Danke, Bolivien - Bolivianisches Kinderhilfswerk eV

Transcription

Danke, Bolivien - Bolivianisches Kinderhilfswerk eV
Bolivianisches Kinderhilfswerk e.V.
Danke, Bolivien
Jedes Mal, wenn
ich an meine unglaublich
schöne Zeit in Südamerika
zurückdenke, erinnere ich mich
an unterschiedlichste Situationen, die
einfach so wunderbar waren, dass sie mich glücklich
machen und ich automatisch ein Strahlen im Gesicht
habe. Ich denke, ich bin selbstbewusster und reifer
geworden, aber auch ruhiger und entspannter. Und
wie wars? Super wars! Manchmal schwierig, traurig, lustig,
herzlich… Danke für die Liebe und die Umarmungen, die
ihr mir immer gabt, wenn ich sie brauchte. „Das Schönste, was wir erleben
können, ist das Geheimnisvolle. Wer es nicht kennt und sich nicht mehr wundern, nicht
mehr staunen kann, der ist sozusagen tot und sein Auge erloschen.“ Vor allem, weil ich Erlebtes
und Gelerntes weiterführen will. Es soll im deutschen Alltag nicht untergehen. Hier in Deutschland,
sei es am Flughafen in Frankfurt oder bei mir in der Kleinstadt Rheda-Wiedenbrück, laufen die Leute alle viel
schneller. Ich bin froh, dass das Jahr noch so sehr in mir nachklingt. Ich bin froh und dankbar, für die Möglichkeit,
ein Jahr in diesem wundervollen, zwar armen aber trotzdem so vielfältigen Land verbracht haben zu können. Jetzt
hatte ich so richtig Fuß gefasst. Ich konnte eigentlich vor allem eins machen: den Mädchen im Heim eine Abwechslung,
eine beste Freundin und ein Spaßfaktor sein und ihnen ein bisschen den Horizont erweitern. Manche Dinge bleiben natürlich
fragwürdig, aber gerade mit dem geplanten Süd-Nord-Austausch beispielsweise ändert sich einiges zum Positiven. In Santa
Cruz blieb mir nun noch ziemlich genau eine Woche um mich von all meinen Freunden und Arbeitskollegen, von allem
was mir im vergangenem Jahr lieb geworden war, zu verabschieden. Dass man die Menschen wohl nur wiedersieht, wenn man
selbst zurückkehrt, das machte mich sehr traurig. Und ich sagte ihr, dass ich Angst hatte, dass sie wichtiger wird, alle mich
vergessen und sich in einem Jahr keiner mehr auch nur an meinen Namen erinnert. Diese Situation war sehr schwierig für
uns, da wir ziemlich auf uns allein gestellt waren und oft den Druck abbekommen haben. So ging die Zeit ziemlich schnell herum
und der Abschied nahte. Dieser fiel mir nicht leicht, da mir mein Projekt zu einer zweiten Heimat und die Jungs ans Herz gewachsen waren. Im
Auto habe ich Angst, alles schmutzig zu machen, sieht so schick aus! Ich als gerade aus der Schule gekommener Freiwilliger kann nur weitergeben,
was ich an Werten und Ideen habe. Nachdem mich zu Beginn des Jahres die Arbeit sehr gefordert hat, wurde sie zum Ende immer zermürbender
bis langweilig. Es ist nicht mehr so ganz real, aber es ist passiert. Ein Jahr, in dem ich so viel erlebt habe wie nie zuvor und das ich in dieser Intensität
nicht erwartet hätte. Dass ich auch einen kulturellen Reichtum mitbringe und dass ich gerade im direkten Vergleich und Austausch darüber etwas über
die andere Kultur lerne, wurde mir erst sehr spät bewusst. Ich hänge nach wie vor sehr an meinem bolivianischen Leben und es gibt wohl keinen Tag, an dem ich
nicht daran denke. Ein viel zu wundervolles Jahr zu Ende, unendlich genossen, ein nicht materieller Genuss, völlig eins mit der Materie, einmalig und doch
erlebt durch Viele. Freiheiten wollen genutzt werden. Ich habe unfassbar viel gelernt in dieser Zeit und dies nicht nur über entwicklungspolitische Arbeit oder
die Geschichte, Kultur und Politik Boliviens, sondern auch über mich. Nicht nur durch mein Projekt wurde ich dieses Jahr mit anderen Lebensrealitäten
und –ansichten konfrontiert, hatte die Chance herzliche, inspirierende und offene Menschen kennenzulernen, und beeindruckende Orte zu bereisen, was
alles meine eigene Sicht auf die Welt verändert hat und dieses Jahr so unabschließbar macht. Das Jahr hat mir geholfen wortwörtlich meinen Horizont zu
erweitern und zu reifen.Ich habe mir überlegt, dass unser eigentlicher Auftrag erst als Rückkehrer beginnt. Durch den beidseitigen Austausch
fängt das BMZ langsam an, eine Beziehung mit den teilnehmenden Ländern herzustellen, die
auf
Gleichberechtigung abzielt. Ich hab so unglaublich viele und tolle Menschen kennengelernt,
die
ich, wenn ich mit wem anders unterwegs gewesen wäre, wohl nicht getroffen hätte.
Ich
konnte einige meiner Ideen verwirklichen, aber trotzdem ist mir klar, dass mein Einsatz
im Kindergarten keine „entwicklungspolitischen Fortschritte“ gebracht hat. Alles
in allem hat mir die Arbeit aber sehr gefallen, ich habe viel gelernt, vor allem
über Gemüse. So rau wie das Wetter dort schienen mir auch die Bewohner dieses
Fleckchens Erde. Der Schock saß zu Beginn schon tief. Eines seiner größten
Ziele ist es, die Kunst aus dem Zentrum der Stadt hinauszubringen, um
sie somit nicht mehr exklusiv für die Mittel- und Oberschicht des Landes
zugängig zu machen.
Natürlich
war
erstmal alles
neu,
ungewohnt
und
spannend.
Erfahrungen im Freiwilligendienst
Berichte 2013/14
ii
Anschrift
Telefon
E-Mail
Spendenkonto
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Bolivianisches Kinderhilfswerk e.V.
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Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen
Inhaltsverzeichnis
Amadé Karnagel
Kaya Children International, La Paz
1
Annabelle Köchling
Walter Henry/Biblioteca Municipal, Santa Cruz
4
Antonia Seitz
Wiñay, Sucre
6
Catherine Petersen
Kaya Children International, La Paz
7
Charlotte Schubert
Hospital del Niño, La Paz
9
Christina Klausmann
Centro Cultural Ayopayamanta, Independencia
11
Jakob Sandfort
Villa Virgina, Montero
13
Judith Bork
Instituto Psicopedagógico Ciudad Joven „San Juan de Dios“/Casa Cuna Poconas, Sucre
15
Judith Hannah Rehling
Fundación Comunidad y Axión, El Alto
18
Julia Heym
Instituto Psicopedagógico Ciudad Joven „San Juan de Dios“, Sucre
21
Kathrin Zirn
Hogar Guadalupe, Sucre
23
Katja Gengenbach
Villa Virgina, Montero
25
Lasse Bartsch
Centro Cultural San Isidro/El Taller, Santa Cruz
27
Laura Fischer
Hasta Crecer, Montero
28
iii
iv
Lea Kessler
Kalaq’aya, El Alto
30
Leon Hoever
Centro Educativo Multifuncional Villa Armonía, Sucre
32
Lukas Ehrhorn
Centro de Formación Integral Rural „Vera“, El Cortijo
34
Maike Jenny Wiechert
Juancito Wenley, La Paz
36
Mareike Groß
Calor de Hogar/Instituto Cultural Boliviano-Alemán, Sucre
38
Marius Palass
Centro Cultural San Isidro, Santa Cruz
39
Melanie Pißner
Centro Cultural San Isidro, Santa Cruz
41
Michael Hotzwik
Educación y Futuro, Tarija
42
Mirjam Volz
Santa Rosa de Lima/Santo Domingo, Comarapa
44
Nicola Antretter
Fundación Niño Feliz, Santa Cruz
48
Nina Kötzel
Wiñanancama, Puesto Fernández Alonso
50
Pablo Mavridis
Centro Educativo Multifuncional Villa Armonía, Sucre
51
Philipp Sejk
Fundación Pueblo, El Alto/La Paz
53
Reena Pauly
Colectivo Rebeldía, Santa Cruz
55
Robin Claudius Krebs
Hogar Granja, Sucre
56
Silvan Griesel
Wiñay, Sucre
58
Simon Paun
Villa Vecinal, Trinidad
60
Simone Elisabeth Wiedmann
Walter Henry/Patio Don Bosco/Colegio Juan Wesley, Santa Cruz
62
v
Sophie Hellge
Hasta Crecer, Montero
64
Stefanie Schweizer
Fundación Comunidad y Axión/Juancito Wenley, El Alto/La Paz
66
Theresa Uhlig
Fundación Yanapi, El Alto
68
Tim Rilling
Wiñanancama, Puesto Fernández Alonso
69
Veronika Mehlhart
ARTErias Urbanas, Santa Cruz
71
Veronika Ruppert
Centro Educativo Multifuncional Villa Armonía, Sucre
73
vi
Gesetzt in Garamond und Bebas Neue
Amadé Karnagel
Kaya Children International
Hallo ihr lieben Freunde, Verwandte und Bolivien-Interessierte,
die meisten von euch kennen mich sicherlich,
doch noch einmal, ich heiße Amadé und bin
seit September wieder zurück in Deutschland.
Vorher habe ich ein Jahr in La Paz, der Millionenstadt im Hochland Boliviens verbracht
und dort, im Rahmen meines durch das Programm „weltwärts“ geförderten entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes, in einem Projekt, das mit Straßenkindern und Kindern aus
schwierigen Elternhäusern arbeitet, mitgeholfen. Ich habe sehr viel Zeit in meinem Projekt
„Kaya Children International“ mit den Kindern unterschiedlichsten Alters zusammen gearbeitet und gespielt.
Nun bin ich seit einer Weile wieder in
Deutschland und schreibe erst jetzt – im Oktober – meinen Abschlussbericht. Das tut mir
leid, jedoch ist das Leben hier einfach stressiger und ungeordneter und der Umzug und Studienbeginn haben mir endgültig jede Freizeit
geraubt, wodurch ich erst jetzt wirklich zum
Reflektieren komme.
Jedes Mal, wenn ich an meine unglaublich schöne Zeit in Südamerika zurückdenke, erinnere
ich mich an unterschiedlichste Situationen, die einfach so wunderbar waren, dass sie mich glücklich machen und ich automatisch ein Strahlen im Gesicht habe. Zum Beispiel die selbstgemalten
Bilder der Kinder an mich, die sehr interessanten Gespräche mit Kollegen, tolle Unternehmungen mit Freunden oder die unglaublich witzigen Momente beim Volleyball, Tischtennis oder
Fußball. Auch die verschiedenen ergreifenden Abschiede am Ende, sowie täglich gleiche Abläufe – selbst die, die ich dort als nervig angesehen habe –, oder meine unbeholfenen Versuche
im Spanischen am Anfang und die Zeit mit meiner Freundin kommen mir da in den Kopf.
Allerdings ist das manchmal wirklich schwer, denn vieles macht mich gleichzeitig auch traurig,
da ich die Sachen sehr vermisse und hier in Deutschland nicht machen kann.
Wie man vielleicht an dem oberen Teil auch erkennen kann, habe ich mich mit der Wiederankunft hier in Deutschland ein wenig schwer getan, da irgendwie alles fremd war. Ich habe
mich riesig auf meine Familie gefreut und begeistert Fotos gezeigt, doch im Endeffekt gemerkt,
dass diese Bilder nicht einmal annähernd zeigen können, was ich erlebt habe. Ich war überfordert mit der ständigen Frage „Und wie wars?“ von allen Seiten. Ich bin immer noch dabei,
mich hier wieder einzuleben. Einige sehr bolivianische Prägungen, wie das ständige „Zuspät1
2
Amadé Karnagel
kommen“ oder spontan und ohne Plan in den Tag zu starten, haben sich zumindest teilweise
gehalten. Sogar mein Spanisch habe ich das eine oder andere Mal noch angewendet.
Im Gegenzug dazu war es was beispielsweise das Essen angeht wesentlich leichter sich hier
wieder einzuleben. Vom unbeschwerten Tragen weiter, unglaublich bunter Flatterhosen jedoch
sieht man meist relativ schnell ab und nach einigen Bemerkungen von Verwandten fühlt sich
auch der Standardlook Jogginghose und dazu Alpakapulli nicht mehr richtig gut an.
Ich glaube, dass es für mich umso schwieriger ist, wieder richtig hier
anzukommen, weil sich alles verändert
hat. Meine Freunde studieren in anderen Städten, mein Alltag bestand theoretisch aus „Nichtstun“ und meine Zukunft liegt in einem Studium, das ich
überhaupt nicht einschätzen kann. Das
heißt, ich lebte übergangsweise in einer
Art Leere zwischen Bolivien und Studium, sodass alle anderen sehr beschäftigt
mit ihrer Arbeit waren, während ich keine Verpflichtungen und geregelten Abläufe hatte. Aber das hat sich nun durch
den Beginn der Vorlesungen gelegt und
auf einmal bin ich durch die plötzliche
Masse der zu erledigenden Sachen komplett überfordert.
Nun aber möchte ich nochmal einen kleinen Sprung machen und euch
noch ein wenig über meine letzten 3
Monate in Bolivien berichten. Die letzte Zeit in meiner Arbeit hat immer noch
genauso viel Spaß gemacht, wie am Anfang. Ich habe weiterhin geholfen, wo ich konnte, meine Fußballgruppe „trainiert“ und wurde
mehr und mehr in die Lösung auch tiefgründiger Probleme vom Kaya oder mit einigen Kindern
mit einbezogen. Zum Beispiel hat ein Kind, das weggelaufen ist, da es meinte, alleine ohne „Regeln“ besser zu leben, sich, kurz nachdem es abgehauen war, bei mir gemeldet und sich dann
mehrmals mit mir getroffen. Dabei haben wir sehr viel geredet und ich hab ihm Dinge erklärt
und ein wenig geholfen, so dass es letztendlich wieder zurückgekommen ist.
Judis Eltern sind uns besuchen gekommen und wir haben sehr viel von unserem Leben
gezeigt und erklärt und natürlich sind wir auch zusammen gereist und zwar per Boot in die
beeindruckende Pampa-Region bei Rurrenabaque. Dort gibt es diverse Tieren und Pflanzen, die
alle in der dauerhaft überschwemmten Fläche leben. Anschließend haben wir eine mehrtägige
Tour in den größten und grünsten Wald, den ich je gesehen habe, gemacht – den Regenwald. Der
Besuch war klasse und hat auch Judi sehr gut getan, aber vor allem habe ich gemerkt, dass ihre
Eltern dadurch, dass sie alles selbst gesehen und erlebt haben, viel offener und verständlicher
auf unsere Erzählungen reagieren und hätte das auch gerne meiner Mama ermöglicht.
Ich glaube, ich habe auch noch nicht von meinem zweiwöchigen Trip mit Judi nach São
Paulo und Rio de Janeiro kurz nach der gewonnen Weltmeisterschaft erzählt. Wir sind dort
hingeflogen und waren sehr beeindruckt von der Modernität und den gehetzten Menschen in
den Straßen, dem großen Anteil an Touristen, den unglaublich riesigen Häusern und vor allem
von der Tatsache, dass diese nicht nur aus Backsteinen waren.
Amadé Karnagel
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Wir haben gemeinsam
die wunderschönen Wasserfälle von Iguacu gesehen
und sind einige Tage am
Strand von Rio zum Entspannen gekommen, aber
wir haben auch tolle Sightseeing-Touren in den beiden
Megastädten Brasiliens unternommen. Insgesamt war
es ein wunderschöner Urlaub.
Fazit: Mein Jahr in Bolivien war unglaublich toll
und hat mich wirklich geprägt und ein wenig verändert. Ich habe viel gelernt, Erfahrungen gesammelt und mich immer wieder mit Bolivianern
ausgetauscht, indem ich bei alltäglichen Situationen erzählt habe, wie das jetzt in Deutschland
wäre oder gemacht werden würde. Insgesamt habe ich unglaublich nette und aufgeschlossene
Menschen und ihre Kultur und Sprache kennengelernt. Ich bin sehr glücklich, ein Jahr in diesem
wundervollen und so vielfältigen Land verbracht zu haben.
Annabelle Köchling
Walter Henry/Biblioteca Municipal
Seit dem letzten Zwischenbericht sind knapp vier Monate vergangen, die letzten Monate in
Bolivien und für mich die besten des ganzen Jahres, was ich meinem Arbeitswechsel und dem
Beginnen des Kampfsportes zuschreibe. Meine Arbeit in der Bibliothek bestand im Unterrichten und Nachhilfegeben in Fremdsprachen. Zum Beispiel hatte ich circa zwei Monate einen
„Französischkurs“ der aus zwei elfjährigen Mädchen bestand, die begierig jeden Tag eine gute
Stunde neue französische Grammatik in sich aufgesaugt haben. Überrascht stellte ich immer
wieder fest, wie schnell sie lernten und wie viel sie nach kurzer Zeit schon sagen und schreiben
konnten. Oft überraschten sie mich bei meiner Ankunft mit Obstsalat oder frisch zubereitetem
Tee und Schildern, auf denen „Te queremos mucho“ stand, was mir jedes Mal den Tag versüßte.
Des Weiteren sprachen mich immer wieder Schüler an, ihnen Englischnachhilfe zu geben oder
ihnen bei den Hausaufgaben zu helfen, sodass ich meistens durchgehend beschäftigt war. Sogar
zwei der Lehrer, die in die Bibliothek kamen und Geigenunterricht zu geben und Einzelnachhilfe kamen auf mich zu. So ergab es sich, dass ich ihnen jeweils circa 1-3 Stunden wöchentlich ein
bisschen Deutsch beigebracht habe. Ansonsten unterstützte ich meine Arbeitskollegen, indem
ich sie in die Zentralbibliothek begleitete, um Material abzuholen oder sonstige Dinge zu erledigen. In diesen kurzen vier Monaten freundete ich mich sehr mit ihnen an, sie nahmen mich
wie selbstverständlich in ihr Team auf und wir konnten auf unsere beiderseitige Unterstützung
zählen. Mir wurde unter anderem die Möglichkeit gegeben, an einem Fortbildungskurs für Bibliothekare teilzunehmen, in dem beigebracht wurde, wie das Ordnungssystem der Bibliotheken
funktioniert und wie man es selbst nutzen kann. Am Ende der vier Monate erhielt ich von der
Zentralbibliothek sogar ein Arbeitszertifikat. Meiner Meinung nach sollte es mehr Stellen in
solchen Kulturzentren geben, da sehr viel Platz für eigenes Engagement ist und das Interesse
der Kinder sehr stark. In der Guardería haben wir es kurz vor Schluss noch geschafft, unser
geplantes Kleinprojekt durchzuführen. Mit der finanziellen Unterstützung des BKHWs gaben
wir bei einem Partnerprojekt einen Wickeltisch in Auftrag. Die Schreinerei Don Bosco, wo er
hergestellt wurde, ist ein Ausbildungsbetrieb für sehr arme Jungs und Waisenkinder. Sie stellten
uns nur die Materialkosten in Rechnung und leisteten eine qualitativ sehr hochwertige Arbeit.
Der Wickeltisch war eine dringend benötigte Anschaffung für den Baby Saal der Guardería, in
dem die Kinder bisher immer auf dem kalten Fliesenboden gewickelt wurden, was nicht nur
unangenehm für die Babys war, sondern auch für die Tía, die sich auf die Knie setzen musste.
Gemeinsam lackierten Sissi und ich den Tisch und gestalteten ihn mit den Handabdrücken
des Babys mit Fingerfarbe. Das Ergebnis kann sich sehen lassen! Rückblickend bin ich nun
doch sehr zufrieden mit dem, was wir in der Guardería bewegt haben. Wir haben es nicht nur
geschafft, dass die Kinder weniger geschlagen werden, sondern auch, dass täglich Zähne geputzt
werden und jetzt letztendlich auch ein Wickeltisch vorhanden ist. Wir hätten bestimmt mehr machen können, aber ich bin schon mit diesem kleinen aber doch bedeutenden Ergebnis zufrieden.
In der Bibliothek hinterlasse ich eine große Lücke, die leider auch nicht durch eine Nachfolge
gefüllt wird. Persönlich gesehen hat mir dieser Auslandsaufenthalt sehr viel gebracht. Ich denke,
ich bin selbstbewusster und reifer geworden, aber auch ruhiger und entspannter. Auch wenn ich
gemerkt habe, dass ich nicht länger in Bolivien hätte leben wollen, werde ich mein Leben dort
4
Annabelle Köchling
5
vermissen und vor allem die Freunde, die ich zurückgelassen habe. Für mich steht fest, dass ich
eines Tages zurückkehren werde, auch wenn es nur im Rahmen von einem Urlaub passieren
wird. Ich bin froh, diesen Dienst gemacht zu haben, da ich mich mit vielen Leuten austauschen
konnte und bei dem ein oder anderen sicher auch Denkanstöße gegeben habe. Generell ist meiner Meinung nach der Kulturaustausch, der in einem ganzen Jahr Bekanntschaften stattfindet,
enorm wichtig. Man kann viel von sich und seinen Denk- und Lebensweisen weitergeben und
im Gegenzug sehr viel lernen. Ich würde mir wünschen, den Blick auf das Wesentliche, den
ich mir angeeignet habe, nicht zu verlieren und bin mir sicher, ein Leben lang von all den prägenden Erfahrungen zehren zu können. Leider muss ich mir aber auch eingestehen, dass ich
mir mehr von dem Jahr erhofft hatte, vor allem was die Arbeit angeht. Hätte ich nicht kurz vor
Schluss noch die Beschäftigung im Kulturzentrum mit der Bibliothek gefunden, wäre mein Abschlussbericht sehr viel negativer ausgefallen. Natürlich liegt es auch immer an einem selbst, was
man aus Möglichkeiten macht, doch hätte ich mir von Anfang an und auch als es dann wirklich
Zeit für eine Zweitbeschäftigung war, mehr Unterstützung erhofft. Das Nachbereitungsseminar, welches abschließend für unseren Freiwilligendienst steht, ließ uns nach unserer Ankunft
Raum, um noch einmal über das Gesamtbild des Jahres nachzudenken. Speziell für mich war
es interessant und beruhigend zu erfahren, dass auch die anderen Freiwilligen beim Einleben in
Deutschland und beim Austausch mit Familien und Freunden teilweise auf Probleme gestoßen
sind, darüber zu sprechen hat mir gut getan. Ansonsten stand das Seminar leider unter keinem
guten Stern und ich hätte mir erhofft, es unter angenehmeren Rahmenbedingungen besuchen
zu können. Auch hatte ich mir erhofft, mehr über den Sinn dieses Jahres zu sprechen, was aber
leider etwas zu kurz kam neben pädagogischen Spielen. Ein Jahr Bolivien hat mich sehr geprägt
und sehr gestärkt. Ich würde jedem empfehlen, einen Auslandsaufenthalt nach dem Abitur zu
machen, die Frage ist allerdings, aus welchem Grund, denn Entwicklungshilfe und sinnvolle Zusammenarbeit mit dem Gastland, was zwei wesentliche Bestandteile eines Freiwilligendienstes
sein sollten, sehen für mich anders aus.
Antonia Seitz
Wiñay
Und…?
Na wie wars?
Super wars!
Mehr konnte ich Bekannten, dem Zahnarzt und der Bäckersfrau meist nicht auf diese zwar
berechtigte aber zugleich unglaublich bescheuerte Frage antworten.
Ich habe ein Jahr lang als weltwärts-Freiwillige in Bolivien gelebt und gearbeitet. Die Erfahrungen und Erlebnisse dieser Zeit dann in eine befriedigende Antwort zu packen erscheint
mir auch jetzt, wo ich schon zwei Monate zurück bin, unmöglich.
Deshalb fange ich am besten ganz sachlich und von vorne an:
Mein Projekt, in dem ich gearbeitet habe, heißt winay und hat seinen Sitz in einem Stadtviertel des Außenbezirks der bolivianischen Hauptstadt Sucre. Das winay ist ein Jugendzentrum, in
dem Kinder vom Vorschulalter bis zur Jugend betreut werden. Im Vordergrund steht dabei die
Hilfe bei den Hausaufgaben, allerdings sind außerschulische Aktivitäten wie Kurse, Ausflüge
und ganz normales Beisammensein mindestens ebenso wichtig.
Das winay wurde von bolivianischen Freiwilligen aufgebaut und genau das macht das winay,
meiner Meinung nach, zu etwas Besonderem. Jeder Mitarbeiter, darunter drei deutsche Freiwillige vom BKHW und zeitweise kanadische Freiwillige der Organisation „L’amie“, arbeitet dort
nämlich unentgeltlich und ist wirklich daran interessiert, dass die Kinder und Jugendlichen eine
sehr gute Betreuung erhalten.
Ich persönlich arbeitete abwechselnd in den drei Häusern des winay und bot im Laufe
des Jahres Englisch, Geografie, Sport, Backen, Armbänder knüpfen und Chor als Kurse für
die Schulkinder an. Wie schon erwähnt wurde der normale Tagesbetrieb auch sehr häufig von
außergewöhnlicheren Veranstaltungen begleitet. Wir haben beispielsweise ein Kulturfest mit
bolivianischen Tänzen gefeiert, sind unter dem Motto „Umweltschutz“ beim Karnevalsumzug
mitgelaufen, haben verschiedene Theaterstücke aufgeführt und und und…
Ein etwas größeres Projekt für mich persönlich war, dass ich, gemeinsam mit einer bolivianischen Psychologin, zwei psychologische Tests mit den jüngeren Schulkindern durchführen
durfte. Dabei ging es darum, einerseits Lernschwächen in bestimmten Bereichen und andererseits Probleme im sozialen Umfeld aufzudecken.
Neben der Arbeit habe ich auch einiges von der bolivianischen Lebensart und Kultur mitbekommen dürfen. In meiner 14-köpfigen Gastfamilie lernte ich natürlich die typisch bolivianische
Küche, die bolivianischen Festtage und vor allem ganz viel Herzlichkeit kennen!
Bolivien als Reiseland hatte ich vor einem Jahr noch überhaupt nicht wahrgenommen, kann
darüber jetzt aber umso mehr schwärmen. Es gibt so unglaublich viele verschiedene Orte, dass
ein Jahr wirklich nicht ausreichend war, um jeden einzelnen davon zu erkunden.
Also gut, ich frage ein zweites Mal: wie wars? Super wars! Manchmal schwierig, traurig,
lustig, herzlich…
All diese Facetten fehlen augenscheinlich in diesem Bericht, sind aber zwischen den Zeilen
zu finden.
6
Catherine Petersen
Kaya Children International
Mein Jahr im Kaya
Zwölf Monate sind vergangen seit ich das erste Mal die Autopista runterfuhr mit einem wundervollen Blick auf die Stadt La Paz, um ein Jahr als Freiwillige in Kaya Children International
zu arbeiten. (Kaya Children International ist eine christliche Organisation, die sich um Kinder,
die auf der Straße leben müssen und Kindern, die in hohem Risiko leben auf der Straße zu
landen, kümmert.) Während dieser zwölf Monate erlebte ich viele starke, gemischte Gefühle –
gelegentlich war ich traurig, manchmal wütend, aber was all diese negativen Gefühle überwog
waren zwölf Monate voller Freude und Liebe. In diesen zwölf Monaten erlebte ich schwierige
und angsteinflößende Momente, aber vor allem unzählige Momente, in welchen ich glücklich
und dankbar war, wie selten bevor. Ich hätte nie gedacht, dass man in einer so kurzen Zeit
so unglaublich in sich wachsen kann, so viele Erfahrungen machen kann, so viele Menschen
lieben lernen kann. Wenn ich jetzt, wo das Jahr für mich abgeschlossen ist, darauf und auf die
Entscheidung nach dem Abi ein Jahr ins Ausland zu gehen, zurückblicke, weiß ich, dass diese
Entscheidungen für immer eine der Besten meines Lebens gewesen sein wird. Als ich das erste
Mal ins Kaya kam, hatte ich ziemlich Angst, da ich keinerlei Informationen über meine Einsatzstelle hatte. Ich wusste praktisch nichts über die Organisation und die Menschen mit denen
ich zusammen arbeiten würde. Ich kannte das Land nicht, ich wusste nicht, wie die Menschen
in Bolivien denken, und darüber hinaus konnte ich noch nicht einmal sonderlich gut Spanisch
sprechen. Alles in allem hatte ich ziemliche Zweifel bezüglich meiner Entscheidung für ein Jahr
lang in einem Land so weit entfernt von allem was ich kannte und gewöhnt war, zu wohnen.
Diese Zweifel verschwanden recht schnell, als ich im Kaya ankam – Ich war selten an einem
Ort mit so vielen wunderbaren Menschen, so viel Liebe, so viel Glück und Fröhlichkeit. Nach
einer gewissen Eingewöhnungszeit begann ich Geschichten und Schicksale einzelner Kinder,
die das Zentrum Kaya besuchen oder von Jungs die in unserem Residential Programm (Heime) wohnen, zu erfahren. Ich war schockiert und traurig. Viele der Kinder, die tagsüber ins
Zentrum kommen, müssen sich täglich sehr schwierigen Situationen in ihren Familien stellen
und die Geschichten der Heimjungen sind herzzerbrechend. Diese Hintergründe betrachtend
beobachtete ich die Kinder tiefergehend und war überrascht und unglaublich beeindruckt von
der Fröhlichkeit der Kinder und vor allem von dem weit verbreiteten Wunsch sich zu bilden,
zur Schule zu gehen und sich stetig zu verbessern. Während der Woche war ein Großteil meiner
Arbeit die Unterstützung in der Hausaufgabenbetreuung und schulischen Bildung der Kinder.
