Pferdebeurteilung ES - Verband Schweizerischer

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Pferdebeurteilung ES - Verband Schweizerischer
Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
Pferdebeurteilung
aus Sicht neuer Erkenntnisse aus
funktioneller Anatomie und Biomechanik
Hanspeter Meier
Foto: Debora Vogt, 2010
Dieses Bild möge bitte nicht illustrieren, dass hier jemand ein Brett vor der Stirn hat,
sondern vielmehr versinnbildlichen, dass wir uns von der sehr komplexen Materie der
Pferdebeurteilung nur gerade erst einen ganz bescheidenen Überblick verschaffen
können. Wir blinzeln erst gerade über den Zaun hinweg.
La connaissance du naturel d‟un cheval
est un des premiers fondements de l‟art de monter
et tout homme de cheval doit en faire
sa principale étude
De la Guérinière
0
Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
Inhaltsverzeichnis
Pferdebeurteilung und funktionelle Anatomie
2
Einleitung
2
Literatur
4
- Traditionelle Literatur
4
- Heutige Literatur
6
Grundsätzliches
Langlebigkeit und Abgangsursachen
7
Exterieurbeurteilung des Reitpferdes aus genetischer und
reiterlicher Sicht
7
Funktionelle Anatomie am Beispiel der Schulter
9
Rennpferd
Die Rolle des Exterieurs bei muskuloskelettalen Problemen des
Rennpferdes
Prävalenz und Bedeutung von muskuloskelettalen ExterieurMerkmalen bei Vollblut-Jährlingen
10
10
Renn- und Reitpferd
Zusammenhang von Sport-Disziplin und -Niveau mit anatomischer
Lokalisation von orthopädischen Verletzungen
Züchterische Bedeutung von Gliedmassenerkrankungen beim
16
16
15
20
Reitpferd
Heritabilität der Form der Gliedmassenspitze, sportliche
Leistung und Nutzungsdauer bei Warmblutpferden
22
Pferdebeurteilung und Biomechanik
27
Einleitung
27
Geschichtliches
28
Bewegungsapparat
30
Biomechanik
Bewegungsstudien und -analysen
Ursachen für Verletzungen
Verletzungen wegen Reiterfehlern
Bemühungen um Verbesserungen vor Verletzungen
35
35
37
40
41
Biomechanische Messungen
44
Handel und Zucht
48
Oekologie
52
Literaturverzeichnis
58
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Pferdebeurteilung und funktionelle Anatomie
Einleitung
Die Materie der funktionellen Anatomie und ihre Beziehung zur Pferdebeurteilung ist
anspruchsvoll und auch schwierig zu vermitteln, insbesondere weil letztere zu einem
grossen Teil Ermessenssache ist und man in vielen Dingen in guten Treuen unterschiedlicher Meinung sein kann. Dies ist bedingt dadurch, dass viele wichtige
Parameter nicht gemessen werden können und somit die primitivsten Anforderungen an ein wissenschaftliches Vorgehen nicht erfüllt werden können.
„When you can measure what you are speaking about, and express it in numbers,
you know something about it; but when you cannot measure it, when you cannot express it in numbers, your knowledge of it is of a meager and unsatisfactory kind; it
may be the beginning of knowledge, but you have scarcely, in your thoughts, advanced it to the stage of science.” (Lord Kelvin 1824 - 1907) (Love et al. 2005)
In diese gleiche Kerbe hieb auch der Berner Duerst, der sich 1922 ebenfalls mit der
Frage der Wissenschaftlichkeit der Exterieurbeurteilung befasste:
„Wir wollen festhalten, dass die gesamte Beurteilungslehre der alten Zeiten bis zur
Mitte des 18. Jahrhunderts auf teils abergläubisch gedeuteten, teils völlig missverstandenen Erfahrungsregeln fusste und eine verhältnismässig wissenschaftliche Betrachtungsweise erst dann beginnen konnte, als die Erkenntnis der anatomischphysiologischen Funktionen des Pferdekörpers einige Verbreitung erfuhr (Anatomia
del cavallo von Senator Carlo Ruini, Bologna 1598). Erst Claude Bourgelat schien
diese Erfahrungsregeln in eine „Wissenschaft“ umzugestalten, hatte er doch schon
im Jahre 1744 in Lausanne-Genf ein Lehrbuch der Beurteilungslehre, „Le nouveau
Newcastle“, anonym erscheinen lassen. Dass Bourgelat, im Bestreben wissenschaftlich zu werden, über das Ziel hinausschoss und doktrinär wurde, ist bekannt.“
Wir haben es bei der Pferdebeurteilung also mit einer inexakten Wissenschaft zu
tun - wenn überhaupt. Nach meinem Dafürhalten beginnen wir erst langsam, diese
Bemühungen auf einem wissenschaftlichen Niveau auszuüben. Was in keiner Art
und Weise als Vorwurf an unsere Vorgänger verstanden werden darf. Aussagekräftige Studien mit grossen Zahlen wurden ja erst dank der grossartigen Fortschritte
der Informationstechnologie in unserer Zeit möglich.
Grosse Aufmerksamkeit verdient aber der Umstand, dass Exterieur-Merkmale häufig
auch für die Zuchtwertschätzung herangezogen werden. Dies ist – cum grano salis
– bei Zuchtzielen für Exterieurmerkmale bis zu einem gewissen Masse verständlich,
darf aber nie und nimmer die Bedeutung erlangen wie die Selektion auf Leistung und
Gesundheit. Es fällt ja in erschreckendem Masse auf, wie relativ hoch die Frequenz
von Erbfehlern bei jenen Zuchten ist, die vornehmlich nach Exterieur selektionieren –
was u.a. auch ein grosses ethisches Problem ist.
Dieser Tatbestand ist wohl am besten beschrieben worden durch den überaus erfolgreichen Vollblut-Züchter Federico Tesio: „The Thoroughbred exists because its selection has depended not on experts, technicians or zoologists, but one piece of wood:
the winning post of the Epsom Derby”.
Die im Spitzensport erbrachte Leistung ist unvergleichlich viel wertvoller als ein paar
noch so “schöne” Exterieurmerkmale beim stehenden Pferd.
Schliesslich müssen wir uns immer vor Augen halten, dass viele Käufer Wert legen
auf ein „korrektes“ Aussehen von Pferden – und darum bei vielen (zu vielen) Fohlen
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Stellungsanomalien operativ „korrigiert“ werden. Hiermit ist die Gefahr nicht unbeträchtlich, bei einer späteren Beurteilung „Katzen im Sack“ zu kaufen.
„Die Makelfreiheit ist der Güter höchstes nicht, der Übel
grösstes aber Ungesundheit !“
Graf Georg von Lehndorff (1887-1912, preussischer Oberlandstallmeister)
Abb. 1 Mandarin unter seinem Jockey Fred Winter – ein Pferd, dessen Interieur
noch bemerkenswerter ist als sein funktionell erwiesenermassen gutes Exterieur und
das als eines der grössten Rennpferde aller Zeiten gilt.
Er gewann u.a. die Grand Steeple Chase de Paris 1962 in Auteuil, ein Jagdrennen
von 4800 m Distanz über einen Kurs in Form einer Acht. Der Boden war tief,
Mandarin übernahm nach dem Start die Spitze und beim dritten Hindernis (von 24)
brach die Gummitrense im Maul des 11-jährigen Wallachs. Am Wassergraben
machte Mandarin einen Fehler und verlor Boden. Beim drittletzten Sprung etwa 800
m vor dem Ziel verletzte er sich, übernahm am zweitletzten Hindernis aber wieder die
Spitze und gewann das Rennen in einem Photofinish mit kurzem Kopf.
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Literatur
The ideal Horse
Round-hoofed, short-jointed, fetlocks shag and long,
Broad breast, full eye, small head, and nostril wide,
High crest, short ears, straight legs and passing strong,
Thin mane, thick tail, broad buttock, tender hide.
Look what a horse should have he did not lack,
Save a proud rider on so proud a back.
W.Shakespeare (1564-1616 , Venus and Adonis)
- Traditionelle Literatur
Die Beurteilung des Pferdes (Duerst 1922)
Im deutschsprachigen Raum gilt das Buch “Die Beurteilung des Pferdes“ von J.Ulrich
Duerst als das Standardwerk für dieses Fach (Duerst 1922). Professor Duerst war
Ordinarius an der Universität Bern, früher Gutsbesitzer sowie praktischer Züchter und
an diesem Buch mit 148 Abbildungen und einer farbigen Tafel arbeitete er jahrelang.
Im Vorwort spricht er von 20 Jahren Literaturstudium und 14jährigem Messen und
Forschen. Ursprünglich plante er bei 10„000 Pferden je 40 Messungen vorzunehmen,
musste sich wegen des ersten Weltkrieges jedoch schliesslich mit etwas mehr als
2„000 Pferden begnügen. Solch eine Leistung, die zu jener Zeit selbstverständlich
ohne die elektronische Datenverarbeitung erbracht werden musste, verdient grösste
Bewunderung und Hochachtung. Er selber bedauert aber sein mangelhaftes Zahlenmaterial - womit man sich gleich wundern muss, was er wohl zu modernen „wissenschaftlichen“ Arbeiten sagen würde, wo bspw. weniger als 50 Tiere untersucht und
trotzdem kalten Herzens Prozentzahlen präsentiert werden.
Einleitend geht Duerst auch auf die Beurteilungslehre in den klassischen Zeiten der
Griechen und Römer ein (von Kimon und Xenophon über Varro, Columella und
Palladius zu Vegetius) und bietet auch hiermit sehr wertvolle Informationen. Nachher
folgt eine unvorstellbare Menge von äusserst interessanten Daten und Angaben zu
allen möglichen Gebieten der Pferdekunde. Sein Werk ist eine Fundgrube sondergleichen - aber Nachttisch-Lektüre ist dieses Buch in keiner Art und Weise. Es bietet
sehr anspruchsvolle Informationen, und offensichtlich hat sich bei uns jahrzehntelang
niemand an dessen Studium gewagt. Beim Zügeln unserer Bibliothek (2008) war
nämlich festzustellen, dass das Buch noch gar nicht aufgeschnitten war (also für 86
Jahre !).
Den grössten Dank für die Entstehung seines Werkes spricht Duerst seine Schülern
aus, die ihm ihr stetes Interesse und ihre begeisterte Mitarbeit entgegenbrachten und
ihn dadurch für alle Mühe reich belohnten und anspornten. Auch mit der Wertschätzung seiner Schüler beweist Duerst aussergewöhnliche Grösse. Fortschritt
kann es ja nur geben, wenn die Schüler besser werden als die Lehrer. Diesen Zweck
soll auch diese Übersicht verfolgen.
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Das Äussere des Pferdes (Originaltext von Graf Wrangel 1928)
Folianten sind bereits über die äussere Form des Pferdes geschrieben worden. Wie
unvollständig und unpraktisch ein hippologisches Handbuch auch sein möge – die
Lehre vom „Exterieur“ ist sicher in demselben mit grösster Ausführlichkeit behandelt
worden. Das Äussere ist aber auch das Steckenpferd aller Kathederhippologen und
zahlreich sind diejenigen, die da glauben, mit Beihilfe des Messbandes aus den
äusseren Formen zuverlässige Schlusssätze bezüglich des Gebrauchs- und Zuchtwertes eines Pferdes ziehen zu können
Ist aber das Äussere von den Theoretikern bedeutend überschätzt worden, so hat
auch mancher sogenannte Praktikus demselben eine viel zu geringe Bedeutung beigelegt. Dies gilt ganz besonders von den Engländern. „Handsome is who handsome
does“ (Schönheit liegt in den Leistungen): „Horses go in all shapes“ (Die Form ist
nichts, der Gang alles) und „an ounce of blood is worth a pound of bone“ (eine Unze
Blut ist ebenso viel wert als ein Pfund Knochen) sind z.B. in England häufig angewendete Redensarten, die, obwohl ihr tiefer Sinn die grösste Beachtung verdient,
mehr als einen Anfänger auf sehr bedenkliche Irrwege geführt haben. Dass fehlerhaft
gebaute Pferde mitunter eine viel grössere Leistungsfähigkeit, als den Idealen der
Theoretiker entsprechende Tiere, an den Tag gelegt haben, ist allerdings auch
ausser Englands Grenzen kein Geheimnis für den Fachmann, nur lehrt die Praxis,
dass solche Widersprüche mehr scheinbar als wirklich sind. Die Überlegenheit des
fehlerhaft gebauten Pferdes hat nämlich in den meisten Fällen ihre natürliche
Erklärung darin, dass dieses von der Natur mit ganz ausserordentlichen inneren und
äusseren Eigenschaften ausgerüstet worden ist, welche die Mängel in seinem
Körperbau mehr wie aufwiegen. Und was mustergültig gebaute, aber schlaffe Pferde
betrifft, fehlt denselben aller Wahrscheinlichkeit nach das nötige Quantum „Dampf“,
ohne welchen der ausgezeichnete Mechanismus nicht auf eine höheren Anforderungen entsprechende Art im Gang erhalten werden kann.
Abb. 2 Vollblut, 1983, Zeichnung von Prof.Dr.H.Gerber (“Hene”)
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- Heutige Literatur
Ich hoffe sehr, mit den einleitenden Worten deutlich genug auf die grossartigen Arbeiten unserer Vorväter hingewiesen zu haben. Es ist unabdingbar, sich mit diesen
Grundlagen zu befassen, wenn man auf diesem Gebiet als ernst zu nehmend und
kompetent gelten möchte. Wer das nicht tut läuft überdies Gefahr, Fehler aus der
Vergangenheit zu wiederholen.
