden mußten.
Auch bei den Abbrucharbeiten mußten die Untertanen Hand und
Spannfronen leisten. Hövel soll später die Pietätlosigkeit seines
Gutachtens bedauert haben. Aber die Einsicht kam zu spät.
Die Gründe sind einfach folgende: Der untere Thurm ist wegen seines
hohen Alters, trotz der mehrfach vorgenomenen Reparaturen, in
einem sehr schlechten baulichen Zustande, insbesondere, was den
obem Theil des Baues betrifft, indem erst vor wenigen Wochen das
ganze Dach gewankt und dieses Wanken die Nachbarschaft bei dem
jeweiligen Läuten (der Glocke) in nicht geringen Schrecken versetzt
hat. Zwar wurde für den Augenblick die Gefahr beseitigt, indem wieder
einige neue Balken eingesetzt worden sind, - es wird aber die
Verbesserung von keiner langen Dauer seyn. Mehr noch als die
vorhandene Gefahr spricht für die beabsichtigte Entfernung des untern
Thurmes die hierdurch ermöglichte Verbesserung der Passage an der
Steige u. es wird überflüssig erscheinen, Hochdieselbe auf die Mängel
dieser Passage u. die mögliche Correctur derselben aufmerksam zu
machen.
Was den Abbruch des Thurmes etwa hindernd im Wege stehen könnte,
Neubau des Burnitzschen Schlosses
Rudolph Burnitz (1788 - 1 8 4 9 ) , ein Weinbrenner-Schüler, erhielt den
Auftrag zum Bau eines neuen Residenzschlosses.
Zeugniß
Nachdem der Architect Rudolph Burnitz aus Ludwigsburg das hiesige
Fürstliche Residenz Schloß von Grund aus neu erbaut, und durch
dieses nach allen Theilen in Plan und Ausführung sehr gut gelungene
Bauwesen die höchste Zufriedenheit Seiner hochfürstlichen Durchlaucht unsers gnädigsten Fürsten und Herrn sich erworben hat, so
wird aufhöchsten Befehl ihm hierüber gegenwärtiges Zeugniß ausgestellt. Urkundlich nachstehender Fertigung. Hechingen den 9ten November 1819. (L. S.) Hochfiirstlich hohenzollerische Hofkammer.
60
daß die Stadt von den Einrichtungs- und Unterhaltungskosten befreit
werde, wenn der Benützung weiteren Benützung der beiden ArrestLokale durch das Königliche Kreisgericht nichts mehr im Weg stehe.
Er behielt sich aber erforderlichenfalls das Recht vor, jene Lokale zum
Gebrauch der Stadt einst wieder an sich zu ziehen.
ist das regelmässige Läuten der auf demselben befindlichen Glocke zu
gewissen Tageszeiten u. das Bestehen einer Uhr mit Schlagwerk auf
demselben. Ersteres könnte nachdem zu verschiedenen Zeiten des
Tages auf den Kirchen in der Stadt, im Spitale u. bei St. Lützen geläutet
wird, ohne Anstand unterlassen, wenn dieses aus dahier unbekannten
Gründen nicht statthaft seyn sollte, die zu läutende Glocke an einem
anderen Orte, etwa auf dem Rathhause angebracht werden. Ebenso
wenig als das Geläute ist die auf dem untern Thurme bestehende Uhr
ein örtliches Bedürfniß, indem hiefür die Uhren auf der Stadtkirche,
auf dem Rathhause, dem Schlosse u. der Spitalkirche vollkommen hinreichen. Hiernach dürfte dem Vorhaben des Stadtmagistrats ein Hinderniß nicht in dem Wege stehen u. erlaubt man sich deshalb die
gehorsamste Bitte: „Hochdieselbe wolle die Entfernung des der Stadt
gehörigen untern Thurmes Hochgeneigtest gestatten." Baldiger Hoher
Resolution entgegensehend, geharret verehrungsvollst Hechingen den
Iten April 1851 Einer Königlichen Regierung gehorsamster Stadtmagistrat. I. A. Stadtschultheissenamt [gez.] Ruff.