Darüber hinaus half ich in den Ferien ein Programm auf die Beine zu stellen. Ich war gern gesehener Gast auf fast jeder Geburtstagsfeier der Jungen, die mit uns wohnen, und anderen Festen
wie Weihnachten und San Juan (San Juan wird in Bolivien immer am 23.06. gefeiert. Es heißt,
dass dieser Tag der kälteste und kürzeste Tag der Jahres ist. Er wird mit Familie und Freunden verbracht, es gibt viele Lagerfeuer und es werden Hotdogs gegessen.) Zusätzlich begleitete
ich die Kinder zu Veranstaltungen am Wochenende, wie zum Beispiel zu Rennen oder anderen
Ausflügen. Im Laufe der Zeit wurde ich zu einer Vertrauensperson im Kaya, die Kinder wussten, dass sie in mir eine Person finden würden, mit der reden können, von der sie Ratschläge
7
8
Catherine Petersen
bekommen, eine Person, die da war um sie zu unterstützen und ihnen zu helfen, wenn sie Hilfe brauchen. Jetzt, wo mein Jahr in La Paz und vor allem im Kaya vorbei ist, kann ich sagen,
dass ich niemals gedacht hätte, dass es möglich ist, so tiefe Liebe zu fühlen für Menschen, die
man erst seit einem Jahr kennt, aber Tatsache ist, dass der Tag an dem ich mit von allen verabschieden musste, einer der schwierigsten Tage meines Lebens war. Ich hätte niemals gedacht,
dass es so schwierig sein würde, sich von all den Kindern, aber auch meinen Mitarbeitern im
Kaya, die das ganze Jahr an meiner Seite waren in fröhlichen sowie in schwierigen Momenten,
zu verabschieden. Es flossen eine Menge Tränen, aber ich bin so unglaublich dankbar für die
Zeit, die wir zusammen verbringen konnten und ich freue mich jetzt schon auf den Tag, wenn
ich sie alle wieder sehen werde. Jetzt bleibt nur noch eine Sache zu sagen: Danke! Danke an
alle im Kaya. Danke für die Liebe und die Umarmungen, die ihr mir immer gabt, wenn ich sie
brauchte. Danke dafür, dass ihr nicht nur unglaubliche Freunde seid, sondern dafür, dass ihr
meine bolivianische Familie seid! Ich liebe euch. Ich werde euch unglaublich vermissen und vor
allem werde ich euch niemals vergessen. Ihr werdet immer in meinem Herzen sein! Und dann
will ich noch allen meinen Freunden da drüben danken, vor allem natürlich den Jungs aus dem
Kalaqaya.
Charlotte Schubert
Hospital del Niño
Wie schnell ein Jahr vergehen kann, durfte ich dieses Jahr erfahren. Als ich damals im August
durch den Tunnel in das Flugzeug stieg, hatte ich einen Schwarm Schmetterlinge im Bauch,
ich war unglaublich gespannt auf all das was mich erwarten würde in diesem fernen Land und
zuletzt wurde mir bewusst, dass ich meine Lieben nun ein Jahr nicht mehr sehen würde. Ein
Jahr erschien mir in diesem Moment doch eine sehr lange Zeit, im Nachhinein ist es das einige
Mal gewesen in dem mir ein Jahr lang vorkam… die Zeit verflog während des Jahres so rasend
schnell und schon ist man wieder in Deutschland. Mir fällt schwer ein Resümee über dieses Jahr
zu ziehen, es beinhaltet so viele Emotionen und Erfahrungen. Alles in allem steht fest, dass
es mein größtes Abenteuer bis jetzt war und ich jede Sekunde genossen habe, das schon mal
vorab. Nach einem unendlich erscheinenden Flug kam ich erschöpft und glücklich in Bolivien
an und wurde von Fernando herzlichst begrüßt. Als schließlich alle die Zollkontrolle überwunden hatten und wir schon das erste Mal Kontakt mit der Polizei hatten, ließ man uns aus dem
Flughafen in das wahre Bolivien. Ich erinnere mich noch gut an die Busfahrt durch Santa Cruz,
meine Augen wurden größer und größer, wie ein Schwamm versuchte ich alle eine Eindrücke
einzusaugen. Ich klebte förmlich an der Fensterscheibe. Genau dieses Gefühl überfiel mich ein
zweites Mal als wir mit dem Bus nach La Paz von El Alto runterfuhren. Dieses riesige Meer
an backsteinfarbenen Häusern, die sich in alle Nischen der gigantischen Berge befinden und in
jedem noch so kleinen Winkel zu sehen sind und rings um dieses Meer, wie eine schützende
Hand die majestätischen Anden. Und über allen thront der Illimani. Dieses Bild werde ich wohl
nie mehr vergessen, einfach unbeschreiblich.
Diese Momente des Staunens sollten mich dieses Jahr begleiten, ich stand unzählige Mal
mit heruntergefallener Kinnlade und unfähig zu sprechen oder zu begreifen nur staunend da
und wusste nicht wie mir geschah.
Meine ersten Monate waren von solchen Augenblicken mehr als alle anderen geprägt, da
alles noch so neu und unbekannt war. In jedem Gang vor die Tür waren Überraschungen versteckt, die nur auf meine Entdeckung warteten. Leider waren diese Überraschungen nicht immer
von angenehmer Art, dies musste ich bei den unzähligen Terminen für das Visum immer wieder feststellen. Doch auch diese Hürde konnte nach unfassbar vielen Gesprächen, Arztterminen
und Co. überwunden werden. Das Gefühl diesen „blöden“ Zettel endlich in seinem Ausweis
zu haben, werde ich auch so schnell nicht vergessen. Wer jetzt aber denkt, dass es nach den
ersten Monaten langweiliger wurde, hat sich sehr getäuscht. Denn selbst wenn du schon einige
Monate in Bolivien verbracht hast, kann man kaum von einem normalen Alltag sprechen, denn
es gibt immer etwas außergewöhnliches an einem sonst normalen Tag, das kann zum Beispiel
ein Streik sein oder ein neuer Patient im Krankenhaus…
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Charlotte Schubert
Durch meine Tätigkeit in einem Krankenhaus und das damit verbundenen Kommen und
Gehen von Patienten fällt es mir prinzipiell schwer von einem Alltag in der Arbeit zu sprechen.
Natürlich habe ich stets die gleichen Aufgaben gehabt, jedoch nicht dieselben Patienten und
Krankheitsbilder. Für diese ständige Abwechslung bin ich sehr dankbar.
Zu Beginn fiel mir die Arbeit schwer. Täglich mit solchen traurigen Schicksälen konfrontiert zu seien und dem Wissen dass nicht jeder wieder gesund das Krankenhaus verlassen wird,
belastete mich und führt mir täglich mein Privileg, eine Krankenversicherung zu besitzen, vor
Augen. Doch mit der Zeit wuchs ich an meinen Aufgaben. Doch diese unfairen Unterschiede zu begreifen und versuchen sie zu akzeptieren war für mich die größte Herausforderung
in dem ganzen Jahr und hat auch gegen Ende des Jahres einfach nicht glücken wollen. Das
Gefühl machtlos zu sein, war für mich das Schlimmste, daran werde ich mich wahrscheinlich
nie gewöhnen können. Doch trotz dieser negativen Gefühle, die mich manchmal überrannten,
genoss ich jeden einzelnen Arbeitstag mit den Voluntarias Alemeanas, denn für mich gibt es
nichts Schöneres als ein Kind, das wieder gesund ein Krankenhaus verlassen kann und wieder
seine kindliche Lebensfreunde verbreitet. Die positive Lebenseinstellung teils schwerste kranker Kinder und deren Familie hat mich bei all den fantastischen Dingen, die ich sehen durfte,
am meisten beeindruckt. „Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle. Wer
es nicht kennt und sich nicht mehr wundern, nicht mehr staunen kann, der ist sozusagen tot
und sein Auge erloschen“, sagte Albert Einstein einst und ich muss ihm aus tiefsten Herzen
zustimmen, ich habe mich unglaublich lebendig gefühlt in den vergangenen zwölf Monaten.
Danke Bolivien und den vielen fabelhaften Menschen, denen ich begegnen durfte, die mich zu
Staunen brachten und dieses Jahr so einzigartig für mich machten.
Christina Klausmann
Centro Cultural Ayopayamanta
Ehe man sich versieht, sitzt man wieder in Deutschland, in seinem eigenen Zimmer und soll
nun schreiben wie’s war. Hm, schwer alles in Worte zu fassen. Es ist so viel passiert, ich durfte so
viel erleben und das alles einzuordnen, braucht Zeit. Vor allem, weil ich Erlebtes und Gelerntes
weiterführen will. Es soll im deutschen Alltag nicht untergehen. Zurück kam ich Mitte August
und konnte in den vergangenen zwei Wochen nochmals Bolivien nacherleben. Ich traf mich
sowohl mit Freiwilligen aus Independencia, als auch mit allen Freiwilligen des BKHW beim
Nachbereitungsseminar und mein Chef aus Bolivien kam mit der Musikgruppe Sacambaya in
meine alte Schule für ein Konzert. Was war also nun?
Und wo fange ich da an, zu berichten?? Denn gearbeitet habe ich an vielen Orten: natürlich
dem Centro Cultural Ayopayamanta (CCA), meiner Projektstelle, mit der öffentlichen Bibliothek und ab und zu im Telecentro (Internetcafé). Dann das ganze Jahr über im Kinder Laura
Vicuña (Vorschule) und nach den Sommerferien zusätzlich in der Schule Unidad Educativa
Técnico Humanístico Boliviano Alemán. Obwohl ich es am Anfang als sehr ermüdend und anstrengend empfand, wurde es doch im Laufe des Jahres zu meiner Lieblingstätigkeit. Die erste
Zeit unterstütze ich die zwei Lehrerinnen im Kurs Primera Sección eigentlich nur und stempelte viele Arbeitsblätter oder die Hausaufgaben für die Kinder. Nach den Sommerferien, die
im Februar endeten, änderte sich dies allerdings, denn im neuen Schuljahr gab es immer wieder
Lehrerwechsel und eine Stelle wurde gestrichen, sodass ich mehr gefordert war. Nicht nur für
mich war es immer wieder eine Umstellung, mit einer neuen Lehrerin zu arbeiten, sondern auch
für die Kinder und schließlich die Eltern, die zu Recht nicht zufrieden mit der Situation waren.
Ich hatte das Gefühl die Eltern waren froh, dass wenigstens ich für die Kinder als permanente
Ansprechperson da war, da sich dauernd etwas änderte. Nach und nach kannte ich „meine Kinder“ immer besser und es lässt sich kaum beschreiben, wie schön es sich anfühlt, jeden Morgen
den Raum zu betreten und von den Kindern mit „Christiiiiiiina!“-Rufen begrüßt zu werden.
Dazu kommen die Tänze und desfiles, die wir mit ihnen bei der demostración de educación
física, am aniversario de Independencia, día del padre und 6 de agosto gemacht haben, was für
mich auch jedes Mal aufregend war.
In der Schule begleitete ich die Kunstlehrerin im Unterricht. Der Kontakt mit älteren Schülern war eine Abwechslung zu den Kindern. Allerdings war meine Arbeit/Unterstützung hier
nicht so stark gefordert wie im Kinder, da Victoria die Klassen gut im Griff hatte. Dennoch
konnte ich kleinere Dinge im Unterricht beitragen (z.B. bei organisatorischen Themen, Rat für
die Schüler oder kurzfristig Unterricht halten, wenn Victoria nicht da war). Da mir Kunst Spaß
macht und ich auch einen künstlerischen Beruf anstrebe, war artes plásticas vlt. eher eine Arbeit,
die ich für mich persönlich machte. Mit Carmen arbeitete ich sehr gerne zusammen in der Bibliothek. Nachmittags füllte sich das CCA mit Schülern, die hier ihre Hausaufgaben machten,
Präsentationen vorbereiteten und lernten. Die Schulbücher dazu liehen Carmen und ich aus,
und hier und da half ich bei Englisch und sogar Mathe. Einen achtjährigen Jungen betreuten
wir bei seinen Hausaufgaben jeden Tag, auch die Kinder von Carmen und Roxana (Köchin
und Administratorin im Telecentro) waren regelmäßig da und unterhielten/beschäftigten uns.
Carmen ist eine wahnsinnig geduldige Person und wird von den Schülern auch geschätzt und
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Christina Klausmann
respektiert, sodass ich es immer genoss mit ihr in der Bibliothek zu stehen und so manche Bücher zu suchen. Auch bei der Inventur im November/Dezember brauchten wir einiges an Zeit
und Geduld, denn wir mussten 4000 Bücher wieder in die richtigen Regale und Ordnung stellen,
wobei ich immer am PC saß und Carmen die Codes der Bücher zurief, die sie dann suchte. Ich
bewundere Carmen, da ich sie noch nie gereizt, ungeduldig oder mürrisch erlebt habe, sondern
immer die Ruhe in Person schien. Von eigenen Projekten kann ich auch berichten. Mit Geld
vom BKHW bezahlte ich einen Schreiner, der für den Kinder Laura Vicuña ein neues Holzhäuschen baute. Das alte wurde zwar noch verwendet, war aber schon stark kaputt und abgenutzt.
Ich grundierte das Häuschen dann anschließend weiß, malte Blumen drauf und ließ die Kinder
ihren Handabdruck mit Namen an die Wand machen. Profe Mónica aus dem Kurs unter uns
und Profe Nayzu, mit der ich die letzten drei Wochen zusammenarbeitete, sagten mir zum Abschied, dass sie weiter am Haus bauen wollen, um es zu vollenden und den Kindern eine schöne
Spielgelegenheit zu geben. Mit Freddy, einem Freiwilligen, der zeitweise im CCA war, startete
ich ein anderes Projekt, das sich mit der Abfallentsorgung in Independencia befasste. Wir drehten einen Informationsfilm für Deutschland und bekamen viele Spendengelder zusammen, mit
denen wir für den Anfang 200 Mülleimer und Plakate kauften, die später an die Haushalte in
Independencia verteilt werden sollten. So soll zumindest eine Mülltrennung in Bio und nichtBio ermöglicht werden. Leider konnten wir selber das Projekt nicht ganz zu Ende führen, da
uns die Zeit davon lief. Das CCA wird aber auch dieses Projekt fortführen und die anstehende
Verteilung der Mülleimer vorantreiben. Neben der Arbeit hatte ich auch Urlaub und Freizeit,
sodass ich einiges von Bolivien, meinem Dorf und der Provinz Ayopaya sehen konnte. Vor allem aber hatte ich in den Mitarbeitern des CCAs eben nicht nur Mitarbeiter, sondern Freunde
und Familie, die mich wie selbstverständlich aufnahmen, nie müde wurden mit mir Quechua zu
reden, obwohl ich kein Wort verstehe oder Dinge/Bräuche/Alltägliches zu erklären. Durch sie
lernte ich Bolivien kennen – oder zumindest einen kleinen Teil Boliviens: Independencia. Mi
llajta (Quechua für „mein Volk/Dorf“), das ich in Deutschland vermisse: auf Quechua Brot bei
der Frau an der Ecke zu kaufen, bei Delfina in der Näherei zu sitzen und den Leuten zuhören,
die bei ihr eine polleras in Auftrag geben, mit allen in der Küche des CCAs sitzen und gemeinsam essen (v.a. Pique), mit Sulema rumlaufen, die einem sogar bis in die Dusche folgt, abends
auf die plaza gehen und mit anderen Jugendlichen spielen/rumblödeln oder in die Disko gehen,
sonntags die eigene pollera anziehen und auf dem Markt einkaufen gehen, im fünften Stock bei
schönstem Wetter den Ausblick, die Natur und die Ruhe über Inde und die Anden genießen…
Mir sind die Leute in Inde ans Herz gewachsen und im Nachhinein hätte ich am liebsten um ein
paar Monate verlängert, statt mich so schnell wieder von ihnen zu verabschieden. Nach einem
Jahr begann die Zeit zu rasen, weil ich mich dann richtig wohl/daheim fühlte und auch meinen
Alltag hatte. Bolivien mit all seinen Festen und Traditionen ist einzigartig. Und einzigartig war
auch mein Jahr dort. Es ändert sich viel, was ich ja auch miterlebte und durchaus positiv ist,
aber gleichzeitig will ich, dass es immer mein kleines Inde bleibt, so wie ich es kennenlernen
durfte. Nachdem ich dort so viel gelernt habe und mit nach Deutschland nehmen konnte, hoffe
ich, dass auch was von mir in Inde hängen blieb und mein Freiwilligendienst nicht nur für mich
sondern auch einen Nutzen für die Palqueños hatte. Hier in meinem deutschen Zimmer freue
ich mich jetzt schon wieder auf den Tag, an dem ich meinen Fuß auf bolivianischen Boden setze
und alle meine Freunde wiedersehe.
Jakob Sandfort
Villa Virgina
Wahrscheinlich wissen es alle, der Rest kann es sich sehr gut denken und doch schreibe ich es
hier nochmal hin: Mein FSJ in Bolivien ist vorbei und verging wie im Flug. Ich weiß jetzt nicht,
ob ich meine Gedanken im Folgenden gut ordnen kann also nehmt es mir nicht übel, wenn es
sich mal ein wenig wirr liest. Als ich letztes Jahr in Santa Cruz am Flughafen angekommen bin,
war für mich alles neu. Normal, denn ich hab das Land ja noch nie gesehen. Aber ich glaube,
dass ich mich relativ schnell an das Leben in Bolivien gewöhnt habe. Nur die Gewöhnung ans
Essen ist mir erst in Deutschland aufgefallen. Jetzt komm ich gerade zurück nach Deutschland
und denke mir dasselbe. Warum? Ich hab doch vorher schon mehr als 18 Jahre hier gelebt. Jetzt
nachdem ich neue Erfahrungen und Eindrücke gesammelt habe, kommt mir alles total anders
vor. Das beste Beispiel: Vorgärten. Quasi jedes Haus hier in Deutschland, abgesehen von den
großen Wohnblöcken, hat einen Vorgarten. Einige haben mehr Pflanzen, Blumen oder Bäume
in ihrem Vorgarten als andere. Aber doch werden alle gut gepflegt, zu gut vielleicht. Ich sollte schon 2 Mal in 2 Wochen den Rasen mähen, obwohl fast gar nichts gewachsen ist. Da hab
ich meine Eltern nach dem Grund gefragt, deren Antwort: “Soll doch ordentlich aussehen?!“
Ich bin kopfschüttelnd weggegangen. Aber worauf ich hinaus will: Vorgärten sind total steril.
Keiner benutzt sie und doch müssen sie immer perfekt aussehen. Das würde kein Bolivianer
(den ich kennen gelernt habe) machen. Weiterhin würde sich kein Bolivianer von seiner Arbeit
derart stressen lassen, wie es hier bei manchen Leuten der Fall ist. Hier in Deutschland, sei es
am Flughafen in Frankfurt oder bei mir in der Kleinstadt Rheda-Wiedenbrück, laufen die Leute
alle viel schneller. Das war so eine der ersten Sachen, die mir bei meiner Rückkehr aufgefallen
ist. Ich glaube, dass wir viel von Südamerika in Sachen Entschleunigung lernen könnten, wenn
wir es denn wollten, aber dafür muss sich noch viel ändern. So viel zu meinem Kulturschockerlebnissen! Jetzt zu meiner Arbeit in Bolivien: An meinem ersten Arbeitstag wurde ich direkt
herzlichst von meinen 6 Kolleginnen empfangen. Leider wusste ich vorher fast gar nichts. Ich
glaube nicht, dass ich in meinem FSJ etwas Weltbewegendes geleistet hab, aber das erwartet ja
zum Glück auch keiner. Ich habe es geschafft, sowohl Lese- und Schreibfertigkeiten als auch
mathematische Kompetenzen zu verbessern. Das schwierigste war es wohl die Kinder dazu zu
motivieren doch mal zu lernen anzufangen. Ich hatte bei einigen Kindern das Gefühl, sie hätten
sich schon lange selber aufgegeben und damit die Chance auf ein „besseres“ Leben.
Ein Beispiel: ein 15-jähriger Junge ist immer noch im dritten Kurs der Primaria kann weder
lesen noch schreiben und lässt seinen dadurch aufgebauten Frust an seinen Mitschülern aus, da
er ja stärker ist. Solchen Kindern kann ich als nicht ausgebildeter Freiwilliger nicht helfen, da
sie sich einfach nicht helfen lassen wollen und man da wohl erst die Einstellung ändern muss,
was wohl auch nicht das kürzeste Unterfangen sein wird. Aber im Großen und Ganzen haben
mich die Kinder, glaube ich, ganz gut aufgenommen und auch meine Hilfe gut und gerne angenommen und auch wergeschätzt, da ich ihnen alternative Herangehensweisen zum Beispiel
an Matheaufgaben gezeigt habe, die vielleicht manchmal länger dauerten als die, die sie in der
Schule gelernt haben, aber sicherer zum Ziel geführt haben. Von den Bolivianern wurde ich im
Großen und Ganzen gut aufgenommen. In der Gastfamilie wurde ich von Anfang herzlichst
behandelt, sodass ich meine Familie aus Deutschland fast gar nicht vermissen musste, so haben
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Jakob Sandfort
wir öfter zusammen gekocht oder Filme geguckt. Auch im Projekt lief das ganz gut, auch wenn
es für mich etwas ganz Neues war nur mit Frauen zusammenzuarbeiten, da ich in meinen Jobs
und in meiner Familie immer mehr mit Männern zusammengearbeitet habe. Aber nach einer
kleinen Umstellungsphase ging auch das ganz gut. Leider habe ich in Montero nie wirklich meine
Leute gefunden, das lag wahrscheinlich an zu diversen religiösen Einstellungen oder Musikgeschmäckern. Aber in Santa Cruz hab ich dann wirklich einige gute Freunde gefunden, mit denen
ich mich wirklich gut verstanden hab und – wie man so schön sagt – total auf einer Wellenlänge
war. Und die Fahrt nach Santa Cruz dauert ja auch nur maximal eine Stunde (wenn es denn
keinen Stau oder „bloqueos“ gibt.) Die Seminare fand ich eigentlich immer sehr ansprechend
natürlich auch, weil man da immer die ganzen anderen Freiwilligen aus La Paz und Sucre wieder gesehen hat und sich dann über total verschiedene Erfahrungen austauschen konnte. Aber
auch die Inhalte, wie die Rassismus-Diskussionen und dazugehörende Rollenspiele, haben mich
sehr angesprochen, auch wenn es mich mehr gefreut hätte, wenn diese Rassismus-Beispiele auf
Bolivien oder zumindest Südamerika bezogen worden wären, da mir, auch wenn es wirklich
interessant war, manchmal einfach der praktische Bezug zu meinem FSJ in Bolivien gefehlt hat.
Abschließend kann man sagen, dass mir das FSJ sehr, sehr gut gefallen hat und ich jetzt, wenn
ich so drüber nachdenke, viel, viel lieber in Bolivien sein würde als hier in Deutschland. In dem
Sinne: ¡Que viva Bolivia!
Judith Bork
Instituto Psicopedagógico Ciudad Joven „San Juan de Dios“/Casa Cuna Poconas
Ein Jahr voller toller Erfahrungen geht vorbei. Und wenn ich jetzt, hier in Deutschland an
Sucre, meinen Arbeitsweg, die Micros, den Markt, meine Freunde, die Kinder denke, fühlt es
sich trotz zwei monatigem Zurück-Sein alles noch so nah an. Ich bin froh, dass das Jahr noch
so sehr in mir nachklingt. Vor fast 2 Jahren begann alles, ich entschied mich mit dem BKHW
nach Bolivien zu gehen. Wie viele Menschen wusste ich circa null von Bolivien, dachte La Paz
wäre die Hauptstadt und die Stadt Sucre hatte ich noch nie gehört. Aber ich war mir sicher: Ich
muss weg!
Im August ging es los.
Ich arbeitete in „Psicopedagógico“ und im „Casa
Cuna Poconas“. Man sagt,
aller Anfang ist schwer,
aber wenn ich zurückblicke, war der Anfang
nicht sehr schwer. Ich kam
schnell in die Arbeit rein,
lernte nach und nach die
Namen der Kindern und
Arbeiter, verbesserte mein
Spanisch, fand mich in Sucre zurecht und alles war
gut. Im Casa Cuna Poconas merkte ich schnell,
dass das was den Kindern am meisten fehlte nicht Kleider oder Essen sind, sondern dass sie
vor allem Zuneigung und Liebe benötigten. So machte ich es mir zur Aufgabe, entgegen des oft
harschen Umgangs mit den Kindern, viel Zeit in Kuscheleinheiten und generell mehr Zeit zum
Beispiel beim Füttern der Kinder zu investieren. Schnell wurden mir die Kinder sehr wichtig
und auch wenn die Kinder/Babys von 0-2 Jahren noch nicht sprechen konnten war es wunderbar mit ihnen. Leider war meine Chefin bis Dezember eher weniger kooperativ und selbst
auf eine einfache Sache wie das Zähneputzen der Kinder musste ich viel zu lange beharren.
Doch ich bin froh, dass es ab Dezember dann gut geklappt hat mit dem Zähneputzen und dass
meine Nachfolgerin das nun fortsetzt. Zum Jahresende wurde ich Taufpatin eines 2-jährigen
Mädchens im Heim. Ich möchte mein möglichst Bestes geben um eine gute Patin zu sein und
früher oder später werde ich wieder nach Bolivien zurückkehren. Nach dem Jahreswechsel kam
eine neue Chefin ins „Poconas“ und meiner Ansicht nach wurde es besser. Es kamen Kinder
und es gingen Kinder. Im Poconas versuchte ich außerdem die Räume schöner zu gestalten. Es
gibt aber gerade in dem Stock, in dem die 3-4 Jährigen Kinder leben noch viel zu tun.
Es war eine super Zeit und ich habe viel über kleine Kinder gelernt und die Arbeit, die ihren
Schwerpunkt vor allem im pflegerischen Bereich hat, hat mir Spaß gemacht. Da mir die Kinder
sehr ans Herz gewachsen sind, viel der Abschied auch dementsprechend schwer.
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Judith Bork
Im Psicopedagógico arbeitete ich ein Jahr mit
behinderten Kindern und
Jugendlichen. Der Anfang
viel mir generell nicht sehr
schwer, denn ich wollte mit
behinderten Kindern arbeiten. Die schweren Behinderungen der Kinder schockten mich nicht. Doch das
Personal war nicht wirklich über mich informiert.
Sie wussten nicht wirklich,
warum ich da bin und dass
ich sie in ihrer Arbeit unterstützen werde. Also wurde ich nicht eingearbeitet. Daher benötigte ich in dem Punkt Zeit bis
ich so richtig drin war und erkannt hatte wo ich anpacken kann. Das Psicopedagógico ist eine
riesen Einrichtung und ich wollte die verschiedenen Bereiche (Pädiatrie, Residencia (Internat),
Werkstätten, Therapien) genauer kennenlernen. Das war eigentlich auch ohne große Probleme
und mit genügend Eigeninitiative möglich. Ich lernte sehr viele Kinder mit verschiedensten Behinderungen und Verhaltensauffälligkeiten kennen und lernte dazu. Man muss dazu sagen, dass
ich mir die Aufgaben immer selber suchen musste. Denn es sagt dir keiner mach dies oder das.
Anfang des Jahres war ich also in den Werkstätten tätig und bastelte und die Kinder auch. Im
Frühjahr konnte ich mir die Therapien anschauen und einen Musiktherapeuten begleiten. Dann
konnte ich auch selbst ein bisschen Musik mit den Kindern machen. Meinem Wunsch mit den
Kindern Musik zu machen, wurde aber leider kaum entgegengekommen und so beschränkte
ich mich wieder darauf Zeit mit den Kindern aus der Pädiatrie zu verbringen und vor allem das
Personal zu unterstützen wenn es ans Wickeln ging oder die Kinder ins Bett gebracht werden
mussten und Zähneputzen angesagt war.
Ich konnte, da ich einfach vieles im Projekt
kennengelernt habe, auch verschiedenste außeralltägliche Aktionen veranstalten.
Ein großes Projekt, das wir im Psicopedagógico durchführen konnten war das Streichen
der Schlafzimmer in der Residencia (also quasi
das Internat, der Kinder von 10-18). Außerdem
konnte ich immer wieder und meistens am Wochenende mit den Kindern in den Park gehen, wir
bastelten, haben Plätzchen gebacken, sind am Ende zusammen ins Freibad, ins Kino und ins Museum. Das hat alles super geklappt und ich habe
mich gefreut den Kindern eine Freude zu bereiten. Als wir 3 deutsche Freiwillige an Karneval
verkleidet ins Psicopedagógico gekommen sind
konnten wir den Kindern eine große Freude bereiten und genauso feierten wir immer mal wieder
mit den Kindern ein kleines Fest zu den vielen
Feiertagen in Bolivien. Das wohl tollste Projekt,
was wir auf die Beine stellten, war Anfang Juni ei-
Judith Bork
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ne Olympiade im Psico. Wir organisierten 10 Stationen, an denen die Kinder mit Betreuern in
Gruppen Aufgaben wie Tauziehen oder Dosenwerfen bewältigen mussten.
Es war ein toller aber auch stressiger Tag, denn die Kinder und Erwachsenen hatten viel
Spaß und wir 3 Freiwilligen wünschen uns, dass auch die Freiwilligen nach uns dieses Event
organisieren. Dank der Unterstützung vieler Freiwilligen konnte der Tag gelingen!
Die Zeit im Psicopedagógico war sehr abwechslungsreich und ich hab viel Neues dazugelernt.
Aber all meine Beschreibungen hier, das muss ich dazu sagen, beschreiben nur einen kleinen
Teil. Wer mehr wissen möchte, sollte sich die anderen Berichte, die ich alle 3 Monate für das
BKHW geschrieben habe durchlesen.
Aber auch neben meinen Projekten, was für euch Leser wahrscheinlich primär interessant
war, hatte ich eine tolle Zeit neben der Arbeit. Ich sang zum Beispiel in einem Chor und lernte
so viele neue Leute kennen, die mir ans Herz gewachsen sind. Ich lernte ein tolles Land kennen,
dass sowohl eine atemberaubende Natur hat und ebenso eine tolle Kultur. Am besten gefielen
mir die Tänze, die bei Entradas oft zum Besten gegeben werden. Ich hatte das Glück, gleich
viermal bei einer Entrada mitzutanzen. Das Üben dafür in Sucres Straßen und das anschließende Tanzen an den Entradas ist so toll, ich empfehle jedem Freiwilligen mal mitzutanzen!
Eigeninitiative sollte für den Freiwilligen sehr wichtig sein, denn das Freiwilligenjahr ist das was
man daraus macht!
Ich konnte Reisen durch ganz Bolivien machen und die verschiedensten Kulturen kennenlernen!
Es ist meiner Ansicht nach wichtig, mal in die verschiedensten Kulturen eines anderen
Landes Einblick zu haben und sogar ein Teil davon zu sein.
Ich habe natürlich auch negative Erlebnisse gemacht, doch diese negativen Erfahrungen zu
pauschalisieren wäre falsch. Mir ist es des Öfteren passiert, dass ich nicht geschätzt wurde oder
man mir nicht unter die Arme griff. Aber dann sollte man immer daran denken, dass man seine
Arbeit z.B nicht für die anderen Arbeiter macht, sondern zum Wohl der Kinder. Trotz auch
negativer Erfahrungen, werden mich meine Bilder noch lange an die tolle Zeit und vor allem an
die Menschen erinnern, die mich ein Jahr begleitet haben und es unvergesslich gemacht haben.
Generell muss ich noch sagen, dass mein entwicklungspolitischer Freiwilligendienst wahrscheinlich nicht dazu beigetragen hat für die Zukunft etwas schlagkräftig zu ändern, aber ich
konnte mich ein Jahr lang für die Kinder in meinen Projekten engagieren und wir hatten eine
tolle Zeit gemeinsam.
