mein stück vom kuchen
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mein stück vom kuchen
September 2011 www.trailer-ruhr.de MEIN STÜCK VOM KUCHEN EIN FILM VON CÉDRIC KLAPISCH www.meinstueckvomkuchen.de www www 5 Auto mit Elektriktrick, Foto: Francis Lauenau trailer-Thema. www.trailer-ruhr.de I September 2011 5 Elektromobilität Fahren wir bald schon alle mit Strom? Bühne. 10 Theater Ruhr „Zoo Story“ von Edward Albee im Rottstr5 Theater 11 Theater Duisburg Aalto Theater Essen 12 Premiere Thomas und Ayla Wessel über einen kontrovers diskutierten Schriftzug an der Bochumer Christuskirche 13 Theater Oberhausen Grillo Theater Essen 14 Consol Theater 15 Dortmunder Theaternacht 16 Opernzeit „Hanjo“ von T. Hosokawa bei der Ruhrtriennale 18 Theater an der Ruhr Mülheim 19 Fletch Bizzel GOP Varieté Essen 20 MIR Gelsenkirchen 22 culture club Freudenhaus Theater Grend 23 Ruhrhochdeutsch 24 Kulturzentrum Herne Komikzentrum Ruhr Diverse Bühnen im Revier bieten irdische Läuterungen 25 Ebertbad Oberhausen 26 Schauspiel Essen 27 Theater demnächst Die neue Spielzeit im Ruhrgebiet 28 Theater-Kalender Ruhr 29 Cabaret Queue Rheinisches Landestheater Neuss Lesen Sie mehr auf www.trailer-ruhr.de! Dieses Icon zeigt Ihnen den Weg. KINO Film des Monats 34 KINO Kunst. Kino. 33 Film-ABC/Vorspann 34 Film des Monats: „Le Havre“ Aki Kaurismäkis neuer Geniestreich 35 Kritikerspiegel Ruhr Kino-Kalender Ruhr 36 Hintergrund „Mein Stück vom Kuchen“ 37 Filmkritiken 38 NRW-Film „Über uns das All“ von Jan Schomburg auf Preview-Tour in NRW 39 Gespräch zum Film mit Regisseur Jan Schomburg zu „Über uns das All“ 40 Hintergrund „Hell“ 42 Filmprogramm der Ruhrtriennale 45 Roter Teppich trailer im Interview mit Moritz Bleibtreu über seinen neuen Film „Mein bester Feind“ 46 culture clubs Preview „Über uns das All“ UCI Kinocafé „The King‘s Speech“ Kinoportrait Ruhr Zu Besuch im Dortmunder „sweetSixteen“ 47 weitere Filmkritiken 48 Interview Harrison Ford über „Cowboys & Aliens“ www Literatur. 50 Literatur-Portrait Feridun Zaimoglus neuer Roman „Ruß“ 51 Poetry Sebastian23 über den schlechten Sommer Die Videokolumne: www.trailer-ruhr.de/literatur-nrw Comic-Kultur Wortwahl Lesen Sie aktuelle Buchbesprechungen unter www.trailer-ruhr.de/literatur 52 Medienforum Essen Literatur-Kalender NRW-Film 38 LITERATUR Foto: Bettina Fürst-Fastré 53 culture club Industrie-Museum Oberhausen 54 Sammlung Hans Günter Golinski über die Ausstellung „Buddhas Spur“ im Kunstmuseum Bochum 55 Kunstwandel Das Japan Media Arts Festival im HMKV Dortmund 56 Ruhrkunst Werner Graeff im Museum Alte Post/ Krupp-Fotografien in der Villa Hügel/ Joel Sternfeld im Folkwang Essen 57 Kunstkalender NRW 63 Dortmunder Museumsnacht Kultur in NRW. 14 Theater in NRW Das „Back to Back Theatre“ zu Gast am Düsseldorfer Schauspielhaus 18 Oper in NRW Donizettis „Liebestrank“ an der Aalto-Oper 53 Popkultur in NRW Das Denovali-Swingfest in Essen 55 Kunst in NRW Tomma Abts in der Kunsthalle Düsseldorf und Yuji Takeoka im Quadrat Bottrop Musical in NRW „My Fair Lady“ in der Kammeroper Köln trailer spezial. 4 Intro 8 Über Tage Veranstalter Heri Reipöler über das Zeltfestival Ruhr 9 Innovation Eine Zeche in Gelsenkirchen als Bio-Plantage 58 Verlagssonderseiten: trailer bildet 59 Auswahl 61 Impressum 62 Magenbitter Portrait 50 KUNST Kunstwandel Foto: Stardust Promotions Inc. 55 Intro -ruhr.de September 2011 Mit Fritz im Zelt, Foto: Francis Lauenau trailer + trailer-ruhr.de Kulturell zelten gehen Im Doppelpack mehr Service, Meinung und Hintergrund Thema Opel Bochum und die E-Mobilität Rainer Einenkel ist Betriebsratsvorsitzender bei Opel in Bochum und im Vorstand des Netzwerks ruhrmobil-E. Er beantwortet die Frage, ob Opel das Thema Ökologie verschlafen hat mit einem klaren „Nein“. Rainer Einenkel 6 Foto: privat Thema Pionierarbeit in Bottrop Markus Palm von der InnovationCity Management GmbH hat eine Vision von vernetzter Mobilität und plant diese in Bottrop umzusetzen. Doch das Problem, so Palm, ist nicht die Technik, sondern ein Umdenken in der Gesellschaft. Markus Palm Foto: Innovation City Management Film Vom Nazi zum Juden Moritz Bleibtreu spricht über „Mein bester Feind“, den Regisseur Wolfgang Murnberger und erklärt warum Ernst und Humor in dem Film ganz nah beieinander liegen. 6 45 Sieht cool aus als Cowboy Harrison Ford im Interview mit trailer über seinen neuen Film „Cowboys & Aliens“. Auf unsere Frage, welches Genre sein liebstes ist, beichtet er: „Ich war nie ein großer Kinogänger.“ 48 Harrison Ford Kunst Going East Der Direktor des Museum Bochum Hans Günter Golinski sprach mit trailer über die die Ruhrtriennale begleitende Ausstellung „Buddhas Spur“ und warum die chinesische Avantgarde – allen voran Ai Weiwei – nicht miteinbezogen wurde. Dr. Hans Günter Golinski Ob das Revier auch ästhetisch aufblühen kann? Befürworter der Elektromobilität entwerfen ein Szenario, in dem die Innenstädte von Lärm und Gestank befreit sind. Bis dahin mag es noch etwas dauern, aber schon jetzt finden die im kommenden Jahr auf den Markt kommenden Batterieautos große mediale Beachtung. So macht der TRAILER im THEMA für diesen Monat für drei Seiten auf Automagazin und widmet sich dem Thema ELEKTROMOBILITÄT. Entschleunigtes Leben propagiert auch HERI REIPÖLER, Organisator des ZELTFESTIVALS RUHR, im ÜBERTAGE-Interview. Das urbane Leben verlagert er ins Naturschutzgebiet. Nach der Sommerpause erwacht auch langsam wieder das Theaterleben an den Bühnen im Revier. Im SCHLOSSTHEATER MOERS wird DER ZAUBERBERG von Thomas Mann auf einen Abend komprimiert. Darin geht Mann unter anderem auch dem deutschen Bürgertum am Anfang des 20. Jahrhunderts nach. Gleiches tut die Essener Ausstellung „Krupp. Fotografien aus zwei Jahrhunderten“. Die Fotoschau in der Villa Hügel zeigt neben dem Industrie- auch den Familienpatriarch. Die zweite Krupp-Stadt Duisburg spielt in dem neuen Roman von FERIDUN ZAIMOGLU eine Hauptrolle. Dem Autor von „Kanak Sprak“ gelingt mit „Ruß“ ein proletarisches Drama jenseits einer Romantisierung à la Schimanski. www Moritz Bleibtreu Film Die Begleiterin war schwer zu motivieren. „Nach Dortmund, warum sollen wir nach Dortmund?“ Sie kannte so lebensfrohe und malerische Städte wie Chemnitz, Bielefeld und Neuss. Dortmund war ihr unbekannt und deshalb unangenehm. Ich setzte mich durch. Die B54 mit ihren Fünfziger-JahreProfanbauten wirkte im sommerlichen Nieselregen wirklich nicht anheimelnd. Am Ziel angekommen, hellten sich der Himmel und auch die Stimmung der Begleiterin auf. Das Spiegelzelt am Dortmunder U schickte sie unmittelbar in die Belle Epoche der kleinen Künste. Varieté, Kabarett, Zirkus, all das schien an jenem Abend möglich. Und dann kam mit elektronischer Grubenlampe ausgerüstet FRITZ ECKENGA auf die Bühne, erklärte die Probleme dieser Welt anhand der zuweilen bewaffneten Konflikte, die er mit seinem monströsen Nachbarn austrägt. Die Begleiterin lachte Tränen und verstand. Heimat muss nicht schön sein. Heimat ist noch nicht einmal ein bestimmter Ort. Heimat ist manchmal nur eine bestimmte Sprache, ein bestimmtes Gefühl. 54 Immer wieder stellen wir außergewöhnliche und neue Filmspielstätten vor. Diesmal haben wir uns das SWEETSIXTEEN vorgeknöpft. Keine Sorge, es geht den Kinobetreibern aus dem Dortmunder Norden mit ihrem Kino nicht um den skandalträchtigen Schleswig-Holstein-Wahlkampf. Sixteen ist ein Verweis auf die Filmbreite, die diesem Kino am Herzen liegt. Etwas breiter sind die Filme des legendären Regisseurs AKI KAURISMÄKI. Mit seinem neuen Streifen LE HAVRE erzählt er die Geschichte des Schriftstellers und Schuhputzers Marcel Marx, der in der tristen nordfranzösischen Hafenstadt einen jungen Flüchtling versteckt. Wie immer zeigt Kaurismäki das Leben in einer bitteren Mischung aus Tragik, Komik und skandinavisch-baltischem Trübsinn. LUTZ DEBUS Foto: Museum Bochum 4 Thema Wenn Elektromobilität so einfach wäre ..., Foto: Francis Lauenau Spannende Autos Durch Elektromobilität wird das Leben im Ruhrgebiet schöner In diesem Monat ist es wieder so weit. Leicht- feierten, beendeten europäische Autobauer ihbekleidete Damen werden sich auf blechernen ren Dornröschenschlaf und setzten den hybriden Modellen aus Fernost lackierten, länglichen trailer-Thema im September: etwas entgegen. BeGegenständen räkelt. reits im kommenden In Frankfurt öffnet vom Jahr werden Kleinwa15. bis zum 25. SeptemEine A40, ohne Stau, aber prall gefüllt mit Elektro- und gen und Mittelklasseber die 64. InternatioHybridautos. Für viele eine utopische Vorstellung. Dawagen mit reinem Eleknale Automobilausstelbei steht der Rahmen für ein CO2-freies Bild von der troantrieb von vielen lung. Aber nicht nur der Zukunft. Die Fahrrad-Autobahn ist in Planung, die Innodeutschen Herstellern Kilowatt-Fetisch wird vationCity ist nebenan in Bottrop und der Opel Ampera kommt vielleicht bald im Bochumer Werk vom Band. auf den Markt kommen, gefeiert, sondern auch allerdings etwa für den das Auto als Spielmobil. Die digitale Welt hat längst das Armaturenbrett dreifachen Preis eines vergleichbaren Benziners. in einen Kommandostand eines Raumschiffes Auch der einzig regional verortete Autobauer verwandelt. Videokameras und Sensoren ma- wird mit dem Opel Ampera mit von der Partie chen das Einparken zum multimedialen Erlebnis. sein. Die geringe Reichweite des batteriegetrieBei voller Fahrt bremst der Bordcomputer auch benen Autos wird durch einen 83-PS-Verbrenfür Tiere und Männer. Jeder Handgriff wird dem nungsmotor verlängert. Allerdings dient dieser im modernen Fahrer durch unzählige Elektromo- Gegensatz zu den herkömmlichen Hybridfahrzeutoren abgenommen. Aber neben den schnells- gen in der Regel nur zum Aufladen. Wer nur bis ten und komfortabelsten Schlitten bekommt zu 80 km zur nächsten Ladestation fahren muss, eine dritte Spezies von Kraftfahrzeugen immer kann den Wagen komplett mit Strom betreiben. mehr Aufmerksamkeit. Das Elektroauto wird in Fährt man ruppiger oder länger, werden bis zu Frankfurt der Renner sein. Dabei ist Elektroauto fünf Liter Benzin auf 100 km verbraucht. Einen nicht gleich Elektroauto. Schon heute werden weiteren kleinen Schönheitsfehler aus Bochumer Hybridfahrzeuge, also Autos mit Benzin- und Sicht hat der Ampera. Er wird zunächst nur in Elektroantrieb, in verhältnismäßig hoher Stück- England gebaut. Optimisten allerdings rechnen zahl serienmäßig gefertigt. Reine Elektroflitzer damit, dass die Elektromobilität auch dem Revier gibt es vom Bastler und auch von der Manufak- einen wirtschaftlichen Aufschwung beschert. Als tur als Leichtfahrzeuge. Diese haben annehmbare Carl Benz 1885 seinen Motorwagen der ÖffentReichweiten. Allerdings mag der Autonarr darin lichkeit vorstellte, wurde er verlacht. Hätte man keinen gleichwertigen Ersatz für seinen Verbren- jenen schadenfreudigen Menschen die heutige ner sehen. Aber auch für verwöhnte Automobi- A40 an einem Freitagnachmittag zeigen können, listen gibt es Lösungen. Der Tesla-Roadster, für ihnen wäre das Lachen vergangen. Oder sie hätknapp 120.000 Euro zu haben, sieht aus wie ein ten zumindest aus einem anderen Grund gelacht. Porsche, beschleunigt auch so, muss aber nach 200 km wieder an die Dose. Entwickelt sich also Nicht nur unter der Motorhaube, sondern der Elektroautomobilmarkt zu einer Nische für unter der Schädeldecke des Autofahrers muss sich etwas verändern Öko-Snobs? Diese Vision zeigt: selbst das Elektroauto kann Die Pläne der Industrie sehen anders aus. Lange nicht alle Probleme einer auf immer mehr Mobevor die Grünen ihr demoskopisches Allzeithoch bilität fixierten Gesellschaft lösen. Zwar schonen Elektromobilität www 5 Akku-Autos Ölreserven, vermeiden Feinstaub und vermindern den CO2-Ausstoß, der ewige Stau wird aber bestehen bleiben. Nicht nur unter der Motorhaube, sondern unter der Schädeldecke des Autofahrers muss sich also etwas verändern. Das Zauberwort heißt „vernetzte Mobilität“. Schon heute stehen für verschiedene Reiserouten passende und ökologisch unbedenkliche Verkehrsmittel zur Verfügung. Innerstädtischer Verkehr ist, möchte man auf den oft unkomfortablen öffentlichen Personennahverkehr verzichten, mit Elektro- und Hybridfahrzeugen und den immer populärer werdenden Elektro-Fahrrädern gut zu bewältigen. Dem legendären Stau auf der A 40 ist mit Elektroautos aber nicht beizukommen. Gerade im Mittelstreckenbereich stoßen sowohl Elektrofahrzeuge wie auch öffentlicher Verkehr an ihre Grenzen. Elektroautos haben eine geringe Reichweite. Ab einer gewissen Streckenlänge und Geschwindigkeit sind sie längst nicht mehr so ökologisch wie versprochen. Der Nahverkehr im Ruhrgebiet allerdings ist ein Abenteuer für sich. Zu Stoßzeiten sind die Züge hoffnungslos überfüllt. Nachts schmälern gelegentlich unfreundliche Mitreisende den Genuss der Mobilität. Und wenn man nicht gerade von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof reisen möchte, kann das ewige Warten und Umsteigen zur Tortur werden. In den letzten Jahren wurden deshalb zunehmend Leihsysteme in Bahnhofsnähe populär. Ständen für kleines Geld an den Nebenausgängen der Hauptbahnhöfe von Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Bochum und Dortmund Elektroautos bereit, die S-Bahn könnte im Minutentakt zwischen den Städten verkehren. Was aber macht dann der Zeitgenosse, der seinen Status über seinen fahrbaren Untersatz definieren will? Auch hier hat die Akku-Branche unterhalb des Tesla Roadster eine Lösung parat. Pedelecs gibt es inzwischen für bis zu 30.000 Euro zu kaufen. LUTZ DEBUS Thema „Schatz, es wird später, die Solarheinis haben wieder mal keinen Saft!“, Illustration: Sven Siebenmorgen „Um die Zukunft des Werks Gedanken machen“ Rainer Einenkel über die Perspektiven von Opel in Bochum trailer: Herr Einenkel, wie sieht die Zukunft Welche Perspektive hat das Opel-Werk in des Autos aus? Bochum? Rainer Einenkel: In weiter Zukunft wird das Hier könnte eine Kernzelle für eine völlig neue Auto mit anderen, leichteren Materialien ge- Autoproduktion entstehen, zum Beispiel auch für baut werden, es wird andere Antriebstech- Elektroautos. Die vielen technischen Möglichniken haben. Mittelfristig wird die Elektro- keiten hier vor Ort und auch die vielen hochquamobilität eine Rolle spielen. lifizierten Mitarbeiter sprechen „In meiner Position habe Die unmittelbare Zukunft des für solch einen Weg. ich mehr Freiheiten als die Autos wird aber nach wie vor Betriebsleitung.“ von Verbrennungsmotoren geSie sind im Vorstand von prägt sein. Auch hier gibt es noch enorme Ein- ruhrmobil-E, einem Netzwerk, das Elektromosparungsmöglichkeiten im Verbrauch und im bilität im Ruhrgebiet fördern möchte. Warum? CO2-Ausstoß. Früher mussten Betriebsräte und Gewerkschafter eine Verteidigungsrolle übernehmen. Es ging um Lohn, um den Erhalt von Arbeitsplätzen. MittHat Opel das Thema Ökologie verschlafen? Opel ist insbesondere mit dem Ampera schon lerweile übernehmen wir eine gestaltende Rolle, sehr weit. Wenn überhaupt jemand etwas ver- indem wir uns um die Zukunft eines Autowerks schlafen hat, dann doch die gesamte Automo- auch Gedanken machen. Durch die schwierige bilindustrie, weil man schon vor vielen Jahren Lage, in der Opel im letzten Jahr war, ergaben erkennen konnte, dass bestimmte Ressourcen sich neue Kontakte. In meinem Büro sitzen inzwischen oft Leute von der Düsseldorfer Landesrebeschränkt sind. gierung, auch Wirtschaftsvertreter und Wissenschaftler. Wir diskutieren dann darüber, was hier in Zukunft produziert werden kann. Sie machen die Hausaufgaben der Betriebsleitung? Das Problem ist, dass die Betriebsleitungen in den einzelnen Standorten nur eine sehr beschränkte Entscheidungskompetenz haben. Wir sind sehr zentralistisch strukturiert. In meiner Position habe ich mehr Freiheiten, die ich auch nutze. Ich glaube, manchmal ist man von Seiten der Betriebsleitung darüber froh. ZUR PERSON Rainer Einenkel (57) ist Betriebsratsvorsitzender bei Opel in Bochum und im Vorstand des Netzwerks ruhrmobil-E. Foto: privat „Wie kommt die Technik zu dem Menschen?“ Markus Palm über neue Mobilitätskonzepte in der InnovationCity Bottrop www trailer: Herr Palm, was hat Bottrop mit Elek- Wir holen zunächst einen großen Feldversuch zum Thema nach Bottrop. Wir wollen Cartromobilität zu tun? Sharing-Konzepte anbieten. Radwege sollen Markus Palm: Eine ganze Menge: Bottrop ist ausgebaut werden. Die Qualität des öffentlibereits 2010 mit dem European Energy Award chen Personennahverkehrs soll noch verbessert in Gold ausgezeichnet worden. Die Emscher werden. Wir möchten, dass Pedelecs zum Lippe Energie wird demnächst die tausendste Verleih angeboten werden. Ladesäule für Elektromobile aufstellen. Die Firma Brabus entwirft interessante Modelle Dem Deutschen das Autofahbezüglich Elektromobilität. Die „Bei der jüngeren Generation ren abzugewöhnen ist doch neugegründete Hochschule Ruhr ist das Auto als Statussymbol eher eine Aufgabe für einen West setzt einen Schwerpunkt nicht mehr so wichtig.“ Psychotherapeuten. auf Elektromobilität. Auch das Es wird sicher nicht ganz einfach. Aktuelle Thema Brennstoffzelle hat eine lange Tradition in der Stadt. Es wird möglicherweise demnächst Studien z.B. von PWC allerdings belegen, dass gerade bei der jüngeren Generation das Auto in Bottrop eine Wasserstofftankstelle geben. als Statussymbol nicht mehr so wichtig ist. Die Vestische fährt bereits jetzt mit brennzellengetriebenen Bussen in Bottrop herum. Aber eine restriktive Position, die den Menschen das Autofahren verbietet, hilft Ist Elektromobilität denn hauptsächlich ein wahrscheinlich auch nicht. technisches Problem? Wirkliche Veränderung funktioniert nur in Form Nein, eine der wichtigsten Fragen ist, wie die eines besseren Angebotes. Wenn das Auto seine Technik zu den Menschen kommt und neue Funktion als Statussymbol eingebüßt hat und Mobilitätskonzepte für eher traditionelle Kones wirklich nur noch um die Frage geht, wie sumentenschichten attraktiv werden können. 6 46 man am kostgünstigsten und bequemsten von A nach B kommt, werden fundamentale Veränderungen möglich sein. Wenn ich mit einem Elektromobil schnell und bequem zum nächsten ICE-Bahnhof komme und am Zielbahnhof wiederum schnell und bequem mit einem Elektromobil zu meinem Ziel komme, habe ich die Stärken beider Verkehrssysteme gut ausgenutzt. Diese Vision nennt sich vernetzte Mobilität. Dahin müssen wir kommen. INTERVIEWS: LUTZ DEBUS ZUR PERSON Markus Palm (42) ist Geschäftsführer der InnovationCity Management GmbH. Foto: Innovation City Management Lesen Sie die Langfassungen der Interviews unter: www.trailer-ruhr.de/thema Thema Wasserstoffautorennen an der Zeche Ewald in Herne, Foto: Sven Siebenmorgen „Otto und Elektro“ Hybridfahrzeuge lassen sich mittlerweile gut verkaufen Eines findet Mike Lamers immer wieder überraschend: „Die Leute wissen fast nichts über Hybridautos. Manche glauben sogar, sie fahren mit Gas oder mit Wasserstoff“, erzählt er. Dabei ist der Leiter des Bochumer Toyota-Centers oft unterwegs zu Ausstellungen, stellt die Hybridautos vor, erklärt wie sie funktionieren und wie man damit fährt: „Viele haben Angst, ständig umschalten zu müssen zwischen Elektro- und Verbrennungsmotor. Aber das geschieht automatisch. Die stufenlose Automatik sorgt dafür, dass der Antrieb immer optimal ist. Ob gerade der Elektromotor oder der Verbrennungsmotor läuft, merkt man nicht einmal, außer daran, dass der EMotor noch leiser ist.“ Seit zehn Jahren verkauft Lamers Autos mit der Hybridtechnologie, die Toyota 2001 als erster Autohersteller auf den europäischen Markt brachte. Damals war es nicht einfach für ihn, seine Kunden für die neuen Wagen zu begeistern: „Die erste Generation des Hy- bridwagens Prius war vom Design her sehr am asiatischen Markt orientiert. Mit der zweiten Generation änderte sich das und der Prius 3 war im Design ein riesiger Schritt nach vorn, auch in der Leistung.“ Entsprechend stieg die Nachfrage nach den Hybridmodellen Prius und Auris: „Das stärkste Argument für viele Kunden ist der steigende Benzinpreis. Schließlich macht es einen großen Unterschied, ob ein Wagen mit 136 PS und konventionellem Motor rund zehn Liter im Schnitt verbraucht oder nur vier Liter wie die Hybridwagen.“ Beim Modell Auris, der wahlweise mit konventionellem Antrieb oder Hybridtechnologie angeboten wird, entscheiden sich mittlerweile dreißig Prozent von Lamers Kunden für die ökologische Variante. Was für Kunden das sind? „Anfangs vor allem solche, die ohnehin Automatikgetriebe wünschen. Die waren es gewohnt, dass sie dafür einen höheren Verbrauch in Kauf nehmen mussten und haben sich gefreut, dass sie mit der Hybridtechnik plötzlich weit weniger Benzin verbrauchen.“ Auf einem Markt bestehen, der sonst Status- und Prestigebedürfnisse bedient Ein Elektromotor für den Stadtverkehr, ein Verbrennungsmotor für das sportliche Fahren, dazu intelligente Technik, die alles regelt, natürlich auch die Aufladung der Akkus durch den Verbrennungsmotor, auch beim Bremsen oder Bergabfahren: Das spart Geld, CO2-Emissionen und Ressourcen. Aber können sich solche Wagen auf einem Markt behaupten, auf dem SUVs für den Stadtverkehr und PS-starke Offroader für die Fahrt zum Supermarkt benutzt werden? Ein Markt also, der jenseits von Vernunft und Nachhaltigkeit Status- und Prestigebedürfnisse bedient? „Mittlerweile fragen auch Kunden nach Hybridautos, die selber aus der Autobranche kommen. Für Fachleute steht fest, dass diese Technologie die nächsten zwanzig Jahre bestimmen wird als wesentliche Brückentechnologie bis Elektroautos so gebaut werden, dass sie für breite Bevölkerungsschichten bezahlbar werden.“ DAGMAR KANN-COOMANN Beim nächsten Wagen mehr Strom wagenwww Die Vermarktung von Elektroautos setzt auf Leasing-, Miet- und Garantiemodelle Sauber, leise, spritzig - und abschreckend im Preis? Wer künftig auf störenden Motorenlärm oder lästige Abgase verzichten will und aus ökologischem Interesse über die Anschaffung eines Elektroautos nachdenkt, muss für den tieferen Griff in den Geldbeutel bereit sein: Denn derzeit sind die modernen - und als Familienkutschen nicht geeigneten - Stromer noch um gleich mehrere Tausend Euro teurer als herkömmliche Kleinwagen. „Wer dennoch in die saubere Mobilität einsteigen will, kann aber mit cleveren Modellen sparen“, betont Experte Stefan Prott, geschäftsführender Gesellschafter des RDN Verlages aus Recklinghausen. Bedenkenträger weisen gerne darauf hin, dass sich neben anderen Problemen bei der Berechnung der tatsächlichen Betriebskosten von Elektroautos vor allem der Restwert als größte Unbekannte herauskristallisiert. „Niemand weiß heute genau, welchen Preis ein EMobil vom Jahrgang 2011 zum Beispiel in vier Jahren noch erzielen kann. Deshalb sollte man nicht in blindem Vertrauen auf den Fortschritt kaufen, sondern besser leasen oder mieten“, sagt der 46-Jährige Prott, der Herausgeber des neuen NRW-Magazins „e:Motion“ ist, das mit einer stattlichen Auflage von 200.000 Exemplaren an den Start geht. Wer in die saubere Mobilität einsteigen will, kann mit cleveren Modellen sparen Sämtliche Experten sind sich einig, dass Elektromotoren als Antriebseinheiten die Mobilität der Zukunft sicherstellen. Allerdings sollte man sich bei den Risiken absichern. So gelten Leasing, ein Mietmodell oder eine Garantieverlängerung als Pflicht - sonst wird aus dem vermeintlich himm¬lischen Vergnügen schnell ein unkalkulierbares Abenteuer. „Wer viel fährt und bereit ist, zugunsten der Umwelt auf überflüssigen Schnickschnack im Auto zu verzichten, der kann durchaus jetzt über einen flüsterleisen Stromer als Alternative zum Pkw der Mittelklasse nachdenken“, sagt Stefan Prott, dessen Agentur auch die Mercedes-Fahrzeugwerke 7 LUEG AG mit zahlreichen Standorten im Ruhrgebiet betreut. Beispielsweise verkauft Renault seine Fahrzeuge der ZE-Familie ohne Batterie - diese wird separat gemietet, bei Bedarf getauscht und macht so keine (kostspieligen) Sorgen. Die französischen Hersteller-Kollegen von Peugeot bieten den „iOn“ nur als Fullservice-Leasing mit einer Komplettrate von 500 Euro an. Mitsubishi (i-MiEV) und Nissan (Leaf) wiederum schützen Käufer vor bösen Überraschungen und geben auf die Batterie eine Garantie von fünf oder acht Jahren. Ab 2012 soll der erste Smart ForTwo des Daimler-Konzerns mit Lithium-Ionen-Batterie in Großserie vom Band laufen. Bei den Gesamtkosten punkten E-Mobile eindeutig durch den günstigen Verbrauch: Je nach Modell und Stromtarif kostet das „Volltanken“ rund 2 Euro und reicht für 100 Kilometer. Bei einer Laufleistung von 20.000 km pro Jahr macht die Ersparnis rund 100 Euro pro Monat aus. FRANK-MICHAEL RALL Über Tage „Ich bau `ne temporäre Stadt für Dich“, Foto: Ingo Ott, Zeltfestival Ruhr „Der Gegenentwurf zur Betonwüste“ Heri Reipöler zum Zeltfestival Ruhr und zur Zukunft der Branche im Revier trailer: Herr Reipöler, Sie zelten im Ruhrgebiet – warum das denn? Heri Reipöler: Der Begriff „zelten“ trifft dieses komplexe Vorhaben, das wir uns seit vielen Jahren zur Aufgabe gemacht haben, nicht ganz. Wir veranstalten ein großes 17-tägiges Festival im Herzen des Ruhrgebiets, am Kemnader Stausee, mitten im Naturschutzgebiet. Wir schaffen dort einen Dreiklang zwischen Kulturgenuss, gastronomischem Erleben und Kunsthandwerkermarkt. plett anderes Konzept. Uns eint mit Marcus Gloria die Liebe zur Kultur. Und es gibt den einen oder anderen Künstler, der auf unserer Piazza auf der kleinen Bühne spielt und auch bei Bochum Total ein Forum gefunden hat. Sie stehen sich also nicht im Weg? Nein, beide Veranstaltungen beschränken sich ja in ihrem Einzugsbereich nicht nur auf das Stadtgebiet von Bochum. Im Ruhrgebiet und in NRW gibt es sicher Platz für 15 oder 20 verschiedene Festivalkonzepte. Ein CENTRO für Kulturkonsumenten? Nein, das Zeltfestival ist eher „Inzwischen gibt es Also ist Bochum der Nabel der Gegenentwurf zu den am den Begriff Kreativwirtschaft. der Welt? Reißbrett entstandenen BetonFrüher haben sich Wirtschaft wüsten. Wir bauen temporäre und Kreativität ausgeschlossen.“ Sicherlich ist es wichtig, den Tourneestandort Bochum wieStädte, Städte auf Zeit. Der Erlebnishorizont ist ein ganz anderer, wenn man der in das öffentliche Bewusstsein zu etablieren. die Eindrücke eines Konzertes in den Minuten In den achtziger Jahren war das noch anders. und Stunden danach in einer passenden Atmo- Da antwortete jeder, der sich in Deutschland für Rockmusik interessierte: „Die Zeche in Bochum sphäre verarbeiten kann. – klar, kenn ich.“ Der Standort Bochum hat inManche werfen Ihnen vor, mit dem Zeltfestival zwischen etwas gelitten, weil wir keine Spielstätnur Mainstream zu bedienen. Tut so ein Vor- ten haben, die den gestiegenen Ansprüchen der Künstler gerecht werden. Inzwischen ist Oberwurf weh? Das tut nicht weh. Es gibt genug Veranstaltungen hausen bei den Konzertagenten in England eine für jedermann. Wenn man ein neues Veranstal- feste Größe. Insofern ist es wichtig, mit Bochum tungskonzept etablieren möchte, wird es zuneh- Total und mit dem Zeltfestival Ruhr den Tourneemend wichtiger, seinen eigenen Platz zu finden. standort Bochum zu festigen und auszubauen. Das schaffte Juicy Beats, das schaffte einst Bochum Total. Es gibt also viele Spartenveranstal- Ist das Ruhrgebiet anders als woanders? tungen aber wenige Veranstaltungen, bei denen Ohne mit Frank Goosen antworten zu wollen … an einem Tag der Sohn, am anderen Tag der Vater hingeht. Der Vater kommt vielleicht zu Dieter Hil- … Woanders ist auch scheiße. debrandt und Roger Willemsen, der Sohn guckt Eben gerade nicht. Hier funktionieren viele Sasich dann Culcha Cundela an. Unsere Piazza und chen, die woanders so nicht funktionieren. Wir auch die Zeltstadt soll etwas Einigendes schaffen. haben zum Beispiel eine sehr intakte MetalSzene. Wo sind die Überschneidungen und wo sind die Ist schließlich eine Montan-Region. Abgrenzungen zu Bochum Total? Die beiden Veranstaltungen sind inhaltlich kom- Genau. Vater macht Metall und Sohn daher plett anders aufgehängt. Bochum Total ist ein auch. Insgesamt werden hier viele Musikfarben Innenstadtfest, will jungen, progressiven Künst- gefordert. Wir haben ein sehr kulturbeflissenes lern eine Heimat und eine Spielstätte bieten und Publikum. ist zu einer Zeit entstanden, als Jugendkultur ansonsten an den Stadtrand ausgelagert wurde. Hat sich seit der Loveparade etwas für die VerDas Zeltfestival hat einen ganzheitlicheren An- anstalter geändert? satz. Wir bieten etabliertere Künstler, es wird Natürlich. So eine Tragödie möchte man nie nur Eintritt genommen, insofern haben wir ein kom- ansatzweise erleben. Insofern werden alle Pla- www 8 nungen auf ihre Sicherheit noch einmal mit den Fachämtern überprüft. Aber dies muss losgelöst vom Zeltfestival auch mit Augenmaß und ohne Hysterie geschehen. Wenn Flohmärkte zu Großveranstaltungen erklärt werden, besteht die Gefahr, kulturelles Leben zu behindern. Sie sind im Musikmarkt tätig. Wie geht es der Musik wirtschaftlich im digitalen Zeitalter? Internet kills the Videostar? Etablierte Künstler haben relativ wenige Probleme. Man hat sich dort andere Einnahmequellen erarbeitet. Schwieriger ist der Weg nach oben. Die Plattenfirmen verkaufen weniger und können somit weniger Geld investieren, um Talente zu entdecken und sie nach oben zu bringen. Dabei soll die Kreativwirtschaft doch boomen? Tatsächlich gibt es inzwischen den Begriff Kreativwirtschaft. Früher haben sich Wirtschaft und Kreativität ausgeschlossen. Früher nahm der Künstler die Plattenfirma zwar als Partner aber auch als Gegner wahr. Es gab den Slogan: „Major is Satan“. Die großen Plattenfirmen waren teuflisch. Inzwischen ist der Vermarktungsweg ein anderer. Musiker können ohne große Maschinerie ihre Musik selbst produzieren und vertreiben. Aber letztlich ist es auch heute schwierig, große Bekanntheit zu erlangen. Da braucht es neue Formen. Für Musiker wird es letztlich wichtig bleiben, gute Musik zu machen. INTERVIEW: LUTZ DEBUS Interviewserie „Über Tage“ „Über Tage“ handeln, ohne „unter Tage“ zu vergessen. trailer-ruhr spricht mit streitbaren Menschen über das Ruhrgebiet. ZUR PERSON Heri Reipöler (48) ist Managing Director der Radar Musik & Unterhaltungs GmbH und einer der drei Veranstalter des Zeltfestivals Ruhr Foto: Ingo Ott, Zeltfestival Ruhr Innovation In Gelsenkirchen erkundet Europas größtes Modellprojekt, wie man die Zechenareale als Bio-Plantagen befristet, aber sinnvoll nutzen kann, Foto: Tom Jost „Da werden ganze Busladungen kommen“ Biomasse, bis sich Besseres findet: In Gelsenkirchen treibt eine Zechenbrache neu aus Altlast oder neue Potenziale: Nicht nur durch Zechenschließungen hat sich in den Ruhrgebietsstädten ein beträchtlicher Bestand an Brachflächen entwickelt, die auf Investoren warten. Warum sie nicht übergangsweise für Erneuerbare Energien genutzt werden, fragte man sich in Gelsenkirchen – und schuf ein interessantes Modellprojekt. Waren das noch Zeiten: Die Stilllegung der Zeche „Dannenbaum“ gerade als Schlag ins Kontor eingesteckt, hatte die Stadt Bochum wenige Wochen später schon einen internationalen Investor an der Angel. Natürlich zahlte man bei Erwerb und Aufbereitung der Flächen drauf, auch eine neue Verkehrsanbindung musste hergestellt werden. Doch unterm Strich stand: ein neues Opel-Werk angesiedelt, 11.600 Arbeitsplätze gewonnen, 2500 Bergleute sicher weiterbeschäftigt. Ein Glückstreffer, der sich so nicht wiederholen sollte. Wo der Bergbau ging, hat er im Ruhrgebiet Narben hinterlassen – Brachflächen, Halden, Altgebäude. In Gelsenkirchen heißen sie „Rheinelbe“ oder „Consolidation“, „Wilhelmine Victoria“ oder „Ewald“. An manchem Ort kam es zu attraktiver Nachfolge durch Wissenschaftspark oder Bundesgartenschau. Woanders reichte es zu kaum mehr als einem Supermarkt. Oder zu gar nichts: „Hugo“ im Stadtteil Buer, im April 2000 stillgelegt, ist so ein Platz. Allerdings sorgt die ehemalige Heimat von 5000 Kohlegräbern jetzt auf andere Weise für Aufsehen. Prof. Frank Lohrberg: „Es ist ein Labor.