Der Abbruch unterblieb, Gott sei Dank! Man besann sich eines Besseren, und auf Veranlassung des Königs Friedrich Wilhelm IV. von
Preußen erfolgte stattdessen die Ausbesserung der Fundamente durch
den Ingenieur-Hauptmann Blankenburg. Seitens der Königlichen Regierung in Sigmaringen wies Graf von Villers am 22. November 1852
darauf hin, daß die "hohen Ministerien ... mit Rücksicht auf die Benutzung des der Stadt-Commune zu Hechingen angehörigen Thorthurms daselbst zu Polizei- und Gerichts-Gefängnissen auf unsere Antrag die Kosten für die nothwendig gewesene Beseitigung der an dem
Fundament des Thurms vorhanden gewesenen Defecte bewilligt" habe, die Gemeinde Hechingen jedoch verpflichtet sei, künftig die bauliche Unterhaltung des Torturms zu tragen.
Offensichtlich war dies kein Aprilscherz, denn ein dreiviertel Jahr
später wurde der Stadtschultheiß im Auftrag des Stadtmagistrats in der
Angelegenheit wiederum vorstellig und ließ in der Sache nicht locker.
Die Stadtväter wollten partout den wackeren Koloss loswerden. An die
Königliche Regierung hier. Gehorsamste Vorstellung des Stadtmagistrats, Abbruch des untern Thurmes betreffend. Unterm lten April
kaufenden] J[ahres] hat der Stadtmagistrat unter Darstellung gewichtiger Gründe [!!!] die gehorsamste Bitte sich erlaubt, „es wolle die
Entfernung des der Stadt gehörigen untern Thurmes hochgeneigtest
gestattet u. hierwegen baldige hohe Resolution ertheilt werden."
Dieser Bitte wurde bis jetzt nicht willfahrt. Da jedoch in neuerer Zeit
an dem bezeichneten Gebäude, u. zwar an dessen Haupttheile, dem
unteren Gewölbe bedeutende Risse und Sprünge entstanden sind,
welche die Gefahr des Einsturzes, besonders bei eintretendem
Thauwetter, in drohende Aussicht stellen" so sieht man sich zu dringender Wiederholung des früheren Gesuches um so mehr veranlaßt,
da bei einem etwaigen Einstürze nicht nur Menschenleben bedroht
sind, sondern auch der Stadtgemeinde wegen des Baues der nahehegenden Gebäude bedeutende Nachtheile zugehen würden, gegen
welche man sich für den Fall einer weiteren Verzögerung hiemit
ausdrücklich verwahren muß. Unter so bewandten Umständen dürfen
wir die Anführung weiterer Gründe, die eine Willfahrung unseres Gesuches rechtfertigen, unterlassen und uns mit der Bemerkung begnügen, daß Herr Hofbauinspector Wiest bereits um abermalige Untersuchung des untern Thurmes u. Erstattung seines Augenscheinberichtes an Hochdieselbe ersucht worden ist.
Schon auf der sicheren Seite
Als im Januar 1862 die Neustraße für den Verkehr freigegeben war
und damit die Trasse Staig - Schloßplatz- Schloßstraße ihre Bedeutung
als Hauptverkehrsader durch Hechingen weitgehend einbüßte, verlor
das Argument, der Untere Turm sei ein blockierendes Verkehrshindernis, seine Schlagkraft. Endgültig wurde die Absicht, den Turm zu
beseitigen, im Jahr 1883 fallengelassene und der Turm einer gründlichen Ausbesserung unterzogen.
Er behielt seine Stellung an der Schnittstelle zwischen dem unteren
Plateau der Oberstadt und dem steilen Abhang zur Unterstadt, und ist
vor allem für die Gesamtansicht Hechingens von Norden zusammen
mit dem Rathaus und der Stiftskirche markant. Der Untere Turm blieb
somit ein Wahrzeichen Hechingens; davon gibt es nicht (mehr) so
viele! Wohl schmachteten in ihm Schuldige und Unschuldige. Die
'Turmstrafe', verschärft bei Wasser und Brot, war in früheren Jahrhunderten eine häufig vom Stadtgericht ausgesprochene Freiheitsstrafe,
mit der Unbotmäßige zur Vernunft gebracht wurden oder gebracht
werden sollten. Der Untere Tbrm bedeutete aber auch Schutz und
Trutz in bedrohlichen Zeiten. Seine Nachts geschlossenen Tore ließen
die Bürger ruhig schlafen. Der Wächter auf seinem Ausguck Türm
warnte sie vor Gefahren.