In den letzten Jahren wurden nun erfreulich viele neue Untersuchungen angestellt,
mit denen wir uns hier schwergewichtig beschäftigen möchten. Einerseits werden in
unseren Zeiten andere Ansprüche an die Pferde gestellt als früher und anderseits
erlauben uns die Computer heutzutage die Auswertung riesiger Datenmengen. Somit
können aussagekräftigere Ergebnisse erarbeitet werden, die zeitgemässen Anforderungen zu genügen vermögen. Des weitern ist klar, dass die Überprüfung der hypothetischen Beurteilung des stehenden Pferdes bei der Nutzung bzw. in der Bewegung erst vor relativ kurzer Zeit technisch möglich wurde (z.B. Hochgeschwindigkeits-Videos und Untersuchungen auf dem Laufband). Hier wird nun grosser Wert
darauf gelegt, die Pferdebeurteilung nicht ihrer selbst vorzunehmen („l‟art pour l‟art“ höflich ausgedrückt). Vielmehr wurden nahezu ausnahmslos nur Arbeiten beigezogen, welche die Resultate der Beurteilungen in der Folge auch überprüft und in
Beziehung zur späteren Nutzung gesetzt haben.
Gleichzeitig möge bitte klar werden, dass es eine Kunst ist, ein gutes Pferd zu erkennen, bzw. es positiv beurteilen zu können. Viel einfacher ist hingegen, „Fehlergucker“ zu sein und jedes zweite Pferde zu verurteilen. Obwohl man natürlich nur
schon gemäss Wahrscheinlichkeitsrechnung damit nicht selten recht bekommt. Oder
weil das betreffende Pferd leider in unerfahrene oder sogar schlechte Hände kommt.
Die moderne Pferdebeurteilung nimmt in verschiedenen Bereichen Bezug zu medizinischen Sachverhalten, bspw. Erkenntnisse aus der heutigen Nutzung, die sowohl
per se wie auch für den Handel und für den Einsatz in der Zucht von Bedeutung sind.
Dafür werden hier diverse Beispiele sowohl aus der Warmblut- wie der Vollblutzucht
beigezogen. Dadurch besteht eine unvermeidbare Durchmischung, die aber nicht als
Nachteil empfunden werden darf. Schliesslich bildet sowohl bei Renn- wie bei Reitpferden die Gesundheit die Grundlage der Leistungsfähigkeit und man kann auch
von einander lernen. Aufgeschlossenheit ist bekanntlich ja die wichtigste Voraussetzung für Fortschritt. Man muss sich einfach bewusst sein, dass die Beurteilung
von Renn- und Reitpferden neben Gemeinsamkeiten auch markante Unterschiede
kennt.
In allen Bereichen wurde versucht, den aktuellsten Stand des Irrtums zu präsentieren.
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Grundsätzliches
Die Pferdebeurteilung hat in erster Linie den Zweck, eine möglichst gute und
lange Nutzung des Pferdes und anderer Equiden zu ermöglichen. Aus diesem
Grunde interessiert zu Beginn, was überhaupt zu deren frühem Ausscheiden und
Abgang führt.
Zwei aktuelle Arbeiten liefern dazu Hinweise und zeigen, dass vor allem das muskuloskelettale System bzw. der Bewegungsapparat bei der Beurteilung Beachtung verdient.
Schätzungen der Langlebigkeit und Ursachen für Abgänge und Todesfälle bei schwedischen Warm- und Kaltblutpferden.
Estimates of longevity and causes of culling and death in Swedish warmblood and
coldblood horses (Wallin et al. 2000)
Dieser schwedischen Arbeit liegt der Tatbestand zugrunde, dass Leiden des muskuloskelettalen Systems zu 55% verantwortlich sind für den Tod von Warm- und Kaltblutpferden; dabei wurden 45% der Ursachen degenerativen Gelenkserkrankungen
zugeordnet, inkl. 10% wegen Strahlbeinlahmheit. Diese Zahlen betrafen vor allem
Pferde im Alter von 7 bis 10 Jahren.
Daneben wurde ein positiver Trend erkannt zwischen Alter des ersten Einsatzes und
der Lebensdauer der Pferde. Auf dieses Thema wird andernorts eingehender eingegangen.
Unfreiwillige Abgangsursachen bei Pferden in der Schweiz: Erste
Ergebnisse aus Versicherungsdaten
(Kappeler und Rieder 2010)
Die Auswertung von 168 Schadenfällen von einer regionalen Schweizer Pferdeversicherungsanstalt aus den Jahren 2000 bis 2007 ergab, dass das mittlere Abgangsalter bei 14,5 Jahren lag. Der häufigste Grund für das Ausscheiden waren mit 48.8%
Leiden des Bewegungsapparates, mit 13.7% Störungen des Verdauungs-, 4.8%
Erkrankungen des Herzkreislaufapparates und 4.2% Krankheiten der Atemwege.
Die überaus grosse Bedeutung des muskuloskelettalen Systems bezüglich Nutzungsdauer und verfrühtem Ausscheiden begründet das riesige Interesse an den
Möglichkeiten einer Beurteilung des Bewegungstieres Pferd und selbstverständlich
auch der Frage der Beeinflussung durch züchterische Massnahmen.
Exterieurbeurteilung des Reitpferdes
Exterieurbeurteilung des Reitpferdes - von der Genetik für die Praxis
(Christmann 2002)
Bei einer Tagung des Vereins zur Förderung der Forschung im Pferdesport (FFP,
2002) gab Christmann (Verband hannoverscher Warmblutzüchter), bekannt, dass
man sich in der Vergangenheit in der hannoverschen Zuchtarbeit sehr stark auf die
typischen Exterieur- und Leistungsmerkmale konzentriert habe und die Gesundheit
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keine grosse Rolle spielte. Die Ehrlichkeit dieser unvorteilhaften Aussage verdient
Anerkennung, weil solch eine Einstellung ja sowohl vielen empirischen wie wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht, bspw. dem Erfolg der KWPN-Zucht. Heutzutage gilt generell, dass in der Pferdezucht eine Leistungssteigerung in erster Linie
dank einer Verbesserung der Gesundheit vorstellbar ist.
Bezüglich der Erblichkeitsgrade von Exterieurmerkmalen für die Stutbuchaufnahme in Hannover wurden 1996 folgende Prozentzahlen erhoben:
- Die typ-prägenden Merkmale wie Kopf, Hals, Sattellage und Rahmen hatten
Werte zwischen 23% (Rahmen) und 41% (Kopf), lagen also im mittleren und
hohen Bereich.
- Die Erblichkeitsgrade für sämtlich Fundamentsmerkmale und Korrektheit
liegen aber merklich niedriger !
Vordergliedmassen 16%, Hintergliedmassen 18%, Korrektheit 14%
In Anbetracht obiger Arbeiten über die Bedeutung des Bewegungsapparates für die
Gesundheiterhaltung der Pferde sind diese Ergebnisse natürlich wenig ermutigend.
Christmann (2002) beschwichtigt jedoch mit der Ansicht, dass hier die Aufzucht eine
grosse Rolle spiele. Diese Aussage ist zwar sicher nicht falsch, aber leider doch auch
nicht besonders hilfreich. Es muss heutzutage ja als inakzeptabel oder zumindest unprofessionell gelten, wenn ein Züchter seinem Nachwuchs nicht in jedem Fall optimale Aufzuchtbedingungen bietet (Haltung, Fütterung, Hufpflege). Für uns Profis ist
hier von Bedeutung, dass züchterisch nur ein bescheidener Beitrag geleistet werden
kann, wenn Verbesserungen als nötig erachtet werden. Die Beurteilung bzw. Selektion von Zuchtpferden bezüglich Fundament verdient also besonders grosse Beachtung.
Exterieurbeurteilung des Reitpferdes - vom Reiter für die Praxis
(Plewa 2002)
Anlässlich der gleichen Tagung des Vereins zur Förderung der Forschung im Pferdesport (FFP, 2002), erlaubte sich Martin Plewa (ehemaliger, erfolgreicher Vielseitigkeitsreiter), auch über die Bedeutung des Interieurs zu sprechen (Originaltext).
Dieser Beitrag ist insofern besonders wertvoll, als sich hier – geradezu ausnahmsweise – ein kompetenter Praktiker äussert, jemand der in der Lage ist, die Erfüllung
des angestrebten Ziels selber beurteilen zu können. Dabei ist vollkommen klar, dass
Spitzenleistungen nur möglich sind, wenn unsere Partner auch mitmachen wollen.
Mit Zwang kommt man nicht so weit; die Leistungsbereitschaft, das Interieur, muss
vorhanden sein.
Die Berücksichtigung von Sensibilität, Reaktionsvermögen oder Intelligenz ist im Zusammenhang mit dem Veredlungsprozess durch die Einkreuzung von Vollblutgenen
wesentlich beeinflusst worden. Es ist auf Grund der sportlichen Anforderungen nicht
verwunderlich, dass der Anteil von Pferden mit Edelblut im Pedigree vor allem im
Spitzensport besonders hoch ist, und zwar überproportional im Vergleich zum durchschnittlichen Anteil an Vollblut in der gesamten Reitpferdepopulation. Vereinfacht
kann man daraus schliessen, dass die Wahrscheinlichkeit zur Fähigkeit zu Höchstleistungen bei einem veredelten Warmblüter höher wird. Dennoch ist insbesondere in
Deutschland der Einsatz von Vollblütern in der Reitpferdezucht eher unpopulär. Die
Bereitschaft und Fähigkeit zu Sensibilität und Reaktionsvermögen stelle ich als ein
Qualitätsmerkmal deshalb besonders heraus, weil heute die Tendenz besteht, Abge8
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stumpftheit, Teilnahmslosigkeit, Duldungsbereitschaft, ja gar Leidensfähigkeit bei der
Unterordnung als besonders positive Temperamentsmerkmale einzustufen. Derzeit
laufen sogenannte „Gelassenheitstests“, in denen mehr oder weniger überprüft wird,
inwieweit die natürlichen Reaktionen, die das Pferd als Fluchttier zum sicheren Aufenthalt in der Natur benötigt, bereits weggezüchtet oder möglicherweise sogar wegdressiert sind. Meines Erachtens ist dies fast ein Ansatz, die Natur des Pferdes in
Richtung Umzüchtung zu einer gefügigen „Sportmaschine“ zu pervetieren. Es sei mir
hier erlaubt anzumerken, dass ich es für reiterlicher halte, sich mit den natürlichen
Verhaltensweisen von Pferden zu beschäftigen, Pferde verstehen und sie reiten lernen, um mit ihnen art- und wesensgerecht umgehen zu können, statt ihre Natur auf
menschliche Unfähigkeiten umzumodeln.
Körperliche Konstitution
Auch Härte und Trockenheit werden ganz wesentlich durch den genetischen Input
des Vollblutes bestimmt. Bedauerlicherweise wird in den derzeitigen Selektionsstufen
bei Zuchtpferden auf Härte und Belastbarkeit kaum noch selektiert, z.T. werden Tierschutzüberlegungen vorgeschoben mit der möglichen Konsequenz, in Zukunft gesundheitlich anfälligere Pferde als Endprodukte vorzufinden, die vielleicht häufiger in
der Tierklinik als im Heimatstall stehen.
Funktionelle Anatomie am Beispiel der Schulter
Katapult-Wirkung für eine rasche Vorführphase
A catapult action for rapid limb protraction (Wilson et al. 2003)
Weitaus der grösste Teil aller Schriften und Bilder für die Exterieur-Beurteilung beziehen sich auf das Pferd im Stehen, von allen Seiten und mit allen möglichen Erläuterungen und Messungen, aber bis anhin nahezu ausnahmslos ohne logische Begründung für deren Bedeutung im Bewegungsablauf und ohne nachvollziehbare
Messungen.
Zu all den diversen Exterieurmerkmalen gehört natürlich auch die Schulter, und für
den Galopprennsport und die Vielseitigkeit wünscht man für gewöhnlich eine flache
Schulter. Es ist anzunehmen, dass dieser Wunsch auch auf Erfahrungswerten beruht und hier eine flache bzw. lange Schulter als „gute Schulter“ gilt (Abb. 3).
Für dieses Merkmal gibt es zur Abwechslung mittlerweilen glaubwürdige Erklärungen, die auf sehr interessanten Resultaten von biomechanischen Untersuchungen
beim Pferd beruhen und überdies auch das Verständnis für das Auftreten von Verletzungen an der Vordergliedmasse erleichtern.
Schnell rennende Tiere müssen in der Lage sein, ihre Gliedmasse rasch genug vorführen zu können um für die nächste Belastungsphase bereit zu sein. Diese Anforderung ist aber vor allem für grosse Tiere schwer zu erfüllen, einerseits wegen ihrer
langen Gliedmassen und anderseits wegen ihrer langsam und relativ schwach kontrahierenden Muskulatur. In den Vorderbeinen muss in der Zeitdauer des Vorführens
eine belastbare Festigkeit aufgebaut werden, aber die dafür nötige Fähigkeit ist bei
den Beugesehnen limitiert. Jedenfalls blieb das Ausmass der Federung beim Auffussen auf Messplatten immer gleich, weshalb es bei Überbelastung zu Schädigungen der Sehnen kommen kann – es sei denn die Unterlage (Geläuf) wirke dieser
entgegen (bekanntlich ein sehr grosses und weit verbreitetes Problem bei Sportpferden).
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Abb. 3 Ein sehr schöner Beleg für die
Bedeutung der Schulter als biomechanisch und funktionell wichtiges
Exterieurmerkmal ist dieser Kupferstich von Lawrence (1801).
Die flache Schulter (links) ermöglicht
nach Ansicht von Lawrence (1801) im
Bereich des Gelenks eine grössere
Exkursion.