“, Foto: Peter Winandy Wie man solche Flächen befristet sinnvoll nutzen und womöglich im Wert steigern kann, überlegt die RAG Montan Immobilien GmbH als Nachlassveredler der Ruhrkohle schon seit geraumer Zeit. Und kam, zusammen mit dem Stuttgarter Landschaftsarchitekten Prof. Frank Lohrberg, auf eine verblüffende Lösung: Man baut nicht, sondern baut an. Und erntet – bis sich etwas Besseres findet. Das Zauberwort heißt „Biomasse-Park“. Auf 22 Hektar ehemaligen Zechengrundes werden nach und nach gut 10.000 schnell wachsende Pappeln und Weiden gepflanzt, die man alle sechs bis zehn Jahre abschneiden und als CO2-neutralen Brennstoff verfeuern kann. „Es ist das erste Mal, dass man mit einem solchen Projekt auf ein ehemaliges Bergwerksgelände geht“, sagt RAG-Immobilien-Sprecher Stephan Conrad. „Hugo ist zudem die erste Kurzumtriebs-Plantage dieser Größenordnung in Europa“, ergänzt Chefplaner Lohrberg. Und ist sich sicher: „Da werden ganze Busladungen kommen, die sich das anschauen wollen.“ www In der Tat haben die Akteure, unterstützt vom NRW-Umweltministerium, einen findigen Plan ausgetüftelt. Damit der alte Zechengrund überhaupt wieder für irgendwas taugen konnte, musste der Boden ohnehin saniert werden. Während die altbelastete Deckschicht zu einem eingekapselten Hügel oder Wall zusammengeschoben wird, kommt der neue Mutterboden von aktuellen Baustellen im Ruhrgebiet. „Und dafür kriegen wir quasi als Entsorger sogar noch Geld“, strahlt Stephan Conrad. Einnahmen kommen in den Folgejahren zudem aus dem Erlös der Holzernte, die man auf etwa acht Tonnen Biomasse pro Hektar schätzt. Verfeuern kann man das entweder im Dinslakener Biomasse-Kraftwerk - oder ganz in der Nähe: Das Regionalforstamt Ruhrgebiet setzt auf Holzhackschnitzel, ebenso „Haus Vogelsang“ als konzernintegrierter Immobilien-Dienstleister. Zu den Kosten des Pilotprojektes macht RAG Immobilien keine Angaben: erwartet wird allerdings, dass sie sich mit den Erlösen ungefähr die Waage halten. 9 Der absehbare Nutzen soll nicht immer nur materiell sein. Landschaftsarchitekt Lohrberg hofft auf ein „Vorzeige- und Erfolgsmodell für Standorte, bei denen noch keine längerfristige Weiterverwendung absehbar ist“. Die es sicher nicht nur im Ruhrgebiet reichlich gibt. Großer Pluspunkt werde die Bindung an das Wohnquartier und die öffentliche Zugänglichkeit sein – der Biomasse-Park auch als StadtteilGrünfläche. Am Beispiel „Hugo“ bedeute das: „Die Mauer zur Rungenberg-Siedlung ist dann weg. Ein Radweg mit Blühstreifen quert die Plantage, deren Pflanzreihen so ausgerichtet sind, dass auch die Kirche im Stadtteil als Bezugspunkt aufgewertet wird. Umgekehrt hat man von der benachbarten Halde Einblick in die verschiedenen Wachstumsstadien.“ Und dann ist da noch der ehemalige Förderturm mit dem Hugo-Zechenmuseum des früheren Betriebsrates Klaus Herzmanatus – es soll Führungen geben und Flächen für Schulklassen, die selbst mit Pflanzen experimentieren wollten. Frank Lohrberg: „Wir sagen, es ist ein Labor.“ Dieses Pilotprojekt könnte freilich recht schnell Flächenwirkung entfalten. Zum einen verfügen nicht nur die Ruhrkohle-Nachlassverwerter über reichlich Brachen, um die sich mittelfristig Interessenten nicht gerade duellieren. Auch andere Industrien haben hässliche Wunden in den Stadtgebieten hinterlassen, die man mit „GrünPlantagen auf Zeit“ ästhetisch, ökologisch und energetisch vorteilhaft nutzen könnte: Der Aspekt einer lokalen und CO2-neutralen Energieausbeute spielt in immer mehr kommunalen Klimakonzepten eine ansehnliche Rolle. Dies alles quasi fast auf Abruf – für den Fall, dass ein williger Investor kurzfristig anklopfen sollte. „Es kann ja durchaus sein, dass Gelsenkirchen in 20 Jahren wieder boomt“, macht Lohrberg der gebeutelten Stadt Mut. Übrigens war es auch nicht überall Autolack, der auf Bochums alten „Dannenbaum“-Flächen glänzte. Auf Teilen dieser Bergbau-Hinterlassenschaft sitzt heute ein Schrotthändler. Es soll Anlieger geben, die einen Biomasse-Park als willkommenere Alternative wählen würden. TOM JOST Theater Ruhr Grotesk: Zwei Menschentiere beim Kampf um die Dominanz über eine Parkbank, Foto: Birgit Hupfeld Die Eroberung der Parkbank Wenn Menschentiere ihre Käfige verlassen. Arne Nobel inszeniert am Bochumer Rottstr5 Theater die „Zoo Story“ Über allen Wipfeln ist Ruh‘. Nur an der Bochumer Rottstraße ist das nicht so. Alle Theater sind leer, nur ein kleines wehrt sich (auch mit Zaubertrank) gegen die theatrale Sommerlethargie. Hier kauft sich der Zuschauer eine Karte und macht dafür eine Reise vom Rottstr.5 Theater mitten in den New Yorker Central Park. Dort gehen wirklich merkwürdige Dinge vor. Eine rollende Stellage, behängt mit sinnigen und unsinnigen Requisiten, mit aufgespießter Ananas und Würstchen, Lampions und Tarnnetz, steht allein im Raum. Nach Richard Strauss´ „Also sprach Zarathustra“, tauchen zwangsläufig Bilder aus dem Opus „2001 Odyssee im Weltall“ auf, wenn der Affe den Knochen als Keule entdeckt. Zwei spärlich bekleidete Männer betreten die Bühne, passend maskiert im Bild der Frühsteinzeit, sie bewegen sich in Zeitlupe, entdecken die Bühne choreografisch, de-evolutionieren wieder zu Affen und spielen dann erst mal ein assoziatives Tierspiel von A bis Z, von Anakonda bis Zebra, von Amselflosser bis Zwergpudelbiene. Dann wechseln sie ihr Outfit, der eine wird zum Verleger mit Büro in Manhattan, der andere zum Soldaten ohne Heimat: die beiden lernen sich an einer Parkbank kennen. Schon hier hat man eine Ahnung, welche Bedeutung Felix Lampert und Björn Geske mit ihrem überaus körperlich präsenten Spiel für Arne Nobels Inszenierung haben werden. Die Stellage wird gedreht, vier Kinostühle sind nun die Parkbank im Central-Park, über ihr flimmert unablässig ein Monitor mit Tierbildern aus der ganzen Welt. Die „Zoo Story“ von Edward Albee ist aber keine Komödie, auch wenn manche Situationskomik zum Lachen reizt. Hier prallt der Außenseiter Jerry auf die gesättigte amerikanische Mittelschicht in Person von Peter, die ihn erst reizvoll, interessant findet, aber dann doch die Bedrohung spürt, die von diesem rohen Stachel in der Gesellschaft ausgeht. Für diese Auseinandersetzung findet Nobel in der düsteren Katakombe nicht nur starke Assoziationen, sondern auch surreale Bilder. Jerry war im Zoo, warum bleibt erst einmal undurchsichtig. Peter möchte an diesem Sonntagabend ein wenig ausspannen. Doch Jerry lässt ihn nicht, er will erzählen warum und wieso, der Mittelständler bleibt höflich, distanziert, der Outsider wird aggressiv, findet aber immer wieder in den Normalzustand zurück, nachdem Peter einlenkt. Die beiden umkreisen sich wie Tiere verschiedener Gattungen, der eine isst rohes Fleisch, der andere Feines aus der Dose. Absurditäten verbinden, andere stoßen ab. Die Figuren sind auf konzentrischen Kreisen um die Gesellschaft, die irgendwie einen Fehler hat − wie der Zoo im Central Park, über dessen Besuch Peter am Abend im Fernsehen etwas erfahren soll, aber nicht weiß was, dennoch, seine Neugier ist geweckt. Man vergleicht die Privatleben bis ins intimste Detail, analysiert die Familienverhältnisse, schon hier muss der Zuschauer das Gefühl bekommen, dass diese Geschichte ungewöhnlich enden wird. Björn Geseke faucht, Björn Geseke säuselt, obwohl er sich auch von der Person Peters angezogen fühlt, fühlt er die Barriere, die ihn vom Verleger trennt. Auch mit roher Gewalt gegen Sachen ist die einfach nicht zu überwinden. Dafür erhält er seinen berühmten ekligen Monolog, die „Geschichte von Jerry und dem Hund“. Kein Wunder, eigentlich ist er es auch, der die gesamte Handlung verbal dominiert, ohne dass in der RottstraßenInszenierung Felix Lambert zu kurz kommt. Dieses Ungleichgewicht war auch ein Grund für Albee, fünfzig Jahre nach der Uraufführung 1959 im Berliner Schillertheater einen Akt „Homelife“ hinzuzufügen, beziehungsweise voranzustellen. Eigentlich müssen seitdem immer beide Akte gespielt werden. Aber da ist eben noch eine Frauenrolle dabei. Die Situation im Central Park eskaliert, als beide Männer die Parkbank für sich reklamieren. Arne Nobel baut hier eine schulmeisterliche Fechtszene ein, die beiden kämpfen wie Macduff gegen Macbeth, am Ende entscheidet ein eher unscheinbares Messer den Kampf zu Gunsten des eigentlich nur vermeintlich Guten. Jerry, der so einsam ist, dass er nicht einmal mehr mit Tieren kommunizieren kann, erzählt verblutend: Er sei in den Zoo gegangen, weil er mehr darüber erfahren wollte, wie Menschen mit Tieren leben, wie Tiere unter sich leben und Tiere mit Menschen. Doch jeder sei eben von jedem durch Käfigstangen getrennt. Was er getan hat, kann man sich nun denken. Eigentlich unverständlich, dass dieses Stück nur selten gespielt wird. PETERORTMANN www „Zoo Story“ von Edward Albee R: Arne Nobel Rottstr5 Theater Bochum Do 15. 9., So 18.9., je 19.30 Uhr 0163 761 50 71 10 A A LTO -THEATE R S P IE L Z E IT 20 11 | 2 0 12 PR EMIER EN www OPER Hoffmanns Erzählungen Jacques Offenbach, 22. Oktober 2011 Die Fledermaus Johann Strauß, 10. Dezember 2011 Eugen Onegin Peter I. Tschaikowsky, 25. Februar 2012 La Traviata Giuseppe Verdi, 5. Mai 2012 Die Entführung aus dem Serail Wolfgang Amadeus Mozart, 10. Juni 2012 BALLETT Zeitblicke Choreographien von Jiří Kylián, Patrick Delcroix und Christopher Bruce, 21. Januar 2012 Max und Moritz Ballettkomödie von Edmund Gleede, Choreographie von Michael Kropf, 31. März 2012 W I E D E R AU F N A H M E N OPER Hercules | Figaros Hochzeit | Die Zauberflöte | Der Liebestrank | Der fliegende Holländer | Tannhäuser | Tristan und Isolde | Das Rheingold | Die Walküre | Siegfried | Götterdämmerung | Madama Butterfly | Der Rosenkavalier | Die Csárdásfürstin BALLETT Carmen/Boléro | Tanzhommage an Queen | Irish Soul | Coppélia | Leonce und Lena Stefan Soltesz Intendant und Generalmusikdirektor Ben Van Cauwenbergh Ballettdirektor K A R T E N & ABOS T 02 01 81 22-200 | tickets@theater-essen.de | www.theater-essen.de Premiere Tatort oder Performancefläche: Der inzwischen entfernte Schriftzug an der Bochumer Christuskirche, Foto: Ingmar Burmann „Es ist niemand getötet worden“ Ein Spruch an der Bochumer Christuskirche sorgte für viel Diskussionsbedarf und rief den Staatsschutz auf den Plan Über Nacht sprühte eine unbekannte Person an der es möglich wäre, darüber zu reden, bevor tatdie Bochumer Christuskirche den Satz „Tötet die sächlich irgendetwas Schlimmes passiert ist. Das ist Deutschen“. Nach einer Woche brachte Pfarrer ja der Unterschied zu Berlin oder Oslo. Wir reden ja bewusst hypothetisch und das Thomas Wessel die Aktion „Nur weil diese Vernichtungsnicht, weil wir nicht wissen, wer in die Öffentlichkeit, eine fantasie an der Fassade weg ist, es gemacht hat, sondern weil ja im kontroverse Diskussion entist sie aber nicht aus den GeGrunde nichts Schlimmes passiert brannte, die fast theatralische dächtnissen der Menschen weg.“ ist. Es ist niemand getötet worden. Züge annahm. Ayla Wessel, Ehefrau des Pfarrers mit türkischen Wurzeln, begann Menschen, die im Vorbeigehen eine Reakti- Der Autor der Zeile wollte eine „pseudo-radion auf die Parole zeigten, zu fotografieren. Dann kale“ Parole, aber nicht selbst Hand anlegen. ermittelte auch der Staatsschutz, der Schriftzug TW: Wir haben am Anfang festgestellt, es gibt im wurde entfernt. Doch immer noch geistern die Grunde drei Fragen. Erste: Wer war es? Sie fanden drei Worte um die Kirche, kommen Menschen zum wir sofort uninteressant, weil rumzuspekulieren Schauen, und um sich fotografieren zu lassen vor nichts bringt. Das muss die Polizei klären. Zweitens: der Wand, die jetzt wieder sauber ist. Ein Grund Wer soll getötet werden: die Deutschen. Drittens: mehr, die Vorgänge, die auch performativen Cha- Aber wer soll töten? Wer fühlt sich aufgerufen? Das rakter haben, noch einmal zu beleuchten. finde ich weiterhin die interessanteste Frage. Also, welche Typologien oder Gruppen von Menschen gibt trailer: Herr und Frau Wessel, der Staatsschutz es in dieser Gesellschaft, die möglicherweise von so einem Aufruf, so einer Vernichtungsfantasie angehat ermittelt, aber niemanden gefunden? Thomas Wessel (TW): Bisher nicht. Interessant ist, sprochen werden? Das fand ich in der Diskussion dass man denselben Spruch zur gleichen Zeit auch im Internet gut, dass es da einer immer sagte, dass noch mal in der Alleestraße an der Volkshochschu- das eine öffentliche Vernichtungsfantasie sei. Man le gefunden hat. Das haben die rausgekriegt. Viel- muss sich fragen, ist dieser Schriftzug wirklich beleicht ist das wichtig für die Frage, ob der Spruch langlos oder gibt es tatsächlich Leute, die den Aufgezielt an eine Kirche gesprüht wurde, denn die ruf attraktiv finden. Denken wir immer daran, das war vor Oslo. Und Oslo verändert diese Geschichte, wurde dadurch natürlich ein bisschen relativiert. glaube ich, im Nachhinein zumindest ein bisschen. War das zwischen dem Sprühen und dem Entfernen nicht auch eine Art theatralischer Vorgang? Andererseits ist Deutschfeindlichkeit in TW: Ja, klar. Theatralisch schon deswegen, weil der Deutschland eher absurd. Staatsschutz uns immer ein bisschen über die Schul- Ayla Wessel (AW): Also ich habe mich nicht geter geschaut hat und gefragt hat, wann kommt der fragt, wer das an die Fassade geschrieben hat, das Spruch denn endlich weg. Aber ich habe gesagt, ich soll der Staatschutz ermitteln und die Polizei. Was müsse erst mal eine Ausschreibung machen lassen mich persönlich interessiert hat, als ich den Satz (lacht). Das wären die Verwaltungsvorschriften. Wir gesehen habe, war, ob ich eigentlich auch angehaben das ja eine Woche lang einfach stehen lassen sprochen bin. Ich bin gebürtige Türkin, aber auch und haben intern herumgefragt und diskutiert: Ist deutsch. Daher fühlte ich mich natürlich angedas wichtig zu nehmen? Ist das ernst zu nehmen? sprochen. Und alle, die hier sind, deutsch sind oder Dazu muss ich sagen, dass die Vorgänge vor dem deutsche Europäer, sind angesprochen. Nun stelle Massaker in Oslo stattgefunden haben. Wir haben ich mir die Frage, wer sind denn überhaupt die bei den Aktionen festgestellt, der Spruch ruft eindeu- Deutschen? Wer soll hier getötet werden? Wie sieht tige Empörung hervor, aber es gibt auch eindeutige denn ein Deutscher aus? Muss er eine Steckfrisur Belanglosigkeit, für manche hat das überhaupt keine haben, dann ist man Deutsch. Oder ein offenes Bedeutung – und dazwischen gab es noch ganz viel Kleid anhaben, hochhackige Schuhe, Fingernägel Unsicherheit, auch eine Unfähigkeit, die inhaltliche rot lackiert? Die Antwort darauf sind die Fotos. Da Lesbarkeit zu formulieren. Darüber konnte man auch sieht man nämlich dieses heillose Durcheinander, diskutieren. Uns interessierte nicht diese Eindeutig- einen Riesen-Cocktail aus unterschiedlichen Menkeit in der Empörungsgestik oder in dieser „Überall schen. Und da sieht man auch, wie europäisch eisteht immer irgendwas“-Egalität, sondern wie man gentlich Deutschland ist und dass es den Deutschen in dieser breiten Mitte eine Sprachform hinkriegt, in überhaupt nicht gibt, schon lange nicht mehr. 12 www Bleibt die Sprühperformance eine Episode oder wird sie dokumentiert? AW: Dokumentiert wird das ein Stückweit natürlich schon. Die Fotoserien zeigen im Grunde genommen sehr viel, ohne viele Worte darum zu machen. Darüber kann man dann auf eine sehr souveräne Art und Weise diskutieren. Das ist meine Erfahrung mit den Menschen, die hier vorbeigekommen sind und die ich für die Fotos gefragt habe. Es ist, wie auch sie darüber gesprochen haben. Diese Souveränität sollte auch mit den Fotos abgebildet werden. Aber jetzt ist die Aktion vorbei? TW: Das ist eine schwierige Frage. AW: Nur weil diese Vernichtungsfantasie an der Fassade weg ist, ist sie aber nicht aus den Gedächtnissen der Menschen weg. Die fragen immer noch danach: Geht es weiter? Können wir noch vorbeikommen? Und die Menschen stellen sich fürs Foto auch noch vor diese Wand ohne den Aufruf, wissen aber genau wo sie stehen und wissen ganz bewusst, was da hinter ihnen einmal stand. Das finde ich sehr gut. Also bleibt: Fürchtet Euch nicht? TW: Dahinter besser ein Ausrufezeichen. Also nicht fürchten? AW: Nein! TW: Mir ist bei dieser Aktion auch noch mal klar geworden, dass sich die Gesellschaft in den letzten, ich sag mal vorsichtig 20-30 Jahren erheblich geändert hat. Sie ist insgesamt stabiler geworden, gelassener. Das liest sich jetzt nach dieser Tat von Oslo auch noch mal anders, aber die unmittelbaren Reaktionen darauf fand ich alle irgendwie behämmert. Diese Verrückte gibt es immer. Aber diese Diskussion über die Deutschen und die Ausländer, die haben wir nicht mehr, die gibt es nicht mehr, die ist vorbei. INTERVIEW: PETER ORTMANN ZUR PERSON Thomas Wessel: Studium in Berlin. Arbeitete als Freier Journalist, Barmann und LKW-Fahrer in Kreuzberg, später an der Evang. Akademie Berlin und beim Antirassismusprogramm der Kirchen. Seit 1998 Pfarrer an der Christuskirche Bochum. Verheiratet mit Ayla Wessel. Ayla Wessel: Geboren in Ereğli-Konya, Türkei. Studium und Ausbildung in Bochum und Essen. Dozentin für Europa-Ökonomie und Kulturkommunikation. Mit ihrer KULTURAGENTÜER realisiert und begleitet sie ästhetische und politische Projekte. Foto: privat www Theater in NRW So, 18.09. ab 11.00 Uhr SPIELZEITERÖFFNUNGSFEST E 10 JAHR ATER CONSOL THE 10 Jahre Consol Theater Familienfest, Workshops, Spielangebote und: Demokraten in Würfeln: The Democratic Set, Foto: Jeff Busby Schraubenzieher für das Gemeinwesen Das Back to Back Theatre gastiert am Düsseldorfer Schauspielhaus 11.00 Uhr Die zweite Prinzessin Solo von Gertrud Pigor für Kinder ab 4 14.45 Uhr Froschkapelle in letzter Minute Gastspiel des Theaters Töfte für Kinder ab 4 16.15 Uhr EINTRITT FREI! Die wilden Schwäne Von Thomas Brasch für Kinder ab 6 So, 25.09. um 15.00 Uhr, Di, 20.09. und Mi, 21.09. um 10.30 Uhr Ká síra díya Großeltern erzählen die Geschichte einer Reise für Kinder ab 9 Jahren Di, 20.09. um 19.00 Uhr KOnzertMEDitation mit Michael Gees und Patrick Hagen (Klarinette) Do, 22.09. um 20.00 Uhr Katharina Maschmeyer Quartett GEjazzt auf Consol Fr, 23.09. um 20.00 Uhr Der König vom Borsigplatz Geschichten auf Consol mit Ilhan Atasoy Sa, 24.09. um 20.00 Uhr Panhas Impro-Theater aus Gelsenkirchen Von Hans-Christoph Zimmermann „The Democratic Set“ nennt das australische Back to Back Theatre sein Theaterprojekt, mit dem es derzeit in Europa unterwegs ist. Düsseldorfs neuer Intendant Staffan Valdemar Holm hat die Theatergruppe eingeladen, ihr Projekt auch am Rhein zu zeigen, denn dieses Set, das nach Werkzeugtasche klingt, funktioniert wie ein Schraubenzieher für das Gemeinwesen. Im Mai gastierte das Back to Back Theatre damit beim wildwuchs-Festival in Basel. In der Klingental-Turnhalle war ein 3m x 3m x 3m großer Holzwürfel mit zwei seitli-chen Türen aufgebaut. Jeder Basler Anwohner, der sich meldete, durfte in der Box zehn Sekunden lang nach Lust und Laune agieren, hampeln, singen, schreien, während eine Kamera mit fester Einstellung daran vorbeifuhr. Dabei waren auch der 34-jährige Niklaus und die 28jährige Sieglinde, die ihr erstes Kind erwarten. Ihre Idee: Sich bis auf die Unterwäsche ausziehen und damit ein Bild entstehen zu lassen, das von Unschuld, Vertrautheit bis zur Dokumentation der Schwangerschaft reicht. Wie Niklaus und Sieglinde haben zahlreiche Basler von der Auftrittsmöglichkeit Ge-brauch gemacht. Die unterschiedlichen Takes wurden dann zu einer Film-Sequenz zusammengeschnitten und beim Abschlussfest des wildwuchsFestivals gezeigt. Demokratie, sagt Bruce Gladwin, der künstlerische Leiter des Back to Back Theatre, erlaubt den Menschen, „gesehen und gehört zu werden, eine Stimme zu haben und be„Der Blick richtet sich vor achtet zu werden“. Seit 22 Jahren arbeiallem auf die Marginalisierten ten beim Back to Back Theatre, das in der in der Gesellschaft“ südaustralischen Hafenstadt Geelong beheimatet ist, geistig Behinderte mit Nicht-Behinderten zusammen. Gladwin hatte zunächst als freier Schauspieler und Regisseur mit der Gruppe gearbeitet, bevor er 1999 die künstlerische Leitung übernahm. Das Themenspektrum der Australier ist weit gefächert. Eher selten, dass sie sich wie in „Soft“ (2002), das von einem Ehepaar und ihrem ungeborenen Kind mit Downsyndrom handelt, konkret mit dem Thema Behinderung auseinandersetzen. Gemeinsamer Nenner ihrer Produktionen sind eher grundsätzliche Fragen nach Inklusion und Exklusion, dem sozialen Raum und den damit verbundenen Formen der Wahrnehmung. Der Blick richtet sich dabei vor allem auf die Marginalisierten der Gesellschaft, ob das nun Behinderte, Kleingangster, Fettleibige oder grundsätzlich Außenseiter sind. Am überzeugendsten gelang das in „Small Metal Objects“, mit der der Gruppe der internationale Durchbruch gelang. Bei den Theaterformen in Hannover 2007 war im Untergeschoss der Fußgängerzone am Kröpkeplatz eine Tribüne für die Zuschauer ausgebaut, die mit Kopfhörern den in der Menge agierenden Schauspielern lauschten. Es ging um zwei Kleindealer, die einem Rechtsanwalt und einer Galeristin Kokain verkaufen wollen, was misslingt. So einfach der Plot, so spannend, wie sich hier unterschiedliche Ökonomien und soziale Gruppen begegHans-Christoph nen, wie die Darsteller im Grenzland zwischen Theatralität Zimmermann ist Theaterkritiker und Alltagsdarstellung, sozialer und theatraler Rolle durch für Printmedien die Zuschauer verortet werden mussten. und Hörfunk. www Di, 27. und Mi, 28.09. um 10.30 Uhr Die wilden Schwäne Schauspielhaus Düsseldorf I Back to Back Theatre: „The Democratic Set“ Anmeldung ab 7.9. I Workshop: 29.10.–1.11. I Filmpräsentation: 6.11. 0211 36 38 38 von Thomas Brasch für Kinder ab 6 Jahren Bismarckstraße 240 45889 Gelsenkirchen Tel.: 0209 9 88 22 82 E-Mail: kontakt@consoltheater.de www.consoltheater.de 14 Dortmunder DEW21 10.Theaternacht Samstag, 10. September 2011 www.dortmunder-theaternacht.de Karten und Infos: Tel. (0231) 50-2 77 10 Nachmittags- und Abendveranstaltungen von ca. 15 - 21.30 h • Theater Dortmund mit - Schauspiel - Kinder- und Jugendtheater - Ballett - Oper • • • • • • • • • • • • Theater Olpketal Theater Fletch Bizzel Roto Theater Theater im Depot Spiegelzelt am Dortmunder U Cabaret Queue Musiktheater Piano Balou Improvisationstheater Emscherblut Naturbühne Hohensyburg Wichern Turbo Prop Theater www Theaterfest am PHOENIX See ab 21.00 Uhr 2 Bühnen, Walk-Acts, Paraden sowie Platz- und Seeinszenierungen · Kabarett & Comedy Bruno „Günna“ Knust · Lioba Albus · Fred Ape Erzähltheater Daria Nitschke & Raphael Pinel · Charolija Ensemble Roto Theater · Theater im Depot · Barbara Müller Ensemble · Evil Flames Artscenico · u.v.m. Montage unter Verwendung der Fotos von Knut Vahlensieck und Horst Wagner THEATER · GALERIE · KULTURWERKSTATT FLETCH BIZZEL Opernzeit w|n{ xwmn{vxmnuu ~v ~kru~vÕ Schafft eine Musik, die dem Schweben gleicht, Komponist: Toshio Hosokawa, Foto: Kaz Ishikawa Das Leben als Traum „Hanjo“ von Toshio Hosokawa bei der Ruhrtriennale ȗkkrum~wp nrp} xwmn{j~||}j}}~wp Uȗ jkrj xw}n j{uxÕ ~v ĖĕĕÕ ~kru~v mn{ juun xw}n j{ux prk} n| ~w|n{ xwmn{vxmnuuÖ mnw jkrj xw}n j{uxÕ r} rnß unw |yx{}urlqnw rpqurpq}|Ö rn Õ ȖÕ Ėěåßnrlq}vn}juuonupnw xmn{ mwjvr|lqn yx{}|r}nÕ rlqn{w rn |rlq kr| ~ ĖÕęĜĕÖà Ď {nr|x{}nruóÕ ópnpnwÆkn{ mn{ ~wn{krwmurlqnw {nr|nvyonqu~wp nrwn| n{punrlqkj{ j~|pnß |}j}}n}nw n{rnwvxmnuu| {jo}|}xoon{k{j~lq oÆ{ mnw Uȗ jkrj rvx~|rwn ȗ ĖÖė u Ö ěĘ t ìĝě íÖ rw uăĖĕĕ tv wjlq {~wm{rlq}urwrn ĝĕăĖėěĝăØ txvkrwrn{} ìĚÖėíÖ rwwn{x{}| ìěÖěíÖ j~¿n{x{}| ìęÖęíÕ ėßvr||rxwnw txvkrwrn{} rw pătvØ ĖėĖÕ ȗ~}xvxkrun {rnmnw|nrlqn vk j|}{xyn{ nuunp ĖĕĞÖ ęęĝĕĚ Ȗxlq~v nuØ ìĕė Ęęí ĘĚ ėĞ ĖęÖ jØ ìĕė Ęęí Ğ Ęě ėĖ ĝě o{rnmnw|nrlqnÕpoûyj{}wn{Õ|txmjßj~}xÕmn Õj~}xvxkrunßo{rnmnw|nrlqnÕmn Von Kerstin Maria Pöhler Die Kammeroper „Hanjo“ schlägt die Brücke zwischen Ost und West: Einerseits ist die Textvorlage von der Tradition des No-Theaters beeinflusst, andererseits überwindet die Vertonung die streng kodierte Ausdrucksform der japanischen Theatertradi- „Der Rückzug in das eigene Innere bietet tion durch die Einflüsse zeit- den beiden Frauen eine letzte Möglichkeit, genössischer Musik und macht sich über die Widrigkeiten der Realität zu das Erleben der Figuren auch erheben und sich von ihnen zu befreien“ für den Europäer unmittelbar erfahrbar. „Das Nô-Drama ist etwas Jenseitiges, wie ein Traum, und ich schrieb Hanjo selbst wie in einem Traum. Es ist ein Drama, das sich vor und zurück über die Grenzen von Traum und Realität – von Wahnsinn und Klarheit – bewegt“, schreibt der japanische Komponist Toshio Hosokawa über seine Kammeroper „Hanjo“, die 2004 in Aix-en-Provence mit großem Erfolg uraufgeführt wurde. Die Essenz der Musik des Nô vergegenwärtigt der Komponist in einer zeitgenössischen Klangsprache. Mit westlichen Instrumenten schafft er Klangassoziationen, die an ein östliches Instrumentarium erinnern. Rhythmische Zeitabläufe werden aufgehoben, ein schwebender Eindruck stellt sich beim Hören ein. Es ist eine Musik im Schwebezustand, die Schweigen hervorbringt. Die Textvorlage basiert auf dem gleichnamigen Nô-Spiel von Yukio Mishima aus den 50er Jahren. Der Titel bezieht sich auf die chinesische Kaiserin Hanjo, die ihr Schicksal als verlassene Frau mit dem eines weggeworfenen Fächers vergleicht. Somit wird ihr Name zum Synonym für die verlassene Frau, die Mishima in den Mittelpunkt seines Theaterstücks stellt. Hanako irrt am Bahnhof umher. Seit Jahren wartet die Geisha auf die Rückkehr des Geliebten. Bei ihrem Wiedersehen, so hat es das Paar vor der Trennung vereinbart, werden sie sich an ihren Fächern wieder erkennen und mit dem Fächertausch ihre Liebe besiegeln. Jitsuko, eine ältere Frau, nimmt sich der als verrückt geltenden jungen Geisha an: Sie ist fasziniert von der Kraft der Liebe Hanakos, die sie ihr unerfülltes Dasein vergessen lässt. Sie kauft Hanako aus dem Geishahaus frei. Jutsiko bezeichnet sich selbst als eine Frau, die die Liebe nicht gekannt hat: Hanako ist für sie ein Fixstern, der leuchtet, während sie sich als Stern verglühen sieht. Doch der Geliebte Yoshio kehrt zurück und beansprucht Hanako für sich. Er provoziert seine Konkurrentin Jutsiko: sie gibt ihre Gefühle und zugleich ihre Abhängigkeit von Hanako preis – damit verliert sie ihr Gesicht, und er überwindet ihren Widerstand. Doch Yoshio gelingt es nicht, sich Zugang zu der Welt seiner ehemaligen Geliebten zu verschaffen. Sie erkennt ihn nicht wieder. In letzter Konsequenz erklärt sie Yoshio für tot. Am Ende bleiben die beiden Frauen alleine zurück: „Wir bleiben hier, wir träumen unseren Traum weiter.“ In diesem Schluss spiegelt sich Mishimas radikale Kunstauffassung wider: Der Mensch kann nur in der imaginären Welt der Kunst zu sich selbst finden, in ihr überwindet er das Inkongruente, das Verfälschende und Verfremdende der Realität. Der Rückzug in das eigene Innere bietet Hanako und Jutsiko eine letzte Möglichkeit, sich über die Widrigkeiten der Realität zu erheben und sich von ihnen zu befreien: Der Traum wird in der Vorstellung als wirklich und real erfahren. Das lässt sie überleben, jenseits der Realität der Allgemeinheit. www „Hanjo“ von Toshio Hosokawa I R: Calixto Bieito I Gebläsehalle Duisburg Do 29.9. 20 Uhr (P), 1., 3., 5., 7., 8.10., je 20 Uhr I 0700 10 02 34 56 16 Höchste Zeit, mal rauszukommen. Mit der BahnCard für Studenten. www ohnen!n w i e r f t ie m einen vo 1 Ja h r t, und gewinne e. eng du wohns ahn.de/bud Zeig uns, wie eisen: w w w.b Pr en tiv ak tr vielen at Die BahnCard 25 für Schüler, Azubis und Studenten für nur 39 Euro oder die BahnCard 50 für nur 118 Euro. Ist deine Bude auch zu klein? Dann nichts wie raus. Fahre mit der BahnCard ein Jahr lang günstig quer durch Deutschland und Europa. Worauf wartest du noch? Überall, wo es Fahrkarten gibt, und auf www.bahn.de. Die Bahn macht mobil. Oper in NRW Dottore Dulcamara (Roman Astakhov) hat für jeden eine passende Kur, Foto: Kathrin Holighaus Zähes Buhlen um die Chefin Donizettis Liebestrank an der Essener Aalto-Oper William Shakespeare Von Karsten Mark Lange galt Donizettis „Liebestrank“ als ziemlich biederes Stück. Dabei bietet der Buffo-Zweiakter der Regie eine durchaus dankbare Vorlage. „L´elisir d´amore“ ist eine leichte Gute-Laune-Oper mit beinahe beliebig ausschmückbarem Handlungsgerüst: Der etwas einfältige, aber „Rein handwerklich sympathische Habenichts Nemorino ist in Adina verdurchaus passabel“ liebt. Die stammt aus reichem Hause, trägt die Nase deshalb ziemlich hoch und ignoriert Nemorino einfach, sobald der schneidige Offizier Belcore auftaucht. Nemorino fällt in einer Mischung aus Naivität und Verzweiflung auf einen Scharlatan herein, der ihm eine halbe Flasche Rotwein als Liebestrank verkauft – welche ihn beinahe ins Verderben, mittelbar dann aber doch noch zum Erfolg führt. Denn Nemorino erbt unerwartet ein Vermögen und wird so als Bräutigam interessant. Vor allem junge Regisseure lassen sich die Gelegenheit zu so viel kreativem Freiraum heute nicht mehr entgehen. 