Die Glocke auf dem Turm gliederte den Tageslauf. Die Geschichten, die
sich um ihn ranken, sollten wieder belebt werden. Wer kennt beispielsweise Die Sage vom Untern Thurm zu Hechingen (Aufs Neue ans Licht
gezogen, als man den Thurm abbrechen wollte.)?
Verehrungsvollst
Einer Königlichen Regierung gehorsamster Stadtmagistrat.
Indessen besonderem Auftrage. K Stadtschultheissenamt. [gez.] Ruff.
Hechingen den 22 Decbr 1851. Das Königliche Oberamt Hechingen
wurde in dem Begleitschreiben um möglichst schleunige Vorlage [...]
an die Königliche Regierung [...] um so dringender gebeten, da sich
an dem besagten Gebäude Spuren bemerkbar gemacht haben, welche
einen baldigen Einsturz befürchten lassen.
Den westlichen Pfeiler des unteren Tores brach man im Jahr 1880 ab.
Um diese Zeit dichtete Viktor Bilharz:
Der untere Thurm.
Viereckig bin ich unten
Und oben polygon,
Sehr alt ist mein Gemäuer,
Hofbaumeister Wiest berichtete jedoch, daß keine Gefahr im Verzuge
sei. Der Königliche Kreisgerichtsdirektor Fischer hielt die Wiedereinrichtung der Arrest-Lokale auf dem Untern Turm für erforderlich,
außer die Stadt verstünde sich darauf, im Rathaus oder in einem anderen städtischen Gebäude zwei andere Arrestlokale einzurichten und
dem Königlichen Kreisgericht zur Verfügung zu stellen. Der Königliche
Kommissar Graf von Villers wollte die Ankunft eines Oberbau-Inspektors aus den älteren Provinzen abwarten, bis eine definitive Entschließung erfolge. Dem Stadtschultheiß war daraufhin nicht mehr nach Abbruch des Unteren Turmes zumute; er wollte nun vielmehr nur noch,
Zum Theil verwittert schon.
Ich biete den Passanten
Durch einen Bogen Raum,
Ein Brunnen ist daneben,
Mancheiner sieht ihn kaum.
Hoch oben auf der Kuppe
Da ruht ein großes Nest,
Drinn wohnt mit seiner Störchin
Der Storch aufs Allerbest.
61
Längst schon wohnt kein Storchenpaar mehr in luftiger Höhe auf dem
Unteren Hirm. Der letzte dauerhafte Bewohner des Unteren Turmes
war der „Turmfrieder". Die Hohenzollerischen Blätter berichteten
1935: „Chronik des Todes. Gar schnell hat gestern der Sensenmann
unsere Turmwächter, den Taglöhner F r i e d r i c h B l u m e n s t e tt e r, in ein anderes Leben geholt. Als er am Sonntag abend die
steile Treppe in seiner Behausung im Untern Türm emporstieg, stürzte
er ab und blieb mit einer schweren Kopfverletzung unten liegen. Hier
wurde er bewußtlos aufgefunden und ist dann in der Klinik in Tübingen gestern Vormittag gestorben. Wie oft ist wohl der „Turmfrieder",
wie man ihn in der Nachbarschaft oft nennen hörte, die sechzig Stufen
zu seinen luftigen Stuben im Turm hinaufgestiegen. Er hat dort oben
das Licht der Welt erblickt, war doch sein Vater schon Wächter dieses
ehrwürdigen Wahrzeichens unserer Stadt. Hier hat Friedrich Blumenstetter sein Lebtag gewohnt und seines Amtes gewartet, die Glocken zu den vorgeschriebenen Stunden und auch die gellende Brandglocke zu läuten. Er war wohl der bescheidenste Gehaltsempfänger
der Stadt Hechingen, denn er bezog neben freier Wohnung ein Monatsgehalt von ganzen zwei Mark. Ehrlich und redlich verdiente er sich
seinen kargen Lebensunterhalt mit Gelegenheitsarbeiten, die er immer
verläßlich ausführte. Eine geschickte Hand hatte er für gärtnerische
Arbeiten. Kein üppiger Platz war ihm an der Tafel des Lebens bereitet.