A-B extent of motion
C center of motion
E point of elevation of the lower part
of the shoulder when it is advanced
Es wurde nun erkannt, dass beim Pferd die Bizeps-Muskulatur als Elastizitäts-Reserve dient, die in der vorhergehenden Stützphase aufgebaut wird. Diese Erkenntnis bestätigt die empirische Erkenntnis, dass für galoppierende Pferde (Renn- und Vielseitigkeitspferde) das Exterieurmerkmal Schulter dann als „gut“ gilt, wenn sie „flach“
oder „lang“ ist. Diese Konfiguration dürfte biomechanisch, d.h. dank des grösseren
Winkels und des längeren Hebels für den Aufbau der Elastizitäts-Reserve, vorteilhaft
sein.
Man beachte bitte auch die folgende Arbeit von Anderson und Mitarbeitern (2004),
wo Pferde mit einer langen Schulter ein geringeres Risiko (0.50) für Frakturen der
Vordergliedmasse haben (dank besserer Stabilität bei Übernahme des Gewichts).
Rennpferd
Die Rolle des Exterieurs bei muskuloskelettalen Problemen beim
Rennpferd
The role of conformation in musculoskeletal problems in the racing Thoroughbred
(Anderson et al. 2004)
Einleitung
In dieser Studie zu muskuloskelettalen Problemen beim Vollblut-Rennpferd führen
Anderson und seine Mitarbeiter (2004) einen weiteren sehr wichtigen Grund für die
Notwendigkeit der wissenschaftlichen Pferdebeurteilung in der heutigen Zeit an. Verletzungen bei diesen Hochleistungspferden haben ja nicht nur direkte und indirekte
wirtschaftliche Verluste zur Folge, sondern führen auch zu einer sehr unvorteilhaften
Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, was dem Renn- bzw. Pferdesport sehr grossen
Schaden zufügen kann (bspw. keine Interesse seitens potenzieller Sponsoren).
Auch diese Autoren führen an, dass Ursachen für Verletzungen beim Rennpferd
multifaktoriell und die Biomechanik (Exterieur) sowie Traumen mögliche aetiologische Faktoren sind. Ein Zusammenhang zwischen Exterieur und potenziellen Ver10
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letzungen wird in der Praxis der Pferdebeurteilung angenommen, die Ansichten basierten bis anhin aber nur auf subjektiven Beobachtungen (Anderson et al. 2004).
In dieser Studie wurden 115 Dreijährige aus der gleichen Zucht (!) beurteilt und
verfolgt, die im gleichen Trainingsstall standen und auf der gleichen Anlage (Chantilly) gearbeitet wurden; die meisten Pferde liefen in der Folge auch Rennen.
Die Messung von Exterieurmerkmalen bei dreijährigen Vollblütern und die objektive
Überprüfung im Zusammenhang mit dem Auftreten von muskuloskelettalen Problemen war das ehrgeizige Ziel dieser Arbeit.
Die Exterieur-Messungen erfolgten anhand von Fotografien, wo spezifische Referenzpunkte markiert wurden, und die Auswertung geschah mit Hilfe eines Computers.
Die Pferde wurden von links, von vorne und von hinten fotografiert, dann wurden die
Bilder gescannt und spezifische Messungen wurden vorgenommen. Fotografien wurden bei allen Probanden im Alter von 3 Jahren gemacht (bei 4 Gruppen, die von
1992 bis 1995 geboren wurden).
Klinische Beobachtungen wurden für jedes Pferd in regelmässigen Abständen registriert. Von einem Autor mindestens einmal pro Woche, von einem andern alle zwei
Monate.
Nur Befunde mit einer Frequenz von > 5% wurden statistisch ausgewertet.
Erhobene klinische und radiologische Befunde
Die erhobenen Befunde waren:
Tendinitis der Beugesehnen, Desmitis des Fesselträgers, Gelenksergüsse, Sesamoiditis, Hasenhacke, Tendosynovitis, Frakturen, chirurgische Eingriffe, Osteochondrose (OCD), Osteoarthritis, Schwellungen in Zusammenhang mit Überbeinen (im
Moment der Untersuchung nicht unbedingt aktiv oder mit Lahmheit verbunden),
Weichteilschwellungen und die subjektive Evaluation einer Rotation der Gliedmassen.
Es ist gut vorstellbar, dass die Abgrenzung der Krankheitsbilder sehr schwierig ist.
Man hat darum Verständnis dafür, dass als „Fesselprobleme„ folgende Befunde in
diesem Bereich zusammengefasst wurden: OCD, Ergüsse/Anfüllungen, Epiphysitis
(distale Epiphyse des Metakarpus oder proximale Epiphyse des Fesselbeins), Frakturen des Fesselbeins, Sesamoiditis und Desmitis eines Interosseusschenkels.
Methoden
Wahrscheinlichkeiten (odds ratios OR) wurden berechnet mit einem Vertrauens-Intervall von 95% für eine Verlängerung von 10 cm bei Längen-, 1° bei Winkelmessungen
und 10% bei Zunahme eines Quotienten.
Resultate
Übersicht
Klinische Befunde mit einer Frequenz von mehr als 5% waren:
Tendinitis der Beugesehnen, Anfüllung des Fesselgelenks, Anfüllung des Karpalgelenks, Anfüllung des Tarsus, Inzidenz von Frakturen in jeder Gliedmasse, Fesselbeinfrakturen, Karpalfrakturen, chirurgische Eingriffe, Epiphysitis, Überbeine und
Fessel-Indices.
Im Detail
- Jede Verlängerung der unteren Halslinie um 10 cm erhöhte die Wahrscheinlichkeit
eines Ergusses im vorderen Fesselgelenk um den Faktor 5,1.
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- Bei jeder (rechnerischen) Zunahme von 10 cm bei der Länge der Skapula
(Schulterblatt) fiel die Wahrscheinlichkeit einer Fraktur im Karpus um den Faktor 0.53
(s. p. 9f).
- Die Zunahme von 10 cm Skapulalänge verminderte auch die Chance einer Fraktur
an der Vordergliedmasse um 1.97 (konstante Fessellänge vorne vorausgesetzt).
- Für 10 cm Zunahme der vorderen Fessellänge (statistisch ausgedrückt) stieg das
Risiko einer Fraktur 17.9-mal (konstante Schulterlänge vorausgesetzt).
- Winkelung des Karpus von vorne: Für jede Zunahme von 1° bei der Winkelung des
Karpus wurde die Wahrscheinlichkeit eines Ergusses um den Faktor 0.68 kleiner,
jene für eine Fraktur um 0.24, das Risiko einer Epiphysitis im Fesselbereich um 0.57
(bei gleichem Alter) und jenes für eine Fraktur in der Vordergliedmasse um 0.71 (bei
Hufen im Normalbereich).
- Die Winkelung des rechten Karpus (von vorne) bei zwei Pferden mit einer Fraktur
des Karpus betrug 182.38 ± 1.24°, jene der Pferde ohne Bruch (n = 112) mass
186.72 ± 1.81°.
- Bei der radiometakarpalen Winkelung von der Seite stieg das Risiko einer Fraktur
im vorderen Fesselbein mit jedem Grad um den Faktor 1.36, jenes einer Epiphysitis
im Fesselbereich mit einer Wahrscheinlichkeit von 1.52 (bei vergleichbarem Alter).
- Beim Karpus mit einer Achsabweichung um 10% stieg das Risiko einer Anfüllung
des vorderen Fesselgelenks um 1.18 und die Gefahr eines Problems des vorderen
Fessels mit einer OR von 1.26.
- Wenn der Quotient der Winkelung des Hufs im dorsalen und palmaren Bereich um
10% stieg, hatte das 1.45 mal häufiger eine Anfüllung des Karpus zur Folge.
- Diese gleiche Zunahme bewirkte aber auch eine Verminderung von einer Fraktur
vorne um 0.52 (bei gleicher Winkelung des Karpus) und verminderte auch die Wahrscheinlichkeit eines chirurgischen Eingriffs um 0.62 - keine Fraktur in einer Vorderoder Hintergliedmasse vorausgesetzt.
- Für jedes Grad der Vergrösserung des hinteren dorsalen Hufwinkels stieg das
Risiko einer Anfüllung des hinteren Fesselgelenks um den Faktor 1.19, und jenes für
ein Fesselproblem um den Faktor 1.14.
- Zu den Exterieurmerkmalen, die keinen Einfluss hatten auf den klinischen Verlauf
(P < 0.05), gehörten die Höhe von Widerrist und Kruppe, die Länge der Oberlinie des
Halses, des Humerus, des Radius, des Metakarpus III, des Femur, der Tibia, des
Metatarsus III und des Fessels, sowie die Winkelungen von Skapula, Schulter, Fessel, Huf und Tarsus.
- Der häufigste klinische Befund war die Anfüllung des Fesselgelenks vorne (28%
rechts, 31% links).
Diskussion
Es ist anzunehmen, dass die Lektüre obiger Ergebnisse als nicht besonders unterhaltsam und auf Anhieb auch nicht als leicht verständlich empfunden wird. Etwas
anderes würde mich beunruhigen und die Präsentation dieser Arbeit soll in erster
Linie dazu dienen, einen überzeugenden Zugang zur Materie der Pferdebeurteilung
aufzuzeigen: Das Sammeln von Daten unter vergleichbaren Bedingungen und in zufriedenstellender Menge, sowie deren Überprüfung im spitzensportlichen Einsatz.
Das Beurteilen von Pferden ohne nachfolgende objektive Kontrolle kann ja nur gera12
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de als „l‟art pour l‟art“ eingestuft werden. Solche Bemühungen können sachlich nicht
befriedigen.
All die trockenen aber dafür überzeugenden obigen Daten können auch als Referenzwerte dienen für andere Studien oder als Grundlage für weiterführende Untersuchungen.
Die erhobenen Befunde werden von den Autoren folgendermassen diskutiert und
interpretiert:
- Die Auswirkung der Länge der Unterlinie des Halses auf Fesselprobleme dürfte
bedingt sein durch die Zunahme des Gewichts auf die Vorhand.
- Die Zunahme des dorsalen Winkels am Hinterhuf wird dahingehend interpretiert,
dass damit Druckkräfte im Fesselgelenk grösser werden und somit die Anfüllung
bewirken. Eine gleiche Erklärung besteht für den desaxierten Karpus, wodurch Zug
und Druck distal zunehmen und die ungleiche Verteilung eine verstärkte Anfüllung
zur Folge hat.
- Die Zunahme des Winkels im Karpus von vorne um 1° reduzierte dessen Anfüllung
(mit dem Faktor 0.68) und einer Fraktur (mit dem Faktor 0.24). Diese Befunde verdienen grosses Interesse, weil Käufer für gewöhnlich ein „gerades Bein“ wollen und
Valgus-Stellungen (beim Fohlen) sogar chirurgisch angegangen („korrigiert“ !) werden.
- Ergüsse im Karpalgelenk nahmen zu mit einer Vergrösserung des Quotienten von
dorsalem und palmarem Hufwinkel um 10% (d.h. mit untergeschobenen Trachten).
Dies weist auf die Bedeutung einer korrekten Balance im Huf hin, wobei zu beachten
ist, dass dieser Quotient alleine muskuloskelettale Leiden nicht zur Folge hatte, eine
Änderung des Gleichgewichts aber schon.
- Die Wahrscheinlichkeit von Frakturen im Karpus fiel mit der Zunahme der Länge
der Schulter und dem Winkel des radiometakarpalen Gelenks von der Seite. In der
Vergangenheit wurde die karpale Hyperextension (Rückbiegigkeit) als Ursache für
Chip-Frakturen vermutet. Eine spätere radiologische Studie hingegen konnte diesbezüglich keinen signifikanten Unterschied aufzeigen.
Auch seitens der Trainer hört man ganz unterschiedliche Ansichten. Hindernistrainern wird nachgesagt, dass sie den Kauf von rückbiegigen Pferden unbedingt zu vermeiden versuchen, während Mark Johnston, einer der zur Zeit erfolgreichsten englischen Flachtrainer (und Tierarzt), der Meinung sein soll, dass rückbiegige Pferde
schneller seien als vorbiegige (Tate 2008). Für beide Vermutungen gibt es aber noch
keine objektive und erwiesene Fakten.
- Pferde mit einer langen Schulter hatten ein geringeres Risiko (0.50) für Frakturen
der Vordergliedmasse, solche mit langen Fesseln ein erhöhtes (4.55).
- Sowohl die Länge der Schulter wie jene der Fessel war korreliert mit dem Stockmass. Die Länge der Fesseln dürfte somit eine wichtigere Rolle spielen (höhere
odds), und auch anderweitig wurde die Fessellänge schon in Verbindung gebracht
mit der höheren Inzidenz von Chipfrakturen im Karpus.
- Bei der Exterieurbeurteilung spielt auch eine allfällige Rotation der Gliedmassen
eine grosse Rolle. Es versteht sich von selbst, dass die Evaluation dieses Parameters mit dem zweidimensionalen System der Fotographie subjektiv sein muss.
Die einzige Bestimmung einer Rotation die statistisch mit objektiv bestimmten Messungen der Fesselwinkelung in Zusammenhang steht, war die Rotation nach innen
(zehenenge Stellung).
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Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
Die zehenweite Stellung wurde andernorts (bei schwedischen Warmblutpferden) als
ein normales Exterieurmerkmal befunden. Der Autor dieses Skriptleins erachtet diese
Ansicht als zutreffend und macht darauf aufmerksam, dass in der Bewegung die
Vordergliedmassen normalerweise unter den Schwerpunkt gebracht werden, wofür
eine Rotation nach innen erfolgt (Abb. 9).