Judith Hannah Rehling
Fundación Comunidad y Axión
Hallo alle zusammen,
ich bin seit etwa 3 Wochen wieder in Deutschland und immer noch dabei, mich hier wieder einzuleben. Alles hat sich verändert, meine Freunde studieren in anderen Städten, mein Studium
beginnt erst in 2 Wochen und ich bin irgendwie in einer Art Loch zwischen Bolivien und Studium. Nichtsdesto trotz möchte ich euch von meinen letzten 3 Monaten in Bolivien berichten
und nochmal ein abschließendes Statement zu meinem weltwärts-Jahr abgeben.
Im Juni sind meine Eltern
zu Besuch gekommen und fast
4 Wochen geblieben. Wir sind
viel zusammen gereist, auch
mit Amadé und das Gefühl,
meine Eltern nach fast 10 Monaten endlich wiederzusehen,
war wunderbar. Was mir außerdem sehr an ihrem Besuch
gefallen hat, war, dass ich ihnen „meine Welt“ während dieses Jahres zeigen und erklären
konnte. Ich habe ihnen La Paz
gezeigt, unsere Wohnung und
natürlich meine Arbeit, sodass
sie endlich „echte“ Bilder zu
meinen Erzählungen hatten. Wie viel mir der Besuch bedeutet hat und wie wichtig er vor allem
jetzt nach meiner Rückkehr für mich ist, merke ich erst jetzt, wo ich wieder hier bin. Wenn
ich von Bolivien berichte, dann ist es häufig kompliziert, da ich erst viele Dinge erklären muss,
die für Menschen, die schon mal in Bolivien waren, selbstverständlich sind. Wenn ich also mit
meinen Eltern über mein Jahr spreche, geht das wesentlich leichter, als ich wenn ich meinen
Freunden erst umständlich die „äußeren Umstände“ erklären muss.
Ende Juli bis Mitte August haben Amadé und ich dann unsere große Urlaubsreise gemacht
– und zwar nach Brasilien. Wir sind also mit dem Flugzeug nach Sao Paulo geflogen (wirklich
eine riesige Stadt, die uns gleich eine Art Kulturschock verpasst hat), haben eine Busfahrt nach
Foz do Iguacu gemacht und dabei den Komfort Brasiliens im Vergleich zu Bolivien erlebt (viele
Pinkelpausen und Busse, die tatsächlich pünktlich losfahren und auch pünktlich ankommen…).
Von Foz do Iguacu sind wir dann für einen Tag nach Argentinien gefahren und haben dort die
riesigen und beeindruckenden Wasserfälle „Iguacu“ gesehen. Am nächsten Tag ging es dann
nach Rio de Janeiro, eine wunderbare und beeindruckende Stadt. Dort genossen wir das Wetter,
den Strand und das Flair.
Bei der Arbeit hat sich die Stimmung zum Glück wieder deutlich gebessert. In den letzten
Monaten kam es leider häufig zu Streits und Missverständnissen, sodass mir die Arbeit zwischendurch nicht mehr so viel Spaß gemacht hat, wie zu Beginn. Doch ca. seit Anfang Juni
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Judith Hannah Rehling
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verstehen wir uns glücklicherweise wieder fast genauso gut wie früher, es gibt zwar manchmal
Meinungsverschiedenheiten, aber die lassen sich schnell klären. Das einzige, was mir mit den
Monaten immer klarer geworden ist und was mich manchmal wirklich ärgert, ist die Art meiner
Kolleginnen, Vorschläge von mir oder Steffi von vorneherein als „schlecht“ oder „unsinnig“
abzutun, ohne überhaupt darüber nachgedacht zu haben, ob diese Vorschläge nicht vielleicht
doch hilfreich und nützlich sind. Abgesehen davon macht mir die Arbeit nach wie vor unheimlich Spaß, auch wenn ich merke, dass jetzt wo es auf die Zielgerade zugeht, die Luft langsam
raus ist. Ich genieße es, mit meinen Kolleginnen in die Zonen zu fahren und die Familien zu
besuchen, die mir mittlerweile richtig ans Herz gewachsen sind. In einer Zone sind die Frauen
gut befreundet und begleiten uns manchmal mit ihren Kindern zu den anderen Frauen, sodass
wir schließlich als große Gruppe bei einer Frau zuhause sind und schöne Gespräche entstehen.
Kurz vor meinem Abschied haben wir einen „Intercambio de Experiencias“ also einen
Ausflug zum Austausch von Erfahrungen gemacht, bei dem die neuen Familien aus diesem
Jahr Familien aus den vergangenen Jahren besucht haben, um zu sehen, wie ihr Gewächshaus
aussehen kann, wenn sie die Gemüsepflanzen gut und liebevoll pflegen. Bei diesem Ausflug,
der an einem Samstag stattfand, habe ich mich als Cholita verkleidet, worüber sich die Frauen
sehr gefreut haben.
Der Abschied von den Familien war ein bisschen traurig, aber ich hatte zum Glück
die Möglichkeit, mich von jeder einzeln zu verabschieden,
da wir an meinen letzten Tagen jeden Tag in einer anderen Zone waren und dort herumgegangen sind. Ich habe allen ein oder zwei Fotos geschenkt, entweder von ihnen,
ihren Kindern oder mit mir, da
sie meistens weder eine Kamera noch Bilder in ihren Häusern
haben und damit sie mich nicht
so schnell vergessen und auch
wenn es ab jetzt jedes Jahr neue Freiwillige gibt, sich an mich als erste Freiwillige vom BKHW
in der Fundación zurückerinnern. Das gleiche gilt für meine Kolleginnen, nur, dass der Abschied um einiges schwieriger und trauriger war. Ich habe ihnen eine große Collage mit Bildern,
die wir im Büro oder bei einem Ausflug in den Zoo zum Abschied von Steffi gemacht haben,
gebastelt, die jetzt als Erinnerung bei uns im Büro hängt. Zu meinem Abschied haben wir alle
zusammen (bzw. ohne die Chefs) gekocht und gegessen und sogar meine ehemalige Kollegin,
die im 8. Monat schwanger war, ist gekommen, um sich von mir zu verabschieden.
Am schlimmsten war der Moment, in dem ich alle das letzte Mal umarmt habe und dann
das Büro verlassen habe. Und in diesem Moment habe ich mir vorgenommen, nochmal wiederzukommen, wenn es irgendwie möglich ist.
Abschließend lässt sich sagen, dass die Fundación Comunidad y Axión ein tolles Projekt ist,
dass vielen sehr armen Familien in El Alto ein besseres Leben ermöglicht und auch nachhaltig
versucht, das Leben dieser Menschen zu verändern, bzw. diese Menschen dazu zu animieren,
ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und es so zu verändern.
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Judith Hannah Rehling
Mein Jahr in diesem Projekt war toll, ich habe viel gelernt, vor allem von meinen
Kolleginnen und hoffentlich
auch einiges von mir und meinen Erfahrungen in das Projekt
miteinbringen können. Natürlich ist es nur ein kleiner Tropfen auf dem großen Stein, aber
ich hoffe, zumindest die Menschen, mit denen ich direkt
zu tun hatte, zum Reflektieren
und Nachdenken angeregt zu
haben. Mein Jahr in Bolivien
war im Allgemeinen eine tolle
Erfahrung, ich hab viele Menschen getroffen, eine neue Kultur und ihre Sprache (kennen)gelernt und mich während des
Jahres durch das, was ich erlebt und gesehen habe, verändert. Ich habe große Armut gesehen;
Kinder, die obwohl sie schmutzig, ohne Schuhe und mit kaputten Kleidern herumliefen, gelacht
und gespielt haben; Menschen, die so arm sind und einem trotzdem vom dem Wenigen, was sie
haben, noch etwas abgeben.
All diese Erfahrungen haben mich und vor allem meine Ansichten verändert. Ich bin froh
und dankbar, für die Möglichkeit, ein Jahr in diesem wundervollen, zwar armen aber trotzdem
so vielfältigen Land verbracht haben zu können.
Liebe Grüße,
Judith
Julia Heym
Instituto Psicopedagógico Ciudad Joven „San Juan de Dios“
Ich würde gerne ein paar Auszüge aus meinem Blog in meinem Abschlussbericht veröffentlichen, da er am besten meine Erlebnisse und Gefühle wiederspiegelt.
20. Juni 2014, Theater vom Psicopedagógico. Einen Tag bevor wir unseren Urlaub nach Kuba
starteten, war noch ein großes Theater von unserer Arbeit geplant. Natürlich wollten wir da
mitmachen. Wochen vorher wurde wieder gebastelt und jeden Tag geprobt. Es war Stress bis
zur letzten Minute, bis 2 Tage vorm Theater wussten wir nicht, ob wir die Morenada tanzen
würden. Typisch Bolivien, alles passiert dann immer ganz spontan. Kurz vor knapp studierten
wir dann doch noch die Choreografie ein, und rannten bis Mitternacht umher, um Kostüme
zu besorgen. In Zusammenarbeit mit der Tanzschule Gildance aus Sucre wurden verschiedene
Stücke eingeübt. Die Kleinen aus der Pediatría tanzten im Dschungel mit niedlichen Tierkostümen. Es gab gemischte Auftritte von den Balletttänzern mit den Rollstuhlfahrern, unsere
Großen führten ihren Tanz auf, mit dem sie schon die Meisterschaft gewonnen hatten. Es gab
die traditionellen Tänze Caporales, Morenada und Diablada, der Tanz des Teufels mit atemberaubenden Kostümen. Judith und ich tanzten mit den Kindern und Kollegen Ziriguidum, das
Lied ist absolut berühmt hier und rattert im Radio ständig rauf und runter. Das war schon ein
verrücktes Gefühl vor so vielen Leuten aufzutreten, die Scheinwerfer blenden, man sieht nichts
und weiß, dass hundert Augen auf dich starren. Ich hatte nur 4 min Zeit zum Umziehen bis
zum nächsten Auftritt, raus aus der bunten Leggins, rein in Röckchen, Korsett, Hut und Stiefel… und ab auf die Bühne. Und das hat so einen Spaß gemacht, die Choreografie hat super
geklappt, ich bin nicht hingefallen, alles gut… Als der Vorhang zuging, wollten wir alle nochmal
tanzen. Man war das eine Aufregung. Später feierten wir noch in einer Karaokebar mit ordentlich Rum… Das war wirklich ein schöner Abend, ich hätte das Theater auch gern von vorne
gesehen, muss toll gewesen sein. Wir haben ganz viel Lob bekommen und alle fanden es so
schön gemacht mit den ganzen Kindern zwischendrin.
Ausflug ins Freibad mit den Kindern, Juli 2014. Winterferien! Bei 20 Grad und Sonnenschein.
Also ab ins Schwimmbad mit den Kindern aus der Pediatría. Wir packten eine Micro voll mit
15 Kindern, allen Schwestern und Köchinnen, Matratzen und Gitarre. Bis unters Dach beladen rumpelten wir aus Sucre raus, Richtung Yutallah… Alle Kinder jauchzten vor Freude und
wir verbrachten einen wunderschönen Tag im Freibad. Erstmal lümmelten wir uns alle auf die
Matratzen, sangen, schaukelten bis allen schlecht war. Die Köchinnen hatten riesen Töpfe mit
Reis, Pollo und Gemüse mitgeschleppt. Alle schmatzten unter der Mittagssonne. Danach ab
ins Wasser. Das war eiskalt aber keiner wollte wieder raus. Erst als die Zähne klapperten und
die Münder schon halb blau gefroren waren, kuschelten wir die Kinder in Handtücher und
fuhren wieder heim. Ich bin mir sicher so tief und fest haben die alle schon lange nicht mehr
geschlafen…
Großes Kunstprojekt im Hogar Sucre, August 2014. Lennart, ein Bruder von einem Freiwilligen,
der eigentlich nur mal zu Besuch nach Bolivien kommen wollte, aber jetzt schon seit einem halben Jahr hier ist, und Robin, Freiwilliger im Hogar Sucre, hatten die Idee mit einigen Künstlern
die Wände im Hogar zu verschönern. Also schnappten wir uns alle Pinsel und Farbe und los
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Julia Heym
ging‘s. Das Hogar Sucre ist eine riesige Anlage, erstreckt sich über eine Cuadra, mit verschiedenen Terrassen, Fußballfeld und Wiesen mit einer Schweinefamilie. Die hatte irgendwann dann
auch mal den weißen Farbeimer entdeckt, umgeworfen und die Mamasau hatte sich so richtig
schön in der ganzen Farbe gesuhlt. Die Ferkel ganz entzückt, schrubbelten sich dann an Mamas
Bauch. Die sahen alle herrlich aus am Ende. Wir hatten uns eine große Wand ausgesucht und
entschieden uns für das berühmte Sonnentor aus Tiwanaku. Und das Ergebnis kann sich sehen
lassen. Sogar noch schöner als die Werke von allen Künstlern zusammen.
Mein Abschied September, 2014. In den letzten Wochen wollte ich soviel Zeit wie es nur ging mit
den Kindern verbringen. Es kamen noch einmal viele Patienten und mein Plan war rappelvoll.
Abends ging ich noch in die Pediatría und brachte die Kleinen ins Bett. Das war schön, es
wurde schon dunkel und ich half mit beim Zähneputzen, aufs Töpfchen gehen. Alle Jungs
saßen immer im Kreis, jeder auf seinem Topf und wir alberten herum und kicherten, bis die
Nachtschwester schimpfte. Dann mussten alle ins Bettchen, ich hielt Händchen mit Diego,
kitzelte die giggernden Mädchen alle nochmal durch, alle wollten nicht schlafen. Das waren
nochmal schöne Abende mit frisch gebadeten Kindern, alle rochen süß nach Creme und guckten
mich mit großen Kulleraugen aus ihrem Bett an… das werde ich nie vergessen. Viele Eltern
waren traurig dass ich gehen musste und sie fragten mich ob ich nicht noch einen Kurs für
sie geben könnte, in orofaszialer Therapie. Es gibt in Sucre eine Vereinigung der Eltern mit
Autistenkindern, viele kannte ich aus dem Psico. Am Donnerstag in meiner letzten Woche trafen
wir uns bei ihnen zuhause und ich stellte ihnen das Konzept Castillo Morales vor und wir übten
ein bisschen einige Behandlungen. Die waren so froh, hatten extra noch gekocht und es gab
Sekt. Ich hatte auch einen Artikel über die orofasziale Therapie für die Psicozeitung „Illusiones“
geschrieben, die kam gerade noch rechtzeitig vor meinem Abflug raus. Ich war ganz schön
stolz, und alle sprachen mich darauf an und lobten meinen Artikel. Ich überlegte wirklich oft
hin und her, ob ich gehen sollte. Jetzt hatte ich so richtig Fuß gefasst. Aber ich komme wieder.
Muss doch gucken, wie es den Kindern geht. Bei meiner ersten Abschiedsfeier in der Pediatría
aßen wir nochmal mein Lieblingsessen, Papas rellenas und sie schenkten mir eine Tasche. Die
zweite Abschiedsfeier war mit den Therapeuten und Doctora Florez in den Gabinetes. Ich hatte
immerzu Tränen in den Augen und am Ende lagen die Doctora und ich uns in den Armen und
wir heulten bitterlich. Die war immer so lieb und begeistert von meinen Ideen, mich erinnerte sie
immer an meine Kinderärztin, Frau Dr. Vieweg. Meine dritte und letzte Abschiedsfete feierten
wir bei Ylunka mit allen Freunden, ich musste mich erst richtig betrinken und dann blinde Kuh
spielen. Bis morgens um 5 sangen und tanzten wir. Dann war es aber auch mal gut und ich
wollte endlich aufbrechen… Alma sehen. Als ich in Frankfurt am 10. September ankam, schlief
Alma und verpasste ihre verrückte Tante aus Bolivien… aber dann hat sie sich gleich in ein
bolivianisches Babytragetuch gesetzt… endlich wieder daheim. Alles ist komisch und vertraut
zugleich. Ich habe immer noch Jetlag und träume viel von Bolivien und Ylunka, Lucy, Julio,
meiner Gastfamilie, Diego, Ramiro, Rolando und wie sie nicht alle heißen meine Kinder. Bis
ganz bald! Hasta pronto!
Kathrin Zirn
Hogar Guadalupe
Ich bin nun schon seit fast acht Wochen wieder in Deutschland und mir fällt es ehrlich gesagt
gar nicht so einfach, nun meinen letzten, abschließenden Bericht über mein Jahr in Bolivien
zu schreiben. Da ich schon seit drei Wochen studiere, habe ich mit Bolivien in meinem Kopf
praktisch schon abgeschlossen und auch das Nachbereitungsseminar letzte Woche war für mich
leider mehr eine Verpflichtung als ein Genuss. Um diesen Bericht nun richtig schreiben zu können, beginne ich also doch noch einmal, meine Gedanken zu sammeln und die letzten Monate,
sowie das ganze letzte Jahr in meinem Kopf Revue passieren zu lassen.
In meinen letzten Monaten in Bolivien ging es mir absolut spitze und wäre da nicht schon
mein Rückflugtermin gewesen, wäre ich vielleicht bis heute noch gar nicht zurückgekommen,
da ich eigentlich gar nicht weg wollte aus Sucre.
Bei der Arbeit lief alles super und wir machten noch viel Artesanías, Musik und hatten immer unseren Spaß. Die Mädchen waren mir noch mehr ans Herz gewachsen und ich wollte gar
nicht daran denken, bald gehen zu müssen. Für mich war der Abschied im Centro Guadalupe
wirklich schwer und sowohl die Chicas als auch ich haben am Ende Rotz und Wasser geheult.
Ich hatte als Abschlussaktivität einen Ausflug in ein nahegelegenes Naturschutzgebiet (Cajamarca) organisiert, wo wir einen tollen, sonnigen Tag verbracht hatten mit Grillen (Parrillada),
Stockbrot, Spazierengehen, Austoben, Lachen, Erzählen… Es hat mich sehr bewegt, wie viele
Chicas danach zu mir hergekommen sind und sich für diesen schönen Tag außerhalb der öden
vier Wände des Centro Guadalupes bedankt haben. In meiner letzten Woche in Sucre wurde
ich dann sogar noch stolze Taufpatin von der kleinen Kati, der 3-jährigen Tochter der netten
Köchin im Centro Guadalupe. Das wird für mich immer eine herausragende Erinnerung bleiben. Außerdem habe ich nun schon einen Grund, bald wieder nach Bolivien zurückzukehren:
Um mein Taufkind zu besuchen und heranwachsen zu sehen. Auch in meinem bolivianischen
Freundeskreis und auch in meiner Gastfamilie war es immer lustiger und herzlicher, je näher
mein Abflug rückte. Da fange ich direkt wieder an, mein Leben in Sucre zu vermissen! Auch das
Zusammenleben mit Alex und Julia fehlt mir jetzt schon – wir waren ein tolles Team und waren
immer füreinander da. Nun zu meinem kompletten Freiwilligendienst: Mein Jahr in Bolivien
war wohl mit Abstand das spannendste, abenteuerreichste, abwechslungsreichste, spaßigste, inspirierendste und lehrreichste Jahr meines Lebens und ich habe nicht eine Sekunde ernsthaft
darüber nachgedacht, früher nachhause zu fliegen. Sollte das hier gerade jemand lesen, der sich
überlegt, einen weltwärts-Freiwilligendienst in Bolivien zu machen, dann möchte ich mit Nachdruck dazu raten, es zu tun. In solch einem Jahr lernt man sooo viel über sich selbst, über
Bolivien, über Südamerika, über den Sinn und Unsinn von Entwicklungshilfe, über Unterschiede, über Gemeinsamkeiten, über Mentalitäten usw. Was ich oft ein bisschen schade fand, war
die Tatsache, dass man in einem Jahr in Bolivien kaum etwas nachhaltig verändern kann. Ich
konnte eigentlich vor allem eins machen: den Mädchen im Heim eine Abwechslung, eine beste
Freundin und ein Spaßfaktor sein und ihnen ein bisschen den Horizont erweitern (z.B. im Bezug auf ihre Zukunftsträume). Wenn das von mir und Mareike betreute Nachbetreuungsprojekt
für ehemalige Heimkinder „La Vida Sigue/La VISI“ nun mithilfe der Sozialarbeiterin Elena Albino in Sucre noch richtig ins Rollen kommt, wäre ich sehr glücklich. Denn somit wäre meinen
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Kathrin Zirn
Mädchen im Guadalupe auch auf nachhaltige Art und Weise geholfen. Oft habe ich daran gezweifelt, ob die Ausgaben vom BMZ für deutsche weltwärts-Freiwillige in aller Welt überhaupt
im geringsten Sinne in einem Verhältnis stehen zum entwicklungspolitischen Nutzen, den das
Partnerland (z.B. Bolivien) davon hat. Dieser Nutzen wäre meiner Meinung nach nicht mehr
so einseitig, wenn es sich um mehr Freiwillige mit einer abgeschlossenen Ausbildung und Berufserfahrung handelte. Ein frischer Abiturient ist in Bolivien leider aufgrund des jungen Alters
und der dortigen Gewohnheiten oft noch nicht einmal wirklich mitspracheberechtigt, vor allem
wenn es um Reuniones und Entscheidungen bei der Arbeit geht. Außerdem würde ich mich
sehr freuen, wenn auch der Süd-Nord-Austausch nun richtig ins Rollen kommt – möglichst
unabhängig von der sozialen Schicht der bolivianischen Bewerber, damit vielleicht irgendwann
auch eins meiner Mädchen aus dem Guadalupe nach Deutschland kommen könnte. Zu guter
Letzt möchte ich noch einmal betonen, wie froh ich bin, dieses Jahr trotz all der Höhen und
Tiefen gemacht zu haben und durch das Schreiben dieses Berichts ist mir nun mitten im extrem
stressigen Studienbeginn auch noch mal klar geworden, wie sehr ich diese schöne Zeit im meist
tiefenentspannten Bolivien in Zukunft vermissen werde.
El fin
Katja Gengenbach
Villa Virgina
Vor einem Jahr, etwa zur gleichen Zeit, war ich voller Neugierde und Vorfreude auf mein bevorstehendes Jahr in Bolivien. Nun bin ich voller Vorfreude auf meinen neuen, aber relativ
gewohnten Alltag in Deutschland. Wenn ich etwas gelernt habe über mich, dann ist es wohl,
dass ich gerne in Deutschland lebe und Familie und Freunde um mich brauche. Das letzte Jahr
war eine riesengroße Erfahrung für mich. Jedem, der mich fragt, ob ich ein solches Auslandsjahr weiterempfehlen kann, werde ich wohl immer mit „ja“ antworten. Wenn ich jedoch gefragt
werde, ob ICH das gleiche noch ein zweites Mal machen würde, würde ich wohl ablehnen. Das
zeigt, dass nicht alles ganz leicht war und ich mir vieles im Vorhinein vielleicht anders vorgestellt
habe. Aber es bleiben wertvolle Erfahrungen. Erst einmal stelle ich fest, dass ich viel Glück hatte
sowohl mit meiner Gastfamilie, als auch mit meinem Projekt. Ich habe in einer Hausaufgabenbetreuung, für Kinder zwischen 6-15 Jahren, in der Stadt Montero (nördlich von Santa Cruz,
etwa 100.000 Einwohner), gearbeitet. Dort war ich zusammen mit Jakob, einem Mitfreiwilligen. Wir waren die ersten Freiwilligen in diesem Projekt und wurden sehr lieb aufgenommen.
Wir wurden als Freiwillige akzeptiert, durften viel Verantwortung übernehmen und sie aber genauso auch abgeben. Nun kann ich für mich klar sagen, was dieses Jahr gebracht, bzw. was es
nicht gebracht hat. Generell ist dieses Jahr ein super Austausch. Wir lernen auf praktische Art
und Weise ein anderes Leben, eine andere Sprache und eine andere Mentalität kennen und die
Bolivianer vor Ort lernen durch uns genauso ein wenig über ein anderes Land, Deutschland,
kennen. Sowohl die Kinder, als auch das Personal ist ziemlich unwissend, was andere Länder
angeht. Die meisten von ihnen waren nie im Ausland, bzw. oft nicht einmal in einer anderen
Stadt. So ist es für sie etwas ganz Besonderes, wenn sie eine Person mit blonden Haaren, die eine
andere Sprache spricht, vor sich haben. Sie lernen von uns, wo Deutschland liegt, wie das Leben
dort zugeht oder was für uns in Bolivien vielleicht ungewohnt ist. Wenn wir dort ankommen
und überrascht sind, von diesem riesigen Fleischkonsum – lernen gleichzeitig auch die Bolivianer von uns, dass das in Deutschland vielleicht ganz anders zugeht. Alleine der Austausch von
solchen Kleinigkeiten war für mich ein Erfolg und sehr spannend. Daran knüpft gleichzeitig
jedoch oft an, dass man Dinge beobachtet, über die man entsetzt ist und die man gerne ändern
würde – jeder schmeißt seinen Müll auf den Boden, niemand schnallt sich im Auto an, die Kinder haben oft unglaublich einseitige Hausaufgaben, die wir als pädagogisch schlecht ansehen.
Diese Situationen sind oft deprimierend. Man will etwas ändern, was nicht leicht zu ändern ist.
Natürlich spricht man die Menschen darauf an und erklärt ihnen, was daran vielleicht falsch ist,
aber man wird niemals leicht was ändern können. Auch bei den Hausaufgaben der Kinder beispielsweise kann ich nicht sagen: Halt, Stopp, du machst jetzt andere Aufgaben, weil ich das für
„schwachsinnig“ halte. Da kommt man leicht in den Zwiespalt, ob man sich jetzt anpasst oder
sich dem gegenüberstellt. Ansonsten hatte ich beispielsweise zwei Probleme, mit denen ich im
Vorhinein nicht gerechnet hatte. Zum einen hatte ich doch öfters auch Langeweile, was ich aus
Deutschland nicht gewohnt war, da ich unter der Woche gerne und viel unterwegs war. So saß
ich nun unter der Woche in Bolivien viel in meinem Zimmer. Das ist auch davon bedingt, dass
man eigentlich ab 19 Uhr nicht mehr so einfach bei Dunkelheit alleine aus dem Haus konnte,
weil es doch etwas gefährlich gewesen wäre. Und noch dazu ist es mir und auch meinen Mit25
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Katja Gengenbach
freiwilligen in Montero schwer gefallen gute Kontakte zu Leuten in unserem Alter zu knüpfen.
Das mag daran liegen, dass wir beispielsweise nicht an einer Universität waren. Ich hatte jedoch
zum Glück eine sehr junge Gastmutter, mit der ich mich sehr gut verstanden habe. Es ist sehr
schwer in einem Text zusammenzufassen, was in diesem Jahr alles passiert ist oder es schnell
zu reflektieren. Obwohl ich das Jahr über Berichte an Familie, Bekannte usw. geschrieben habe, bleibt die Welt in Bolivien ihnen, glaube ich, fremd. Umso froher bin ich nun, dass meine
Eltern und mein Freund mich besucht haben. So haben wenigstens sie ein Teil meines Lebens
dort kennengelernt und haben eine genauere Vorstellung von allem. Oft erzählt man vieles gar
nicht mehr, was für einen Alltag geworden ist und doch so unnormal für uns erscheint. Man
fährt zu fünft auf einem Motorrad, es gibt Motorradtaxis, es gibt keine Bushaltestellen, alles
ist sehr, sehr billig, Reis und Fleisch sind die Hauptnahrungsmittel usw. Alles in allem bin ich
sehr froh über meine Entscheidung ein Freiwilliges Soziales Jahr in Bolivien zu machen. Und
auch das weltwärts-Programm kann ich erst einmal befürworten. Manche Dinge bleiben natürlich fragwürdig, aber gerade mit dem geplanten Süd-Nord-Austausch beispielsweise ändert
sich einiges zum Positiven. Auch mit der Organisation BKHW war ich persönlich zufrieden.
Ich hatte das Gefühl, dass ich immer einen Ansprechpartner habe und habe mich grundsätzlich
gut aufgehoben gefühlt. Außerdem war es schön, durch Vorbereitungsseminare usw. schon im
Vorhinein im Kontakt mit den Mitfreiwilligen zu stehen. Das hat mir sehr geholfen, denn ohne
diese wären viele Situationen sehr viel schwerer gewesen. Nun werde ich erst einmal normal
anfangen zu studieren, aber ich denke, dass ich vieles mitgenommen habe und mich in Zukunft hoffentlich immer wieder mit dem Thema Bolivien, Freiwilligendienst, Hilfsprojekte etc.
beschäftigen werde.
Lasse Bartsch
Centro Cultural San Isidro/El Taller
Abschlussbericht, wieder in Deutschland, zuhause, in meiner Wohnung, bei meinen Freunden,
bei meiner Familie, in Europa, Hamburg. Die letzten Monate waren extrem aufregend und wohl
auch mit die besten meines Auslandsjahres. In Bolivien selber war ich seit dem letzten Bericht
Ende Mai eigentlich nur noch einen Monat. Die Arbeit in der Behindertenwerkstatt gefiel mir
sehr gut und ich hatte super viel Spaß. Durch meine mittlerweile recht guten Spanischkenntnisse
konnte ich mich in den Arbeitsalltag einbringen, verstand mich sehr gut mit meinen Mitarbeitern und war wirklich zufrieden in Bolivien. Ich durfte die Arbeit maßgeblich unterstützen und
auch kleinere Projekte übernehmen und leiten und am Ende die Schüler der Einrichtung persönlich betreuen, lehren und unterrichten. Nun war meine ursprüngliche Urlaubsplanung nicht
ganz aufgegangen und mir verblieben noch 4 volle Wochen, die ich arbeitsfrei verbringen konnte. Anfangs plante ich einen Südamerika-Rund Trip, verwarf diese Idee dann allerdings wieder
recht schnell, als ich merkte, wie groß Südamerika wirklich war. Da ich also nicht bloß vier
Wochen im Bus sitzen wollte, sondern meinen Urlaub wirklich genießen, entschied ich mich
kurzerhand zur Weltmeisterschaft nach Brasilien zu fahren. Also fuhr ich über die Grenze von
Bolivien nach Brasilien. Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit dem Portugiesisch merkte ich
schnell, wie verwandt es zum Spanischen ist und auch, dass man in Brasilien mit Englisch sehr
viel weiter kommt, als in Bolivien. So konnte ich ohne große Sprachbarrieren von den Kataratas de Iguaçu im Süden zum Halbfinale nach São Paolo fahren und mich danach in Rio de
Janeiro zwischen zigtausenden von Argentiniern als Bolivianer ausgeben. Danach flog ich nach
Recife, besuchte dort eine Freundin aus Hamburg und machte meine ersten Erfahrungen mit
Problemen Geld abzuheben. Doch nach ein paar Tagen Strand und Kokosnüssen war auch das
überwunden und ich fuhr weiter zu einem Beachbuggyausflug nach Fortaleza an der Nordostküste. Dort konnte man sogar ohne Angst vor Haien in den meterhohen Wellen schwimmen!