Zufrieden und bescheiden führte er sein Leben."
Kreis Hechingen. Hechingen 1939- S. 190. - Dies steht aber im Widerspruch zu der Datierung einer Federzeichnung, die den Vorhof und Vorbau noch zeigt, auf 1764 durch den Denkmalpflegers Lothar Merkelbach. (Umbau und Instandsetzung des Neuen Schlosses in Hechingen.
Anmerkungen des Denkmalpflegers. In: Kreissparkasse im neuen Schloß
Hechingen. Hechingen 1982.)16 Ch H 11. Hechingen 1906, S. 194.
17 Ebd., S. 195;
18 Laut Franz (s. u.): Sigmaringen, FHA, A 137 (Baurechnungen), fol. 9 v.
19 Franz, Erich: Pierre Michel d'lxnard 1723-1795. Weißenhorn 1985.
S. 30.
20 Ebd.
21 die Johannesbrücke
22 ChH 11. Hechingen 1906. S. 199. - Beim Abbruch einer der beiden
Torpfeiler im Jahre 1880 fand man Münzen von 1775 und eine (leider)
zerstörte Urkunde. (Index W. S. 1880/Nr. 94)
23 Das 'Kegeltörle' ist auf dem Merianstich von 1662 zu sehen.
24 Biisching, D. Anton Friedrich, Erdbeschreibung. Siebenter Theil, der den
oberrheinischen, schwäbischen, bayerischen und fränkischen Kreis
enthält. Hamburg, 1790. S. 521.
25 Topographisches Lexikon von Schwaben Erster Band. Ulm 1791- Sp.686
26 Ein Tag am fürstlichen Hof in Hechingen 1799 nach dem Reisebericht des
P. Hauntinger aus Glatt. Hrsg. von Dr. G. Hebeisen. In: Hohenzollerisches
Heimatblatt. 2. Jahrgang Nr. 3. Sigmaringen, 15. Juli 1929. S. 3.
27 1812
28 Diese Maßnahme hatte m. E. nur dann einen Sinn, wenn es die Schauseite
des Schlosses war.
29 Egler, Ludwig: Chronik der Stadt Hechingen, Hechingen 1887. S. 19330 Es mußte heißen: 29. Novemb.
31 Entresol = Zwischengeschoß, Halbgeschoß
32 Es sind die Initialen des Stukkateurs Wendelin Nuferer, den wir auch
beim Bau der St. Luzenkirche antreffen.
33 STAS, Dep. 39 DH 1, A 151. „1812. - Notizen über den Einsturz und Abbruch des vorderen Schloßflügels zu Hechingen." 21.
34 STAS, Dep. 39 Dil 1, A 152. „1812-1818. Akten die Baufälligkeit u.
Wiederherstellung des Residenzschlosses zu Hechingen betreffend 1812
Wachsamkeit ist angesagt
Der Untere Türm wurde 1954 baulich gesichert 54 und 1971 renoviert. Er legt in seinem Durchgang Zeugnis ab von der Bildung der
Gesamtstadt zu Beginn der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Die Wappen der ehemals selbständigen Ortsteile wurden hier angebracht. Sein
Bestand ist heute nicht mehr gefährdet. Die St. Luzenkirche mit dem
Kreuzweg und seinem Kalvarienberg, die Stiftskirche, das 'Neue
Schloß', die Alte Synagoge, St. Elisabeth, das Museum wurden in den
letzten Jahrzehnten baulich gerettet. Das 'Alte Schloß' wird gegenwärtig gründlich restauriert. Nun gilt es das Augenmerk auf das Pfründehospital mit seiner Kirche ('Spittel') und auf die Villa Eugenia zu
richten!
- 1 8 1 8 . " 12.