2007 etwa verlegte Anette Leistenschneider in Hagen die Handlung an eine italienische Tankstelle der 60er Jahre. Sie zeigte mit viel Witz und Tempo einen kleinen, ölverschmierten Mechaniker Nemorino, der gegen schneidige Carabinieri und Mafiosi bei seiner adretten Chefin keine Schnitte hat. Nicola Glück reizte erst in diesem Frühjahr die überdrehte Komik der Handlung gar bis zum Anschlag aus. Ihr Liebestrank an der holländischen „Opera Zuid“ spielt in der Boxbude einer amerikanischen Highschool und kommt daher wie ein knallbunter Comicstrip – inklusive Gummiperücken für die Darsteller. Andreas Baesler kehrt an der Essener Aalto-Oper gegen diesen Trend zur pittoresken Biederkeit zurück. Er verlegt die Handlung in ein Sanatorium des frühen 20. Jahrhunderts. Nemorino arbeitet dort als Page und ist in die Chefin des Kurhotels, Adina, verliebt. Die Kulisse ist prächtig, erinnert an Thomas Manns „Der Zauberberg“ - sowie Baeslers Inszenierung von Rossinis „Il Viaggio a Reims“, die 2003 in Gelsenkirchen in einem sehr ähnlichen Bühnenbild spielte. Die tollen Kostüme von Gabriele Heimann ergänzen den Dekor zu einem runden, wirkungsvollen Gesamtbild. Bloß packender Witz und mitreißende Spielfreude wollen darin nicht aufkommen. Stattdessen gibt es viele kleine nette Gags, die alle viel zu vorhersehbar sind, um wirklich komisch zu sein. Und so schleppt sich der Essener Liebestrank meist ziemlich träge dahin – pittoresk, bieder und reichlich langweilig. Den großen Lichtblick bietet die musikalische Seite unter Leitung von Guillermo García Calvo, der bereits als neuer erster Kapellmeister in Essen gehandelt wird. Der junge Spanier dirigiert die Essener Philharmoniker mit Drive und federnder Leichtigkeit. Liane Aleksanyan singt die Adina mit brillantem, höhenstarken Sopran, Ho-yoon Chung (im Wechsel mit Andreas Hermann) vereint als Nemorino lyrischen Schmelz und jugendliche Strahlkraft, und Bariton Heiko Trinsinger überzeichnet charmant den allzu schneidigen Belcore. Bemerkenswert ist auch der Einsatz Karsten Mark ist freier des Chores (Leitung: Alexander Eberle), den Regisseur BaesJournalist und lebt im Ruhrgebiet. Kultur und ler übrigens zu beschäftigen weiß. So wirkt seine Inszeniebesonders das Murung rein handwerklich auch durchaus passabel. Ohne zünsiktheater gehören zu seinen Schwerpunkten. denden Witz aber ist das nicht viel wert. www Theater an der Ruhr ab 21. / 22. September 2011 www.theater-an-der-ruhr.de „Der Liebestrank“ von Gaetana Donizetti I R: Andreas Baesler I Aalto Musiktheater Essen I Mi 14.9., Fr 16.9., Mi 22.9., je 19.30 Uhr I 0201 812 22 00 18 THEATER FLETCH BIZZEL Humboldtstr. 45 44137 Dortmund Tel. 02 31 / 14 25 25 www.fletch-bizzel.de 07.09. MITTWOCH-SPECIAL IMPROSHOW Mi. € 15,-/10,- mit Emscherblut 09.09. ENSEMBLE FLETCH BIZZEL 17.09. Bianka Lammert 30.09. „Das kunstseidene Mädchen“ Fr. Sa. Fr. Dortmunder DEW21 10.Theaternacht Sa.10.09. Samstag, 10. September 2011 www.dortmunder-theaternacht.de Sept. 11 € 15,-/10,- 10. DORTMUNDER DEW21 THEATERNACHT 15.00 - 19.00 Uhr Schnupper-Kulturwerkstatt 20.00 Uhr Ensemble Fletch Bizzel / Bianka Lammer t € 15,„Das kunstseidene Mädchen“ ab 21.00 Uhr Theaterfest am PHOENIX See Fr. 16.09. ENSEMBLE FLETCH BIZZEL „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ Do. Fr. € 15,-/10,- 22.09. ENSEMBLE FLETCH BIZZEL 23.09. „Nerudas Postmann“ oder „Mit brennender Geduld“ € 15,-/10,- Veranstaltungsbeginn: 20.30 Uhr · So. 19.00 Uhr THEATER TURBINE „Spuky-Maus geht in die Luft“ So. 25.09. -11 Uhr • Mi. 28.09. -10 Uhr RuhrHOCHdeutsch ein Muss für Kabarett/Comedy-Fans - noch bis Mitte Oktober www.ruhrhochdeutsch.de E www ts a b e k c i T ro ! 23 Eu Hommage an die Farbe der Liebe! 1. September bis 30. Oktober 2011 Rottstraße 30 · Essen · Tickethotline: (02 01) 2 47 93 93 · variete.de 19 MUSIKTHEATER IM REVIER GELSENKIRCHEN EUROPAS T DA H C U A BR NIS GEHEIM AUFTAKT 11.12 SPIELZEIT 11.12 OPER BALLETT MERLIN (DE) Oper von Isaac Albéniz ab 08.10.2011, Großes Haus COPYLEFT – SPIEL MIT DEM ORIGINAL Tanzstück von Annett Göhre ab 15.10.2011, Kleines Haus IM WEISSEN RÖSSL Operette von Ralph Benatzky ab 12.11.2011, Großes Haus DAS KIND UND DER KÖNIG (UA) Musiktheater für Kinder von Carsten Kirchmeier ab 20.11.2011, Kleines Haus LA TRAVIATA Oper von Giuseppe Verdi ab 17.12.2011, Großes Haus THEATERFEST So, 11. September ab 11.30 Uhr GALA ZUR SPIELZEITERÖFFNUNG So, 18. September 18.00 Uhr WWW.MUSIKTHEATER-IM-REVIER.DE DIE COMEDIAN HARMONISTS Musical von Franz Wittenbrink / Gottfried Greiffenhagen ab 13.01.2012, Kleines Haus www LA BOHÈME (WA) Oper von Giacomo Puccini ab 11.02.2012, Großes Haus LA GRANDE MAGIA Oper von Manfred Trojahn ab 24.03.2012, Großes Haus UBU (UA) Oper von Sidney Corbett ab 14.04.2012, Kleines Haus RUSALKA ˇ Oper von Antonín Dvorák ab 29.04.2012, Großes Haus SALOME Oper von Richard Strauss - konzertante Aufführung ab 20.05.2012, Großes Haus DIE HEXEN VON EASTWICK (DE) Musical von Dana P. Rowe / John Dempsey ab 09.06.2012, Großes Haus GROSSSTADT-TRIPTYCHON Ein Abend inszeniert und choreografiert von Bridget Breiner mit Kurzopern von Wolpe (DE) | Weill | Nick ab 14.01.2012, Großes Haus HEAVY MUSIC – COOL LOVE 2012 A VISION OF GOD (UA) Das Ballett im Revier tanzt für und mit Jugendliche(n) ab 30.06.2012, Kleines Haus SONDERKONZERTE MiR GOES MiR GOES METROPOLIS STUMMFILM MIT LIVE-MUSIK 11.10.2011, Großes Haus MiR GOES BEETHOVEN – 9. SINFONIE – ODE AN DIE FREUDE 09.01.2012, Großes Haus MiR GOES FILM 5 – ROBIN HOOD MEETS DERRICK 28.01.2012 + 03.02.2012, Großes Haus MiR GOES POP – ABBA FOREVER! 31.03.2012 + 30.04.2012, Großes Haus GENERALINTENDANT MICHAEL SCHULZ WWW.MUSIKTHEATER -IM-REVIER.DE KARTENTELEFON 0209.4097-200 WWW.TWITTER.COM /MIRIMPOTT KARTENTELEFON 0209. 4097-200 Musical in NRW Die Mutter aller Ruhrgebietskomödien Läutet die Spielsaison der Kölner Kammeroper ein: „My Fair Lady“ Broadway-Hit als Kammer-Musical Von Rolf-Ruediger Hamacher Als die städtischen Bühnen Köln ihren Spielplan für die Saison 2011/12 bekanntgaben, stand wieder einmal keine Musical-Inszenierung auf dem Spielplan, dafür aber jede Menge „oller Opern- und Operetten-Kamellen“ von „Tosca“ über „La Traviata“ und „Rigoletto“ bis hin zur „Csardasfürstin“. Da wird man einfach den Verdacht nicht los, dass die Ignoranz gegenüber dem Musical eine „Erbkrankheit“ der Kölner Intendanten ist, die seit Jahrzehnten das Publikums-Interesse an diesem Genre missachten. Um so erfreulicher, dass die Junge Kammer-oper Köln ihre 5. Spielzeit mit „My fair Lady“ - jenem Musical um den Sprachforscher Professor Higgins, der das Blumenmädchen Elisa zur Lady macht - eingeläutet hat. Auch nicht gerade innovativ denkt man im ersten Augenblick. Doch die künstlerische Herausforderung bestand darin, dass für den Broadway konzipierte Stück den personellen und (Bühnen-)technischen Möglichkeiten der Kammeroper anzupassen. Und das haben die musikalische Leiterin Inga Hilsberg, Regisseur Lajos Wenzel und Choreographin Robina Steyer mit Bravour gelöst. Inga Hilsberg - die nur bei der durch die deutschsprachigen Länder tingelnden TourneeVariante auf die Kölner Symphoniker zurückgreifen kann – übernimmt gemeinsam mit Daniel Kirchmann die musikalische Begleitung am Flügel, um so den „Ohrwürmern“ von Frederick Loewe (Musik) und Alan J. Lerner (Text) die nötige Dynamik zu verleihen. Das „Bemerkenswert, wie perfekte Zusammenspiel ihrer vier Hände Regisseur Lajos Wenzel findet sein kongeniales Pendant beim Endie Enge des Raumes nutzt“ semble, das den Widrigkeiten der schmalen Bühne seine Spielfreude entgegensetzt. Geschickt hat Robina Steyer ihre Choreographien vertikal ausgerichtet, was die achtköpfige Ballettruppe zu schmissigen Tänzen nutzt. Vor allem im Gefolge von Elisas Vater, den Robert Neal Foster mit viel humoriger Schlitzäugigkeit ausstattet, obwohl er für die Rolle eigentlich zu jung ist. Das aber ist wohl dem Konzept der „Kammeroper“ – Talenten eine Chance zu geben – geschuldet. Genau auf den Punkt besetzt ist Maria Graef in einer Doppelrolle als Higgins Mutter und Kneipenwirtin: wunderbar komisch. Sean Breen als Elisas Verehrer ist dagegen ein wenig unterbeschäftigt und darf nur mit dem Hit „in der Straße, mein Schatz, wo du wohnst“ glänzen. Bemerkenswert, wie Regisseur Lajos Wenzel die Enge des Raumes nutzt, um den Kammerspiel-Ton der Shaw´schen „Pygmalion“-Vorlage herauszuarbeiten. So sind die Szenen zwischen den Sprachforschern Prof. Higgins und Oberst Pickering, die dem Blumenmädchen Elisa Doolittle „Hochdeutsch“ beibringen, dann auch die Glanzstücke seiner Inszenierung. Wolf H. Latzel setzt dabei der von der üblichen Higgins-Interpretation gewohnten Sprechgesang seinen wohltuend, sanften Bariton entgegen. Bernhard Dübe hat die von ihm schon über 750mal gespielte Pickering-Rolle geradezu verinnerlicht, ohne sie zur Routine verkommen zu lassen. Und Maria Mucha weiß als Elisa ihren Sopran so angenehm zurückzunehmen, dass er genau den Musical-Ton der Rolf-Ruediger Hamacher ist Mediendozent, Songs trifft. Da möchte man doch gerne jener von EliJournalist und im Vorsa Besungene sein: „an den ich mich sanft aber dauern stand des FilmkritikerVerbandes lehn - wäre det nich wundascheen...“ Foto: Thomas Heiser „My Fair Lady“ an der Jungen Kammeroper Köln ren seit 15 Jah n Oper“ ische n e i l a t i r e d „Freunde im GREND · Westfalenstr. 311 · 45276 Essen Kartenvorverkauf + Vorbestellung (Di, Do, Fr 16 - 19 Uhr) Telefon 0201 - 851 32 - 30 Karten sind auch an allen CTS-Vorverkaufsstellen erhältlich www.theater-freudenhaus.de *QYCTF2CPVGTHQT4QEM[*QTTQT%QORCP[.KOKVGFCPF/KEJCGN$TGPPGTHQT$$2TQOQVKQP)OD*RTGUGPV $#&$+<#44'#0&$.11&;$4+..+#06 www 75 *+)*.+)*6# ! 5 #5 & 0 6' 9'6 ∙-QP\GTVJCWU&QTVOWPF ∙-ÒPKI2KNUGPGT#TGPC1DGTJCWUGP a/KPCWUFGO(GUVPGV\ 6+%-'65/QDKNHWPMOCZa/KP „My Fair Lady“ I R: Lajos Wenzel I Junge Kammeroper Köln-Rodenkirchen 25.,28.,29.9., je 19.30 Uhr I 0221 24 36 12 21 YYYTQEM[JQTTQTUJQYFG culture club culture club Konzert Theater Eleftheria Arvanitaki Budenzauber – Freunde der deutschen Wurst In Griechenland und selbst dem angrenzendem MittelmeerRaum ist Eleftheria Arvanitaki ein wahrer Super-Star: Innerhalb von Stunden sind auch die größten Arenen ausverkauft, und ihre Neuveröffentlichungen kommen einem nationalen Kulturereignis gleich. Arvanitaki gilt als Hauptfigur des „Rembetiko“ – einer Musikform, die oft als griechischer Blues bezeichnet wird und in den 20er Jahren vornehmlich in den Hafenvierteln der großen Städte aus traditioneller Volksmusik hervorging. In dieser Komödie geht es im wörtlichen wie übertragenen Sinne um die Wurst! Eine traditionsreiche Imbiss-Bude im Herzen des Reviers soll einem neuen Bauprojekt weichen: Die Ruhrgebietler erwartet ein künstlicher See samt Shopping-Tempel, überdimensionierter Parkgarage und DiscounterZentrum. Das kann sich die Buden-Stammkundschaft natürlich nicht gefallen lassen, und so nehmen die Dinge ihren Lauf… Eine magische Wurstsoße, verliebte Beamte und amerikanische „Heuschrecken“ sorgen dabei für Spannung und einen (politisch nicht immer ganz korrekten) Lachmuskelkater. Konzerthaus Dortmund Brückstr. 21, Dortmund Karten: 0231 22 69 62 00 I www.konzerthaus-dortmund.de Theater Freudenhaus im GREND Westfalenstraße 311, Essen-Steele Karten: 0201 85 132 30 www.theater-freudenhaus.de trailer verlost 3x2 Karten. E-Mail bis 29.09. an verlosung@trailer-ruhr.de, Kennwort: Rembetiko trailer verlost 3x2 Karten, E-Mail bis 08.09. an verlosung@trailer-ruhr.de, Kennwort: Budenzauber Fr, 7.10., 20 Uhr So, 11.9., 19.00 Uhr www 22 www Komikzentrum Ruhr Landet in seinem Program „FATIHunser“ im Himmel: der Kabarettist Fatih Cevikkollu Glamouröse Ausflüge ins Jenseits Diverse Bühnen im Revier bieten irdische Läuterungen Sie haben sich gesucht und gefunden - auf der Bühne und im Leben: der neuseeländische Comedian John Hudson, von dessen Improvisations-Talent ganze Heerscharen von Möchtegern-Spontis im Fernsehen profitiert haben und die mit allen kabarettistischen Wassern gewaschene Sonja Kling (Münchner Lach- und Schießgesellschaft). Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich das Paar ein Programm auf die ansehnlichen Körper geschneidert hat: „Glamour Impro Gaga“ klingt ein bisschen albern, ist es aber nicht. Weil die beiden wissen, was sie tun – und sagen. Ob beim Brötchen backen oder in gepflegtem Denglisch: Hudson/Kling sind unwiderstehliche Erfinder skurriler Bühnenfiguren wie wasserscheue Puffbesitzer oder an Shakespeare geschulte Hobby-Köche. Wer mit eigenen Augen sehen will, dass die Bühne mehr zu bieten hat als abgestandene Witze in der Glotze – im Duisburger Hundertmeister ist er richtig (25.9.) Genau diesen Beweis hat seinerzeit auch Fatih Cevikkollu angetreten, nachdem er in 63 Folgen von „Alles Atze“ den Sidekick Murat mimen durfte – und mit Recht stolz darauf war, dass er die Drehbuchschreiber davon überzeugen konnte, in der Rolle des Büdchenbesitzers besser Deutsch zu sprechen als alle anderen Nasen um ihn herum. Das erklärte Anliegen des 1972 in einem katholischen Krankenhaus zu Köln geborenen Kabarettisten ist es denn auch, als eine Art „Selbstverständlichkeitsbeauftragter“ derjenigen aufzutreten, deren Familien irgendwann nach Deutschland eingewandert sind – und von den Fernsehschaffenden gerne als radebrechende Ausländer besetzt werden – in seinem Fall vorzugsweise mit einem Döner in der Hand und einem Schnurrbart im Gesicht. Drei Solo-Programme hat der sympathische Kabarettist inzwischen gestemmt, zahlreiche Preise eingeheimst und ein Buch mit dem Titel „Der Moslem-TÜV“ geschrieben. In „FATIHunser - Erlösung leicht gemacht „ schlägt er (16.9. im Oberhausener Ebertbad und 24.9. in der Gelsenkirchener Kaue) den Bogen vom irdischen Jammertal bis hin zur Ewigkeit – und fragt sich, was passiert, wenn man im letzten aller Wartezimmer angekommen ist – beim lieben Gott nämlich, der sich vermutlich kaputt lacht über all die frommen Schäfchen, die seinen angeblichen Anweisungen auf Erden gefolgt sind. „Was ist besser: ein Leben voller Ekstase oder ein Dasein ohne jeden Reiz, damit es später mal besser wird?“ fragt sich Cevikkollu – und hat darauf eine Reihe von Antworten parat. www Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Mit den drei Mannsbildern von „Nordkvark“ gibt es in der Wittener WerkStadt (18.9.) d a s komödiantische Kleinod zu begutachten, nämlich die drei liebeskranken Lappländer Aki, Mika und Maki, die sich wortlos verstehen. Entscheidend für die funktionierende Kommunikation sind traurige Lieder, mit denen sie ihre Sehnsucht nach weiblicher Ergänzung artikulieren, während die Nächte lang und die Frauen rar sind – nur Fische gibt es offenbar genug. Er ist einer der quirligsten Kabarettistin in deutschen Landen – oder sollte man Comedian sagen – egal: Philipp Weber wirbelt die Szene ganz schön durcheinander. In seinem „Honeymoon Massaker“ zerdeppert er nicht nur jede Menge angestaubtes Porzellan aus den Vorhöllen der Einfamilienreihenhaus-Idyllen, er setzt bei seinen Zuschauern auch die dringend notwendige Lust an einer geistigen Erneuerung frei. Nach dem Motto: „Bin ich wirklich bereit meiner sozialen Reproduktionspflicht nachzukommen?“ stellt er die wesentlichen Fragen rund um den bedrohten Fortbestand der Nation. Also: wer den pfiffigen Gedankengängen des in Amorbach aufgewachsenen Mittdreißigers folgen will, sollte sich am 2.9. ins Cabaret Queue in Dortmund-Hörde begeben – er wird es nicht bereuen. Schwört hoch und heilig Ihre stets über Tage lebende ANNE NÜME 24 www www Theater demnächst In Moers nimmt man sich Thomas Manns Wälzer „Der Zauberberg“ vor, Foto: STM Sand wegfegen, Rosen entblättern Die neue Spielzeit im Ruhrgebiet rückt in Vorverkaufsnähe No-Go Area Landschaftspark Duisburg-Nord. Eine junge Frau, in der Hand einen Fächer, wartet am Bahnhof – wie schon gestern, wie vorgestern, wie jeden Tag, seit Jahren. Es ist Hanako, eine Geisha, die das Warten personalisiert und zum Gegenstand des Seins erkoren hat. Dafür wird sie zur Wahnsinnigen stilisiert. Das Musiktheater „Hanjo“ von Toshio Hosokawa in der Regie von Calixto Beito ist die letzte große Premiere bei der diesjährigen Ruhrtriennale. Kurz danach beginnen sechs Mönchen aus Bhutan ein großes Sandmandala aus der Drugpa-Kagyü-Schule zu streuen. Die Ruhrtriennale geht bis Oktober, ein Grund mit, dass das Bochumer Theater erst im Oktober seinen Spielbetrieb aufnimmt, Mitte September wird auf dem Theatervorplatz erst einmal getrödelt, gehandelt, gefeilscht, eine Woche später lockt das Spielzeiteröffnungsfest. Noch vor der rituellen Zerstörung des Burmesischen Mandalas bei der Ruhrtriennale wagen sich drei Ruhrgebiets-Theater mit klassischen Stücken an die dezimierte Zuschauerfront. Zum Beispiel mit Lessings Emilia Galotti (Theater Oberhausen) oder Ibsens Nora (Schauspiel Dortmund), das in der letzten Spielzeit bereits am Theater Oberhausen mit Erfolg (Berliner Theatertreffen) von Herbert Fritsch inszeniert wurde. Beide Frauen hinterlassen den Wahnsinn der Gefühle, die eine hat sich durch das Durchschneiden der Marionettenfäden befreit, die andere durch den Tod. Was uns das für die heutige Zeit sagen will, kann nur durch einen Theaterbesuch geklärt werden. Den wahren Wahnsinn der nächsten Zeit aber liefert das Schlosstheater in Moers. Eintausend Buchseiten komprimiert in eine einzige Inszenierung und das auf der kleinen Bühne. Es geht um den „Zauberberg“ von Thomas Mann, der seit seiner Erscheinung 1924 ständig durch die Bestsellerlisten selbst ernannter Literaturkritiker geistert, schön verschwurbelt ist und zäh zu lesen, aber voller intellektueller Schattenkämpfe, auf dem Niveau der 1920er Jahre versteht sich. Eine eigene Theater-Fassung liefert Regisseurin Rabea Kiel für den Edelschinken in Moers gleich mit. Und so können die Besucher etwas erfahren von der unerfüllten Liebe Hans Castorps zu Madame Chauchat, die er während seines Aufenthalts im Lungensanatorium kennen lernt. Eigentlich will er dort nur seinen Vetter Joachim besuchen. Doch Castorp bleibt sieben Jahre, angezogen von der surrealen Atmosphäre und gefesselt von einem feuchten Punkt auf seiner Lunge, fasziniert von den philosophischen Schattenkämpfen zwischen Settembrini und Naphta. Wie heißt es trocken in der Ankündigung: Im Zentrum von Thomas Manns Jahrhundertroman steht der Kampf um die „deutsche Seele“ – in Castorp spiegelt sich die Zerrissenheit Manns selbst, die Orientierungslosigkeit einer Generation zwischen Fin de siècle, erstem Weltkrieg, Weimarer Republik, Nationalsozialismus. Ein Mensch erforscht eine erlahmte Gesellschaft im Angesicht des Todes. Ist Entwicklung (noch) möglich? Das fragen sich die Menschen immer noch. PETER ORTMANN „Der Zauberberg“ nach einem Roman von Thomas Mann R: Rabea Kiel Schlosstheater Moers I Fr 9.9. 19:30 Uhr (P) So 11.9. 18 Uhr, Do 15.9. 19.30 Uhr, Fr 30.9. 19.30 Uhr 02841 883 41 10 27 www Theater-Kalender Ruhr Die Theater-Übersicht der Region STADTTHEATER SCHAUSPIELHAUS BOCHUM 0234 33 33 55 55 Herausforderung Zukunft Mi. 21.8. 19.30 Das Spielzeiteröffnungsfest Sa. 24.9. 16.00 THEATER DORTMUND 0231 502 72 22 Theaternacht – Willkommen Sa. 10.9. 17.00 Theaternacht – Öffentliche Probe zu „Nora oder Ein Puppenheim“ Sa. 10.9. 19.00 Theaternacht – Film: „Der Mond, ach dieser Mond…“ Sa. 10.9. 20.15 Waisen So. 11.9. 19.30, Sa. 17.9. 19.30, So. 25.9. 19.30 Theaterreal Mo. 19.9. 11.00 Green Frankenstein und Sexmonster! Sa. 24.9. 20.00 Nora oder Ein Puppenheim Fr. 30.09. 19.30 THEATER ESSEN (GRILLO) 0201 812 22 00 Theaterfest Sa. 24.9. 15.00 THEATER HAGEN 02331 207 32 18 Die Fledermaus Sa. 3.9. 19.30, So. 11.9. 15.00, Fr. 16.9. 19.30, Di. 27.9. 19.30, Fr. 30.9. 19.30 Der Barbier von Sevilla Fr. 9.9. 19.30, So. 18.9. 15.00 It’s Tea Time Do. 15.9. 17.00 Frühlings Erwachen Do. 15.9. 19.30 La Bohème Sa. 24.9. 19.30, Mi. 28.9. 19.30 Das Lied von der Erde So. 25.9. 18.00 THEATER KREFELD 02151 80 51 25 Im Reich der Träume Sa. 17.9. 19.30 Faust 1 & 2 (Soiree) So. 25.9. 18.00 Faust 1 & 2 Fr. 30.9. 19.00 SCHLOSSTHEATER MOERS 02841 20 17 31 Der Zauberberg (Matinee) So. 4.9. 11.30 Der Zauberberg Fr. 9.9. 19.30, So. 11.9. 18.00, Do. 15.9. 19.30, Fr. 30.9. 19.30 Schloss- und Theaterfest So. 11.9. 11.00 Odysseus, die Frauen – und das Meer Sa. 17.9. 19.30 Der Geizige Fr. 23.9. 19.30, Sa. 24.9. 19.30 Reineke Fuchs So. 25.9. 18.00 THEATER AN DER RUHR MÜLHEIM 0208 96 09 60 Was ihr wollt (Matinee) So. 18.9. 12.00 Was ihr wollt Mi. 21.9. 19.30, Do. 22.9. 19.30, Sa. 24.9. 19.30 Zukunft durch Teilhabe Fr. 23.9. 18.00 Peter Pan & The Lost Boys Mo. 26.9. 11.00 und 18.00 Traumnovelle Mi. 28.9. 18.00 Fräulein Lindbloms fantastische Musik-Box Do. 29.9. 10.00 und 11.15 Der kleine Prinz Fr. 30.9. 19.30 THEATER OBERHAUSEN 0208 857 81 84 Emilia Galotti (Großes Haus) Fr. 23.9., Sa. 24.9., Mi. 28.9. = Premiere = trailer Empfehlung + = trailer Theaterkritik WESTFÄLISCHES LANDESTHEATER CASTROP-RAUXEL 02305 97 80 20 Generatiös: Gefeuert Sa. 17.9. 20.00, So. 18.9. 18.00 Andorra Do. 22.9. 9.00 Ein Herz und eine Seele Fr. 30.9. 20.00 MUSIKTHEATER AALTO MUSIKTHEATER ESSEN 0201 812 22 00 Der Liebestrank Mi. 14.9. 19.30, Fr. 16.9. 19.30, Mi. 21.9. 19.30 Madama Butterfly Sa. 17.9. 19.00 Carmen/Boléro Sa. 24.9. 19.00 Hercules So. 25.9. 18.00 DEUTSCHE OPER AM RHEIN DUISBURG 01805 44 70 Opernwerkstatt: Dialogues des Carmélites Fr. 23.9. 18.00 Spielzeitaustakt in Duisburg So. 25.9. 13.00 Dialogues des Carmélites Fr. 30.9. 19.30 VARIETÉ + BOULEVARD THEATER IM RATHAUS ESSEN 0201 245 55 55 Ein Fall für Pater Brown So. 4.9. 18.00, Mo. 5.9. 19.30, Di. 6.9. 19.30, Mi. 7.9. 19.30, Do. 8.9. 19.30 Fr. 9.9. 19.30, Sa. 10.9. 16.00 und 19.30, So. 11.9. 19.00 Ganze Kerle Do. 15.9. 19.30, Fr. 16.9. 19.30, Sa. 17.9. 16.00, Di. 20.9. 19.30, Mi. 21.9. 19.30, Do. 22.9. 19.30, Fr. 23.9. 19.30, Sa. 24.9. 16.00 und 19.30, So. 25.9. 19.00, Mo. 26.9. 19.30, Di. 27.9. 19.30, Mi. 28.9. 19.30, Do. 29.9. 19.30, Fr. 30.9. 19.30 Tag der Offenen Tür So. 18.9. 12.00 FREIE SZENE CONSOL THEATER GELSENKIRCHEN 0209 988 22 82 Die wilden Schwäne So. 18.9. 16.15, Di. 27.9. 10.30, Mi. 28.9. 10.30 Ká síra díya Di. 20.9. 10.30, Mi. 21.9. 10.30, So. 25.9. 15.00 KOnzertMEDitation Di. 20.9. 20.00 Katharina Maschmeyer Quartett Do. 22.9. 20.00 Der König vom Borsigplatz Fr. 23.9. 20.00 Impro-Show Sa. 24.9. 20.00 Lisas Erzählzeit Do. 29.9. 14.30 EBERTBAD OBERHAUSEN 0208 205 40 24 Carmela De Feo ist La Signora Do. 8.9. 20.00 Wolfgang Trepper Sa. 10.9. 20.00 Thekentratsch Do. 15.9. 20.00 Faith Cevikkolluh Fr. 16.9. 20.00 Springmaus Sa. 17.9. 20.00 Klassikmatinee So 18.9. 11.00 A Capella Mo. 19.9. 20.00 Horst Schroth Do. 22.9. 20.00 Gerd Dudenhöffer spielt Heinz Becker Di. 27.9. 20.00 Stephan Sulke Mi. 28.9. 20.00 Matthias Reuter Do. 29.9. 20.00 Eines der vielen Highlights bei der diesjährigen Dortmunder Theaternacht am 10. September: die öffentliche Probe der Dortmunder Ballett-Compagnie. Zu sehen ist dort auch die Neuproduktion „Fantasia“ des Ballett-Direktors Xin Peng Wang, Foto: Bettina Stöß FLOTTMANN-HALLEN HERNE 02323 16 29 53 James Bond – Der Blutige Fart Gottes Sa. 10.9. 20.00, So. 11.9. 19.00 Comedy-Abend (im Kulturzentrum Herne) Fr. 16.9. 20.00 Drei Affen Sa. 17.9. 20.00 Konrad Beikircher Mi. 21.9. 20.00 Slam U20 vs. Ü50 – Das Generationen-Finale Sa. 24.9. 20.00 PRINZ REGENT THEATER BOCHUM 0234 77 11 17 Buddenbrooks Fr. 16.9. 19.30, Sa. 17.9. 19.30, So. 18.9. 19.00, Mo. 19.9. 19.30 Der eingebildete Kranke Do. 22.9. 20.00, Fr. 23.9. 20.00, Sa. 24.9. 20.00 Iphigenie auf Tauris Do. 29.9. 20.00, Fr. 30.9. 20.00 RUHRHOCHDEUTSCH (SPIEGELZELT AM DORTMUNDER U) 0231 14 25 25, Beginn 20.00 Günna und seine Hartz-Vegas-Segers-Band Do. 1.9., Do. 8.9., Do. 22.9., Do. 29.9. Jochen Malmsheimer Fr. 2.9., Sa. 3.9., So. 2.9. Immer montags – Helmut Sanftenschneider Mo. 5.9. Der Bauch lacht mit – F. Mense-Moritz Di. 6.9., Di. 13.9. Lioba Albus – Herzdame sticht Mi. 7.9., Mi. 14.9., Mi. 21.9., Mi. 28.9. Carrington & Brown Sa. 10.9. Tina Teubner So. 11.9. Immer montags – Henning Schmidtke Mo. 12.9. Immer montags – Horst Fyrguth Mo. 19.9. Der Bauch lacht mit – Siegfried & Roy Di. 20.9., Di. 27.9. Dr. Stratmann – Kunstfehler Fr. 23.9., Sa. 24.9. Tanzpalast im Spiegelzelt So. 25.9. 14.00 Aus Kindern werden Leute,… So. 25.9. Immer montags – Martin Herrmann Mo. 26.9. Die Bullemänner – Ikuh Fr. 30.9. www RUHRTRIENNALE 0201 887 20 24 Les Chaises – Die Stühle (Gebläsehalle, Landschaftspark Duisburg-Nord) Do. 1.9. 20.00, Fr. 2.9. 20.00, Sa. 3.9. 20.00 Macbeth (Maschinenhalle Zweckel, Gladbeck) Fr. 2.9. 20.00, Sa. 3.9. 20.00, So. 4.9. 20.00, Do. 8.9. 20.00, Fr. 9.9. 20.00, Da. 10.9. 20.00, Fr. 16.9. 20.00, Sa. 17.9. 20.00 Tristan und Isolde (Jahrhunderthalle Bochum) Sa. 3.9. 18.30, Fr. 9.9. 18.30, Di. 13.9. 18.30, Sa. 17.9. 18.30, Di. 20.9. 18.30 28 36 Brilliant Corners (Pact Zollverein, Essen) Do. 8.9. 20.00, Fr. 9.9. 20.00, Sa. 10.9. 20.00 Das letzte Band (Maschinenhaus, Essen) Sa. 17.9. 20.00, So. 18.9. 17.00 und 20.00 Das Schloss (Turbinenhalle an der Jahrhunderthalle Bochum) Fr. 23.9. 20.00, Sa. 24.9. 20.00, So. 25.9. 20.00, Di. 27.9. 20.00, Mi. 28.9. 20.00, Do. 29.9. 20.00, Fr. 30.9. 20.00 Hanjo (Gebläsehalle, Landschaftspark Duisburg-Nord) Do. 29.9. 20.00 STRATMANNS THEATER ESSEN 0201 820 40 60 Caveman Fr. 2.9. 20.00, Sa. 3.9. 20.00 Mach blau – Warm up Show - Vorpremiere Do. 8.9. 20.00 Doktor Stratmann Sa. 10.9. 16.00, So. 11.9. 11.00, Mi. 14.9. 20.00, Do. 15.9. 20.00 Die 39 Stufen Sa. 10.9. 20.00, So. 11.9. 19.00, Fr. 30.9. 20.00 Mädelsabend Fr. 23.9. 20.00, Sa. 24.9. 20.00, So. 25.9. 19.00 THEATER FLETCH BIZZEL DORTMUND 0231 14 25 25 Emscherblut – „Mittwoch-Special-Improshow“ Mi. 7.9. 20.30 Bianka Lammert – „Das Kunstseidene Mädchen“ Fr. 9.9. 20.30, Sa. 17.9. 20.30, Fr. 30.9. 20.30 10. Dortmunder DEW21 Theaternacht Sa. 10.9. 15.00 Ensemble Fletch Bizzel – „Monsieur Ibrahim und die Bluen des Koran“ Fr. 16.9. 20.30 Ensemble Fletch Bizzel – „Mit brennender Geduld“ oder „Nerudas Postmann“ Do. 22.9. und Fr. 23.9. 20.00 THEATER IM DEPOT DORTMUND 0231 982 23 36 Herzfraß Hirn Fr. 9.9. 20.00, Sa. 10.9. 20.00 Papusha Fr. 16.9. 20.00, Sa. 17.9. 20.00, Fr. 23.9. 20.00, Sa. 24.9. 20.00 Radio Depot So. 25.9. 18.00 THEATER ROTTSTR5 BOCHUM 0163 761 50 71 Werther So. 4.9. 19.30 Der Großinquisitor Do. 8.9. 19.30 Traum eines lächerlichen Menschen Do. 8.9. 21.00 Troja Triathlon: Nach Troja I (Fieber), Nach Troja II (Insel), Nach Troja III (Heimkehr) So. 11.9. 19.30 + Zoo Story Do. 15.9. 19.30, So. 18.9. 19.30 Nibelungen #7: Hagens Klage Sa. 17.9. 19.30, Fr. 23.9. 19.30 Die Rückkehr Do. 22.9. 19.30, Do. 29.9. 19.30 Fräulein Julie Sa. 24.9. 19.30 Nibelungen #4: Brunhild So. 25.9. 19.30 t: sentier prä Highlights September 1 Fr. 02.09. 1 Cabaret Queue Philipp Weber Sa.10.09. 2 Cabaret Queue Hubert Burghardt www.CabaretQueue.de Hermannstr. 74 · Dortmund-Hörde Di.-Sa.18°°-1°° Tickets + Gastro 0231-413146 „Honeymoon Massaker“ 5 „Sex in der Krise“ zur 10.Dortmunder Theaternacht 2 Anka Zink Cabaret Queue Ausbilder Schmidt Fr. 07.10. Cabaret Queue Jens Neutag Sa. 08.10. Di. 22.11. Cabaret Queue 'HU)UDXHQÁVWHUHU„Keine Frau sucht Bauer“ Rohrmeisterei Schwerte Sa. 01.10. 2 3 3 Cabaret Queue Fr. 30.09. 4 Basta „Sexy ist was anderes“ 5 Neu: „…schön scharf“ CabaretQueue jeden Mittwoch CabaretQueue 4 jeden Donnerstag CabaretQueue 7 7 8 8 WDR 2 Lachen Live - Mehr! jeden Dienstag 6 „Mach blau Tour 2011/12“ Do. 22.03.2012 Rohrmeisterei Schwerte 4 6 Neu: “Happy Birthday du Lusche“ Neues Programm mit Sarko de Funes, Angie u.v.a. Tango Salon mit DJ Topolino Dinner Attacke Italienisches Buffet mit Überraschungskünstler Thirty Wonderland die Ü-30-Party www 9 9 Preview am Donnerstag 8. September, 19:30 Uhr im Kino im U in Dortmund. Sandra Hüller und Jan Schomburg sind zu Gast. www.mindeffects.de www Sandra Hüller Felix Knopp Georg Friedrich FESTIVAL DES DEUTSCHEN FILMS FILMKUNSTPREIS 2011 BESONDERE EINZELLEISTUNG DARSTELLER: SANDRA HÜLLER Ein Film von JAN SCHOMBURG ueber-uns-das-all.realfictionfilme.de HAUPTPREIS FLIEGENDER OCHSE FILMKUNSTFEST SCHWERIN 2011 FESTIVAL DES DEUTSCHEN FILMS FILMKUNSTPREIS 2011 BESONDERE EINZELLEISTUNG BUCH: JAN SCHOMBURG Ab dem 15.09. im Casablanca, Bochum und im Sweetsixteen, Dortmund! www.trailer-ruhr.de www.facebook.com/trailerruhr www MEIN BESTER FEIND www.meinbesterfeind.de ab 14.7. im Kino EIN FILM VON WOLFGANG MURNBERGER www Film-ABC Vorspann Mit vertauschten Rollen: Victor (M. Bleibtreu) und Rudi (G. Fridrich), Kritik: „Mein bester Feind“, S. 47 KULTUR.KINO.RUHR. September 2011 FILMKRITIK-ÜBERSICHT FILMSTART-TERMINE 25.8. 1.9. 8.9. 15.9. 22.9. 