Es gibt viele weitere Exterieurmerkmale, die als prädisponierende Faktoren für Lahmheiten und muskuloskelettale Probleme vermutet werden, hier aber nicht rapportiert
wurden. Dazu gehören bspw. Überbeine, die als Folge von Fehlstellungen erachtet
werden, bspw. die Desaxierung im Karpus und eine bodenenge, zehenweite Stellung
(Stashak 1995). Diesbezüglich existieren anderweitig jedoch auch gegenteilige Ansichten (z.B. beim Autor), indem vor allem zehenenge Stellungen für die Entstehung
von Überbeinen verantwortlich gemacht werden (Abb. 19). Stashak (1995) begründet
seine Meinung damit, dass es bei bodenenger und zehenweiter Stellung in der
Bewegung eher zum Anschlagen kommen kann. Prinzipiell ist diese Vermutung nicht
falsch, aber dieses Anschlagen oder Streifen passiert für gewöhnlich eher auf Höhe
des Fessels und überdies mit sichtbaren Verletzungen bzw. Narben. Bei Überbeinen
(im proximalen Drittel des Metakarpus) ist die Haut in der Regel aber unbeschadet.
Das Anschlagen kann jedoch zu Griffelbeinfrakturen führen, aber dann ist die Umfangsvermehrung ein Kallus und nicht ein Überbein sensu stricto. Überbeine entstehen normalerweise durch Reizungen des Periosts wegen des übermässigen Zugs
der Fasern zwischen Griffelbein und Metakarpus, wenn ersteres wegen einer Fehlstellung (z.B. zehenenge Stellung) oder Longieren auf dem Zirkel überbelastet wird.
Andernorts (Thompson et al. 1993) wurde auch berichtet, dass die Zunahme der
Zehenwinkelung eine geringere Belastung der tiefen Beugesehne und eine stärkere
Belastung des Fesselträgers zur Folge hatte. – Dies ist ein schönes Beispiel dafür,
dass Mittelwerte das Optimum sind – nicht Extremwerte.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass viele der berechneten Quotienten nahe
bei 1 sind – und somit eine geringe Bedeutung haben.
Wichtiger dürften jene Ergebnisse sein, die keine Zusammenhänge zwischen Exterieurmerkmalen und Problemen zeigen: Höhe von Widerrist und Kruppe, Länge der
Oberlinie des Halses, des Humerus, des Radius, des Metakarpus, des Femur, der
Tibia, des Metatarsus und der Fessel sowie die Winkelung der Skapula, der Schulter,
des Tarsus und der Fessel.
Klinische Befunde, die in signifikanter Beziehung zu Exterieur-Variablen standen,
waren Anfüllungen der vorderen Fesselgelenke, Ergüsse im rechten Karpalgelenk,
Ergüsse im Karpus, Anfüllungen der hintern Fesselgelenke, Frakturen des linken
oder rechten Karpus, Probleme des rechten vorderen Fessels und der hinteren Fesseln.
Schlussfolgerungen:
- Desaxierte Karpalgelenke trugen zu Fesselproblemen bei.
- Lange Fesseln vergrösserten die Wahrscheinlichkeit einer Fraktur bei der Vordergliedmasse.
- Die Zunahme einer Valgusstellung im Karpus schien ein protektiver Faktor zu sein,
indem die Wahrscheinlichkeit von Karpusfrakturen und von Ergüssen im Karpus mit
Zunahme dieser Winkelung abnahm.
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Diese Studie demonstriert meines Wissens zum ersten Mal in wissenschaftlich zufriedenstellender Weise den Zusammenhang zwischen Exterieur und muskuloskelettalen Erkrankungen beim Rennpferd. .
Sie ist eine bewundernswert grosse Arbeit, hat aber eine relativ geringe Aussagekraft. Dieser Umstand darf jedoch nicht zu resignierender Frustration führen sondern
kann auch positiv gewertet werden, indem also nicht jede Abweichung von unseren
Vorstellungen von Bedeutung sein muss. Die wenig aussagekräftigen Ergebnisse
sind auch ein Hinweis auf die grosse Komplexität dieses Gebiets. Insbesondere ist
hier zu beachten, dass bei der Beurteilung des Pferdes im Stehen daran gedacht
werden muss, was für eine Bedeutung die beobachteten Merkmale für den Bewegungsablauf haben können !
Weitere Studien in Bewegung sind überaus wichtig – wichtiger als alle andere Bemühungen um die Pferdebeurteilung.
Prävalenz und Signifikanz von muskuloskelettalen Exterieur-Merkmalen bei Vollblut-Jährlingen
Prevalence And Significance Of Musculoskeletal Conformational Traits In Thoroughbred Yearlings (Love et al. 2005)
Eine grossartige aktuelle Arbeit zur Pferdebeurteilung im Zusammenhang mit der
funktionellen Anatomie beim Vollblut stammt aus Glasgow, die unter anderem darum
meine grosse Sympathie geniesst, weil dieses Projekt vom Kollegen Calver ins
Leben gerufen wurde. Peter Calver war sowohl Tierarzt wie Vollblutagent und er erstand für mich mein allererstes Pferd, eine kleinere Fuchsstute (Hindernispferd) mit
dem Namen Shotely Jane Eyre. Es war eine Auktion in Ascot, die ich mit Toby Balding besuchte, in dessen Stall ich in den Semesterferien in den frühen 70er-Jahren
des letzten Jahrhunderts ausritt. Shotely sprang sicher und äusserst zuverlässig.
Gemäss dieser Kollegen ist die Beurteilung des Exterieurs, und die Annahme, dass
dieses mit der Leistungsfähigkeit und der Lebensdauer assoziiert ist, für viele Jahrhunderte ein fundamentales hippologisches Konzept gewesen.
Erstaunlicherweise wurde diese Hypothese bis anhin jedoch kaum mit quantitativer
Evidenz gestützt. In früheren Studien wurde das Exterieur des Pferdes beurteilt durch
i) subjektive Einschätzung durch erfahrene Pferdeleute, ii) verglichen mit definierten
graphischen Idealen oder iii) es erfolgte eine lineare Vermessung von anatomischen
Landmarken.
All diese Methoden sind grundsätzlich fehlerhaft, einerseits weil subjektive Einschätzungen zwischen Beobachtern nicht vergleichbar sind und anderseits weil lineare Messungen der dreidimensionalen Gestalt des Exterieurs nicht gerecht werden
können.
Es gibt nach Ansicht der Kollegen aus Glasgow keine optimale Methode für die Beurteilung des Exterieurs, womit quantitative Forschung auf diesem Gebiet problematisch ist.
Das Ziel dieser Studie war, die Prävalenz und Heritabilität von 9 qualitativ erfassten
Merkmalen bei 3„916 Vollblut-Jährlingen zu erheben und deren Bedeutung für die
spätere Leistung auf der Flachen und die Lebensdauer zu untersuchen. Die meisten
Pferde (72%) liefen im Vereinigten Königreich auf Gras und nur 7% kamen nicht auf
die Bahn.
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- Bezüglich der Prävalenz von Fehlstellungen wird berichtet, dass mit 27% die zehenweite Stellung am häufigsten war - was andernorts jedoch nicht als „Fehler“ befunden
wird. Diese Ansicht wird meines Erachtens durch dieses Ergebnis bestätigt. Solch ein
hoher Prozentsatz würde in einer Hochleistungszucht ja sicher nicht toleriert, wenn
der Befund einen negativen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit hätte.
- Es bestand eine Tendenz, dass bei den nicht-gelaufenen Pferden der Anteil von
Exterieurfehlern grösser war als bei den gelaufenen Tieren, aber der Unterschied war
nicht signifikant.
- Zwischen Rennleistung und einzelnen Exterieur-Fehlern konnte ein signifikanter
Zusammenhang erkannt werden, aber letztere konnten nahezu ausnahmslos durch
den züchterischen Einfluss des Vaters erklärt werden.
- Insgesamt konnten nur schwache Zusammenhänge zwischen Leistung und Exterieur festgestellt werden, die nicht auch durch die grosse Bedeutung vom Pedigree
fürs Exterieur erklärt werden können. Die Ergebnisse zeigen, dass Mängel des Exterieurs stark vererbt werden, dieser Umstand es aber schwierig macht, den Einfluss
des Exterieurs per se auf die Leistung zu etablieren. Die in dieser Studie beobachtete starke Heritabilität des Exterieurs wurde zuvor beim Vollblut quantitativ genetisch
nicht beschrieben und ist nun der Fokus für weiterführende Untersuchungen.
Auch diese Arbeit – absolut nichts Aussergewöhnliches in der Wissenschaft – hat
mehr Fragen als Antworten gebracht. Deren Beantwortung dürfte eine noble und
sinnvolle Aufgabe für züchterische Institutionen sein.
Renn- und Reitpferd
Zusammenhang von Sportdisziplin und Leistungsstufe mit anatomischer Lokalisation von orthopädischen Verletzungen
Association of type of sport and performance level with anatomical site of orthopedic
injury diagnosis (Murray et al. 2006)
Einleitung
Sportpferde werden häufig für eine bestimmte sportliche Disziplin trainiert (bspw.
Springen, Dressur, Vielseitigkeit, Endurance und Rennen), wobei jede verschiedene
orthopädische Ansprüche stellt. Darüber hinaus können innerhalb einzelner Sparten
auch unterschiedliche athletische Anforderungen bestehen zwischen bescheidenem
Niveau (Nonelite) und Elite-Sport.
Im Training für verschiedene Sportarten und Leistungsniveaus können Pferde sowohl andere anatomische Strukturen wie diese auch auf unterschiedliche Weise belasten.
Es kann darum erwartet werden, dass bei Pferden in bestimmten Disziplinen Prädispositionen bestehen für Verletzungen von spezifischen anatomischen Strukturen
und von einem besonderen Typ.
Während Verletzungen bei Rennpferden gut dokumentiert sind, so gibt es in anderen
Disziplinen nur anekdotische Berichte von klinischen Eindrücken in Bezug auf Verletzungsrisiken in diesen Sparten.
Es wurde vermutet, dass Pferde in einzelnen Disziplinen ein höheres Risiko für spezifische Verletzungen haben als Freizeitpferde (general purpose) und dass der Typ
der Läsion mit den Ansprüchen variiert (Kategorie, Niveau).
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Material und Methoden
Krankengeschichten von lahmen Pferden wurden bezüglich der anatomischen Lokalisation von gesundheitlichen Problemen studiert, sowohl bezüglich diverser sportlicher Disziplinen wie auch deren Niveaus (Nonelite und Elite).
Folgende Sparten wurden unterschieden:
- Freizeit (general purpose, als Kontrollgruppe): Freie Prüfungen in Springen, Crosscountry, Dressur, Schau, Freizeit oder Jagd.
- Offizieller Sport (Nonelite und Elite): Springen, Dressur, Vielseitigkeit, Endurance,
Flachrennen, Hindernisrennen, Polo, Ponysport, Fahren.
Eine weitere Gruppe betraf Pferde und Ponies, die noch nicht angeritten waren.
Resultate
- Insgesamt wurden 1069 Dossiers ausgewertet und mit Ausnahme von Polo und
Fahren waren in jeder Disziplin mehr männliche als weibliche Tiere vertreten.
- Vollblutkreuzungen fanden sich v.a. bei Freizeitpferden, in der Vielseitigkeit und bei
den noch nicht angerittenen Tieren.
- Warmblüter waren häufiger im Spring- und Dressursport anzutreffen.
- Araber und ihre Kreuzungen dominierten die Disziplin Endurance.
- Ponies waren beim Fahren am häufigsten vertreten.
- Im Rennsport waren nur Vollblüter aktiv.
Alter
- Rennpferde und nicht-angerittene Tiere waren signifikant jünger als alle anderen.
- Elite-Spring- und Dressurpferde waren signifikant älter als Nonelite-Pferde.
Gewicht
Elite-Dressurpferde waren signifikant schwerer als alle anderen Gruppen, und Nonelite Spring- und Vielseitigkeitspferde waren schwerer als ihre Elite-Kollegen.
Grösse
Bezüglich der Grösse bestanden keine Unterschiede zwischen Elite-Dressur-, Freizeit-, Spring-, Vielseitigkeit- und Rennpferden
Verletzungen
- Bei den Freizeitpferden betrafen Läsionen am häufigsten den Fesselträger, das
Strahlbein, Bänder im distalen Bereich der Gliedmassen und den Tarsus.
- Elite-Springpferde hatten vor allem Verletzungen des Fesselträgers und der tiefen
Beugesehne, Nonelite-Springpferde häufiger am Strahlbein und seinen Bändern.
- Dressurpferde hatten in beiden Kategorien am meisten Läsionen am Fesselträger,
vorwiegend hinten, gefolgt vom Tarsus für Elite-Pferde und vom Strahlbein für Nonelite-Tiere.
- Vielseitigkeits-Pferde litten in beiden Kategorien in erster Linie am Fesselträger
und Strahlbein. Es bestand aber ein merklicher Unterschied bezüglich Verletzungen
an der oberflächlichen Beugesehne (OBS): Bei den Elite-Pferden war die OBS
sechsmal häufiger betroffen als bei den andern.
- Bei Flachrennpferden waren am meisten verletzt: Karpus, Bereich Tibia/Fibula,
Becken (v.a. Frakturen) und thorakolumbare Region (Dornfortsätze).
- Hindernispferde zeigten vor allem Veränderungen am Fesselträger, thorakolumbarer Region und Hufgelenk.
- Ponies hatten vor allem Hufprobleme, v.a. Freizeit-Ponies.
- Distanzpferde hatten am meisten Probleme im Tarsus.