35 Ebd.
36 ChH 11. Hechingen 1906. S. 242. - Ich bin nicht sicher, ob die Chronik
streng zwischen unterem Tor und Unterem Turm unterscheidet. (S. 306!)
37 Verordnungs- u. Anzeigeblatt für das Fürstenthum Hohenzollern-Hechingen. Nro. 19- Samstag den 6. März 1847.
38 Zusammen mit Stadtarchivar Thomas Jauch aufgrund des Brandversicherungskatasters , des Besitzerbuchs und des Grundbuchs (Nr. 267)
der Stadt Hechingen und des Katasterplans (Nr. 252) ermittelt.
Anmerkungen:
1
2
Werner, Otto: Die gemeine Stadt Hechingen und der Bau der Stiftskirche
vor 200 Jahren in: Hohenzollerische Heimat, Nr. 2 / 1982, S. 22.
Egler, Ludwig: Chronik der Stadt Hechingen 2. Aufl. Bearb. von Rudolf
von Ehrenberg. (Künftig: ChH 11.) Hechingen 1906, S. 21 1.
39
40
41
42
heute: Staig 1
ChH 11. Hechigen 1906. S. 242 f
StadtA Hech., B„ A 20: SGProt. 1834-43.
StadtA Hech., B., A 20: SGProt. 1834-43. „Actum den 16. Septbr. 1834.
Setzung von Ortspfählen an den Ein= & Ausgang hiesiger Stadt."
43 Hohenzollerische Heimatbücherei Hechingen, Sign. K 945 V / 1
44 Hohenzollerische Heimatbücherei Hechingen (künftig: HHBH), Sign.
K 945 V / 2
3
Stadtarchiv Hechingen (künftig: StadtA Hech.), B., A 14: SPProt. 1 7 7 8 1801. „Actum d: 10. April 1788. Gartten-Taxation den Kronenwirth Egler
betrfd."
4 ChH 11. Hechingen 1906. S. 212.
5 StadtA Hech., B„ A 1 0: SGProt. 1749-54. „Actum den 4. Februar 175 1."
6 Kraus, Johann Adam: Von den Hohenzollern-Hechingischen Lust- und
Jagdhäusern. In: Heimatklänge Nr. 9- Hechingen, den 27. Juli 1935,
S. 35 f
7
StadtA Hech., B., A 1 0: SGProt. 1749-54. „Actum den 4. Februar 1751."
8
Erdaushub
9
StadtA Hech., B., A 1 1: SGProt. 1754-61. „Actum Hechingen aufm Raths
H a u ß d . 30ten 8br: 1758."
10 fraglichen
11 dem Untertanenstreit
12 wegen (?)
13
14
15
45 HHBH, Sign. K 945 V / 4 , 5 u. 6
46 ChH 11. Hechingen 1906. S. 272.
47 HHBH, Sign. K945 V / 6
48 Die Ausgabe der Stadtchronik von 1980 berichtet: „Ein Beschluß des
Stadtrats, den Untern ftirm abzubrechen, stieß auf entschiedene Ablehnung bei der Bürgerschaft und wurde vom Bürgerausschuß verworfen, der die Mittel für eine gründliche Ausbesserung bewilligte."
(S. 305)
49 ChH 11. Hechingen 1906. S. 309.
50 Egler, Ludwig: Ausgewählte Schriften und Gedichte. Hechingen 1998.
S.89 ff51 ChH II, Hechingen 1906, S. 306.
52 HHBH, Sign. J 133.
StadtA Hech., B., A 1 1: SGProt. 1754-6 1. „Actum Hechingen d. 22ten
Aug: 1760."
Werner, Otto:, Strittige Fuhrfronen zur Reparatur des Hechinger Residenzschlosses ( 1 7 3 7 - 1 7 6 0 ) in: Hohenzollerische Heimat Nr. 1/1983,
S. 11 f
Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns. Hrsg. von Walter Genzmer. Bd. 1:
53 Hohenzollerische Blätter. Nr. 187. Dienstag, den 13- August 1935.
54 „Der Untere ftirm steht wieder sicher" in: Hohenzollerische Zeitung.
Nummer 244. Hechingen, Mittwoch, 20. Oktober 1954.