37 ATTACK THE BLOCK X 41 CAIRO TIME 49 COLOMBIANA 49 CONAN 37 COWBOYS UND ALIENS 49 DIE DREI MUSKETIERE 44 EASY MONEY 47 FINAL DESTINATION 5 49 FREUNDE MIT GEWISSEN VORZÜGEN X 38 GERHARD RICHTER PAINTING X 48 GIANNI UND DIE FRAUEN X 39 GLEE ON TOUR X 42 THE GUARD X 34 LE HAVRE 40 HELL X 44 INFINITE SPACE X 49 KILL THE BOSS 37 LOLLIPOP MONSTER 47 MÄNNERHERZEN 2 47 MEIN BESTER FEIND 36 MEIN STÜCK VOM KUCHEN 43 EINE OFFENE RECHNUNG 39 PERRY RHODAN X 49 PRINZESSIN LILLIFEE UND DAS KLEINE EINHORN X 49 PROM 41 ROLLER GIRL 43 SHANGHAI 44 TASTE THE WASTE 43 TOURNÉE 44 TRANSFER 38 ÜBER UNS DAS ALL 44 VERGISS DEIN ENDE 37 WESTWIND X 49 WHAT A MAN X 39 WHORES GLORY X X X X X X Nur Neuware! Original, Kind seiner Zeit, Klassiker: Hartmut Ernst Remakes im Kino Wer sich gerade „Planet der Affen – Prevolution“ zu Gemüte führt, betrachtet nicht nur einen inhaltlich und tricktechnisch gelungenen ScienceFiction-Streifen. Die Geschichte des Affen Caesar, der zum Spartacus der Affenhorden erwächst, ist schon längst „Adaption als Inspiration“ Filmgeschichte. Remakes wie dieser stehen uns bis Jahresende noch mannigfaltig bevor: Neuverfilmungen wie „The Thing“, „Footloose“, “Straw Dogs – Wer Gewalt sät”, “Fright Night” und “Krieg der Knöpfe” reihen sich da an Neuadaptionen der „Drei Musketiere“ (Start: 1.9.), dem noch „Conan“ (8.9.) und “Tom Sawyer” folgen. X X X X X Genreübergreifend kehren mittlerweile allmonatlich Helden auf die Leinwand zurück, die der Zuschauer von eben dort bereits kennt. Oder seine Eltern. Oder Großeltern. Der Grund dafür sind nicht die Verschleißerscheinungen des alten Filmmaterials. Wie es scheint, braucht jede Generation ihren eigenen Spiderman, ihren D’Artagnan, die eigene Titanic. Der Kinofilm ist zur Kurzlebigkeit verdammt, denn die Masse verlangt im Kinosaal grundsätzlich Neuware. Letztere darf aber durchaus auf Bewährtes zurückgreifen. So erfahren alte Stoffe und Ideen regelmäßig neue Würdigung. Oder Entwürdigung. Denn so vertaubt Klassiker sein mögen, sie haben Maßstäbe gesetzt. Und die lassen sich nicht neu definieren, indem man das Ganze einfach nochmal in 3D dreht. Dennoch kann schon allein der technische Fortschritt ein Remake legitimieren – wenn nicht gar grundsätzlich danach verlangen. Wer King Kong noch einmal fallen oder die Titanic noch einmal sinken sehen möchte, verlangt im digitalen Zeitalter nach zeitgemäßer Illusion. Es geht noch profaner: In Amerika ist es üblich, fremdsprachige Erfolge komplett neu zu verfilmen, weil das US-Publikum (angeblich) Untertitelung und Synchronisation ablehnt. Aktuelles Beispiel: Die US-Adaption der Stieg-Larsson-Trilogie. Wirklich spannend aber wird es erst, wenn Filmemacher dem Original aus kreativer Leidenschaft heraus neue Facetten entlocken, indem sie Stil und Ästhetik variieren, aktuelle Zeitbezüge herstellen oder Akzente verlagern, wie erst kürzlich Im Sang-soo mit „Das Hausmädchen“. Die Adaption als Inspiration. So sehr in uns der Wunsch nach Wiederaufführungen zehren mag - Filme sind immer Kinder ihrer Zeit. Viele von ihnen fordern die Neuinterpretation, wollen, anders als Grimms Märchen, neu erzählt werden – und erzählen dabei auch Grimms Märchen immer wieder neu. Oder man macht das bewusst nicht und filmt Hitchcocks „Psycho“ Einstellung für Einstellung nach, so wie Gus Van Sants Konzeptfilm von 1998. Alles ist möglich, nicht alles ist nötig. Natürlich gibt es Filme, die sind nicht wieder verfilmbar. Von Chaplins „Der große Diktator“ bis hin zu Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ – ein Remake scheint unvorstellbar. Andererseits: Was ist im Kino schon unvorstellbar? www X X X X X X X X X X X X Wertung unter den Filmkritiken: 1( ) bis 6 ( ) 6 Punkte = Höchstwertung Hartmut Ernst Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet 33 www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino Film des Monats André Wilms und Blondin Miguel in Kaurismäkis Kulisse Ein frommer Wunsch „Le Havre“ von Aki Kaurismäki Ein Schuhputzer bietet einem flüchtenden Migranten Zuflucht vor der Polizei. Der Junge wollte zu seiner Mutter nach England – nun steckt er in Nordfrankreich fest. C Sozialrealistisches Märchen Man kann das Autorenkino in zwei Gruppen einteilen: Jene Regisseure wie Stanley Kubrick oder Lars von Trier, die sich mit jedem Film neu erfinden und von Film zu Film neue Themen, einen neuen visuellen Stil, neue Technik, insgesamt eine neue Produktionsart erarbeiten. Und dann gibt es die Filmemacher, die anstatt virtuos auf der maximalen Klaviatur der Ausdrucksmöglichkeiten zu spielen ihre ganz eigene Handschrift immer mehr verfeinern. Der Spanier Pedro Almodóvar ist ein solcher Auteur, der Österreicher Ulrich Seidl und der Finne Aki Kaurismäki haben ebenfalls ihre filmischen Mittel sehr genau abgesteckt und arbeiten seit Jahren an deren Verfeinerung. Kaurismäki hat nach nur 16 Kinofilmen in knapp 30 Jahren seinen Stil derart minutiös definiert, dass man inzwischen seine Handschrift an jeder einzelnen Einstellung ablesen kann. Die Schauspieler, die Dialoge, die lakonische Stimmung, das Setting – all das ist 100 Prozent Kaurismäki. Solidarität in der Stammkneipe Marcel Marx (André Wilms, „La vie de Bohème“) war einst ein Schriftsteller in Paris, doch der Durchbruch gelang ihm nie. Inzwischen ist er als Schuhputzer in der französischen Hafenstadt Le Havre gelandet. Zusammen mit seiner Frau Arletti (Kati Outinen) lebt er ein bescheidenes Leben. In ihrem ärmlichen Stadtteil wohnen sie in einem kleinen Häuschen. Abends kocht Arletti ein schlichtes Mahl, danach geht Marcel gerne in seiner Stammkneipe noch einen Trinken. Er ist wortkarg, verbittert ist er aber nicht. Eines Tages findet er bei seiner Rückkehr Arletti auf dem Boden gekrümmt. Sie muss ins Krankenhaus, wo man nach einer Untersuchung Krebs in fortgeschrittenem Stadium diagnostiziert. Als er wieder wie gewohnt auf seine Schuhputz-Tour geht, und seine Mittagspause am Hafen abhält, entdeckt er den von der Polizei gesuchten Jungen Idrissa (Blondin Miguel) und überlässt ihm sein Mittagessen. Abends findet er Idrissa in seinem Schuppen. Von nun an versteckt er den Jungen, und das ganze Viertel hilft mit, ihn vor dem Zugriff der Polizei zu schützen. Die hatte ihn mit anderen Migranten in einem Container am Hafen entdeckt. Marcel macht sich nun auf, Angehörige von Idrissa ausfindig zu machen. Dafür besucht er Migranten in Le Havre und sucht sogar ein Asyllager auf. Derweil ist ihm längst Kommissar Monet auf der Spur. Und wie man Idrissa zu seiner Mutter nach London bringen soll, ist auch alles andere als klar. Aus der Zeit gefallen, aber brandaktuell „Le Havre“ ist detailreiches Zitatenkino. Kaurismäki erweist mit seinem Film seinen Vorbildern auf vielfältigste Art die Ehre. Marcel Carnés „Hafen im Nebel“ steckt das Szenario ab, Jacques Tatis humanistischer Konservawww.trailer-ruhr.de/heute-im-kino tivismus prägt Kaurismäkis Liebe zu den kleinen Leuten – mit dem märchenhaften Grundton setzt er sich wie Tati über die Schattenseiten der modernen Welt hinweg. Da ist der Finne ebenso schwarzweiss-malerisch wie Tati: die Guten repräsentieren das Alte, die Bösen sind mit den Insignien der modernen Welt ausgestattet. Darum läuft im Gegensatz zu seinen diensteifrigen Kollegen der verständnisvolle Inspektor Monet auch obercool in Trenchcoat und altmodischem Hut durch die Gegend. Das Zitieren reicht bis zum Selbstzitat, wenn der Protagonist als der gleichnamige Literat aus „Das Leben der Bohème“ (1992) auszumachen ist – seinerzeit ebenfalls verkörpert von André Wilms – oder alte Weggefährten wie Kati Outinen oder gar Nouvelle Vague-Legende Jean Pierre Léaud mit einem Kurzauftritt als Bösewicht die Leinwand bevölkern. Mit dem Auftritt von Little Bob hat er auch wieder einen Musiker ausgegraben, der zur Kölner Premiere sogar ein Konzert im Kino geben wird. Aber nicht nur der Stab wirkt wie ein eingespieltes Theaterensemble, das seit Jahren erfolgreich Stoffe interpretiert, auch ästhetisch nähert sich Kaurismäki immer mehr einer Theaterästhetik, die allerdings eindeutig mit filmischen Mitteln zum Leben erweckt wird. Die Kulissen scheuen nicht, auf ihre Künstlichkeit zu verweisen. Die Wände sind in gedeckten Farbtönen gehalten, die man bereits aus anderen Filmen des Regisseurs kennt. Die Accessoires sind altertümlich, und doch sieht alles zugleich neu aus – wie fabrikneue Antiquitäten. Überhaupt wirken sowohl die Orte als auch die Figuren wie aus der Zeit gefallen, und die wenig dezente Lichtsetzung lässt die kleinen Leute des Viertels wie Helden auf der Bühne erstrahlen. Unverzichtbar bei dieser visuellen Ausgestaltung ist natürlich Kaurismäkis Hausfotograf Timo Salminen, der von Anbeginn seinen Landsmann bei seiner Filmarbeit mit den passenden Bildern unterstützt. Für „Le Havre“ findet er eine ruhige Filmsprache, die sich Zeit nimmt, die Details fast stillebenhaft einzufangen und so einen Kontrapunkt zur Geschwindigkeit des gegenwärtigen Alltags entwirft. Es wäre ein Leichtes, Aki Kaurismäki Formalismus vorzuwerfen. Doch der Vorwurf greift nicht. Wer mit einer solch formelhaften Ästhetik derart aktuelle und wahrhaftige Inhalte transportiert, der hat sich definitiv nicht in oberflächlichem Manierismus verloren. Und wer das Ganze demonstrativ als Märchen verpackt, verklärt nicht die Wirklichkeit, sondern wünscht sich nur eine andere Wirklichkeit. www CHRISTIAN MEYER LE HAVRE Cannes 2011: FIPRESCI-Filmpreis FIN/F/D 2011 - Komödie / Drama - Regie: Aki Kaurismäk - Kamera: Timo Salminen mit: André Wilms, Kati Outinen, Elina Salo - Verleih: Pandora Start: 8.9. BO: Casablanca, Metropolis, E: Filmkunsttheater 34 36 Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet Kritikerspiegel Ruhr SEPTEMBER 2011 Die häufigsten Nennungen Arnold Hohmann Ingrid Bartsch WAZ ARD Morgenmagazin Hartmut Ernst R.-Ruediger Hamacher engels Kultur.Kino. film-Dienst Wuppertal Le Havre von A. Kaurismäk Herausragend Bemerkenswert The Guard von J. M. McDonagh Best of Comedy Die drei Musketiere von P. Anderson Best of Drama Easy Money von D. Espinosa Besondere Erwähnung Attack the Block von J. Cornish The Guard von J. M. McDonagh Whores‘ Glory Gerhard Richter Le Havre Painting von von M. Glawogger von A. Kaurismäk C. Belz Sascha Westphal Marieke Steinhoff Christian Meyer Verena Lueken Michael Kohler Katja Nicodemus Christina Nord Frank Brenner EPD-Film Schnitt choices Kultur.Kino.Köln FAZ Frankfurter Rundschau Die Zeit taz trailer Kultur.Kino.Ruhr Le Havre von A. Kaurismäk Le Havre von A. Kaurismäk Le Havre von A. Kaurismäk Shanghai von M. Håfström The Guard von J. M. McDonagh Über uns das All von J. Schomburg Über uns das All von J. Schomburg Hell von T. Fehlbaum The Guard von J. M. McDonagh Gianni und die Frauen von G. Di Gregorio Mein bester Feind von W. Murnberger Über uns das All von J. Schomburg Easy Money von D. Espinosa Easy Money von D. Espinosa Über uns das All von J. Schomburg Taste the Waste von V. Thurn Perry Rhodan Westwind - Unser Mann von R. Thalheim im All von A. Schäfer Attack the Block von J. Cornish Le Havre von A. Kaurismäk Colombiana von O. Megaton Über uns das All von J. Schomburg The Guard von J. M. McDonagh Tournée von M. Amalric Tournée von M. Amalric Infinite Space von M. Grigor Über uns das All von J. Schomburg Le Havre von A. Kaurismäk Über uns das All von J. Schomburg Le Havre von A. Kaurismäk Le Havre von A. Kaurismäk Tournée von M. Amalric The Guard von J. M. McDonagh Hell von T. Fehlbaum Attack the Block von J. Cornish Cairo Time von R. Nadda Lollipop Monster von Z. Riemann Gerhard Richter Painting von C. Belz Kino-Kalender Ruhr PREVIEWS, FILMREIHEN, FESTIVALS & SONDERVORFÜHRUNGEN 29.8., 20 Uhr BUTCH CASSIDY AND THE SUNDANCE KID, Black Box Kino Düsseldorf Robert Redford & Paul Newman sind nach einem Eisenbahnüberfall auf der Flucht 16.9., 18 Uhr KLEINE WAHRE LÜGEN, Schauburg Dortmund Ein französisches Sommerurlaubsdrama um eine schicke Clique 16.9., 22.30 Uhr CONTRACORRIENTE, Metropolis Bochum Ein Drama mit beeindruckenden Bildern aus einem peruanischen Fischerdorf. Als OmU-Version in der homochrom-Reihe 1.9., 19.30 Uhr LE HAVRE, Eulenspiegel Essen Der neue Film von Aki Kaurismäki mit anschl. Konzert des Rockers Little Bob, der den Soundtrack zum Film beigesteuert hat 17.9., 18 Uhr WASTE LAND, Kino Babylon Hagen Lucy Walkers Doku über das Kunst-Projekt von Vik Muniz auf der größten Müllkippe der Welt 2.9., 23 Uhr AUTOPSY II – BLACK MARKET BODY PARTS, Apollo Gelsenkirchen Horror-Stunde. Medizinstudenten fallen einem profitgierigen, organeverscherbelnden Arzt zum Opfer. 4.9., 15 Uhr DICK & DOOF IN: ZWEI RITTEN NACH TEXAS, Endstation Kino Bochum Stan Laurel und Oliver Hardy machen sich auf den Weg zu den Cowboys www 17.9., 20 Uhr FRED WILLIAMSON LIVE, Schauburg Gelsenkirchen Die Trash-Film-Ikone „The Hammer“ live in Gelsenkirchen Redford und Newman: „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ 4-6.9., je 20 Uhr DER RÄUBER, Kino im Walzenlager Oberhausen Die Literaturverfilmung von Benjamin Heisenberg über einen sehr professionellen Bankräuber, der in den 80ern Österreichs Kredithäuser unsicher machte 21.9., 18 Uhr JE N’AI PAS RIEN OUBLIÉ, Astra Theater Essen Das Institut Français Essen präsentiert in der OmU-Version das Drama mit Gérard Dépardieu 21.9., 20 Uhr, EINE OFFENE RECHNUNG, Cinemaxx Essen Preview des Remakes eines israelischen Agentenkrimis von 2007 7.9., 20 Uhr PETER GABRIEL’S NEW BLOOD, UCI Duisburg Eine Konzertübertragung in 3D des ehemaligen Genesis-Sängers 21.9., 20.30 Uhr NOKAN, Filmforum Duisburg Ebenfalls im Rahmen der Ruhrtriennale wird der Gewinner des Oscars für den besten ausländischen Film 2009 gespielt 7.9., 20 Uhr THE OTHER CHELSEA, Apollo Gelsenkirchen Eine Schalker Fan-Initiative zeigt den Film über die Liebe zum Verein Schachtjor Donezk im Vorfeld der Fussballeuropameisterschaft in der Ukraine „Die Welle“ 7.9., 20 Uhr CONAN, Cinestar Dortmund Die CineMen-Preview zum Remake des barbarischen Action-Films Politischer Dokumentarfilm: „Memoría del Saceo“ 27.9., 19 Uhr DIE LEGENDE VON PAUL UND PAULA, sweetSixteen Dortmund Der realsozialistische Kassenerfolg der DDR läuft im Rahmen der Filmreihe Architekur und Film 10.9., 23 Uhr DIE DREI MUSKETIERE, Autokino Essen Der neue Feldzug der drei Tapferen Klingenschwinger 27.9., 20 Uhr AZULOSCUROCASILNEGRO, Filmstudio Glückauf Essen Der Ciñol-Abend lädt zur OmU-Version von „dunkelblaufastschwarz“ 14.9., 20.30 Uhr ENTER THE VOID, Casablanca Bochum Eine Bilderflut zum Drogenrausch eines Dealers aus Tokio – von Gaspar Noé Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait... 22.9., 19 Uhr MEMORÍA DEL SAQUEO, Kino Babylon Hagen Eine Dokumentation von Fernando Solana über die Auswirkungen neoliberalistischer Globalisierungspolitik in Argentinien. 27.9., 18/23 Uhr NAOKOS LÄCHELN, Schauburg Gelsenkirchen Anh Hung Trans beeindruckende Literaturverfilmung wurde mehrfach ausgezeichnet 8.9., 19.30 Uhr ÜBER UNS DAS ALL, RWE Forum im Dortmunder U trailer präsentiert die NRW-Preview des neuen Films von Jan Schomburg. Am 10.9. ist die nächste Preview im Astra Theater Essen 15.9., 20.30 Uhr ARSCHKALT, Lichtburg Oberhausen Unter der Rubrik „Junger deutscher Film“ läuft die Erfolgskomödie von André Erkau „Arschkalt“ 20.9., 19 Uhr EMIL UND DIE DETEKTIVE, sweetSixteen Dortmund Die Verfilmung des Erich Kästner-Klassikers aus dem Jahre 1931 5.9., 19.30 Uhr DIE WELLE, Bücherwurm Datteln Der FilmClub OstVest lädt ein zur 75 Jahre-Feier Dattelns. Eine Mitgliedschaft für satte 3 ist Voraussetzung 7.9., 20.30 Uhr MUNDANE HISTORY, Casablanca Bochum Der thailändische Film läuft in OmU-Version im Rahmen der Ruhrtriennale 19.9., 21.45 Uhr TERRORWARNUNG!, Galerie Cinema Essen Ein „Short Attack“- Kurzfilmabend zu den Anschlägen des 11. September 2001 Bilder- und Drogenrausch: „Enter the Void“ 35 28.9., 20.30 Uhr DREAMING FILMS, Casablanca Bochum Die OmU-Version von Eric Pauwels meditativer Abhandlung über das Wesen des Films in einem dreistündigen Film „Naokos Lächeln“ www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino Hintergrund France und Steve: Zwei Welten prallen aufeinander Nichts für Nette „Mein Stück vom Kuchen“ von Cédric Klapisch Eine gutherzige, alleinerziehende Mutter verliert ihren Job und landet als Haushilfe bei einem gewissenlosen Karrieristen. C Gesellschaftsdrama France (Karin Viard, „Das Schmuckstück“, „Nichts zu verzollen“), geschieden, dreifache Mutter, arbeitet seit zwei Jahrzehnten in einer Fabrik in Dünkirchen, die in Folge des China-Booms geschlossen wird. Die Welt bricht für sie zusammen, doch sie entschließt sich schon bald, für einen Job nach Paris zu pendeln. Dort lebt und arbeitet der skrupellose Börsenspekulant Steve (Gilles Lellouche, „Kleine wahre Lügen“): Ein Karrierist, wie er im Buche steht. „Ich bin böse“, postuliert er süffisant und beweist damit dem Chef die Eignung. Steve sucht für sein Appartement in Paris eine Haushaltshilfe, und so steht eines Tages France in der Tür. Die darf sich schon bald zusätzlich um Steves kleinen Sohn kümmern. Ein Fulltime-Job, bei dem zwei Welten aufeinander prallen. Als France erfährt, dass Steve Mitschuld an der Schließung ihrer Firma hatte, wird es mulmig. Vorab zur Richtigstellung: Der Trailer verspricht eine temporeiche, wenn nicht gar romantische Komödie, in der ein geldgieriger Gefühlslegastheniker auf eine aufrichtige, geerdete Frau trifft. Solch ein Aufeinandertreffen, das hat die Filmgeschichte wiederholt bewiesen, bietet allerhand komödiantisches Potential. Doch sollte man sich in diesem Falle vom Trailer nicht täuschen lassen: Regisseur Cédric Klapisch ("L'Auberge Espagnole - Barcelona für ein Jahr") geht es nämlich viel mehr darum zu zeigen, dass Gewissenlosigkeit, Habgier und emotionale Defizite nicht zwingend läuterungsfähig bzw. therapierbar sind. Wer hier also erwartet, France und Steve würden am Ende zu Glockenspiel und Weichzeichner im siebten Himmel davon schweben, der wird enttäuscht. Denn auch wenn Klapisch absurde Momente und Zynismen findet, bleibt er insgesamt eher dem Gesellschaftsdrama verhaftet und zeigt folglich weniger, wie schön das Leben sein könnte, sondern vielmehr, wie bitter das Leben ist. Dazu bedient er sich der Gegensätze, die er zuweilen, sei es über die Story, sei es über die Montage, äußerst akzentuiert gegenüberstellt. Die Stärken des Films liegen, neben guten schauspielerischen Leistungen, in seinen gelungenen, kritischen Ansätzen: Soziale Not, familiärer Halt, Solidarität, kapitalistische Ausbeuter, die Jobsuche, bei der sich France vorkommt wie eine „Einwanderin im eigenen Land“ – Klapisch erzählt mit dem Fingerzeig aus dem Leben. Beispielhaft skizziert er die Machtmechanismen in der verklärten Realität der oberen Zehntausend, spiegelt an der emotional verkümmerten Figur seines männlichen Protagonisten die Entmenschlichung ihrer Anhänger. „Business ist nichts für Nette“: Eine Welt von Egomanen, in der zwischenmenschliche Regungen allein dem Zweck und Egoismus geschuldet sind. Insgesamt ist das sehr plakativ gezeichnet, zugleich aber ist es löblich, mit welcher Kompromisslosigkeit und Konsequenz Klapisch bei seiner Charakterisierung vorgeht. Adäquat portraitiert er mit France die Frau aus dem Volk: Da ist die Welt zumindest im Zwischenmenschlichen noch in Ordnung, man hält zusammen, solidarisiert sich, ist gemeinsam stark. Allerdings auch immer am Rande der Verzweiflung. CARLA SCHMIDT www MEIN STÜCK VOM KUCHEN F 2011 - Komödie / Drama - Regie: Cédric Klapisch - Kamera: Christophe Beaucarne mit: Audrey Lamy, Karin Viard, Gilles Lellouche - Verleih: Kinowelt Start: 15.9. BO: Casablanca/Metropolis, E: Filmkunsttheater MEIN STÜCK VOM KUCHEN – Am Rande Der dreißig Jahre jüngere Cédric Klapisch wird von den Feuilletons derzeit schon als der neue Ken Loach gehandelt. Der Franzose und der Brite haben tatsächlich einiges gemein: die Länder, aus denen sie kommen, sind in den letzten Jahren und nun auch in jüngerer Zeit zu Schauplätzen von heftigen Demonstrationen und teils gewaltsamen Ausschreitungen geworden, die vor allem in sozioökonomisch schlechter gestellten Gesellschaftsschichten ihren Ursprung fanden. Loach hat sich auf das Sozialdrama eingeschworen: „Mein Name ist Joe“ (1998), „Sweet Sixteen“ (2002) und „Looking for Eric“ (2009) sind eine kleine Auswahl. Er hält den Schwachen tapfer die Stange, indem er gesellschaftliche Verhältnisse minutiös analysiert. Klapisch tritt mit www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino „Mein Stück vom Kuchen“ nun in seine Fußstapfen und ist die Stimme derjenigen, die in den kapitalistischen Gesellschaften Europas keine Chance mehr für sich sehen. Ob in den Banlieues von Paris oder im Londoner Stadtteil Tottenham, die Jugendlichen ohne Perspektive zeigen ihren Unmut deutlich. Arbeitslosigkeit, geringe Bildungschancen und Ghettoisierung in den Vorstädten begünstigen die Gewalt. Was jedoch genau die Ursachen und die Forderungen der Demonstranten sind, darüber wird derzeit in allen Medien diskutiert. Vielleicht versteht man es besser, wenn man diese Filme gesehen hat. INGA SELCK 36 30 36 Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet Neue Filme Angriff ist die beste Verteidigung Die kleinen Gangster in großer Aufregung Bye Bye Barbie Block Party „LolLipOp MonsteR” von Ziska Riemann „Attack the Block” von Joe Cornish Die Schülerinnen Oona und Ari könnten kaum gegensätzlicher sein. Trotzdem freunden sie sich an und inspirieren sich gegenseitig. C Poppiges Coming of Age-Drama In einem sozialen Brennpunkt Londons muss sich eine Teenie-Gang gegen Aliens zur Wehr setzen. C Komödiantisches Genregemisch Die Comickünstlerin Ziska Riemann arbeitet meist mit Gerhard Seyfried zusammen. Nun hat sie sich mit ihrer Jugendfreundin Luci van Org („Lucilectric“) zusammengetan und ihren ersten Langfilm inszeniert. Herausgekommen ist eine interessante Mischung aus Comicelementen, Videoclips und Coming-of-Age-Geschichte. Auf höchst amüsante und schräge Weise gelingt es den beiden Autorinnen, sich in das Seelenleben ihrer Protagonistinnen zu versetzen. Die symbolische Überhöhung der jeweiligen Lebensumstände ist dafür das grelle und unterhaltsame Stilmittel. Das Identifikationspotenzial dürfte trotz zahlreicher autobiografischer Einsprengsler auch für heutige Jugendliche noch ungebrochen hoch sein. Ein visuell ausgefeiltes Debüt. Das Timing könnte kaum besser sein: Pünktlich zu den britischen Riots krawallt diese Londoner Teeniegang über die Leinwand. Doch bevor aus ihnen Alex' Gang aus Uhrwerk Orange werden kann, wird ihr Aggressionspotential auf die Attacke wolfartiger Aliens gelenkt. Mit Star Nick Frost („Paul“, „Shaun of the Dead“) als gelangweilter Kiffer und Jodie Whittaker als Opfer und spätere Schützenhilfe sind die Erwachsenenrollen bereits erschöpft. Die Jugendlichen und Kinder spielen hier neben den zotteligen Aliens mit fluoreszierendem Gebiss die Hauptrolle. Während die sozialkritischen Seitenhiebe gut sitzen (absolut identische Schlussszene wie in „Mein Stück vom Kuchen“) und aktueller sind denn je, wirkt die Action mitunter etwas lahm. CHRISTIAN MEYER FRANK BRENNER LOLLIPOP MONSTER ATTACK THE BLOCK D 2011 - Drama - Regie: Ziska Riemann - Kamera: Hannes Hubach - mit: Jella Haase, Fritz Hammel, Nicolette Krebitz - Verleih: Salzgeber Start: 25.8. DO: sweetSixteen GB 2011 - Action / Komödie - Regie: Joe Cornish - Kamera: Thomas Townend - mit: Jodie Whittaker, Chris Wilson, Nick Frost - Verleih: Wild Bunch Start: 22.9. DO: Cinestar www Diese Angreifer lassen sich nicht so einfach skalpieren Aufmerksamkeitsduell mit Depeche Mode und The Cure Goldrausch Ruderer macht rüber „Cowboys & Aliens“ von Jon Favreau „Westwind“ von Robert Thalheim 1873 werden die Cowboys einer amerikanischen Kleinstadt in einen Kampf mit außerirdischen Invasoren verwickelt. C Actionspektakel nach Comicvorlage Als Isabel und Doreen in Ungarn die Westler Arne und Nico treffen, denken sie an Republikflucht. C Fernsehgerechtes Geschichtsdrama Auf die Goldreserven unseres Planeten haben es die Aliens abgesehen und stehen somit in der habsüchtigen Tradition der Goldsucher in so manchem klassischen Western. Jon Favreau („Iron Man“) hat aus der Graphic-Novel-Vorlage ein stilvolles Actionspektakel gezimmert, das über weite Strecken erstaunlich ernst daher kommt und mit der Mischung aus Western- und Science-FictionElementen versucht, dem totgesagten Genre des Wildwestfilms neues Leben einzuhauchen. Das beschert dem Zuschauer allerlei skurrile Momente und ironische Zwischentöne. Letztere werden insbesondere von Harrison Ford transportiert, der in seiner selbstreferenziellen Darstellung kokett mit seinem fortgeschrittenen Alter und seinem Image als Draufgänger spielt. FRANK BRENNER Die Zwillinge Isabel und Doreen treffen im sozialistischen Ferienlager in Ungarn auf die Westler Arne und Nico. Statt sich auf ihr Ruderturnier vorzubereiten, entfaltet sich eine deutsch-deutsche Romanze. Regisseur Thalheim fängt die Atmosphäre der 80er Jahre zwischen Ost und West gut ein. Doch die Dramaturgie traut sich kaum an eine intensivere, psychologische Auseinandersetzung und ist viel zu sehr darauf aus, das Tempo zu halten, damit niemand wegzappt. Dabei sitzen wir doch im Kino! Das merkt man vor allem am Einsatz der Musik. Die wird sekundenweise hochgezogen, als wärs ein Feelgood Movie. Die Lizenzkosten für die immer gleichen Songs von Depeche Mode und Cure hätte man lieber dem Drehbuchautor zugesteckt. Die Riege der Jungdarsteller ist hingegen vielversprechend. CHRISTIAN MEYER COWBOYS & ALIENS USA 2011 - Action - Regie: Jon Favreau - Kamera: Matthew J. Libatique - mit: Daniel Craig, Harrison Ford, Olivia Wilde - Verleih: Paramount Start: 25.8. BO: Bofimax, UCI, Union, DO: Cinestar, DU: UCI, E: Cinemaxx, GE: Apollo, Schauburg, HER: Filmwelt, MÜL: Cinemaxx, Cinemotion, OB: Cinestar, Lichtburg Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait... 37 WESTWIND D/H 2011 - Melodram - Regie: Robert Thalheim - Kamera: Eeva Fleig mit: Friederike Becht, Franz Dinda, Hannes Wegener - Verleih: Zorro Start: 25.8. BO: Casablanca/Metropolis, E: Filmkunsttheater www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino NRW-Film Martha (Sandra Hüller) ist schnell mit Alexander (Georg Friedrich) vertraut Keine Gewissheiten „Über uns das All“ von Jan Schomburg Paul bricht auf zu einem neuen Job in Marseille, Martha will in einer Woche nachkommen. Doch dann hört sie nichts mehr von ihm. Drama vom Verlust eines Lebens und einer Liebe kennen lernt, erkennt sie viel von Paul in ihm. Jan Schomburg ist ein erstaunliches Debüt gelungen, das kaum spürbar zwischen Realismus und Surrealismus schwankt, zwischen emotionalem Schock und Heiterkeit. Mit „Über uns Sie führen seit Jahren eine gute das All“ wirft er existentielle Fragen auf, Beziehung: Martha (Sandra Hüller) die um die Gegensätze Sicherheit und und Paul (Felix Knopp) leben in Enge, Freiheit und Angst kreisen. Sandra einer gemeinsamen Wohnung. Ihre Hüller spielt die breite Palette der Spielchen lassen erahnen, dass sie emotionalen Extremsituationen ebenso sich gut kennen. Dahinter scheint exzellent wie zuletzt in „Brownian aber auch viel Unsicherheit auf. Wie Movment“ von Nanouk Leopold oder wenig Martha von Paul weiß, erfährt ihre Darstellung der Michaela Klingler sie erst, als er verschwindet, und sich in dem Exorzismusdrama „Requiem“ alle Eckdaten seines Lebens mit ihm Sandra Hüller drehte auch in der Kölner Eifelstraße von Hans-Christian Schmid (2006). Wie auflösen. man wohl tatsächlich reagiert, wenn Filmkulisse Köln die Polizei mit einer entsetzlichen Als dem angehenden Mediziner sein Doktorvater eine Stelle in Marseille trailer begleitet mit der Rubrik „NRW-Film“ eine neue Initiative der Film und Nachricht vor der Tür steht, das könnten anbot, hatte Paul die Chance, die Medien Stiftung NRW, die in NRW gedrehte Filme mit einer speziellen Preview- gestandene TV-Krimi Regisseure von Tour des jeweiligen Stabs durch nordrheinwestfälische Kinos ehrt. Den Auftakt Karriereleiter hochzuklettern. Martha dieser Initiative macht das Debüt von Jan Schomburg. „Über uns das All“ ist zu Jan Schomburg und Sandra Hüller war begeistert, war Paul doch seit 100 Prozent in NRW entstanden – von der Herkunft des Regisseurs über die lernen. In Fernsehkrimis ist dafür kein seiner Abschlussarbeit, die am Institut Produktionsfirma Pandora, der Coproduktion durch den WDR, dem Verleih Real Platz – aber Jan Schomburg nimmt als Meilenstein bewertet wurde, ohne Fiction, der Förderung durch die Filmstiftung bis hin zu den Drehorten. Behilf- sich in seinem Film gerade für solche Anstellung. Die Englischlehrerin sah lich bei der Suche von Drehorten ist die von der Filmstiftung gegründete Film Momente den nötigen Raum. Sein Commission NRW mit einer umfangreichen Motiv-Datenbank mit über 4000 keine Probleme, dort ebenfalls einen Einträgen. Wer genau hinguckt, erkennt zu Beginn von Schomburgs Film in der Debüt erschöpft sich aber nicht in Job zu finden. Paul reiste vor, Martha, Abschiedsszene die begrünte Eifelstraße mit ihrem Kreisverkehr am Volksgar- einer emotionalen Tour de Force. die inzwischen ihre Stelle als Lehrerin ten, später dann das Kölner Universitätsgebäude oder das Schauspielhaus. Es Heitere und absurde Momente finden aufgegeben hatte, wollte eine Woche sind aber nicht die prägnanten Ansichten der Stadt, die den Film prägen. Die in seinem Drama über die Liebe und Domspitzen hätten die Handlung nur unnötig eingeengt. Schomburgs subtilere ihre Austauschbarkeit ebenfalls Platz. später nachreisen. In den folgenden Motivwahl belässt der Handlung ihren allgemeingültigen Charakter. Und so werden die verstörenden Tagen konnte sie ihn nicht mehr auf dem Handy erreichen. Sie hörte trailer verlost 5x2 Karten für die NRW-Premiere am 8.9. um 19.30 Uhr im RWE-Forum Augenblicke des Schreckens immer solange nichts mehr von ihm, bis ein im Dortmunder U. E-Mail bis 1.9. an verlosung@trailer-ruhr.de, Kennwort: All-Preview wieder aufgefangen in leichtfüßigen Szenen. Das einzige, was in Jan paar Tage später zwei Polizisten vor ihrer Tür standen. Mit dem Verlust von Paul droht Martha nun in ein Schomburgs Kinodebüt keinen Platz hat, sind Gewissheiten. großes Loch zu fallen, das umso größer wird, je mehr sich herausstellt, dass TEXTE: CHRISTIAN MEYER es den Paul, den sie zu kennen glaubte, gar nicht gab. An der Uni erinnert sich niemand an ihn, und irgendwie waren alle Freunde gemeinsame ÜBER UNS DAS ALL Bekannte des Paars. Ein eigenständiges Leben von Paul scheint es nicht Berlinale 2011: Europa Cinemas Preis gegeben zu haben, und ihr wird allmählich klar, dass sie eigentlich nichts D 2011 - Drama - Regie: Jan Schomburg - Kamera: Marc Comes – mit Sandra Hüller, Georg von ihrem Mann weiß. Martha droht, den Halt zu verlieren. Doch als bei Friedrich, F elix Knopp - Verleih: Real Fiction einer ihrer Stippvisiten an der Universität Alexander (Georg Friedrich) Start: 15.9. BO: Casablanca, DO: sweetSixteen, E: Astra Theater www www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino 38 Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet Gespräch zum Film Regisseur Jan Schomburg, Foto: Real Fiction Blüten des Fankults Liebe als Idee Landser und Hippie Jan Schomburg über seinen Film „Über uns das All“ „Perry Rhodan – Unser Mann im All“ von André Schäfer Jan Schomburg, 1976 in Aachen geboren, studierte zunächst Visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule Kassel, um danach an der Kunsthochschule für Medien (KHM) in Köln Regie zu studieren. 2008 führte ihn ein Stipendium nach Warschau. Nach mehreren preisgekrönten Kurzfilmen ist „Über uns das All“ sein Kinodebüt. Seit 50 Jahren bereist der intergalaktische Heftroman-Held Perry Rhodan den Weltraum. Der Film blickt zurück. C Unterhaltsame Doku zu einem deutschen Phänomen trailer: Herr Schomburg, Sie haben mit solch erfahren Darstellern wie Sandra Hüller und Georg Friedrich gedreht. Wie war die Zusammenarbeit für Sie als Kinofilmdebütant? Jan Schomburg: Begriffe wie „Debütant“ oder „erfahren“ verlieren bei einer intensiven Zusammenarbeit ja oft schnell ihre Bedeutung, denn letzten Endes begibt man sich gemeinsam auf eine Reise ins Ungewisse. Sowohl Sandra Hüller wie Georg Friedrich und auch Felix Knopp sind Schauspieler, denen Allüren oder Arroganzen fremd sind – sie alle sind Forscherseelen im besten Sinne des Wortes. Sandra Hüller ist vielleicht eine der wenigen deutschsprachigen Schauspielerinnen, die derart emotionale Szenen unpathetisch umsetzen können. War sie ihre Traumbesetzung für die Rolle? Ja. Wie Sandra eine filmische Realität herstellt, ihre Furchtlosigkeit, mit der sie in Emotionen eintauchen kann, die Sicherheit, mit der sie immer das Klischee meidet – es gibt, glaube ich, sehr wenige Schauspielerinnen, die das so beherrschen. In diesem Film war für mich aber die eigentliche Entdeckung, wie leichtfüßig, lustig und sexy Sandra auch sein kann. Der Film geht in seiner Emotionalität an die Schmerzgrenze, wirkt dabei aber immer wahrhaftig, nie kalkuliert. Wie näherten sie sich der Umsetzung solcher extremen Szenen? Die Annäherung an solche Szenen passiert vor allem beim Schreiben, wo ich selber die Emotionen der Figuren am Stärksten durchlebe. Während des Drehens kann man dann als Regisseur den Schauspielern gerade bei den emotionalen Szenen oft nicht wirklich helfen, meist wissen sie selber besser als ich, was zu tun ist. André Schäfer bietet Einblicke in die Geschichte der deutschen Serie, die noch immer wöchentlich mit einer Auflage von 80.000 Heften fortgeführt wird. Interessant ist damit nicht nur der Inhalt, sondern auch der Kreativitätsprozess, in den bereits Generationen von Autoren und Risszeichner eingebunden sind. Die Wandlung von der „kosmischen Landser-Serie“ zur „Hippie-Serie“ wird amüsant nachvollzogen, Autoren und Fans kommen ebenso zu Wort wie Kritiker. Die unterstellten der Reihe faschistische Tendenzen und Führerkult. Letzteres wird leider nicht ausreichend vertieft, darüber hinaus bleiben Adaptionen und Interpretationen des Stoffes weitgehend unberücksichtigt. Insgesamt aber eine äußerst liebevoll inszenierte Zeitreise. HARTMUT ERNST PERRY RHODAN – UNSER MANN IM ALL D 2010 - Dokumentarfilm / Literatur - Regie: André Schäfer - Kamera: Andy Lehmann mit: Leo Lukas, Rainer Stache, Carlo Leidecker - Verleih: Salzgeber Start: 1.9. BO: Casablanca/Metropolis, DO: sweetSixteen www Drive In-Sex in Mexico Altes Gewerbe „Whores Glory“ von Michael Glawogger „Über uns das All“ ist thematisch doppelt aufgeladen: Es geht um den Verlust der Liebe, aber auch um ihre Austauschbarkeit. Wie fanden sie zu diesem Themenkomplex? Ich habe mich gefragt, ob nicht gerade die Idee der romantischen Liebe, die ja per Definition die Liebe zu einer individuellen Person meint, in Wirklichkeit vollkommen unabhängig vom Gegenüber sein könnte. Martha lebt ihre Liebe als etwas, das größer ist als der Tod des Geliebten, die Liebe wird zu einer Idee, die nicht mehr an eine Person gebunden ist. Vielleicht ist das ja die eigentliche Kraft der Liebe: Dass sie eben nie das Gegenüber meint, sondern immer eine Vision des Gegenübers. Oder, wie Alexander es im Film sagt: „Ich liebe den Menschen, den du aus mir machst.