Meine letzte Station war Manaus im Amazonas, beziehungsweise die fahrt von Manaus per Boot
in der Hängematte durch das Amazonasgebiet bis zurück nach Bolivien und von dort zurück
nach Santa Cruz. In Santa Cruz blieb mir nun noch ziemlich genau eine Woche um mich von
all meinen Freunden und Arbeitskollegen, von allem was mir im vergangenem Jahr lieb geworden war, zu verabschieden. Aber auch, um mich aufs Nachhausekommen vorzubereiten, meine
nahe Zukunft zu organisieren und zurück ins Leben zu finden. Etwas, dass sich auch nach zwei
Monaten noch schwierig gestaltet, da nicht nur ich mich, sondern auch alle anderen sich verändert haben und ich erst einmal wieder zurückfinden und meine neue alte Rolle finden und
das nächste Jahr planen muss. Abschließend jedoch blicke ich sehr positiv auf das vergangene
letzte Jahr zurück und würde auf jeden Fall jedem empfehlen, wenn sich die Gelegenheit bietet,
eine solche Erfahrung zu machen, zuzuschlagen und es einfach zu machen! Ob direkt nach dem
Abitur, nach dem FSJ oder einer Ausbildung, ich denke die richtige Zeit für ein Auslandsjahr
gibt es nicht, doch es ist in jedem Fall eine wichtige Erfahrung für mich gewesen und hat meine
Sicht der Dinge durchaus verändert.
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Laura Fischer
Hasta Crecer
Mein Jahr in Bolivien, jetzt ist das große Abenteuer schon vorbei, echt verrückt! Seit ca. 1 Monat bin ich nun wieder im Lande und es fühlt sich an wie eine halbe Ewigkeit. Niemals hätte
ich gedacht, dass mir die Eingewöhnung in mein altes Leben und an das gewohnte Umfeld so
leicht fällt! Bolivien und das vergangene Jahr rückten in den letzten Wochen, abgesehen von den
mehrmals wiederholten Erfahrungsberichten, unbeabsichtigt in den Hintergrund. So groß war
die Freude nach Hause zu kommen, Familie und Freunde wieder zu sehen und einfach wieder in
Deutschland zu sein. In Bolivien war ich noch ziemlich ängstlich, als sich allmählich die letzten
Wochen ankündigten. Nicht aus dem Grund, dass ich nicht zurückkehren wollte, sondern weil
nach einem Jahr auf der anderen Seite der Welt, die Rückkehr in mein altes Leben so surreal
schien. Ein Jahr, in dem ich mich arrangieren musste. Ich musste akzeptieren, dass ich nicht über
diese Freiheit verfügen konnte, die in Deutschland für mich Normalität war. Als „Gringa“ fällt
man einfach immer und überall auf. Dieses Auffallen empfand ich persönlich als sehr unangenehm, da die bolivianischen Männer einem ständig hinterher pfeifen, was auf Dauer die Nerven
ziemlich strapaziert. Die andere Sache mit dem Auffallen ist, dass viele der Leute mit „Weißen“
ein überallhin mithin geführtes, randvolles Portemonnaie verbinden. Aufgrund dessen wurden
mir leider einige negative Erfahrungen, wie ein Raubüberfall oder Diebstahl, nicht erspart. Ich
muss mir aber auch eingestehen, dass ich manchmal etwas unaufmerksam war und vor allem
in der ersten Zeit sehr naiv. Kommt Zeit, kommt Rat. Ich habe draus gelernt. Gearbeitet habe
ich im Kindergarten Corazón de Jesús, der im methodistischen Schulcampus gelegen war. Der
Einstand war mehr als unglücklich, da keiner der Verantwortlichen über unsere (meine Mitfreiwillige Sophie und ich) einjährige Freiwilligentätigkeit informiert war. Das hatte ich schon ein
ungutes Gefühl in der Magengegend. Diese Vorahnung wurde bestätigt. In den ersten 3 Monaten wäre ich am liebsten wieder nach Hause gegangen. Die „Erzieherinnen“, wenn man sie
überhaupt so nennen kann, waren brutal zu den Kindern und absolut desinteressiert an ihrer eigentlichen Arbeitstätigkeit. Der Fernseher war das Kindermädchen, das kann ich bis heute noch
nicht fassen. Unsere Bemühungen den Alltag durch bspw. Malen etwas abwechslungsreicher zu
gestalten, stießen bei den Erzieherinnen auf komplettes Unverständnis. Nach 3 Monaten hatte
das Grauen dann ein Ende, das Personal wurde komplett gewechselt. Darauf folgten 2 Monate
Sommerpause, in der wir Freiwilligen auch frei hatten. Das war mit Sicherheit eine der schönsten Zeiten meines Auslandsjahres. Ich konnte vieeeeeel reisen. In die Hauptstadt La Paz, an den
Titicacasee, zum Salar de Uyuni (absoluter Favorit!). Zum Seminar nach Sucre und am Ende
noch ins Nachbarland Peru und hoch nach Ecuador. Das war eine wunderschöne Zeit. Doch
das Grauen vor der Arbeit wuchs mit jedem Tag, der dem Ende der Ferien näher kam. Glücklicherweise kann ich berichten, dass es gar nicht so schlimm war, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Von dem alten Personal waren nur noch die Köchin da und sonst komplett neue Gesichter.
Das Arbeitsklima kam mir viel angenehmer vor. Es war tatsächlich so, dass die neue Chefin
sich meines Erachtens, mehr engagierte, doch das auch nur im Verhältnis zu der vorherigen.
Innerhalb des Jahres, ist mir die bolivianische methodistische Kirche immer unsympathischer
geworden. Seitdem sie wussten, dass 2 Freiwillige im Kindergarten mitarbeiteten, strichen sie eine Personalstelle und trotz Protest von uns Freiwilligen, von meinem Koordinator und von den
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Laura Fischer
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Eltern, änderte sich daran nichts mehr. Das war der Grund, warum wir zunächst keine Kreativität einbringen konnten, da wir die Arbeiten von einer Erzieherin verrichten mussten. Das ist
eindeutig nicht unsere Baustelle als Freiwillige, wir sollen unterstützen und nicht die Arbeit einer
Erzieherin übernehmen. Nach und nach haben wir aber unsere Erzieherinnentätigkeit heruntergefahren und uns dem kreativen Teil gewidmet. Das Highlight war ein Zahnputzprojekt, was
wir mit Hilfe von Geldern des BKHWs durchführen konnten. Nach 9 Monaten war es für mich
Zeit für einen Wechsel. Die Arbeit mit den Kleinen war ganz schön, aber ich war gelangweilt
von der Monotonie des Kindergartenalltags. Jeden Tag das Gleiche. Deswegen begann ich in
dem Projekt einer anderen Mitfreiwilligen zu arbeiten. Dieses Projekt war ein Waisenhaus für
Jungs, welches von einem amerikanischen Doktor errichtet wurde und heute noch finanziert
wird. Zuerst machte mir die Arbeit total Spaß. Erst als es anfing Probleme zu geben, wurde
es ungemütlich. Das Projekt hat in einer Versammlung offen zugegeben, nur an dem Geld der
BKHW-Freiwilligen interessiert zu sein. Wir waren natürlich super enttäuscht, da wir uns echt
Mühe gegeben haben mit dem Jungs. Vor allem meine Mitfreiwillige Vanessa traf das ziemlich
hart, da sie schon 6 Monate in dem Projekt wohnte und arbeitete. Natürlich hätte ich am liebsten meine Sachen gepackt, aber es ging ja schon langsam dem Ende zu. Auch wenn auch das
zweite Projekt ein Flop war, war ich trotzdem froh um diese Abwechslung, die ich so jeden Tag
erfuhr. Hätte ich auch weiterhin nur 8 h im Kindergarten verbracht, wäre ich sicherlich verrückt
geworden. Der Abschied fällt dann natürlich sehr schwer, egal wie beschwerlich die Zeit auch
war. Dass man die Menschen wohl nur wiedersieht, wenn man selbst zurückkehrt, das machte
mich sehr traurig. Aber so ist das Leben. Ich freute mich total auf Zuhause und war stolz ein
Jahr Bolivien geschafft zu haben!
Lea Kessler
Kalaq’aya
Ein Jahr geht zu Ende
Ich bin jetzt schon wieder eine Woche in Deutschland und irgendwie fühlt sich das alles nicht
ganz real an. In meinen letzten 3 Monaten in Bolivien sind nämlich (obwohl ich dachte, dass
das kaum möglich sei) meine Familie und meine Kollegen mir noch mehr ans Herz gewachsen.
Meine deutschen Eltern waren mich besuchen und wir sind noch ein bisschen gereist. Ich bin
auch nach Peru gegangen mit einem anderen deutschen Freiwilligen und zwei weitere Freunde, die gerade durch Südamerika reisten, waren mich auch besuchen. Ich hatte also ganz schön
viel zu tun und war auch noch eine Zeit lang weg. Und immer wenn ich unterwegs war, habe
ich nur gedacht: Wann kann ich endlich wieder zu Sonia und Amir, zu Mama Pancha und Papa Antonio zurück, in der Tienda mittagessen, über Gott und die Welt plaudern? Wann kann
ich endlich wieder die K’alaqayatüre aufschließen, den K’alaqayawegweiser herausstellen und
die K’alaqayaleute wieder in den Arm nehmen, mit ihnen Cumbia und Reggaeton hören, von
Deutschland erzählen oder das Wochenende planen. Deswegen entschied ich mich dann auch
dazu, dass ich, obwohl ich noch Ferientage hatte und auch einiges noch nicht gesehen habe von
den Sachen die auf meiner To-Do-Liste stehen, einfach in El Alto, meinem El Alto, zu bleiben.
Außerdem kam die neue Freiwillige für mein Projekt an. Ich hatte schon viel vorher mit
ihr geskypt und ihr ein bisschen erklärt, wie das alles funktioniert. Wir verstanden uns von
Anfang an super gut, obwohl ich – auch jetzt noch! – extrem eifersüchtig auf sie bin, dass
sie das Jahr noch vor sich hat und mit MEINEN Jungs in meinem Projekt abhängen kann
und später sogar in MEINER Familie wohnen soll. An einem Abend haben wir Cathis (meine
Lieblingsmitfreiwillige :) ) Geburtstag bei mir im K’alaqaya gefeiert und es war eher so eine
kleine Runde, Coralie, die „Neue“, meine Nachfolgerin, war auch schon da. Wir saßen da, die
Jungs haben sich die Gitarre geschnappt und ein bisschen Musik gemacht, gesungen und ich
hab mich einfach nur wohl gefühlt. Bis zu dem Moment, als mir bewusst wurde, dass dies
vielleicht das letzte Mal sein wird, dass wir zusammensitzen und die Zeit genießen, weil mir nur
noch ganz wenig Zeit bleibt (und das hört sich jetzt so an, als sei ich tödlich krank, aber um
ehrlich zu sein, habe ich mich auch ein bisschen so gefühlt, als würde ein Teil von mir einfach
sterben). Ich bin dann heulend ins Nebenzimmer und Coralie hat mich in den Arm genommen
und gesagt, egal was passiert, ich werde immer die erste K’alaqayafreiwillige sein, und sie hat
sogar ein bisschen Angst, dass sie immer mit mir verglichen wird und dass ich die Latte zu
hoch gelegt habe. Und ich sagte ihr, dass ich Angst hatte, dass sie wichtiger wird, alle mich
vergessen und sich in einem Jahr keiner mehr auch nur an meinen Namen erinnert. Und dann
saßen wir da und haben gelacht, weil beide Vorstellungen echt lächerlich sind und wir ja zwei
verschiedene Personen sind, und deswegen keiner sagt „Oh, die zweite Lea ist aber anders“ oder
„Coralie, deine Vorgängerin hat das aber anders gemacht“. Sie wird genauso ein Teil der großen
K’alaqayafamilie werden wie ich es vor einem Jahr geworden bin und meine Jungs werden sie
genauso in ihr Herz schließen, wie sich mich in ihr Herz geschlossen haben.
Also ging‘s mir schon ein bisschen besser und ich konnte das Fest noch ein bisschen genießen, Cathi schön in die Torte drücken und lauthals bei Codigo Fher und Rafaga mitsingen!
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Lea Kessler
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Das mit dem Abschied war dann schon ein bisschen blöd alles. Weil Tag des Fußgängers
war, mussten wir schon früher abreisen als wir wollten und der Bus ist dann aber trotzdem nicht
gefahren und wir mussten fliegen. Total verheult haben wir für unverschämt viel Geld einen Flug
bekommen und der Typ war so nett, er hat uns keinen Cent Übergepäck berechnet, obwohl wir
mehr als das Doppelte hatten. Vielleicht hatte er auch nur Mitleid mit den weinenden Touristen,
aber egal was war, wir mussten uns von unseren Liebsten verabschieden. Meine Schwester, mein
Neffe und zwei Freunde waren mit am Flughafen dabei. Ich hatte mich vorher schon von allen
vom Projekt verabschiedet, und hatte eigentlich gedacht, dass ich alle meine Tränenreserven für
die nächsten fünf Jahre aufgebraucht habe, aber als mein kleiner vierjähriger Amir überhaupt
nicht mehr konnte, meine Schwester ihre Tränen zurückhalten musste – es aber nicht geschafft
hat – da war‘s um mich geschehen. Ich konnte mich noch ein bisschen beherrschen, als wir uns
das letzte Mal umgeschaut haben und in die nettesten Gesichter dieser Welt geschaut haben,
aber kaum waren wir durch die Gepäckkontrolle konnte ich überhaupt nicht mehr. Als wir ins
Flugzeug gestiegen sind meinte der Securitymann nur: Keine Panik, wir fliegen nur eine Stunde,
da passiert schon nichts. Das war allerdings auch nicht meine Sorge.
Nach ein paar anstrengenden Stunden in Santa Cruz, einem noch anstrengenderem Flug
und einem ungeduldigen Warten am Gepäckband, war‘s dann endlich soweit. Wir waren in
Deutschland. Mama, Papa und meine Schwester Nina haben mich abgeholt und wir sind nach
Hause gefahren, wo – Überraschung! – meine zwei besten Freundinnen im Garten auf mich
warteten. Also haben wir noch meeega viel gequatscht und ich war die darauffolgenden Tage
jede Sekunde beschäftigt. Freunde treffen, Papierkram und so weiter. Aber jeden Tag hatte ich
Kontakt nach Bolivien, nicht nur mit einer Person, sondern mit fast allen! Und das war ziemlich
schön!
Ich denke, es wird noch einige Zeit dauern, bis ich wieder in Deutschland angekommen
bin. Ich habe noch Probleme mit dem Essen (das habe ich tatsächlich nicht vertragen), mit der
Sprache (man kann‘s kaum glauben) mit Freunden, mit der Familie. Eigentlich mit allem, weil,
auch wenn sie sich echt bemühen, kann keiner auch nur annähernd verstehen, wie mein Jahr
war und was für Probleme ich habe. Ein Glück, dass Mama und Papa in Bolivien waren und
wenigstens ein paar Sachen verstehen, selbst kennen und wissen, von wem ich spreche, wenn
ich einen Namen sage.
Leon Hoever
Centro Educativo Multifuncional Villa Armonía
Bereits während meines letzten Schuljahres reifte in mir der Entschluss ein freiwilliges soziales
Jahr zu absolvieren. Durch einige südamerikanische Freunde in meinem Bekanntenkreis wuchs
bei mir das Interesse an einem sozialen Jahr in Südamerika, insbesondere in Bolivien. Da in
Sucre ein Projekt angeboten wurde, dass mich besonders ansprach, entschloss ich mich, mich
hierfür zu bewerben. Über die anschließend folgende Einladung zum Auswahlseminar freute ich
mich sehr. Im September 2013 fuhr ich zum Auswahlseminar. Während dieser erlebnisreichen
und interessanten Tage verstärkte sich in mir nochmals der Wunsch an einem Projekt in Bolivien teilzunehmen. Daher war es umso schöner als ich mehr oder weniger (eher weniger) kurz
darauf eine Zusage für das CEMVA-Projekt in Sucre erhielt. Nun galt es einiges zu organisieren.
Ein Spenden- und Förderkreis musste eingerichtet werden, Gesundheitsvorsorgemaßnahmen
getroffen werden, sowie Versicherungsfragen geklärt werden. Des Weiteren stellten mich auch
profanere Dinge wie die Auswahl der Kleidung für ein Jahr bei begrenztem Gewicht vor eine
kleinere Herausforderung. Da mir bisher nicht viel über unseren zukünftigen Wohnort auf Zeit
bekannt war, fiel mir die Vorbereitung auf ein solches Jahr nicht immer leicht. Um mich auf
unsere zukünftigen Aufgaben vorzubereiten, fand dann im August ein abschließendes Seminar
statt. Mit großen Erwartungen blickte ich dem Abreisetag entgegen. Zwar war es nicht leicht,
das bequeme und gewohnte Leben in Deutschland zurückzulassen aber die neuen aufregenden
Erfahrungen die mich erwarten würden, versüßte mir den Abschied ein wenig. Am 11. September war es dann so weit. Nach der doch sehr mühsamen Reise, erreichte ich nach 3 Tagen
endlich unser Ziel. Die Arbeit im Projekt, also direkt im Zentrum mit den Kindern hat sehr
viel Spaß gemacht und war dadurch, dass es auch sehr viele Kinder waren, sehr abwechslungsreich. Hauptsächlich waren wir damit beschäftigt, den Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen,
Nachhilfe zu geben oder die Kinder auf Klausuren vorbereiten. Jedoch war das nicht von Anfang an so. Ich musste innerhalb des CEMVA-Projekt meine Arbeitsstelle wechseln, um genug
zu tun zu haben. Denn nicht in allen Einsatzstellen gibt es immer genug zu tun, so dass man
sich im Notfall auch nach anderen Arbeitsstellen oder Aufgabenbereichen umschauen muss.
Speziell im CEMVA-Projekt hat es mir nicht gefallen, dass die Projektleitung gewechselt hat
und alles verändern wollte. Dadurch herrschte ein sehr schlechtes Arbeitsklima. Alle CEMVAMitarbeiter waren sehr unzufrieden mit der neuen Leitung und darum haben auch fast alle
Mitarbeiter gekündigt. Diese Situation war sehr schwierig für uns, da wir ziemlich auf uns allein
gestellt waren und oft den Druck abbekommen haben. Besonders das Verhältnis zu der Projektleitung war sehr angespannt. Die Wohnung war sehr schön, jedoch weit außerhalb gelegen
und viel zu teuer. Da wir wirklich an der Stadtgrenze gewohnt haben und genau so viel bezahlen
mussten wie Mitfreiwillige im Stadtzentrum war das sehr unfair.
Außerdem kam auch weniger als die Hälfte unseres Geldes tatsächlich beim Vermieter an,
was auch der Entsendeorganisation mitgeteilt wurde. Dadurch fühlte man sich oft unfair behandelt. Die Verwendung des restlichen Geldes war sehr undurchsichtig. Das Essen ist zu Beginn
sehr gewöhnungsbedürftig und man muss auch sehr aufpassen wo und was man isst, da die
Gefahr von Erkrankungen sehr hoch ist und man schnell Magenprobleme bekommen kann.
Daher sollte man zu Beginn besser nichts von den zahlreichen Straßenständen essen. Es ist
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Leon Hoever
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außerdem zu empfehlen, sich ausreichend mit Medikamenten einzudecken. Wenn man im Zentrum wohnt, ist es natürlich einfach, schnell zu einer Apotheke zu gehen, aber da ich diese
Gelegenheit nicht hatte, ist ein Vorrat ratsam. In diesem Jahr war das Visum ein großes Thema.
Die Planung und Beschaffung des Visums war ein einziges Desaster und ist nur als völlige Katastrophe zu beschreiben, wobei das BKHW einen großen Beitrag dazu geleistet hat! Ich habe
z.B. 10 Monate auf mein Visum gewartet. Somit waren auch Reisen während unseres Urlaubs
ins benachbarte Ausland hinfällig. Wie ich gehört habe, soll sich jedoch die Prozedur verbessert
haben, so dass die neuen Freiwilligen schon nach einem Monat ihr Visum erhalten haben. In
meinem Fall gab es eine von den Freiwilligen unverschuldete Strafzahlung von 1400 Bs, die das
BKHW nicht tragen wollte. Erst nach langen und nervigen Diskussionen mit dem BKHW und
nach Einschalten der Leitstelle „weltwärts“ konnte die Situation geklärt werden und das BKHW
erklärte sich bereit, das Geld zu erstatten. Hierbei ist anzumerken, dass eine Strafzahlung von
1400 Bs etwa 1,5 „Monatsgehältern“ entspricht und natürlich große Löcher in das Budget der
Freiwilligen gerissen hat. Im Rückblick auf das vergangene Jahr und der dazugehörigen Betreuung bin ich vom BKHW enttäuscht. Vielfach wurde man mit seinen Problemen alleine gelassen,
der Koordinator vor Ort war zwar sehr bemüht aber deutlich überfordert, da er zu viele Freiwillige betreuen musste. So konnte man nicht unbedingt auf Hilfe vertrauen und wurde mit
Problemen oft allein gelassen. Dies spiegelte sich nicht nur in dem Ärger um das Visum wider,
sondern auch bei gravierenden Problemen mit der CEMVA-Leitung wurde wir nur sehr selten
unterstützt.
Lukas Ehrhorn
Centro de Formación Integral Rural „Vera“
Nun ist mein Jahr in Bolivien also schon vorbei und ich bin seit geraumer Zeit wieder „daheim“
in Deutschland.
Das Jahr ist wie im Flug vergangen und ich werde viele Erinnerungen und Erfahrungen
aus dem letzten Jahr mitnehmen, die mich für mein weiteres Leben und die Zukunft prägen
werden.
Natürlich gab es im Laufe des Jahres Höhen und Tiefen und gerade am Anfang war es
mit der Sprache nicht einfach. Ich bekam allerdings recht schnell das Gefühl für die spanische
Sprache, wobei es mir auch sehr geholfen hat, dass ich direkt in meinem Projekt gewohnt habe
und so die ganze Woche (fast) nur unter Bolivianern war.
In meinem Projekt, im C.F.I.R „Vera“ in der Gemeinde El Cortijo im Landkreis Yotala –
ca 20 km von Sucre entfernt – habe ich mich sehr wohl gefühlt. Ich war zwar ziemlich auf mich
alleine gestellt und gleichzeitig boten die vorhandenen Strukturen und das volle Tagesprogramm
der Jungen und Mädchen wenig Platz für eigene Projekte, dennoch konnte ich mich im Alltag
gut einbringen und in vorhandenen Strukturen mitwirken. Besonders gut hat mir gefallen, dass
ich durch meine Arbeitsstelle ein wenig das Leben auf dem Land in Bolivien kennenlernen
konnte – eine Chance, die viele Freiwillige, die in den Städten arbeiteten, nicht hatten. Auch
hatte ich einen sehr engen Kontakt zu den Jungs des Internats, die mich sehr gut aufgenommen
haben und für die ich ein bisschen wie ein (mehr oder weniger) großer Bruder war. Mir sind
Land und die Leute in der Zeit sehr ans Herz gewachsen und ich werde sicherlich früher oder
später wieder zurückkommen.
Natürlich hatte ich auch ziemliches Glück, dass ich in einem so schönem Projekt gelandet
bin, das sich in vielen Aspekten doch sehr von anderen bolivianischen Einrichtungen unterscheidet und wo sehr gute Arbeit gemacht wird. Ich wurde anfangs ziemlich ins kalte Wasser
geschubst und mir wurde kaum gesagt, was ich genau machen sollte. So konnte ich mir dann
aber selber meine Tätigkeiten suchen – und musste dies auch tun – und konnte das machen,
was mir Spaß machte.
Anfangs konzentrierte ich mich vor allem auf das Erlernen der neuen Sprache und das
Einfinden in den Internatsalltag. Da ich auch keine richtige Einweisung und Informationen
über das Projekt bekam, erfragte ich mir alles peu à peu.
Ich begann dann aber auch gleich zu Anfang in den Werkstätten der alternativen Bildung
mitzuarbeiten und war dort zunächst in der Landwirtschaft. Dort arbeitete ich vormittags zusammen mit den Schülern, die in dieser Zeit dort ihre Ausbildung machen. Nachmittags hatte
ich keine fest definierte Aufgabe, ich besuchte allerdings oft mit den Jungs zusammen ihren
Unterricht, um so mein Spanisch zu verbessern. Außerdem half ich dabei, vor den Mahlzeiten
den Tisch zu decken und übernahm bei Ausflügen auch betreuerische Funktionen. Abends kamen zudem ab und an Jungs vorbei, die Hilfe – vor allem bei ihren Englischhausaufgaben –
brauchten und denen ich dann bereitwillig half. Der Versuch meines Mitfreiwilligen und mir,
Deutschunterricht anzubieten, scheiterte jedoch an der fehlenden (Frei-)Zeit im Internatsalltag.
In den Sommerferien (Ende November bis Januar), in denen es sehr leer im Internat war,
arbeitete ich ganztags in der Landwirtschaft bzw. „Blumenwirtschaft“. Vor den Ferien hatte ich
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Lukas Ehrhorn
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auch schon ein paar Wochen in die Metallwerkstatt hineingeschnuppert. Die zweite Hälfte der
Ferien arbeitete ich dann in der Käserei, wo ich auch anschließend noch lange blieb. Nach den
Ferien fuhr ich größtenteils damit fort, auch nachmittags in den Werkstätten zu arbeiten (so
ich in einer produktiven- und nicht nur einer Lehrwerkstatt war, wie es z.B. die Metallwerkstatt
ist) und füllte so meine bisher mehr oder weniger inhaltslosen Nachmittage. Allerdings war ich
auch hierbei relativ frei und konnte, wenn ich erschöpft war, mich ausruhen.
Nach den Ferien kam nämlich mein weiteres Hauptbetätigungsfeld dazu: das Mitspielen in
der Blaskapelle des Internats. In dieser brachte ich zudem zwei Jungs Posaune bei. Wir probten
normalerweise dreimal die Woche abends nach dem Abendessen mehrere Stunden und beteiligten uns an wichtigen Feiertagen an den Festparaden in Yotala (so zum Nationalfeiertag und
zum Tag unseres Departementos Chuquisaca). An meinem allerletzten Wochenende begleiteten
wir außerdem eine Tanzgruppe bei einem Tanzumzug in Yotala. Die Arbeit mit der Blaskapelle
hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich konnte so auch mich und meine Fertigkeiten richtig mit
einbringen und hatte das Gefühl, dass meine Anwesenheit vor Ort dem Zentrum weiterhelfe.
Eine Sache, an der ich – obwohl ich mich dort pudelwohl fühlte – zwischenzeitlich gezweifelt
hatte. Die Zeit verging dann noch schneller.
Die Arbeit in den Werkstätten der área alternativa machte mir sehr viel Spaß und bot mir die
Möglichkeit, auch mal ganz andere Dinge auszuprobieren und zu erlernen, von denen ich mir
nicht erträumen hatte können, diese irgendwann einmal zu erlernen. Die längste Zeit war ich in
der Zootecnia (Tierzucht) tätig, der auch die Käserei angegliedert ist. Dort verstand ich mich
sehr gut mit den Arbeitern, mit denen ich zusammen arbeitete, quatschte oder Koka kaute. Nach
und nach kannte ich mich auch immer mehr aus und mir wurden zunehmend mehr selbständige
Aufgaben anvertraut und auch manchmal Schüler zugewiesen, die ich anleitete und mit ihnen
eine Tätigkeit übernahm. Ich merkte, dass meine Hilfe dort geschätzt wurde – ich bekam von
der Leitung nämlich leider sehr wenig Feedback – und bekam auch am Ende eine rührende
Verabschiedung.
Auch mit den Jugendlichen aus dem Centro habe ich mich sehr gut verstanden und ich
habe unter ihnen einige Freunde gewonnen, mit denen ich auch weiterhin in Kontakt bin. Eine
besondere Ehre war dabei für mich, die Firmpatenschaft für einen zu übernehmen.
So ging die Zeit ziemlich schnell herum und der Abschied nahte. Dieser fiel mir nicht leicht,
da mir mein Projekt zu einer zweiten Heimat und die Jungs ans Herz gewachsen waren.
Ich habe in diesem Jahr viele schöne und prägende Erfahrungen gemacht, verschiedenste
Menschen getroffen, viel gesehen und viel gelernt, sowohl in meinem Projekt, an den Wochenenden in Sucre, als auch auf meinen Reisen und bin sehr froh, dieses weltwärts-Jahr gemacht
zu haben und kann es auch nur jedem weiterempfehlen.
Maike Jenny Wiechert
Juancito Wenley
Klappe, die letzte
— La Paz —
Immer noch stehen ein halbleerer Koffer, ein leerer Rucksack und tausende von Handgepäcken
in meinem Zimmer mit Meerblick… ach nee, geht ja gar nicht. Also mit Stadtpanorama. In ein
paar Tagen ist es Zeit, nach Hause zu fahren. Also richtig nach Hause, nach Deutschland. Aber
es ist so schwer, zu packen! Den Schrank leer räumen würde ja heißen, diesen nicht mehr zu benutzen, wirklich nach Hause zu fahren! Auch mit den Abschiedsgeschenken für die Arbeit und
die Familie habe ich noch nicht angefangen, obwohl ich im Kopf längst schon alles vorbereitet
habe.
Stattdessen kaufe ich die ganze Sagarnaga und die Max Paredes leer, um mein Gepäck im
bolivianischen Flair zu dekorieren. Und Fotos muss ich noch von meiner Stadt machen! Geht
aber nie, weil ich zu viele Einkaufstüten in der Hand habe. Mist. Dann halt Fotos von jemand anderen rüber ziehen. Da kurz vor dem Flug Nationalfeiertag ist, muss ich früher nach Santa Cruz
um keine gecancelte oder von restalkoholisierten Fahrern geführte Flota zu erwischen. Montag also der letzte Arbeitstag. Nachmittags geht’s los und deshalb muss Montagabend schnell
alles irgendwie auf 2 große und 3 Handgepäcke verteilt werden. In aller Eile wird ausgemistet,
verschenkt und für die nächsten Freiwilligen aufgehoben. Fast alle Klamotten wandern dabei
in die Kleiderspende, einfach kein Platz. Meine Gastfamilie freut sich riesig über Backformen
und Babyseife, meine Arbeit über Läusemittel und Nivea Cremes, die Freiwilligen hoffentlich
über Pepino-Kostüme (= Riesenbaby-Kostüme). Auf der Arbeit wird den ganzen Tag geflennt,
Kinder haben Angst, danach an eine Deutsche zu geraden, die ihre Organe stiehlt (?!). Ziemlich
traurig und auch noch mit einer kaputten Kamera, sodass keine Abschiedsfotos mehr gemacht
werden können, verabschiede mich, kaufe noch schnell Tonnen Mentisan, bis mir siedend heiß
einfällt, was noch fehlt: Ein Geschenk für die Gastfamilie!! Ich wende alles an, was ich in Bolivien gelernt habe, boxe mich durch an die Kasse, wrestle mit 3 Cholitas um die letzte grüne
Pappe, feilsche um mein Leben und geschafft… Zu Hause nur noch wenige Minuten zum Aufräumen und natürlich Geschenk basteln!! Mit vereinten Kräften zimmern Charlotte und ich in
10 Minuten ein Fotoalbum zusammen. Zeit-Leistungs-Verhältnis 1a. Immer wieder fehlt noch
was, die Koffer sind unmöglich zu tragen, aber schließlich und endlich kommen wir doch rechtzeitig an. In der Flota fällt mir auf, dass ich in all dem Stress gar keine Zeit hatte, mich von der
Stadt zu verabschieden und so trifft einen der Schlag als man realisiert, dass man zum letzten
Mal den schönsten Weg überhaupt hoch nach El Alto fährt.