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Anatomische Lokalisationen
Der Fesselträger war am häufigsten verletzt
- Bei den Dressurpferden (28.1% Elite, 29.5% Nonelite)
- Bei den Freizeit-, Spring-, Dressur-, Vielseitigkeit- und Rennpferden war der Ursprung des Interosseus (proximal suspensory desmitis) häufiger betroffen als sein
Körper oder seine Schenkel.
Das Sprunggelenk war am häufigsten verletzt im distalen Gelenk
- bei den Elite-Dressurpferden (16.9%) und den Distanz-Pferden (15%).
- Am wenigsten Tarsusprobleme hatten die Elite-Vielseitigkeits-, Hindernis- und PoloPferde.
Die oberflächliche Beugesehne vorne war weitaus am häufigsten verletzt
- bei den Elite-Vielseitigkeitspferden (12.2%)
- gefolgt von den Elite-Spring- und Hindernispferden.
Verletzungen an der tiefen Beugesehne fanden sich
- sowohl proximal wie distal vom Fesselgelenk an den Vordergliedmassen und in den
meisten Disziplinen.
- Elite-Springpferde hatten den grössten Teil dieser Läsionen distal.
- Bei den anderen Sparten fand sich Veränderungen am häufigsten im proximalen
Bereich der Fesselbeugesehnenscheide.
Läsionen am Strahlbein(knochen) selber waren häufiger als an den benachbarten
Weichteilen (Bursa, Strahlbeinbänder und tiefe Beugesehne). Allerdings muss hier
beachtet werden, dass sich die Diagnostik vor Einführung der MagnetresonanzTomographie (MRT) für gewöhnlich aufs Röntgen beschränkte. Seit der Anwendung
der MRT (2001) findet man in 40% der Fälle eine Mitbeteiligung der Weichteile.
- Nonelite-Dressurpferde hatten am meisten Strahlbeinveränderungen (15.9%),
- gefolgt von Elite-Vielseitigkeitpferden (15.7%).
- Am tiefsten war der Prozentsatz (0.95%) bei den Flachrennpferden.
- Weichteilveränderungen an der Hufrolle waren am häufigsten bei den Freizeitpferden (2.73%).
Vergleich verschiedener Disziplinen
Bezüglich der anatomischen Lokalisation von Verletzungen bestanden zwischen
den verschiedenen Sportarten signifikante Unterschiede.
Bei den einzelnen Disziplinen waren auch signifikant unterschiedliche anatomische
Lokalisationen zwischen der Gruppe der Freizeitpferde und allen Elite-Populationen
sowie den Freizeit-Ponies zu beobachten.
Zwischen den Nonelite-Tieren in den einzelnen Sparten bestanden signifikante
Unterschiede bezüglich der betroffenen Strukturen.
Bei den Elite-Gruppen hingegen waren die Unterschiede weniger klar. Nur bei den
Vielseitigkeit-Pferden unterschieden sich die Lokalisationen signifikant unterschiedlich von Athleten in anderen Disziplinen.
Der Effekt der Sportart auf das Verletzungsrisiko
Für die Beurteilung dieses Effekts wurden odds ratios (OR) errechnet.
- Elite-Springpferde hatten ein hohes Risiko von Verletzungen an der OBS vorne
(OR 4.3) und der TBS vorne (OR 3.8)
- Elite- und Nonelite-Dressurpferde hatten ein hohes Verletzungsrisiko am Fesselträger hinten (OR 2.5 und 2.6.)
- Bei Elite-Vielseitigkeitspferden war die Gefahr von Schäden an der OBS sehr
hoch (OR 13.2.)
- Flachrennpferde litten in sehr hohem Masse an Verletzungen am Karpus (OR
20.2.), Hindernisrennpferde in hohem Grade an Läsionen der OBS vorne (OR 7.0)
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Diskussion
Die Ergebnisse dieser Studie unterstützen die Hypothesen,
- dass Sportpferde eine höhere Frequenz von spezifischen Verletzungen erleiden
als Freizeitpferde,
- und dass die Art von Läsionen nach Disziplin variiert.
Sie bestätigen somit auch Resultate von vergleichbaren früheren Untersuchungen.
Das erhöhte Risiko von Verletzungen der OBS und TBS vorne bei den Elite-Springpferden mag in Zusammenhang stehen mit der hohen Belastung und altersbedingten degenerativen Veränderungen.
Die OBS wird beim Springen repetitiv (d.h. ständig wiederholt) belastet, vor allem
beim Landen nach hohen Sprüngen. Dabei wird angenommen, dass die Grösse der
Sprünge ein entscheidender Faktor ist (bitte beachten beim Aufbau und Training).
Dieser Befund steht aber auch in Einklang mit der Beobachtung, dass bei springenden Pferden die TBS bei der Landung nicht nur stark belastet wird. Überdies
hat sie die Aufgabe, das Hufgelenk zu stabilisieren, welches bei der Landung übermässig gestreckt wird.
Die grössere odds ratio von Veränderungen an der Hufrolle bei den Nonelite-Springpferden wird dahingehend interpretiert, dass Pferde mit solchen Problemen keine
Elite-Athleten werden können. Es ist aber auch möglich, dass der weniger gute Ausbildungsstand bei diesen Pferden eine stärkere Belastung des Strahlbeins und seiner
Adnexen zur Folge hat (z.B. unnötige bzw. unphysiologische Belastung).
Die relativ häufigen Läsionen am Tarsus werden vermutlich bewirkt durch dessen
Kompression beim Abspringen.
Beide Kategorien von Dressurpferden hatten, verglichen mit Freizeitpferden, ein signifikant höheres Risiko von Verletzungen des Fesselträgers hinten. Dies dürfte verursacht sein durch repetitive Anstrengung, möglicherweise bedingt durch die Arbeit auf synthetischen Unterlagen auf kleinem Raum. Dieser Erklärungsversuch
verdient Aufmerksamkeit, wenn man daran denkt, wie unsere ehemals sehr erfolgreichen Dressurreiter aus der EMPFA (Chammartin, Trachsel, Fischer, Thomi etc.)
ihre Pferde gerne auf der kleinen Allmend arbeiteten (nachgebender Grasboden und
viel Platz). Das ständige Abwenden auf kleinem Raum, die hohe Versammlung,
der versammelte Trab und die Lektionen der hohen Schule (Pirouetten, Passage)
bedingen ja, dass ein grösserer Teil des Körpergewichts längere Zeit auf den Tarsus
einwirkt. Elite-Dressurpferde erleiden einen erhöhten Druck auf das Tarsalgelenk mit
gleichzeitiger Hyperextension des Fesselgelenks – was den Ursprung des Interosseus stark beansprucht.
Diese Überlegungen erinnern auch an die überlieferten Empfehlungen, dass die Ausbildung von Pferden von möglichst guten Reitern vorgenommen werden soll. Wenn
der Reiter selber noch Grundlegendes lernen muss, dann können die Pferde überfordert und gesundheitlich geschädigt werden. Junge Reiter gehören auf erfahrene
Pferde und auch solche hatte man in der Vergangenheit (in den Jahren der grossen
Erfolge) in der EMPFA. Meines Erachtens nicht nur eine medizinische und oekonomische Problematik, sondern auch eine der Ethik (von der so viel gesprochen und so
wenig gemacht wird).
Die häufigere Diagnose von Leiden am Strahlbein und an der Hufrolle bei den Nonelite-Dressurpferden wird dahingehend interpretiert, dass diese möglicherweise
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verstärkt auf der Vorhand laufen. - Bitte wieder mal Bilder anschauen, wo Dilettanten ihren Pferden den Kopf vor die Brust ziehen (Abb. 4).
Abb. 4 Rollkur auf dem Abreitplatz an
den World Equestrian Games 2010 (Ky.)
Foto: Selma Latif
Für die hohe Frequenz von Verletzungen der oberflächlichen Beugesehne vorne
bei den Vielseitigkeitspferden werden das häufige Landen nach dem Überwinden
von Hindernissen und das Galoppieren bei hoher Geschwindigkeit verantwortlich
gemacht.
Gleiches gilt für die Hindernispferde, während bei den Flachrennpferden die Läsionen an Carpus und Becken als übliche Rennsportverletzungen eingestuft werden.
Conclusio
Die Ergebnisse dieser Studie bekräftigen die Annahme, dass Sportpferde bezüglich
spezifischer Verletzungen stärker gefährdet sind als Freizeitpferde. Bezüglich der Befunde bestehen signifikante Effekte sowohl hinsichtlich Sportart wie deren Niveau.
Züchterische Bedeutung von Gliedmassenerkrankungen beim Reitpferd
(Willms F. et al.1996) Institut für Tierzucht und Tierhaltung, Christian-Albrechts-Universität, Kiel)
Die Beziehungen zwischen röntgenologischen Befunden an den Gliedmassen und
Leistungs- bzw. Exterieurmerkmalen wurden von Willms und Mitarbeitern (1996) an
402 dreijährigen Warmblutstuten analysiert. Die erhobenen Befunde wurden in drei,
für die Pferdezucht bedeutende Gliedmassenerkrankungen (Osteochondrose, Podotrochlose und Spat) zusammengefasst und je nach dem Grad der Erkrankung in drei
Klassen eingeteilt.
In einer varianzanalytischen Untersuchung zeigte das Ausbildungsniveau der
Stuten zum Zeitpunkt der Untersuchung einen signifikanten Einfluss auf die Osteochondrose. Der fixe Umwelteffekt des Leistungsprüfungsdurchganges beeinflusste signifikant die Podotrochlose.
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Befunde, die auf Osteochondrose hinwiesen, zeigten zu Merkmalen aus der Exterieurbeurteilung, der Oberlinie und Brusttiefe, einen signifikanten Zusammenhang,
während Podotrochlose und Spat unbeeinflusst von diesen Parametern waren.
Sowohl die Strahlbeinlahmheit als auch der Spat wurden von der Exterieurbeurteilung nicht signifikant beeinflusst.
Zwischen den Gliedmassenerkrankungen und den Merkmalen aus der Stutenleistungsprüfung bestanden keine Beziehungen.
In der modernen Reitpferdezucht werden Pferde hoher Qualität hinsichtlich Rittigkeit,
Grundgangarten, Springanlage und Charakter/Temperament verlangt. Da die Belastung der Pferde und damit die Anforderung an deren Konstitution in den vergangenen Jahren sowohl im Freizeit- als auch im Leistungssport erheblich zugenommen hat, nimmt das funktionale Selektionskriterium Gesundheit in der Pferdezucht
gemäss der Ansicht dieser Autoren einen massgeblichen Stellenwert ein.
Diese Ansicht deckt sich mit den Ergebnissen der einleitend aufgeführten Arbeiten
(Wallin et al. 2000, Kappeler und Rieder 2010) und auch hier wird erwähnt, dass
Untersuchungen über Schadensmeldungen bei deutschen Sachversicherern ergaben, dass die Erkrankungen der Bewegungsorgane mit einem Anteil bis zu 60% eine
dominierende Stellung unter den Krankheitsursachen einnehmen.
Heutzutage ist sicherlich jeder fortschrittliche Züchter, der nachhaltig denkt, ebenfalls
dieser Meinung. Damit steht er aber leider etwas im Regen, weil ihm auch gemäss
dieser Arbeit die Exterieurbeurteilung keine grosse Hilfe ist. Des weitern ist in diesem
Zusammenhang zu bedenken, dass gewisse Leiden (z.B. die erwähnte Strahlbeinlahmheit) einen Einfluss aufs Exterieur haben können. Enge Hufe sind bei der Podotrochlose für gewöhnlich ja nicht die Ursache, sondern die Auswirkung, die Folge des
chronischen Schmerzens im kaudalen Hufbereich. Nach einer Neurektomie kann der
Huf dann wieder breiter werden.
Daraus ist zu schliessen, dass sich die Zuchtselektion und hier v.a. die Zuchtwertschätzung viel besser auf Leistungsprüfungen stützt als auf die Exterieurbeurteilung.
Nur dieser praktische Test gibt umfassend Auskunft über die funktionelle Richtigkeit
von Exterieur-Merkmalen und der Gesundheit der Tiere.
Erhebung der Prävalenz von Erbkrankheiten bei dreijährigen
Schweizer Warmblutpferden
(Studer S. et al. 2007)
Ähnliche Untersuchungen wie jene von Willms und Mitarbeitern (1996) wurden vor
wenigen Jahren auch in der Schweiz vorgenommen. Studer und Mitarbeiter (2007)
strengten eine Studie an um Hinweise auf die Prävalenz von gesicherten oder
vermuteten erblich bedingten Erkrankungen wie dem Equinen Sarkoid, der Osteochondrose und der Hemiplegia laryngis bei Schweizer Warmblutpferden zu gewinnen sowie allfällige Zusammenhänge mit der Haltung, Fütterung und Konformation
(Exterieurbeurteilung) nachzuweisen.
Als Datengrundlage dienten die Ergebnisse der Untersuchung von 403 Hengsten an
den Körungen seit 1994 sowie von 493 dreijährigen Schweizer Warmblutpferden, die
an den Feldtests 2005 vorgestellt wurden. Mit Hilfe der linearen Beschreibung
wurden die Pferde gleichzeitig von Richtern des Zuchtverbandes CH-Sportpferde bezüglich ihres Exterieurs (Typ, Bau und Gang) beurteilt und benotet.
Hier konnte zwischen Exterieur und dem allgemeinen Gesundheitszustand keine
Korrelation festgestellt werden. Allerdings muss sowohl bei der Studie von Willms
(1996) sowie Studer (2007) und ihren Mitarbeitern beachtet werden, dass nur eine
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bescheidene Zahl von Pferden untersucht wurde, etwa hundertmal weniger als in
den folgenden Arbeiten aus Holland. Die Exterieurbeurteilung muss deswegen nicht
prinzipiell in Frage gestellt werden, insbesondere weil sie üblicherweise ohnehin viel
eher der Begutachtung des Bewegungsapparates dient.