“ Gibt es bereits ein neues Projekt? Das erste neue Projekt lässt sich bereits im Internet ansehen: Unter www.drverbier.de kann man die zweifelhaften Erfolge der „Expositionsmaßnahme nach Verbier“ verfolgen. Der Arbeitstitel meines nächsten Kinofilms ist „Lena und Tore und Lena“. INTERVIEW: CHRISTIAN MEYER Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait... 39 Michael Glawogger riskiert einen Blick hinter die Kulissen der Prostitution in Thailand, Indien und Mexiko. C Tiefer Einblick in die weltweite Prostitution Ein Tryptichon nennt Glawogger seine Dokumentation. Das korrespondiert mit der Tatsache, dass in allen drei Ländern die Prostituierten ihren Beruf mit ihrer Religion zu verbinden wissen. Glawogger kommentiert weder diese Szenen noch andere – die Kamera ist still anwesend und gibt den Frauen einen Raum, sich über ihren Beruf und ihr Leben zu äußern. Das ist in Bangkok weniger schockierend als in Indien oder Mexiko. Auch die Freier geben sich dort mehr Blöße. Zwischen erstaunlicher Klarsicht und Verklärung ihrer Situation findet Glawogger die unterschiedlichsten Kommentare. Ein wenig Redundanz macht sich im Laufe des Films dennoch breit und die geschmackvolle Filmmusik (Coco Rosie, PJ Harvey) wirkt komplett unangebracht. Der Originalton hätte vollauf gereicht. CHRISTIAN MEYER WHORES GLORY A/D 2011 - Dokumentarfilm - Regie: Michael Glawogger - Kamera: Wolfgang Thaler Verleih: Delphi Start: 22.9. DO: sweetSixteen www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino Hintergrund Wenn hell zur Hölle wird Survival of the Fittest „Hell“ von Tim Fehlbaum Seit einigen Jahren sind die Sonnenstrahlen dermaßen stark geworden, dass man es bei Tageslicht im Freien nicht mehr aushält. Zwischen den letzten Menschen, die sich um Wasser- und Nahrungsvorräte streiten, ist ein Kampf ums Überleben ausgebrochen.. C Packendes Endzeitdrama Ob man den Titel nun deutsch oder englisch liest, ihn als hell wie dunkel oder im Sinne von hell wie Hölle deutet, bleibt nebensächlich. Beide Begriffe würden auf den Inhalt zutreffen, und dass der knappe Titel diese Zweideutigkeit zulässt, mit der man auch auf dem internationalen Markt verstanden wird, ist ein überaus geschickter Publicityschachzug. Nicht umsonst wurde der Debütfilm des hoffnungsvollen Nachwuchsregisseurs Tim Fehlbaum von keinem Geringeren als Roland Emmerich produziert, der damit nicht nur der Garant für eine weltweite Distribution des Films sein sollte, sondern dem Schweizer Filmemacher eventuell sogar in Hollywood die eine oder andere Tür öffnen könnte. Allein durch die packende und atmosphärisch dichte Inszenierung von „Hell“ kann Fehlbaum hier auch eine sehr beeindruckende Visitenkarte vorweisen. Wie bei vielen Endzeitfilmen hält man sich nicht allzu lange mit Erklärungen oder Vorgeschichten auf, sondern schleudert sein Publikum mitten hinein in eine postapokalyptische Welt, die nur noch sehr wenig mit der uns vertrauten gemeinsam hat. Tagsüber ist es überall unglaublich hell und heiß, weswegen man die ausgedörrte, staubbedeckte „Außenwelt“ nur im äußersten Notfall und von Kopf bis Fuß eingehüllt betreten kann. Vornehmlich, um sich neue Lebensmittel oder Wasser zu beschaffen, oder die Benzinvorräte des Autos aufzufüllen. Mit einem Auto reisen nämlich Marie, Phillip und Leonie umher, auf der Suche nach einer wirtlicheren Umgebung, wo es vielleicht noch natürliche Wasservorkommen gibt. Aber solch ein Auto und die darin gesammelten Ressourcen sind natürlich auch für andere Überlebende von Interesse, weswegen man ständig auf der Hut sein muss, diese nicht gewaltsam abgenommen zu bekommen. Die meisten Horrorfilme sind düster und ziehen ihre Bedrohlichkeit aus dem, was in den Schatten lauern könnte. Bei „Hell“ ist es über weite Strecken genau umgekehrt. Dann ist der Film in eine gleißende Helligkeit getaucht, die man in dieser Form im wirklichen Leben noch nicht gesehen hat. Und gerade aus diesem Befremdlichkeitsgefühl heraus zieht der Regisseur einen beachtlichen Nervenkitzel. Klar, Fehlbaums Protagonisten verhalten sich nicht immer sonderlich intelligent. So manches Mal möchte man ihnen aus dem Kinosessel heraus Vorschläge machen, wie sie sich sinnvoller verhalten und somit in Sicherheit wiegen könnten. Aber solche logischen Schnitzer ist man in diesem Genre seit Jahren gewohnt. Dass „Hell“ sowohl hinsichtlich seiner beängstigenden Endzeitatmosphäre und seinem packenden Inszenierungsstil ebenfalls durchaus mit internationalen Produktionen mithalten kann, lässt einen dabei gerne mal ein Auge zudrücken. Wüsste man nicht, dass es sich hierbei um einen deutschen Film handelt, man hätte es sicherlich nicht gemerkt. Und das ist im Fall dieses Genrefilms wirklich ein großes Kompliment. FRANK BRENNER www HELL D/CH 2011 - Thriller - Regie: Tim Fehlbaum - Kamera: Markus Förderer, Tim Fehlbaum - mit: Hannah Herzsprung, Stipe Erceg - Verleih: Paramount Start: 22.9. BO: Union, E: Cinemaxx, Lichtburg, GE: Apollo, MÜL: Cinemaxx, Cinemotion HELL – Am Rande Das sonnige Katastrophenfiasko, das ein apokalyptisches Szenario wie in Tim Fehlbaums Debütfilm heraufbeschwören könnte, muss schon gewaltig sein. Hier reichen nicht die üblichen, dermatologisch-getesteten UV-Killerstrahlenstorys, die viele vor dem Sommerurlaub noch mal schnell in die Drogerie spurten lassen. Ein derartiges Aussterben von Menschen und anderen Lebewesen, wie es in Hell inszeniert wird, muss sich hochhypothetischen Annahmen bemächtigen. Und die gibt es! Sonnenzyklen dauern elf Jahre. Aktive wechseln sich dabei mit weniger aktiven ab. Für die Jahre 2011 und 2012 werden von Wissenschaftlern aktivere Zyklen angenommen, bei denen es zu einer starken Sonneneruption kommen kann. Die auch von der NASA für 2012 als wahrscheinlich eingestufte „Super-Sonneneruption“ hätte den Ausstoß einer www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino gewaltigen Menge an Plasmateilchen zur Folge, deren elektromagnetische Strahlung das Magnetfeld der Erde stark verändert und die Satelliten sowie Kommunikationssysteme, allen voran das GPS, stören, im schlimmsten Falle sogar ganz lahmlegen könnte. Der Einbruch der elektrischen Infrastruktur sowie der Computer gestützten Systeme wären unvermeidbar. Eine direkte Hitzeentwicklung, die, wie in „Hell“, den Menschen das Fleisch von den Knochen brennt, wollte bisher kein Wissenschaftler so wirklich aussprechen. Der ökonomische Schaden betrüge bei der Super-Eruption für die USA, so die NASA, ca. zwei Billionen Dollar und hätte, was noch viel schlimmer ist, einen weiteren Schuldenkompromiss zwischen Demokraten und Republikanern zur Folge. DAWID KASPROWICZ 40 Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet Juliette (Patricia Clarkson) und Tareq (Alexander Siddig) flirten Die grüne Witwe „Cairo Time“ von Ruba Nadda Juliette will ihren Mann in Kairo besuchen, doch der wird in Gaza aufgehalten. Sein ehemaliger Mitarbeiter Tareq soll sich um Juliette kümmern. C Verhaltene Liebesgeschichte Es ist offensichtlich, dass es zwischen der blonden westlichen Karrierefrau und dem attraktiven ägyptischen Geschäftsmann bald auch zu einem erotischen Knistern kommt. Das Besondere an Ruba Naddas („Sabah – Eine Liebesgeschichte“) Film besteht allerdings darin, wie sie es auf spielerische Weise versteht, die daraus resultierende Spannung zwischen ihren Figuren über den ganzen Film hinweg am Köcheln zu halten. Patricia Clarkson gelingt es, ihre Juliette bis in die kleinsten Nuancen ihres Verhaltens hinein glaubwürdig und faszinierend zu gestalten, was weite Teile des nicht sonderlich ereignisreichen Films zu tragen versteht. Ein geschickt durchkomponiertes Werk, das seinem Publikum leichtfüßig etwas über den Unterschied der Kulturen nahe bringt. FRANK BRENNER CAIRO TIME Toronto 2009: bester kanadischer Film CDN/IR/EG 2009 - Drama - Regie: Ruba Nadda - Kamera: Luc Montpellier mit: Patricia Clarkson, Elena Anaya, Tom McCamus - Verleih: Alamode Start: 1.9. BO: Casablanca, Metropolis www Entrollt der drögen Provinz: Ellen Page Leben und Lieben „Roller Girl“ von Drew Barrymore Ein junges Mädchen hat keine Lust mehr auf das Spießerleben und rebelliert auf Rollschuhen. C Rebellischer Teeniefilm Als Bliss (Ellen Page) zum ersten Mal einem Rollerderby, einer Art StockcarRennen auf Rollschuhen, beiwohnt, ist es um sie geschehen: Sie will mitspielen und mit dem rauen Sport ihrem angepassten Vorstadtleben entkommen. Das Problem: Ihre Eltern dürfen davon nichts wissen, denn Bliss ist erst 17 und darf ohne Einwilligung der Eltern nicht an den Meisterschaften teilnehmen. Rebellion, Konkurrenz, Freundschaft: „E.T.“-Mädchen Drew Barrymore legt mit ihrem Regiedebüt einen rebellischen Teeniefilm hin, in dem ein vermeintlich hässliches Entlein zur selbstbewussten Heldin erwächst. Unterm Strich dieser mitunter etwas angepassten Rebellion halten wir geläutert fest: Lebe deinen Traum, und liebe deine Mutter! HARTMUT ERNST ROLLER GIRL USA 2009 - Komödie / Drama - Regie: Drew Barrymore - Kamera: Robert Yeoman - mit: Ellen Page, Daniel Stern, Drew Barrymore - Verleih: Senator Start: 1.9. DO: Cinestar, GE: Apollo, MÜL: Cinemotion, OB: Cinestar www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino 41 41 Neue Filme Bleibt stets gelassen: Polizist Gerry (Brendan Gleeson) Von Iren und anderen „The Guard – Ein Ire sieht schwarz“ von John Michael McDonagh Ein schrulliger, irischer Kleinstadt-Cop bekommt es mit Drogenschmugglern und dem FBI zu tun. C Makabre Komödie Polizist Gerry Boyle (Brendan Gleeson) geht an der Westküste Irlands routiniert seiner Arbeit nach. So denn mal welche anfällt. Den Rest der Zeit schäkert der Cop mit seiner todkranken Mutter im Hospital und vertreibt sich die Langeweile mit Guiness, Computerspielen oder Escort-Girls. Eines Tages aber wird in der Stadt ein Drogenschmuggler aufgefunden, der in seiner Wohnung hingerichtet wurde. Gerry nimmt die Sache relativ gelassen, bis plötzlich sein neuer Kollege verschwindet und FBI-Agent Wendell Everett (Don Cheadle, „Hotel Ruanda“, „Iron Man 2“) in der Tür steht, der einem gewaltigen Drogendeal auf der Spur ist. Der Fall schweißt den weltentrückten, mürrischen Cop und den smarten, ambitionierten Yale-Absolventen unfreiwillig zusammen. Damit ist der Grundstein für eine eigenwillig erfrischende, schwarzhumorige Buddy-Komödie gelegt. Brendan Gleeson, selbst Ire, dürfte dem Kinogänger noch aus „Brügge sehen… und sterben?“ in Erinnerung sein, in dem er sich als irischer Killer melodramatisch, zwischen Melancholie und Irrwitz in der belgischen Provinzhauptstadt verirrt. Diesmal besucht der Ire nicht die Fremde, sondern die Fremde ihn – in Person eines FBI-Agenten. Gerrys Amerikabild fundiert auf dem Eindruck, den er in grauer Vorzeit bei einem Besuch in Disney-World gewonnen hatte. Missverständnisse in Sprache und Kultur, scharfe Zynismen und Beleidigungen sind entsprechend vorprogrammiert und werden von Autor und Regisseur John Michael McDonagh genüsslich ausgeschlachtet. John Michael McDonagh ist im Übrigen der Bruder von Martin McDonagh, dem Regisseur von „Brügge sehen… und sterben?“. Beide Brüder setzen auf eine übersichtliche Figurenkonstellation und entspanntes Tempo, in das der flinke Wortwitz umso pointierter einschlägt. Zugleich vereint ihre Antihelden Sympathie: John Michael McDonagh bricht die Klischees, derer er sich bedient, seine Typen agieren atypisch. Diese Balance aus Gewohnten und Unerwartetem in der Figurenzeichnung verleiht den Schablonen Charakter und Seele. Und so bleibt selbst Gerry kein Clown, sondern wächst einem schließlich ans Herz. Wie die Figuren, so verschwimmen auch die Genregrenzen. „The Guard“ suhlt sich ebenso in der Cop-Crime-Comedy wie er sich Western-Zitaten bedient. Auf Italo-Western-Elemente greift auch die US-Band Calexico zurück, die mit ihrem Soundtrack ironisch Akzente setzt und den skurrilen Gesamteindruck verstärkt. Der Schauplatz ist ähnlich romantisch verklärt wie das Brügge des Bruders: Die Küstengegend samt Kulissen erscheinen welt- und zeitentrückt, strahlen idyllisch und dreckig in knallsatten Farben. Insgesamt ein runder Spaß für Auge und Zwerchfell, für den John Michael McDonagh auf der Berlinale 2011 mit dem Preis für das beste Debüt geehrt wurde. www HARTMUT ERNST THE GUARD – EIN IRE SIEHT SCHWARZ GB/IR 2010 - Kom. / Thriller - Regie: John Michael McDonag - Kamera: Larry Smith mit: Don Cheadle, Liam Cunningham, Br. Gleeson - Verleih: Ascot Elite Start: 22.9. www.ruhrtriennale.de / 0 700 . 20 02. 34 56 0,14 Euro / Min. aus dem Festnetz der Dt.Telekom, Mobilfunk tarif max. 0,42Euro / Min. BO: Casablanca/Metropolis, Union, DO: Cinestar, DU: Filmforum, E: Filmkunsttheater, OB: Cinestar 42 Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet A hard working man: Gerhard Richter Üben für den Einsatz Malen vor Zeugen Nach außen hin Gerechtigkeit „Gerhard Richter Painting“ von Corinna Belz „Eine offene Rechnung“ von John Madden Der seit 50 Jahren als Künstler erfolgreiche Gerhard Richter wird mit der Kamera begleitet, das Entstehen von Kunst hautnah dokumentiert. C Faszinierende Einblicke Die Entführung eines Nazi-Arztes zerreißt das Leben dreier israelischer Agenten. C Epischer Agenten-Thriller Mehrfach betont der derzeit teuerste lebende deutsche Künstler gegenüber der Dokumentarfilmerin Belz, dass die beobachtende Instanz der Filmkamera seine Kreativität hemme. Erlebt man Gerhard Richter dann bei Ausstellungseröffnungen und seinen seltenen öffentlichen Auftritten, kann man diese Scheu nachvollziehen. Aber Belz gewährt dem Zuschauer nicht nur hautnahe Einblicke in das Entstehen von Kunst, sondern auch eine umfassende Retrospektive in die stilistisch und konzeptionell so unterschiedlichen Arbeiten Richters, der sich im Laufe seiner Karriere immer wieder neu zu erfinden versuchte. Eine lohnenswerte und ergiebige Annäherung an den Wahl-Kölner, der sich auch als Endsiebziger noch einer körperlich anstrengenden Tätigkeit widmet. FRANK BRENNER Ost-Berlin, 1966: Die israelischen Agenten Rachel (Jessica Chastain), David (Sam Worthington) und Stephan (Marton Csokas) sollen einen Nazi-Verbrecher (Jesper Christensen), der mittlerweile als Gynäkologe arbeitet, entführen und über die Grenze schaffen. Während der Gefangenschaft beginnt der Arzt seine Wächter zu manipulieren. Der Ausgang der Mission wird in Israel gefeiert, verfolgt die Beteiligten aber noch bis ins hohe Alter. John Madden („Shakespeare in Love“) inszeniert einen gut besetzten, episch angelegten Agenten-Thriller, der sich allerdings zunehmend mit dem unnötigen Einsatz trivialer Genrekonventionen und zeitlichen Verschachtelungen überwirft. Hinter interessanten moralischen Fragestellungen verblassen dabei Figuren und Motivationen. HARTMUT ERNST GERHARD RICHTER PAINTING EINE OFFENE RECHNUNG D 2011 - Dokumentarfilm - Regie: Corinna Belz - Kamera: Johann Feindt, Frank Kranstedt, D. Stürmer - mit: Gerhard Richter, Hubert Becker, Norbert Arns - Verleih: Piffl Start: 8.9. BO: Endstation, E: Filmkunsttheater USA/GB/H 2010 - Drama / Thriller - Regie: John Madden - Kamera: Ben Davis mit: Helen Mirren, Sam Worthington, Tom Wilkinson - Verleih: Universal Start: 22.9. E: Cinemaxx, GE: Apollo, MÜL: Cinemaxx, Cinemotion www Filmnoir in Asien Joachim (Mathieu Amalric) mit seinen Showgirls Tingeln Tangel Begierde und Gefahr „Tournée“ von Mathieu Amalric „Shanghai“ von Mikael Håfström Der ehemalige französische TV-Produzent Joachim tourt mit einer amerikanischen New Burlesque-Truppe durch Frankreich. Ein Außenseiter unter Außenseitern. C Erotischer Showalltag auf kleinen Bühnen Im Shanghai des Zweiten Weltkriegs toben erbitterte Kämpfe um die Macht. In diesem Chaos will ein US-Agent den Tod eines Kollegen aufklären. C Spionage-Liebesgeschichte Wie ein moderner Wanderzirkus reisen Joachim und seine Darstellerinnen durch die Städte und faszinieren ihr Publikum auf der Bühne. Im Alltag wird die auffällige Truppe hingegen meist schief angeguckt. Regisseur Amalric überzeugt in der Hauptrolle des charmanten, aber nicht unkomplizierten Managers. Die weiblichen Darsteller spielen allesamt sich selbst, gehören sie doch der amerikanischen New Burlesque-Szene an. Auch wenn er konsequenter bei den Showgirls hätte verweilen sollen, statt den Blick auf Joachims Kontext zu lenken, erzählt Amalric auf berührende Art vom tragikomischen Alltag einer Showtruppe, weit weg vom burlesquen Hochglanzspektakel einer Christina Aguilera. CHRISTIAN MEYER Schon Ang Lee hatte seinen Film „Gefahr und Begierde“ im Shanghai des Zweiten Weltkriegs angesiedelt und vor diesem Hintergrund eine Spionagegeschichte mit Liebeselementen erzählt. In Setting und Atmosphäre mag Mikael Håfströms Film dem eleganten Vorbild zwar durchaus ebenbürtig sein, er braucht allerdings deutlich zu lange, die verschiedenen Figuren und ihre jeweilige Bedeutung auszubreiten. Die erste halbe Stunde ist dementsprechend wirr und unübersichtlich geraten. Später gelingt es ihm dann, einen Spannungsbogen zu etablieren, der sich an Film-noir-Klassikern orientiert. Der von seiner internationalen Starbesetzung durchweg überzeugend gespielte Film ist zumindest für Fans der Schauspieler zu empfehlen. FRANK BRENNER TRANSFER SHANGHAI Cannes 2010: Bester Regisseur, FIPRESCI – Preis der Filmkritik F/D 2010 - Drama - Regie: Mathieu Amalric - Kamera: Christophe Beaucarne - mit: Alexander Craven, Mathieu Amalric, Suzanne Ramsey - Verleih: Farbfilm Start: 8.9. BO: Casablanca/Metropolis USA 2010 - Action / Drama - Regie: Mikael Håfström - Kamera: Benoît Delhomme - mit: John Cusack, Franka Potente, Ken Watanabe - Verleih: Senator Start: 15.9. Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait... 43 43 BO: Union, E: Filmkunsttheater www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino Neue Filme Zur Not muss auch das Geländer weg: Mar Brisas in Acapulco Unser täglich Brotabfall Vom Außen durchwirkt Unfassbare Verschwendung „Infinite Space“ von Murray Grigor „Taste the Waste“ von Valentin Thurn John Lautner hat Zeit seines Lebens nur Wohnhäuser gebaut, die sind allerdings in die Geschichte eingegangen. C Visuell gelungene Architekturdoku Es ist gar nicht so schwer, ein mündiger Verbraucher oder nachhaltiger Lebensmittelhersteller zu sein. „Taste the Waste“ zeigt, wo angesetzt werden muss. C Erhellende Dokumentation über die globale Wegwerfgesellschaft Jeder kennt ein oder zwei seiner Häuser: Sei es aus „Diamantenfieber“, wo Sean Connery durch das Elrod House schleicht, oder sei es das wie eine Untertasse über LA schwebende „Chemosphere“, das inzwischen Benedikt Taschen gehört. Der Schüler von Frank Lloyd Wright hat stets an einer organischen Fusion von Landschaft und Architektur gearbeitet, ohne sich formelhaft zu wiederholen. Der weniger strenge Einzelgänger als seine Kollegen wurde aber stets unterschätzt. Wie so viele Künstlerporträts gerät auch diese Doku mitunter zu einer einstimmigen Lobhudelei, doch die Kamerafahrten durch die undurchsichtigen Gebäude voller Überraschungen lassen über diese Einseitigkeit hinwegsehen. Danach möchte man nicht mehr in die städtische Schuhkartonarchitektur zurück. CHRISTIAN MEYER Der Film löst beim geneigten Betrachter ungefähr alle fünf Minuten ungläubiges Kopfschütteln aus: Was Regisseur Valentin Thurn bei seinen Recherchen in Europa, Asien und den USA über den verschwenderischen Umgang mit Lebensmitteln zusammengetragen hat, schlägt der Abfalltonne den Boden aus. Zu vieles wandert bereits vor Ablauf des Haltbarkeitsdatums in den Müll, große Teile des Gemüses kommen erst gar nicht in den Handel, weil Verbraucher nur bestimmte Farben, Formen und Größen akzeptieren. Produzenten und Konsumenten sind gleichermaßen aufgefordert, dem ruinösen Ressourcenverbrauch ein Ende zu setzen. Wie das gehen und der Einstieg in eine echte Kreislaufwirtschaft gelingen könnte, zeigt diese gelungene Dokumentation anhand von ausgewählten Beispielen. MICHAEL HERMANN INFINITE SPACE USA 2008 - Doku - Regie Murray Grigor - Kamera Hamid Shams - mit: Sir Sean Connery, Karol Lautner Peterson, Frank Gehry - Verleih: Salzgeber Start: 22.9. DO: sweetSixteen TASTE THE WASTE D 2011 - Dokumentarfilm - Regie: Valentin Thurn - Kamera: Roland Breitschuh Verleih: W-Film Start: 8.9. DO: sweetSixteen www Ungleiches Gaunertrio Ein Körper, zwei Seelen Solo für 2 Verbrechen lohnt sich nicht „Transfer“ von Damir Lukacevic „Easy Money“ von Daniél Espinosa Ein altes Paar will noch einmal gemeinsam jung sein und zieht in zwei gesunde Spender-Körper um. C Gelungenes Sci-Fi-Drama Drei Männer geraten in Stockholms Unterwelt zwischen Freundschaft und Verrat. C Spannender Krimi In naher Zukunft besteht die Möglichkeit, die Persönlichkeit eines Menschen in den Körper eines anderen zu transferieren. Ein Traum für alle (reichen) Rentner! Die Ganzkörper-Spender werden entlohnt und dürfen in der Schlafphase ihrer neuen Besitzer vier Stunden täglich sie selbst sein. Ein deutsches Rentnerpärchen (Hans-Michael Rehberg, Ingrid Andree) nistet sich in die Körper von Sarah (Regine Nehy) und Apolain (BJ Britt) ein, zwei junge Afrikaner, die aus existenzieller Not heraus ihre Körper verkaufen. Der Film begleitet die vier Seelen in den zwei Körpern und spinnt die originelle Ausgangsidee klug weiter. Spannender, von einem gelungenen Soundtrack begleiteter Science Fiction-Film mit gesellschaftskritischen Akzenten. HARTMUT ERNST TRANSFER Internationales Fantasy Film Festival Brüssel 2011: Silberner Rabe D 2010 - Drama/Sci Fi - Regie: Damir Lukacevic - Kamera: Francisco Dominguez - mit: Ingrid Andree, BJ Britt, Hans-Michael Rehberg - Verleih: Kinostar Start: 22.9. DO: sweetSixteen www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino Mit seiner geplanten Krimi-Trilogie, deren Anfang „Easy Money“ bildet, möchte Daniél Espinosa eines klar stellen: Verbrechen lohnt sich nicht. Das ist zumindest die Quintessenz dieses Thrillers, der drei Männer durch Stockholms Unterwelt begleitet. Ein Drogen-Schmuggler, ein Geldeintreiber und ein BWLStudent geraten in einen brutalen Sog aus Gewalt und Verrat. Drei Kriminelle, von denen man am Ende keinem den Tod wünscht. Denn, und das ist das Kunststück dieses in kühles Gegenlicht getauchten Thrillers, Espinosa zeichnet drei Typen mit Seele. Der Fokus liegt dabei auf JW, dem Studenten, der – anfangs noch unverdorben – in den Abgrund rutscht. Ein gelungener, knackig geschnittener Krimi mit Tiefgang. HARTMUT ERNST EASY MONEY Guldbagge Awards 2011: Bester Darsteller (Joel Kinnaman), Beste Kamera (Aril Wretblad) S/DK/D 2009 - Thriller - Regie: Daniel Espinosa - Kamera: Aril Wretblad - mit: Dragomir Mrsic, Joel Kinnaman, Lisa Henni - Verleih: Senator Start: 15.9. DO: Cinestar, E: Cinemaxx, MÜL: Cinemaxx, OB: Cinestar 44 44 Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet Roter Teppich Noch hat er nichts zu befürchten: Moritz Bleibtreu als jüdischer Kunsthändler Victor Kaufmann in „Mein bester Feind“ „Ein Film ist für mich kein Anlass, mich aufzuregen“ Moritz Bleibtreu über „Mein bester Feind“, die Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit und internationale Dreherfahrungen Als Sohn des Schauspielerpaares Monica Bleibtreu und Hans Brenner kam Moritz Bleibtreu schon als Kind erstmals mit seinem zukünftigen Beruf in Berührung. Zum Star wurde er vor mehr als zehn Jahren mit Filmen wie „Knocking on Heaven’s Door“ und „Lola rennt“. In der Zwischenzeit ist er zu einem der größten deutschen Kassenstars avanciert, der auch in internationalen Produktionen wie Steven Spielbergs „München“ oder „Ein Leben für ein Leben“ an der Seite von Jeff Goldblum reüssierte. In „Mein bester Feind“ unter der Regie von Wolfgang Murnberger ist er aktuell wieder im Kino zu sehen. Sie kannten im Vorfeld die anderen Arbeiten Wolfgang Murnbergers. Hatten Sie schon eine bestimmte Vorstellung, wie die Dreharbeiten ablaufen könnten? Nicht wirklich, nein. Mal abgesehen davon, dass ich ein Fan von Murnbergers Filmen bin und ich ihn für einen ganz, ganz großartigen Regisseur halte, und wir uns dann schon im Vorfeld ganz ausgezeichnet verstanden haben und menschlich unheimlich gut miteinander zurechtgekommen sind, kann man trotzdem nie vorher wissen, was passiert, wenn man dann am Set steht. Das hat sich irgendwie noch als Sahnehäubchen der Sache dargestellt. Durch die Masse an Erfahrung und die Vielzahl der Filme, die er gemacht hat, weiß er auf eine sehr genaue und geradezu magische Weise, was er macht und was er will. Für einen Schauspieler ist das eine sehr angenehme Arbeitsweise, weil Murnberger kein Zweifler ist. trailer: Herr Bleibtreu, Joseph Goebbels bei Oskar Roehlers „Jud Süss“ und nun ein jüdischer Kunsthändler: Lieben Sie diese Extreme? Moritz Bleibtreu: Ich liebe grundsätzlich Extreme, das stimmt. Aber in diesem konkreten Fall hat das mit der Rollenauswahl nicht so viel zu tun, denn ich kann ja nicht bestimmen, was mir Sie sind unglaublich produktiv, allein in den angeboten wird. Das ist immer Zufällen unter- letzten drei Jahren waren es mehr als ein Dutworfen, was an Drehbüchern auf meinem Tisch zend Filme. Gibt es Filme oder Rollen, mit delandet. Es war ein riesengroßer Zufall, dass sich nen Sie im Nachhinein nicht so zufrieden sind? diese beiden Rollen derart die Klinke in die Hand Ja, eine Menge! Grundsätzlich ist es so, dass ich nie gegeben haben. Da scheint das hundertprozentig zufrieden bin „Ich bin nie hundertprozentig Leben eher die Extreme zu liemit dem, was ich mache. Egal, ob zufrieden mit dem, was ich ben als ich. Beides sind sehr es nun der Film ist, an dem ich etmache.“ anspruchsvolle und herausforwas auszusetzen habe, oder meidernde und vielleicht auch komplizierte Filme, in- ne Darstellung, die hier oder dort verbesserungssofern haben sie beide mein Interesse gefunden. würdig gewesen wäre. Das muss aber auch so sein. Wenn Selbstkritik verschwindet, dann kann man Zur Halbzeit ändert der Film recht radikal sei- sich eigentlich einen anderen Beruf suchen. Einige ne Tonart. Was hat Ihnen mehr Spaß gemacht, Sachen finde ich gelungener, andere eher weniger, die doch recht realistische Geschichtsstunde aber eigentlich gibt es immer etwas, was ich zu der ersten Hälfte oder die Verwechslungsfarce, bemäkeln habe. Aber das sind Sachen, die ich mit die danach einsetzt? mir selber abmache und auch nicht teile, denn ich Für mich gehört das irgendwie zusammen. Es ist halte es auch nicht für notwendig, so etwas zu klar, dass das Ganze in der Mitte einen komödian- diskutieren. In Deutschland gibt es immer dieses tischen Zug bekommt, der bei einer Bodyswitch- wahnsinnige Bedürfnis, Dinge zu diskutieren, die Geschichte natürlich dazugehört. Umso wichtiger nicht funktioniert haben. Ich diskutiere viel lieber war, dass man im ersten Drittel das dramatische über Dinge, die ich gelungen finde. Ich mache LeuFundament etablierte, auf dem das Ganze steht. ten lieber Komplimente, als sie darauf hinzuweiDas zeichnet den Film auch aus. Diesen Draht- sen, dass ich etwas blöd fand (lacht). Wenn ein seilakt, sich die Komödie zu trauen, ohne dabei Film fertig ist, kann man an ihm sowieso nichts das dramatische Fundament zu vergessen, hat er mehr ändern, dann macht es auch keinen Sinn, gut hinbekommen. stundenlang darüber zu lamentieren, was daran www Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait... 45 nicht gelungen ist. Ein Film, auch wenn es nicht mein eigener ist, ist für mich nie ein Anlass, mich aufzuregen. Wenn ich einen Film schlecht finde, dann gehe ich raus. Ich verstehe die Emotionen, die da hochkochen, nicht so ganz und dass man unbedingt kundtun will, wie schlecht man etwas gefunden hat. Ich nehme das hin und sage mir, „Es hätte besser sein können“, versuche, daraus zu lernen, und feiere das ab, was mir gefällt. Sie spielen auch immer wieder in internationalen Produktionen, gerade haben Sie für Fernando Mereilles neben Anthony Hopkins und Jude Law in „360“ vor der Kamera gestanden. Was unterscheidet Ihrer Meinung nach solche internationalen Produktionen von deutschen? Eigentlich gar nichts. In dem Moment, in dem eine Arbeit vor der Kamera stattfindet – und das ist das Tolle an der Schauspielerei oder am Filmemachen, das ist eine universelle, internationale Sprache, ähnlich wie die Musik – wenn sich verschiedene talentierte Leute aus unterschiedlichen Ländern treffen, dann funktioniert das. Natürlich haben wir hier in Deutschland eine Bewunderung für alles, was aus Amerika kommt. Das große Hollywood ist noch immer was ganz Besonderes und ganz Spezielles. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, es wäre für mich nichts Besonderes, mit Jude Law vor der Kamera zu stehen. Auf der anderen Seite ist es so, dass es sich, wenn man zwei Tage mit denen gedreht hat, irgendwie eingrooved und man ganz normal mit denen arbeitet. Natürlich ist es was Besonderes, mit Leuten wie Fernando Mereilles zu arbeiten, der „City of God“ oder „Der ewige Gärtner“ gemacht hat. Da ist es für mich eine Ehre, dabei sein zu dürfen. Oder überhaupt Dialoge sprechen zu dürfen, die Peter Morgan geschrieben hat, der wahrscheinlich momentan zu den besten Drehbuchautoren der Welt gehört. Das ist was ganz Besonderes und war sehr toll, und ich schätze auch, dass das ein ziemlich guter Film wird. INTERVIEW: FRANK BRENNER Lesen Sie die Langfassung des Interviews unter: www.trailer-ruhr.de/roter-teppich www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino Kino.Ruhr culture club Film-Preview NRW-Previewtour „Über uns das All“ Mehr Infos unter „NRW-Film“, Seite 38 Bevor der Film „Über uns das All“ nach seiner Uraufführung auf der Berlinale auch in den Kinos zu sehen ist, sind die Schauspieler Sandra Hüller und Felix Knopp im September gemeinsam mit Regisseur und Drehbuchautor Jan Schomburg für eine NRW-Previewtour unterwegs. In dem Drama wird Martha (Sandra Hüller) überraschend mit dem Selbstmord ihres Ehemanns Paul (Jan Schomburg) konfrontiert – und muss begreifen, ihn anscheinend nie richtig gekannt zu haben. Doch anstatt sich der Trauer hinzugeben, beginnt sie entgegen aller Konvention ein neues Leben mit einer neuen Liebe. Dortmunder U Leonie-Reygers-Terrasse, Dortmund www.dortmunder-u.de trailer verlost 5x2 Karten. E-Mail bis 5.9. an verlosung@trailer-ruhr.de, Kennwort: All-Preview Do, 8.9. um 19.30 Uhr culture club Beagle Henri ist nicht mehr aus dem sweetSixteen wegzudenken „Wir sind die Bewahrer des Filmguts“ Die drei MacherInnen des Dortmunder Kinos sweetSixteen sind sesshaft geworden. Mit viel Liebe und einer gehörigen Portion Selbstausbeutung sind Peter Fotheringham, Frank Haushalter und Suse Solbach seit fast zehn Jahren mit ihren legendären 16mm Film-Events am Start. Seit 2009 betreiben die Sweeties nun das Kino im Depot und haben einen der schönsten Kulturräume in der Dortmunder Nordstadt geschaffen. trailer: Herr Peter Fotheringham, wie ging es los? Peter Fotheringham: Wir haben mit fünf Personen gestartet, die sich aus den Programmkinos in Dortmund kannten. Wir mussten zusehen, wie ein Kino nach dem anderen geschlossen hat und nach einer Woche da ein KikMarkt drin war. Wir wollten versuchen, dem etwas Positives entgegen zu setzen und haben einmal im Monat Filmclub-Veranstaltungen mit 16mmFilmen im Depot veranstaltet. Wart Ihr auch an anderen Orten? Wir haben gleich im ersten Jahr ein Open Air-Kino gemacht, was uns beinahe ruiniert hätte und auch einen Kollegen gekostet hat. Es hat in Strömen geregnet. Wir standen bis zu den Knien im Wasser, hatten unser ganzes Geld da rein gesteckt, unseren ganzen Enthusiasmus. Und dann saßen da drei Leute mit Regenschirmen (kichert). Was hat euch geritten dann im Jahr 2009 im Depot ein festes Kino zu starten? Wir finden die Filme, die in Dortmund laufen okay, aber es gibt ja noch Hunderte andere Filme, die hier kein Forum finden, weil sie vielleicht nicht kommerziell genug sind. www Kino Café The King’s Speech England 1936: Die Insel krönt ihren König George VI. Der Weg dahin ist steinig, denn der Regent stottert. Kein Arzt erwirkte bisher Heilung. Bis sich Bertie an den Sprachtherapeuten Lionel Logue (Geoffrey Rush) wendet, der in seiner Praxis unorthodox, aber effektiv vorgeht. Tragikomisch nähert sich der Film dem historisch verbürgten Stoff, in dem einem repräsentativen Mitglied des Königshauses die Worte fehlen. UCI Kinowelt Ruhr Park Am Einkaufszentrum, Bochum I Karten 0234 239 02 34 UCI Kinowelt Duisburg Neudorfer Straße 36-40 I Karten 0203 301 91 91 www.uci-kinowelt.de Woher weiß man, welcher Film erfolgreich sein wird? Wenn der Verleih mit 350 Kopien startet und einen erheblichen Werbeetat hat, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es ein erfolgreicher Film wird, sehr hoch. Das sind die Filme, die dann über Wochen die Säle blockieren. Zeitgleich erscheinen oft 20 neue Filme von kleineren Verleihen, unbekannten Regisseuren, die nur 1-3 Filmkopien haben, kaum Werbung machen, die also kein Mensch kennt. Und die haben wir vermisst. Zeigt ihr noch 16mm? Wir sind die Bewahrer des Filmguts. Wir haben über 600 Filme. Einmal im Monat machen wir den 16mm Filmclubabend (FWU). Die Zuschauer wählen aus einer Vorauswahl selbst fünf Filme aus. Am Ende des Abends suchen sie sich dann den Schönsten aus. Was ist im sweetSixteen noch anders als im üblichen Kinobetrieb? Unser Kinderwagenkino ist noch was Besonderes. Junge Eltern können ihre Babies mitnehmen ins Kino. Der Ton ist etwas leiser, das Licht bleibt gedimmt an, wir bauen für die Babies eine Spielwiese, es gibt einen Wickeltisch und Kaffee und frische Waffeln. Die Babies dürfen allerdings nicht älter als 12 Monate sein. INTERVIEW/FOTO: BETTY SCHIEL www.sweetsixteen-kino.de Lesen Sie die Langfassung des Interviews unter: www.trailer-ruhr.de/kino-ruhr trailer verlost 3x2 Karten. E-Mail bis 29.8. an verlosung@trailer-ruhr.de, Kennwort: „King’s Speech Bochum“ oder „King’s Speech Duisburg“ Mi, 5.10. um 14.30 Uhr 46 www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino Neue Filme Männerherzen ... und die ganz, ganz große Liebe D 2011 - Komödie - Regie: Simon Verhoeven - Verleih: Warner - Start: 15.9. Der erste Teil war ein absoluter Publikumsliebling – und so darf von Justus von Dohnányi über Christian Ulmen bis Til Schweiger noch einmal die bekannte Handvoll Großstadtmänner mitsamt Macken antanzen, oder besser: singen. Trefflich besetzte, romantische Komödie über Schlagerstars, Bauernhöfe, Dates, Vatersorgen und – natürlich – Beziehungskomplikationen HE BO: Bofimax, UCI Union, DU: UCI, E: Cinemaxx, Lichtburg, GE: Apollo, Schauburg, HE: Filmwelt, MÜL: Cinemaxx, Cinemotion, OB: Cinestar, Lichtburg Glee on Tour - Der 3D Film USA 2011 - Komödie - Regie: Kevin Tancharoen - Verleih: Fox - Start: 22.9. Wem die Casting-Shows im Fernsehen nicht genug sind, darf nun 14 preisgekrönte Jungschauspieler der US-TV-Serie „Glee“ bestaunen, die von 3D-Kameras begleitet eine ausverkaufte Konzerttournee durch die Vereinigten Staaten hinter sich bringen. Showbiz, Musical-Revue, Backstage-Report: Der Film gibt (unkritische) Einblicke in den Wahnsinn des zeitgenössischen Nachwuchs-Hypes. HE BO: Bofimax, GE: Apollo Da waren sie noch Freunde: Victor (Moritz Bleibtreu) und Rudi (Georg Friedrich) Kleider machen Leute „Mein bester Feind“ von Wolfgang Murnberger Vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs waren der Jude Victor und Rudi die besten Freunde. Rudi ist zu den Nazis übergelaufen und hat diesen von einem wertvollen Gemälde erzählt, das sich im Besitz von Victors Familie befindet. Danach überschlagen sich die Ereignisse. C Verwechslungskomödie im Dritten Reich Komödien, die in der Zeit des Zweiten Weltkriegs spielen, sind nach wie vor eine Seltenheit, weil sie sich auf dünnes Eis begeben. Es ist nicht einfach, die Balance zu halten zwischen guten Gags und der Gefahr, die Gräueltaten jener Zeit auf unverantwortliche Weise zu verharmlosen. Insbesondere die Deutschen haben hier ein Problem, dem sie sich besser gar nicht erst stellen, anstatt in diese Falle zu tappen. Dani Levy, immerhin ein jüdischer Filmemacher, hat es mit „Mein Führer“ 2006 versucht und auch ganz gut gemeistert, doch er blieb die sprichwörtliche Ausnahme von der Regel. Nun hat sich der Österreicher Wolfgang Murnberger an der Thematik versucht, als Vorlage diente ihm dabei der Roman „Wie es Victor Kaufmann gelang, Adolf Hitler doch noch zu überleben“ aus der Feder von Paul Hengge, der hier auch das Drehbuch geschrieben hat. Mit dem Ergebnis haben die beiden nun zwar nicht gerade Schiffbruch erlitten, es ist allerdings doch anders ausgefallen, als man vielleicht erwartet hätte. Wolfgang Murnberger ist derzeit einer der erfolgreichsten Komödienregisseure Österreichs, der mit der Filmreihe um den Privatdetektiv Brenner („Komm, süßer Tod“, „Silentium“, „Der Knochenmann“) auch hierzulande Erfolge verbuchen konnte. Sein skurril-respektloser Witz, der die Filme mit Josef Hader zu Musterbeispielen des düsteren alpenländischen Humorverständnisses gemacht hat, schimmert bei „Mein bester Feind“ nur noch in einigen wenigen kleinen Bonmots durch. Die gesamte erste Hälfte des Films ist sogar todernst in Szene gesetzt, wenn vom Zerbrechen einer Freundschaft und dem Aufkommen des Nationalsozialismus in Österreich berichtet wird. Ziemlich genau zur Halbzeit vollzieht sich dann der Wandel, wenn Victor und Rudi gemeinsam in einem NS-Flugzeug abgeschossen werden und als einzige den Absturz überleben. Victor tauscht mit dem verletzten Rudi die Rollen, schlüpft in die Uniform des SS-Schergen und degradiert Rudi zu seinem jüdischen Gefangenen. Die Posse kann eine ganze Zeit lang aufrechterhalten werden und liefert entsprechend den Nährboden für eine humorvolle Verwechslungsund Verkleidungsgeschichte. Diese erreicht allerdings nie den zynischen Witz von Murnbergers vorangegangenen Filmen, sondern bleibt eher zurückhaltend. Das gibt dem Zuschauer die Gelegenheit, sich über die Absurdität von Vorurteilen Gedanken zu machen, die mit Kleidung und Verhaltensweisen einhergehen. Der ernste Hintergrund des Thematisierten schimmert immer wieder durch und steht einer ausnahmslos witzigen Aufbereitung im Wege. Vielleicht war diese aber auch gar nicht intendiert, und es geht den Filmemachern viel eher darum, den jüdischen Protagonisten als wahren Helden und Sieger zu zeichnen. Darüber, dass dadurch die Tatsachen auf unschöne Weise ausgeblendet werden, sehen wir mal wohl wollend hinweg. www Final Destination 5 USA 2011 - Horror - Regie: Steven Quale - Verleih: Warner - Start: 25.8. Das Lieblingsspiel von Gevatter Tod geht in die fünfte Runde, und das wiederholt in 3D: Diesmal retten die hellseherischen Fähigkeiten eines Jugendlichen eine Handvoll Mitmenschen vor dem sicheren Tod. Vorerst. Denn den Sterbeplan mag man durchkreuzen, aber nur schwerlich vereiteln. Der Sensenmann denkt sich wieder originelle Überlebensspiele aus. Wuchtiger Metzelspaß. HE BO: Bofimax, UCI, DO: Cinestar, DU: UCI, E: Cinemaxx, GE: Apollo, HE: Filmwelt, MÜL: Cinemaxx, Cinemotion, OB: Cinestar FRANK BRENNER Vergiss dein Ende MEIN BESTER FEIND D 2011 - Drama - Regie: Andreas Kannengießer - Verleih: Basis - Start: 22.9. Günther (Dieter Mann) ist 65, sein Lebensgefährte ist soeben an Krebs gestorben. Die gleichaltrige Hannelore (Renate Krößner) pflegt ihren an Demenz erkrankten Mann Klaus (Hermann Beyer). Die beiden schicksalsgebeutelten Nachbarn reißen aus: Günther will sich am Meer das Leben nehmen, Hannelore folgt ihm. Ein besinnliches Drama über das Leben mit Krankheit, Pflege und Tod. HE A/LUX 2011 - Komödie / Tragikomödie - Regie: Wolfgang Murnberger - Kamera: Peter von Haller - mit: Moritz Bleibtreu, Ursula Strauss, Georg Friedrich Verleih: Neue Visionen Start: 1.9. BO: Casablanca/Metropolis, DO: Roxy, DU: Filmforum BO: Endstation Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet 47 www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino Interview Neue Filme Gianni mit seiner strengen Mama Zweisam einsam „Gianni und die Frauen“ von Gianni Di Gregorio Eigentlich hat sich Gianni schon in seinem geregelten Vorruhestand-Leben eingerichtet. Doch dann überkommt den Endfünfziger der „Dritte Frühling“ C Abgesang auf Altmänner-Phantasien In seinem Regie-Debüt „Das Festmahl im August“ (2008) erzählte der Schauspieler und Drehbuchautor (u.a. „Gomorrah“) Gianni Di Gregorio von einem arbeitslosen Römer, der sich an Maria Himmelfahrt nicht ganz freiwillig um seine Mutter und drei weitere Seniorinnen kümmern muss. Der vor allem durch das natürliche Spiel der vier Laiendarstellerinnen überzeugende Film gewann zahlreiche Preise auf internationalen Filmfestivals. Nun kehrt Gianni mit seiner aristokratischen Film-Mama – der wunderbaren 96jährigen Valeria Di Franciscis Bendoni – auf die Leinwand zurück. Diesmal als Frührentner, der mit seiner noch arbeitenden Frau und der fast erwachsenen Tochter in einer bescheidenen Wohnung im römischen Stadtteil Trastevere zusammenlebt, aus der der Sex schon längst ausgezogen ist. Seine verschwendungssüchtige Mutter wohnt dagegen in einer feudalen Villa und verprasst, mit ihren Freundinnen Champagner schlürfend, Giannis Erbe. Ein Versuch von ihm und seinem Busenfreund Alfonso (Alfonso Santagata), sie ins Altersheim abzuschieben, scheitert kläglich an ihrem immer noch hellwachen Geist. Als der in den Tag hinein lebende Gianni entdeckt, dass sein vergreister Nachbar ab und an hinter der Theke eines kleinen TanteEmma-Ladens verschwindet, um die dralle Besitzerin zu befingern, macht er sich auf die Suche nach einer Affäre, die seine verloren geglaubte Libido wiedererwecken soll. Doch sein Versuch, das Leben noch einmal zu leben, scheitert sowohl bei seiner ersten großen Liebe Valeria (Valeria Cavalli) wie auch bei der schönen Haushälterin (Kristina Cepraga) seiner Mutter und der gegenwärtigen, heimlichen Liebe Gabriella (Gabriella Sborgi). Di Gregoria hat diesen verzweifelten Versuch, die Jugend und die Liebe zurück zu holen und dem Alter und der Einsamkeit zu trotzen, mit einem Hauch von Wehmut und zärtlichem Humor überzogen. Dabei porträtiert er nicht nur einfühlsam die Lebenswelt älterer Menschen, sondern bezieht auch ihr soziales Stadtteil-Umfeld fernab jeder Touristen-Romantik in die Handlung mit ein. Die unspektakulären aber atmosphärisch stimmigen Bilder von Kameramann Gogo Bianchi und die autobiographischen Züge der von Di Gregorio selbst gespielten Titelfigur verleihen dem präzis beobachtenden Film dabei einen fast dokumentarischen Charakter. Tatsächlich hatte sich Di Gregorio doch selbst jahrelang um seine verwitwete Mutter gekümmert. So verfängt sich seine Inszenierung nie in der lauernden Klischeefalle, bedient weder die heute gängig gewordene, spätpubertierende Gag-Schiene, noch macht er sich auf Kosten seiner Protagonisten lustig. Ganz unaufgeregt taucht er in eine Welt ein, die das Kino leider allzu selten entdeckt. So entwickelt man viel Sympathie für die jederzeit authentisch wirkenden Darsteller und bisweilen mündet unser Schmunzeln auch in nachdenkliche Selbsterkenntnis. ROLF-RUEDIGER HAMACHER GIANNI UND DIE FRAUEN I 2011 - Komödie / Drama - Regie: Gianni Di Gregorio - Kamera: Gianenrico Bianchi mit: Gianni Di Gregorio, Gabriella Sborgi, Teresa Di Gregorio - Verleih: Neue Visionen Start: 22.9. BO: Casablanca/Metropolis, DO: Roxy, E: Filmkunsttheater Hut stand ihm schon immer gut: Harrison Ford als beinharter Colonel Woodrow Dolarhyde in „Cowboys & Aliens“ „Ich war nie ein großer Kinogänger“ Harrison Ford über „Cowboys & Aliens“ und seine Genrevorlieben Er hat in einigen der erfolgreichsten Filme aller Zeiten mitgespielt und galt als kassenträchtigster Star des 20. Jahrhunderts: Harrison Ford hat mit seinen Auftritten als Han Solo in der Originaltrilogie von „Krieg der Sterne“ und den vier „Indiana Jones“-Filmen Popcorn-Kinogeschichte geschrieben. Auch in seinem neuen Film „Cowboys & Aliens“ bedient der mittlerweile fast 70jährige Leinwandstar wieder das Image des furchtlosen Draufgängers, wenngleich auch mit Augenzwinkern. trailer traf Harrison Ford in Berlin zum Interview. trailer: Mr. Ford, Sie sehen cool aus als Cowboy. Würden Sie gerne mehr Western drehen? Harrison Ford: Nicht direkt im Anschluss, obwohl es schon ziemlich spaßig für einen Schauspieler ist, in einem Western mitzuspielen. Ich hatte schon eine ganze Weile keinen mehr gedreht, deswegen habe ich mich über die Gelegenheit gefreut, einige schöne Szenen im Freien an einem tollen Ort zu drehen. Es hat mir Spaß gemacht. Ich habe gelesen, dass es eine Weile dauerte, bis Sie für „Cowboys und Aliens“ zugesagt haben. Was ließ Sie zögern? Das Drehbuch hatte mich nicht sonderlich angesprochen, wobei ich gestehen muss, dass ich zunächst lediglich die ersten dreißig Seiten gelesen hatte. Danach war ich der Ansicht, dass es für mich nicht das Richtige sei. Dann hat man mich davon überzeugt, auch den Rest des Drehbuchs noch zu lesen. Dabei habe ich dann Feuer gefangen für meine Figur, die eine gute Herausforderung für mich werden konnte, wenn der Tonfall des Films stimmen würde. Deshalb habe ich mich mit Jon Favreau (dem Regisseur, die Red.) getroffen, und in meinen Gesprächen mit ihm konnte er mich davon überzeugen, dass er den richtigen Tonfall des Films hinbekommen würde. Ich hatte mich zunächst vom humorvollen Titel „Cowboys & Aliens“ irreführen lassen. Aber es gefiel mir gut, dass Favreau einen ernsten Genrewestern daraus machen wollte. www Welches Genre bevorzugen Sie persönlich, sehen Sie sich lieber einen Alienfilm oder einen Western an? Ich habe keine Genrevorlieben, ich bin ein Fan von guter Filmkunst und gutem Geschichtenerzählen. Ich habe Filme nie besonders intensiv studiert und war auch nie ein großer Kinogänger. Deswegen habe ich keine besonderen Vorlieben, für die ich mich begeistere. Stimmt es, dass „Blade Runner“ nicht gerade einer Ihrer Lieblingsfilme ist? Das ist nun schon eine ganze Weile her. Wir haben damals 54 Nachtdrehs am Stück absolviert, das waren ziemlich anstrengende Dreharbeiten. Ich war damals nicht unbedingt immer einer Meinung mit den Leuten, mit denen ich an dem Film zusammenarbeitete. Aber ich glaube, dass ich mittlerweile ihren Standpunkt verstehen kann und sie auch meinen verstehen. Der Film hat aber ohnehin ein Eigenleben entwickelt, ganz unabhängig davon, ob er mir gefällt oder nicht. INTERVIEW: FRANK BRENNER Lesen Sie die Langfassung des Interviews unter: www.trailer-ruhr.de/roter-teppich www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino 48 48 Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet Neue Filme Die drei Musketiere Freunde mit gewissen Vorzügen F/D/USA/GB 2011 - Abenteuer - Regie: Paul W.S. Anderson - Verleih: Constantin - Start: 1.9. USA 2011 - Komödie - Regie: Will Gluck - Verleih: Sony - Start: 8.9. Klar, dass nun auch Alexandre Dumas‘ Klassiker fürs 3D-Revival herhalten muss: D’Artagnan (Logan Lerman) und die drei schlagfertigen, unzertrennlichen Klingenschwinger wollen den drohenden Krieg zwischen Frankreich und England vereiteln. Mit Mads Mikkelsen, Christoph Waltz und Milla Jovovich sind vor allem die Schurken in diesem Mantel- und Degen-Film nett besetzt. HE Jamie ist Headhunterin und lockt Dylan nach New York. Zwischen beiden funkt es, doch sie einigen sich auf Sex ohne Liebe. Dass pure Freundschaft zwischen Mann und Frau nicht unproblematisch ist, hat inzwischen schon so mancher Harry mancher Sally verklickert. Diese romantische NY-Komödie zeigt erneut, wie schwer man sich mit Regeln in Sachen Liebe tut. HE BO: Bofimax, UCI, DO: Cinestar, DU: UCI, E: Cinemaxx, GE: Apollo, Schauburg, HE: Filmwelt, MÜL: Cinemaxx, Cinemotion, OB: Cinestar, Lichtburg BO: Bofimax, UCI, Union, DO: Cinestar, DU: UCI, E: Cinemaxx, GE: Apollo, HE: Filmwelt, MÜL: Cinemaxx, Cinemotion, OB: Cinestar, Lichtburg Prom – Die Nacht deines Lebens Colombiana USA 2011 - Komödie - Regie: Joe Nussbaum - Verleih: Disney - Start: 25.8. F 2011 - Action / Thriller - Regie: Olivier Megaton - Verleih: Universum - Start: 15.9. Der Abschlussball und der damit einhergehende Abschied junger Amerikaner von der Highschool hat genreübergreifend schon so einiges Futter fürs Kino beschert. Dieses romantische Drama kreist um Nova Prescott (Aimee Teegarden), ihre heimliche Liebe (Thomas McDonell), ihre Freundinnen, um Loser, Bad Boys und die üblichen Erwartungen und Geheimnisse. HE Mit neun Jahren wird Cataleya Zeugin der Ermordung ihrer Eltern. 12 Jahre später ist die Kolumbianerin zum heißen Killerkätzchen herangereift und begibt sich auf den bleihaltigen Rachefeldzug gegen Mafiaboss Don Luis (Beto Benites). Routinierter, kurzweiliger Actionfilm von Olivier Megaton („Transporter 3“) mit Zoë Saldana („Star Trek“, „Avatar“) in der Hauptrolle. HE E: Cinemaxx, GE: Apollo, MÜL: Cinemaxx, Cinemotion BO: Bofimax, UCI, DO: Cinestar, DU: UCI, E: Cinemaxx, GE: Apollo, MÜL: Cinemaxx, Cinemotion, OB: Cinestar Conan Kill the Boss USA 2011 - Action - Regie: Marcus Nispel - Verleih: Warner - Start: 8.9. USA 2011 - Komödie - Regie: Seth Gordon - Verleih: Warner - Start: 1.9. 1982 durfte sich Arnold Schwarzenegger als Conan metzelnd aus der Versklavung befreien. In der Neuadaption schlüpft Model Jason Momoa in die Rolle des Barbaren, der den Mord an seinen Eltern rächen und Seinesgleichen befreien will. Dabei stellen sich ihm Schlangen, Hexen, Monster und Erzschurke Khalar Zym (Stephen Lang) in den Weg. Wuchtiges 3D-Fantasy-Spektakel. HE Der Titel ist Programm: Aus der Bierlaune heraus beschließen drei Freunde (Jason Bateman, Jason Sudeikis, Charlie Day), ihre Arbeitgeber (Jennifer Aniston, Colin Farrell, Kevin Spacey) ins Jenseits zu befördern. Logistische Unterstützung erhalten sie von einem Ex-Knacki (Jamie Foxx). Der Plan steht – doch dann kommt alles anders. Freche Man-Boy-Comedy. HE BO: Bofimax, UCI, DO: Cinestar, DU: UCI, E: Cinemaxx, GE: Apollo, HE: Filmwelt, MÜL: Cinemaxx, Cinemotion, OB: Cinestar BO: Bofimax, UCI, DO: Cinestar, DU: UCI, E: Cinemaxx, GE: Apollo, HE: Filmwelt, MÜL: Cinemaxx, Cinemotion, OB: Cinestar, Lichtburg Prinzessin Lillifee und das kleine Einhorn What a Man D/F 2011 - Trickfilm - Regie: H. Weiland, A. Niebuhr - Verleih: Universum - Start: 1.9. D 2011 - Kom. / Lovestory - Regie: Matthias Schweighöfer - Verleih: Fox - Start: 25.8. Man nehme eine kleine Prinzessin, ein kleines Einhorn und viel, viel Rosa – fertig ist das neue Abenteuer der Prinzessin Lillifee, das kleine Mädchenherzen wieder höher schlagen lassen wird: Die Heldin muss ein verirrtes Einhorn-Baby zu seiner Mami zurück bringen. Vorher gilt es noch, die Heimat des Findlings von einem Fluch zu befreien. Liebenswert erzählte, quietschbunte Kinderkost. HE Alex (Matthias Schweighöfer) wird von seiner Freundin verlassen – er ist ihr nicht Macho genug. Der Loser holt sich Tipps beim besten Freund und verknallt sich in die beste Freundin (überqualifiziert: Sibel Kekilli). Der Film beinhaltet alle Zutaten einer romantischen Til-Schweiger-Komödie, nur dass Matthias Schweighöfer den Anti-Schweiger spielt: Den sympathischen Loser. HE BO: Bofimax, UCI, DO: Cinestar, DU: UCI, E: Cinemaxx, GE: Apollo, Schauburg, HE: Filmwelt, MÜL: Cinemaxx, Cinemotion, OB: Cinestar, Lichtburg BO: Bofimax, UCI, Union, DO: Cinestar, DU: UCI, E: Cinemaxx, GE: Apollo, HE: Filmwelt, MÜL: Cinemaxx, Cinemotion, OB: Cinestar Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait... www 49 49 www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino Literatur Portrait Rache, Vergeltung und große Liebe Feridun Zaimoglu findet den Stoff zu seinem neuen Roman im Ruhrgebiet Die anatolischen Eltern Feridun Zaimoglus hatten nicht die Absicht, in Deutschland zu bleiben, es ging ihnen – ebenso wie der damaligen Bundesrepublik – nicht um Integration, sondern schlicht ums Arbeiten und Geld Verdienen. Und so erfuhr der Junge wie so viele seiner Generation keine Förderung und besuchte keinen Kindergarten. Als er in München eingeschult wurde, konnte er noch kein Deutsch, war eines der stummen schwarzgelockten Kinder, die im Abseits saßen. Doch anders als viele andere hatte er ein offenes Ohr für den fremdsprachigen Spielfilm, in den er sich hineingeraten wähnte. Er entwickelt ein Gespür für das Gehörte. Eine strenge, aber gerechte Lehrerin und das früh von den Eltern verhängte Verbot, sich mit anderen türkischen Kindern zu treffen, zwingen Feridun Zaimoglu und seine Schwester regelrecht in die deutsche Sprache hinein. Genau wie die deutsche Arbeiterschicht jener Zeit verfolgen auch die Zaimoglus das Ziel, dass es die Kinder einmal besser und leichter haben sollen als sie selbst. Und so wünschte die Mutter, dass der Sohn, der sich anfangs in der Schule schwer tat, aber dann dank eines ungeheuren Motivationsschubs und eiserner Disziplin als Bester seines Abiturjahrgangs abschloss, einmal Arzt werden solle – ein Wunsch, den der Sohn zunächst zu erfüllen versuchte. erfolgreiche Buch, das auch als Bühnenstück und Hörspiel Beachtung fand, sowie den darauf folgenden Roman „Abschaum“ wurde Zaimoglu zunächst als Underdog und Bad Boy der Literaturszene gehandelt. Doch es dauert nicht lange, bis er sich mit weiteren Romanen aus dieser Ecke herausschrieb. 2003 erhielt er beim BachmannWettbewerb den Preis der Jury; viele renommierte Literaturpreise folgten, unter anderem die Nominierung für den Preis der Leipziger Buchmesse. Der Studienabbrecher wurde Gastdozent für Literatur in Berlin und Tübingen. Kernige Männer, echte Menschen In seinem neuen Roman „Ruß“ wendet sich Zaimoglu nun dem Ruhrgebiet und den hier lebenden Menschen zu. Und auch wenn der Anteil türkischstämmiger Mitbürger gerade hier recht groß ist, spielt Einwanderung in diesem Roman keine Rolle: „Es geht um Rache, Vergeltung und eine große Liebesgeschichte. Der Roman spielt in deutschen Verhältnissen“, erläutert Zaimoglu, „eine Hauptfigur hat polnische Wurzeln – aber dort liegen auch die Wurzeln der Arbeiterschaft dieser Region.“ Arbeiterschaft ist das soziale Umfeld, das der Autor für die Geschichte gesucht hat: „Ich möchte mich mit meiner Literatur dort aufhalten, wo es gärt. Das nette Mädchen aus Berlin-Mitte, das abends auf seinem Balkon von einer leichten Melancholie befallen wird, interessiert mich nicht. Ich schreibe über kernige Männer, echte Menschen mit echten Geschichten.“ Diese Menschen hat er im Ruhrgebiet gefunden, zu dem er eine enge Beziehung empfindet, schließlich „wurde ich immer wieder ins Ruhrgebiet eingeladen. Ich habe mich oft dort aufgehalten und habe auch einige Zeit dort gewohnt. Den Plan über Menschen zu schreiben, die im Ruhrgebiet leben und arbeiten, hatte ich schon länger. Vieles Ursprüngliche ist hier abgewickelt worden und ich bedaure es zutiefst, dass die alten Menschen sterben und mit ihnen auch ihre Geschichten. Fabrik- und Zechengelände werden zu Kulturrouten umgewandelt, erhalten einen musealen Wert. Dadurch wird die Beschäftigung mit der ganz realen Arbeitswelt oberflächlich, der touristische Nippes lenkt ab und verklärt. Ich habe mir in den letzten Jahren viele mögliche Schauplätze angesehen, große und kleine Städte des Reviers. Irgendwann stand für mich fest, dass Duisburg die geeignete Kulisse des Buches abgeben würde. Hier ist noch nicht alles so extrem abgewickelt wie in anderen Städten. Duisburg minus Innenhafen, das war’s.“ Der Ton der Straße Im Kern geht es Zaimoglu jedoch nicht um die Orte, die Szenerie, sondern um die Charaktere, die er an Rhein und Ruhr finden konnte: „Am Ruhrgebiet mag ich den Ton, den Menschenschlag, den Umgang miteinander, das dichte Städtenetz auf engem Raum. Als Arbeitersohn finde ich mich hier wieder, die Geschichte trifft bei mir auf fruchtbaren Boden. Ich habe mit Arbeiterinnen und Arbeitern in Rente gesprochen, die sich ihre Würde bewahrt haben. In den Gesprächen habe ich nicht mit dem Blick von außen nach einem Soziotop geforscht – mir ist die Arbeiterkultur mit ihren Eigenarten sehr vertraut.“ Hier kommt Zaimoglus Gabe, genau zu beobachten und sich in sprachliche Eigenarten intensiv einzuhören, wieder zum Tragen. Der Buchpremiere in Mülheim sieht er mit Vorfreude entgegen: „Ich freue mich sehr für die Präsentation des Romans wieder ins Ruhrgebiet zu kommen. Ich werde in zahlreichen Revierstädten lesen. Solche Einladungen sind für mich – und das sage ich nicht nur aus Höflichkeit – von großem Wert. Lesungen sind für mich keine Pflichtveranstaltungen, ich blühe auf, beobachte die Publikumsreaktionen. Dann wird sich erweisen, ob die Geschichte, die ich erdacht habe, auch als „richtig“ empfunden wird. Wenn mir die Leute dort den richtigen Ton bescheinigen, bin ich froh.“ Große Angst, den Ton eventuell nicht getroffen zu haben, muss er sich allerdings nicht machen: „Bei Kiepenheuer & Witsch arbeiten drei Menschen, die aus dem Revier stammen. Diese haben den Tonfall des Buches kritisch beleuchtet und als passend empfunden.“ Schriftstellerisch hat der Autor das Revier allerdings schon wieder hinter sich gelassen. Zur Zeit des Interviews befand er sich auf Recherche-Reise in Österreich, wo er sein nächstes Buch ansiedeln will. Details hierzu wollte er jedoch noch nicht verraten. www Hat sich für seinen neuen Roman „Ruß“ intensiv mit dem Ruhrgebiet und seinen Menschen beschäftigt, Feridun Zaimoglu, Foto: Bettina Fürst-Fastré Vom Abwäscher zum Abschaum Doch schon zu Beginn seines Medizin-Studiums in Kiel beschlichen Feridun Zaimoglu Zweifel. Um die Eltern nicht zu enttäuschen, brach er das Studium nicht sofort ab, begann jedoch nebenbei zu malen und Kunst zu studieren. Erst nach ein paar Jahren zog er die Notbremse und schmiss das Studium. Mit Jobs als Abwäscher in einer Großküche, als Hilfsarbeiter und sogar in einem Schlachthof finanzierte er seine Malerei. Gelesen hat er zu der Zeit höchstens Krimis, „ernsthafte“ Literatur war ihm aus Schulzeiten vergällt. Bis eines Abends in einem Keller beim Rappen mit Freunden ein Wutmonolog aus ihm herausbrach, den er in den Tagen darauf unbedingt zu Papier bringen musste. Die Adresse des Rotbuch-Verlags fand er im Telefonbuch und ohne länger nachzudenken, schickte er sein Skript dorthin. Als dann tatsächlich die Zusage für eine Veröffentlichung kam, konnte es Zaimoglu selbst kaum glauben. „Kanak Sprak“ erschien 1995 und mit einem Schlag wurde der junge Mann als Sprachrohr zorniger junger Migranten gesehen. Hierbei kam ihm sein ausgeprägtes Gespür für sprachliche Eigenheiten zugute. Schließlich umfasst der Band 24 verschiedene fiktive Interviews, in denen er dem Slang der Straße huldigt. Durch dieses immens FRANK SCHORNECK Feridun Zaimoglu: Ruß I Kiepenheuer & Witsch 272 S., 18,99 Euro I Erscheint am 18. August Termine: 14.9. Mülheim Ringlokschuppen, 5.10. Bochum, Mayersche Buchhandlung, 6.10. Dortmund, Mayersche Buchhandlung, 20.10. Essen, Folkwang-Museum, 25.10. Duisburg, Stadtbibliothek 50 Poetry ComicKultur Visuelle Erzählkraft Kaum verzieht sich der Sommer klopft der Herbst an die Tür Der Sommer-Herbstmix: Sombrst Sebastian23 zählt an: zwölf – die Video-Kolumne Manchmal hängt die Wolkendecke so tief, dass die Leute gebeugt gehen müssen. An einem solchen Morgen trug ich einst meinen Kopf durch Kreuzberg. Die Nächte dort sind lang und im Herbst werden sie sogar noch länger. Die Bürgersteige waren eine Hügellandschaft, überall mannshohe Hundehaufen, die ich missmutig umrundete. Auf einem der Gipfel entdeckte ich dabei eine holländische Wandergruppe beim Picknick. Und als ich mich grade darüber wundern wollte, näherte sich unerwartet durch einen Tunnel in einem der Berge ein schlafwandelnder Weinkellner. „Der September ist ein Sommermonat“, sagte der somnambule Sommelier. „Ruf nicht nach dem Herbst, sonst kommt er noch! Bedenke meine Worte: Es ist noch Hochsommer!