62
Glossar, das sich jeweils auf der betreffenden Seite befindet. Die
Kochrezepte sind gewissermaßen ein Gerüst, an dem die Autorin
ein Geschichtsbuch aufbaut. So darf man sich nicht wunderen,
wenn z. B. die Siedlungsgeschichte von Laichingen im Kapitel „Suppen" erscheint.
Botho Walldorf, Die Hohenzollerische Landesbahn in den
1960er-Jahren
Unsere Vorfahren mussten sich mit dem begnügen, was der Boden
und die jeweilige Jahreszeit hergaben, und das war nicht gerade
üppig. Zubereitung und Zutaten werden sehr anschaulich und humorvoll erklärt, so dass es nicht schwierig ist, Schwarzen Brei,
Knöpfle mit saurer Soße oder Flädle in allen Variationen selbst zu
versuchen. Uns fehlt allerdings das wichtigste Gewürz aus früheren
Zeiten, der Hunger. Um die Kocherei erzählt die Autorin unterhaltsame Geschichten. Manche sind lustig, andere machen nachdenklich, wie z. B. die Säuglings- und Kindersterblichkeit vergangener
Zeiten von über 50 Prozent, die nicht nur für Laichingen, sondern
wohl auf die meisten Alb-Orte zutraf. Sie hatte zweifellos mit der
hohen Arbeitsbelastung der Frauen zu tun, die auch zu einer hohen
Sterblichkeit bei ihnen selbst führte. Auch wer sich immer schon
für die Lebensverhältnisse früherer Zeiten interessierte, wird vieles
in dem Buch finden, was er bisher nicht wusste. Besonders zu erwähnen ist die Bebilderung. Neben den aufschlussreichen Dokumentationen von Ernst Kubitza ist Laichingen um die Fülle von
prächtigen alten Fotos aus dem Archiv des Höhlen- und Heimatvereins Laichingen zu beneiden.
Im September 2002 hat Botho Walldorf einen neuen Bildband über
die Hohenzollerische Landesbahn in den 1960er Jahren veröffentlicht. Wirft man einen Blick in das Büchlein, so ist man erfreut
über die Schönheit dieser Fotos und ihren Erinnerungswert.
Walldorf konnte viele alte Fotos vom Bahnbau auftreiben, von denen viele hier gezeigt werden. Die Hohenzollerischen Landesbahnen, wie man sie ursprünglich nannte, wurden in Teilstrecken von
1899 bis 1908 gebaut. Es entstanden größere und kleinere Bahnhöfe und Haltepunkte die nur durch eine Wellblechhütte markiert
waren. Die Fotos zeigen zahlreiche, heute verschwundene, kleine
Bahnhöfe und Haltepunkte. Manche Bahnhöfe erschienen auch auf
Postkarten, weil man stolz war, wenn der Ort Bahnanschluß hatte.
Seit dem Bahnbau rollten auf den Strecken Dampflokomotiven,
Personenwagen, Packwagen und Güterwagen, wobei die Lokomotiven immer größer und stärker wurden. Niemand konnte sich
vorstellen, daß sich jemals etwas ändern könnte. 1934 kamen
dann die ersten Triebwagen, die hell und luftig waren und nur
wenig Lärm machten. Ca. 30 Jahre später erschien die erste Diesellok auf den Gleisen. In den sechziger Jahren fuhren auch noch
viele Personen - und Güterzüge mit Dampfloks. Aber im gleichen
Jahrzehnt wurde, fast unbemerkt von der Öffentlichkeit, der
Dampflok-Betrieb eingestellt.
Gudrun Mangold, Hunger ist der beste Koch. 160 Seiten, 91 Abbildungen, fester Einband, Eur. 19,90. ISBN 3-87407-525-7. Silberburg-Verlag Tübingen.
Oberschwaben
Was Walldorfs Büchlein so interessant macht ist der alltägliche Betrieb, den er Tag und Nacht, Sommer wie Winter, über Jahrzehnte
dokumentiert hat. Gleichzeitig hat er damit vielen alten Landesbahnern ein Denkmal gesetzt. Es war eine harte und rußige Arbeit,
die sie ihr Leben lang leisteten. Als Beispiel sei der Oberheizer
Fabian Eisele aus Gauselfingen genannt, der 1973 im Gammertinger Altersheim verstarb. Jahr für Jahr, Nacht für Nacht, heizte er
im Gammertinger Lok-Schuppen die Lokomotiven an, die dann um
drei oder vier Uhr in die Nacht hinaus fuhren.