Heritabilität der Form der Gliedmassenspitze und ihr Zusammenhang mit der sportlichen Leistung in einer holländischen Warmblutpferde-Population
Heritability of foot conformation and its relationship to sports performance in a Dutch
Warmblood horse population (Ducro et al. 2009a)
Holländische Warmblut-Zuchtorganisationen wollen Pferde mit einem Exterieur züchten, welches Spitzenleistungen ermöglicht und gleichzeitig die Gefahr von Verletzungen und Lahmheiten reduziert. Ich erlaube mir anzunehmen, dass diese Zielsetzung
auch unseren Ambitionen entspricht und somit die Resultate dieser Studie auch in
der Schweiz brennend interessieren.
Der hauptsächliche Grund für herabgesetzte Leistungsfähigkeit und verfrühtes Ausscheiden aus dem Sport sind auch hier Verletzungen an der distalen Gliedmasse
und es wird auch seitens der Holländer akzeptiert, dass ein Zusammenhang besteht
zwischen dem Bau der Gliedmassen und der Prädisposition für Lahmheiten.
Das Auftreten von ungleichen Gliedmassenspitzen („uneven feet“) wird sowohl bei
der Exterieur-Beurteilung wie bei der tierärztlichen Untersuchung für gewöhnlich
vermerkt. Solch ein Unterschied scheint bei lahmen Pferden häufiger zu beobachten
zu sein als bei gesunden (Ross and Dyson 2003), aber die klinische Bedeutung ist
weiterhin unklar. Es ist auch noch nicht klar, ob die Form von Hufen genetisch vorbestimmt ist oder nicht.
Ungleiche Hufe können sich entwickeln als Folge eines dauernden, einseitigen Verhaltens und vermutlich auch dank einer hohen Wachstumsrate und einer relativ
kurzen Halslänge (Kroekenstoel et al. 2006; van Heel et al. 2006).
Mit dieser Studie mit Daten aus Zucht und Sport in Holland von 1990 bis 2002 wurde
die Prävalenz und die Heritabilität von ungleichen Vorderhufen und ihre genetische
Verwandtschaft mit anderen Exterieur-Merkmalen sowie der späteren sportlichen
Leistung untersucht.
Sie umfasste 44„840 Pferde (!) aus dem königlichen holländischen Warmblut-Gestütsbuch (KWPN).
Die Prävalenz ungleicher Gliedmassenspitzen bei Dressur- und Springpferden war
durchschnittlich 5.3 % und stieg von 4.5 % während den ersten 3 Jahren der
Untersuchung auf über 8 % ab dem Jahr 2000.
Bezüglich dieser Zahlen ist zu beachten, dass von den etwa 12„000 jährlichen Fohlen für den Eintrag ins Gestütsbuch jeweils nur ungefähr 3„500 vorgestellt werden.
Somit unterschätzt dieses Ergebnis wahrscheinlich die tatsächliche Frequenz, weil
Pferde mit höhergradig ungleichen Hufen gar nicht präsentiert werden. Zusätzlich
können leichtere Fälle für die Vorführung maskiert worden sein durch die Bearbeitung der Hufe und den Beschlag. Die Unterschätzung ist jedoch wahrscheinlich
limitiert, weil ungleiche Hufe kein Grund für die Verweigerung der Aufnahme ins
Gestütsbuch sind.
Die Zunahme der Zahl von Pferden mit ungleichen Hufen könnte die Folge einer
strengeren Beurteilung im Lauf der Jahre sein oder in Zusammenhang stehen mit der
Zunahme des Stockmasses (van Heel et al. 2006).
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Vererbung
Von den Pferden mit ungleichen Hufen wurden ca. 25% in der Dressur und etwa
18% im Springsport eingesetzt.
Die Heritabilitäts-Schätzungen für einzelne Merkmale waren bescheiden und betrugen 0.12 für die Neigung zu ungleichen Hufen, 0.16 für die Höhe der Trachten und
0.27 für die Form des Hufs.
Die genetische Korrelation zwischen den Merkmalen „ungleiche Hufe und sportliche
Leistung“ war schwach negativ, -0.09 für den Dressur- und -0.12 für den Springsport.
Die Prävalenz von ungleichen Hufen variierte unter den Nachkommen der diversen
Hengste von 0 bis 35%. Von den 576 Beschälern hatten 60 keine Nachkommen mit
ungleichen Hufen und deren 6 hatten bei ihren Produkten Prävalenzen von 25% und
mehr.
Ergebnisse im Detail
Im allgemeinen waren die Merkmale des Exterieurs leicht miteinander korreliert. Die
Höhe der Trachten hatte eine negative Korrelation mit der Winkelung des Fessels
und der Form des Hufs, was bedeutet, dass hohe Trachten mit engen Hufen und
steiler Fesselung einhergehen (was auch der empirischen Ansicht entspricht).
Eine steilere Fesselung war auch mit Rückbiegigkeit im Karpus assoziiert.
Grössere Pferde mit höheren Trachten, trockenen, leichten und weniger rückbiegigen
Gliedmassen und kürzerem Hals wurden als besser aussehende Sportpferde befunden (bezüglich Hals s. auch nachfolgende Studie von Ducro et al. 2009b).
Ungleiche Hufe waren in bescheidenem Masse negativ korreliert mit der Winkelung
des Fessels und natürlich auch mit der Hufform (-0.49), sowie positiv mit der Höhe
der Trachten.
Schlussfolgerung
Die Prädisposition von ungleichen Hufen kann durch Selektion prinzipiell reduziert
werden. Wegen der schwachen genetischen Korrelation ist die Prävalenz aber nicht
direkt assoziiert mit der Selektion für bessere sportliche Leistungen oder ein
besseres Exterieur. Bei dieser Arbeit konnte im Lauf der Jahre ja sogar die Zunahme
der Prävalenz beobachtet werden, obwohl zugunsten des Sports (Dressur und
Springen) selektioniert wurde.
Die genetischen Korrelationen sind derart schwach, dass auf diese Merkmale nicht
allzu grosser Wert gelegt werden darf, und ganz sicher nicht auf Kosten von wertvolleren Kriterien.
Meines Erachtens muss bei der Beurteilung von ungleichen Hufen unbedingt daran
gedacht werden, dass die Asymmetrie nicht nur Ursache sondern auch Folge von
Problemen sein kann. Ein Huf atrophiert bspw. wegen chronischen Schmerzen im
kaudalen Bereich, weil er dort weniger stark belastet wird und dadurch enger werden
kann (z.B. bei der Strahlbeinlahmheit, dort allerdings für gewöhnlich vorne beidseits,
s. auch weiter vorne).
Unser früherer Chirurgie Leuthold pflegte zu sagen: „Bei ungleichen Hufen ist der
kleinere krank“.
Tops will come, but bottoms never
(mit “bottoms” sind die Hufe bzw. das Fundament ist damit gemeint)
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Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
Einfluss der Form der Gliedmassenspitze auf die Dauer des sportlichen Einsatzes in einer holländischen Warmblutpferde-Population
Influence of foot conformation on duration of competitive life in a Dutch Warmblood
horse population (Ducro et al. 2009b)
Wallin und Mitarbeiten (2001) zeigten auf, dass die Konformation der Gliedmassen
einen signifikanten Einfluss hat auf die Lebensdauer von Schwedischen Warmblutpferden, und Ross und Dyson (2003) berichteten, dass asymmetrische, ungleiche
Gliedmassen bei lahmen Pferden häufiger aufzutreten scheinen als bei gesunden.
Die klinische Bedeutung von solchen Exterieurmängeln ist trotzdem nicht klar und mit
dieser Untersuchung von Ducro und Mitarbeitern (2009b) wird die Vermutung überprüft, ob Mängel wie asymmetrische, ungleiche Vordergliedmassen die Karriere
eines Sportpferdes möglicherweise frühzeitig beenden können. In Sportpferde wird ja
viel Zeit und Geld investiert, bevor sie später ihr Leistungspotenzial erreichen
können. Das frühe Ausscheiden wegen Verletzungen hat darum substanzielle wirtschaftliche Konsequenzen und sollte vermieden werden.
Material und Methoden
Die Studie wertete Leistungen von 13„622 Dressur- und 9494 Springpferden aus,
aufgeteilt in je zwei Klassen (Grundausbildung, Anfänger und Freizeit bzw. Elite,
Fortgeschrittene und professioneller Sport). Diese vier Klassen wurde separat
ausgewertet.
Beurteilt wurden:
Vor- und Rückbiegigkeit im Karpus
Fesselung (steil, weich)
Hufform (eng, breit)
Trachten (tief, hoch)
Gewebequalität (fleischig, trocken)
Schienbeinumfang (leicht, schwer)
Exterieur-Grad (schlecht, gut)
Ungleiche Hufe
Stockmass
Halslänge
Als Dauer der sportlichen Karriere galt der Zeitraum vom ersten bis zum letzten Start.
Resultate
Allgemeines
Die Prävalenz von ungleichen Hufen war in den vier Gruppen nicht signifikant verschieden.
Pferde in den Eliteklassen hatten grundsätzlich weniger negative Beurteilungen ihres
Exterieurs (bspw. höhere Trachten, trockenere Gliedmassen und längere Hälse – s.
Resultate der vorhergehenden Untersuchung ! Ducro et al. 2009a).
Die Form des Hufs war wichtig für den Spring-, nicht aber für den Dressursport.
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Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
Grundausbildung
Bei den Dressurpferden in der Grundausbildung bestand zwischen den Gruppen
symmetrischer oder asymmetrischer Huf kein signifikanter Unterschied bezüglich der
Dauer der Karriere. Sie betrug in beiden Populationen je 3.4 Jahre.
Im Springsport betrug die kompetitive Lebensdauer in der Grundausbildung bei
Pferden mit symmetrischen Hufen 2.1, bei den Tieren mit ungleichen Füssen 2.4
Jahre - aber dieser Unterschied war nicht signifikant.
Die Dauer des kompetitiven Lebens (für Pferde der Rasse Holländisches Warmblut
KWPN) war für Springpferde also kürzer als für Dressurpferde
Elite-Klassen
Bei den Elite-Dressurpferden war es umgekehrt als bei den Springpferden in der
Grundausbildung. Bei den Pferden mit symmetrischen Hufen dauerte die sportliche
Laufbahn 2.3 Jahre, bei jenen mit ungleichen 1.9 Jahre; der Unterschied war jedoch
auch hier nicht signifikant.
Bei den Springpferden auf Elite-Niveau war die Wahrscheinlichkeit des Überlebens
bei Pferden mit ungleichen Hufen dramatisch reduziert. Keines blieb länger als 3
Jahre im Sport. Die mittlere Überlebensdauer war hier bei den Pferden mit
ungleichen Füssen mit 1.1 Jahr signifikant kürzer als bei den korrekten Tieren mit 1.4
Jahren.
Bei den Elite-Springpferden hatten ungleiche Hufe ein doppeltes Risiko für ein verfrühtes Ausscheiden aus dem Sport. Es frägt sich hier, ob Schäden vorbestanden
hatten.
Fesselung
Bezüglich der Winkelung des Fessels schien bei den Elitepferden in Dressur und
Springen eine steile Winkelung ein geringeres Risiko für verfrühtes Ausschieden zu
bedeuten.
Stockmass
Bei den Basis-Dressurpferden hatten die kleineren Pferd ein signifikant tieferes
Risiko für ein verfrühtes Ausscheiden als die grösseren.
Die grössten Pferde zeigen sowohl im Dressur- und Springsport bei den Basisgruppen eine Tendenz zu verfrühtem Ausscheiden, in der Dressur stärker als im
Springen. Es wird vermutet, dass die hohe Wachstumsrate mit einer tieferen Qualität
der distalen Gliedmasse zu tun hat (z.B. Osteochondrose). Das Stockmass korrelierte auch tatsächlich mit schwereren Knochen und breiteren Hufen.
Die Ergebnisse der Messungen der Widerristhöhe stehen im Gegensatz zu den Resultaten aus der vorhergehenden Arbeit von Ducro und Mitarbeitern (2009a), wonach
für die Dressur grössere Pferde gewünscht werden.
Disziplin und Niveau
Die Dauer der Sportskarriere unterschied sich bei den Disziplinen und Niveaus.
Das Risiko für ein verfrühtes Ausscheiden war im Springsport grösser als in der
Dressur und auch höher im Elitesport als bei der Basis.
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Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
Aufnahme der Arbeit
Wenn Pferde zu einem späteren Zeitpunkt im Sport eingesetzt wurden, dann war die
Gefahr für ein verfrühtes Ausscheiden grösser.
Schlussfolgerung
Exterieurmängel im distalen Gliedmassenbereich sind bedeutend für die sportliche
Betätigung. Sie sind eine unerwünschte Erscheinung, v.a. bei Elite-Springpferden
und haben einen ungünstigen Einfluss auf die Dauer des sportlichen Einsatzes.
Wir sind uns sicher einig, dass auch hinter dieser Studie sehr sehr viel Arbeit steckt,
obwohl nur gerade Besonderheiten am distalen Teil der Vordergliedmasse untersucht wurden. Bezüglich Beurteilung des Pferdes bzw. von Aspekten der funktionelle
Anatomie resultiert für uns aber leider nur wenig Brauchbares.