“ Dann traf ihn eine faustgroße Schneeflocke am Kopf. Er ging zu Boden, wurde aber nach wenigen Momenten von zwei Pinguinen aufgehoben und in eine Höhle gebracht. Einer der Pinguine hat mir so seltsam zugezwinkert, das hat mir den Klimawandel auch nicht grade weniger unheimlich gemacht. Die Graphic Novels werden immer dicker und die Themen immer schwerer: Zwei Künstlerbiografien mit politischem Hintergrund bringt der September. Der Italiener Golo rollt das bewegte und mysteriöse Leben des deutschen Abenteuerromanciers „B. Traven“ auf. „Porträt eines Unbekannten“ lautet der Untertitel, der auf die vielen Namen und Rollen, in die der sozialistische Autor in Mexiko geschlüpft ist, anspielt. Golo berichtet sehr unterhaltsam minutiös und oft spekulativ von dessen (politischen) Abenteuern. Die farbigen Zeichnungen sind aufwändig und der Erzählfluss wird von surrealen Tableaus gegliedert (avant verlag). B. Traven begegnete in Mexiko auch Tina Modotti, Schauspielerin, Fotografin, Revolutionärin und Spionin. Der Spanier Ángel de la Calle berichtet in „Modotti – eine Frau des 20. Jahrhunderts“ von ihrem Leben zwischen Mexiko, Deutschland, Russland und Spanien in groben Zeichnungen, die für einen mühelosen Lesefluss etwas zu klein ausgefallen sind. Das ist schade, ist Modottis Leben doch spannend, und Calles Recherche war sicher aufwändig (Rotbuch). Ein zeichnender Historiker ist auch Joe Sacco. Mit „Gaza“ kehrt er nach Palästina zurück und erforscht die Geschehnisse um zwei Massaker in den 50er Jahren. Sacco befragt vor allem palästinensische Augenzeugen, aber auch israelische Zeitzeugen kommen zu Wort. Zwar ist die Stoßrichtung klar, aber er bemüht sich mit seiner investigativen, im Zeichenstil an Robert Crumb geschulten 400-seitigen Comicreportage um Neutralität (Edition Moderne). Bier und Ta-Back Aber ich hatte keine Zeit, darüber zu grübeln, ich setzte meinen Weg fort, denn ich war natürlich nicht ohne Mission unterwegs. Ich hatte Brötchen zu holen. Und so betrat ich schon kurz darauf die Bäckerei mit dem schönen Namen „Bier und Ta-Back“. In der Auslage fand ich ein Schild auf dem stand: „Auf Wunsch werden auch belegte Brötchen nachgemacht.“ Da sah ich die Bäckereifachfrau mit dem Vollbart sehr gründlich an und sprach: „Machen sie mir doch mal ein Salamibrötchen nach.“ Sie jedoch sah mich an, als wolle sie gleich Mike Tyson nachmachen, der Evander Holyfield das Ohr abbeißt. „Käsebrötchen?“ hakte ich nach. Sie hob langsam den rechten Arm und zeigte mit spitzem Finger auf die Tür. Ich senkte meinen Kopf und murmelte beim Verlassen des brotigen Etablissements Verwünschungen vor mich hin. Lass uns über das Wetter schweigen Doch welch Wendungen hat das Schicksal manchmal für uns parat! Als ich auf die Straße trat, hatte sich die Wolkendecke verzogen und von stahlblauem Himmel ballerte die Sonne herab wie eine Frustabwehrkanone. Ich schöpfte ein gerüttelt Scheffel frischen Mut und wollte grade weiter ziehen, als vor meinen Füßen zwei geschmolzene Pinguine vorbeiflossen. Sie sickerten wirbelnd in einen nahegelegenen Gulli. Es ist eine Unverschämtheit der Schöpfung, dass die Welt dem Klima ausgesetzt ist, dachte ich. Ich komme doch auch ohne Wetter aus. Mein Blick fiel auf die Berglandschaft aus Hundekot, von der eine holländische Wandergruppe fluchend herabeilte. „Potverdikkie! Alles pet! Rotzooi, verdomme! De bergen smelten!“ Einen Moment lang dachte ich noch „Klar smellen die Berge, die sind aus Hundekacke“, aber dann wurde mir klar, dass „smelen“ in Wirklichkeit „schmelzen“ heißt. Und mir fiel eine Schlagzeile ein, die ich mal in der BILD-Zeitung gesehen hatte: „Eine Durchfallwelle schwappt durch Deutschland.“ So ist das mit dem Sommer und dem Herbst. Am besten, man hält stets Fenster und Türen geschlossen. FOTO/TEXT: SEBASTIAN23 Sebastian23 - Die Video Kolumne: Auf youtube und auf trailer-ruhr.de/literatur-nrw Ab und an werden auch noch fiktionale Comics gemacht. Und was für welche: „Asterois Polyp“ ist die erste Graphic Novel des begnadeten Comiczeichners David Mazzucchelli („Stadt aus Glas“). Er erzählt die Lebensgeschichte eines Architekten aus der Perspektive von dessen todgeborenem Zwilling. Nachdem Polyps Wohnung ausbrennt, zieht er die Bilanz seines Lebens. Mazzuchellis Werk ist nicht nur hochphilosophisch, es ist auch eines der überzeugendsten Beispiele eines Comics, der auf jeder Seite vorführt: Das kann man so nur im Comic erzählen. Die visuelle Erzählkraft von „Asterois Polyp“ ist enorm (Eichborn). Auch Jiro Taniguchi hat einen ziemlich einmaligen Stil. Gerade für einen Japaner ist sein Versuch der Entschleunigung bemerkenswert. Mit der zweibändigen Geschichte „Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß“ widmet er sich in leisen Tönen der Beziehung einer Frau Ende 30 und ihres ehemaligen Lehrers. Für europäische Leser ist vor allem die Schilderung restriktiver Gesellschaftsnormen befremdlich und faszinierend zugleich (Carlsen). www „Zwei mal zwei“ von Charles Lewinsky und Andreas Gefe begleitet zwei Paare während der Schwangerschaft. Die einen haben sich abgemüht, die anderen sind ungewollt Schwanger. Man merkt der Geschichte an, dass sie zuvor als Reihe von Onepagern in einer Zeitschrift veröffentlicht wurde – am Ende jeder Seite folgt etwas schematisch die Pointe. Die Farbzeichnungen sind gelungen, das Thema Kinderkriegen ist aber nur wenig originell bearbeitet (Edition Moderne). „Hot Rock“ von Lax ist ordentliche Genreware: John ist frisch aus dem Knast, und schon steht der nächste Coup an – ein Diamantenraub. Doch nach dem Überfall ist der Diamant plötzlich verschwunden. Es beginnt eine scheinbar endlose Jagd. Die Adaption des Romans von Donald Westlake ist in aufwändigen Bildern halb gezeichnet und halb gemalt, die Dramaturgie hält die Spannung bis zuletzt (Schreiber & Leser). CHRISTIAN MEYER 51 Literatur-Kalender Ruhr 22.03.2011 Für immer anders –und Wenn Familien 19.09.2011 Mit Stift, Charme Humor… Zeiten der Trauer erlebenfür ReligionsKarikaturen – Türöffner Kinder, Jugendliche und Erwachsene unterricht und Katechese haben viele Fragen und Gedanken, Ein unterhaltsamer Abend mit dem wenn lebensbegrenzende Krankheit, Karikaturisten Thomas Plaßmann der Tod und das, was danach kommt, Eintritt: 3,00Gespräch € - 19.30 aktuell wird. und Uhr Vortrag anhand von Beispielen aus 20.09.2011 Brautbriefe Zelle 92 der alltäglichen Trauerpraxis. Szenische Lesung zu den BrautEintritt: 8,00 ¼ - 19.30 Uhr 24.03.2011 briefen von Dietrich Bonhoeffer und Maria Wedemeyer Gott seivon Dank in der Welt!mit - Liedern inszeniert vom Duodie Sago Ein Konzil verändert Kirche Auf der Grundlage Publikation Eintritt: 10,00 € -der19.30 Uhr “Die Kirche der Weltgesellschaft. 23.09.2011 Musik und Mehr... Das II. Vatikanische Konzil und die Globalisierung des Katholizismus“ „Bleibt, ihr Engel…!“ – Bilder und Musik vonden Dr. Stefan zu BotenNacke Gottessollen nach einem Impulsreferat Autors ausmit Die Violinistin Birgitdes Seibt wird unterschiedlichen Perspektiven die ihrem Violinenspiel und in Begleitung Herausforderungen, die heute mit des Kirchenmusikers Stefan Glaser dem Zweiten Vatikanischen Konzil am Klavier den musikalischen für die Menschen verknüpft sind, Impuls setzen. diskutiertErgänzend werden. dazu erschließen Bildbetrachtungen des Kunsthistorikers Eintritt: frei - 19.30 Uhr Dr. Herbert Fendrich die Bedeutung 30.03.2011 der Die hohe der Weltrettung EngelKunst als Mittler zwischen Gott und Das Komischste aus dem wirklich den Menschen. wahren Leben Kabarettisten Eintritt: 8,00 €mit- dem 19.30 Uhr Mit „Léon und Louise“ blickt er in die französische Politik des 20. Jahrhunderts, Alex Campus, Foto: André Albrecht Die Literatur-Termine der Region Bochum – Jahrhunderthalle 0234 369 31 00 Duisburg – Stadtbibliothek 0203 283 42 18 Durs Grünbein: Lob des Taifuns So 4.9. 11 Uhr Gammler, Zen und hohe Berge So 25.9. 11 Uhr Martin Wuttke und Jörg Pohl nähern sich der Beat Generation. Im Mittelpunkt stehen Spiritualität und Zen-Buddhismus bei Kerouac, Ginsberg und Co. Alex Capus: Léon und Louise Mo 19.9. 20 Uhr Castrop-Rauxel – Bahia de Cochinos 02305 920 87 49 Hermann Borgerding & Klaus Märkert: Gimme some truth Mi 7.9. 20.30 Uhr Ein Urgestein des Social Beat und eine Hälfte der Schementhemen versprechen humorvolle und heftige Texte mit Musik. Dortmund – Ekamina im Sissikingkong 0231 728 25 78 Tino Hanekamp: So was von da Di 6.9. 20 Uhr Empfehlungen von Frank Schorneck Essen – Museum Folkwang 0201 88 45 444 Die Isländersagas – Neu und vollständig übersetzt Fr 30.9. 20 Uhr Essen – Café Zentral im Grillo 0201 812 20 Der literarische Salon: Mathias Énard Mi 21.9. 20 Uhr Als im letzten Jahr der 38jährige Mathias Énard den Roman „Zone“ vorlegte, der sich in einem einzigen Satz über 600 Seiten schlängelt, überschlug sich die Kritik mit Lob. Mülheim – Ringlokschuppen 0208 99 31 60 Feridun Zaimoglu: Ruß Mi 14.9. 19.30 Uhr Buchpremiere – Siehe Literaturportrait in dieser Ausgabe = trailer Empfehlung auf den Auswahlseiten Der Kalender wird präsentiert von: Literaturmagazin, im Bahnhofsbuchhandel, www.Die-Lust-am-Lesen.de www Kai Magnus Sting Als Rastelliund der Hölle gesprochenen und 28.09.2011 Himmel geschliffenen Rede, als gnadenloser Grenzgänge zwischen Literatur, Musik Menschenbeobachter und Menschenund Klang kenner, als Parodist des Lebens, Die Gruppe The colour of soundTerrorist des Wortes und Meister des poetry verbindet Literatur, Musik, Klang Zwischenmenschlichen hat Sting seine sowie immer wieder Malerei Lieblingsnummern im auch Gepäck und diezu einem Ganzen. ein oderatmosphärischen andere neue Geschichte. Eintritt: 10,00 UhrUhr Eintritt: 10,00¼ €- 19.30 - 19.30 Kartenvorverkauf Medienforum des Bistums Essen Zwölfling 14 / 45127 Essen Tel.: 0201 / 2204-274 Fax: 0201 / 2204-272 medienforum@bistum-essen.de 52 Popkultur in nrw Auch auf dem Swingfest vertreten: Bohren und der Club of Gore Grollen im Abseits Das Denovali Swingfest reanimiert die Tradition der Nischen Von Christian Steinbrink Jahrzehntelang war das Ruhrgebiet auch dafür bekannt, musikalischen Nischen eine Heimstatt zu bieten. Davon ist in Zeiten, in denen sich jede Kommune auf Massenveranstaltungen kapriziert, nicht mehr viel zu spüren. Ausnahmen gibt es aber dennoch. Etwa das in der Essener Weststadthalle stattfindende Denovali Swingfest. Das Swingfest, ein erstmals über drei Tage laufendes Indoor-Festival, ist dabei nur die Speerspitze einer aktiven kleinen Struktur rund um Freunde und Musik-Liebhaber, die weltweit ihre Fans hat, in der Heimat aber weitgehend unterhalb des Radars der Nach„Man muss nicht alles gut barn und Bewohner abläuft. Grund dafür finden, was die Masse feiert. ist nicht zuletzt die Musik, die Denovali Und mitmachen muss man auch als Plattenlabel und Konzertagentur schon lange nicht.“ repräsentiert: Wirklich eingängig ist nur wenig, die Stilistiken gehen von Postrock über Noise und Doom bis hin zu Ambient und Free Jazz. Allesamt experimentelle Genres, die dem Hörer eine besondere Hingabe abverlangen, die dann aber intensiver wirken als das Radiogedudel der Ottonormalverbraucher. In diese Richtung geht auch das Credo der beiden Denovali-Hauptverantwortlichen: Man muss nicht alles gut finden, was die Masse feiert. Und mitmachen muss man schon lange nicht. Ganz folgerichtig äußert sich Timo, einer der beiden Labelbetreiber und Festival-Organisatoren: „Andere Festivals leben sehr stark davon, dass die Besucher mit dem Festivalwochenende eine Art Partygefühl verbinden. Wir sind ehrlicherweise keine Fans solch einer stereotypen Eventkultur. Für mich besteht kein großer Unterschied zwischen dem Kölner Karneval, dem Oktoberfest, diesem Rudelfußballgucken zu großen Turnieren und Festivals à la Bochum Total oder Rock Am Ring. Das heißt nicht, dass es auf dem Swingfest staubtrocken und elitär zugeht – allerdings bringt ein Swingfestbesucher wohl ein intensiveres musikalisches Interesse mit als jemand, der eines der typischen großen Outdoor-Festivals besucht.“ Dieser Blickwinkel findet sich ganz und gar in der Stimmung des Swingfestes wieder. Auch wenn die neue Location größer ist als das alte und mittlerweile leider geschlossene Juze Paapestraße, überzeugt das Swingfest durch seine interessierte und konzentrierte, aber gleichzeitig auch lockere und fröhliche Atmosphäre, zu der Besucher aus buchstäblich der ganzen Welt beitragen. Sie alle eint ein nicht ganz alltäglicher Geschmack in Sachen Kunst und Musik, der sich teilweise auch am Äußeren der Leute darstellt. Musikalisch ist das Swingfest sowieso über jeden Zweifel erhaben: In seinem Spannungsfeld bildet es jedes Jahr verlässlich den Stand der Dinge ab und ist darin mittlerweile derart profiliert, dass es schon längst unter förderungswürdige Kulturveranstaltungen fallen sollte. Diesen Stress tun sich die Denovali-Leute aber doch nicht an. Betont bleibt man überschaubar groß und steht zu den DIY-Prinzipien, die Punk und Hardcore hervorbrachten. An den Festivaltagen selbst bauen sie auf ein Netzwerk aus Freunden und UnterChristian Steinbrink stützern. Wenigstens darin zeigt sich, dass Nischen auch lebt in Duisburg und schreibt über Popmusik im Ruhrgebiet noch die Chance haben, zu überleben. Denovali Swingfest I Weststadthalle Essen I 30.9.-2.10. www. denovali.com/swingfest culture club www Ausstellung St. Antony-Hütte: Die Wiege der Ruhrindustrie Ein bedeutendes Stück Geschichte des Ruhrgebiets kann in Oberhausen erlebt werden: Die St-Antony-Hütte ist Wiege der Stahlindustrie im Revier. Die außergewöhnliche Ausstellungskonzeption erzählt von den Anfängen der Eisen- und Stahlindustrie, wichtige Innovationen dieser Zeit und den harten Alltag der Menschen im Ruhrgebiet. Der Besucher wird entführt in einen faszinierenden Wirtschaftskrimi mit schillernden Personen und allerlei Schurken – kurz gesagt: Geschichte zum Anfassen. St. Antony-Hütte & Industriearchäologischer Park Antoniestraße 32-34, Oberhausen Öffnungszeiten: Di.-Fr. 10-17 Uhr, Sa.-So. 11-18 Uhr trailer verlost 3x2 Karten und 3x das Buch „St. Antony: Die Wiege der Ruhrindustrie“, E-Mail bis 29.9. an verlosung@trailer-ruhr.de, Kennwort: Ruhrindustrie 53 Sammlung Die Spur Buddhas ist hier tatsächlich kaum zu erkennen. Gonkar Gyatso, »My Identity 2«, 2003, © Studio Gonkar Gyatso „Wir wollen hier nicht die moderne, buddhistische Kunstschiene zeigen“ Das Bochumer Kunstmuseum zeigt mit „Buddhas Spur“ zeitgenössische Kunst aus Asien Die Ausstellung „Zen und die westliche Kunst“ wies vor elf Jahren im Bochumer Museum den Einfluss der Zen-Philosophie auf die europäische und amerikanische Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts nach. Dieser Faden wurde mit RuhrTriennale-Intendant Willy Decker als Mitkurator wieder aufgegriffen. Auch in der westlichen Kunst existiert die Versuchung, Transzendenz anzustreben: Das Sichtbare weist nach abendländischem Verständnis in die Dimension des Göttlichen. Dazu steht der Buddhismus im krassen Gegensatz: Der Buddhismus ist eine Religion ohne Gott. Linden in Berlin, schaut auf den Wenzelsplatz in Prag. Doch auf den ersten Blick sind die Plätze vollkommen leer. Und man überlegt, wann die Aufnahmen gemacht sind, wann denn so ein Platz mal leer ist. Wenn man dann genauer hinschaut, erkennt man Schattenhaftes, Schemenhaftes. Atta Kim hat acht Stunden Langzeitbelichtung gemacht, so dass man wirklich Leere sieht und dann doch merkt, Leere heißt Anwesenheit. Das finde ich sehr subtil und unheimlich spannend umgesetzt. Die alte chinesische Avantgarde wie das 85-Movement um Ai Weiwei ist nicht dabei? trailer: Herr Golinski, die Spur Buddhas führt Nein. Ai Weiwei zu zeigen, wäre fast ein bisschen auf einen Trend aufgesprungen. Wir hätausgerechnet nach Bochum? Dr. Hans Günter Golinski: Oder von Bochum in ten die Möglichkeit gehabt, dieses wunderbare die Welt. Wir haben in den letzten Jahren im- Teehaus von ihm, das jetzt in Berlin im Museum mer wieder das Thema Kunst und Religion zum für Asiatische Kunst steht, zu bekommen. Aber Inhalt von Ausstellungen gemacht. Wir haben vor dann fanden wir Ai Weiwei doch zu trendy. Wir gut elf Jahren mit der Ausstellung „Zen und die haben Nam June Paik dabei. Bei diesem koreawestliche Kunst“ angefangen. Jetzt dreht sich die nischen Medien-Massen-Künstler fanden wir RuhrTriennale um den Buddhismus. Da etwas zu- spannend zu zeigen, dass auch der seine leeren sammen zu planen, war ein spontaner Entschluss. Bildschirme, seinen leeren Zeichnungen hat, bis hin zu Buddha-Statuen oder dass Ich habe Willy Decker zum Mitkurator gebeten, denn ich finde „Ai Weiwei zu zeigen, wäre er aus dem Tempelbereich dieses es generell spannend, Leute aus fast ein bisschen auf einen typische Klopfholz für seine Arbeiten benutzt hat. anderen Disziplinen im AusstelTrend aufgesprungen.“ lungsgeschehen mitwirken zu lassen. Wir haben den Blick auf Künstler gelegt, die Ist die Auseinandersetzung mit Buddha Teil der in Asien leben. Künstler, die im Grunde genom- neuen chinesischen Avantgarde? men durch den Buddhismus sozialisiert sind. Aber Eher nein. Ich denke, dass genau wie wir im wir wollen hier nicht die moderne, buddhistische christlichen Abendland groß geworden sind und Kunstschiene zeigen. Sondern hier sind Künstler, unsere Bildvorstellung am Christentum orientiedie in ihrem Werk Spuren der Philosophie mehr ren, ist das bei den asiatischen Menschen auch. oder weniger sichtbar nachweisen. Das ist es ja auch das, was uns bei diesen Projekten zur Religion interessiert hat. Josef Beuys Aber ein guter Wanderer lässt ja keine Spur ist ohne Christentum nicht denkbar, trotzdem zurück? würde man Beuys ja nicht als reinen christlichen, Das ist genau das Thema. Laotse hat das so de- religiösen, dogmatischen Künstler sehen. Ähnlich finiert. Dieses Thema findet sich durchgängig ist es bei den chinesischen Künstlern auch. Naim Buddhismus. Bei manchen Künstlern in der türlich gibt es jetzt forciert eine Nuance, gerade Ausstellung fällt es wirklich schwer, die Spur zu in der gegenstandslosen chinesischen Kunst, wo finden. Eine Spur ist ein Zeichen, dass jemand da diese Nähe zur Tradition eine Rolle spielt. Wir war, aber nicht mehr da ist. Zwischen Anwesen- haben mit Chen Shen in der Ausstellung einen heit und Abwesenheit setzt da eine Paradoxie Maler, der mit Acryl malt, der sich aber voll und ein, die den Buddhismus kennzeichnet, die bud- ganz auf die chinesische Tuschtradition beruft dhistische Philosophie, im Grunde die Quadratur und der von Leere und Fülle spricht und sich des Kreises zu leisten und dabei uneindeutig zu zum Buddhismus bekennt. Bekennt nicht in dem bleiben. Das ist in der Ausstellung immer wieder Sinne, dass er sagt, ich mache buddhistische sichtbar: Da sind zum Beispiel Fotografien von Kunst, sondern er leitet seine Schöpfungen aus Atta Kim, man schaut in großformatige Stadts- diesen Kriterien her. Und das ist bei allen Künstzenen, man sieht die Champs-Élysées, Unter den lern der Fall. 54 www Momentan findet in China eine kulturhistorische Rückbesinnung statt? Ich denke ohne die chinesische gesamtpolitische Situation im Detail zu kennen und auch zu beurteilen, dass natürlich diese tradierten Strömungen immer vorhanden gewesen sind und teilweise jetzt sogar zum Exportschlager werden. Wir zeigen ja auch historische Exponate. Das sind so kleine Inseln, die zeigen wir nicht chronologisch oder stilistisch, sondern ganz assoziativ. Wir haben da auch recherchiert, denn wir wollten gerne Sachen zeigen, die noch nicht so oft zu sehen waren. Erschwerend ist, dass unheimlich viele Fälschungen auf dem Markt sind. Da gibt es richtig große Produktionsstätten in China, die eben asiatische Tradition in den Westen verhökern. Vom handwerklichen sind die Sachen perfekt gemacht. Und wenn ich mich handwerklich mit etwas beschäftige, und sei es, um einen Job zu haben und mein Leben zu finanzieren, komme ich dennoch nicht darum herum, mich mit den Inhalten zu beschäftigen. Insofern ist auch dieser Vorgang ambivalent. Der Weg des Dialogs mit außereuropäischen Kulturen im Museum Bochum geht weiter? Ja. Die Intentionen solcher Ausstellungen sind ja vielschichtig. Kunstgeschichtlich war von Interesse, dass Religionen ein zum Teil sehr kritisches Verhältnis zum Bildmachen haben. Es interessiert natürlich einen Kunsthistoriker wie ein Künstler, der sich zum Visualisieren berufen fühlt, mit Verboten oder Kritik in dieser Richtung umgeht oder das dieses Abbildungsverbot im Judentum oder Islam verstärkt zur Abstraktion führt. Es ist natürlich auch ein didaktisches Interesse, was wir an solchen Projekten haben, wenn wir außereuropäische Kunst in zeitgenössische Kunst aus Europa einbetten, dann wird das Konzept für Besucher auch leichter nachvollziehbar. INTERVIEW: PETER ORTMANN „Buddhas Spur“ I Bis 13. November 2011 Museum Bochum I 0234 910 42 30 ZUR PERSON Hans Günter Golinski, Studium der Pädagogik in Wuppertal, Kunstgeschichte, Archäologie und Germanistik in Bochum. In den 1980ern Kunst am Bau Beauftragter des Landes NRW, dann wiss. Mitarbeiter am Rheinischen Landesmuseum in Bonn und wissenschaftlicher Kustos am Museum Bochum. Seit 1997 ist er dort Direktor. Foto: Museum Bochum Kunstwandel Kunst in NRW „The Disappearance of Haruhi Suzumiya“, Foto: Nagaru Tanigawa, Noizi It Installationsansicht Yuji Takeoka im Quadrat Bottrop, Foto: VG Bild-Kunst, Bonn 2011 Buntes Treiben zwischen Bits und Bytes Akkurat gegenstandsfrei Popkultur der Extravaganz. Das Japan Media Arts Festival im Dortmunder U Ausstellungen in Düsseldorf und Bottrop Peking, Shanghai, Singapur, Wien, Istanbul, Dortmund. Eine sehr interessante Reihe. Ursache? Im Ruhrgebiet findet die sechste Japan Media Arts Festival (JMAF)-Ausstellung (von 15) außerhalb Japans statt. Es zeigt den Besuchern interaktive Installationen, Spiele, Fotografien, Comics, Musik und Zeichentrick. Das Festival wird vom Hartware MedienKunstVerein (HMKV) Dortmund und der japanischen Agency for Cultural Affairs organisiert und von einem breitgefächerten Rahmenprogramm aus Filmen und Workshops begleitet. Für die eigens kuratierte Ausstellung des JMAF in Dortmund wurden preisgekrönte Arbeiten der letzten Festivals ausgewählt und über 40 Künstler eingeladen. Darunter sind bekannte Stars, wie der Regisseur Hayao Miyazaki („Chihiros Reise ins Zauberland“, „Das wandelnde Schloss“, „Ponyo“), aber auch neue Talente, wie Shinya Uchida, ein iPadZauberkünstler. Im sechsten Stock des Dortmunder U finden ungewöhnliche Dinge statt. „days and nights“ von Norimichi Hirakawa und Houxo Que ist eine raumgreifende Installation, in der farbintensive Malerei mit Videoprojektion verschmilzt. Die Arbeit wurde speziell für das JMAF in Dortmund entwickelt. Daneben präsentiert Naohiro Ukawa in einem eigens eingerichteten Clubraum sein Projekt „The Final Media Dommune“. Die ‚Twitter-Disco‘ ist über ein Internet-Streaming mit dem eigentlichen Dommune-Club in Shibuya, Tokio verbunden. Besucher der Ausstellung können so über Soziale Netzwerke mit den Gästen in Japan und der Online-Gemeinde gemeinsam feiern. Zu ausgewählten Zeiten findet ein Live-Musik Programm sowohl in Dortmund als auch in Tokio statt. Ausgefallen auch das Figuren-Universum von Osamu Miyawaki, dem Gründer der legendären Modellschmiede Kaiyodo. Der Meister des Plastilin wird mit einer zahlreichen Auswahl an handgefertigten Miniaturen aus den letzten 50 Jahren zum ersten Mal in Deutschland gewürdigt. Diese Monster-, Alien-, Roboter- und Tiermodelle versammeln Ikonen aus einem halben Jahrhundert japanischer Popkultur. Aber es geht auch technisch innovativ: Anhand von Jun Fujikis Computerspiel „echochrome“ kann die langjährige Entwicklung innovativer Konzepte von der ersten Skizze bis zur Umsetzung für die Playstation 3 nachverfolgt und selbst getestet werden und das 3D-Kino im Taschenformat i3DG, eine Koproduktion der japanischen Entwickler Directions mit dem niederländischen Medienkunstlabor V2, lädt zum Ausprobieren ein. Anime, die japanischen Zeichentrickfilme, sind nicht nur für Kinder. Zu sehen ist das nicht nur auf diversen Monitoren, sondern auch auf der großen Leinwand im U. „Redline“, der schnellste Anime aller Zeiten, eröffnet dort das Programm am Samstag, 10. September. In den darauffolgenden vier Wochen werden Anime-Meilensteine gezeigt, die nur selten auf der großen Kinoleinwand zu sehen sind. Darunter „Ghost in the Shell” und „Evangelion: 2.0“, aber auch in Deutschland bisher unveröffentlichte Titel wie „The Disappearance of Haruhi Suzumiya“ von Takesi Koike. Erstmalig in Deutschland sind die führenden Stars der Biogeocenosis-Szene, einem Internetbasierten Genre, dass artifizielle und humanoide Elemente in digitalen Lebensformen vereint, auf einer Bühne zu erleben. Von Thomas Hirsch Natürlich durfte man sich auf diese Ausstellung freuen: Die Malereien und Zeichnungen von Tomma Abts sind in der Kunsthalle Düsseldorf zu sehen. Von Tomma Abts, die schon vor der Verleihung des britischen Turner Preises 2006, aber erst recht danach mit ihren präzis gemalten, konkreten Bildern bekannt wurde, sind selten mehrere Arbeiten zu sehen – schon deshalb, weil diese langsam entstehen und es nicht so viele gibt. Stets im eher kleinen Portraitformat von 48 x 38 cm mit Öl und Acryl auf Leinwand gemalt, besitzen sie etwas von Ikonen. Sie bleiben bei sich und geben „Was ist mit diesem nur wenig preis. Einen Gestus gibt es Illusionismus gewonnen?“ hier nicht zu sehen. Gegeben sind geometrisch ausgezirkelte Verhältnisse, Flächen und Bahnen in strenger Organisation. Sie verfügen oft über eine gedeckte Tonalität, die an Zwielicht denken lässt. Natürlich sind bei dieser Malerei alle Konstituenten wichtig, Tomma Abts hat dies weiter erkundet, etwa indem sie eine Leinwand mit einem schrägen Schnitt in zwei Hälften geteilt und dadurch den Bildträger betont hat. Die Auswahl in der Kunsthalle Düsseldorf zeigt nun, wie sehr doch jede Malerei ihre eigene Geschichte besitzt, die mit genauem Sehen zu tun hat. So sind auf der Fläche einzelne monochrome Bahnen durch die malerische Geschlossenheit hervorgehoben. Akkurat eingezeichnete Schatten klären derartige Verhältnisse räumlich. Nur, was ist mit diesem Illusionismus, der auf die ausschnitthafte Erfassung einer denkbaren realen Situation verweist, gewonnen? PETER ORTMANN Bei Yuji Takeoka, dessen Bodenobjekte und Wandstücke derzeit im Quadrat Bottrop gezeigt werden, verhält es sich sozusagen umgekehrt. Seine Objekte werden zunächst funktional assoziiert und lösen sich dann von aller zweckgebundenen Realität. Der Japaner Yuji Takeoka konzentriert sich in seiner Arbeit bevorzugt auf Formulierungen, die selbst vom Zeigen handeln und Display zur Präsentation sind: Vitrinen, Sockel und konsolen-artige Wandstücke. Wie genau aber seine Arbeiten gestaltet sind, verdeutlichen in Bottrop besonders die Wandstücke. In der Negativform ist ein Kubus ausgespart, der die idealen Proportionen betont. Die Flächen sind homogen monochrom überzogen, in dichter Konsistenz. Im Grunde treffen hier das Meditative und Konzentrierte seiner Heimat und die Konzeption der westlichen Minimal Art aufeinander. Die Objekte von Yuji Takeoka bestechen durch Einfachheit, werden dann aber immer komplexer. In Bottrop sind sie in einen Zusammenhang mit den Bildern von Josef Albers gesetzt: Deutlich wird, wie sehr es Yuji Takeoka um ein Ausloten von Farben geht und wie sehr er die Formen reduziert hat. Demgegenüber wirken die Bilder von Tomma Abts geradezu üppig und fast verspielt. Tomma Abts, geb. 1967 in Kiel, lebt in London und hat seit einem Jahr eine Professur an der Kunstakademie Düsseldorf inne. Yuji Takeoka, geb. 1946 in Kyoto, lebt in Düsseldorf und lehrt als Professor an der Kunsthochschule in Bremen. Beide arbeiten gegenstandsfrei mit einem konkreten Inventar, das macht sie in manThomas Hirsch ist cherlei Hinsicht vergleichbar. Aber die Konzepte dahinter Kunsthistoriker, Kurator und Journalist. sind total verschieden. www Tomma Abts Bis 9.10. I Kunsthalle Düsseldorf I www.kunsthalle-duesseldorf.de „Japan Media Arts Festival” 10.9.-2. 10. HMKV im Dortmunder U 0231 496 64 20 Yuji Takeoka: Museo Bis 11.9. I Josef Albers Museum, Quadrat Bottrop I 02041 225 78 55 RuhrKunst W. Graeff, Mikrobing, 1974, Foto: Nachlass W. Graeff, Ursula Graeff-Hirsch Nieder mit dem Karfiol-Trust, Foto: Historisches Archiv Krupp J. Sternfeld, Washington D.C., August 1974, digit. C-Print, Foto: Künstler u. Luhring Augustine, NY Avantgarde in Deutschland Knipsen, wenn es raucht Genau im Blick Bauhaus und Post-Bauhaus in Mülheim Fotoschau der Krupps in der Essener Villa Hügel Die Fotografien von Joel Sternfeld Es ist im Kunstmuseum Mülheim die Ausnahme, dass eine Ausstellung das Erdgeschoss und auch das Dachgeschoss bespielt. Im Fall der aktuellen Schau zu Werner Graeff und seinen Künstlerkollegen der Nachkriegsmoderne in Deutschland ist dies sinnvoll. Vorgestellt wird eine herausragende Persönlichkeit des Kulturlebens im Ruhrgebiet, außerdem wird die künstlerisch wechselvolle Zeit im Übergang von den 1950er zu den 1960er Jahren untersucht. Gewürdigt wird aber auch die hauseigene Sammlung. Denn im Wesentlichen aus ihr und aus dem Besitz der Künstler wurde die Schau zusammengestellt. Zwar musste das Kunstmuseum den Nachlass von Werner Graeff aus Mülheim in das Landesmuseum Wiesbaden ziehen lassen. Aber zuvor konnte der Förderkreis noch Werke aus verschiedenen Phasen erwerben, zeitgleich mit einem Konvolut zu Max Burchartz, dem Weggefährten an der Folkwangschule für Gestaltung in Essen. Vieles ist noch nie gezeigt worden. Dieser Satz, der bei anderen Kunst-Ausstellungen Neugier erzeugt, hat bei einer Präsentation „Krupp. Fotografien aus zwei Jahrhunderten“ in der Essener Villa Hügel einen eigentümlichen Subtext. Zum 200. Firmenjubiläum wird dafür erstmals das Archiv für die Öffentlichkeit geöffnet. Und dieses Archiv hat es in sich. Rund zwei Millionen Fotos stecken da im Album, 15.000 hat man bisher digitalisiert. Natürlich erst einmal nicht die, auf denen die Zwangsarbeiter zu sehen sind. In den schmucken heiligen Hallen auf dem grünen Hügel am Baldeneysee sieht man 400 mal die Selbstdarstellung eines Stahlkonzerns, dessen Aura immer schon Größenwahn unter drei Ringen bedeutete, und wo die persönliche Familiengeschichte der Besitzer von der historischen Geschichte nicht mehr getrennt werden kann. Denken wir einmal an das Jahr 1867. Der erste Band von „Das Kapital“ von Karl Marx erscheint. Die deutsche Arbeiterbewegung steckt noch in den Kinderschuhen. Da kletterte ein Fotograf auf dem Kruppschen Werksgelände auf einen Turm und machte eine 360-Grad-Aufnahme des Areals, die in elf Teilen und knapp acht Meter langen 360-Grad-Panorama ein Highlight der aktuellen Ausstellung ist. Schon damals hatte Alfred Krupp den Wert dieser neuen Technik für Dokumentation und Marketing erkannt, und bereits 1861 eine „Photographische Anstalt“ eingerichtet, in der oft bis zu 500 Männer und Frauen nichts anderes taten als die Werbung zu forcieren. Aber neben den zugegeben hoch interessanten Industriefotos aus dem 19. Jahrhundert gibt auch private Fotos, das gewöhnliche Leben einer Industriellen-Familie. Pfingsten 1892, Gustav und Bertha Krupp von Bohlen und Halbach mit ihrem Sohn Alfried (1910), Familie Krupp schön gruppiert im Anwesen mit Säule im Hintergrund (1930). Vier Generationen lang konnte man sich eben sehen lassen und zeigen, was man hatte. Schließlich war der Betrieb auch Vorreiter bei der vorbildlichen sozialen Kasernierung seiner Arbeiter mit eigenen Wohnungen, Krankenhäusern oder Lebensmittelläden. Und der Brechtsche Karfioltrust? Krupp hat sich nie mit Kohl beschäftigt, eher mit Kanonen. Daher auch die Bilder mit Hitler und Mussolini als Gäste des Hauses. Und nach langem Krieg und kurzem Knast flog Alfried Krupp dann mit seiner Kamera fröhlich in die ferne Welt. Die Arbeiter hatten da noch nicht einmal Italien entdeckt. Joel Sternfeld ist eine beeindruckende Persönlichkeit. Der 1944 in New York geborene und dort auch lebende Fotograf verfügt über einen feinen Humor und ist hochkonzentriert bei seinen Ausführungen; er bringt auf den Punkt, was ihm wichtig ist. Nein, er möchte nicht fotografiert werden. Nein, das begleitende Buch sollte eben kein konventioneller Ausstellungskatalog werden, sondern beschränke sich auf die frühen Bilder. Die Werkgruppen verstehe er als Einheit. Überhaupt: Das Buch sei ihm wichtiger als die Schau. Tatsächlich kennzeichnet Sternfelds fotografische Tätigkeit ein hoher konzeptueller Anteil. Er sucht für jede neue Werkgruppe nach der adäquaten Umsetzung und geht dem manchmal über Jahre nach. „Eine Fotografie ist mehr als der Moment der Aufnahme“, sagt Joel Sternfeld, der sich folglich auch gegen die Ästhetik des Schnappschusses wendet. „Krupp. Fotografien aus zwei Jahrhunderten“ Bis 11.12. I Villa Hügel, Essen Infos: 0201 61 62 90 56 „Joel Sternfeld“ I Bis 23.10. Museum Folkwang Essen 0201 884 54 44 Werner Graeff (1901-1978) wird heute dem Bauhaus zugerechnet, obwohl er nur kurz an diesem in Weimar studiert hat. Aktiver ist er als Mitglied der de Stijl-Gruppe, als Fotograf, Fototheoretiker und als Industriedesigner. Es sind die Bezüge zum angewandten Bereich und zur Lehre, die ihn für den Ruf an die Folkwangschule prädestinieren: Dort leitet er 1951 bis 1959 die Klasse für Fotografie. 