Fährt man von Norden her über die Alb Richtung Riedlingen, so hat
man aus dem Buchenwald der Alb kommend, ein herrliches
Panorama vor sich: eine weite helle Landschaft, die beherrscht
wird von heiligen Berg der Schwaben, dem Bussen. An seinem Fuß
sieht man die alte Donaustadt Riedlingen, fast glaubt man hier auch
eine andere Luft zu atmen.
Diese besondere Landschaft zeigt in ihrer Schönheit und Vielfalt
ein neuer Bildband mit Fotos von Rupert Leser (den Beziehern der
„Schwäbischen Zeitung" wohlbekannt) und Thomas Stephan und
Texten von Manfred Hepperle und Prof. Manfred Thierer.
Auch Nicht-Eisenbahn-Fans werden an den über 200, noch nie
veröffentlichten Fotos, ihre Freude haben. Es ist wie ein Blick in
eine längst vergangene Zeit.
Vor genau 200 Jahren wurde Oberschwaben durch Säkularisierung und Mediatisierung so sehr verändert, wie kaum ein anderer Landstrich in Deutschland. Trotz schmerzhcher Verluste sind
die großen klösterlichen Stifte wie Zwiefalten, Obermarchtal,
Wieblingen, Ochsenhausen, Weingarten und Salem heute noch
Kleinode der Barockkunst. Dazu kommen zahlreiche andere barocke Kirchen- und Klosterbauten oder mittelalterliche Kostbarkeiten wie Heiligkreuztal.
Gudrun Mangold, Hunger ist der beste Koch.
Karge Zeiten auf der rauen Alb - Rezepte und Geschichten
Man ist nicht erst heute geneigt, die Vergangenheit zu verklären.
Wenn man aber genau hinschaut, wird man feststellen, dass es "die
gute alte Zeit" nie gegeben hat und gewiss nicht auf der Schwäbischen Alb, die man früher als die Rauhe Alb bezeichnete.
Eindrucksvoll sind auch die Bilder aus den alten Reichsstädten wie
Ulm, Biberach und Pfullendorf. Kleinere Städte wie Aulendorf,
Buchau, Saulgau, Waldsee und Wurzach haben sich in den letzten
50 Jahren zu Bädern und Kurorten gemausert. Es fing an mit dem
Moor, aber überall sprudelt jetzt das Thermalwasser.
Der Südosten von Oberschwaben hat mit der Moränenlandschaft
des Allgäus ein ganz anderes Gesicht. Auch hier sieht man die schö-
Als Beispiel einer Siedlung auf der Alb dient Laichingen, wo die
raue Alb etwa 750 m hoch und am rauesten ist. Die Autorin hat
eifrig nach Kochrezepten aus Urgroßmutters Zeiten gesucht. Da sie
auf der Alb aufwuchs, ist die Sprache der Älbler ihre Muttersprache, in die sie -oft mitten im Satz- immer wieder verfällt, um
sich genauer auszudrücken. Hilfreich ist dabei das mitgegebene
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Verlag:
Hohenzollerischer Geschichtsverein
Karlstraße 3, 72488 Sigmaringen
E 3828
PVSt, DPAG, »Entgelt bezahlt«
nen alten Städte, Wangen, Leutkirch, Isny und prächtige Schlösser.
Wie gerne wäre man beim Festmahl im Rittersaal des Schlosses
Wolfegg, oder an einem klaren Herbsttag auf der Plattform der
Waldburg mit Blick auf den Federsee, den Bussen, die Alb, den Bodensee und die Alpen.
