Die aktuelle Ausgabe als
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Die aktuelle Ausgabe als
S CHLACHTHOF zMA GA LAGERHAU S APRIL MAI 15 ZIN F Ü R S T A D T K U L T U R Freizeit FIL Pullern im Stehn JA N P L E W K A Sound of Silence WA L P U R G I S N AC H T Hexentanz im Liluba VERNETZEN HELFEN GESTALTEN Bürgerschaftliches Engagement in Bremen THEMA Halbzeitwissen Freizeit inhalt FRÜHER WAR MEHR LAMETTA THEMA 08 Vernetzen Helfen Gestalten 4 Etwas tun für die Welt, in der man leben will | Dierck Wittenberg 6 Inseln für Champions| Nora Stötzner Eine ehrenwerte Bezahlung? | Anja Bludau 7 Es geht nicht ohne – Ehrenamt im Sport | Gudrun Goldmann 8 Romantik ist hier fehl am Platz | Joschka Schmitt Ein Jahr zum Ausprobieren | Lisa Haferkamp Jonathan Prösler ist Schauspieler, Regisseur, Lebensoptimist, Zweifler, Ehemann, Vater und Theaterpunk. Zurzeit führt er im Turm des Schlachthofs das Stück ›Mephisto.Sein.Goethe‹ auf. Kennst du das Lied ›Goethe war gut‹ von Rudi Carrell? zMA GA EIN MAGAZIN MACHT STADTKULTUR HALBZEIT Mein Liebling ist er nicht, auch wenn er mir das ein oder andere Kompliment abgerungen hat. Sein Überlebenswillen zum Beispiel. Er ist so etwas wie Dieter Bohlen für mich. Den find ich nicht gut, habe trotzdem Respekt vor seinem Geschäftssinn. 10 Was macht das Gesamtkunstwerk Goethe aus? Der sportliche Größenwahn. Der Anspruch an sich selbst, in allen Disziplinen, denen er sich gewidmet hat, der Beste zu sein. Wie ist es zu der Idee mit den sieben Regisseuren gekommen? Weil meine Gesammelte-Werke-Ausgabe von Goethe in sieben Bänden erschienen ist und im Faust von Marlowe die sieben Todsünden in persona dem Mephisto zur Seite stehen. Der gedankliche Weg von da war nicht so weit, sich sieben Experten zu dieser Arbeit dazuzuholen. 10 Kulturelle Kurznachrichten 11 Die Werte der Aufklärung Porträt Libuše Černá| Johanne Bischoff 12 Zug um Zug Literatur | Jörn Birkholz 13 Tourtagebuch Glosse | Jörg Windszus FÜR STADTKULTUR ZIN Ich kenne das Lied nicht – schade eigentlich. Warum war Goethe gut? editorial Ob man es Freiwilligenarbeit, Bürgerschaftliches Engagement oder Ehrenamt nennt, gemeint ist immer, dass sich Menschen unentgeltlich für etwas einsetzen, das ihnen wichtig ist. Eltern betätigen sich oft im Umfeld ihrer Kinder, zum Beispiel als ElternvertreterIn in der Schule oder als TrainerIn im Sportverein. Andere sind in der Freiwilligen Feuerwehr oder beim Deutschen Roten Kreuz aktiv, insgesamt 18 Prozent der Erwachsenen in Deutschland FREIZEIT Aber du hast ja noch andere Projekte am Start. Was gibt es da Aktuelles zu berichten? haben ein Ehrenamt inne (Statistisches Bundesamt 2001*) und wenden dafür wöchentlich 4 3/4 Stunden auf. Eine gute Sache also – oder? Im Moment entstehen zwei Folgeprojekte unter dem Label theaterPUNKproduktion, wieder in Koproduktion mit dem theaterSCHLACHTHOF. Ein Männerprojekt: Fünf Männer auf der Bühne des Heartbreak Hotels und ich als Regisseur. Wir knöpfen uns Beckett vor. Und das zweite Projekt ist ein Soloprojekt meiner Frau Anna Jäger, die sich mit Frauenbildern beschäftigt. 14 14 Schwierig wird es, wenn Freiwillige Aufgaben übernehmen, weil der Staat April: Fil | Nightcalls | Von Spar | Sizarr | Akku Quintet | Sea Change | 1989 [exit ghost] | Äl Jawala | 10. Jazzahead! | Pago Balke | Pop to go | Oliver Gottwald | Walpurgisnacht im Liluba 18 Du warst ja auch in anderen Städten aktiv. mit Flüchtlingen. Dierck Wittenberg hat dazu mit der Geschäftsführerin der Freiwilligen-Agentur Bremen, Birgitt Pfeiffer, ein Interview geführt. Außerdem stellen wir verschiedene Bereiche vor, in denen ehrenamtliche Arbeit an der Mai: Jan Plewka | Manuel Möglich | Lau | Gregor Meyle | Christian Steiffen Ja, ich war in Berlin, dort hab ich studiert und frei gearbeitet, war in Neustrelitz in meinem ersten festen Engagement, war in Erfurt, in München, in Stendal, in Schwerin. Dort war ich meistens als Schauspieler unter unterschiedlichen Bedingungen, mal freiberuflich, mal in Festanstellung, tätig. es nicht tut. Beispiele gibt es aus der Pflege, der Bildung oder der Arbeit Tagesordnung ist, und ein ungewöhnliches Projekt, das junge Erwachsene und Kinder zusammenbringt: Balu und du. Dass zwar der Begriff Ehrenamt vielleicht angestaubt ist, nicht aber die Art des Engagements, zeigte Anfang März auch die Freiwilligenbörse Was würdest du für mich kochen? Ich würde eine Antipasti aus Norditalien für dich kochen. Tintenfischringe in Knoblauch geschwenkt, mit Vermouth abgelöscht und mit viel Petersilie und getrockneten Tomaten verfeinert. Dazu ein Olivenciabatta und einen schönen Weißwein. KULTURGUT Vo n L e n a S t u c k e n s c h m i d t Jetzt musst du mir eine Frage stellen! Dreimal ist Bremer Recht, hat das Bedeutung für dich? Aktivoli, die im Rathaus mit 70 Ausstellern stattfand. Mit Speed-Dating und Info-Ständen versuchen die Organisationen, eine möglichst gute Passung Übrigens: Wir sind eine offene Redaktion. Jede und jeder kann gerne mitmachen! Kontakt: zett@schlachthofbremen.de mit den Interessierten zu erreichen, denn nur dann ist deren Engagement für beide Seiten sinnvoll. Freiwillige haben eine Kündigungsfrist von Doppelt hält besser! Vier gewinnt! Drei Ecken ein Elfer! Nö! fünf Minuten, da lohnt es sich, sich vorher ein paar Gedanken zu machen. War früher mehr Lametta? Ich selbst war früher mehr Lametta, etwas flirrig, luftig, leicht wegzupusten, der ein oder andere hat sich gerne mit mir geschmückt. Heute ist aus der ewigen Wiederverwertung ein Metallknoten geworden, der Gewicht hat. Vielleicht wird in Zukunft ein Drahtseil daraus. SEAN-PATRIC BRAUN Gudrun Goldmann (Chefredakteurin) *Die aktuelle Erhebung wird gerade ausgewertet und in den nächsten Wochen veröffentlicht. Schlachthof F o t o : A N I K A H A N E LT- K N U D S E N H E R AU S G E B E R Visit Foto: MARINA LILIENTHAL THE MA 5 4 Etwas tun für die Welt, in der man leben will Birgitt Pfeiffer leitet seit 2007 die Geschäfte der Bremer Freiwilligen-Agentur. Die bringt seit1994 Einrichtungen und Interessierte zusammen, berät und qualifiziert sie. Damit war die Bremer Agentur, die zum Sozialen Friedensdienst gehört, eine der ersten derartigen Einrichtungen in Deutschland, eine ›Keimzelle‹ sagt Pfeiffer. Fotos: MARINA LILIENTHAL hat häufig solche Versorgungslücken aufgezeigt. Die gesamte Hospizbewegung beispielsweise ist aus dem Ehrenamt heraus entstanden. Zu dem Beispiel, das Sie genannt haben: Ich würde sagen, Sprachkurse gehören dauerhaft zur Versorgungspflicht des Staates. Wenn es parallel dazu noch Sprachpaten gäbe, dann wäre das großartig, ein solidarischer Akt, der dabei hilft, Leute hier heimisch zu machen. In Deutschland wird die Debatte über Sozialstaat und Ehrenamt häufig als Entweder-oder-Debatte geführt, uns wäre geholfen, wenn wir das eher als Sowohl-als-Auch denken würden. Ich glaube, wir befinden uns insgesamt in einer Phase, in der wir neu definieren, was der Staat leisten muss und kann. Das gilt es, sich im Einzelfall anzuschauen. Es gibt Bereiche, wo der Staat sich zurückzieht und sagt: Liebe Leute, ihr müsst euch jetzt engagieren – zum Beispiel in der Pflege. Ich finde, der Staat hat sich herauszuhalten aus der Frage, was die Bürger tun sollen. Das bestimmen die Bürger selber. Ihr Bundesverband hat die Monetarisierung des bürgerschaftlichen Engagements kritisiert. Warum ist es ein Problem, wenn Freiwilligenarbeit entlohnt wird? Für mich gibt es verschiedene Kriterien, die freiwilliges Engagement erfüllen muss: Es muss gemeinwohlorientiert und selbstbestimmt sein, es muss die Möglichkeit zur Selbstorganisation geben, freiwillig und unentgeltlich sein. Die Unentgeltlichkeit garantiert die Unabhängigkeit der Leute, die sich engagieren. Wenn man eine Kündigungsfrist von fünf Minuten hat, dann ist das schon eine Macht, die Freiwillige haben. Also muss man dafür sorgen, dass es denen gut geht und sie Spaß haben an ihrem Job. Diese Unabhängigkeit ist ein wesentlicher Zug des Ehrenamtes, weil nur sie eine kritische Einstellung ermöglicht. Wenn die Unentgeltlichkeit nicht mehr gegeben wäre, würde das freiwillige Engagement im Grunde einen neuen Niedriglohnsektor bilden und die besondere gesellschaftskritische Funktion ginge flöten. Der überwiegende Teil des Engagements findet aber immer noch unentgeltlich statt. Allerdings gibt es Fälle, in denen die Lücke, die durch das Ende der Ein-Euro-Jobs entstanden ist, durch ehrenamtsähnliche Konstruktionen gestopft wird. Ja, die Einrichtung muss nachweisen, wie viele Stunden ein Hartz-4-Empfänger da war und der bekommt dann dafür vom Jobcenter einen Euro und das Ganze heißt Ehrenamt. Das, finden wir, ist ein Unding und politisch eine Katastrophe für das Ehrenamt. Warum sagt man mittlerweile Freiwilligenarbeit und nicht mehr Ehrenamt? Es gibt verschiedene Begriffe, die den alten Begriff Ehrenamt ab-gelöst haben: Freiwilligenarbeit ist einer, freiwilliges Engagement ist ein anderer. Dann gibt es als Überbegriff noch bürgerschaftliches Engagement. Im Zuge einer Enquetekommission, die der Bundestag 1999 eingesetzt hat, wurde – auch auf Grundlage vieler Forschungen – festgestellt, dass das Ehrenamt sich sehr gewandelt hat und darunter häufig traditionelle Engagementformen verstanden werden, zum Beispiel in Kirchen und Wohlfahrtsverbänden. Aber wenn wir an die verschiedenen Szenen in den Siebzigern denken: soziale Bewegungen, Umweltbewegung, Frauenbewegung, Friedensbewegung, dann war das auch alles Engagement, die konnten jedoch mit dem Begriff Ehrenamt nichts anfangen. Abgeschafft