— Samaipata —
In Santa Cruz angekommen, sind wir viel zu warm angezogen. Wo ist überhaupt der eiskalte
Wind von unserer Hinfahrt?! Ewigkeiten suchen wir unsere Unterkunft und wieder mal bestätigt
sich, dass uns Santa Cruz nicht besonders gefällt, weshalb wir beschließen, die restlichen Tage
in Samaipata zu verbringen. Dort angekommen langweilen wir uns nach den paar Aktivitäten
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Maike Jenny Wiechert
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die es da gibt, fast zu Tode, in Wirklichkeit warten wir eigentlich die ganzen Tage nur auf den
Flug und versuchen Zeit zu überbrücken. Entweder will ich in La Paz oder in Kiel sein, was soll
ich in Santa Cruz? Naja, immerhin ein letztes Mal im Wasserfall baden!!
— Deutschland —
Der erste Kulturschock am Frankfurter Flughafen – wie zur Hölle findet man hier sein Auto?
Genau vier Fahrstühle brauchen wir, um dorthin zu finden. Im Auto habe ich Angst, alles
schmutzig zu machen, sieht so schick aus! Und dann sind natürlich nirgends Berge, nicht mal
klitzekleine, wie kann das denn sein? Man kann so weit gucken… Sowieso ist vieles ziemlich
schwer zu verdauen, auch jetzt noch, sechs Wochen später. Es ist schwer, die Probleme von
Freunden und Familie wichtig zu nehmen und zu verstehen, was so schlimm an der viiiiel zu
hohen Hecke des Nachbarn ist. Und niemand weiß, was eine Cholita ist. Zum Glück ist meine
Gastschwester fast gleichzeitig mit mir nach Deutschland gekommen, also konnten wir uns
schon treffen, tat ziemlich gut Spanisch zu reden… no ve? Langsam aber sicher bekommt man’s
wieder hin, im Club zu tanzen oder gemäßigter freundlich zu sein.
Nur weiß ich immer noch nicht, was zur Hölle die Leute für eine Antwort auf ihre Frage
„Und, wie war’s so?“ hören wollen. Ich bin nach „Also das war eine gaaaaaanz wichtige Erfahrung für mich, mein Horizont hat sich erweitert“ , „joa, ganz nice“, „super, also ich war in
Brasilien, Peru, Chile, ...“ und „was ist das für ne blöde Frage, ich kann genauso gut fragen, na,
wie war deine Kindheit?“ zu „ach, ne viel zu lange Geschichte, wie läuft’s bei dir so?“ übergegangen. So kommt man gut drum rum, jedem seine Single Story andrehen zu müssen. Lieber
erzähl ich vom letzten Jahr, wenn’s mal dazu passt und derjenige schon weiß, auf welchem Kontinent Bolivien denn liegt. Ich freue mich sehr, wieder hier zu sein, hoffe aber, nicht alles hier
einfach wieder zu vergessen und – natürlich – die nächste Gelegenheit ergreifen zu können, die
mich wieder zurück ins Hochland führt!
Mareike Groß
Calor de Hogar/Instituto Cultural Boliviano-Alemán
Die letzten drei Monate meines Freiwilligenjahres waren sehr durchwachsen, privat haben wir
alle die Zeit mit unseren Freunden sehr genossen und so viel wie möglich von dem, was mitzunehmen war, mitgenommen. Auf der Arbeit war es auch bei mir wieder durchwachsen, aber
eben, wie auch schon in den vorherigen Berichten zu lesen, eher negativ. Das lag zum einen
daran, dass ich, wie immer, wenig zu tun hatte und zum anderen daran, dass meine Mädels
pubertär wurden. Spaß hatte ich definitiv nicht häufig auf der Arbeit, dasselbe gilt leider auch
für die Arbeit. Ich hatte, wie immer, einfach sehr wenig zu tun. In den letzten paar Monaten
habe ich zusätzlich zu der Arbeit im Heim noch im ICBA gearbeitet, in der Bibliothek. Aber
auch das hat mich nicht unbedingt ausgefüllt. Was mich sehr beschäftigt hat in den letzten drei
Monaten war ein 8-Jähriges Mädchen, welches mit sehr starken Verbrennungen ins Heim kam.
Die Verbrennungen waren schon drei Jahre alt und noch nicht behandelt worden, da die Mutter des Mädchens keine Operation zuließ. Das Mädchen kam in das Heim, um eine Operation
möglich gemacht zu bekommen. Von daher habe ich mitbekommen, wie die Heimleitung, die
Tante und das SEDEGES versucht haben, ein Krankenhaus für Lucy zu finden, das Sorgerecht
zu klären und irgendwie Geld aufzutreiben. Jedenfalls waren diese drei Monate davon geprägt,
dass ich immer wieder nachgefragt habe, angeboten habe, Spenden zu sammeln, Ärzte anzusprechen, zur Physiotherapie mit der Unterstützung mit der Freiwilligen Julia gegangen und
habe versucht, einfach zu helfen. Zum Ende hin wurden Lucy nun tatsächlich von dem deutschen Ärzteteam von Interplast mehrfach operiert. Diese Tatsache macht mich immer noch
sehr glücklich. Insgesamt hat mich das Jahr persönlich weiter gebracht, ich glaube nur, dass das
einzig Sinnvolle, was ich für andere wirklich hinbekommen habe, die OP für Lucy war. Natürlich
war es für die Mädels im Heim immer wichtig, jemanden zu haben, an dem man die Pubertät
ausprobieren kann, zu dem man auch mal gemein sein kann ohne dass derjenige dann direkt
bestraft, allerdings konnte ich natürlich an dem System an sich nichts verändern. Das ist schade,
ist aber eigentlich ganz klar. Ich als gerade aus der Schule gekommener Freiwilliger kann nur
weitergeben, was ich an Werten und Ideen habe. Nur wird das natürlich nicht von Heimleitern
und höheren Chefs angenommen denn: sie haben studiert, ich nicht. Das ist ja auch völlig natürlich, teilweise aber auch wirklich frustrierend. Wenn ich über das Jahr nachdenke, denke ich,
dass ich den Kindern zeigen konnte, was man mit dem einfachen Aufpassen und Lernen in der
Schule erreichen kann. Aber im Umgang mit Kindern habe ich absolut nicht gebracht. Auch
die Freizeitgestaltung der Kinder wurde mir nicht anvertraut. Bei Freizeitgestaltungsideen wurden mir sogar eher Steine in den Weg geschmissen als mich zu unterstützen. Ich habe erkannt,
wozu die Strenge meiner Administradora gut ist, in wie fern sie den Kindern Sicherheit geben
konnte und warum einige Dinge so gehandhabt werden, wie sie gehandhabt wurden. Aber für
mich als Freiwillige war es häufig eher frustrierend als wirklich schön. Dennoch habe ich für
mich persönlich vieles mitgenommen aus dem Jahr und wenigstens einem Mädchen zu einem
erträglicheren Leben verholfen. Allein für Lucy hat sich der Freiwilligendienst in eben diesem
Heim, welches wirklich kein toller aber notwendiger Arbeitsplatz war, gelohnt.
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Marius Palass
Centro Cultural San Isidro
Nachdem ich bereits 9 Monate in Bolivien verbracht hatte und meine verbleibende Zeit nun
immer schneller rückwärts lief, konnte ich meine letzte Zeit im Ausland noch sehr genießen
und trotzdem: ich war auch froh, dass es nun bald wieder nach Hause ging.
Dazu möchte ich als erstes über das Projekt berichten. Ich halte das Projekt „Centro Cultural San Isidro“ für ein sehr gelungenes und vorbildliches Projekt, wie ich auch schon in den
letzten Berichten erwähnte. Dennoch: Wenn ich meinen Einzel-Erfolg, und damit den Erfolg
meiner Kindergruppen realistisch und kritisch betrachte, halten sich die Fortschritte doch sehr
in Grenzen. Viele der Kinder bewegten sich beim Gitarrenkurs stetig auf demselben Level, leider
ohne Fortschritte. Dies hat vor allem mit der Disziplin zu tun. Die Kinder kamen oftmals zu
unregelmäßig aus ganz verschiedenen Gründen. Bei einem wirklich anspruchsvollen Projekt,
wie dem Lernen eines Instrumentes, ist ein Fortschritt so leider nicht möglich. Das Fußballprojekt, also das mehrmalige wöchentliche Training mit ggf. einem Freundschaftsspiel konnte
ich leider in der von mir gedachten Form nicht realisieren. Nachdem ich nach einem schulischen Stundenplanwechsel den größten Teil meiner Stammmannschaft im Dezember verlor,
blieb nur eine kleine Gruppe der Kinder, die noch an echtem Training interessiert waren. Die
meisten sind einfach gegangen, wenn ich verkündete, dass erst trainiert und dann gespielt wird.
Ich muss leider zugeben, dass ich am Ende, also im 11. und 12. Monat, wirklich demotiviert
bis desinteressiert war, an dem Training festzuhalten. Daher hab ich mich schließlich ergeben
und mindestens einmal wöchentlich 90 Minuten ein Fußballspiel gemacht. Daran hatten wir alle
zwar keinen großartigen Lerneffekt, aber immerhin konnten wir eine Gruppe Kinder zusammenholen um ein bisschen Sport zu treiben.
Bis zum Ende des Jahres konnten wir das Projekt „Huerto escuela“ zwar nicht so wie gewünscht ins Leben rufen, allerdings konnten wir den Garten doch sehr weit vorbereiten und
mit unserer Kindergruppe etwas über Pflanzen lernen, wie sie wachsen, wofür wir sie brauchen.
Der Garten bildet wirklich einen Ort der Entspannung, denn manchmal können Kinder
wirklich sehr anstrengend sein. Auch darauf muss sich jeder gefasst machen. Als kleine Zusammenfassung muss ich also folgendes sagen: Nachdem mich zu Beginn des Jahres die Arbeit sehr
gefordert hat, wurde sie zum Ende immer zermürbender bis langweilig. Sicherlich lag das auch
an meiner persönlichen Motivation, aber als gerade gewordener Abiturient ist das ständige wiederholen von einfachsten Dingen doch sehr ermüdend. Ich denke, es ging vielen Freiwilligen
ähnlich.
Sicherlich steht der „Dienst“ im Vordergrund, dennoch möchte ich die Freizeit, also den
Urlaub in diesem Bericht nicht außer Acht lassen. Denn für jeden Menschen sind die Pausen
entscheidend für die Arbeitsleistung. Bolivien bietet Natur- und Outdoorfreaks wirklich alles zu
kleinem Geld in ausgezeichnetem Preis-Leistungs-Verhältnis. Mit dem Bus kann man in einer
Nacht fast jede Stadt von Santa Cruz aus erreichen. Die Busse sind ideal zum Schlafen, meistens
funktioniert alles reibungslos und tatsächlich: auch pünktlich! Ich habe so gut wie alle bekannten
Orte besucht und vielleicht auch ein bisschen mehr. Von Tropenwald bis eisige Höhen war alles
dabei.
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Marius Palass
Das Leben in Santa Cruz hat mir immer gut gefallen. Man kann eigentlich alles machen,
wonach es einem beliebt. Man kann in traditionelle Restaurants bis hin zu riesigen Malls. Sportarten gibt es in allen Richtungen und Fußballplätze gibt es sowieso an jeder Ecke.
Ich muss wirklich sagen: Rassismus ist mir wirklich nie begegnet. Die Einheimischen nehmen uns eher positiv durch unser anderes Aussehen war. Ich wurde immer sehr freundlich
begrüßt. Meine Freundschaften halten auch jetzt immer noch. Ich stehe mit den meisten im
Kontakt.
Allerdings darf man wirklich nie unvorsichtig sein, vor allem nicht am Abend, denn auch
wenn man sich sicher fühlt, ist Santa Cruz keine sichere Stadt. Ganz am Ende wollte mich
vermutlich doch noch jemand überfallen. Zum Glück ist mir doch nichts passiert.
Das ganze Jahr hat mir sehr gut gefallen, ich habe tolle Erfahrungen gesammelt und auch
nach den Rückschlägen denke ich, dass ein paar der Kinder etwas Positives von mir mitnehmen
konnten. Wer sich dem allen gewachsen fühlt, dem kann ich einen Freiwilligendienst in Bolivien
nur empfehlen.
Melanie Pißner
Centro Cultural San Isidro
So schnell kann ein Jahr vergehen, oder war es doch gar nicht so schnell? Jetzt bin ich auf jeden
Fall wieder hier und alles kommt mir so weit weg vor oder ist doch alles nicht so weit weg? Die
Entfernung und Grenzen zwischen Bolivien und Deutschland verschwimmen ein wenig, auf
jeden Fall in meinem Kopf. Es ist nicht mehr so ganz real, aber es ist passiert. Ich weiß, dass ich
durch die Straßen von Santa Cruz gelaufen bin, aber irgendwie kann ich das nicht mehr so ganz
glauben. Der Abschied war schwer, aber da es ja, technisch gesehen, so unglaublich leicht ist
mit Menschen von der anderen Hälfte der Welt in Kontakt zu bleiben, scheinen die 10000 km
leicht überwindbar und ein Wiedersehen nicht ausgeschlossen. In meinem Jahr in Bolivien habe ich tolle Menschen kennengerlernt, schöne Orte besucht und mir wurde so manches Mal
von den Kindern auf dem Kopf rumgetanzt. Nun, ich muss schon sagen, dass die Arbeit mit
den Kindern nicht immer leicht war, um genauer zu sein regelrecht nervenaufreibend. Kinder
können echt cool sein und wir haben viele tolle und lustige Kinder betreut. Ja, es gab sogar Kinder mit einer guten Aussicht auf eine Clownskarriere, aber wenn sie was nicht machen wollen,
dann wollen sie das nicht machen. Also was ich von meiner Arbeit mit den Kindern gelernt
habe: Kinder irgendwann mal ja, Lehrerin werden nein. Mit der Zeit konnte ich feststellen wie
vielfältig die Aufgaben im San Isidro sind, dass es ja da nicht nur die Arbeit mit den Kindern
gibt, sondern auch noch jede Menge anderer Aufgaben in unterschiedlichsten künstlerischen
und kulturellen Bereichen. Ich habe gelernt, dass junge Menschen mit Begeisterung, Ideen und
Aktivistengeist so einiges auf die Beine stellen könne. Es gibt viele wunderbare Leute dort die
alle freiwillig mithelfen um diese kulturelle Einrichtung zu erhalten. Das hat mich sehr beeindruckt. Ich habe unglaublich gerne mit den Leuten vom Centro San Isidro zusammengearbeitet.
Sie haben mich unterstützt und mir zur Seite gestanden und einige sind richtig gute Freunde
geworden mit denen ich auch nach der Arbeit noch Zeit verbracht habe – Muchas gracias amigos! Anfangs bedurfte es noch einigen Veränderungen, bis ich meine Aufgaben gefunden habe
und mich gut in die unterschiedlichen Aktivitäten des San Isidros eingliedern konnte. Wir drei
deutschen Freiwilligen haben am Anfang gemeinsam die Kurse für die Kinder unterrichtet.
Das hat dazu geführt, dass sich jeder auf den anderen verlassen hat und am Ende die Kurse
nur halbherzig und kurzfristig vorbereitet waren. Wenn ich wusste, dass ich alleine unterrichten
muss, weil die Jungs sich z.B. um ihre Visumsangelegenheiten kümmern mussten, bin ich gleich
mit einer ganz andern Motivation an die Vorbereitung und Arbeit gegangen. Zum Glück haben
wir das dann bald geändert und jeder konnte seine eigenen Kurse unterrichten. Wir durften das
lehren, was uns Spaß gemacht hat und keiner konnte die Arbeit auf jemand anderen abwälzen.
Ab da an hat mir die Beschäftigung mit den Kindern auch viel mehr Spaß gemacht – abgesehen
von den vielen Malen als sie mich auf die Palme brachten. Das Centro Cultural San Isidro ist ein
Projekt, das die künstlerische und kulturelle Buntheit eines trist geredeten Stadtviertels für alle
sichtbar machen möchte und ich hoffe es wird noch lange bestehen, denn ich glaube für viele
Kinder und junge Leute ist es ein wichtiger Anlaufpunkt und eine wichtige Etappe für ihren
weiteren Weg.
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Michael Hotzwik
Educación y Futuro
Ein sehr ereignisreiches Jahr ist nun also zu Ende. Ein Jahr, in dem ich so viel erlebt habe wie nie
zuvor und das ich in dieser Intensität nicht erwartet hätte. Ein Jahr, in dem mir die Gelegenheit
gegeben wurde, ein komplett neues, anderes und auch fremdes Land kennen lernen zu dürfen.
Und auch ein Jahr, von dem ich unheimlich profitiert habe und in dem ich mein Bestes gegeben
habe, anderen Leuten von mir und durch den Umgang sowie Austausch mit mir auch etwas
Neues außerhalb der eigenen Kulturgrenze zu zeigen.
Diese zwölf Monate in dem Projekt, in dem ich gearbeitet habe, waren abschließend bewertend sowohl für meine Persönlichkeit als auch für mein Studium mehr als dienlich. Die Zeit in
Tarija im Projekt „Educación y Futuro“ hat mich darin bestärkt, mein Lehramtsstudium fortzusetzen. Durch die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen habe ich über ein Jahr hinweg
kontinuierlich mit diesen zusammengearbeitet, Probleme bewältigt, neue kreative Ansätze entwickelt und gegenseitigen Ideenaustausch betrieben. Alleine die Arbeit mit den Kindern an sich
war also schon ein großer Gewinn für mich. Glücklicherweise war ich nur mit einer anderen
Freiwilligen in Tarija (die aber später ihr Jahr dort abbrach), sodass ich wohl noch mehr als andere Freiwillige gezwungen war, Spanisch zu sprechen. Nun rede ich quasi fließend und bin froh
darüber, da dies für einen angehenden Spanischlehrer nicht gerade unpraktisch ist. Die Kinder
und Jugendlichen im Projekt haben mir über eine sehr lange Dauer aufgezeigt, dass unsere so
genannten westlichen Lebensstandards nicht selbstverständlich sind. Dass der Ort, an dem man
geboren wird, nicht unbedingt über die Chancen im Leben entscheidet, aber doch einen ganz
wesentlichen Anteil daran hat, wie leicht man es hat, etwas daraus zu machen. Aber auch, dass
materielle Werte längst nicht alles sind. Dass man auch ein hohes subjektives Lebensniveau und
eine positive und grundlegende Lebenseinstellung haben kann, ohne Dinge zu haben, die für
uns in Europa selbstverständlich sind.
Andererseits denke ich, dass ich nicht nur profitiert, sondern auch gegeben habe. Die erforderliche Ausdauer, Kraft, Geduld, etwas Anpassungsfähigkeit sowie das Bewusstsein bzw.
das Bewusstwerden unterschiedlichem kulturellen Verständnis sind nicht zu unterschätzen. Ich
habe in sehr vielen verschiedenen Bereichen im Projekt gearbeitet: Im Comedor, dem Essensraum, wo die Kinder wenigstens ein warmes Mittagessen zu sich nehmen können. Im Computerraum, nicht nur Kindern und Jugendlichen, sondern auch Erwachsenen Grundkenntnisse
beibringend. Auf den Märkten der Stadt, regionale und fair gehandelte Produkte verkaufend.
In den Grünflächen des Projekts, Gemüse anbauend und weitervertreibend. Im Stadtviertel
beim Pflanzen von Bäumen, den Kontakt mit der Bevölkerung suchend und austauschend.
Als Fußballlehrer, nicht nur Spaß mit den Kindern habend, sondern diesen auch äquivalente
Grundwerte des Lebens wie Fairness, Disziplin und einen freundschaftlichen und sachlichen
Ton beibringend. Und vor allem als Nachhilfelehrer, Kindern und Jugendlichen vor allem mit
großen schulischen Problemen zur Seite stehend und sie bestmöglich unterstützend als Lehrer
und auch Freund da seiend.
Ausnahmslos alle Kinder und Jugendliche in meinem Projekt arbeiten neben der Schule, um
ihren Teil zum Familienunterhalt beizutragen; darüber hinaus haben die meisten zu Hause keine
Person, die ihnen bei den Hausaufgaben hilft bzw. wegen mangelnder Fachkenntnisse helfen
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Michael Hotzwik
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könnte. Auch habe ich den dadurch entstehenden Teufelskreis nun noch besser verstanden:
Einerseits treibt die Armut viele Eltern dazu, ihre Kinder arbeiten zu lassen, um „über die
Runden zu kommen“. Andererseits jedoch ist dies meiner Meinung nach langfristig durchaus
kritischer zu betrachten, da Bildung der Schlüssel zu fast allem ist. Daher finde ich es umso
wichtiger, dass es Projekte wie „Educación y Futuro“ gibt, die unnachgiebig mit den Familien
zusammenarbeiten und nicht nur den Kindern sondern auch deren Eltern stets zur Seite stehend
unterstützen. Und ich bin umso glücklicher, in diesem Jahr von vielen Kindern und Jugendlichen
tatsächlich große Fortschritte gesehen zu haben, die es mir verdeutlicht haben, wie wichtig es
ist, kein Kind aufzugeben. Natürlich muss der entscheidende Schritt von ihnen selbst vollzogen
werden, doch als außenstehende Person kann man sehr wohl die Rahmenbedingungen positiv
zu verändern versuchen.
Genau und vor allem diese letzte Erfahrung werde ich in mein weiteres Studium und hoffentlich irgendwann dann auch als Lehrer einzubringen versuchen.
Mirjam Volz
Santa Rosa de Lima/Santo Domingo
In dem überschaubaren Dorf
Comarapa (ca. 6.000 Einwohner)
durfte ich ein Jahr lang Senioren pflegen, mit kleinen Kindern
spielen, arbeiten, Freundschaften
knüpfen, wertschätzen, vermissen, unterscheiden, selbst entscheiden, auf meinem durchgelegenen Bett oder unterm PapayaBaum faulenzen, lachen, bolivianische Köstlichkeiten genießen
(z.B. Salteña oder Chicha), Spanisch lernen, bolivianisch (und
deutsch) Kochen, mit Freunden
und Kollegen diskutieren, Güter
teilen, Botschafterin, aber auch
Touristin sein. Und ich bin durchweg dankbar für diese Zeit. Dankbar bin ich zunächst Freunden, Bekannten und Verwandten, die mich finanziell aber auch durch Interesse und Zuspruch
und Gebet unterstützt und begleitet haben. Dankbar auch dem Bolivianischen Kinderhilfswerk,
das sich um die organisatorische Umsetzung des Weltwärts-Jahres und damit um die Verwirklichung von 50 Auslandsfreiwilligendiensten gekümmert hat.
Und natürlich all den Menschen, die meinen Aufenthalt in Bolivien zu einer so lehrreichen
und schönen Erfahrung gemacht haben; ganz besonders den bolivianischen Klosterschwestern
(von der Mission der Dominikanerinnen aus Arenberg bei Koblenz), meinen Arbeitskolleginnen
und Arbeitskollegen aus dem Kindergarten „Santa Rosa de Lima“ und dem Altenheim „Santo
Domingo“, meinen Regional-Koordinatoren Daniel und Laura sowie meinen deutschen Mitfreiwilligen Jakob und Caroline.
Ich bin mit 18 Jahren nach Bolivien geflogen, 3 Monate nachdem ich mein Abitur gemacht
habe. Zwar habe ich während der Schulzeit in meiner Freizeit Gruppen geleitet, Babygesittet
und jüngeren Schülern bei den Hausaufgaben geholfen, konnte aber nicht mit echter Arbeitserfahrung aufwarten, geschweige denn mit einer Ausbildung. Dass ich mit Kindern und älteren
Menschen gut umgehen würde können, davon war ich überzeugt. „Sich auf eine andere Kultur
einzulassen – das kann doch nicht so schwer sein“, dachte ich, auch noch nach dem Vorbereitungsseminar in Deutschland. In Bolivien wurden mir einige dieser Täuschungen genommen;
ich wurde aber im positiven Sinne enttäuscht und habe gelernt:
• 8 Stunden am Tag zu arbeiten ist anstrengend (und vor allem anstrengender als 8 Stunden
in der Schule zu sein).
• Eine Ausbildung, zudem wenn es etwas ist, was man gerne macht, erweitert den Horizont
und ist sehr sinnvoll, besonders wenn man es mit Menschen zu tun hat. Andersherum
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Mirjam Volz
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gesagt; ich hätte für meine Zeit in Bolivien gerne schon eine Berufs-Ausbildung gehabt.
• Motivation und Energie sind wichtig und gut; wenn die erschöpft ist, hilft die richtige
„Technik“ weiter, also das Know-How (wie beim Sport), also eine Ausbildung, die über
die Schul-Ausbildung hinausgeht.
• Kinder sind nicht immer nur süß und lieb, sondern manchmal auch anstrengend und
schlecht erzogen.
• Ältere Menschen sind oft süß und lieb, aber eben manchmal auch anstrengend und vergessen ab und an ihre gute Erziehung.
• Eine andere Kultur ist einfach anzunehmen, ohne sie ständig zu kritisieren oder verbessern zu wollen. Und das ist gar nicht so einfach, wie man es sich vorstellt.
• Außerdem ist zu akzeptieren, dass man Gedanken aus einer Kultur nicht einfach auf eine
andere Kultur übertragen kann.
Ca. 80 % meiner Arbeitszeit verbrachte ich im Kindergarten/Vorschule Comarapas. Ich
begleitete eine „Lehrkraft“ in deren meist 30-40 Köpfe großen Gruppen, und half mit, den 4-6Jährigen das Alphabet, die Zahlen und Benimmregeln beizubringen. Außerdem lernten die Kids
dort grundsätzliche Sachen über Feldarbeit (was braucht eine Pflanze zum Wachsen), einmal in
der Woche gab es Sportunterricht und ab und zu war auch Hygiene dran (z.B. Zähne putzen).
Ich finde den Kindergarten/Vorschule „Santa Rosa de Lima“ eine sehr gute und sinnvolle
Einrichtung. Der Leitung des Kindergartens/Vorschule ist es sehr wichtig, dass sie mittlerweile frei von Spendengeldern aus dem globalen Norden existieren können. Hier kann der/die
Freiwillige ein Vorzeige-Beispiel nachhaltiger Entwicklungszusammenarbeit sehen.
Den Freiwilligen sollte bewusst sein, was eigene Stärken sind, die sie in die Einrichtung
einbringen können. Da die Einrichtung in sich gut funktioniert muss diese „Stelle“ erst selbst
gefunden werden. Die Lehrkräfte sind dankbar, wenn man sie in ihrer Arbeit unterstützt, wozu
eben auch mal einfache Tätigkeiten wie Stifte-Anspitzen gehört, aber ich empfehle den Freiwilligen, dass sie selbst tätig werden und versuchen sich mit ihren „außer-gewöhnlichen“ Talenten
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Mirjam Volz
einzubringen. (Zum Beispiel Turnen anbieten, einen Jonglier-Workshop machen, neue Bastelideen einbringen, über den Kindergarten einen Koch-Abend für die Eltern machen usw.) Mir
fiel es sehr schwer, über die regelmäßigen Kindergarten-Aktivitäten hinauszuwachsen und meine Talente sinnvoll einzubringen. Dass ich auch einen kulturellen Reichtum mitbringe und dass
ich gerade im direkten Vergleich und Austausch darüber etwas über die andere Kultur lerne,
wurde mir erst sehr spät bewusst. Der Umgang mit den Kindern in Zusammenarbeit mit den
Lehrkräften fiel mir jedoch leicht und hat mir viel Freude bereitet.
Die restlichen 20 % meiner Arbeitszeit verbrachte ich im Altenheim Comarapas.
Dort führte ich einfache pflegerische Tätigkeiten durch, also fütterte und wickelte die Pflegebedürftigen, zog sie auch manchmal um. Ich half mit, die Einrichtung zu putzen. Ab und zu
leitete ich Sitzfußball an.
Nachmittags, wenn die Reinigung abgeschlossen war, war mehr Zeit für eine nette Unterhaltung mit den Alten, einen kleinen Ausflug ins Dorf oder wir spielten Spiele/malten/kneteten/
Häkelten/verrichteten Küchenarbeiten mit Einzelnen, die noch fit genug waren.
Es fiel mir nicht schwer, mit Menschen der 3. Generation umzugehen, auch die unangenehmeren Tätigkeiten gingen mir leicht von der Hand. Allerdings kam ich in dieser Einrichtung
nicht so gut mit dem Personal klar. Ich schätzte deren Arbeit und den Umgang mit den Patienten nicht und konnte mich, selbst unausgebildet und mit wenig Erfahrung in der pflegerischen
Arbeit, nicht guten Gewissens an den Angestellten orientieren um selbst qualifizierte Arbeit
zu leisten. In diesem Fall finde ich es sehr wichtig, dass die FWs eine Grundausbildung oder
Einführung in „Pflege“ hinter sich haben.
Meine Zeit in Bolivien war
für mich eine einmalige und
persönliche Bereicherung. Besonders hängen geblieben sind
mir einige neue Lieblingsgerichte (Salteña, gefüllte Teigtaschen),
Papa Lisa (eine besondere Kartoffel), Chuño (eine andere besondere Kartoffel) und der „exotische“ Fruchtsalat. Wenn ich
an Bolivianer denke, denke ich
an bescheidene, demütige Menschen (Demut als „Mut, zu Dienen“), die gerne das (oft Wenige)
teilen, was sie haben (z.B. wird 1
Flasche Bier auf 5 Plastikbecher
aufgeteilt, weil es um das Teilen an sich geht, und nicht darum, sich möglichst schnell zu betrinken. Ich sehe bolivianische Mütter vor mir, die ihr Kind aufopferungsvoll in einem Schultertuch
mit sich herumtragen, und gerne den ganzen Tag arbeiten, um für die Kinder Nahrung und Ausbildung zu finanzieren. Ich denke an Jugendliche, die das in der Schule Gelernte ihren Eltern
erklären, so wie die Lehrkräfte es ihnen auftragen und an die Eltern, die tatsächlich aufnehmen,
was ihre Kinder ihnen beibringen.
Ich denke an die schöne, weite Natur, aber auch an den vielen Plastikmüll, der vor Allem in den Städten und Touristen-Orten herumliegt. Dankeschön an die Geschäftsführung des
BKHW, dass Gelder von „Weltwärts“ beantragt wurden, danke auch für die Hilfe zur Realisierung der beiden Kleinprojektes: die Renovierung des zum Kindergarten gehörenden Sportplatzes und ein Jonglier-Workshop.