Zusammenfassung
Die einzelnen hier vorgestellten Studien befassen sich nur mit einzelnen Dingen des
Exterieurs, bspw. „nur“ mit dem Huf, und somit zwar mit wichtigen Details, aber doch
nur mit einem kleinen Teil des Pferdes. Dies muss als Hinweis auf die Komplexität
der Materie verstanden werden. Dieses Verständnis beinhaltet, dass wir uns nicht auf
Details versteifen dürfen, sondern dass wir uns immer bemühen müssen, auf die
grossen Zusammenhänge zu achten. Wir müssen uns sehr davor hüten, vor lauter
Bäumen den Wald nicht mehr zu sehen. - Oder mit anderen Worten ausgedrückt: Wir
dürfen nicht Fehlergucker sein, sondern müssen in einem Pferd die Qualitäten erkennen können. Man kann sich somit sogar fragen, ob man sich nicht manchmal
besser auf sein „Gschpüri“ verlassen soll. Was einem auch in den Sinn kommen
kann, wenn man an Federico Tesio denkt, den vermutlich erfolgreichsten Vollblutzüchter des letzten Jahrhunderts. Einige von ihm geschriebenen Erklärungen für
seine züchterischen Bemühungen lassen aus wissenschaftlicher Sicht nämlich schon
einen durchschnittlich begabten Gymnasiasten die Stirne runzeln. - Aber gefühlt hat
er es zweifelsohne richtig !
Auf Fehler hinzuweisen, die ohnehin die meisten sehen, das ist keine Kunst. Ebensowenig wie von einem Pferd schlecht zu reden. Spitzenpferde sind ja – wie es der
Begriff impliziert – selten. Die Wahrscheinlichkeit, dass man nicht unrecht hat mit
Zweifeln an einem Pferd, ist somit relativ gross. Somit „können“ das die meisten
Betrachter. Gut ist man aber, wenn man die Qualitäten eines Pferdes erkennt; auch
bei einem Braunen. - Solche Leute gibt es. Es sind für gewöhnlich solche, die ihr
Auge jahrelang an einer grossen Zahl von Pferden geschult haben. Diese Möglichkeit steht glücklicherweise jedermann offen, zumindest jedermann der sehen will. Es
empfiehlt sich hier, nicht nur die Schulbank zu drücken sondern so oft wie möglich
sportliche Prüfungen und Auktionen von möglichst hohem Niveau zu besuchen.
Besonders empfehlenswert sind in diesem Zusammenhang „breeze-up“-Auktionen,
wo einem zweijährige Pferde vorgaloppiert werden und man seine Fähigkeiten als
PferdekennerIn sehr gut unter Beweis stellen kann – indem man sich Notizen macht
und dann die sportliche Laufbahn seiner Spitzenkandidaten schon im gleichen oder
im nächsten Jahr verfolgt.
Dadurch erwirbt man sich das oben erwähnte Gefühl, das für gewöhnlich die unbemerkt gesammelte Erfahrung seines Lebens ist. - Im Zusammenhang mit Pferden für
gewöhnlich ein erfülltes und befriedigendes.
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Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
Pferdebeurteilung und Biomechanik
Einleitung
Das Pferd wird bei uns in erster Linie für irgendwelche Arten der Fortbewegung genutzt, womit sich dessen Beurteilung vor allem auf seinen Bewegungsapparat und
mögliche Ursachen für dessen Störungen konzentriert. Gemäss des amerikanischen
Kollegen Mackay-Smith (1977) hätten wir aber keine oder viel weniger Probleme mit
Lahmheiten bei unseren Pferden, wenn sie fliegen würden. – Recht hat er ! Zumindest aus medizinischer Sicht ist es nämlich ebenso wichtig, sich mit den Interaktionen der Gliedmassen des Pferdes mit der Unterlage zu befassen. Diese Zusammenfassung befasst sich darum zu Beginn mit Fragen zum Bewegungsablauf und dem
Geläuf, auf welchem wir unsere Pferde arbeiten. Die von uns gezüchteten Pferde
sollen ja gesund aufwachsen, ihre Ausbildung unbeschadet überstehen und möglichst lange gesund bleiben - zum Wohl und Nutzen aller Beteiligten.
Diese Materie ist zugegebenermassen recht trocken, aber die Kenntnis der physikalischen Gegebenheiten (der Biomechanik) ist die beste Grundlage für das Verständnis unserer Bedürfnisse ans Exterieur des Pferdes (die funktionelle Anatomie). Wobei
wir uns gleich auch bewusst sind, dass die Leistungsfähigkeit eines Pferdes zu
einem sehr hohen Masse auch von dessen Interieur bestimmt wird, und dieses einerseits körperliche Mängel wett machen, anderseits aber auch zu Verletzungen führen
kann (Brunt 2010).
Das von uns gewählte Thema ist also sehr komplex, aber in Anbetracht seiner grossen Bedeutung wollen wir uns trotzdem damit befassen. Letztere hat ja auch dazu
geführt, dass in den letzten Jahren auf diesem Gebiet fleissig geforscht und nützliche
Erkenntnisse gewonnen werden konnten.
Die Biomechanik ist selbstverständlich in jeder Disziplin des Pferdesports von Bedeutung, aber gleich wie in andern hippologischen und medizinischen Belangen wurde
auf diesem Gebiet zuerst im Rennsport ernsthaft geforscht. Arbeiten von Cheney et
al. (1973), Fredricson et al. (1975a & b) und Pratt (1980) gehörten zu den wichtigsten
ersten Studien auf diesem Gebiet. Wobei zu jener Zeit statt von Biomechanik manchmal auch von Biotechnik gesprochen wurde.
Zur Zeit geniessen im Rennsport Forschungsarbeiten zu modernen Geläufen, welche
unter dem Begriff „synthetische Geläufe“ (synthetic racing surfaces SRS) zusammengefasst werden, grösstes Interesse. An der Jahreskonferenz der Amerikanischen
Pferdetierärzte (American Association of Equine Practitioners AAEP) im Dezember
2009 fand dieses Wissensgebiet grösste Beachtung. Dabei wurde diskutiert, dass auf
synthetischen Geläufen in der Regel weniger, aber auch andere Verletzungen angetroffen werden als auf Sandbahnen, bspw. mehr Läsionen an der Hintergliedmasse
und bei Weichteilstrukturen, dafür weniger Chip-Frakturen.
Vergleichbare Untersuchungen aus dem Reitsport sind erst gerade in Erarbeitung,
aber die grundsätzlichen Erkenntnisse aus dem Rennsport dürfen als Wegleitung
dienen. Dies gilt vor allem für Vielseitigkeitsreiter, die für gewöhnlich ja die gleichen
Trainingspisten nutzen wie die Galopper.
Beim Bau von Anlagen für den Pferdesport gilt heutzutage, dass oekologische
Aspekte auch beachtet werden müssen, wenn er nachhaltig sein soll.
Im Lauf der Zeit hat sich gezeigt, dass die Nachkommen von gewissen Hengsten auf
den verschiedenen Geläufen unterschiedlich erfolgreich laufen. Das ist für uns Züchter natürlich besonders wichtig.
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Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
Geschichtliches
Bekanntlich erfolgte die erste photographische Dokumentation der Bewegung
des Pferdes durch Muybridge (Abb. 5). Es dürfte sicher interessieren, wie es damals
zu dieser historisch bedeutungsvollen Arbeit kam (Originaltext von Sharpe 2008):
The Governor of California, Leland Stanford was fascinated by racehorses – and by
one of the burning issues of the day, whether when horses raced, at certain times,
they had all four feet off the ground.
In 1872, irked that no-one had yet proved the point one way or the other, he staked a
massive $ 25’000 bet that HE would come up with the proof.
Stanford’s plan was to hire a photographer to produce the evidence. He selected 45year-old Englishman Eadweard Muybridge, who was based in San Francisco.
Given the slow shutter speeds of the day, Muybridge’s early efforts proved ineffective. His concentration on the task was somewhat interrupted when he was accused
of murdering his wifes’s lover. A sensational trial in February 1875 somehow resulted
in his acquittal (Freispruch).
After Muybridge had time to recover from his ordeal, Stanford, whose opponents in
the bet were claiming they had won the wager, urged Muybridge to get back to his
equine investigations.
Abb. 5 Photos von Muybridge vom galoppierenden Pferd
By 1880 technology had advanced to the point where Muybridge devised a system
involving a battery of cameras catching the image of a moving horse.
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Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
Twenty-four cameras were used, each set off by a series of electrical connections as
the horse passed by.
When the images were produced, there it was – photographic evidence of a horse
with all four legs off the ground while galloping.
Stanford had won his $ 25’000 bet – which helped towards the $ 40’000 costs of finding the proof !
Diese Art und Weise der Finanzierung von Forschungsprojekten (Wetten) ist heutzutage leider nicht mehr üblich. Sie hätte aber auch heute noch ihren Reiz, weil dadurch vermutlich wirklich interessante und bedeutungsvolle Fragen überprüft würden.
Abb. 6 Dass Pferde im Galopp tatsächlich eine Schwebephase haben, hätte man auch anlässlich eines Skikjörings in St.Moritz photographisch festhalten können. Allerdings wäre es
bei den Preisen in diesem Ferienort fraglich gewesen, ob die Resultate für nur $ 25„000 hätten erhoben werden können (Foto Heidi Wettstein).
Nebenbei: Zur Biomechanik in der klassischen Literatur
Die Biomechanik kann übrigens nicht nur mit dem Auge, sondern auch mit dem
Gehör erfasst werden. Zu den bekanntesten Zitaten in der Literatur auf diesem Gebiet gehören Verse von Homer und Vergil:
Polla d‟ananta katanta paranta te dochmia t„elthon
Ilias, 23. Gesang (Homer, 8. Jahrhundert v.Chr.) Mit diesem Vers wird der Hufschlag
der Maultiere wiedergegeben, die für den Transport von Holz für die Bestattung von
Patroklus nach der Ermordung durch Hektor eingesetzt wurden.
Quadrupedante putrem sonitu quatit ungula campum
(Der vierfüssige Klang mit dem der Huf das weite Feld schlägt)
Hexameter von Vergil (70 – 19 v.Chr.)
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Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
Bewegungsapparat
Interview mit David Elsworth (Trainer in Whitsbury)
What is the single most important factor in a successful racehorse ?
It has got to be sound. If it isn’t, everything else goes down the drain. It can have all
the courage and ability in the world but if it keeps getting beat with bad legs or a bad
back, it can’t be trained properly. You can have the best horse in the world but it’s no
bloody good if it’s standing in its box. (Thoroughbred Owner and Breeder, November
2005, 28)
Grasbahnen (turf)
Die ideale Unterlage für Pferde ist nach wie vor Gras (Abb. 7, 8 & 9) - aber jedermann ist klar, dass solcher Boden stark Schaden nimmt und deshalb sowohl die
Arbeit im Training auf Gras wie die Zahl der Meetings limitiert ist. Sowohl dieser Um-
Abb. 7 Auf Grasboden kann der Huf
in den Boden rotieren, das Auffussen
wird gedämpft durch Gras wie Wurzeln
und die Energie wird in hohem Masse
zurückgegeben
Abb. 8 Beim Auffussen erfolgt eine dreidmensionale Rotation, Der Huf muss sowohl
(in vertikaler Richtung) ins Geläuf hinein, aber auch (in horizontaler Richtung) unter
den Schwerpunkt rotieren können.
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Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
stand aber auch viele diverse Gründe haben dazu geführt, dass in den letzten 30
Jahren fleissig daran gearbeitet wurde, andere Geläufe zu schaffen.
Abb. 9 Das Vorführen der Gliedmasse vor dem Auffussen (Innenrotation unter den
Schwerpunkt) wird hier sowohl von Galileo (links) wie Fantastic Light (Sieger mit
einem Kopf) im Einlauf der Irish Champion Stakes 2001 (Gr. 1) gezeigt.
Auf dem Curragh (in Irland) wurden die Pferde zu meiner Zeit als Amateur (70erJahre) noch ausschliesslich auf Gras trainiert, und um den Boden zu schonen wurde
jeweils (mit Zweigen) nur ein Streifen markiert, auf welchem gearbeitet werden
durfte. Ein mir gut bekannter Trainer hielt sich für gewöhnlich jedoch nicht daran und
zahlte gerne eine Busse, um seine Schützlinge auf jungfräulichem Boden galoppieren zu können.
oOo
„It isn‟t the „unting as „urts the horse„s „oofs, it‟s the „ammer, „ammer, „ammer on the
„ard „igh road”
old English adage
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Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
(Foto: Debora Vogt, 2010)
Abb. 10 Gras-Renn- und Trainingsbahn (turf) in Newmarket
Für die Aufrechterhaltung des Rennsports und die Effizienzsteigerung des Wettbetriebs, der heutzutage in Konkurrenz zu vielen andern Lotterien und Glückspielen
steht, wurden dann Alternativen gesucht und vor allem in den Vereinigten Staaten
wurden Sandbahnen in grosser Zahl gebaut. Für die Steigerung der Attraktivität für
die Wetter wurden überdies relativ kleine Bahnen konstruiert, damit die Pferde mehr
als einmal an der Tribüne vorbei galoppieren müssen. Damit wurden gleich zwei
grosse Probleme geschaffen, weil auch letzteres nicht der Natur des Pferdes entspricht, das nicht dazu geschaffen ist, enge Kurven zu galoppieren (einer der Gründe
für die hohe Zahl von Frakturen im amerikanischen Rennsport). Naturgewachsene
Bahnen, wie bspw. der bereits erwähnte Curragh, kommen den Pferden auch hier
entgegen. Die 2400 m für das Derby werden in Irland in einer Hufeisenform gelaufen
und die Pferde kommen nur für den Einlauf vor den Tribünen vorbei. Für echte
Pferdeleute war oder ist dieser Umstand kein Problem - und heutzutage wäre es
wegen den grossartigen technischen Möglichkeiten der Verfilmung ohnehin keines
mehr.