worden ist er aber nicht, der hält sich und gewinnt tatsächlich wieder an Beliebtheit, interessanterweise. Aus welcher Motivation heraus engagieren sich Menschen freiwillig? Die Motivationsforscherin Barbara Moschner hat kürzlich folgendes Motiv genannt: Viele engagieren sich, weil sie eine existentielle Schuld empfinden. Was sie mit diesem Begriff meint, ist, dass Menschen sagen: Es ist Zufall, dass ich ins reiche Deutschland geboren bin; dass ich die Chance hatte, hier eine gute Bildungskarriere zu durchlaufen; dass ich in diese Familie geboren bin, der es gut geht. Und irgendwie muss ich dazu beitragen, dass das System, in dem wir leben, auch weiterhin funktioniert – sowohl unterstützend als auch kritisierend und kontrollierend. Dann gibt es aber auch ganz profane Motive: Ich will was Neues lernen. Ich will Spaß haben. Ich gehe in Rente und möchte in eine verantwortliche Tätigkeit eingebunden sein. Junge Leute wiederum verknüpfen ihr Engagement sehr stark mit dem, was sie beruflich gerne machen wollen. Bei Berufstätigen oder Menschen, die in der Familienphase sind – das ist sogar die engagierteste Gruppe –, hängt das Engagement häufig mit den eigenen Kindern zusammen, im Elternbeirat beispielsweise oder Jahrgang 1981, als Schiedsrichter. Es gibt sehr viele Motive, die sehr stark hat Politik- und von der jeweiligen Lebenslage abhängen. Die größte Klammer Kulturwissenschaft studiert und lebt ist, dass die Leute sich fragen: In was für einer Welt will ich als freier Journalist eigentlich leben? Und dann rausgehen und etwas tun. in Bremen. Müsste man in einigen Bereichen nicht auch kritisch nachfragen, wenn freiwillig Engagierte einspringen, wo eigentlich der Sozialstaat tätig werden müsste? Wenn zum Beispiel in einer niedersächsischen Gemeinde keine Sprachkurse für Flüchtlinge angeboten werden und das dann von Ehrenamtlichen übernommen wird? Im Moment ist es so, dass da eine Realität vorprescht und der Staat nachrücken muss, das dauert. Und dann springen Freiwillige in diese Lücke. Das freiwillige Engagement Dierck Wittenberg THE MA 7 6 NORA STÖTZNER INSELN FÜR CHAMPIONS DAS PATENSCHAFTSPROJEKT BALU UND DU Wer kennt sie nicht: den großen Balu und den kleinen Mogli? Auf den ersten Blick zwei ganz ungleiche Freunde. Im Wasser gemütlich auf dem Rücken liegend beobachtet Balu in Disneys ›Dschungelbuch‹ neugierig eine Biene zwischen farbigen Seerosen. Auf seinem riesiggroßen Bauch liegt ein kleiner entspannter Mogli wie auf einer Insel und lacht den Bären fröhlich an. Der kleine Mogli lernt von Balu, sich auszuprobieren, mit neuen Erfahrungen umzugehen und auch schwierige Situationen zu überstehen. Und bei alldem wird er von ihm beschützt. Denn auf Balu ist vor allem eins: Verlass. Aus gutem Grund also sind Balu und Mogli die Vorbilder für ein bundesweit an über sechzig Orten existierendes Patenschaftsprojekt, das die hiesige Freiwilligen-Agentur 2008 auch in Bremen initiiert hat. Kinder im Grundschulalter, die sogenannten Moglis, werden dabei von den Balus, jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 30 Jahren, zwei bis drei Stunden in der Woche in Tandems begleitet. Der Geist des Projekts ›Balu und Du‹ ist in Bremen vor allem von der Projektkoordinatorin Claudia Fantz und ihrem Team aus acht Ehrenamtlichen geprägt. Die arbeiten nämlich auf ihre ganz eigene Weise: Bei ihnen stehen die Balus im Mehr dazu gibt’s unter: www.freiwilligenagentur-bremen.de/ projekt/2/ balu-und-du/ Mittelpunkt. Denn wenn es denen gut geht, dann geht es auch den Moglis gut. Und so kommt es, dass die jungen Erwachsenen in Einzelberatungen, Seminaren und Supervisionen besonders intensiv auf ihre Aufgabe vorbereitet und bei ihr begleitet werden. Schließlich macht sich jede und jeder von ihnen auf eine ganz eigene Reise in diesem Jahr, das als Zeitraum für die Begegnungen mit den kleinen Moglis vorgesehen ist. Fantz und ihrem Team geht es in ihrer Arbeit vor allem darum, den Blick der Balus auf die Handlungsfähigkeiten, Kompetenzen und Potentiale der Moglis zu orientieren. Die Balus ›locken das Leben‹ aus den Kindern. Und dazu gehört, sagt sie, ein gutes Gespür. Um das zu verfeinern, muss gleichzeitig Offenheit für die Selbstbildung der eigenen Persönlichkeit vorhanden sein. Und auf diesem Weg möchten Fantz und ihr Team die Balus verbindlich begleiten. Sie wollen auch einen Raum zur Verfügung stellen, in dem die Balus aus den Erfahrungen, die sie im Kontakt mit den Kindern gemacht haben – das reicht von eigener Unsicherheit bis zu Widerständen –, lernen können. So dass alle nach und nach zu ihren eigenen Lösungen kommen und am Ende beide Seiten profitieren. Das ist auch definiertes Ziel der Freiwilligen-Agentur Bremen. In der Bindungsforschung ist längst belegt, dass sichere Beziehungen im Kindesalter für die emotionale und soziale Entwicklung von Menschen entscheidend sind. Dieses im Grunde uralte Wissen ist auch die Basis für den Erfolg des Projekts. Und der ist sogar messbar: Bereits nach einem Jahr in den MentorInnen-Beziehungen lassen sich bei den Kindern deutliche Konzentrationssteigerungen und Lernerfolge in der Schule nachweisen. Zurzeit gibt es in Bremen rund 40 Patenschaften dieser Art und vermutlich ebenso viele verschiedene Balu-Mogli-Beziehungen. Die einen lassen es ruhig angehen, bei anderen wieder geht es flotter. Kiara ist zehn und lobt Johanne, wie schnell sie das mit dem Eislaufen gelernt hat. Entscheiden müssten sie beide jetzt nur noch, ob sie eher ›Meister, Champions oder Superstars‹ sind. Eine negative Kategorie gibt es in Kiaras Wertung nicht. Dabei fällt Johanne auf, wie stärkend diese Beziehung mit der Zeit auch für sie geworden ist. Sie sprechen auf Augenhöhe, sagt die junge Studentin, die erst vor Kurzem nach Bremen gekommen ist und wissen wollte, wie die Stadt wohl aus Kinderaugen aussieht. Mentorin zu sein bedeutet für Johanne, ihrem Mogli Möglichkeiten zu eröffnen, neuen Input zu geben und ihm zu zeigen, dass es sehr verschiedene Arten gibt, das eigene Leben zu gestalten. Vor allem aber auch: einfach für Kiara ›da zu sein‹. Sie selbst habe in dem Zeitraum der bisher rund 30 Treffen vor allem gelernt, unangenehme Situationen einfach mal auszuhalten, andere Lösungen als die bekannten zu wählen und so ganz neue Wege zu gehen. Sie hat sich auf Dinge eingelassen, auf die sie erst gar keinen Bock hatte: ›Und dann war’s voll cool.‹ So sieht die Welt nach dem Jahr für alle ein wenig anders aus. Und für Johanne und Kiara geht die Freundschaft weiter. Denn auf diese Art Balu und Mogli sein kann man nur einmal im Leben. Eine ehrenwerte Bezahlung? EINE BEGRIFFSKLÄRUNG // A N J A B L U D A U Ehrenamt – was ist das überhaupt? Für den Begriff gibt es keine gesetzliche Definition, am Ende sind sich jedoch alle einig, dass es darum geht, sich freiwillig und unentgeltlich für das Gemeinwohl zu engagieren. B ei den geldwerten Leistungen handelt es sich ausschließlich um Entschädigungen, bei denen nicht direkt Geld gezahlt wird, die aber einen finanziellen Gegenwert haben. Das kann in Form von Sachzuwendungen passieren und bedeutet, dass derjenige, der sich ehrenamtlich engagiert, durch Verpflegung, Geschenke, bestimmte Dienstleistungen oder die Nutzung eines Dienstwagens entschädigt wird. Dazu kann die Finanzierung von Bildungsmaßnahmen, wie z. B. Aus- und Fortbildungen, oder der Erwerb von Qualifikationsnachweisen kommen. Durch diese Art der Finanzierung wird der Ehrenamtliche entschädigt, aber selbstredend profitiert auch die entsprechende Institution davon, wenn die Freiwilligen sich in dem jeweiligen Berufsfeld entsprechend qualifizieren. Natürlich ist es selbstverständlich, dass die Kosten erstattet werden, die durch die freiwillige Arbeit entstanden sind. Und bei einer kleinen Anerkennung in Form eines Taschengeldes oder der Finanzierung einer Bildungsmaßnahme wird man sicherlich nicht sofort in Frage stellen, das es sich dabei noch um ein Ehrenamt handelt. Schwieriger wird es hingegen, wenn – wie tatsächlich in einigen Branchen üblich – für die ehrenamtliche Arbeit ein Honorar gezahlt wird, wobei man immer wieder lesen kann, dass Stundenlöhne zwischen acht und zwölf Euro gezahlt werden. Es wird also ein definierter Zeitaufwand oder immt man das System Ehrenamt einmal genauer unter die eine bestimmte Arbeitsleistung entsprechend finanziell verLupe, lässt sich schnell erkennen, dass immer mehr Ehrenamtgütet und trotzdem noch als Ehrenamt bezeichnet. In diesem liche eine monetäre Entschädigung bekommen. Es wird hierFall der direkten Geldzahlung kann man die Frage stellen, bei zwischen der direkten Geldzahlung und den geldwerten ob Institutionen diese Art der Vergütung nutzen, weil sich sonst Leistungen unterschieden. Unter direkte Geldzahlung – auch kaum noch Menschen finden, die bereit sind, umsonst etwas pauschale Aufwandsentschädigungen genannt – fällt auch für das Gemeinwohl zu tun? Oder kann man den Institutionen der Auslagenersatz, der in Deutschland am weitesten verunterstellen, dass sie so günstige Arbeitskräfte gewinnen breitet ist. Hier werden die durch das freiwillige Engagement wollen? In beiden Fällen wäre das Ehrenamt nicht mehr das, entstandenen Kosten, wie z. B. Reise- und Fahrtkosten oder was man darunter eigentlich versteht – eine Tätigkeit, die unentPorto, pauschal oder gegen Beleg erstattet. geltlich geleistet wird. Vielmehr wird deutlich, dass die MoneAuch bei der pauschalen Gratifikation wird Bares austarisierung auch dort Einzug gehalten hat, wo es um freiwilliges gezahlt, sie soll ehrenamtliche