Ich denke, dass meine Einsatzstelle sehr geeignet war für einen Freiwilligen-Dienst. Zu
Mirjam Volz
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keinem Zeitpunkt hatte ich den Eindruck, einen anderen Arbeitsplatz zu ersetzen und habe
mich trotzdem wertgeschätzt und nicht unterfordert gefühlt. Mir wurde vom Partnerprojekt
aus die Möglichkeit gegeben, mich und meinen Idealismus einzubringen.
Kritisch möchte ich Folgendes bemerken: Gelder und Zuschussmittel sollten ein „Mittel
zum Zweck“ bleiben. Und wenn diese Mittel nicht mehr mit den eigenen Idealen vereinbar
sind, muss man sich vielleicht davon trennen. Kleinprojekte könnten auch über einen eigenen
Spenderkreis finanziert werden. Mit seinen Freiwilligen hat das BKHW Experten vor Ort, die
qualifiziert darüber Auskunft geben können (und sollen), ob Partnerprojekte langfristig für die
Zusammenarbeit mit dem BKHW geeignet sind. Ich finde es wichtig, diese Freiwilligen regelmäßig um eine aussagekräftige Einschätzung darum zu bitten.
Um die Freiwilligen besser zu betreuen, müsste zusätzlich zur finanziell orientierten Geschäftsführung auch eine „inhaltliche Leitung“ bzw. „ideelle Ausrichtung“ aufgebaut werden,
die für die Qualität der von den Freiwilligen geleisteten Arbeit zuständig ist. Folgende Fragestellungen wären wichtig:
• Passt die Freiwilligen-Arbeit an unseren Einsatzstellen mit unseren BKHW-Werten und
Wertvorstellungen zusammen?
• Passt die Arbeit der Freiwilligen mit unserem eigenen BKHW-Idealismus zusammen?
• Passen unsere von Weltwärts geprägten Finanzen zu unserem BKHW-Idealismus? Damit
meine ich, dass ein Großteil der Gelder, mit denen die Freiwilligen finanziert werden,
von Weltwärts kommt. Allerdings kommen von Weltwärts nicht nur Gelder, sondern
auch Auflagen und Pflichten und damit verbunden auch ein großer organisatorischer
Aufwand auf das BKHW zu.
• Stehen die finanzielle Seite und die ideelle Seite in einem gesunden Verhältnis zueinander?
Die Person, die sich um diese Fragen kümmert, wäre meiner Meinung nach auch ein guter
Ansprechpartner für die Freiwilligen.
Ich möchte dem BKHW nicht unterstellen, dass es sich diese Fragen nicht schon stellt und
sich ständig verbessert. Eine so wichtige Aufgabe wie die inhaltliche Ausrichtung sollte dem
Verein jedoch eine eigene bezahlte Stelle wert sein. Ich vermute, dass damit auch die Kommunikation und die konstruktive Zusammenarbeit zwischen den Freiwilligen und dem Verein
verbessert und ausgebaut werden können.
Nicola Antretter
Fundación Niño Feliz
So, nun soll ich also meine Erfahrungen in wenige Seiten Papier packen? Ein gesamtes Jahr, tausende neuer Eindrücke, neuer Erlebnisse, 12 Monate voller Höhen und Tiefen, eine vielseitige
Arbeitsstelle und viele neue Freunde – wie soll das in so wenig Zeilen Text passen?
Ich werde es versuchen, auch wenn allen klar sein muss, dass es fast unmöglich ist… Habt
also Nachsicht!
Bolivien ist für mich nach wie vor eines der facettenreichsten und interessantesten Länder,
die ich kenne, und ich bereue es keine Sekunde, dort gewesen zu sein. Aber nun erst mal Schritt
für Schritt…:
Meine Arbeit in der Fundación Nino Feliz hat mir bis auf ein paar wenige Ausnahmen hin
unglaublich gut gefallen. Ich halte die Einrichtung für sehr sinnvoll und bin sehr dankbar, dort
gearbeitet zu haben und dass ich dadurch die Stiftung kennenlernen durfte. Meine Aufgaben
waren sehr vielfältig – zu den Mittagszeiten arbeitete ich in den Comedores, also Essenssälen,
und half dabei, Essen auszuteilen, um- und aufzuräumen, den Kindern beim Essen zu helfen,
sie gegebenenfalls zu füttern und die Akzeptanz für „grünes, gesundes und grauenhaft ekliges“
Gemüse zu erkämpfen, was tagtäglich wirklich einige Durchsetzungskraft verlangt(e). Anfangs
arbeitete ich zusätzlich noch im Centro Médico, allerdings nur bis Dezember, weil ich mich
danach auf andere Aktionen und Aufgaben konzentrierte. Ein weiterer Bestandteil war meine
Mitarbeit in den talleres de arte, wo ich Geigen- und Bratschenunterricht in Gruppen- und
Individualstunden erteilte.
Was mir dabei besonders gefallen hat, war unter anderem die Entwicklung der Kinder in
diesem Jahr zu sehen- Kinder, die beispielsweise im Februar begannen und noch nicht einmal den Bogen hielten und in meinen letzten Arbeitstagen im September schon fröhlich einige
Liedchen spielen konnten. Zur winterlichen (immer um die 30° und knallende Sonne…) Weihnachtszeit organisierten wir außerdem kleinere Aktionen für die Kinder, in denen wir gemeinsam Plätzchen („galletas alemanas“) backten und verzierten. Eine unserer Hauptaufgaben war
ab dem neuen Jahr das Zahnputzprojekt, das wir drei Freiwillige in der Fundación initiierten
und drei Comedores durchführten. Dazu besorgten wir für jedes Kind eine eigene Zahnbürste, die wir beschrifteten, und Regale, in der jede Familie sein eigenes Kästchen hat, damit die
Zahnbürsten auch sicher aufbewahrt werden und nicht in irgendeinem Schulranzen für immer
verschwinden… Außerdem haben wir sog. Charlas, also Aufklärungsunterricht, Diagnose- und
Zahnreinigungstage organisiert und die Kariesbehandlung von jedem Kind finanziert. Dies wird
auch nach unserer Rückkehr fortgeführt und hoffentlich ausgebaut. Finanzieren und ermöglichen konnten wir das alles durch viele Spenden aus Deutschland und anderen Teilen der Welt
– Vielen Dank dafür!! Außerdem möchte ich mir ganz, ganz herzlich für alle Sachspenden, also Zahnbürsten, Zahnpasta etc. die uns erreicht haben, bedanken – Dankeschön!! Ohne Euch
wäre unsere Kampagne nicht möglich gewesen!
Im Laufe des Jahres wuchsen mir die Kinder immer mehr ans Herz und als dann die letzte
Arbeitswoche angebrochen war, wurde mir ganz schmerzlich bewusst, wie sehr ich sie und
meine Arbeit vermissen würde, da sie für mich so eine Art zweite Familie geworden war.
In diesem Jahr reiste ich auch sehr viel. Bolivien ist ein wunderschönes Land und wirklich
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Nicola Antretter
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immer eine Reise wert! In meinen Urlaubstagen hatte ich das Glück, viel herumkommen zu
dürfen und dabei die verschiedensten Seiten dieses tollen Kontinents zu erleben. Allem voran
natürlich Machu Picchu – die berühmte Inka-Stätte Perus – und der Salar de Uyuni, die größte
Salzwüste der Welt. Aber was mich mindestens genauso, wenn nicht sogar noch mehr, beeindruckte, waren weniger touristische Ziele, wie beispielsweise der Parque nacional Toro-Toro,
der Parque Amboró, die Chiquitania, der Choro-Trek, der von La Paz nach Coroico führt und
viele weitere Orte. Zusammenfassend kann ich nur jedem eine Reise durch diesen wunderbaren Kontinent empfehlen. Hier gibt es wirklich eine einzigartige und gleichzeitig unglaublich
vielfältige Natur!
Bolivien ist so anders – und doch hatte ich absolut keine Probleme mit der Eingewöhnung,
denn direkt ab dem ersten Tag hatte ich das Glück, tolle Menschen kennenlernen zu können, die
mir den Einstieg wirklich sehr erleichterten. Auch die Sprachprobleme, die ich ganz zu Beginn
meines Jahres hatte, hatte ich sehr bald überwunden und so machte es mir von Tag zu Tag
immer mehr Spaß, mit den Kindern zu arbeiten, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen,
mit den Marktfrauen und Taxifahrern zu handeln und mich auf dieses Land einzulassen. so ging
es sehr schnell, dass das „Neue, Unbekannte“ plötzlich zu Alltag wurde und Routine, die Zeit
raste dahin und ehe ich mich versah, waren bereits die letzten Wochen und Tage angebrochen
und ich musste auch schon wieder Abschied nehmen.
Meine Eingewöhnung in Deutschland hingegen fiel mir viel schwerer… nachdem ich den
Begriff „Kulturschock“ in Bolivien eher belächelt hatte, traf er mich zurück in Deutschland mit
ganzer Wucht. Es fiel mir unglaublich schwer, in dieses schnelle, gehetzte und erfolgs- und konsumorientierte Leben in Deutschland zurückzukehren. Ich hänge nach wie vor sehr an meinem
bolivianischen Leben und es gibt wohl keinen Tag, an dem ich nicht daran denke.
Für mich war dieses Jahr eine unglaubliche Erfahrung, die mich in so vieler Hinsicht bereichert hat, die mir so viele schöne aber auch schlechte Momente gebracht, aber vor allem meine
Weltsicht verändert hat, mir einen Blick für das Wesentliche geschenkt hat und mit die beste
Zeit meines Lebens war.
Bolivien ist zwar von der Entfernung gesehen weit weg, aber auch irgendwie ganz nah und
der Abschied, den ich genommen habe, war kein Abschied für immer, denn es ist sicher, dass
ich sehr bald zurückkehren werde – oder, wie es meine Arbeitskollegin ausgedrückt hat: „No
es un ‚chau‘, sino un: ‚ya vengo‘“
In diesem Sinne danke dafür, dass es mir ermöglicht wurde, in diesem unglaublichen Land
arbeiten zu dürfen!
Nina Kötzel
Wiñanancama
Bericht-Gedicht
Ich bin verpflichtet einen Bericht zu schreiben,
über ein Jahr zu berichten,
über das ich nicht berichten kann,
nicht berichten will,
weil man über dieses Jahr nicht richten kann.
Hier der Alltag mürrische Gesichter,
dort die Sicht auf‘s Wesentliche,
ein Jahr wesensfindend,
und hoffentlich nie verjährend.
Hoffnung genommen und gegeben,
viele Gaben gelernt,
und viel gelehrt.
JETZT: Abschlussbericht
für mich persönlich der Abschuss,
und auf keinen Fall zum schießen,
eher ein freier Fall ins Nichts,
nicht mehr mit Freiheit,
nur noch mehr, mehr, mehr.
Ein viel zu wundervolles Jahr zu Ende,
unendlich genossen,
ein nicht materieller Genuss,
völlig eins mit der Materie,
einmalig und doch erlebt durch Viele.
Mehrwegfalschen das einzig Positive.
In Trends gesuchte Einzigartigkeit,
wer suchet, der findet, so sagt man,
jegliche Männlichkeit in Pomade ertränkt.
Ich ertrinke, wo ist der Rettungsring?
Das Erleben gelebt,
vom Leben gelernt,
gelernt zu leben,
gelernt mit dem Herzen zu sehen.
Bolivien, ein Land, was Rettung braucht?
Oder nichts braucht, weil es nichts hat
und doch alles, weil Nichtigkeiten Nichts sind.
Ich wünsche mir von Herzen,
im Herzen zu behalten,
was mir Halt gibt.
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Pablo Mavridis
Centro Educativo Multifuncional Villa Armonía
Da ein umfassender chronologischer Rückblick auf die Ereignisse im leider vergangenen Jahr
in Bolivien den Rahmen dieses Abschlussberichtes mehr als sprengen würde, verzichte ich hier
auf langes Rekapitulieren und werde einfach ein paar Gedanken zu Papier bringen, die mir beim
Verfassen so durch den Kopf gehen. Zuerst einmal, um eventuelle Ungereimtheiten vom Tisch
zu räumen, möchte ich mich beim BKHW bedanken, dass ich durch dieses die Möglichkeit bekommen habe nach Bolivien zu gehen. Auch wenn das vielleicht seltsam klingt, nachdem ich
und viele andere uns (berechtigterweise) im Laufe des Jahres vielfach über mehrere Dinge beschwert haben, bin ich immer noch froh mit der Entscheidung für das BKHW. Das liegt daran,
dass ich auf diese Weise in das CEMVA-Projekt gekommen bin. Das mag wiederum komisch
klingen, weil auch hier wir Freiwilligen uns vielfach und berechtigterweise dazu genötigt sahen,
einige Dinge schwer zu kritisieren, doch auf der anderen Seite steht das CEMVA als das von der
Grundstruktur her meiner Meinung nach ideale Projekt für einen Freiwilligen. Ideal weil die Arbeit eine sinnvolle ist, weil man viele Abwechslungsmöglichkeiten hat und weil man, auch wenn
die Oficina es einem manchmal schwer machen will, viele Möglichkeiten für eigene Projekte
hat. Und nicht zuletzt auch weil es manchmal ein bisschen langweilig war, weil die Routine eines echten Fulltime-Jobs in der Arbeit steckt, weil man sich seine Arbeitszeiten nicht aussuchen
kann. Das war zwar manchmal echt hart für mich, der ich sagen wir mal eher zu kurzen und
spontanen Leistungs- und Motivationsexplosionen neige und es in den Zeiträumen dazwischen
dann gerne ruhig angehen lasse, doch auf diese Weise bekam man so richtig zu spüren wie die
Arbeit so ist für die Mitarbeiter einer sozialen Einrichtung im Barrio Villa Armonía, Sucre. Außerdem waren die Mitarbeiterinnen und die direkt vorgesetzten Chefinnen sehr nett (was dann
auch die Probleme mit der Oficina nicht mehr so schwerwiegend machte) und die Kinder…
tja, die Kinder. Die waren so herrlich, das man es mit Worten nicht beschreiben kann. Auch
wenn man sich am Anfang dessen vielleicht noch gar nicht bewusst war – am Ende weiß man
es. Dieses Jahr, das hat man für die Kinder aus Villa Armonía gemacht. Im Vorfeld und auch
mittendrin hatte ich da so einige Sorgen, dass ich das Wichtigste aus den Augen verliere. Aber
jetzt zum Ende des Jahres hin und danach, da kommen keine Zweifel mehr auf. Ich weiß nun
auch, dass es die Kinder sind, die mich in diesem Jahr am meisten haben lernen und verstehen
lassen, die mir am meisten in Erinnerung bleiben werden. Genau mit dieser Hoffnung bin ich
halb dessen bewusst, halb unbewusst, in dieses Jahr gegangen und dass sich diese Hoffnung
so erfüllt hat ist ein sehr befriedigendes Gefühl. Dass ich froh bin beim BKHW gelandet zu
sein liegt aber auch daran, dass es unter den Freiwilligen so viele angenehme und interessante
Personen gab. Während ich innerhalb Sucre zu wenigen Freiwilligen intensiven Kontakt hatte, fand ich die Vernetzung durch ganz Bolivien super. Wir haben uns immer wieder mal mit
ein paar Leuten in Santa Cruz, mal in Sucre oder mal in La Paz getroffen und wir sind sehr
viel zusammen gereist. An diese gemeinsamen Reisen habe ich wunderschöne Erinnerungen
mit nach Hause gebracht. Ein wenig schade ist nur, dass man fast ausschließlich mit anderen
Nicht-Bolivianern gereist ist denn die Bolivianer sind ja immer nicht zu motivieren. Die haben
Sachen vor ihrer Haustür noch nicht gesehen, wofür andere Menschen einmal um die halbe Welt
fliegen. Und nein, die, die es sich ohne Probleme leisten könnten sind nicht einfacher zu moti51
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Pablo Mavridis
vieren. Eher noch schwieriger. Ein reisefaules Völkchen halt. In jedem Fall lege ich allen, die das
Jahr in Bolivien noch vor sich haben, wärmstens ans Herz, sich durch einen guten Reiseführer
zu blättern und sich ganz viele große und kleine Wunschziele in Bolivien rauszusuchen. Und
dann natürlich immer wenn es einen packt, den Rucksack schnüren und los. Das geht in Bolivien super schön spontan (z.B. mal eben so Freitag abends in den Bus, nach La Paz und dann
Sonntag Abend wieder zurück, die langen Fahrten sind ja praktischerweise immer über Nacht),
günstig und natürlich abenteuerlich (manchmal mehr als einem lieb ist). Und für längere Trips
hat man ja immer noch seine 24 Urlaubstage. Im ersten halben Jahr habe ich allerdings noch
nicht so das Reisefieber gehabt, man will sich ja auch erstmal an den Wochenenden in seiner
neuen Stadt einleben, austoben und es sich gemütlich machen. Apropos Wochenende. Ich war
einer der Kandidaten, die fast jedes in Sucre verbrachte Wochenende ausgegangen sind. Wozu
ist man denn jetzt sein eigener Mann mit eigener WG? (Ja, ich bin einer von den Vielen, die nach
dem Abi ins Ausland gegangen sind.) Freiheiten wollen genutzt werden. Nur dem Geldbeutel
tut das viele Reisen und Ausgehen nicht gut, selbst bei den günstigen Preisen in Bolivien. Da
ist nicht nur das sowieso schon dezimierte Taschengeld draufgegangen sondern auch Einiges
an Erspartem. Aber hey, dafür ist es da. Naja, das war jetzt ein bunter Mix aus Dingen, die mir
einfach so gerade beim Reflektieren in den Sinn gekommen sind und solchen, die ich unbedingt
loswerden wollte. Ich hoffe, dass dem Text deutlich genug zu entnehmen ist, um welche Art es
sich beim jeweiligen Thema handelt, wenn nicht, ist es auch nicht so schlimm.
Abschließend wünsche ich nun allen, die diesen Text lesen und ihrem Bolivien-Jahr gerade
etwas zitternd entgegen fiebern, einen wunderschönen Aufenthalt in diesem tollen Land, viel
Spaß an der Arbeit und viel Kraft, um auch die schwierigen Zeiten zu überstehen.
Lieben Gruß,
Pablo
Philipp Sejk
Fundación Pueblo
Wie kann man ein so aufregendes Jahr kurz zusammenfassen? Was ist die Quintessenz meines
Aufenthaltes in Bolivien? Was war die wichtigste Erfahrung, die ich gemacht habe? Wie kann ich
diese Erfahrungen nutzen und andere Menschen an diesem Wissen teilhaben lassen? Diese und
viele andere Fragen habe ich mir in der Rückschau auf meinen Freiwilligendienst und gerade im
Gespräch mit anderen Menschen oft selber gestellt.
Im Verlauf dieses Jahres ergab sich mir die Möglichkeit, reale entwicklungspolitische und
soziale Arbeit aus der Nähe zu beobachten, zu erfahren und selbst tätig zu werden. Schon bevor
die Arbeit angefangen hatte, freute ich mich auf die kommende Aufgabe. Dies lag nicht nur an
der Fundación Pueblo, der NGO für die ich arbeiten durfte, sondern vor allem auch an den
Einsatzorten La Paz und El Alto. Die beiden großen indigen geprägten Städte im bolivianischen Altiplano sollten noch einige Überraschungen für mich bereithalten. Das wichtigste aber
war natürlich das Projekt, in dem ich eingesetzt werden sollte. FORMATEC ist die Abkürzung
für “Acesso a la formación tecnica para mujeres jovenes de areas rurales” der Name eines der
Projekte, welche die Fundación Pueblo in Bolivien unterhält und für ein Jahr auch mein Projekt sein sollte. Ziel des Projektes ist es, jungen Frauen vom Land die Möglichkeit zu geben,
eine verifizierbare und gute technische Ausbildung zu erhalten. Vielen jungen Frauen, gerade
der aus der Landbevölkerung, fehlen die Möglichkeiten eine solche Ausbildung abzuschließen.
Dies hat viele verschiedene Gründe, wie das Fehlen von Ausbildungszentren auf dem Land,
das Fehlen der finanziellen Mittel der eigenen Familie oder Unterstützung im Allgemeinen, die
beispielsweise aufgrund eines veralteten Frauenbildes keine Ausbildung für die weiblichen Familienmitglieder vorsieht oder männliche Familienmitglieder bevorzugt.
Von September 2013 bis September 2014 konnte ich zwei Jahrgänge von jungen Frauen bei
dieser Aufgabe unterstützen.
Ich lebte zusammen mit den Stipendiatinnen in unserem Internat im “Haus der Zukunft” in
der Stadt El Alto. Die Stipendiatinnen kamen aus verschiedenen Gebieten des Landes und verschiedenen sozialen Umständen. Dazu gehörten junge Frauen aus dem Altiplano, den Yungas
und dem Norden von Potosí. Meine Aufgaben zur Unterstützung der Stipendiatinnen waren
überaus vielfältig. Einerseits half ich bei allen administrativen Aufgaben, welche das Projekt am
Laufen halten sollte und anhand von Berichten den Stand der Ausbildungsförderung widerspiegeln sollte. Dazu kam der Bereich der Öffentlichkeitsarbeit wie das Schreiben von Pressemitteilungen, das Anfertigen von Flyern oder das Sammeln von Spenden. Die wichtigste Aufgabe
aber war die Betreuung der Stipendiatinnen vor Ort im Projekt. Dazu zählte die pädagogische
Betreuung ebenso, wie die außerschulische Betreuung. Die außerschulische Betreuung meint
die Nachmittagsbetreuung, welche in meinen Ausgabenbereich lag und mir alle Freiheiten zur
Durchführung ließen. Wichtig dabei war es entweder Wissen oder neue Fähigkeiten zu vermitteln oder auch einfach mal Spaß zu haben.
Aus diesem Grund realisierte ich verschiedene Aktivitäten mit den Bewohnerinnen des Internats. Mit den Stipendiatinnen des Jahres 2013 hauptsächlich Kurse über das Anfertigen von
Businessplänen, die sie im Rahmen ihrer Ausbildung anfertigen mussten. Dazu kamen regelmäßige Sporteinheiten wie Fußball, Futsal oder Volleyball sowie die Vorbereitung auf den Ab53
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Philipp Sejk
schluss der Ausbildung in Form des Anfertigen einer guten Präsentation und des Übens von
verschiedenen Strategien zum Abhalten von diesen Präsentationen. Das Jahr darauf startete mit
Computerkursen und Sprachkursen, welche mehrfach in der Woche stattfanden. Außerdem bildeten wir eine Futsal-Frauenmannschaft aus Stipendiatinnen der Fundación Pueblo. Dies war
für mich eines der Highlights in diesem Jahr. Darüber hinaus veranstaltete ich verschiedene Exkursionen zum Beispiel zum Titicacasee, zu den Ruinen von Tiahuanaco, eine Wanderung über
den Präinkatrail Takesi oder in die Stadt von La Paz, damit die jungen Frauen die Möglichkeit
hatten, mehr über die Kultur und Geschichte ihres Landes zu erfahren aber auch, um wie man
sagt, den Kopf etwas frei zu bekommen. Zu diesen ganzen Aktivitäten kamen unzählige gemeinsame Essen, viele verschiedene Feiern, Filmabende und Gespräche durch die ich sehr viel
von den Stipendiatinnen erfahren konnte und Freundschaften aufbauen konnte. Natürlich gab
es nicht nur positive Momente. Es war nicht immer leicht mit bis zu 16 jungen Frauen zwischen
16 und 21 Jahren in einem Haus zu leben. Es entstanden viele zwischenmenschliche Probleme
zwischen den Stipendiatinnen, die nicht immer einfach zu lösen waren. Ebenfalls kompliziert
war es, die jungen Frauen nach einem langen Tag im Ausbildungszentrum zu allen außerschulischen Aktivitäten zu motivieren oder in diesem Zusammenhang pünktlich anzufangen. Man
muss Geduld lernen aber sich auch durchsetzen können. Dazu kam der ein um den anderen mal
schwierigen Alltag in Bolivien oder die schwerfällige Bürokratie im Bezug auf das Visum. Die
meiste des Jahres hatte ich aber sehr viel Spaß und war zufrieden mit den Arbeitsumständen.
Die Erfahrungen, die ich in dieser Zeit gemacht habe, sind zu 90 Prozent positiv. Ich habe unfassbar viel gelernt in dieser Zeit und dies nicht nur über entwicklungspolitische Arbeit
oder die Geschichte, Kultur und Politik Boliviens, sondern auch über mich. Die Unterstützung
durch alle MitarbeiterInnen der Fundación Pueblo war ausgezeichnet und ich hatte immer genug Arbeit zu tun. Ich hatte die Möglichkeit sehr viele verschiedene Projekte anzugehen und
umzusetzen und habe mich dadurch immer gebraucht und gefordert gefühlt. Das Wichtigste
für mich ist aber das Wissen, etwas wirklich Sinnvolles geleistet zu haben. Danke auch an das
Bolivianische Kinderhilfswerk für diese Möglichkeit.
Reena Pauly
Colectivo Rebeldía
Abschlussbericht?
Vor nun einem Monat ging mein Jahr in Bolivien zu Ende – ein Jahr, das sich nicht wirklich auf
2 Seiten zusammenfassen lassen will. Es ist schon 13 Monate her, dass ich in Santa Cruz ankam,
ohne eine Vorstellung zu haben was mich erwarten würde und auf was für eine wundervolle Zeit
ich mich freuen konnte. In meinem Projekt wurde ich sehr herzlich willkommen geheißen, da
ich aber zu einer der stressigsten Zeiten des Jahres ankam, fand niemand so richtig die Zeit, mir
alles im Detail zu erklären. Ich verstand zwar schnell, in welchen Bereichen mein Projekt arbeitete, aber nicht wirklich wie. Deshalb fiel es mir auch schwer, mir selbst sinnvolle Aufgaben zu
suchen und tat meist das, um das ich gebeten wurde, also Kopien und Besorgungen machen,
ans Telefon gehen und Nachrichten weitergeben etc… Schnell jedoch kam die erste große Aktivität (der Grund für den Stress), eine Nationalversammlung der Campaña 28 de septiembre,
die sich in ganz Lateinamerika für das Recht auf legale und sichere Abtreibung einsetzt, in La
Paz. Von da an konnte ich der eigentlich für mich vorgesehenen Aufgabe nachkommen, der Betreuung der Internetseite und des Facebook-Auftritts. Ich schoss also bei allen Veranstaltungen
Fotos und schrieb darüber kurze Berichte, wodurch ich langsam aber sicher auch das Colectivo
besser verstehen lernte: Konkret werden mit Frauen und Männern aus den äußeren Bezirken
der Stadt und den Dörfern der Chiquitania Seminare veranstaltet. Auf diesen wird beispielsweise
die neue Verfassung besprochen, mit einem Schwerpunkt auf dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und dem Recht auf ein Leben frei von Gewalt und Diskriminierung. Ein weiterer
wichtiger Aspekt ist die interkulturelle Investigation, d.h. das Durchführen von Befragungen in den
verschiedenen indigenen Bevölkerungen (wie u.a. den Guaraní, Chiquitanos, Guarayos), um die
aktuelle Situation der Frau in der Gesellschaft besser zu verstehen und diese in den Kontext aus
alten Traditionen und Weltansichten sowie kolonialen Einflüssen wie der Missionierung einordnen zu können. Des Weiteren ist eine verstärkte politische Einbindung der Indígenas im
Allgemeinen und den Frauen im Besonderen angestrebt. Deshalb werden in den Seminaren
gezielt Präsidentinnen von Nachbarschafts- oder Gemeindeversammlungen angesprochen und
diese weiter gefördert, sensibilisiert und unterstützt. Damit ist auch das Konzept verbunden,
dass Teilnehmer dazu angeregt und ausgebildet werden, die besprochenen Inhalte in eigenen
Seminaren in ihrer jeweiligen Gemeinde zu reproduzieren. Mit der Zeit konnte ich eigenständiger arbeiten (der Moment, als ich den ersten Bericht für die Internetseite hochladen konnte,
in dem kein einziger Grammatikfehler war, war glaube ich der stolzeste im ganzen Jahr) und
auch inhaltlich mitwirken. Ich bereitete Materialen für die Seminare vor, designte Flyer und TShirts und übernahm einzelne Module der Seminare. Das ganze Jahr über habe ich immer mehr
dazugelernt, über politischen Aktivismus, Feminismus und die bolivianische Gesellschaft, Politik und Geschichte. Außerdem waren meine Kollegen meine Familie dort, weswegen mich die
Probleme mit der Gastfamilie, bei der ich die ersten 6 Monate wohnte, nicht weiter belasteten.
Ich war bei Geburtstagsfeiern und sogar bei einer Hochzeit eingeladen und habe für Sorgen
oder auch einfach Anekdoten immer ein offenes Ohr gefunden. Nicht nur durch mein Projekt wurde ich dieses Jahr mit anderen Lebensrealitäten und –ansichten konfrontiert, hatte die
Chance herzliche, inspirierende und offene Menschen kennenzulernen, und beeindruckende
Orte zu bereisen, was alles meine eigene Sicht auf die Welt verändert hat und dieses Jahr so
unabschließbar macht.
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Robin Claudius Krebs
Hogar Granja
Hallo zusammen,
ich melde mich nun das letzte Mal, um über das vergangene Jahr in Bolivien zu berichten. Den
Juni und Juli verbrachte ich mit Lukas, ein später dazugekommener Freiwilliger, die Euphorie
der Weltmeisterschaft ins Hogar Sucre zu bringen.
Wir, unseres Zeichen große Fußballfans, fieberten mit den Kindern zusammen so ziemlich
jeder Partie und natürlich ganz besonders den Deutschlandspielen entgegen.
Passend dazu spielten wir mit den Kindern und den anderen Mitarbeiter (Psychologe, Zahnarzt & Co) ein WM-Tippspiel. Die Jungs waren sehr enthusiastisch dabei und es hat uns allen
eine Menge Spass bereitet.
Außerdem war im Juni der 48. Geburtstag des Hogars. Es wurde Wochen vorher schon
angefangen zu putzen und herzurichten, damit es beim Jahrestags-Festmahl auch alle schön
haben. Das war dann auch der Fall.
Die ganze administrative Spitze von SEDEGES (der staatlichen Institution, die dieses und
andere Projekte leitet) kam vorbei, um zu schlemmen und sich mal wieder mit Weihrauch zu
beräuchern, wie viel sie doch bewegt hätten, dass ja alles Spitze wäre und dass Evo Morales
sowieso ein toller Kerl sei, dem wir alles zu verdanken hätten.
Später im Monat kam dann die Aufforderung der Administratorin des Hogars, dass ich doch
mal anlässlich des Jahrestages den Tagesausflug zu heißen Quellen bei Potosí zahlen sollte. Das
wurde dann auch mit dem Geld des BKHWs bezahlt und wir hatten einen tollen Tag in einem
bolivianischen Schwimmbad, in dem das Wasser in den Becken direkt aus den heißen Quellen
im nebenliegenden Berg kommt. Wir hatten einen Bus gemietet, der uns von Sucre bis zu den
Quellen in der Nähe von der Stadt Potosi hinbrachten und auch wieder abholte.