Prächtige Naturaufnahmen am Abend oder im Sonnenschein, im
Sommer und Winter vermitteln stimmungsvolle Eindrücke.
der einheimischer Künstler zur Ausschmückung der Amtsräume
und seit 1954 für das neu gebaute Kreiskrankenhaus. Seit 1958
gibt es einen eigenen Haushaltstitel „zur Anschaffung von Kunstwerken lebender Meister", der im Lauf der Jahre von 500 DM auf
ca. 10.000 DM angewachsen ist. 1983 fand die erste Ausstellung
„Kunst im Landratsamt" statt. Seither wurden immer öfter Ausstellungen veranstaltet, teils über bestimmte Themen, teils zur Vorstellung eines bestimmten Künstlers.
Oberschwaben, ein Bildband mit deutschen, englischen französischen und spanischen Texten, 144 Seiten mit 157 Farbfotos, fester
Einband, Preis bis 31. Januar 2003 Euro 29,90, danach 32,90.
ISBN 3-87407-530-3. Silberburg-Verlag Tübingen.
Adolf Smitmans schreibt über künstlerische Schwerpunkte der
Kunstsammlung und deren Entwicklung im Lauf der Jahrzehnte.
Die Themen reichen von Theodor Schüz bis zu den ungegenständlichen Werken der Gegenwart.
Einblick
Der Katalogteil des Bandes besteht aus 60 Seiten mit farbigen Abbildungen von Bildern einheimischen Künstlern; am Schluss auch
noch Abbildungen einiger Werke der Bildhauerkunst.
Die Kunstsammlung des Zolleralbkreises.
Anlass für die Herausgabe des Bandes ist eine Ausstellung der Kunstsammlung des Zollernalbkreises im Landratsamt Balingen vom
24. Oktober bis 26. November 20002. Andreas Zekorn berichtet
einleitend über die Geschichte der Kunstsammlung und Kunstförderung im Zollernalbkreis. Von Einzelfällen abgesehen begann
die Kunstsammlung erst seit etwa 1950. Der Landkreis kaufte Bil-
HOHENZOLLERISCHER HEIMAT
herausgegeben vom Hohenzollerischen
Geschichtsverein, Postfach 1638,
72486 Sigmaringen
ISSN 0018-3253
Erscheint vierteljährlich.
Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat« ist
eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung im alten Land Hohenzollern und den angrenzenden Landesteilen mit der
Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie
bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge.
Bezugspreis:
Für Mitglieder d e s Hohenzollerischen G e schichtsvereins ist der Bezugspreis im Beitrag
enthalten. Bezugspreis f ü r Nichtmitglieder
€ 7 , - . Abonnements und Einzelnummern können beim Hohenzollerischen Geschichtsverein
(s. o . ) bestellt werden.
Es folgen ca. 145 Biographien der in der Kunstsammlung des
Zollernalbkreises vertretenen Künstler von Andreas Zekorn.
Das Buch ist herausgegeben vom Zollernalbkreis, ISBN 3-92724916-5, es ist erhältlich beim Landratsamt oder in jeder Buchhandlung, Preis 11,-Euro.
Die Autoren dieser Nummer:
Dr. Otto H. Becker,
Hedingerstraße 17, 72488 Sigmaringen
Dr. Herbert Rädle
Veit-Jung-Straße 13a, 92318 Neumarkt
Gesamtherstellung:
Druckerei Acker GmbH,
Mittelberg 6, 72501 Gammertingen
Telefon ( 0 7 5 7 4 ) 9 3 0 1 - 0 , Fax 9 3 0 1 - 3 0
info@druckerei-acker.de
www.druckerei-acker.de
Schriftleitung:
Dr. med. Herbert Burkarth
Eichertstraße 6, 72501 Gammertingen
Telefon ( 0 7 5 7 4 ) 4 4 0 7
Die mit Namen versehenen Artikel geben die
persönliche Meinung d e r Verfasser wieder;
diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge verDr. Edwin Emst Weber, Kreisarchiv Sigmaringen
antwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung sind
Leopoldstraße 4, 72488 Sigmaringen
als solche gekennzeichnet.
Manuskripte und Besprechungsexemplare w e r den an die Adresse des Schriftleiters erbeten,
Otto Werner.
Joseph-Wilhelm-Weg 6
72379 Hechingen
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W i r bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische
Heimat« weiterzuempfehlen.