Arbeit durch Taschen- oder Engagement, Solidarität und das Gemeinwohl gehen soll und Sitzungsgelder würdigen. Der Betrag, der in diesem Fall gezahlt nicht um Geld. wird, orientiert sich jedoch nicht am Zeitumfang der erbrachten Leistung. Es soll tatsächlich nur die Würdigung des Ehrenamts im Fokus stehen. Manche Berufstätige, die sich ehrenamtlich engagieren, können bezahlten Sonderurlaub oder die für das Engagement beanspruchten Stunden bei ihrem Arbeitgeber geltend machen. Eine solche Entschädigung von Verdienstausfällen ist jedoch vorwiegend im Öffentlichen Dienst üblich. N THE MA 9 8 JOSCHKA SCHMITT GUDRUN GOLDMANN ES GEHT NICHT OHNE EHRENAMT IM SPORT Sport gehört für viele Menschen ganz selbstverständlich zu ihrem Alltag. Manche gehen sonntags im Bürgerpark joggen, andere sind Mitglied in einem Fitnessstudio, aber 27,8 Millionen Menschen sind in Deutschland Mitglied in einem der 91.080 Sportvereine (Statistisches Bundesamt 2012). Das ist eine beeindruckende Zahl und da LeistungssportlerInnen und Nationalmannschaften hierbei – rein statistisch gesehen – nur eine untergeordnete Rolle spielen, geht es im Breitensport um die Organisation von Freizeit im großen Stil. Und die funktioniert nur mit Hilfe von Ehrenamtlichen. über das hiesige Sportgeschehen hat. ›Das Ehrenamt hat ein verstaubtes Image – wer will heute noch Zweiter Turnwart werden –, deshalb soll verstärkt in Projekten gearbeitet werden. Da ist der Einsatz begrenzt und in sich abgeschlossen, dafür lassen sich viel leichter Leute motivieren.‹ Dass es sich hierbei nicht um ein lokales Phänomen handelt, belegen die Studien von Prof. Dr. Sebastian Braun von der Humboldt-Universität Berlin. Er hat unter anderem die Engagementquoten der 14- bis 24-Jährigen im Sportbereich untersucht und festgestellt, dass sie in den Jahren 1999 bis 2009 um 2,6 Prozent gefallen sind, das sind etwa 265.000 Personen, die sich jetzt nicht mehr engagieren. Gleichzeitig zeigen seine Studien aber auch, dass es ein – sogar steigendes – Potenzial von jungen Menschen gibt, die ›vielleicht bereit‹ wären, etwas zu tun. Hier kommen Karoline Müller und ihre KollegInnen ins Spiel, die den ehrenamtlichen Bereich entstauben und neu aufstellen wollen. ›Junge Leute gucken heute mehr auf ihren persönlichen Profit‹, sagt die LSB-Chefin und findet das auch völlig legitim. Dazu passt, dass immer mehr junge Menschen in sportlichen Leitungsfunktionen anzutreffen sind und 46,1 Prozent der 14- bis 24-Jährigen sagen, dass sie durch ihr Engagement wichtige Qualifikationen erwerben wollen. Bei den Karoline Müller stand bereits mit 15 Jahren als Übungsleiterin in einer Halle, um das weiterzuge- Älteren, ist das nur noch für 21,6 Prozent wichtig (Braun). Der Sportsoziologe Braun beschreibt das alte Ehrenamt als ben, was sie im Basketball schon konnte. Später ›weltanschauliche und dauerhafte Bindung an eine charakteristiwurde sie in ihrem Verein Abteilungsleiterin und sche Trägerorganisation‹, das idealerweise ersetzt werden soll war für die Organisation des Trainingsbetriebs durch ›vielfältige, zeitlich befristete, pragmatische und tätigkeitswie auch der Spieltage zuständig: ›Ich habe mir orientierte Engagements‹. Ein Erfolgsmodell gibt es da bereits, ein kleines Team gesucht und wir haben dann das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) Sport. Streng genommen gehört alle Fortbildungen gemeinsam gemacht. So konnten wir uns gegenseitig gut vertreten, zum das natürlich nicht zum Ehrenamt, denn es gibt ein Taschengeld Beispiel als Schiedsrichter. Dadurch ist ein von 300 Euro und die Sozialabgaben werden übernommen. Netzwerk entstanden, das sich dann weiterentMeike Stolle, beim LSB für die FSJ-Koordination zuständig, wickelt hat. Und auch wenn man als Übungserzählt, dass die Möglichkeit, diesen Dienst im Sport zu machen, leiter nichts verdient, so bekommt man doch sehr beliebt ist – auf die 37 Stellen kommen jährlich 200 BewerLob und Anerkennung und kann eigene Ideen bungen. Wobei der Landessportbund nur für die Organisation und ausprobieren.‹ für Formales zuständig ist. Dort wird eine Bewerbungsplattform einEine Motivation, die auch heute noch wichtig gerichtet, darauf geachtet, dass alle FSJ’lerInnen ihre Seminartage ist für junge Leute, allerdings werden neue, atbelegen, dass das Geld ankommt und Versicherungsfälle geregelt traktive Formate gebraucht, die zeitgemäß sind. werden. Die Auswahl findet bei den Vereinen statt, dort sind ›Das klassische Ehrenamt gibt es nicht mehr in sie auch angestellt. ›Es ist eine Auszeit nach der Schule, denn viele der Form, dass jemand in einen Verein eintritt wissen noch nicht, was sie machen wollen‹, sagt Stolle. und das dann 20 Jahre lang macht. Das wird Und manche, die eigentlich anschließend ein Lehramtsstudium heute zwar noch gelebt, aber dafür gibt es beginnen wollten, wissen nach wenigen Stunden mit der Fußballkeine Nachfolger mehr‹, sagt Müller, die mittlerC-Jugend oder der HipHop-Gruppe, dass ihnen das viel zu anstrenweile Geschäftsführerin des Landessportbundes gend ist und suchen sich lieber einen Beruf in einer kinderfreien Bremen ist und somit einen guten Überblick Zone. ROMANTIK IST HIER FEHL AM PLATZ Das soziale Gemeinschaftsprojekt ›Zeitschrift der Straße‹ gibt Wohnungslosen und notleidenden Menschen in Bremen eine Möglichkeit zu arbeiten. Die kann es nur geben, weil sich Ehrenamtliche engagieren – gleichermaßen in Geschäftsführung und Produktion wie in Vertrieb und Betreuung. Der Verkauf hingegen wird mittels Beteiligung entlohnt, das gehört zum Konzept des Straßenmagazins. Von den zwei Euro Kaufpreis geht einer an den Verkäufer. Die Straße ist dabei Verkaufsort und wechselnder Themengeber für die zehn jährlichen Ausgaben. Vertriebskoordinator Reinhard ›Cäsar‹ Spöring war früher in der Energiewirtschaft tätig, dann suchte er neue Horizonte, gesellschaftliche Differenzierung und wollte Werte in Frage stellen. Er glaubt, mit solchen Motiven auch für andere Engagierte sprechen zu können. ›Es lohnt sich allein schon für die Momente, wenn sich ein suchtkranker Verkäufer in die Therapie verabschiedet, weil ihn unsere Unterstützung gefestigt hat‹, erklärt er. Derzeit gibt es 14 ehrenamtliche Mitarbeiter. Sie sind Studierende, Berufstätige oder Rentner und engagieren sich wöchentlich zwei bis vier Stunden. Die arbeitsaufwändige Schreibwerkstatt wird von zwei bezahlten Redakteuren geleitet, Texte und Bilder steuern oft studentische Journalistinnen und Journalisten bei. Der ehrenamtliche Nachwuchs profitiert hierbei von der redaktionellen Betreuung, die als Lehr- und Lernangebot gesehen wird. Nur besonders arbeitsintensive Artikel werden mit einer kleinen Aufwandsentschädigung entlohnt. Spöring sieht diese erfolgreiche gemeinnützige Struktur keineswegs als Ausbeutung, da alle Beteiligten ihren persönlichen Mehrwert bekommen. ›Gutes tun‹ findet er als Begründung hingegen moralisch bedenklich. Vielmehr ginge es darum, Wertschätzung zu geben und zu bekommen. Vor vier Jahren von Bremer Hochschulen und Innerer Mission ins Leben gerufen, stand noch die Ausgabe des Magazins im Vordergrund. Mit dessen zunehmendem Erfolg wuchsen auch die Anforderungen. Inzwischen sind viele Ehrenamtliche selbst fast zu Streetworkern geworden. Mit der großen öffentlichen Wahrnehmung durch Medienberichte und renommierte Auszeichnungen ging auch eine gestiegene Nachfrage durch Ehrenamtliche einher. ›Manche Leute romantisieren die ehrenamtliche Arbeit und stellen dann fest, dass es viel um Dreck und Elend geht‹, erzählt Spöring, ›das wird dann nichts.‹ Wer es ernst meint, ist jedoch jederzeit willkommen. Derzeit geht es darum, längere Öffnungszeiten des neuen Büros am Hauptbahnhof zu ermöglichen. Begüm Yücelay und André Schmoll, Studierende an der Kunstschule Wandsbek in Bremen, fotografieren ehrenamtlich nächste Ausgaben des Straßenmagazins. Foto: MARINA LILIENTHAL Für viele Jugendliche stellt sich nach dem Abitur die Frage, welche Alternativen es zu einem direkten Beginn des Studiums gibt. In Oldenburg bietet das Kulturund Kommunikationszentrum Kulturetage seit 13 Jahren das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) Kultur an. Hier lernen die FSJ’lerInnen, was zum Beispiel freundlicher Kundenkontakt im Kartenverkauf oder bei Veranstaltungen bedeutet. Jährlich bewerben sich rund zwanzig InteressentInnen auf drei Stellen. Ein Jahr zum Ausprobieren Lisa Haferkamp // Der Geschäftsführer und Künstlerische Leiter Bernt Wach bezeichnet die FSJ-Geschichte in der Kulturetage als Erfolgsgeschichte: ›Schade ist jedoch, dass wir bisher nicht in der Lage sind, in den Bereichen Technik oder Soziokultur etwas Vergleichbares wie im PR- oder Servicebereich anzubieten.‹ Hanna Schröder und Ralf Selmer, die den Servicebereich leiten und seit Jahren FSJ’lerInnen betreuen, fänden die Kulturetage ohne die jungen KollegInnen ›öde‹. Auch die anderen MitarbeiterInnen möchten die Arbeit der Freiwilligen und den persönlichen Austausch mit ihnen nicht missen. Für Susan Mertineit, die oft PraktikantInnen zur Seite stehen hat, ist die Zusammenarbeit mit ihnen sehr bereichernd: ›Ob Praktika für sechs Wochen zum freiGANG oder drei Monate für Projekt- und Programmplanungsaufgaben, diese Möglichkeiten werde ich weiterhin gern anbieten und ich freue mich auf Anfragen für das Kreativ:LABOR.‹ Die achtzehnjährige Alina ist derzeit FSJ’lerin im PR-Bereich und nutzt das freiwillige kulturelle Jahr, um sich darüber klarzuwerden, in welche Richtung sie beruflich gehen will: ›Ich wollte immer etwas mit Medien machen, habe aber noch nie in der Richtung ein Praktikum gemacht.