Die Jungs haben sich sehr gefreut aus dem Hogar rauszukommen und dann auch noch
baden zugehen.
Im Nachhinein hätte man jedoch lieber von dem Geld was für den Ausflug ausgegeben wurde, das seit Juni kaputte Stromkabel reparieren sollen, was zur Hogar eigenen Metallwerkstatt
führt. Nach aktuellem Stand, Anfang Oktober, ist es immer noch nicht repariert und mittlerweile kann schon seit vier Monaten dort nicht mehr gearbeitet werden. In der Metallwerkstatt gab
es für mich die meiste Arbeit in Form von u.a. gemeinsam mit den Jungs Betten oder Mülleimer
zu bauen.
Bislang fühlt sich SEDEGES nicht verantwortlich, das Stromkabel wieder zu reparieren…
Nach der Fußball-Weltmeisterschaft stand dann ein letztes und gleichzeitig das größte Projekt meines Schaffens im Hogar an. Mit Hilfe von Lennart, der selbst Freiwilliger in einem
anderen Hogar ist und guten Kontakt zu Sucres Künstlerszene hat, konnte das Projekt „Pintamos una sonrisa“ (dt. wir malen ein Lächeln) geplant und verwirklicht werden. Wie der Name
schon verrät ging es darum, dass doch sehr graue Gelände des Hogars bunt anzumalen. Es
kamen stadtbekannte Künstler aus Sucre und malten gemeinsam mit den Jungs an drei Wochenenden die Wände und Gebäude des Kinderheims an. Viele Kinder nahmen die Chance
wahr ihr Zuhause zu verschönern und zeigten erstaunliches Talent.
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Robin Claudius Krebs
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Da meine künstlerischen Fähigkeiten sich ja eher beschränken lag meine Aufgabe darin, das
ganze Event zu organisieren und Farbe & Pinsel zu verwalten.
Apropos Farbe und Pinsel: Die ganzen Utensilien wurden von Spenden bezahlt die Lennart
einsammelte. Er ging unter anderem zur örtlichen Zeitung und zu Farbfirmen, um Spenden
zu erhalten. Ebenfalls ist es ihm zu verdanken, dass ein Fernsehreporter vorbeikam, um eine
Sendung über unser Projekt „Pintamos uns sonrisa“ zu machen.
Lennart hat den größten Teil der Organisation übernommen (so organisierte er beispielsweise auch für die gesamte Gesellschaft Mittagessen) und generell eine weltklasse Arbeit geleistet!
Selbstverständlich hat er sich auch mit einer schönen Wandmalerei verewigt.
Nach dem Projekt und einer tollen Reise mit Pablito und Melanie über La Paz nach Rurrenabaque wo wir eine drei tätiger Dschungeltour machten, hieß es dann schon für mich leicht
verfrüht die Koffer zu packen um nach Hause zu fliegen. Da mein Uni-Semester schon am 1.
September angefangen hat musste ich schon am 22. August zurück nach Deutschland.
Letzte Woche hatten wir dann das Abschlussseminar des BKHW zusammen mit allen Freiwilligen der Organisation. Wir trafen uns in Niedersachsen, genauer gesagt im Südharz und
ließen die Erfahrungen des vergangenen Jahres Revue passieren.
Meine Motivation zum Seminar zu gehen war eigentlich nur die anderen Freiwilligen wiederzusehen, denn ich habe bereits über mein Jahr in Bolivien reflektiert. Und so kam es dann
auch: wir hatten 4 schöne Tage und schwelgten mächtig in Erinnerung.
Schließlich fasse ich zusammen, dass es ein tolles Jahr war, was allerdings vorwiegend mir
etwas gebracht hat. Auf meiner Arbeit konnte ich leider kaum etwas bewegen. Dafür steckt zu
viel bolivianischer Staat in dem Projekt. Es gibt offensichtliche Missstände, allerdings ist keiner
bereit diese zu beheben, denn es würde ja zusätzliche Arbeit bedeuten. Von meiner letzten
Administratorin wurden grundsätzlich die Freiwilligen belächelt, denn sie kommen und gehen
und müssen ja gar nicht ernst genommen werden…
Außerdem gab es einige Mängel bei meiner Entsendeorganisation, wie z.B. das Versäumnis mit dem Aufenthaltsvisum, was ich erst nach elf Monaten bekommen habe und solange
ohne Reisepass in Bolivien gelebt habe. Des Weiteren zeigte sich das BKHW nicht sonderlich
kooperativ die zu niedrigen Wohn- & Lebensgelder für die Freiwilligen in Sucre anzuheben.
Für mich hingegen war das Jahr genau perfekt zwischen Schule und Uni etwas anderes zu
machen. Ich habe ein neues Land, eine neue Kultur & Sprache kennen- und schätzengelernt.
Des Weiteren habe ich neue Freunde gefunden und gelernt auf eigentlich alltägliche Sachen
zu verzichten.
Das Jahr hat mir geholfen wortwörtlich meinen Horizont zu erweitern und zu reifen. Ich
bin nun ein noch selbstbewussterer und offener Mensch, denn ich weiß nun in mir unbekannten
Situationen zurecht zu kommen.
Reich an neuen Erfahrungen schließe ich das Jahr in Sucre, Bolivien ab und breche auf in
das Uni-Leben.
Silvan Griesel
Wiñay
Das Jahr ist zu Ende. Und das sage ich insgeheim mit einem eher lachenden als weinenden Auge.
Ich kann nicht sagen, dass ich froh bin, wieder hier in Deutschland zu sein. Aber traurig bin
ich deshalb auch nicht. Jedenfalls habe ich mich sehr schnell wieder eingelebt. Die anfängliche
Euphorie über deutschen Luxus (warme Häuser, schöne Betten und Bettdecken, das Brot etc.)
hat sich recht flott gelegt. Nichts anderes habe ich aber auch erwartet. Der Standart-Satz für
Heimkehrer: Im Grunde ist ja doch immer noch alles beim Alten. Die Leute in meiner sozialen
Umgebung haben sich jedenfalls nicht geändert – zumindest die, die hier geblieben sind.
Zwei Fragen für mich bleiben: Habe ich mich verändert? Was habe ich aus Bolivien mitgenommen? Meine vorläufige Antwort zu 1): Nein, ich selbst und mein Wesen haben sich nicht
geändert. Jedenfalls nicht die Seiten an mir, die ich mir abgewöhnen wollte. Zu 2): Eine Hängematte, eine Machete und Coca-Schnaps. Mal ehrlich: Wenn man Bolivien wirklich wahrnimmt
während des Jahres und vielleicht auch mal das ein oder andere Buch über Geschichte und aktuelle Politik liest, erfährt man nicht nur viel über das Land selbst sondern erkennt nach und
nach Muster, die sich mit 90 % der südamerikanischen Länder decken. Und man erkennt, wie
die „westliche Welt“ und auch unsere europäische Gemeinschaft mit dem früheren und auch
aktuellen Leid der Bevölkerung dieser Länder in Zusammenhang steht. Wer sich dafür interessiert, der lese vor allem „Die offenen Adern Lateinamerikas“ von Eduardo Galeano. Ein Grund
also, warum man diese Reise in ein anderes Land antreten sollte, mag also der sein, dass man
so sprichwörtlich den nötigen Abstand zur allgemein gültigen Meinung und Weltanschauung in
unserer Gesellschaft erreicht. Andere Länder, andere Sitten; und eben auch andere Geschichten.
Nicht umsonst lernt man in der Schule, dass Geschichte von dem abhängt, der sie (auf-)schreibt
und lehrt. In diesem Jahr habe ich zum ersten Mal wirklich verstanden, was das heißt. Darüber
hinaus lebe ich seit meiner Rückkehr aus Bolivien vegan.
Ob das aber wirklich mit dem Jahr in Bolivien zu tun hat, bezweifle ich. Eigentlich wird
dort fast jeder zum Fleischesser konvertiert. Vielleicht hatte ich während des Jahres einfach viel
Zeit, um mich zu dem Thema zu informieren.
Im Rückblick war die Arbeit im Wiñay nicht so ergiebig wie ich das gehofft hatte. Das liegt
aber vor allem an mir und nicht am Projekt selbst. Ich glaube, dass für andere Freiwillige viel
mehr rauszuholen ist. Ich war nach einem dreiviertel Jahr einfach nur gelangweilt. Es gab Kinder, denen ich bis zum Schluss ohne Übertreibung fünfundzwanzigmal die einzelnen Schritte
der Division erklärt habe. Immer wusste ich, dass sie es am nächsten Tag vergessen habe würden. Das ist nicht die Schuld der Kinder, aber anstrengend ist das schon. Nichtsdestotrotz habe
ich schöne Erfahrungen im Wiñay gemacht und werde viele Dinge gerne in Erinnerung behalten. Da waren: Mein Fußballkurs, der mir Motivation gegeben hat; Die Einrichtung des neuen
Hauses, das wirklich schön aussieht; Ausflüge in die Parks der Stadt, die eine Abwechslung
waren; und natürlich generell die Geschichten und Pannen, die sich so alltäglich zugetragen haben. Ich habe mir überlegt, dass unser eigentlicher Auftrag erst als Rückkehrer beginnt. Jetzt
liegt es an uns als Multiplikatoren über gemachte Erfahrungen zu berichten. Von uns hängt ab,
welche Assoziationen Menschen in unserem Umfeld mit Bolivien entwickeln. Als Deutscher
wird man in Bolivien immer fremd bleiben, egal wie gut man die Sprache spricht und wie sehr
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Silvan Griesel
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man Bräuche annimmt. Letztendlich entscheidet unser Aussehen darüber, wie Menschen dir
auf der Straße begegnen. Das ist schade, aber auch verständlich. So funktionieren Menschen
eben. Ein Stückchen Heimat durfte ich dagegen in meiner Gastfamilie genießen. Ich hätte mir
keine bessere wünschen können. Von den vielen Freiwilligen in Sucre waren ich und Antonia die
einzigen, die wirklich allein ein ganzes Jahr in unseren Gastfamilien gelebt haben. Ich spreche
fließend spanisch, kenne so gut wie alle Gerichte der bolivianischen Küche und weiß Bescheid
über alltägliche und festbezogene Bräuche. Auch wenn eine WG oder eine eigene Wohnung
vielleicht etwas mehr Freiheit bedeutet hätten, bin ich doch froh, diese Zeit nicht anders verbracht zu haben. Bolivianer sind sehr herzlich, wenn sie dich näher kennen. Das durfte ich in
meiner Familie erfahren. Ich hoffe, der Kontakt reißt nicht ab. Was vermisse ich am meisten?
Mein Motorrad, sonnige Tage und absolute Narrenfreiheit.
Mein ausdrücklicher Dank gilt den engagierten Mitarbeitern des Wiñay, meinen Spendern
und dem BKHW für Organisation und Mitfinanzierung meines Jahres.
Beste Grüße,
Euer Silvan
Simon Paun
Villa Vecinal
Ein Jahr der gemischten Gefühle
Wenn man sich das Freiwilligenjahr einmal Revue passieren lässt, kommen einem neben den
vielen Eindrücken und Erlebnissen, auch einige Fragen durch den Sinn. Man erinnert sich an
seine Fragen, die man sich vor dem Auslandsjahr gestellt hat. Man macht einen Vorher-NachherVergleich und beantwortet Fragen (bzw. versucht es). Was hat das Weltwärtsjahr gebracht? Wem
hat es etwas gebracht? Ist es empfehlenswert? Ist es entwicklungspolitisch und sollte es das auch
tatsächlich sein? Habe ich das erfüllt, was ich mir vorgenommen hatte? Was mache ich jetzt?
Was passiert jetzt mit Bolivien? Ein Land, das mir vorher völlig fremd und unbedeutend war, ist
nun in meinen Fokus gerückt und interessiert mich nun wie mein Heimatland. Würde man mein
Weltwärtsjahr als kulturelles Austauschjahr bezeichnen, wäre es wohl als geglückt zu beurteilen.
Einer meiner Anforderungen jedoch, war es sagen zu können, ich habe Hilfe zur Selbsthilfe
geleistet. Im Nachhinein muss ich mir jedoch eingestehen, dass ich lediglich beim alltäglichen
Arbeiten als Arbeitskraft geholfen habe. D.h. meine Arbeit hat lediglich für den Moment geholfen und nicht zukunftsorientiert. In meiner ersten Arbeitsstelle arbeitete ich in einem staatlichen
Kindergarten für Kleinkinder bis zu sechs Jahren (mehr dazu in meinen vorhergehenden Berichten). Später bat ich meine Hilfe in dem staatlichen Naturkatastrophenamt an. In beiden Stellen
konnte ich temporär helfen und wurde auch als hilfreich eingeschätzt. Jedoch war es nicht unbedingt von Vorteil, dass ich ein Ausländer mit anderem kulturellen Hintergrund war. So konnte
ich in dem Zeitraum zwar meine Sprachkenntnisse verbessern und lernte viel über das Land
und den Kontinent, aber konnte im Gegenzug nicht viel meines Wissens vermitteln. Schließlich kann man wohl kaum Kindern in diesem Alter Englisch- oder Deutschunterricht geben
geschweige denn Computerkurse abhalten. Alles in allem ist also nicht jedes Weltwärtsprojekt
entwicklungspolitisch orientiert. Ich persönlich halte es für vielversprechend, wenn NRO ihre
eigenen selbstständigen Projekte bzw. Bildungsstätten im jeweiligen Land errichten. Durch die
direkte Einsicht und Verwaltung, ohne Zwischeninstanzen, sollte die NRO genau wissen, wie
und wo sie einen Freiwilligen gut einsetzen kann. Oft fehlt es eben an der nötigen Transparenz.
So haben einige Freiwillige falsche Eindrücke ihres Einsatzortes, bevor sie dort ankommen. Das
wiederum kann sich auf ihre Arbeit niederschlagen, wenn sie sich darauf einstellen in „A“, „B“
und „C“ zu arbeiten jedoch in Wirklichkeit mit „C“, „D“ und „E“ beschäftigt sein werden. Im
Falle des BKHWs, welches keine eigen geleitete Projektstelle besitzt, sähe ich es als eine Verbesserung der entwicklungspolitischen Arbeit, würde das BKHW den großen Schritt zum eigenen
BKHW Hilfsprojekt in Bolivien machen. Beispielsweise könnte ein „BKHW-Colegio“ errichtet werden, das die staatliche Anerkennung des Staates Boliviens erhält. Dort sollte man dann
Kinder und Jugendliche aufnehmen, die sich aus finanziellen Gründen keine Privatschule leisten können, aber gewillt sind, über deutsche und bolivianische Kultur unterrichtet zu werden.
Die Möglichkeit auf ein deutsches Abitur und/oder ein Studium in Deutschland bzw. Europa,
könnte ebenfalls Teil des Bildungsangebotes sein.
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Simon Paun
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Ich denke, mein Weltwärtsjahr hat mir vor allem gezeigt, wie und wo man tatsächlich Hilfe
anbringen sollte, um einem von Armut geprägten Land helfen zu können, ohne dass es dabei
in Abhängigkeit verfällt.
In meinen letzten drei Monaten in Bolivien fühlte ich mich schon weitläufig gut eingelebt.
Ein Highlight hatte ich, als ich mit Spendengeldern (die Freiwillige aus Sucre gesammelt und
mir anvertraut hatten) für eine Behindertenschule Schulmaterial einkaufen gehen konnte. Dabei halfen mir Mitglieder einer politischen Partei, die es sich leider zum Vorteil machten, die
Übergabe der Spenden für ihre Kampagne zu nutzen. Nichts desto trotz, ist es erfreulich zu
sehen, wenn Spenden tatsächlich ankommen. Ebenso war ich in meiner letzten Zeit in Bolivien
Teil einer Aufklärungs- und Hygieneaktion der NRO Vision Mundial. Dabei verpackte ich in
Rucksäcke und Babytaschen Hygieneartikel sowie Informationsbroschüren.
Fazit
Das Weltwärtsjahr war eine hervorragende Möglichkeit für mich, Bolivien kennenzulernen. Man
erhält mehr als nur Einblicke auf ein Leben, dass man aus der Ferne nie wirklich kennen und
verstehen lernen würde. Trotz meiner Kritik, empfinde ich das Weltwärtsprogramm für sehr
wertvoll. Durch den beidseitigen Austausch (Nord-Süd-programm) fängt das BMZ langsam
an, eine Beziehung mit den teilnehmenden Ländern herzustellen, die auf Gleichberechtigung
abzielt.
Simone Elisabeth Wiedmann
Walter Henry/Patio Don Bosco/Colegio Juan Wesley
Meine letzten 3 Monate in Bolivien waren einfach unbeschreiblich schön. Und gingen leider
dementsprechend auch viiiiiiel zu schnell vorbei… :/
Die Arbeit im Kinderheim „Patio Don Bosco“ hat mir unglaublich gut gefallen und hat
mein Jahr echt nochmal um vieles besser gemacht!!
Der Patio (dt. Hof) ist aber kein normales Kinderheim. Die Kinder kommen dort entweder
von der Straße oder aus Familien, in denen es unmöglich ist, für sie zu leben. Die Kinder sind
dann für ca. 3 Monate dort und werden an ein Zusammenleben in der Gemeinschaft gewöhnt.
Alles ist ziemlich familär und ich glaube das macht auch das besondere Etwas aus.
In dieser Zeit gehen die Kinder auch nicht zu Schule, sondern werden dort „unterrichtet“.
Es steht lesen, schreiben und für die Größeren vor allem rechnen auf dem Plan. Nach den 3
Monaten kommen die Kinder dann in ein richtiges Heim oder wieder zurück in ihre Familie,
wenn sich dort die Zustände und Verhältnisse verbessert haben. Der Patio arbeitet mit der
Regierung zusammen.
Ich war in der Gruppe der „Pequeños“. Die Kinder in der Gruppe sind 5-10 Jahre alt.
Nachmittags habe ich mit ihnen entweder gelernt, Lesen, Schreiben und Rechnen beigebracht,
gemalt, gebastelt, Sport gemacht, Quatsch gemacht oder auch einfach mal im Spieleraum gespielt. An besonders heißen Tagen stand auch mal eine Wasserschlacht an oder einfach ins
Schwimmbad. Das war für die Kinder ein besonderes Erlebnis, weil viele auch Freunde in anderen Don-Bosco-Heimen haben und das Schwimmbad dann die Gelegenheit gab, die Freunde
dort zu treffen.
Was mich besonders beeindruckt hat war, dass ich für die etwas älteren Mädchen eine richtige Bezugsperson bzw. eine Schwester geworden bin, und sie mit mir über ihre Probleme gesprochen haben.
Erschreckend fand ich, dass Kinder, die in ihrer Familie geschlagen wurden, sich von 0
auf 180 bringen lassen und dann mit Fäusten aufeinander zu gehen und sich auch ins Gesicht
schlagen.
Da ist es natürlich gut, wenn man Geschwister mit sich hat, die einen dann beschützen bzw.
mit schlägern…
Trotz allem sind vor allem die Kinder und die Erzieher für mich wie eine 2te Familie geworden. Der Abschied viel mir dementsprechend besonders schwer. Vor allem weil ich weiß, dass
wenn ich zurückkommen werde, ich die Kinder nie wieder sehe, weil sie dann in irgendeinem
Heim sind oder wieder bei ihrer Familie… :/
Im Kindergarten ist nichts Besonderes passiert. Das Zahnputzprojekt läuft weiterhin und
die Kinder putzen mit sehr viel Elan und Spaß ihre Zähne. Sogar die kleineren Kinder (2-4
Jahre) haben sich auf das Zähneputzen gefreut und sind nach dem Mittagessen in die Küche
gerannt. Zwar hat das bei ihnen mit dem selber putzen noch nicht so geklappt… aber mit ein
bisschen Hilfe, war das dann kein Problem.
Zum Abschied machte uns unsere Chefin ein Mittagessen, zu dem dann auch der Chef der
methodistischen Kirche und der Direktor des Colegios Juan Wesley, in dem ich im November
gearbeitet habe, eingeladen wurden.
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Simone Elisabeth Wiedmann
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Am Tag vor meinem Abflug bin ich dann nochmal kurz hin um mich von allen nochmals
zu verabschieden. Als ich dann ging und ich wusste, dass ich die Kinder und die Tías so schnell
nicht mehr sehen würde, war ich schon ziemlich traurig.
Dann stand auch noch meine letzte Reise bevor.
11 Tage alleine nach Peru, ein reines Abenteuer. Was natürlich, wie immer auch viel zu
schnell vorbei ging.
Die Peruaner sind einfach so nett, offen und sehr hilfsbereit! Peru ist einfach so ein unglaublich schönes und gleichzeitig faszinierendes Land mit so vielen unterschiedlichen Facetten.
Anfangs war ich schon ziemlich aufgeregt allein zu reisen… ABER es war die beste Entscheidung, die ich getroffen habe. Ich hab so unglaublich viele und tolle Menschen kennengelernt, die ich, wenn ich mit wem anders unterwegs gewesen wäre, wohl nicht getroffen hätte.
Es waren auch so tolle Erfahrungen, die ich auf jeden Fall nochmals machen möchte!!
Und dann waren mein Jahr in Bolivien auch schon vorbei… Lange auf das Ende gewartet
aber am Schluss wollte ich dann doch noch ein paar Tage oder vielleicht doch auch Wochen
länger bleiben. Ich kann immer noch nicht glauben, dass es wirklich so schnell vorbei ging…
365 Tage voller Erfahrungen, guter und schlechter Momente, Freude, Lachen und Tränen.
Zurück in Deutschland kann ich sagen, dass sich das Jahr auf jeden Fall gelohnt hat und ich
froh um jede neue Lebensbereicherung, um jede Erfahrung und um jeden neuen Menschen,
den ich kennengelernt hab, bin.
Durch das Jahr hat sich meine Menschenkenntnis verbessert sowie einige Blickwinkel in
meinem Leben. Meine Lebenseinstellung hat sich ein wenig gelockert sowie sich meine Pläne
für mein zukünftiges Leben verfestig haben.
Sophie Hellge
Hasta Crecer
Ein Jahr in einer so ungewohnten Umgebung, voll von neuen Eindrücken, Perspektiven und
unglaublichen Begegnungen, unbekannten Menschen die zu Freunden wurden – oder auch
nicht – …das alles lässt sich auf keinen Fall auf einer DIN-A4-Seite zusammenfassen.
Ich werde einfach versuchen, mich in diesem Bericht auf das Allerwesentlichste zu beschränken.
Das Leben in Bolivien ist für mich zum Alltag geworden, und ich glaube, erst wenn ich
mich wieder in meinen „deutschen“ Alltag eingelebt habe, werde ich in der Lage sein alle meine
Erlebnisse in Bolivien mit Abstand zu betrachten und richtig zu reflektieren.
Meine Arbeit Arbeit im Kindergarten war – natürlich – ein großer Teil meines Aufenthalts in Bolivien. Meine Schwierigkeiten, vor allem mit dem Umgang mit den bolivianischen
Erziehungsmethoden, legten sich nach etwa einem halben Jahr, was hauptsächlich mit einem
Personalwechsel im Projekt zu tun hatte. Von diesem Zeitpunkt an habe ich angefangen, den
Arbeitsalltag abwechslungsreicher zu gestalten und der fehlenden Struktur im Projekt das Positive – nämlich die damit verbundenen Freiräume – abzugewinnen. Ich konnte einige meiner
Ideen verwirklichen, aber trotzdem ist mir klar, dass mein Einsatz im Kindergarten keine „entwicklungspolitischen Fortschritte“ gebracht hat. Als 19-jährige, frisch entlassene Abiturientin
habe ich einfach keinerlei Kenntnisse oder Fähigkeiten, um das leisten zu können. Alles was ich
hoffe, ist dem ein oder anderen Kind den Alltag etwas aufregender und interessanter gestaltet
zu haben. Um das zu tun, haben wir Freiwilligen die Möglichkeit von der Entsendeorganisation Geld für die Durchführung von Kleinprojekten zu beantragen. Das war in der Praxis leider
nicht so leicht umsetzbar.
Zum einen, weil das Geld von den Freiwilligen zunächst selber ausgelegt werden muss.
Für diejenigen, die zusätzlich zum Taschengeld des BKHW noch Unterstützung von zu Hause
erhielten, war das meistens kein Problem. Mein zweites Projekt, der Besuch des zoologischen
Gartens in Santa Cruz mit dem Kindergarten, ist allerdings beinahe daran gescheitert, dass ich
nicht genügend Geld zur Verfügung hatte, um die Busfahrt und den Eintritt vorab zu bezahlen.
Glücklicherweise hat meine Mitfreiwillige Laura das Geld auslegen können.
Zum anderen gab es Schwierigkeiten bei den Zuständigkeiten und der Verwaltung des Geldes. So schien es, dass die Freiwilligen in Sucre, der Stadt in der der bolivianische Chef des
BKHW arbeitet, schneller und einfacher das Geld für ihre Projekte zur Verfügung gestellt bekommen haben, während wir in Santa Cruz häufig lange darauf warten mussten.
Darüber hinaus wurde uns zu Beginn vermittelt, jedem Freiwilligen stünde eine gewisse
Summe zur Verfügung, um seine Projekte zu verwirklichen. Nach der Durchführung einiger
offensichtlich etwas kostenintensiverer Projekte wurde uns allerdings mitgeteilt, wir sollen doch
bitte bei unseren Vorhaben ein bisschen sparen, weil nun nicht mehr soviel Geld zur Verfügung
stehe. Wer in welchem Moment darüber entschieden hat, dass einige Freiwillige mehr Geld für
ihre Projekte erhalten als andere, ist mir bis heute unklar.
Natürlich bestand mein Freiwilligendienst nicht nur aus Arbeit. Meine Freizeit war ein ebenso wichtiger Bestandteil meines Aufenthaltes dort. Ich durfte viele Bolivianer kennenlernen und
hatte dadurch die Chance, ihren Alltag zu erleben. In diesem Jahr habe ich viele interessante Per64
Sophie Hellge
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sonen getroffen, die ich nie wieder vergessen werde. Zu Beginn fand ich es sehr schwierig, mich
von der ständigen Gesellschaft von Deutschen loszueisen. Es ist einfacher, sich nur mit anderen
Freiwilligen zu beschäftigen, man kann seine Sprache sprechen und hat immer ein Gesprächsthema. Allerdings hatte ich erst nachdem ich mich von dem Ganzen ein bisschen entfernt hatte
das Gefühl, wahren Kontakt zu Bolivianern zu finden. Und das ist es, was mein Jahr dort so
unvergesslich macht.
Auch meine Reisen werden mir immer in Erinnerung bleiben. Sie gaben mir die Möglichkeit,
die unendliche landschaftliche Vielfalt Boliviens zu erleben. Neben dem typischen „Touristenprogramm“ (sofern man das in Bolivien überhaupt sagen kann) mit Potosí, der Minenstadt auf
etwa 4000 m Höhe, dem Salar de Uyuni, der größten Salzwüste der Welt, und der Sonneninsel
im Titicacasee war ich auch an Orten wie den Jesuitenmissionen der Chiquitania, deren umliegende Landschaft ein bisschen an die Kulisse von „Der Hobbit“ erinnert, oder im Regenwald
nahe des „Noel Kempff Nationalparks“ im Nordosten von Santa Cruz, in dessen Dickicht man
1000 verschiedene Tierarten zu hören meint, allerdings aber keinen halben Meter weit blicken
kann. Landschaftlich ist Bolivien ein wahres Juwel, und ich hoffe sehr, dass dem Land diese
Vielfalt auch mit fortschreitender Entwicklung erhalten bleibt.
Alles in einem bin ich unheimlich glücklich darüber, diesen Schritt, für ein Jahr nach Südamerika zu gehen, gewagt zu haben. Auch wenn meine Zeit in Bolivien oft alles andere als
einfach war, habe ich das Gefühl, dass es jede Sekunde wert war. Ich habe ein unglaubliches
Land kennenlernen dürfen, das voller Überraschungen, steckt, schönen wie schockierenden,
und das bei Weitem mehr bietet, als ich aus meinem jetzigen Standpunkt begreifen kann.
Stefanie Schweizer
Fundación Comunidad y Axión/Juancito Wenley
Ich bin jetzt schon seit fast 2 Monaten wieder in Deutschland, und ich muss zugeben, dass mir
das Eingewöhnen in Deutschland sehr schwer gefallen ist. Schließlich war ich jetzt ein Jahr weg,
habe ein Jahr in einem anderen Land gelebt, mich daran gewöhnt. Rückblickend bin ich sehr
froh, dass ich diesen Schritt gewagt habe, und nach Bolivien gegangen bin. Der Abschied in
Deutschland war für mich recht schwer, weil ich wusste, ich sehe meine Familie jetzt ein ganzes
Jahr nicht mehr. In Bolivien angekommen, war das Gefühl aber schnell weg. Der erste Monat
war noch ein bisschen anstrengend und stressig, weil wir ja erst einmal das Visum beantragen
mussten. Außerdem hatte ich Probleme mit meinem Projekt, und habe das dann schließlich
gewechselt. Ich habe, von da an, dann im Projekt „Fundación Comunidad y Axión“ in El Alto
zusammen mit Judith gearbeitet. Danach ging das Eingewöhnen relativ schnell. Meine Gastfamilie war super nett und hat sich richtig gut um mich gekümmert, die anderen Freiwilligen in
La Paz waren für mich auch eine große Stütze und die Arbeit hat mir auch Spaß gemacht.
Die Arbeit bestand für Judith und mich hauptsächlich in der Unterstützung der Mitarbeiter.
Mein Projekt hat zum einen in einer Schule so eine Art Ethikunterricht gehalten, und zum
anderen hat es, mithilfe von Spenden aus Europa und den USA, die ärmeren Familien El Altos
bei der Konstruktion von Gewächshäusern unterstützt. Es gibt außerdem Workshops zu den
Themen Ernte, Bewässerung, Zubereitung. Mit dem Gemüse, das sie ernten, sollen sich die
Familien gesund ernähren. Judith und ich waren bei den wöchentlichen Besuchen dabei, haben
Listen erstellt und alles genau am PC dokumentiert. Anfangs waren wir noch in der Schule
dabei, jedoch wollten wir beide lieber mit den Familien arbeiten. Die anderen Mitarbeiter waren
über unsere Hilfe sehr froh, aber ich hatte manchmal das Gefühl, dass uns die Arbeit gegeben
wurde, die sonst niemand machen wollte.
An einigen Tagen gab es auch nicht wirklich viel zu tun, sodass wir dann auch in der Buchhaltung geholfen haben. Alles in allem hat mir die Arbeit aber sehr gefallen, ich habe viel gelernt,
vor allem über Gemüse. Die Familien und meine Mitarbeiter sind mir auch sehr ans Herz gewachsen, mir fiel der Abschied richtig schwer, weil ich nicht weiß, wann ich wieder nach Bolivien
zurück kommen kann und wann sie alle wieder sehen kann.