1970 zieht er von Essen nach Mülheim. Werner Graeff wird heute genauso als Maler gewürdigt, der im Wissen um die Avantgarde einen eigenen Duktus entwickelt hat, wie etliche andere Künstler. Die aktuelle Mülheimer Ausstellung geht dem Umgang mit den Traditionen des Bauhauses und der Konkreten Kunst und der Hinwendung zu freieren Ausdrucksformen nach. Zu beobachten ist die „Aufweichung“ der strengen Farbformen hin zu einer gestischen Formensprache. Zugleich wird der Bildgrund aktiviert, erste Spuren einer informellen Malerei sind sichtbar. Die Ausstellung wendet sich dem auch in der Skulptur zu. Nebenbei entstehen einige kleine Werkschauen, etwa zu Heinz Siepmann und zum Steinbildhauer Rolf Jörres und zu Ursula Hirsch, der Ehefrau von Graeff, die noch heute in Mülheim lebt. THOMAS HIRSCH „Das Bauhaus und danach. Werner Graeff und die Nachkriegsmoderne“ I Bis 18.9. I Kunstmuseum Mülheim in der Alten Post I 0208 455 41 71 www PETER ORTMANN Die Ausstellung, die ihm das Museum Folkwang als erstes deutsches Institut eingerichtet hat, ist eine Art Werküberblick ab der zweiten Hälfte der 1960er Jahre bis heute. Schon sehr früh vollzieht Sternfeld den Wechsel von s/w auf Farbe, als einer der Pioniere der amerikanischen „New Color Photography“. Sein Werk bewegt sich zwischen den Polen Landschaft mit ihren jahreszeitlichen Änderungen und klimatischen Verschiebungen und den Details im Stadtraum. Zu sehen sind zivilisatorische Eingriffe; daneben sind umfassende Serien mit Portraits von Amerikanern entstanden. Sehr schnell wird klar, wie genau diese Bilder komponiert sind und wie exakt Sternfeld mit Farbe umgeht. Er verwendet sie ausgesprochen vorsichtig, darin sehr pointiert. Dabei scheint mitunter eine subtile Ironie auf, etwa wenn bestimmte Farben in anderem Kontext wiederkehren oder sich durch die Perspektive Größenverhältnisse verschieben. Überschaut man dieses Œuvre, so könnte man sagen, dass Joel Sternfeld sehr konsequent und in beeindruckend dichten Bildern dem Wesen und „Eigentlichen“ seiner Heimat Amerika auf der Spur ist. Seine fotografischen Serien sind geradezu soziologische Studien, ausgeführt mit hoher Exaktheit und mit genauem Blick. THOMAS HIRSCH Kunst-Kalender JAPAN MEDIA ARTS FESTIVAL Alfred Sisley: La Seine au pont de Suresnes, 1880, Foto: © Musée des Beaux-Arts, Lille/The Bridgeman Art Library/ Von der Heydt-Museum, Wuppertal Die Kunst-Termine NRW MIT BEDBURG-HAU – Schloss Moyland www.moyland.de KÖLN – Museum Ludwig www.museum-ludwig.de Wiedereröffnung der Sammlung, ab 17.9. Die neu- und umgestalteten Räume des Museums mit der Sammlung van der Grinten Nachrichten aus der Zwischenstadt, bis 23.10. Künstlerische Beiträge zur Zersiedelung und städtischen Neudefinition in jüngerer Zeit BIELEFELD – Kunsthalle www.kunsthalle-bielefeld.de LEVERKUSEN – Museum Morsbroich www.museum-morsbroich.de Picasso 1905 in Paris, 25.9.-15.1. Die Malerei von Pablo Picasso in den Jahren seiner künstlerischen Neuorientierung Frauenzimmer, 11.9.-13.11. Plastische, prozessual und räumlich orientierte Werke von sieben Künstlerinnen BOCHUM – Kunstmuseum www.bochum.de/kunstmuseum Evelyne Axell, bis 3.10. Die Pop Art-Bilder der belgischen Malerin BONN – Kunstmuseum www.kunstmuseum-bonn.de MÜNSTER – Westfälischer Kunstverein www.westfaelischer-kunstverein.de Heinrich Campendonck, bis 29.2. Werke des Rheinischen Expressionisten (18891957) aus der Sammlung des Museums Angus Fairhurst, bis 4.9. Werkschau des 2008 verstorbenen Protagonisten der Young British Art BONN – Kunst- und Ausstellungshalle www.kah-bonn.de NEUSS – Kulturforum Alte Post www.altepost.de Anime!, bis 8.1.2012 Einblick in die Ästhetik und Produktions-weisen der japanischen Animationsfilme Outsidein – altpostneu, 11.9.-16.10. Retrospektive Tendenzen in der Urban Art, Street Art und im Bereich der Graffiti 10. SEPTEMBER BIS Schirmherrschaft: Kooperationspartner: Japanisches Generalkonsulat Düsseldorf NEUSS – Langen Foundation www.langenfoundation.de Takehito Koganezawa, bis 6.11. Zwei Installationen mit und in der Architektur BRÜHL – Max Ernst Museum www.maxernstmuseum.lvr.de OBERHAUSEN - Ludwiggalerie www.ludwiggalerie.de George Grosz, 11.9.-18.12. Aquarelle, Zeichnungen, Collagen des politischen, zeitweilig den Dadaisten zuzurechnenden Künstlers (1893-1959) Elliott Erwitt, bis 11.9. Der amerikanische Fotograf mit seinen Dokumentarfotografien und Hundefotos www RECKLINGHAUSEN – Kutscherhaus www.kunst-re.de Tomma Abts, bis 3.10. Die konkrete Malerei der in London lebenden und in Düsseldorf lehrenden Künstlerin Legacy Swarm for the Ruhrgebiet, bis 11.9. Vier Landschafts- und Naturprojekte im Kutscherhaus und im Erlbruchpark DÜSSELDORF – K 20 Kunstsammlung www.kunstsammlung.de REMAGEN – Arp Museum Rolandseck www.arpmuseum.de Move – Kunst und Tanz seit 1960, bis 25.9. Interaktive Beiträge der internationalen Avantgarde-Kunst zu Bewegung und Tanz Biomorph!, bis 22.1.12 Die Formensprache Hans Arps in der zeitgenössischen plastischen Kunst DUISBURG – Lehmbruck Museum www.lehmbruckmuseum.de SIEGEN – Museum für Gegenwartskunst www.mgk-siegen.de 100 Jahre Lehmbrucks Kniende, ab 24.9. Kunst in Paris um 1911, als das Hauptwerk von Wilhelm Lehmbruck entstand Cy Twombly: Photographien, bis 30.10. Polaroids des wichtigen Malers und Zeichners ESSEN – Museum Folkwang www.museum-folkwang.de HMKV IM DORTMUNDER U 2011 2. OKTOBER HTTP://WWW.HMKV.DE HTTP://DORTMUND.BUNKA-JMAF.JP Yuji Takeoka: Museo, bis 11.9. Reduzierte Wandobjekte und Bodenstücke des in Düsseldorf lebenden Japaners DÜSSELDORF – Kunsthalle www.kunsthalle-duesseldorf.de FILMP MÖNCHENGLADBACH – Museum Abteiberg www.museum-abteiberg.de Norbert Tadeusz, bis 23.10. Elf Bilder seit 1965 zur Erinnerung an den unlängst verstorbenen figürlichen Maler BOTTROP – Josef Albers Museum www.quadrat-bottrop.de EANRIOMGRAMM WUPPERTAL – Park Waldfrieden www.skulpturenpark-waldfrieden.de Joel Sternfeld, bis 23.10. Elf Projekte im Werk des US-amerikanischen Pioniers der Farbfotografie (geb. 1944) Norbert Kricke, bis 25.9. Lineare Raumplastiken des Düsseldorfer Avantgarde-Bildhauers (1922-1984) KLEVE – Museum Kurhaus www.museumkurhaus.de WUPPERTAL – Von der Heydt-Museum www.von-der-heydt-museum.de Jannis Kounellis, 11.9.-29.1. Jüngste Malereien mit Teer auf Papier bzw. Leinwand des Hauptvertreters der Arte Povera Alfred Sisley, 13.9.-29.1.12 Übersicht über das Werk des berühmten französischen Impressionisten (1839-1899) Empfehlungen von Thomas Hirsch 57 bildet Verlagssonderveröffentlichung „Was geht“ nach der Schule? Bildung für Ihren Erfolg mit Brief und Siegel Meisterkurse keine Wartezeit nach Gesellenprüfung Fördermöglichkeit nach Meister-BAföG Vollzeit und berufsbegleitend Module einzeln buchbar Akademie für Unternehmensführung Studiengänge zum/zur Betriebswirt/in (HWK) mit Fördermöglichkeit nach Meister-BAföG Management-Seminare UnternehmensManager (HWK) Sprachkurse Kaufmännische Seminare Technische Seminare Inhouse-Schulungen EDV-Seminare Bildungszentrum HWK Dortmund • Ardeystr. 93-95 • 44139 Dortmund Ihre Ansprechpartnerin: Monika Mederski • monika.mederski@hwk-do.de 0231 5493-602 • Fax: 0231 5493-608 • www.hwk-do.de Berufsfindung und Lebensplanung gehen Hand in Hand. Vielleicht fällt es auch deshalb vielen jungen Menschen heute schwer, nach der Schule eine Entscheidung für den Einstieg ins Berufsleben zu fällen. Bildungsmessen können helfen auszuloten, was nach der Schule alles „geht“: Die SchülerInnen können sich Übersicht verschaffen, die Messe bietet Orientierung und zeigt Möglichkeiten auf im Dschungel der Arbeitswelt und Ausbildung. Vertreter der verschiedensten Branchen aus dem mittleren Ruhrgebiet sind im Oktober bei der Berufsbildungsmesse „was geht?“ zugegen, sodass Schulabgänger aller Schulformen ab der 8. Klasse sowie Eltern und Lehrer Informationen aus erster Hand einholen können. Zudem können die Abgänger erste Kontakte im direkten Austausch knüpfen – davon profitieren schließlich auch die vertretenen Unternehmen auf der Suche nach Nachwuchskräften. Berufsbildungsmesse Mittleres Ruhrgebiet „was geht?“ im RuhrCongress Bochum, Stadionring 20 I Mi. 5.10. und Do. 6.10., jeweils von 9-16 Uhr Eintritt kostenlos (Weiter)Bildung & mehr – aktuelle Tipps EWZ Entwicklungszentrum für berufliche Qualifizierung und Integration GmbH Evinger Platz 11, Dortmund I 0231 728 48 40 I www.ewz-do.com Ziel der EWZ ist die Entwicklung und Durchführung von Arbeitsmarktprojekten und zukunftsorientierten Bildungsangeboten. Durch Beratung, berufliche Orientierung und Qualifizierung fördert die EWZ die Integration von arbeitslosen Jugendlichen und Erwachsenen in den Arbeitsmarkt, bereitet Migranten und Migrantinnen auf den beruflichen Neuanfang vor und vermittelt Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen aktuelle Kenntnisse für den sich wandelnden Arbeitsmarkt. Gesellschaft für Bildung und Beruf e. V. Untere Brinkstr. 81-89, Dortmund I 0231 557 21 70 I www.gbb-gruppe.de Als Full Service Dienstleister bietet die Gesellschaft für Bildung und Beruf e.V. das gesamte Spektrum der Aus- und Weiterbildung – von der Bedarfsermittlung, maßgeschneiderten Qualifizierungskonzepten bis hin zur kompletten Organisation und Durchführung der Trainings, auch international. www Widar Schule Höntroper Straße 95, Bochum I 02327 976 10 I www.widarschule.de Die Widar-Schule in Bochum-Wattenscheid ist die einzige staatlich anerkannte Waldorfschule, in der alle SchülerInnen ab der 1. Klasse gemeinsam lernen können, mit dem Angebot aller Abschlüsse bis zum Abitur. Zwei Fremdsprachen von Beginn an sind ebenso selbstverständlich wie die ausgeprägte Förderung der natur- und geisteswissenschaftlichen Fächer und des handwerklich-künstlerischen Bereichs, sowie die attraktiven Möglichkeiten der Offenen Ganztagsschule bis 16.30 Uhr. TEXT UND ZUSAMMENSTELLUNG: ELISABETH WOLFBERGER 58 Auswahl Auswahl Das Besondere im September Nacht der offenen Bühnen Zum zehnten Mal eröffnen die Dortmunder Theater in der Theaternacht nicht nur die Spielzeit, sondern sie gewähren einen tiefen Blick in die großen und kleinen Theaterhäusern der Stadt. Extravagant auch das theatralische Treiben am Phoenix See. Neben feurigen Walk Acts der Evil Flames bevölkern Nymphen die Ufer des beliebten sonntäglichen Ausflugsziels. Zum Jubiläum kann man aber auch im Theater Dortmund einmal in Ruhe den Ballet-, Oper- und Schauspielproben beiwohnen oder im Theater Fletch Bizzel bei Kurzworkshops seine schauspielerischen pel Grundlagen verbessern. 10. Dortmunder Theaternacht Sa 10.9. ab 18 Uhr Theater der Stadt Dortmund und Phoenix See Infos: 0231 502 72 22 Mörderischer Geburtstag Piazza für 17 Hippies Downtown on stage, umsonst & draußen. Der Friedensplatz in Dortmund verwandelt sich alljährlich zu einer südländischen Piazza mit eigenem Künstlerdorf. ein vielfältiges Angebot an internationaler Küche sorgt für verführerische Gerüche rund um die künstlerischen Darbietungen. In diesem Jahr werden 16 Ensembles aus 11 Nationen, darunter Künstler aus Serbien, den Niederlanden, Spanien oder Südafrika zu Gast sein. Den Anfang macht die Straßentheatergruppe Companyia La Tal aus Spanien. Mit ihrer poetisch-humorvollen Inszenierung Carilló bringen sie ein riesiges Glockenspiel auf den Platz. Die Lebenszeit beginnt zu tikken. Langsam setzen sich die Zahnräder der Zeit in Bewegung, es schlägt zur vollen Stunde, die phantastisch-phantasievolle Figuren erscheinen, das Leben beginnt. Ein weiteres Highlight ist die Berliner Kultband 17 Hippies, ein fast schon gemeingefährlicher Soundtrack zwischen Hardcore und Kinderlied. pel MICRO!FESTIVAL Internationales Straßentheater & Weltmusik 2.-4. 9. Friedensplatz, Dortmund Infos: 0231 502 51 70 Kaum haben Pater Brown und Mrs. Miller mal wieder ein neues altes Pfarrhaus bezogen, passieren die merkwürdigsten Dinge. Schon das Gebäude birgt seltsame Geheimnisse. Die Haushälterin entgeht knapp dem Tod. Dann geschieht auch noch ein echter Mord: Pater Brown ist in seinem Element. Mit dieser Krimikomödie feiert das Essener Theater im Rathaus seinen 20. Geburtstag. 16 verschiedene Theaterstücke sind in der kommenden Saison zu sehen. Viele Komödien locken. Darunter Zärtliche Machos mit Hans-Jürgen Bäumler und Michaela Schaffrath oder das Stück Ekel Alfred nach der bekannten Fernsehserie Ein pel Herz und eine Seele. Ein Fall für Pater Brown So 4.9. 18 Uhr Theater im Rathaus, Essen Weitere Termine: 5.-10.9., je 19.30 Uhr, So 4.9. u. So 11.9., je 19 Uhr Infos: 0201 245 55 55 Bochum Dortmund JAHRHUNDERTHALLE THEATER DORTMUND Fr. 23.9. 19.30 Uhr, Turbinenhalle Sa 24.9. 20 Uhr (Studio) Das Schloss (Triennale-Premiere) Green Frankenstein und Sexmonster Der Roman Kafkas ist Fragment geblieben, mitten im Satz bricht er ab. So bleibt auch das Ende des Landvermessers K. im Dunklen. Das Schloss hatte ihn angefordert, und nach einer langen, winterlichen Wanderung war er an seinem neuen Arbeitsplatz eingetroffen, aber niemand hatte ihn erwartet. Er beginnt, um seine Anerkennung zu kämpfen. pel Weitere Termine: 24.-25.9., 27.-30.9., je 20 Uhr Infos: 0700 20 02 34 56 ZWISCHENFALL Sa 17.9. 20 Uhr The Members Sicherlich gehört das Album „At the Chelsea Nightclub“ von The Members zum Besten, was der britische Punk alter Schule bis heute zu bieten hat. Seit dem kamen vereinzelte Erfolge in den Achtzigern wie die romantische anti-Arbeits-Hymne „Working Girl“. Aber Kult sind die Members dennoch geblieben, vor allem, weil ihr Sound immer noch bis in die ersten Tage des Punk reicht. Von SkaBeats versetzt, ohne eine aggressive Bass-Line, aber mit viel Humor von den Strophen bis zu den chartreifen dk Refrains. Infos: 0234 28 76 50 JAHRHUNDERTHALLE So 4.9. 11 Uhr www Tanz in multiplen Perspektiven Der Israeli Emanuel Gat zählt zu den gefragtesten Protagonisten des zeitgenössischen Tanzes. Mit seinem neuen Stück Brilliant Corners, eine Anlehnung an das gleichnamige Album der Jazz-Größe Thelonious Monk, dessen Kunst eine wesentliche Inspirationsquelle für Gats choreographisches Arbeiten darstellt – fungiert die Choreographie in einem klar umrissenen Quadrat aus Licht als ein Seismograph tänzerischer Aktivitäten. Die Bewegungen seiner zehn Tänzer flicht Gat in verschiedene Schichten von Musik und Rhythmus ein, die er in zweijähriger Arbeit selbst kompel ponierte. Brilliant Corners Do 8.9. 20 Uhr (Premiere) PACT Zollverein Infos: 0201 812 22 00 59 Foto: Jürgen Bauer/Suhrkamp Verlag Durs Grünbein: Lob des Taifuns Die Ruhrtriennale widmet sich im dritten Jahr der Intendanz Willy Deckers dem Buddhismus. Autoren bleiben auch in diesem Jahr seltene Gäste, die Literatursparte wird weiterhin hauptsächlich mit Schauspielern und den Texten von Toten bespielt. Umso schöner, dass für eine der zwei echten Autorenlesungen einer der wichtigsten deutschsprachigen Lyriker gewonnen wurde. Grünbein hat Reiseeindrücke aus Japan in Haiku-Form verdichtet. Diese formal strengen Kürzestgedichte stellt er in seiner Lesung in Bezug zu anderen Gedichten seines Werkes und lädt westliche und (fern-) fs östliche Kunst zur Begegnung. Infos: 0234 369 31 00 Die Spielzeiteröffnung im Studio – ein Abend, zwei Geschichten: Die erste, GREEN FRANKENSTEIN, spielt in Japan. Im Hafen von Hiroshima wird ein Schiffbrüchiger angeschwemmt. Der Mann erzählt von einem riesigen Monster, das die Besatzung seines Fischerbootes gefressen hat. Dieses bösartige Wesen hat sich in den Tiefen des Meeres innig mit der Natur verbunden, so dass es den Menschen als Feind ansieht, der das ökologische Gleichgewicht der Erde gefährdet. Die zweite Geschichte, SEXMONSTER!, entführt die Zuschauer nach New York City in einen Sumpf aus Schmuddelkinos, Bars und Prostipel tution. Infos: 0231 50 27 22 SISSIKINGKONG Mi 21.9. 20 Uhr Locas In Love Das unlängst erschienene vierte Album „Lemming“ des Kölner Trios Locas In Love wird von vielen Kritikern mit Recht als beste deutsche Indie-Pop-Platte seit vielen Jahren beschrieben. Die der LofiFolk-Szene entstammende Band hat die selbst auferlegten Restriktionen erstmals durchbrochen und lyrisch wie musikalisch mitreißenden Pop produziert. Nun muss die live so sympathische und herzliche Band nur noch die gerechte Aufmerksamkeit gewinnen. Keine Frage: Wer sie live cs sieht, wird sie lieben. Infos: 0231 728 25 78 Auswahl Duisburg Essen Gelsenkirchen Mülheim LANDSCHAFTSPARK NORD WESTSTADTHALLE KAUE THEATER AN DER RUHR Do 29.9. 20 Uhr (Gebläsehalle) 30.9.-2.10. Sa 24.9. 20 Uhr Mi 21.9. 19.30 Uhr Hanjo (Triennale-Premiere) Denovali Swingfest 2011 FATIH unser! Was ihr wollt (Premiere) Hanjo ist ein Stück des absichtslosen Wartens und ein Labyrinth unausgesprochener Träume, Wünsche und Projektionen, in dem sich die Protagonisten verirren. Die hoch intensiven, durchsichtigen und spiegelnden Klänge der Musik Hosokawas bilden den Raum für das fatale Geflecht dieser Figuren. Eine Kammeroper, auf einem pel japanischen Nô-Spiel basiert. Infos: 0700 20 02 34 56 Feinkost für die Ohren von der allerschwersten Sorte erwartet den Zuschauer des mittlerweile zum Kultfestival avancierten Experimentalmusikfestivals. 2011 erstmals dreitägig angelegt, kommen auch diesem Jahr Fans von Drones, Ambient, Jazz und Doom voll auf ihre Kosten. Viel Zeit zum Bierholen wird es wohl nicht geben, denn das Line-Up birgt eigentlich nur Höhepunkte. Doch sind es vor allem die kleineren Bands, at die es zu entdecken gilt. Infos: www. denovali.com/swingfest LEHMBRUCK MUSEUM 24.9.-22.1. Mi, Fr, Sa 12-19, Do 12-21, So 11-19 Uhr 100 Jahre Wilhelm Lehm brucks Kniende – Paris 1911 Wilhelm Lehmbruck (1881 Meiderich - 1919 Berlin) gehört zu den wichtigen deutschen Bildhauern. In ihren Längungen dem Expressionismus zuzuordnen, führen seine Skulpturen Leid, Anmut und Transzendierung zusammen, in komplexen bildhauerischen Lösungen. Dafür ist die „Kniende“, die sich in der Duisburger Sammlung befindet, ein exzellentes th Beispiel. Infos: 0203 283 26 30 VILLA HÜGEL Bis 11.12. Di-So 10-18 Uhr Krupp – Fotografien aus zwei Jh. Seit den 1830er Jahren hat die Familie Krupp in ihrem Unternehmen systematisch Fotografien angefertigt und aufbewahrt. Mit das Interessanteste sind die Repräsentationsfotos und die anschauliche Entwicklung der Fototechnik, neben dem Ort der Ausstellung selbst: der Villa Hügel th mit ihrem Park. Infos: 0201 61 62 90 War es nur ein Traum oder tatsächlich Realität. Fatih Cevikkollu weiß es selbst nicht so genau, aber alles hat sich so echt, so real angefühlt. Der Autounfall, die Schwerelosigkeit, das helle Licht und dann das... Nichts! Das kann es doch nicht gewesen sein! Auf keinen Fall hat der liebe Gott die Rechnung ohne seinen Fatih gemacht. Der ergreift seine Gelegenheit und stellt dem Big Boss die Fragen aller Fragen, kommt nach dem Genuss die Reue oder ist es eher umgekehrt, kommt am Ende die große Bestrafung für ein Leben voller Laster und Sünden, oder lacht sich dann einer nur kaputt, weil man das Beste pel ganz fromm verpasst hat. Infos: 0209 49 01 31 In Illyrien, einer kleinen Stadt am Meer, sind alle so verrückt, dass es verrückt wäre, nicht ebenso verrückt zu sein. Ein Leben ohne Musik, Liebe, Melancholie und Alkohol wäre möglich, erschiene den Illyrern aber vollkommen sinnlos. Fremde sind willkommen; solange sie nicht auffallen und zur Absicht des Regierungschefs passen. Die ist einzig, die Liebe der pel schönen Olivia zu gewinnen. Infos: 0208 599 01 88 KUNSTMUSEUM ALTE POST Bis 18.9. Di-Fr 11-17, Do 11-21, Sa, So 10-17 Uhr Kurt Rehm Die Ausstellung von Kurt Rehm geht mit einer umfassenden Schenkung von winzigen Bleistiftzeichnungen aus den Jahren 1952-1955 und farbigen Papierschnitten 2005-2010 an das Kunstmuseum seiner Wahlheimat einher. Kurt Rehm ist ein Meister der kleinen Form. Er erkundet mit feinsten Strichen das Potential der Linie zwischen organischer Figuration und th gegenstandsfreiem Gestus. Infos: 0208 455 41 71 www FAHRRADWELTEN GRÖSSTE E-BIKE MARKENAUSWAHL IN ESSEN UND UMGEBUNG! A2B METRO STEVENS CARPO VICTORIA E EAGLE LTD VICTORIA E HOCKENHEIM A2B HYBRID 24 PLANET OF BIKES www.planetofbikes.de Kopstadtplatz 10 · Essen-Zentrum Telefon 02 01 80 98 26 00 Unsere Öffnungszeiten: Mo. - Sa. 10:00 - 20:00 Uhr ESSENS NEUE NUMMER 1! Highlights in Dortmund ARENA Mi 14.9. 20 Uhr Hund-Deutsch, Deutsch-Hund Mit Witz, Charme und fundiertem Fachwissen nimmt Martin Rütter sein Publikum mit auf eine Reise in den humorvollen Alltag zwischen Mensch und Hund. Rütter übersetzt "Hündisch" präzise, mit Sachverstand und doch stets mit einem Augenzwinkern pel ins "Deutsche". Infos: 0208-82000 DRUCKLUFT Do 22.9. 21 Uhr Talking To Turtles Das Berlin-Leipziger Duo Talking To Turtles gehört zu den landesweit spannendsten neuen Bands aus dem Spannungsfeld zwischen Folk und Lofi-Gestus. Das gerade erschienene zweite Album „Oh, The Good Life“ wird mancherorts sogar mit den New Yorker Antifolk-Heroen The Moldy Peaches verglichen. Nicht ganz zu cs Unrecht! Infos: 0208 85 24 54 Ausblick: Dortmund DIVERSE ORTE 1.10. Ab 16 Uhr 11. Dortmunder DEW-Museumsnacht Dortmunds beliebteste Kulturveranstaltung öffnet am 1. Oktober ihre 11. Auflage. Mehr als 50 Museen, Galerien, Kirchen und andere kulturelle Einrichtungen laden zu einem Programm aus Konzerten, Ausstellungen, Kabarett, Führungen, Shows, Lesungen, Theateraufführungen, Mitmachaktionen und vielem mehr ein. Das komplette Programm der mehr als nur museal zu verortenden Museumsnacht, die bis in den nächsten Morgen Live-Acts bietet, finden Sie unter: www.dortmunderdewmudk seumsnacht.de Düsseldorf TONHALLE / ROBERT SCHUMANN SAAL 10.-16.10. New Fall Festival Es gehört schon länger zum guten Ton, sich als städtisches Konzerthaus eine ausgezeichnete Pop-Reihe zu gönnen. Vermehrt sind gute Singerund Songwriter sowie experimentierfreudige Klangakrobaten der Elektroszene auf den Bühnen der klassischen Musik zu finden. Das neue Düsseldorfer Free Fall Festival greift diesen Trend programmatisch auf und wagt sich mit Künstlern wie Scott Matthew, Plaid oder der Nouvelle Vague in die Tonhalle und in den Robert Schumann Saal. Besondere Konzerterlebnisse dürften auch Gentleman mit seinem AkustikSet werden oder Ex-BlumenfeldSänger Jochen Distelmeyer. Eine Ausnahme bietet das Festival aber durch sein großes Angebot an skandinavischen Pop-Musikern. Neben dem Isländer Òlafur Arnalds ist auch die dk Dänin Agnes Obel dabei, Infos: www.westtickelt.de IMPRESSUM Herausgeber: trailer Verlag Joachim Berndt Redaktion: Inga Selck (v.i.S.d.P.), Dawid Kasprowicz, Thomas Müller Mitarbeit an dieser Ausgabe: Frank Brenner, Ingmar Burmann, Lutz Debus, Hartmut Ernst, Rolf-Ruediger Hamacher, Michael Hermann, Thomas Hirsch, Dagmar Kann Comann, Dawid Kasprowicz, Maren Lupberger, Karsten Mark, Christian Meyer, Anne Nüme, Peter Ortmann, Kerstin Maria Pöhler, Frank-Michael Rall, Betty Schiel, Frank Schorneck, Sebastian23, Christian Steinbrink, Annette Thun, Hans-Christoph Zimmermann Projektleitung: Ralf Schiessl Grafik: Michael Hennemann, Mathias Mortag, Thomas Müller Gestaltung: PS Grafik GmbH, 40213 Düsseldorf Anzeigenverwaltung: Berndt Media, Joachim Berndt www.berndt-media.de Dr.-C.-Otto-Str. 196, 44879 Bochum Telefon 0234-941910 Fax 0234-9419191 E-Mail: info@berndt-media.de Buchhaltung: Karin Okniewski 27. + 28.08.2011 Dortmunder Antik- und Sammlermarkt 17. + 18.09.2011 European Polonia Festival 24.09.2011 Suberg´s ü30 Party 01.10.2011 SYNDICATE 08.10.2011 20 Jahre Radio 91.2 – Der beste Mix live 15.10.2011 Turkalmanya 22.10.2011 Schlager total – der größte Party-Marathon Deutschlands 29.10.2011 Alter Bridge 29.10.2011 04.11.2011 04.11.2011 10.11.2011 12.11.2011 12.11.2011 14.11. - 29.12.2011 19.11.2011 GLAMOTION JEAN MICHEL JARRE Sunrise Avenue KAYA YANAR Willkommen bei Carmen Nebel Rüdiger Hoffmann Kartbahn Westfalenhallen SADE www 19. + 20.11.2011 26.11.2011 26.11.2011 01. - 04.12.2011 01.12.2011 07.12.2011 10. + 11.12.2011 13. + 14.12.2011 13.12.2011 16.12.2011 17.12.2011 20.12.2011 PAUL PANZER 7. Kinderlachen – Gala K.I.Z Holiday on Ice Prinzessin Lillifee Martin Rütter APASSIONATA AIDA Night Of The Proms Eckart von Hirschhausen BROILERS Mario Barth SCHILLER Bereits über 12.000 Besucher erhalten den E-Mail Newsletter des Veranstaltungszentrums Westfalenhallen - nutzen auch Sie die Möglichkeit, als Erster über neue Veranstaltungen in den Westfalenhallen informiert zu werden. Anmelden können Sie sich ganz einfach unter: www.newsletter.westfalenhallen.de TICKETING WESTFALENHALLEN · Telefon 01805 16 05 16 (14 ct/Minute, Mobilfunkpreise max. 42 ct/Minute) · www.westfalenhallen.de Druck: Henke Druck Besuchen Sie uns auch auf facebook. Verbreitete Auflage: 34.863 Exemplare, IVW II/2011 Nicht gesondert gekennzeichnete Bilder sind Pressefotos. 61 Änderungen vorbehalten Oberhausen Magenbitter Foto: Lichtbild Austria, pixelio.de Foto: Albrecht E. Arnold, pixelio.de Butterstulle statt Gefiedel It‘s not a second, seven seconds away Just as long as stay, I‘ll be waiting. (Youssou N´Dour) Von Peter Ortmann Nur noch kurz die Welt retten. Ein Lied zieht um die Welt. Musik beherrscht die Welt. Aber irgendwie wohl nicht Somalia. Wäre es nicht sinnvoller, jedem Kind eine Schnitte Brot, als jedem Kind ein Instrument...? Selbst Triangeln lassen sich so schlecht kauen. So come on Eileen. Her mit der Geige. Poor old Johnny Ray. Wenn der David Garrett schneller als BILD sein will und dafür Geld kassiert, dann will ich wenigstens schneller als Billy the Kid den Löffel aus der Schublade... Aber nur mit wertvollen Cerealien. Was ein Quatsch. If your sweetheart sends a letter of goodbye. BFBS. Die spielen noch Johnny Ray. Na siehste. Dann eben her mit dem Cello zum Reinbeißen. Schon Nam Jun Paik wusste mit diesem Instrument etwas anzufangen. Er ließ eine Nackte darauf spielen, machte Videos, baute Fernseher rein oder die Charlotte Moormann, jetzt bekleidet, machte aus ihm ein „Human Cello“. Kunst. Alles Quatsch. Die ist auch brotlos. Also her mit dem Klavier. Ein Klavier, ein Klavier, Klafünf, Klasechs. Klavier, Bier für die Männer von der Müllabfuhr. Man müsste eben Klavier spielen können. Spreiz deine Finger nicht so, Wolfgang Amadeus, das ist unanständig. Was? Ihr habt gestohlen, niederträchtig Jekus, jekus, das ist schwer (aus: Der Vogelhändler). Auch wenn es nur der Name ist. Nein, der Kleine mit den großen Vornamen wird nie wie der andere kleine, der schon klein ein Großer war. Ihrer ist nicht hochbegabt, wie die anderen neunzig Prozent der Vorschulkinder, da können Sie dem kleinen Mann einen Namen geben wie Sie wollen. Warten Sie lieber auf JeKi (Jedem Kind ein Instrument), und dafür sparen Sie am besten sofort in ein Sparschwein. Chris Howland kannte da bereits den Trick: Alle müssen Steuer zahlen, ich und du und er. Alle leiden Höllenqualen, mir fällt das nicht schwer. Denn dann hau‘ ich mit dem Hämmerchen mein Sparschwein, mein Sparschwein – kaputt. Grund sind Finanzlücken bei JeKi, schlappe 10 Millionen Euro. Da will einfach keiner sponsern. Unerhört, bringt mal die Fisch-Häppchen zum Schampus. The world is my oyster, Frankie goes to Hollywood oder New York. If you make it there, you can make it everywhere. Aber eben nicht am Horn von Afrika. Dahin geht niemand. Da lauern Piraten. Zum Horn von Afrika ging einst nur Hans-Jürgen Wischnewski, auch ohne Butterstulle. www Also her mit der Geige. Mit dem Musikprojekt JeKi haben bis jetzt im Ruhrgebiet rund 60.000 Grundschulkinder eine musikalische Grundausbildung erhalten. Das ist gut. Grundausbildung ist wichtig. Da kann man den bösen Piraten zeigen, wo es lang geht. Wenn nur ordentlich gegeigt wird. Und der Geiger geigt uns einen und manche Damen fangen an zu weinen. So viele Beispiele, wo Musikinstrumente die Gefühle beleben und den Geist benebeln. Und es wird noch schlimmer. In NRW fehlen Instrumente und Musiklehrer. Und während für I-Männchen und I-Weibchen die Teilnahme an „Jeki“ noch kostenfrei ist, müssen ihre Eltern ab dem zweiten Jahr monatlich dafür Geld zahlen. Das macht schon keiner mehr. Zu wenig Brot für die Welt? Na dann fröhlichen Schulstart. 62 www 63 September 2011 www.trailer-ruhr.de www HELL EIN FILM VON TIM FEHLBAUM www.hell-derfilm.de ab 22.9. im Kino