‹ Mit einem Zwinkern erklärt sie, dass es ihr Highlight ist, während der Arbeit Konzerte live zu erleben. Alina kann jetzt schon sagen, dass ihre Entscheidung, das FSJ zu absolvieren, richtig war und empfiehlt es allen, die erst mal in die Arbeitswelt hineinfühlen wollen. zMA GA 11 10 halbzeitwissen FÜR STADTKULTUR DIE WERTE DER AUFKLÄRUNG PORTRÄT ZIN L I B U S̆ E C̆ E R N Á Sie ist Journalistin, Vorsitzende des Bremer Rates für Integration, gehört zur Leitung der globale°, des Festivals für grenzüberschreitende Literatur, und möchte in naher Zukunft einen deutsch-tschechischen Journalistenpreis ausloben: Libuše Černá. 35 JAHRE LAGERHAUS Silvesterverlosung Ein herzlicher Glückwunsch geht auch von dieser Stelle an die glücklichen Gewinner der üppigen Preise, die bei der letzten Silvesterparty im 35 Jahre alten Lagerhaus ausgelobt wurden! Das Freeticket für zwei Personen öffnet die Türen zu einer selbstgewählten Veranstaltung im Lagerhaus und einer Übernachtung in Bremens schönstem Hostel, dem eben erweiterten Townside am Dobben, bei einer Partyeinladung kann nach Lust und Laune gefeiert werden – wahlweise im Lagerhaus oder openair im lauschigen Lichtluftbad auf dem Stadtwerder, ein Schnupperkurs führt ins Tanzwerk, ein Abendessen ins Kafé Lagerhaus – wie auch immer das Los entschieden hat: Es möge Euch schöne Stunden und glückliche Momente bescheren! AUSSTELLUNG Graphic Novel Im Institut Français ist am 11. April um 12.30 Uhr die Vernissage der Graphic Novel-Ausstellung ›Rêves syncopés‹. Mit ›Rêves syncopés‹ haben die Autorin Mathilde Ramadier und der Zeichner Laurent Bonneau das Biopic einer der markantesten Figuren der französischen Elektro-Szene geschaffen: Laurent Garnier. Berauschend wie die Musik selbst, lassen einen die farbintensiven Panels in Aquarell in ein besonderes Lebensgefühl der Musikszene eintauchen. Foto: MARINA LILIENTHAL SKATEN AM SCHLACHTHOF BMX- Workshop Wer Lust hat, ein wenig BMX-Luft zu schnuppern, ist bei den Workshops am Schlachthof-Skatepark genau richtig. Unter erfahrener Anleitung von Alliance-BMX-Owner Christian oder auch Arne und Angelo können Interessierte ein paar schöne Stunden auf dem BMX-Rad erleben. Es spielt keine Rolle, wie erfahren man ist. Ebenso ist es möglich, Rad und Schutzkleidung zu leihen. Gebucht werden die Workshops online auf der Infaction-Homepage. Die ersten Termine stehen bereits fest: 11. April, 9. Mai und 6. Juni. Die in Prag geborene ›Bremerin wider Willen‹ hat einen randvollen Terminkalender, gestresst wirkt sie trotzdem in keinem Moment. Das liege daran, dass sie sich inzwischen ausgezeichnet organisieren könne, sagt sie. Zudem versuche sie, immer den Moment zu leben und sich nur auf diese eine aktuelle Angelegenheit zu konzentrieren. ›Ich habe ein uraltes Handy und kein Smartphone. Darum beantworte ich auch Mails nicht einfach zwischendurch‹, erklärt sie und lacht. Ihre Unterlagen sind ordentlich sortiert, ihr Auftreten ist geradeheraus, ohne verkrampft oder streng zu wirken. Sie strahlt eine ruhige Energie aus, die eine solide Basis für ihre unzähligen Aktivitäten bildet. Manchmal hat sie Angst, die Menschen in ihrem Umfeld mit ihrem Tatendrang zu überfordern, aber in den meisten Fällen, so hofft sie, hätte der eher eine positive und motivierende Komponente für ihre Mitstreiter. Und die hat sie in der Regel immer, denn so bereite ihre Arbeit ihr am meisten Freude. ›Ich bekomme unglaublich viel Energie, wenn ich mit jungen Menschen und Jugendlichen zusammenarbeite.‹ Es sind dann die kleinen Dinge, an denen sie sich erfreut: ›Manchmal ist es nur eine Situation, ein Bild oder ein Satz, an den ich mich immer wieder erinnere und der mir Kraft gibt.‹ Diese positive Grundeinstellung habe sie schon immer gehabt, Schlechtes vergesse sie schlicht und ergreifend. ›Ich schiebe diese Gedanken dann ins entfernteste Zimmer, unter das hinterste Bett, in die letzte Schublade.‹ Diese Gabe, so stellt Černá klar, sei eine ihrer besten. Vergessen, das geht aber nicht immer – vor allem einige Erfahrungen aus der Zeit nach ihrem Umzug nach Deutschland im Jahr 1977 sind zu stark. Die ärztliche Eingangsuntersuchung mit mehreren Menschen in einem Zimmer. Die Behandlung durch die zu dieser Zeit noch Ausländerpolizei genannte Behörde. ›Die Räume waren schon damals überfüllt und die Mitarbeiter – milde gesagt – extrem unfreundlich. Das sind Erinnerungen, die mich mit Millionen Migranten in diesem Land verbinden‹, fasst sie zusammen. Aber sie habe in dieser Zeit auch sehr viel Hilfe erfahren. ›Ich hatte einen Exotenstatus wegen meiner Herkunft.‹ In die BRD seien zu dieser Zeit wenige Menschen aus den sozialistischen Staaten gekommen, aus der Tschechoslowakei schon gar nicht. ›Damals gab es eine Kindersendung mit den Marionetten Spejbl & Hurvínek, die Menschen kannten also meinen Akzent.‹ Černá glaubt, dass solche Wiedererkennungswerte dafür sorgen, dass Ängste und Vorurteile abgebaut werden, sich etwas ganz und gar Fremdem anzunähern, falle dagegen den meisten Menschen viel schwerer. Ihre eigenen Erfahrungen sind es auch, die sie dazu bewogen haben, sich in der Integrationsarbeit zu engagieren. Für Černá ist Integration ein dynamisches Thema. Sie beobachtet, dass sich die Gesellschaft verändert. ›Eine Mehrheitsgesellschaft wird es in Zukunft nicht mehr geben, falls sie denn überhaupt je bestanden hat. Die Basis ›Wir sind deutsch‹ besteht dann nicht mehr. Sie wird sich zu einem ›Wir leben in Deutschland‹ transformieren.‹ Doch worauf kann sich diese gewandelte Gesellschaft dann berufen? Černá wünscht sich ein demokratisches Verständnis und die Errungenschaften der Aufklärung als gemeinsame Grundlage. ›Das klingt immer ein bisschen angestaubt, aber ich bin davon fest überzeugt!‹ Um diese zu kommunizieren, brauche man aber zweifellos immer die gemeinsame Sprache. Dass dieser Weg nur durch die Beteiligung der Mehrheit zu ebnen ist, steht dabei außer Frage. In der Pflicht sieht sie Institutionen wie den Bremer Rat für Integration, auch die Bedeutung der Medien dürfe man nicht unterschätzen. Aber am Ende beginnt es immer bei dem Einzelnen: ›Auch ich habe immer wieder Vorurteile, aber Toleranz muss man lernen. Ein Freund von mir sagt, dass es eine Aufgabe ist, der man sich jeden Morgen stellen muss. Das stimmt. Man muss aber auch am Abend überprüfen, ob es einem gelungen ist.‹ J O H A N N E B I S C H O F F Fotos: MARINA LILIENTHAL THE MA 13 12 halbzeitwissen zMA GA ZIN FÜR STADTKULTUR ZUG UM ZUG VON JÖRN BIRKHOLZ ›Immer derselbe Mist!‹, fluchte die stämmige Frau neben Glogowski. Er lächelte zustimmend und beide schauten fast gleichzeitig zur Anzeigetafel hinauf. Der ICE nach München hatte jetzt bereits zweiundzwanzig Minuten Verspätung. Ursprünglich sollten es zehn Minuten sein, dann erhöhte man auf zwanzig und gerade kam die Durchsage, dass sich die Ankunft in Bremen um satte fünfundvierzig Minuten verschieben sollte. Der Bahnsteig füllte sich immer mehr. Glogowski blickte in unzählige missmutige und ungeduldige Gesichter. Dazu wehte ein eisiger Wind, da sie auf Gleis zehn, also im Außenbereich des Bahnhofs, warten mussten. Jörn Birkholz Zwei ältere Männer zu seiner Rechten unterhielten sich lautGeboren 1972, lebt in stark und lachten dabei des Öfteren – nahmen es anscheinend Bremen. Studium der mit Humor. Erneut eine Durchsage: ICE 1139 nach München; Geschichts- und Kultur- Ankunft siebzehn Uhr einundzwanzig, verzögert sich aufgrund wissenschaften an der eines Personenunfalls um circa fünfzig Minuten, voraussichtliUni Bremen. Veröffent- che Ankunft in Bremen achtzehn Uhr elf, umgehend korrigierte sich die Anzeigetafel. lichungen in verschiePersonenunfall – Glogowski wusste, dass dies nur die denen Zeitschriften Umschreibung für Schienensuizid war. Geschah in letzter Zeit (u. a. Erostepost, Sterz, immer häufiger. Na ja, ist ja wohl auch eine sichere Sache um Lichtungen). abzutreten, dachte er. Sein Romanerstling Lässig behielt Glogowski seine leichte Aktentasche in der ›Deplatziert‹ erschien Hand. Die meisten übrigen Reisenden hatten ihr Gepäck schon 2009 und befindet sich lange auf den Bahnsteig gestellt und standen dämlich danemittlerweile in dritter ben, aßen etwas, streichelten ihre Tablets und iPhones und Auflage. Sein neuer blickten sauertöpfisch – was für ein Wort, dachte er – drein. Glogowski trug wieder einmal seine besten Sachen, einen Roman ›Schachbrettschwarzen Anzug, seine schwarzen Lederschuhe und seinen tage‹ erschien 2014 bei Wintermantel. Die Haare hatte er diesmal linksgescheitelt. Die Folio. Frau neben ihm sprach jetzt in ihr Handy: ›Ja, schon wieder Verspätung, das dritte Mal diesen Monat, aber wir treffen uns trotzdem bei Maja, ich stoß dann zu euch …‹ Glogowski wollte nicht länger zuhören und ging den Bahnsteig ein wenig auf und ab. Die Sonne kam heraus, er blieb stehen, hielt sein Gesicht hinein, schloss die Augen und lauschte den Geräuschen des Bahnhofs. Ein Kind kreischte und heulte darauf. Glogowski öffnete die Augen. Die Mutter ermahnte es, doch das Kind schrie noch lauter. Darauf drückte ihm die Mutter etwas in die Hand, einen Keks oder ein iPhone; Glogowski konnte es aus der Entfernung nicht richtig erkennen. Ein Mann neben ihm schnaubte geräuschvoll in sein Taschentuch. ›Schon das dritte Mal diesen Monat‹, bemerkte Glogowski sich ihm zuwendend. ›Bitte?‹, fragte dieser. Foto: MARINA LILIENTHAL WRITER’S CORNER ›Das dritte Mal diesen Monat … vorgestern in Frankfurt musste ich fast zwei Stunden warten wegen einer defekten Oberleitung.