Abgesehen von der Arbeit habe ich dieses Jahr natürlich auch zum Reisen genutzt. So war
ich zum Beispiel nicht nur in Bolivien beim Salar de Uyuni, am Titicacasee und auf der Sonneninsel, im Dschungel, in Potosí, Sucre, Santa Cruz. Sondern auch noch in Peru, habe Cusco,
Machu Picchu und Lima gesehen und in Argentinien bei den Wasserfällen von Iguazu und in
Buenos Aires. Das ich in so viele Länder reisen konnte, liegt an der praktischen Lage Boliviens in der Mitte Südamerikas. Ich habe in dem ganzen Jahr sehr viel gelernt. Ich bin nicht nur
unabhängiger geworden, sondern habe auch viel über mich selber gelernt. Außerdem war es
eine sehr gute Möglichkeit, eine neue Kultur kennen zu lernen. Ich habe viele neue Menschen
getroffen, die alle eine andere Kultur und andere Eigenschaften haben, als ich. Manchmal war
das gar nicht so einfach, weil ich die anderen, oder die anderen mich nicht verstanden haben.
Wir Europäer haben eine andere Sicht auf viele Dinge, als die Bolivianer, da kommt es zu Unverständnis. Das wird aber durch Erklären schnell gelöst. Ich denke, dass es vor allem für junge
Menschen eine wichtige Erfahrung ist, wenn man eine weltoffene Einstellung hat, und diese
66
Stefanie Schweizer
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bekommt man nur, wenn man sich auf andere Kulturen einlässt. Ich schätze jetzt zum Beispiel
mehr, als vor einem Jahr. Für mich war dieses Jahr sehr wichtig und erlebnisreich. Inwiefern es
ein entwicklungspolitischer Freiwilligendienst ist, bin ich mir nicht so sicher. Für mich bedeutet
es am meisten, dass ich vielen traditionellen Familien gezeigt habe, dass nicht alle „Weißen“ böse
sind. Ich habe mich für sie und ihr Gewächshaus interessiert, mit ihren Kindern gespielt, habe
mit ihnen gelacht und mich unterhalten, ich hoffe, ich konnte erreichen, dass sie vielleicht nicht
mehr so viele Vorurteile haben. Das war wirklich nicht einfach, am Anfang waren alle ziemlich
zurückhaltend und haben eher wenig geredet. Ich kann auf jeden Fall jedem empfehlen, ein Jahr
ins Ausland zu gehen! Die Erfahrungen, die man macht, die sind unbezahlbar. Ich bereue es
nicht, nach Bolivien gegangen zu sein und würde sofort wieder gehen.
Theresa Uhlig
Fundación Yanapi
Das Jahr in Bolivien scheint inzwischen weit entfernt und es fällt mir schwer, es nun abschließend zu reflektieren. Eine kleine Brücke nach Bolivien besteht derzeit weiterhin, da mein Freund
noch dort verweilt und mich durch Gespräche über seinen Alltag an viele Kleinigkeiten aus meinem Leben dort denken lässt. Eben erzählte er mir, dass gerade Schnee liege und ließ mich so
daran denken, dass ich das Wetter El Altos wohl kaum vermissen werde. So rau wie das Wetter
dort schienen mir auch die Bewohner dieses Fleckchens Erde. Ein weiterer Aspekt, den ich
nicht vermisse und der mir leider meine erste unschöne Lateinamerikaerfahrung einbrachte.
Mein Jahr in Bolivien war arbeitsintensiv und leider nicht sehr erfüllend. Vielleicht hat mich die
viele Arbeit daran gehindert, die schönen Seiten des Lebens in El Alto/La Paz wahrzunehmen.
Vielleicht hat sie mir aber nur in weiteren Aspekten gezeigt, dass ich mit dem Menschenschlag
dort meine Probleme habe. Zum ersten Mal habe ich in Lateinamerika gelebt und nicht nur die
mir von dort bekannte Lebensfreude und Freundlichkeit vermisst, sondern – im Gegenteil –
auch viele Menschen kennengelernt, die mir durch ihren Egoismus und ihre Boshaftigkeiten oft
Kummer gebracht haben. Immerhin war das Leben in El Alto sehr spannend und ich konnte
erneut viel über mich lernen. Die Arbeit und das beinahe Zugrundegehen von Yanapi zeigten
mir, dass ich zu mehr fähig bin, als ich mir zugetraut hätte. Ebenso das Leben im Dreck El Altos.
Ich habe aber auch gelernt, dass es überall vereinzelt wundervolle Seelen gibt, die mein Leben
ungemein bereichern können oder auch, dass ein oberflächlicher Kontakt manchmal hilft, ein
guttuendes Bild von einem Menschen zu entwickeln. So gibt es sie ab und zu, diese Momente,
in denen ich meine Quinoa-Frau, meinen Socken-Mann, Doña Pancha oder die Tía, welche nur
über Wetter und Wasserdruck zu reden vermag, vermisse. Und auch das Schlängeln durch den
furchtbaren Verkehr El Altos fehlt mir von Zeit zu Zeit, da jenes Chaos auch immer ein Stück
Freiheit bedeutet hat: Wenn keiner sich an Regeln hält, gilt das natürlich auch für mich. Jenes
mir unbewusste Motto meiner Zeit in Bolivien ist es, was mich schon damals nach Chile führte
und bezüglich dessen mir immer wieder schwer fällt, in Deutschland nicht ins andere Extrem
umzukehren. All diese kleinen wundervollen Dinge sind leider nicht genug, um mir El Alto/La
Paz insgesamt schöner in Erinnerung zu halten. Sollte ich jemals an Reichtum leiden, möchte
ich trotzdem ungemein gerne nach El Alto zurückkehren und schauen, was es mit dem dort
überall propagierten Wandel auf sich hatte. Zuvor allerdings gäbe es noch eine Menge anderer
Länder Lateinamerikas zu entdecken.
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Tim Rilling
Wiñanancama
Um von meinem weltwärts-Jahr in Bolivien noch einmal abschließend zu berichten, möchte ich
zuerst das Vorbereitungsseminar erwähnen. Zwölf Tage lang verbrachte ich mit gut der Hälfte
der Freiwilligen 2013/2014 eine schöne Zeit in Zeulenroda-Triebis. Obwohl das Seminar nur
wenig vorbereitenden Charakter hatte, war es schön, Leute kennenzulernen, die ein ähnliches
Abenteuer wie ich durchleben werden. Dieses begann am neunten September vom Stuttgarter
Hauptbahnhof über Frankfurt, São Paolo und Asunción bis schließlich nach Santa Cruz de la
Sierra im Tiefland Boliviens. Von Beginn an wurden Nina, meine Mitfreiwillige, und ich ins kalte
Wasser geworfen. Am Flughafen angekommen wussten wir nicht wirklich, wie es weitergehen
sollte. Doch dann begrüßten uns schon der Direktor unserer Einsatzstelle, der Präsident der
dortigen Kirche sowie der Internatsschüler Wilfredo. Während der merkwürdigen, zweistündigen Autofahrt führten wir sporadisch Small-Talk. Dann kamen wir endlich in Puesto Fernández
Alonso, einem erst knapp 50 Jahre altem „Zuckerrohrdorf“ an. Völlig übermüdet wurden wir
vorgestellt und spielten noch bis es dunkel wurde mit den Kindern des Internats.
Die erste Nacht schliefen wir im Internatszimmer. Am nächsten Tag wurden uns unsere
zukünftigen Zimmer, die innerhalb von zwei Wochen fertiggestellt werden sollten, gezeigt. Angesichts der Tatsache, dass das lediglich eine Betonkonstruktion ohne Boden, Fenster oder Tür
war, erschien mir das ziemlich unwahrscheinlich. Vorübergehend wurde ich im Haus des Pastors
einquartiert – also natürlich nur „zwei Wochen“. Daraus wurden dann fünf Monate. Der Schock
saß zu Beginn schon tief. Ursprünglich wollte ich meinen Freiwilligendienst in einer Stadt leisten
und keinesfalls in einem religiösen Projekt. So bestand nun mein erhofftes Abenteuer aus Gottesdienst à mindestens zwei Stunden fünfmal pro Woche und einem kleinen Dorf, durch dessen
Markt ich nur gebückt laufen konnte. Zudem wurden Nina und ich für Missionare gehalten. In
Deutschland lebte ich davor auch auf dem Land, aber das ist nicht vergleichbar. Ein Beispiel:
Mein 9000-Einwohner-Dorf Weilheim an der Teck hat mindestens sechs Supermärkte, in dem
stärker besiedelten Puesto gibt es keinen einzigen. Dennoch waren die Leute sehr freundlich
und wirkten auch sehr bemüht. Im Zentrum arbeitete der noch sehr junge Hausaufgabenlehrer
Angel, der später auch zu einem Kumpel wurde. Dann gab es noch den Direktor Bismarck
und die Köchin Bethy. Anfangs haben wir vor allem viel mit den Kindern gespielt, dann aber
auch Angel bei der Hausaufgabenbetreuung geholfen oder eben unsere Zimmer gestrichen. Das
große Gelände war über die Jahre sehr vernachlässigt worden, aber vor allem erkannte man ein
großes Problem Boliviens: Die Müllbeseitigung. Überall lagen Papiere, Plastikabfälle bis hin zu
Scherben und alten Schuhen rum. Vieles davon auch im Tomatenbeet. Über die Wochen hinweg
lernte ich die Kinder immer besser kennen, machte Fortschritte mit dem Spanisch und konnte
mich immer besser in die Betreuung einbringen. Vor allem war mir wichtig den Kindern den
richtigen Umgang mit der Umwelt und dem Müll beizubringen. Spielerisch versuchten Nina,
Angel und ich den Kindern das zu erklären. Die Zeit verflog und nach Weihnachten zogen die
Kinder aus dem Internat wieder zu ihren Familien oder Verwandten und auch Nina und ich
hatten Sommerferien und somit jeweils viel Zeit zum Reisen. Über das Jahr verteilt hatte ich
die Gelegenheit viele schöne Länder und Orte in Südamerika zu sehen. Bolivien, Peru, Chile,
Argentinien, Uruguay und sogar ein kleines bisschen Brasilien und Paraguay haben mich faszi69
70
Tim Rilling
niert. Die Kulturen mit ihren Kleidungen, Traditionen, Bräuchen, Sprachen und besonders die
Naturschauspiele sind überwältigend. Dabei ist mir allerdings auch sehr bewusst geworden, die
eigene Natur zuhause in Deutschland mehr wertzuschätzen. Der indigene Grundgedanke, der
„Pachamama“ (Muttererde) immer etwas zurückzugeben, von dem was sie uns gibt, finde ich
so simpel wie genial. Zum neuen Schuljahr zurück im Dorf hatten sich viele Wechsel vollzogen: neue Direktorin, neue Kirchenpräsidentin, neuer Pastor, neues Zimmer, kein Lehrer und
viele neue Kinder. Eigentlich wollte der Kirchenrat schon das Zentrum schließen. Doch auch
weil wir als für Unterkunft und Verpflegung zahlende Freiwillige da waren, wurde beschlossen
die Kinderbetreuung aufrechtzuerhalten. Bis September wechselten die Direktorinnen noch
dreimal durch. Nina und ich entschieden uns zu bleiben und lernten die neuen Kinder immer
besser kennen, verstanden das Schulsystem sowie die Lehrer besser und konnten auch große
Fortschritte mit den Kindern erzielen. Zu wissen, die eigenen Wünsche und Vorstellungen nach
hinten gestellt zu haben, um dafür einem Viertklässler lesen und schreiben beizubringen, war
wohl die größte Erfüllung während dieses Jahres. Klar hätten wir den Kids gerne auch Computerunterricht gegeben, Englisch beigebracht oder ein Umweltbewusstsein eingeprägt. Aber
einen geordneten Tagesablauf zu bieten, wichtige Werte wie Höflichkeit, Disziplin, Ehrlichkeit
und Basiswissen in Sprache und Mathe zu vermitteln war einfach wichtiger und beanspruchte
schon genug Zeit. Ich habe aus diesem Jahr vieles für mich mitgenommen. Ein Punkt davon
ist, dass ich mich auch in meiner Freizeit mehr engagieren möchte und aktiver sein will. Ein
anderer ist, dass Entwicklungsarbeit doch nicht so gut abläuft, wie man es sich vorstellt und
erhofft. So ist auch mein Vertrauen in viele Organisationen gesunken.
Ich habe vieles über Bolivien gelernt und viele nette Leute, die das Jahr so schön gemacht
haben, kennengelernt. Am Wochenende war ich die meiste Zeit in Montero oder Santa Cruz,
wo ich dem Dorf „entfliehen“ konnte, mit Freunden Basketball spielte und einfach mehr Leute traf. Schließlich war meine Abschiedswoche traurig, doch zugleich auch sehr schön. Neben
diesem Abschlussbericht stellte auch das Nachbereitungsseminar den offiziellen Schlusspunkt
meines Freiwilligendienstes dar. An sich finde ich es ein gute Sache, wenn man die Möglichkeit
bekommt, sich nochmals über das Geschehene auszutauschen, Möglichkeiten sich weiterhin zu
engagieren gezeigt bekommt oder einfach im Falle des Re-entry-Schocks sich austauschen kann.
Allerdings hatte ich den Wunsch nach alldem nicht und sah auch nicht die Notwendigkeit dazu.
Trotzdem wird man durch das Weltwärts-Programm dazu verpflichtet, am fünf Tage langen
Seminar teilzunehmen, obwohl man sich schon wieder eingelebt hat und im Arbeitsleben, Studium oder sogar in einem anderen Land angekommen ist. Dass dies so streng und rücksichtslos
geregelt wird, finde ich schade und ich kann demgegenüber kein Verständnis entgegenbringen.
Ich danke alldenjenigen, die mir dieses Jahr ermöglicht haben und es so unvergesslich gestaltet
haben.
¡Hasta luego, nos vemos Bolivia!
Veronika Mehlhart
ARTErias Urbanas
Ich war von September 2013 bis September 2014 als Freiwillige des BKHWs in dem Projekt
„ARTErias Urbanas“ in Santa Cruz, Bolivien. ARTErias Urbanas ist ein Kollektiv von Künstler. Hierzu gehören sowohl freischaffende Künstler, bei denen die Kunst ihr einziger Beruf
ist, wie auch Kunststudenten und Menschen, die Kunst als „Hobby“ neben ihrer eigentlichen
Beschäftigung betreiben. Wichtig ist hierbei, dass es bei ARTErias keine festen Angestellten
gibt. Alle Menschen arbeiten dort freiwillig, und demnach kann auch jeder seine eigenen Ideen und Projekte einbringen. ARTErias Urbanas beschränkt sich hierbei nicht auf einen Aspekt
der Kunst, sondern vereint Malerei, Skulptur, Theater, Musik, Poesie, Fotografie, Film, ZirkusKunst, und vieles weitere. Eines seiner größten Ziele ist es, die Kunst aus dem Zentrum der
Stadt hinauszubringen, um sie somit nicht mehr exklusiv für die Mittel- und Oberschicht des
Landes zugängig zu machen. Denn, so das Motto von ARTErias: Kunst ist für alle da, und
kann in ärmeren Vierteln von Santa Cruz und entlegenen Gegenden des Landes den Alltag der
Menschen verschönern und ihnen Alternativen aufzeigen.
Ich hatte während meines Freiwilligendienstes einige generelle Aufgaben, um die ich mich
das ganze Jahr kümmern musste. Hierzu gehörte zum Beispiel ein Teil der Verwaltung der
Internet- und Facebook-Seite des Kollektivs, d.h. regelmäßig über neue Veranstaltungen und
Angebote zu informieren. Ich kümmerte mich auch um das Erstellen von Plakaten und Flyern
zu ebendiesen Veranstaltungen, die regelmäßig von ARTErias durchgeführt werden.
Ansonsten habe ich mich sehr unterschiedlich bei den jeweiligen Events beteiligt, habe
geschaut wo Hilfe benötigt wurde, und hatte immer explizite Aufgabenbereiche um die ich
mich kümmern musste. Da es jetzt aber zu lange dauert die aufzulisten erzähle ich einfach mal
generell, was ARTErias Urbanas während meinem Freiwilligenjahr so alles gemacht hat:
Während der vergangenen 12 Monate haben wir an vielen kleineren Projekten, Kursen und
Veranstaltungen gearbeitet. Zum einen bietet ARTErias Urbanas regelmäßig verschiedene Kurse in dem Centro Cultural Oriental, seinem Hauptsitz, an. Im Dezember war das erste große
Projekt meiner Mitfreiwilligen und mir ein Kunst- und Bastelkurs für Kinder, den wir selbstständig während der dortigen Winterferien angeboten haben. Einen ähnlichen Kurs haben wir
auch im Februar noch einmal an einer Kindertagesstätte angeboten. Des Weiteren habe ich über
das Jahr als Assistentin geholfen bei Zeichen- und Akrobatikkursen für Erwachsene sowie bei
Töpferkursen für Kinder.
Mehrere Male haben wir außerdem ein Projekt der ehemaligen Freiwilligen weitergeführt,
die sogenannten „Ciclos de Cine“. Hierbei haben wir einmal die Woche kostenlos einen Film
gezeigt, und immer drei Filme zu einem bestimmten Thema, z.B. Fotografie. Diese Ciclos waren
Aufgabe der Freiwilligen, und zu der Vorbereitung und Durchführung gehörte vor allem die
Öffentlichkeitsarbeit, um die Menschen von dem Angebot zu informieren.
Ein großer Aspekt der Arbeit von ARTErias Urbanas bezieht sich auf Graffiti, beziehungsweise Wandmalereien. Auch in dem vergangenen Jahr haben sie in gemeinsamer Arbeit sehr
viele „Murales“ kreiert, also Wandmalereien (meist mit Graffiti-Elementen) an öffentlichen Orten. Eines der größten Projekte war das Mural in der „Manzana 1“, also direkt im Zentrum der
Stadt und somit für die Anerkennung des Projekts und dem Sprayen als Kunst innerhalb von
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Veronika Mehlhart
Santa Cruz und ganz Bolivien besonders wichtig. Doch auch in vielen entlegeneren Vierteln
der Stadt hat ARTErias die Straßen durch Murales verschönert, und somit auch den Leuten die
etwas außerhalb und in ärmlicheren Gegenden wohnen, die Kunst ein wenig näher gebracht.
Die größeren Veranstaltungen des Projektes in diesem Jahr waren sogenannte Kunstfeiern,
bei welchen im Laufe eines Nachmittags oder Abends verschiedenste Künstler ihre Talente
vorgeführt haben. Es war sehr spannend, und ich konnte viel Neues kennenlernen, wie zum
Beispiel modernen Tanz und alternative Arten der Malerei. Zur Finanzierung wurde während
der Veranstaltung Essen und Getränke verkauft, und es gab Auktionen und Verlosungen mancher Kunstwerke.
Insgesamt habe ich mich in dem Projekt ARTErias Urbanas immer sehr wohl gefühlt. Die
Menschen, mit denen ich täglich zusammengearbeitet habe sind zu meinen engsten Freunden
geworden, und ich habe durch den Aufbau des Projektes ständig neue Leute kennengelernt.
Außerdem hab ich viel Neues und Spannendes über unterschiedliche Bereiche von Kunst und
Kultur gelernt, zum Beispiel über Graffiti und Wandmalerei, was bei ARTErias ja eine große
Rolle spielt. Ein Nachteil war, dass es durch die offene Struktur und das Fehlen geregelter Tagesabläufe während meines Jahres jedoch auch oft zu Leerläufen kam, in denen ich als Freiwillige
eher wenig zu tun hatte.
Gewohnt habe ich während meiner Zeit in Santa Cruz bei der Familie Mochiduki. Es war
jedoch eher ein Vermieter-Mieter-Verhältnis als eine Gastfamilie wie man sie sich vorstellt, denn
ich war dort komplett unabhängig und musste für mich selber sorgen. Trotzdem war die Familie
mir gegenüber immer sehr herzlich, und ich konnte mich jederzeit zu ihnen setzen um mit ihnen
zu reden.
Ich habe mich während meines Jahres nicht nur in meiner Arbeit und Familie, sondern auch
insgesamt im Umgang mit den Bolivianern immer sehr willkommen gefühlt. Bolivien ist ein sehr
spannendes und vielseitiges Land, was man schnell bemerkt wenn man reist. Aber überall, und
in Santa Cruz besonders, sind die Menschen sehr offen, freundlich und herzlich.
Veronika Ruppert
Centro Educativo Multifuncional Villa Armonía
Mein Jahr in Bolivien
Das Vorbereitungsseminar 2013 war bereits
der Startschuss für den Freiwilligendienst in
Bolivien. Auch wenn ich nach den Tagen in
Zeulenroda nicht wirklich mehr Wissen von
Bolivien hatte, so kannte ich immerhin einige Mitfreiwillige, mit denen ich teilweise
das darauf folgende Jahr gemeinsam in Sucre verbracht habe!
Am 12. August ging es dann endlich mit
dem Flieger los. Nach etwas trauriger Verabschiedung überwiegte doch eindeutig die
Vorfreude und Neugier auf Bolivien!
Nach langer Reise kam ich endlich in Sucre, der Hauptstadt von Bolivien, an. Natürlich war erstmal alles neu, ungewohnt und spannend.
Doch kaum waren ein paar Wochen vergangen, so hat man sich doch schon einigermaßen eingewöhnt und sah viele eigentlich ungewohnten Dinge als normal an!
Mein Projekt in Sucre war das CEMVA (= Centro Educativo Multifuncional Villa Armonía),
in einem Stadtviertel etwas außerhalb der Stadt. Dort habe ich in den Projekten in Villa Armonía
B gearbeitet, was ein Stückchen weiter vom Hauptgebäude im nächsten Stadtviertel war!
Vormittags (von 9 bis 13 Uhr) hab ich
in einer Guadería gearbeitet, dass ist ein
Kindergarten für Kinder zwischen 6 Monaten bis zu 5 Jahre, die in unterschiedlichen alltersgerechten Gruppen aufgeteilt
sind! Nachmittags (von 14:30 bis ca. 17:30
Uhr) habe ich in einem Centro Juvenil gearbeitet. Hier kamen jeden nachmittag etwa 35
Kinder unterschiedlichen Alters um Unterstützung für ihre Hausaufgaben zu erhalten
und einen sicheren Ort zum Spielen zu haben, so dass sie nicht auf der Straße spielten.
Das Spielen stand natürlich bei den meisten
Kindern etwas mehr im Vordergrund wie ihre Hausaufgaben, so musste auch ich das ein oder
andere Mal erst lang andauernde Überzeugungsarbeit leisten bis ich anschließend gemeinsam
mit dem Kind die Hausaufgaben angehen konnte. Im ganzen Jahr sind mir aber alle Kinder
unheimlich ans Herz gewachsen – sowohl aus der Guadería als auch aus dem Centro Juvenil!
Einige Probleme kamen von Anfang an mit unserem Visum auf. So hatten wir viele langwierige Termine um unser Visum zu beantragen und es dauerte bis März bis wir unser Visum
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Veronika Ruppert
erhielten! Natürlich kamen nach den ersten Wochen der Anfangseuphorie auch immer wieder ein paar Phasen in denen Probleme auftauchten. So begleitete mich am Anfang öfters die
Schwierigkeit der Kommunikation, denn auch wenn ich bereits einige Jahre Spanisch hatte, so
fehlten mir die ersten Wochen viele Wörter und Strukturen. Doch nach dem Motto „Learning
by doing“ verbesserten sich auch meine Sprachkenntnisse sehr schnell!
Am Anfang galt es natürlich auch die Kultur und die
Dinge des Alltags zu verstehen und sich weitestgehend
anzupassen. So waren die ersten paar Tage ohne fließend
Wasser natürlich eine ganz neue Erfahrung. Nichtsdestotrotz waren genau diese Dinge das, was ich kennen und
schätzen lernen wollte. Bereits nach ein paar Wochen war
es auch ganz normal, sodass es schon mal vorkam, dass
wir Wasser hatten und es gar nicht gemerkt haben!
Im Eiltempo verflog auch schon die Zeit und es
stand Weihnachten vor der Tür. Das war für mich persönlich – wie für viele andere auch – das erste Weihnachten ohne die Familie. So war schnell für uns klar, das
möchten wir gemeinsam mit unserer 4er-WG (zu diesem
Zeitpunkt) feiern. Im Vorhinein wurden bereits fleißig
Plätzchen gebacken (sogar mit den Kindern), allerdings
standen wir nun teilweise bei unglaublicher Wärme auch
noch vor dem Herd und sind aus dem Schwitzen gar
nicht mehr herausgekommen. Denn inzwischen war der Sommer und damit die Regenzeit eingekehrt. An Weihnachten selbst, haben wir dann erstmal ein Adventsessen mit Glühwein und
Plätzchen gemacht – allerdings in kurzen Hosen. Nach der Kirche hatten wir eine schöne Parillada (Grillenabend) gemacht, den wir uns mit super Blick über Sucre auf unserer Dachterrasse
schmecken ließen!
Wie immer raste die Zeit mit Arbeiten,
ein paar Wochenendausflügen und kleineren Projekten wie Bastelaktionen o.ä. davon
und schon war es März. Anfang März kam
dann ein Großteil meiner Familie zu Besuch.
In den nächsten 3 Wochen hatten wir einen
schönen gemeinsamen Urlaub. Denn auch
wenn es am Anfang etwas schwierig war, da
man sich lange nicht gesehen hatte und ich
bereits im Vergleich zu meiner Familie an die
Kultur gut gewöhnt war. Dennoch waren die
gemeinsamen Wochen super schön und auch
ich konnte von Bolivien noch viel entdecken.
So ging es für uns im Amboró-Nationalpark in der Nähe von Santa Cruz los, weiter nach Oruro
zum Karneval, der als Weltkulturerbe gilt, dann nach La Paz und zum Titicacasee mit der Isla
de Sol. Ein gemeinsames Highlight war dann noch die Tour am Salar de Uyuni. Abschließen
besuchten sie mich natürlich in Sucre um sich ein Bild von meinem Leben und meiner Arbeit
vor Ort zu machen.
Kurz darauf habe ich es endlich für mich geschafft einen Ort für wöchentliche TangoStunden zu finden, was mir unglaublich viel Spaß gemacht hat. Dort wurde ich sofort super
aufgenommen und konnte noch weitere Freunde finden, mit denen ich auch viel in meiner
Freizeit gemacht habe!
Veronika Ruppert
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Ein für mich persönliches Anliegen war
natürlich auch die Arbeit. So versuchte ich
täglich für die Kinder als Bezugsperson für
Fragen und alles, was sie bewegt, da zu sein.
In diesem Sinne wollte ich mich natürlich
auch in die Projekte mit einbringen, so machten wir mit den Kindern immer mal wieder
einen Ausflug – egal ob es zum nahegelegeneren Spielplatz oder doch mit Bus und Proviant etwas weiter war. Dabei hatte ich auch
immer Unterstützung von meinem Mitfreiwilligem Pablo und der Verantwortlichen des
Jugendzentrums.
Ein mir persönlich sehr wichtiges Thema war das Zähneputzen – das sich jedoch auch
teilweise als sehr schwierig erwies. Dank einer Spende von Zahnhygieneverein aus Deutschland
konnten wir jedem Kind eine Zahnbürste geben, damit wurde das tägliche Zähneputzen für alle
Kinder zur Pflicht.
Zusätzlich haben wir gemeinsam mit allen Freiwilligen ein kurzes Theaterstück entwickelt,
das wir zur Aufklärung zum Zähneputzen in allen Einrichtungen vortrugen. Außerdem gab es
bereits seiteinigen Jahren die Förderung, dass von den Kosten vom Zahnarzt vor Ort etwa 70 %
übernommen werden. Also habe ich angefangen mit ein paar Kindern täglich zum Zahnarzt zu
gehen. Dies erwies sich allerdings als sehr langwierig und mir war es in keiner Weise möglich mit
allen Kindern zu gehen. Doch ich hoffe, dass dies noch weitergeführt wird. Ein weiteres Projekt
was einige Hochs und Tiefs hatte war das von mir ins Leben gerufene Tanzprojekt. Dies hatte
nicht direkt mit meinen Arbeitsstellen zu tun, sondern an der Schule des Stadtviertels. So konnte
ich den Schülern vor ihrer Abschlusspräsentation vor Weihnachten helfen, die Choreografien
zu erlernen und zu verbessern. Nach den langen Sommerferien, erwies es sich jedoch etwas
schwieriger, da die Schüler meist nicht regelmäßig erschienen!
Ein Abschlussprojekt vor meiner Abreise war noch
die Absicherung des Klettergerüstes in der Guadería.
Denn dort stand ein Klettergerüst auf reinen Betonplatten. Durch diese Gefahr durften die Kinder meistens
nicht darauf spielen, was sie aber liebend gern getan hätten.
Ein Projekt hierbei war, dem Klettergerüst einen
neuen Anstrich zu geben und die Betonplatten mit einer
Art von Strohmatratzen abzusichern. Neben der Arbeit
freute ich mich natürlich auch immer sehr, wenn ich etwas Pause hatte und einen Urlaub machen konnte, um
mehr von Land und Leuten zu entdecken. So konnte ich
abgesehen von vielen Orten in Bolivien auch eine Woche
Chile bereisen und habe es noch geschafft nach Peru zu
kommen. Dort habe ich mich auch mit ein paar Freunden aus meiner ehemaligen Klasse getroffen!
Nachdem die Zeit so schnell verflogen ist, ging mein
Jahr Anfang August 2014 schon wieder zu Ende. Die letzten Wochen waren nochmals mit die
schönsten, da man sich mit allen intensiv getroffen hat und nach einem Jahr auch wirklich sein
Leben in Bolivien aufgebaut hat. Mir fiel so das Abschiednehmen besonders schwer. Doch es
half alles nichts irgendwann war der Tag da, an dem der Flieger wieder nach Deutschland ging.
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Veronika Ruppert
Dort erwarteten mich die meisten schon
freudestrahlend. Natürlich war es schön alle wieder zu sehen und einen gebührenden
Empfang zu bekommen. Dennoch muss ich
sagen, ist es nicht so leicht sich nach einem
Jahr in einer komplett anderen Welt wieder
an Deutschland zu gewöhnen. Dieser Prozess wird auch noch eine ganze Weile andauern. Als Abschluss des ganzen Jahres hatten wir ein Nachbereitungsseminar in Tettenborn. Hier fand ich es sehr schön alle
Freiwilligen noch ein Mal zu sehen und mich
etwas mit ihnen austauschen zu können. Im
gesamten bin ich unglaublich froh, dass ich die Erfahrung machen durfte und ein Jahr in Bolivien gelebt habe. Es war bestimmt nicht das letzte Mal, dass ich mich in diesem Land aufgehalten
habe. Nun steht eine neue Zeit bevor, in der mich meine Erfahrungen aus Bolivien sicherlich
noch weiter begleiten werden und in der ich erstmal wieder in Deutschland ankommen muss
und die Welt hier verstehen lernen muss!
Veronika Ruppert!