‹ ›Ja, schlimm so was.‹ ›Ja, ist man von der Bahn ja nicht anders gewöhnt.‹ ›Ja, ja‹, grummelte der Mann und schwieg darauf. Glogowski verstummte auch, blieb noch eine Weile schweigend neben dem Mann stehen und schlenderte dann wieder den Bahnsteig entlang. Er stellte sich neben eine hübsche Frau um die Dreißig. ›Müssen Sie auch nach München?‹, fragte Glogowski. Die Frau betrachtete ihn skeptisch, nickte aber knapp. ›Hoffentlich wird’s nicht noch später‹, sagte Glogowski lächelnd. Die Frau lächelte falsch zurück, nickte noch knapper und nahm dann dezent Abstand von ihm. An Gleis Zehn: ICE 1139 nach München; vorsicht bei der Einfahrt. Der Zug fuhr ein. Ungeduldig warteten die Insassen darauf, die automatisch verriegelten Türen zu öffnen, um herauszukommen, während draußen die Reisenden ungeduldig darauf warteten hineinzukommen. Unzufriedene, zerknautschte Gesichter auf beiden Seiten. Glogowski hielt sich jetzt abseits und beobachtete das Treiben. Die Frau, die ihm eben noch knapp zugenickt hatte, zwängte sich mit ihrem sperrigen Koffer als eine der ersten in den ICE. Glogowski verließ das Gleis und kurz darauf den Bahnhof. Vorm Gebäude nahm er die gerade eintreffende Straßenbahn und fuhr schwarz die fünf Stationen nach Hause. Seine Einzimmerwohnung war schlecht gelüftet, er hatte vorhin vergessen, das Fenster zu öffnen. Ihm war, als rieche es in der Wohnung nach altem Mann – dabei war Glogowski erst siebenundfünfzig. Er öffnete das Fenster und schaute nach unten. Kinder stritten um etwas. Nach einer Weile schloss er das Fenster wieder, zog sich aus, verstaute seinen Anzug, die Schuhe und die leere Aktentasche sorgsam im Schrank, schlüpfte darauf in seinen Trainingsanzug und legte sich aufs Bett. Er blickte auf das Bild seiner Frau auf dem Nachttisch – ihm wurde schwermütig, wie jedes Mal, wenn er das Bild betrachtete. Er schloss die Augen. Draußen schrien die Kinder in einer Sprache, die er nicht verstand. Heute war er etwas später dran als sonst. Er war wieder unter Menschen. Hatte er zuhause noch das Fenster geöffnet, bevor er gegangen war? Hoffentlich. Er sah auf die Anzeigetafel in der Bahnhofshalle. Der IC 2032 nach Leipzig auf Gleis vier hatte etwa dreißig Minuten Verspätung. Er begab sich mit der Aktentasche in der Hand auf Gleis vier. Jörg Windszus TOURTAGEBUCH VER ZETT ELT Der Veranstaltungsort in Hottenbach im Hunsrück nennt sich KAFF. Kann ’ne Abkürzung sein, für Kultur am Sowieso, muss aber nicht. KAFF passt gut zu dem Ort. Eine Wahnsinnsidylle zwischen Schieferbergen und reißenden Wildbächen, aber möchte man mal ein bisschen Unterhaltung, muss man eben selber den alten Ballsaal herausputzen und Künstler aus Bremen engagieren. Darum gibt es ja das KAFF, weil eine Handvoll Einwohner statt Schützenverein und Blasmusikorchester eine Kulturinitiative gestartet haben. Kultur anstatt Freiwillige Feuerwehr, daher kommt wahrscheinlich der Name. Tatsächlich bin ich kurz neidisch auf Leute, die solch eine Schnuckiputzgegend ihre Heimat nennen dürfen. Zum Geldverdienen gräbt man einfach ein paar Edelsteine aus, ansonsten vertrödelt man den Tag mit dem Restaurieren alter Bauernschränke. Die große weite Welt hat man schon gesehen: Leo Bassi war da, auch Ars Vitalis und Herr Holm, demnächst spielt die Polkakapelle HISS, das ganz Dorf ist ständig aus dem Häuschen. Zweimal im Monat ist in Hottenbach richtig was los und ehrlich gesagt geh ich in Bremen so viel öfter auch nicht auf Konzerte. Wie wäre es eigentlich, fragt mich eine innere Stimme, sich hier niederzulassen? Fahrt ihr anderen alle schön nach Hause, ich habe mein Glück gefunden. Den Daheimgebliebenen meinen Entschluss verkünden geht natürlich nicht, weil ich keinen Handyempfang habe. Aber vielleicht kommt ja einmal die Woche die Postkutsche, mal sehen. Erst nachts auf dem Weg in die Herberge merke ich, dass ich einen nahezu unwiderstehlichen Drang verspüre, laut zu grölen, nur um die nervtötende Stille zu brechen. Wenn ich als Jugendlicher hier wohnen müsste, würde ich jetzt ein paar Mülltonnen auf die Straße werfen und irgendwas zerdeppern. Das mache ich natürlich nicht, weil ich morgen Abend zum Glück wieder im Viertel bin. Da grölen andere für mich herum und zerschmeißen ihre Bierflaschen, während ich mich in aller Zufriedenheit nach ein wenig Idylle sehne. Vielleicht sollte ich mal wieder auf ein Konzert gehen. Mal schauen, was angeboten wird. FREI ZEIT z04 20 THE MA 14 freizeit HIGHLIGHT DES MONATS APRIL 0 2 & 0 3 A P R D O & F R // S C H L A C H T H O F 15 Nightcalls T H E AT E R P RO D U K T I O N VO N J A M E S & P R I S C I L L A Da sind zwei und die sind eben zusammen, die ganze Zeit zusammen. Halten sich an den Händen, rennen durch Gärten und alles andere ist egal. Und dann, in einem alten Schloss, finden sie Möbel, die sprechen können und gut aussehen, cool irgendwie. Und die fragen die beiden, warum sie denn immer nur zu zweit sind, denn das ist doch langweilig. Und außerdem würde sie auch wirklich deutlich besser singen als er. Mit aktueller Pop-Musik und Anleihen an den Disney-Film ›Die Schöne und das Biest‹ wird hinterfragt, was es heißt, ein Pärchen zu sein (›A physical kiss is nothing without it‹ – Chet Faker). Was das mit Individualität und Selbstverwirklichung zu tun hat (›See, I don’t need his love‹ – Friends) und warum es so peinlich sein kann, aneinanderzuhängen (›I need your love‹ – James Yuill). 15 GUDRUN GOLDMANN ➟ Kesselhalle, 20 Uhr // Tickets: € 12,– / erm. € 6,– 4 A P R S A // L A G E R H A U S Von Spar ZEITLUPE GEDEHNT Ihr erstes Album war Postrock, doch die Band hat sich von Platte zu Platte weiterentwickelt: Im Vordergrund des neuen Albums ›Streetlife‹ steht weiterhin eine psychedelisch ausgerichtete elektronische Musik, die sich auf eine Form von Disco bezieht, deren Ursprung im Krautrock liegt. Neu ist die Begeisterung für Softrock, die sich am offensichtlichsten in geschmeidigen Saxofonen äußert. Tendenziell bewegt sich die Formensprache der Platte zwischen melodisch pointierten Songs mit starkem Popeinschlag und abstrakt gehaltenen Stücken mit Bezügen zu Library Music. Die erste Kategorie wird repräsentiert vom piano- und streicherdominierten ›Chain Of Command‹, die zweite vom fast bombastisch anmutenden ›Ahnherr Der Schwätzer‹, dessen verschachtelte Struktur Züge progressiver Rockmusik trägt. Überhaupt zeichnet sich ›Streetlife‹ durch eine entrückte Stimmung aus, die gedehnte Zeitlupenhaftigkeit begleitet. Unterm Strich steht: Von Spar haben mit ›Streetlife‹ eines der Alben des Jahres gemacht. Fil P U L L E R N I M ST E H N . DIE GESCHICHTE MEINER JUGEND 19 A P R S O // S C H L A C H T H O F MARTHA GRAF What would Sharky say? Wahrscheinlich würde er sich total aufregen. Erst schreibt der Typ eine fast 300 Seiten lange Autobiographie und dann ist er sich selber nicht zu blöd, mit der Schwarte auch noch auf Lesereise zu gehen. Geht’s noch dicker? Allerdings ist Sharky ja nur eine entfernt an einen Hai erinnernde Handpuppe, Fils Nemesis und Alter Ego gleichermaßen, die seinen Schöpfer bei dessen Bühnenauftritten regelmäßig in schizophrene Streitereien verwickelt. Doch wer ist dieser Fil, das Three-Letter-Wonder aus dem Märkischen Viertel, der wegen seiner stundenlangen Laberflashs von seinen Freunden neckisch Filibuster genannt wird (glaub ich wenigstens)? Dass er nicht nur ein Späße treibender Undergroundcomiczeichner ist, geistiger Vater der in Berlin weltberühmten Comic-Helden Diddi und Stulle, ein Kulturkaspar, der zum Bauchreden beide Hände benutzt und einige brillant hingerotzte Singer-Songwriter-Sing-Along-Songs im Repertoire hat, sondern ein Mensch, jawohl, so muss man das nennen, der mit humorigem Entertainment seine persönlichen Abgründe aus bald fünfzig Jahren geballter Lebenserfahrung verkleistert, ein Rupert Pupkin der heutigen Zeit … das haben wir alle schon geahnt. Jetzt können wir es schwarz auf weiß nachlesen: ›Pullern im Stehn‹ beschreibt die Kindheit eines phantasiebegabten Außenseiters in Berlins abgesagtestem Outviertel, eine Adoleszenz, die den Autor zunächst in die Arme der christlichen Heilslehre und schließlich (ungeachtet der fürchterlichen Musik) in die kläglichen Überreste der einst schillernden Berliner Punkszene treibt. Es folgen ein drei Tage wäh- rendes Leben auf der Straße (in Unterschleißheim), Unterernährung und drohender Selbstmord sowie einige rührend unbeholfene Versuche, den delinquenten Jugendlichen mittels Psychiatrie und Erlebnispädagogik wieder auf jene Erfolgsspur zu bekommen, auf der unser Fil seit diesen düsteren Tagen nachgerade durchs Leben rast. Dazwischen erleben wir mysteriöse Annäherungen an das andere Geschlecht, die mit Begriffen wie Liebe und Sexualität nur unzureichend beschrieben werden können. Fil ist dabei gleichzeitig unglaublich ehrlich und erschreckend witzig. Er beschreibt Komplikationen mit seiner Intimhygiene in einer Offenheit, die selbst Charlotte Roche ein schwummeriges Gefühl in die Leistengegend zaubern könnte. Sein von Sehnsucht, Unsicherheit und Hormonen vernebeltes Balzverhalten vermag er so schonungslos reflektiert nachzuzeichnen, dass sogar in den Augen hartgesottener Feministinnen mitunter Tränen des Mitleids funkeln. Wer bislang noch kein Fil-Fan war und keinen Fil-Fun hatte, kann sich auf der Bitte-kauftmein-Buch-Promotion-meets-Provocation-Tour des Künstlers behutsam umerziehen lassen. Allein das liebevoll gestaltete Lesezeichen, dass uns ein Wiedersehen mit dem totgeglaubten Rororotfuchs beschert, lohnt die 9,99 Euro. Fil möge zukünftig im Stehen über die Reling pinkeln und vor tausend Leuten aus seinen Memoiren lesen … da kann Sharky, die alte Spaßbremse, meckern wie er will. JÖRG WINDSZUS ➟ Kesselhalle, 20 Uhr // Tickets: VVK: € 14,– (zzgl. VVK-Geb) AK € 17,– ➟ Saal, 20 Uhr // Tickets: VVK: € 12,– (zzgl. VVK-Geb) 8 A P R M I // L A G E R H A U S Sizarr COMING OF AGE Gerade ist Sizarrs zweites Album erschienen: ›Nurture‹. Der Druck, der auf dem aus der Pfalz stammenden Trio lastete, war groß, denn die durch ihr Debütalbum gehängte Messlatte hing hoch. ›Psycho Boy Day‹ (2012) ist geprägt von Afrobeats, Synthieflächen, Weltmusik und Fabian Alstätters bezaubernder Stimme, seine programmatische Zeile lautet: ›The kids take over now‹. Diese Kampfansage ist elegischer Reife gewichen und viel Zeit zum Erwachsenwerden blieb nicht, denn ›Psycho Boy Happy‹ katapultierte die Jugendfreunde abrupt in andere Sphären. Sie spielten beim SXSW in Texas, tourten mit Vampire Weekend, Animal Collective und den Editors. Auch die eigenen Konzerte waren ausverkauft, man stieg in die deutschen Album-Charts ein und erspielte sich ein immer größeres Publikum. Als all dies passierte, waren die Musiker gerade mal volljährig. Nun haben sie eine souveräne und vielseitige Platte vorgelegt. Nicht verpassen! MARTHA GRAF ➟ Saal, 20 Uhr // Tickets: VVK: € 15,– (zzgl. VVK-Geb) FREI ZEIT 17 16 9 A P R D O // L A G E R H A U S 10 A P R F R // L A G E R H A U S Jazzahead!Clubnight: .bb Mardi Graasus im Lagerh Sa, 25. April, 20 Uhr Akku Quintet Sea Change SCHWEBEND VERZAHNT EIN NEUER STERN Das Akku Quintet rund um den Berner Schlagzeuger Manuel Pasquinelli spielt eine Art atomisierten und neu zusammengesetzten Minimal Jazz. Seine Einzelteile bestehen aus repetitiven Pianomustern, schwebenden Sax- und Gitarrenlinien, messerscharfen Beats und rollenden Bässen, die sich wie naturgegeben zusammenfügen und eine seltsame Kraft erzeugen. Es drehen, pulsieren und reiben sich die Töne wie in Zeitlupe, es wanken die Rhythmen und die Musik kommt einem Wachtraum gleich: schön und befremdend zugleich. Auf ihrer ersten Deutschland-Tour präsentieren Akku Quintet ihr Album ›Molecules‹. Die fünf InstrumentalistInnen spielen sich durch verschiedene musikalische Aggregatzustände – von frei schwebend bis fest verzahnt, wobei die Musik durch Live-Visuals ergänzt wird. Die norwegische Künstlerin Sea Change, zurzeit in Berlin wohnhaft, ist ein neuer Stern am Pophimmel, der dieser Tage aufgeht und Publikum und Kritiker mit seinem kühlen Lo-Fi Electronic Pop gleichermaßen verzaubert. Im Süden von Norwegen geboren, entwickelte Ellen Sunde, wie Sea Change mit bürgerlichem Namen heißt, schnell eine Faszination für Geräusche aller Art, akustische Instrumente und synthetische Musik. Jetzt kreiert sie chilligen Elektro-Pop, dessen verträumter Sound Erinnerungen an Warpaint, Fever Ray oder Lykke Li weckt und doch ganz eigen klingt. Im Februar veröffentlichte Sea Change ihr Debütalbum ›Breakage‹. Die Musik ist filigran und bombastisch zugleich, es wird improvisiert, geloopt und manchmal gelärmt. Melancholisch, leichtfüßig, großartig! MARTHA GRAF MARTHA GRAF ➟ etage 3, 21 Uhr ➟ etage 3, 19.30 Uhr // Tickets: € 13,– DIE JAZZAHEAD! FEIERT JUBIL ÄUM 1989 [exit ghost] Äl Jawala T E AT R A L E S U B V E R S I O N A U S D R E S D E N VOODOO UND WAGNIS 1989 [exit ghost] ist Diskurstheater mit und über die sogenannte 3. Generation Ost – Menschen, die heute Mitte zwanzig bis Mitte dreißig Jahre alt sind und in der ehemaligen DDR geboren wurden. Ihre VertreterInnen stehen gemeinsam mit gleichaltrigen DarstellerInnen, die in der BRD aufgewachsen sind, auf der Bühne und gehen mit der Regisseurin Romy Weyrauch auf die Suche nach Antworten auf philosophische und politische Fragen, die sich ihnen im Zusammenhang mit dem Untergang des Staatssozialismus und dem Leben in Zeiten einer sich verschärfenden globalen Finanzkrise stellen. Sie setzen sie sich mit dem Jahr 1989 als historischer Zäsur auseinander und fragen nach politischen Handlungsoptionen damals wie heute. Äl Jawala gehen neue Wege: Die Band arbeitet zurzeit an einer Serie namens Black Forest Voodoo. Statt ein einzelnes Album zu produzieren, bringen Äl Jawala dabei ihren kreativen Output alle zwei Monate auf EPs und Singles heraus. Black Forest Voodoo ist eine Verneigung vor den eigenen Wurzeln und eine Ode an ein selbstbestimmtes Leben: Black Forest steht für Heimat und Vertrautes, Voodoo für Magie und Unbekanntes. Mash-Up-Klänge setzen sich über Genregrenzen hinweg, spielen sich rau und voller Lyrik in die Herzen ihrer Zuhörer. Virtuose Bläsersätze der beiden Saxophone peitschen Publikum wie Musiker nach vorne, Osteuropäisch-Folkloristisches wird durch Beats, elektronische Bässe, Dub- und Reggae-Elemente ergänzt. Ein tanzbarer Kulturschock! GUDRUN GOLDMANN Tickets: € 12,– / erm. € 6,– / Schulklassen € 5,– p. P. 2 3 b i s 2 5 A P R D O b i s S A // S C H L A C H T H O F 18 A P R S A // L A G E R H A U S 16 & 17 A P R D O & F R // S C H L A C H T H O F ➟ Kesselhalle, jeweils 20 Uhr, am 17. auch um 11 Uhr // 10. Jazzahead! MARTHA GRAF ➟ Saal, 20 Uhr // Tickets: VVK: € 10,– (zzgl. VVK-Geb) Es ist ja längst ein Bonmot, das selbst schon ein bisschen aus dem Mund müffelt: dass der Jazz nicht tot sei, sondern nur ein bisschen seltsam rieche. Gesagt hat das einst Frank Zappa. Und der ist definitiv nicht mehr am Leben. Aber wie steht es nun mit dem Jazz? Der erfreut sich offenbar bester Gesundheit. Wie sich unter anderem an der Bremer Musikmesse Jazzahead! ablesen lässt, die dieses Jahr zum mittlerweile zehnten Mal stattfindet und über die Jahre zu einem der wichtigsten Treffpunkte der weltweiten Szene geworden ist. Schon tagsüber gibt es 40 Showcases im Rahmen der German Jazz Expo in den Messehallen und an den Abenden geht es an verschiedenen Orten in der Stadt weiter, am Samstagabend im Rahmen der Club Night sogar über das Stadtgebiet hinaus: Das Kasch in Achim ist einer von 27 Spielorten, an denen am 25. April Jazz und Verwandtes gespielt wird. Und auch sonst ist die Jazz-ahead! auf Expansionskurs: Dieses Jahr zieht die Messe in größere Hallen um. Entscheidend geprägt wird das jeweilige Programm vom Partnerland der Messe. Diesmal ist das Frankreich – ein Land, das Laien vielleicht nicht unbedingt als Jazz-Land kennen. Aber das ist ein Trugschluss. Schon früh hat sich dort eine vitale Szene entwickelt, unter anderem deswegen, weil die Gagen für Musiker dort höher waren als im Mutterland. Und schließlich brachte Frankreich einige der wichtigsten Jazz-Musiker überhaupt hervor, wie den Geiger Stéphane Grappelli und den Gitarristen Django Reinhardt. Sowie Richard Galliano, der machte den Jazz mit dem Akkordeon bekannt. Weshalb es auch ganz folgerichtig ist, dass er auf der diesjährigen Jazzahead! mit seiner Band das Galakonzert bestreitet – gemeinsam mit dem 30 Jahre jüngeren Vincent Peirani, Klarinettist und ebenfalls Akkordeonist. Eine erste Gelegenheit, sich mit den Facetten der französischen Szene auseinanderzusetzen, bietet die ›French Night‹, mit der die Messe am Donnerstag, dem 23. April eröffnet wird. Im Schlachthof und in den Messehallen sind dann unter anderem das Orchestre National de Jazz, das Henri Texier Hope Quartet, der Free Jazz-Exzentriker Thomas de Purquery und etliche mehr zu erleben. Die German Expo lädt am Freitag ab 15 Uhr in die Messehallen und den Schlachthof, wo mit dem Andromeda Mega Express Orchestra (15–15.30 Uhr) eine der spannendsten Formationen der Szene zu erleben ist. Das 18-köpfige Kollektiv arbeitete schon mit The Notwist zusammen und schafft es spielend, zwischen Jazz, Rock und Neuer Musik zu switchen. Stilistisch durchaus verwandt sind Memento (16.30–17 Uhr), ein Projekt des Trompeters und Pianisten Sebastian Studnitzky, bei dem er mit einem Kammerorchester zusammenspielt. Am Abend darauf findet traditionsgemäß die Overseas Night statt, die im Schlachthof Kellylee Evans aus Kanada (20–20.45 Uhr), FatsO aus Kolumbien (21.45–22.30 Uhr) und Ed Motta aus Brasilien (23.30–0.15 Uhr) präsentiert. Evans hat mit ihrer schlackenlosen Verbindung von Jazz, Soul und HipHop das Zeug zum Superstar. FatsO aus Bogota sind inspiriert von Musikern wie Ray Charles und Tom Waits, Ed Motta zelebriert eine sinnliche Musik zwischen Funk, Soul, Rock, Jazz und Boogie. Gleich sechs Acts sind am Samstag im Rahmen des European Jazz Meetings im Schlachthof zu sehen, vom estnischen PianoTrio Peedu Kass Momentum (14–14.30 Uhr) über das abenteuerlustige polnische Atom String Quartet (15.30–16 Uhr), die türkische Sängerin Ceyl’an Ertem (17–17.30 Uhr) und das sagenhaft spielfreudige Fischermanns Orchestra aus Luzern (20.30–21 Uhr) bis hin zu Carmen Souza und Theo Pascal (22–22.30 Uhr), die amerikanische und kapverdische Einflüsse zu einer geschmeidigen Melange verarbeiten. Den Abend beschließt die italienische Mop Mop Combo um den Bandleader Andrea Benini alias Mop Mop (23.30 bis Mitternacht). International bekannt geworden durch ihre Mitwirkung am Soundtrack des Woody-Allen-Films ›To Rome With Love‹, haben sie auf den europäischen Dancefloors mit einem treibenden Amalgam aus klassischem Funk, Jazz, afrikanischen Beats und den Errungenschaften des Nu-Jazz längst Furore gemacht. ANDREAS SCHNELL ➟Kesselhalle, Do 20.30 Uhr // Fr 15 & 20 Uhr // Sa 14 & 20.30 Uhr // Tickets: VVK: € 15,– zzgl. VvGeb. / AK: € 18,– FREI ZEIT 19 18 2 9 A P R M I // S C H L A C H T H O F Volles Engagement für die Menschen unserer Stadt. 3 0 A P R D O // S C H L A C H T H O F Pago Balke Pop To Go NEUES VON MENSCH UND TIER OPEN UP Offenbar kein unkompliziertes Verhältnis, das zwischen Mensch und Tier. Die einen pflegen ein ausgeprägt pragmatisches Verhältnis zu Kühen, Eseln, Schweinen oder Bienen, essen sie entweder einfach auf oder lassen sie für Nahrung sorgen, vielleicht, je nach Stand der Produktionsmittel, auch den Karren von ihnen aus dem Dreck ziehen. Andere meinen, der Mensch sei auch nur eine Spezies von vielen, die sich deshalb nicht über andere erheben dürfte. Woraus sich viele Fragen ergeben, derer sich Pago Balke kabarettistisch annimmt, wofür er in die Figur von Gerd Glüsing vom Bundesverband der landwirtschaftlichen Agro-Business Fleischerzeugung, Sektion Diepholz schlüpft und sich mit Tierfreund Herrn Groenewoldt (am Piano: Meinrad Mühl) in die Haare kriegt Pop To Go – Open Up ist die Eröffnung eines danach weiterlaufenden Projekts für Jugendliche, die musikbegeistert sind. Es spielen zwei Schülerbands und Yellowtree, die Finalisten des Wettbewerbs ›Live in Bremen‹. Es gibt allgemeine Informationen über das Programm und außerdem wird erklärt, wie das Pop To Go-Sommercamp im August ablaufen wird. Hier besteht für 14- bis18-Jährige, die in einer Band spielen, die Möglichkeit sich dafür anzumelden. Wenn das kein Grund ist, in den Schlachthof zu kommen! Pop To Go wird von ›Kultur macht stark‹ und ›Bündnisse für Bildung‹ getragen. Der Eintritt und die Workshops / Camps sind daher umsonst. ANDREAS SCHNELL PAUL POST ➟ Magazinkeller, 19 Uhr // Eintritt frei ➟ Kesselhalle, 20 Uhr // Tickets: VVK: € 15,– / AK € 18,– 3 0 A P R D O // L A G E R H A U S Bei Ihrer Sparkasse Bremen stehen Sie und unsere Stadt im Mittelpunkt. Als Bürgerinitiative von Bremern gegründet, engagieren wir uns für Ihre finanziellen Ziele mit ausgezeichneter Beratung und besten Produkten. Dabei haben wir auch immer das Gemeinwohl und die Lebensqualität im Blick – und das seit 190 Jahren. Von Bremern für Bremer. Diese Idee ist heute so aktuell wie damals. www.sparkasse-bremen.de/engagement w Stark. Fair. Hanseatisch. 3 0 A P R D O // L A G E R H A U S Oliver Gottwald Walpurgisnacht I N D I E D I S KO H E X E N TA N Z I M L I L U B A Oliver Gottwald, der Sänger von Anajo, hat seit einiger Zeit ein Soloprojekt, das so heißt wie er: Oliver Gottwald. Gottwald liebt Gitarrenmusik, tanzt für sein Leben gern und steht irgendwo zwischen Pubertät und MidlifeCrisis. Das neue Album ›Zurück als Tourist‹ kann man überall hören, weil es immer passt und weil nach Melancholie und Prokrastination Aufbruch kommt. Es führt durch zehn Stationen im Leben Gottwalds, der sich souverän zwischen ruhigen Pop-Balladen, (t)rotzigen Rocknummern und Tanzgaranten für die Indiedisko hin und her bewegt. Dabei kann er machen, was er will – er klingt immer nach sich selbst. Und das meint: Pop, durchdrungen von Post-Punk-Einschüben, Dance-Rhythmen und funkelnden Gitarren, brillante Songtexte eingeschlossen. Manche wollen sogar die Knef herausgehört haben. Pünktlich zum 1. Mai startet das Liluba die Open-Air-Saison mit einem großen Treiben der Hexen und Teufel zur Walpurgisnacht, das Sibyll Mandragora mit einem Walpurgis-Hexen-Ritual so feierlich wie offiziell eröffnet. Die Percussion-Gruppe Confusão treibt mit pulsierenden Rhythmen aus Afoxe, Brasilfunk, Maracatu und Samba Reggae sowie mit afrikanischen Grooves die Hexen auf den Dancefloor und die bösen Geister ins Feuerland. Stelzenart bereichert das sinnliche Vergnügen mit phantasievollen Fabelwesen und kostbaren Kostümen. Seattle Tea House & band of friends runden das Programm ab mit Funk, Soul und House mit Live-Musikern und Performance. Übrigens: Kinder, Hexen und Teufel zahlen nur zwei Euro Eintritt und alle Besucher der Walpurgisnacht können im Lagehaus eintrittsfrei weiterfeiern. MARTHA GRAF ➟ etage 3, 19.30 Uhr // Tickets: € 16,– MARTHA GRAF ➟ Liluba, 19 Uhr // Tickets: € 5,– FREI ZEIT z05 20 THE MA 20 21 freizeit 0 6 M A I M I // S C H L A C H T H O F HIGHLIGHT DES MONATS MAI 11 M A I M O // S C H L A C H T H O F 15 Manuel Möglich Jan Plewka Naheliegend ist es nicht unbedingt, dass Jan Plewka, einst mit der Band Selig zum Aushängeschild des deutschen Alternative Rock avanciert und zuletzt unter anderem erfolgreich mit den Songs von Rio Reiser unterwegs, sich jetzt mit den Liedern von Simon and Garfunkel beschäftigt. Auch wenn die Promo-Prosa anderes behauptet, wenn sie rhetorisch fragt, wer ›geeigneter für diesen Ausflug in die eigene Geschichte‹ wäre als Jan Plewka. Weniger, weil die Zeit, in der Klassiker wie ›Sound Of Silence‹, das dem neuen Plewka-Abend seinen Titel gibt, ›Mrs. Robinson‹ oder ›The Boxer‹ entstanden, schon vorbei war als Plewka zur Welt kam. Schließlich ist auch seine Generation damit großgeworden, wurde 1981 Zeuge der Reunion im New Yorker Central Park, zu der eine halbe Million Menschen strömte. Nein, verwunderlich ist die Kombination eher, weil Plewka mit seiner dezent raspelnden Rockstimme zunächst kaum zu den zarten Folk-Vokalisen und den fragilen Folk-Arrangements Paul Simons und seines Partners Art Garfunkel zu passen scheint. Plewka wäre allerdings nicht Plewka, wenn er ein schlichtes Reenactment versuchen würde. Gemeinsam mit dem Regisseur Tom Stromberg, mit dem er schon bei seinem Reiser-Programm zusammenarbeitete, und einer vierköpfigen Band, bestehend aus Lieven Brunckhorst am Klavier, Marco Schmedtje an der Gitarre, Dirk Ritz am Bass und Martin Engelbach am Schlagzeug, interpretiert er die berühmten Songs mit den Mitteln einer Rockband neu. Die Werke von Simon and Garfunkel haben da allerdings schon ganz andere Eingriffe überstanden. Nur wenige Songs wurden schließlich so oft von Künstlern verschiedenster Genres 40 Jahre Sparkasse in concert WILDES DEUTSCHL AND – EINE ANDERE LESUNG 40 JAHRE SPARKASSE IN CON CERT Wie lebt man mit dem Gefühl, dass man sich ein Bein amputieren muss, um sich komplett zu fühlen? Wie kommt man ohne Aufenthaltsgenehmigung durch den Alltag? Auf der Suche nach extremen Phänomenen sprach der Journalist Manuel Möglich mit Menschen, die abseits der bürgerlichen Norm leben. Die daraus entstandene Doku-Reihe ›Wild Germany‹ wurde nicht umsonst für den deutschen Fernsehpreis nominiert. Viel hat Möglich erlebt, auch außerhalb Deutschlands: Oktoberfeste in Brasilien oder deutsche Braukunst im chinesischen Tsingtao. Für sein Buch ›Deutschland überall‹ bereiste er Länder mit historischem Bezug zu Deutschland und sprach mit Einheimischen über das Bild, das sie vom ehemaligen Kolonialherren oder dem Land ihrer Vorfahren haben. Es gibt viel zu erzählen bei diesem etwas anderen Heimatabend. ARNE HELMS ➟ Kesselhalle, 20 Uhr // Tickets: VVK: € 11,– (zzgl. VVK-Geb) AK € 14,– Seit vierzig Jahren veranstaltet die Sparkasse Bremen zusammen mit dem Nordwestradio die Reihe ›Sparkasse in Concert‹. Mehr als 500 Bands und Musiker beehrten in diesem Rahmen unsere schöne Hansestadt. Von Jazz bis Rock, von Folk bis Blues reicht das Angebot, bei dem alle auf ihre Kosten kommen. Für die aktuelle Ausgabe der Konzertreihe konnte das schottischenglische Folktrio Lau gewonnen werden. Kris Drever (Gitarre/Gesang), Martin Green (Akkordeon/Piano) und Aidan O’Rourke (Geige) gewannen bereits viermal den Folk Award von BBC Radio 2. Jetzt kommt also das Bremer Publikum in den Genuss ihrer modernen, mal energiegeladenen, mal melancholischen Folkmusik. Übrigens: Im Schlachthof spielen die drei das einzige Deutschland-Konzert ihrer Europa-Tournee. ARNE HELMS ➟ Kesselhalle, 20 Uhr // Veranstalter: Sparkasse Bremen, Nordwestradio // 15 M A I F R // S C H L A C H T H O F SOUND OF SILENCE Lau Tickets: VVK: € 15,– 16 M A I S A // L A G E R H A U S 0 9 M A I S A // S C H L A C H T H O F aufgegriffen wie die von Simon and Garfunkel. Die Lemonheads versahen ›Mrs. Robinson‹ mit Punk-Rock-Drive, das James Taylor Quartet nahm den gleichen Song in einer Jazz-Funk-Version auf, Garth Brooks versuchte es mit einer Country-Fassung, die deutschen Metaller Sodom übernahmen ›A Hazy Shade Of Winter‹. Ganz so wild treibt es Plewka natürlich nicht. Aber Puristen dürften sich durchaus gelegentlich vor den Kopf gestoßen fühlen. Weshalb Plewkas ›Sound Of Silence‹ vielleicht eher etwas für jene ist, die die Sechzigerjahre, dieses Wunderjahrzehnt des Pop, nicht selbst miterlebt haben. Die eher mit dem Wissen von heute als nostalgisch verklärt darauf blicken und dabei gelegentlich ratlos angesichts der schillernden Farbenpracht eines vergangenen Zeitalters sind. Plewka nimmt sie an der Hand und zeigt ihnen, wie diese Songs eben auch klingen können, ihres soziokulturellen Kontextes enthoben, der zeitgebundenen Ästhetik behutsam entkleidet und neu gelesen. Dabei nimmt sich Plewka durchaus einiges heraus: Den Titelsong seines neuen Abends versteht er beispielsweise ganz wörtlich, wenn er im Chorus tatsächlich das Schweigen zum Klingen bringt – sofern das Publikum mitspielt, versteht sich. Anderswo flicht er deutsche Zeilen in die Originaltexte ein. Und manchmal verzichtet er auch ganz auf Musik und rezitiert aus Übersetzungen der Lyrik von Paul Simon, die derlei Würdigung natürlich wirklich verdient. ANDREAS SCHNELL ➟ Kesselhalle, 20 Uhr // Tickets: VVK: € 19,– (zzgl. VVK-Geb) AK € 24,– SOLD OUT! Gregor Meyle Christian Steiffen ZWISCHEN METROPOLE UND FISCHERDORF DIE GANZE NACHT VON MIR GETR ÄUMT Vor acht Jahren hat die Erfolgsgeschichte von Gregor Meyle angefangen: Bei einer Castingshow von Stefan Raab erreicht er mit seinen selbstkomponierten gefühlvollen Balladen das Finale der Show. Gewonnen hat er zwar nicht – der Titel ging an eine gewisse Stefanie Heinzmann – aber es hat ihm einen deutlichen Karriereschub verpasst: ein eigenes Label, ein Auftritt bei ›Sing meinen Song – Das Tauschkonzert‹ mit Musikern wie Roger Cicero und Sarah Connor. Mittlerweile hat der sympathische Singer und Songwriter vier Alben herausgebracht, von denen drei in den deutschen Top Ten landeten. Sein neuestes Werk ›New York – Stintino‹ ist in der pulsierenden Metropole entstanden, aber auch in dem beschaulichen sardischen Dörfchen Stintino. Mit neuen Songs im Gepäck geht er nun dahin, wo er sich am meisten zuhause fühlt: auf die Bühne. ARNE HELMS ➟ Kesselhalle, 20 Uhr // Tickets: VVK: € 25,– (zzgl. VVK-Geb) AK € 30,– Christian Steiffen ist ein Multitalent: Seit 2009 ist der Schlagersänger, Entertainer, Schauspieler, Elvis-Cover-Musiker und ehemalige Kandidat für das Amt des Osnabrücker Oberbürgermeisters (2013; 3,3 Prozent) unter obigem Namen als ›Arbeiter der Liebe‹ – so der Titel seines Albums von 2013 – unterwegs. Im Film ›Ich fühl mich Disco‹, der 2014 auf der Berlinale anlief, spielt er sich selbst als angebeteten Schlagersänger. Auf der Bühne sucht er die spontane Interaktion mit dem Publikum und obwohl er ein absoluter Frauentyp ist, können auch die Männer noch sehr viel von ihm lernen. Das Wichtigste ist ihm die Liebe. Christian Steiffen dazu: ›Die Liebe ist nicht nur ein Gefühl. Das Schöne an der Liebe ist, dass man sie machen kann!‹ Schlager im Wandel der Zeiten. Bitte tanzen! MARTHA GRAF ➟ Saal, 20 Uhr // Tickets: VVK: € 15,– (zzgl. VVK-Geb) 22 FR EIZ EIT lagerhaus APRIL / MAI 2015 APRIL t ä gl i ch Die Kinder von Shingal | Fotos von Recai Aytas | Kafé bis 7. Mai In Auflösung | Ausstellung von Margarita Escribano | 3. Etage bis 31. Mai Mi 01 Mischszenen am rechten Rand | Vortrag über rechte Strukturen in Bremen mit Andrea Röpke | Saal 19 Uhr Sa 04 Von Spar / Marker Starling | Konzert | Saal 20 Uhr Mi 08 Sizarr | Konzert | Saal 20 Uhr M a rd i G ra s . b b 08 Do 09 Fr 10 Sa 11 Di 14 Mi 15 Do 16 Fr 17 Sa 18 Budzillus 30 Mi 22 Do 23 Fr 24 Sa 25 Di 28 Do 30 Jazzetage | die neue Session für Jazz in Bremen | etage 3, 21 Uhr Slam Bremen | Stargast: Bleu Broode | Saal 19.30 Uhr Akku Quintet | Konzert | etage 3, 21 Uhr SPH-Bandcontest | Elbion / Funkenschlag / Hirym / It never ends | Saal 18 Uhr Sea Change | Konzert | etage 3, 19.30 Uhr Laut. Fett. Bunt. Europa tanzt gegen rechts | Rakede / Phanotypen / DJ Smiles | Saal 19.30 Uhr AMS!-Improabend | mit zwei Überraschungsauftritten | etage 3, 20.30 Uhr Streit ums Kopftuch – Wieviel Stoff vertragen Bremer Schulen? | Wir müssen reden: taz.bremen vor der Wahl | Saal 19 Uhr The Pains of Being Pure at Heart | Konzert | Saal 20 Uhr Klamms Krieg | Theater | Saal 19.30 Uhr SPH-Bandcontest | Konzert | Saal 18 Uhr Die Efkaka-Improshow | Improtheater | etage 3, 19.30 Uhr Äl Jawala | Konzert | Saal 20 Uhr V. B. Schulze’s Bernsteinzimmer | Olympia kommt nach Wilhelmshaven! | etage 3, 21 Uhr Backdrop Soul Club | DJs Matti & Jens Lücking | Saal 23 Uhr 7. Bremer HIV-Gespräch | Vortrag / Gespräch | etage 3, 20 Uhr Rainer Trampert und Thomas Ebermann | Satirischer Querschnitt aus 25 Jahren | Saal 18.30 Uhr The Chimes / The Awake / Narcolaptic | Konzert | Saal 19.30 Uhr Mardi Gras.bb | Jazzahead!-Clubnight | Saal 20 Uhr Back4Good | Homosensationelle 90er-Party | Saal 23.30 Uhr Kinder auf der Flucht – Willkommen in Bremen? | Wir müssen reden: taz.bremen vor der Wahl | Saal 19 Uhr Walpurgisnacht – Tanz in den Mai im Liluba | Sybill Mandragora / Confusão / Stelzenart / Seattle Tea House & Band of Friends u. v. a. | Lichtluftbad 19 Uhr Oliver Gottwald | Konzert | etage 3, 19.30 Uhr Budzillus | Konzert | Saal 20 Uhr Tanz der Kulturen in den Mai | DJs auf zwei Ebenen: Global Club/Kulturschock | Kafé, Saal 22.30 Uhr MAI 28 theaterSCHLACHTHOF arbeitet professionell für Menschen aller Altersstufen. theaterSCHLACHTHOF ist Heimat, Labor, Werkstatt, Bühne, Kneipe, Ballsaal, Elfenbeinturm, für lokale, nationale und internationale Künstler*Innen und Theatermacher*Innen. In vielfältigen Kooperationen ermöglichen und entwickeln wir Formate, die außergewöhnlich, aufregend, inspirierend und äußerst populär sind. Das theaterSCHLACHTHOF macht Netzwerkarbeit möglich! Durch Verbindlichkeit, Durchlässigkeit und Transparenz in Kommunikation und Tat ist das theaterSCHLACHTHOF Ort des Gesprächs und der Produktion. Wir geben den großen Fragen eine Bühne, scheuen nicht die Schönheit der Worte, die Intensität der Empfindung, die Freiheit der Form. Ein Theater der vielen Fragen, Formen und vor allem der Menschen. S h a n t el So 02 La Vela Puerca | Konzert | Saal 19.30 Uhr Mi 06 Chadwick Stokes | Konzert | Saal 19.30 Uhr Jazzetage | die neue Session für Jazz in Bremen | etage 3, 21 Uhr Sa 09 AMS!-Improabend | Improtheater | etage 3, 20.30 Uhr So 10 Don Ross / Peter Kroll-Ploeger / John Goldie | Guitar Night | Saal 19.30 Uhr Mi 13 Energiewende von unten – Kampf um den Strom | Vortrag / Diskussion | etage 3, 19 Uhr Do 14 Slam Bremen | Saal 19.30 Uhr Fr 15 SPH Band-Contest | Konzert | Saal 18.30 Uhr Kulturschock | DJs Holly & Grimbo | Saal 23 Uhr Wenn ihr Fragen habt, wenn ihr Räume braucht, wenn ihr Support beim Konzepten braucht, wenn ihr Lust habt zu spielen, wenn ihr euch vernetzen wollt – meldet euch! Sa 16 Christian Steiffen | Konzert | Saal 20 Uhr Unsere nächsten Shows: Mi Fr Sa Do Sa V. B. Schulze’s Bernsteinzimmer | Die große Konfusion – Der Mensch spielt keine Rolle | etage 3, 21 Uhr Nightcalls – von James & Priscilla 02. und 03.04.15 / 20.00h theaterSCHLACHTHOF/Kesselhalle 1989 [exit ghost] – von theatrale Subversion 16. und 17.04.15 / 20.00h + 17.04. / 11.00h theaterSCHLACHTHOF/Kesselhalle Alles Weitere: theaterschlachthof.de 20 22 23 28 30 Arkells | Konzert | Saal 19.30 Uhr Rocky Votolato & Band | Konzert | Saal 20 Uhr Astronautalis | Konzert | Saal 19.30 Uhr Shantel | Konzert | Saal 20 Uhr Brachenkiste | Die Macht der schwarzen Null – Schäubles Aufstieg zum Olymp | etage 3, 21 Uhr M o n t a g s offene Tanzgelegenheit | ab 20 Uhr Standard & Latein | ab 21.30 Uhr Tango mit dem DJane-Trio Natascha, Nina & Tango Anima | Alle Werderspiele im Kafé auf Großbildleinwand! FREI ZEIT FR EIZ EIT APRIL / MAI 2015 schlachthof APRIL Do& Fr Nightcalls | Theatergruppe James & Priscilla | Kesselhalle 20 Uhr 02 & 03 Fr 03 DerSchöneFreitag | Theater präsentiert von theaterSCHLACHTHOF | Theaterwerkstatt 20 Uhr Do 16 1989 [exit ghost] | Theaterkollektiv theatrale subversion | Kesselhalle 20 Uhr Fr 17 1989 [exit ghost] | Theaterkollektiv theatrale subversion | Kesselhalle 11 & 20 Uhr Sa 18 Sterne des Orients | präsentiert von Schachlo | Kesselhalle 20 Uhr So 19 Fil | Pullern im Stehn - Die Geschichte meiner Jugend | Kesselhalle 20 Uhr Do 23 Jazzahead! – French Night | mit Orchestre National de Jazz (FR)/ Donkey Monkey (FR)/Thomas de Pourquery-Supersonic (FR) | Kesselhalle 20.30 Uhr Fr 24 Jazzahead! – German Jazz Expo | mit Andromeda Mega Express Orchestra / Mementom | Kesselhalle 15 Uhr 19 89 [ ex it g h o st] 16/17 J a z z a h e a d ! – D o n ke y M o n key 23 Jazzahead! – Overseas Night | mit Kellylee Evans (CA)/fatsO (CO)/ Ed Motta (BR) | Kesselhalle 20 Uhr Sa 25 Jazzahead! – European Jazz Meeting | mit Peedu Kass Momentum (EE)/ Atom String Quartet (PL)/Ceyl’an Ertem (TR) | Kesselhalle 14 Uhr Jazzahead! – European Jazz Meeting | mit Fischermanns Orchestra (CH)/ Carmen Souza + Theo Pascal (UK)/MOP MOP (IT) | Kesselhalle 20.30 Uhr Mi 29 Pago Balke | mit aktuellem Programm: TIERtorTOUR | Kesselhalle 20 Uhr Do 30 Pop To Go: Open up | mit Yellowtree und anderen | Magazinkeller 19 Uhr MAI L au 11 Mi 06 Manuel Möglich | Deutschland überall & Geschichten aus Wild Germany | Kesselhalle 20 Uhr Do 07 Timo Wopp | Passion – Die Show | Kesselhalle 20 Uhr Sa 09 Jan Plewka singt Simon & Garfunkel | Sound of Silence | Kesselhalle 20 Uhr Stand Up Disco / Party für Schwule, Lesben und Freunde | Magazinkeller 23 Uhr Mo 11 Lau | im Rahmen von 40 Jahre Sparkasse in concert | Kesselhalle 20 Uhr OUT! – Stintino | Kesselhalle 20 Uhr Fr 15 Gregor Meyle | New SOLDYork Do 21 Michael Krebs | mit aktuellem Programm Zusatzkonzert | Kesselhalle 20 Uhr Sa 30 Die Anderen | zum zehnjährigen Jubiläum | Kesselhalle 19 Uhr Schlachthof // I M P R E S S U M H e ra u s ge b e r : Kulturzentrum Schlachthof, Findorffstraße 51, 28215 Bremen, Büro: Mo–Fr: 10–19 Uhr, Fon: 0421/37 7750, Fax: 37775 11, zett@schlachthof-bremen.de, Kulturzentrum Lagerhaus, Schildstraße 12–19, 28203 Bremen, Telefon: 0421/701461, -fax: 701306, Z-Magazin im Internet: www.schlachthof-bremen.de Re d a k t i o n : Gudrun Goldmann (V.i.S.d.P.), Sean-Patric Braun, Sophie Hellgardt, Jörg Möhlenkamp, Marlis Schuldt Ausland: Anette Harasimowitsch, Südafrika, Robert Best, Schweiz Grafische Gestaltung: Jörg Möhlenkamp, Marlis Schuldt B e i t r ä ge : Jörn Birkholz, Johanne Bischoff, Anja Bludau, Martha Graf, Lisa Z-Magazin Haferkamp, Arne Helms, Paul Post, Joschka Schmitt, Andreas Schnell, Nora Stötzner, Jörg Windszus, Dierck Wittenberg Fo to s / I l l u st ra t i o n : Marina Lilienthal (Titel), Lena Stuckenschmidt (Kulturgut) Marius Brueggen, Dougie Coulter, Daryan Dornelles, Melanie Elbaz, Markus Feger, Jochen Funk, Sylvain Gripoix, Felix Groteloh, Anika Hanelt-Knudsen, Tim Klausing, Peter Kreibich, Marina Lilienthal, Herve Maillet, Pauline Ruhl, Michael Schildmann, Harald Schröder, Kay Strasser, Aytekin Yalcin Na m e n t l i c h gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. D ru c ke r e i : Girzig & Gottschalk, Bremen.