Die Trainerin Criquette Head-Maarek in Chantilly arbeitet ihre Pferde auch heute
noch nur auf gerader Bahn schnell. Wofür auch dort (offiziell) ein zusätzlicher Obulus
entrichtet werden muss für die Arbeit auf Gras.
Sandbahnen (dirt)
In Amerika musste dann aber festgestellt werden, dass sich die Pferde auf Sandbahnen sehr viel häufiger verletzen als auf Gras, was für alle Beteiligten sehr ungünstig
ist (z.B. auch bezüglich der Verletzungsgefahr von Jockeys) und anderseits heutzutage von der Öffentlichkeit nicht mehr akzeptiert wird. Diesbezüglich kann an die
Verletzungen von Eight Belles im Kentucky Derby erinnert werden, die 2008 beim
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Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
Ausgaloppieren ihre beiden vorderen Fesselgelenke brach, nachdem sie als Zweitplatzierte zu Big Brown einlief. Dieser tragische Zwischenfall wurde per Television
weltweit bekannt und die Erinnerung an die Fraktur von Barbaro in den PreaknessStakes von 2006 wurde wieder schmerzhaft wach. Selbst das amerikanische Publikum hat langsam genug von derartigen Unfällen, und eine Umfrage durch Gallup ergab, dass 38% der Amerikaner finden, dass Sportveranstaltungen mit Wettbewerben zwischen Tieren aufgegeben werden sollten. Besonders bemerkenswert war
dabei, dass die 18- bis 29-jährigen Befragten eher ein Verbot forderten als ältere
Personen - also ausgerechnet jene Leute, die den zukünftigen Pferdesport tragen
müssten.
Abb. 11 Auf Sandbahnen wird die Gliedmasse abrupt gestoppt (je nasser der Sand
desto stärker), die Rotation wird stark behindert, und wegen der fehlenden Elastizität
des Bodens geht die Energie verloren. Vergleichbare Verhältnisse bestehen auch auf
Spring- und Dressurplätzen (s. Arbeit Murray et al. 2006, p. 16)
Synthetische Geläufe (Synthetic Racing Surfaces)
Vor etwa 30 Jahren wurden die ersten Versuche unternommen, bessere Bahnen zu
konstruieren als Sandbahnen (Richards 2007). Zu Beginn wurden diese für gewöhnlich als All-Wetter-Bahnen benannt, aus dem einfachen Grunde, weil damit ein Rennbetrieb ermöglicht wurde, der weniger abhängig ist vom Wetter. Heutzutage bezeichnet man sie in der Regel „Synthetische Geläufe“ (Synthetic Racing Surfaces SRS).
Man hat den Eindruck, dass dafür heutzutage wirklich gute Möglichkeiten angeboten
werden. Es ist für professionelle Pferdeleute unabdingbar, sich mit dieser Materie
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Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
vertraut zu machen. Sie ist aber anspruchsvoll und ein halbherziger Zugang genügt
nicht.
Auch für den Bau von Anlagen für den Reitsport müssen all diese Erkenntnisse genutzt werden und Forschung auf diesem Gebiet ist überaus wünschenswert, nicht nur
für die bereits genannten Vielseitigkeitsreiter sondern auch für den Spring- und Dressursport.
Abb. 12 Synthetische Trainingsbahn (SRS) in Newmarket (Foto: Debora Vogt, 2010)
Diese moderne Piste zeigt überdies den biomechanisch vorteilhaften Anstieg, der
einerseits das Durchtreten im Fesselgelenk fördert und somit Sehnen und Bändern
trainiert - ohne dass zu viel Gewicht auf die Vorhand wirkt, und anderseits hilft, die
Muskulatur der Hinterhand zu stärken.
Der Autor bittet um Verständnis dafür, dass hier nur Beispiele aus dem Rennsport
erwähnt werden. Vergleichbare Untersuchungen aus dem Reitsport gibt es zur Zeit
aber leider noch nicht. Es ist sehr zu hoffen, dass solche in nächster Zunft in Angriff
genommen werden.
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Biomechanik
Bewegungsstudien und -analysen
Die Gültigkeit irgendwelcher Hypothesen zum Exterieur eines Pferdes und seinem
Leistungsvermögen überprüft man natürlich am besten bei der Nutzung des Pferdes,
beim Rennpferd bspw. anhand des Bewegungsablaufs im Galopp. Eines dieser Beispiele betrifft Deep Impact (Sunday Silence – Wind in Her Hair v. Alzao), den japanischen Triple Crown Sieger von 2005 (Takahasi et al. 2006).
Dieser Hengst soll gemäss Aussage seines Jockeys im Galopp geradezu in der Luft
geflogen sein (wobei wir uns bewusst sind, dass Kommentare von Jockeys immer mit
einer Prise Salz genommen werden müssen). Rein sachlich konnte jedoch auch festgestellt werden, dass die Hintereisen von Deep Impact weniger abgeschliffen wurden
als bei anderen guten Pferden.
Deep Impact wurde 2005 im Galopp gefilmt (mittels high speed video) und zwar anlässlich seines Einsatzes im Japanischen St.Leger (Kikuka Sho race, Gr. 1) über
3000 m auf Gras in Kyoto. 100 m vor dem Ziel wurde das Video System installiert,
mit einem Blickfeld von 16 m und einer Frequenz von 250 Aufnahmen pro Sekunde.
- Die Geschwindigkeit von Deep Impact bei den Aufnahmen betrug 17.8 m/s (die
schnellste im Feld, dessen Durchschnitt 16.1 m/s war).
- Die Fussfolge (Anzahl Galoppsprünge) betrug 2.36 pro Sekunde (nur drittbeste
Frequenz, Durchschnitt 2.28/s)
- Die Länge des Galoppsprungs betrug 7.54 m (die längste Distanz, Durchschnitt
7.08 m), aufgeteilt in 1.27 m für die Distanz zwischen den Hintergliedmassen, 1.48 m
für jene der Vordergliedmassen, 2.16 m für die diagonale Distanz (zwischen führender Hinter- und nichtführender Vordergliedmasse) und 2.63 m für die Schwebephase
(Abb. 13).
Abb. 13 Ausmessung des Galoppsprungs von Deep Impact im Finish des
japanischen St.Leger (3000 m) 2005 (Kikuka Sho) (Takahasi et al. 2006).
Ein weiterer Parameter für solche Studien ist die sogenannte overlap time, jene
Dauer, zu welcher zwei Gliedmassen gleichzeitig Bodenkontakt haben. Diese Zeit
war bei Deep Impact kürzer als der Durchschnittswert. Das Verhältnis von dieser
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Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
Zeitdauer zur Dauer des Galoppsprungs betrug bei Deep Impact nur 8.5%, der
Durchschnitt bei den anderen Pferden war 17,1%, also doppelt so lang. Eine kurze
overlap time war damals auch bei Secretariat zu konstatieren und bestätigt übrigens
auch den empirisch geschaffenen englischen Ausdruck „good turn of foot“ als Eigenschaft eines schnellen Pferdes (Abb. 14).
Abb. 14 Berechnung der overlap time von Deep Impact (0.036 sec.) und seinen
Gegnern (0.075 sec.) (Takahasi et al. 2006).
Die diagonale Sprungdauer, der Zeit des Bodenkontakts von führender Hinter- und
nicht-führender Vordergliedmasse und die Zeit mit allen vier Gliedmassen in der Luft
(Schwebephase) war bei Deep Impact kürzer, ebenfalls gleich wie damals bei Secretariat. Diese gemeinsamen Eigenheiten scheinen also die essentiellen Besonderheiten der besten Pferde zu sein.
Abb. 15 Vergleich der
Länge des Galoppsprungs
von Deep Impact (weiss)
und dem Durchschnitt seiner
Gegner (grau)
(Takahasi et al. 2006)
Distanzmässig entsprechen die Werte von Deep Impact obigen Aussagen des
Jockeys (er hatte also doch auch etwas recht), nicht aber den erzielten Zeiten in der
Schwebephase.
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Ursachen für Verletzungen
Die Gründe für Erkrankungen des Bewegungsapparates sind mannigfach, aber von
besonders grosser Bedeutung sind Verletzungen im Zusammenhang mit der Nutzung der Pferde. Dort wirken Belastungen, die bspw. zu Frakturen von Knochen oder
zu Rupturen von Sehnen und Bändern führen, und diese Kräfte treten bei der Interaktion der Gliedmassen mit dem Untergrund auf. Es sind dies also Ereignisse vorwiegend physikalischer bzw. mechanischer Natur
Allerdings müssen wir uns bewusst sein, dass es selbst bei gewissenhaftester Arbeit
für die Prävention von Verletzungen weiterhin ein gewisses Mass von Unfällen und
Verletzungen geben wird. Die Prüfung der Pferde bis zur Grenze ihrer Belastbarkeit
gehört zum Wesen und Zweck von Sport und Zucht und ist meines Erachtens ethisch
legitimiert. Eine derart harte Selektion der Tiere wie im Pferderennsport kennt man
sonst nirgends und es darf daran erinnert werden, dass dieses Vorgehen zur Vormachtstellung der Vollblutzucht geführt hat - u.a. auch für die Veredelung anderer
Rassen. Die Knochenarbeit (im wahrsten Sinne des Wortes) für die Gesunderhaltung der Pferdezucht allgemein wird in erster Linie von den Vollblütern geleistet.
Dafür verdienen sie in erster Linie Dank und grosse Anerkennung.
medial
Abb. 16 Typische Frakturen
bei Verletzungen auf Sandbahnen (lateraler Kondylus
und mediales Sesambein)
bei 4-jährigem Pferd
Die grosse Bedeutung der Biomechanik erkennt der geneigte Pferdebesitzer schon
daran, dass unsere Pferde für gewöhnlich beschlagen werden müssen, die Eisen in
der Regel bereits nach wenigen Wochen abgeschliffen sind, und die von uns benutzten Strassen und Wege deutliche Gebrauchsspuren zu zeigen pflegen. Beim Betrachten dieser Dinge müssen wir daran denken, dass diese Kräfte auch auf das
Pferd selber, seine Knochen, Gelenke, Sehnen und Bänder wirken - diese Strukturen
also sehr stark belastet werden. Spätestens jetzt muss einem einleuchten, welch
grosse Bedeutung dem Geläuf beigemessen werden muss, auf dem wir die Pferde
arbeiten.
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Den Rennbahnen kommt für gewöhnlich eine relativ gute Pflege zu, vielleicht darum,
weil diese von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Die grösste Zeit ihres Lebens
verbringen die Pferde jedoch auf Trainingsbahnen und es lässt aufhorchen, dass bis
zu 90% der Verletzungen im Training auftreten und nicht in den Rennen. Als Tierarzt
kann man sich deshalb des tiefen Eindrucks nicht erwehren, dass sich zu viele Trainer und Besitzer nach wie vor viel zu wenig ernsthaft mit dieser Materie befassen. Es
ist unsere Aufgabe und Pflicht, sich dem Pferd und dem Sport zuliebe hier mit allen
Kräften vernehmen zu lassen und sich für Verbesserungen einzusetzen.
Die grössten Fehler stehen auch hier im Zusammenhang mit der Arbeit auf herkömmlichen Sandbahnen, und die bekanntesten Probleme vor allem bei jungen
Pferden sind hier Frakturen (Abb. 16), „Schienbeine“ (Abb. 17) und Läsionen im
Bereich des Fesselgelenkes (Abb. 18), deren Entstehung in direktem Zusammenhang mit dem Geläuf steht. Ihre Frequenz ist in den USA unglaublich viel höher als in
Europa und als wichtigste Ursache wird die Arbeit auf Sandbahnen erachtet. Dieser
Tatbestand sollte eigentlich jedermann klar sein, der sich schon mal für ein paar
Minuten gedanklich mit dem normalen Bewegungsablauf eines Pferdes befasst hat.
Das Auffussen muss gleichzeitig stossdämpfend und energiesparend sein, was vor
allem auf natürlicher Unterlage (Gras mit seinen Wurzeln) am besten möglich ist. Des
weitern werden die Gliedmassen unter den Schwerpunkt geführt, was nur dann
schadlos erfolgen kann, wenn das Bein dabei dreidimensional rotieren kann. Auf
Sandbahnen ist dies nicht gut möglich, und umso weniger, je nasser sie sind.
Abb. 17 3-jährige Vollblutstute mit
Mikrofrakturen dorsal an der Röhre
(Pfeil) als Folge der Arbeit auf einer
Sandbahn
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Abb. 18 Gleiche Stute wie in
Abbildung 17, zusätzlich mit
massiv angefüllten Fesselgelenken vorne beidseits.
Die Rotation der Gliedmassen ist uns selbstverständlich bestens vertraut. Wenn wir
beispielsweise junge Pferde am langen Zügel arbeiten, hinter ihnen marschieren und
den Bewegungsablauf beobachten, so können wir die Rotation der Hintergliedmassen bei jedem Schritt beobachten, zwar minim, aber trotzdem immer erkennbar.
Bezüglich des Exterieurs gelten für die Arbeit auf Sandbahnen vor allem Merkmale
wie Rückbiegigkeit im Karpus und die zehenenge Stellung als besonders unvorteilhaft. Bei rückbiegigen Pferden glaubt man eine höhere Frequenz von Stressfrakturen im Bereich des Karpus und von Mikrofrakturen in der dorsalen Kompakta des
Röhrbeins („Schienbeine“ Abb. 17) zu sehen. Diverse Frakturen im Bereich des
Fessels werden vermutlich begünstigt durch eine zehenenge Stellung, die beim Auffussen und damit der Übernahme des Gewichts bei der Innenrotation noch unvorteilhafter wird.
Abb. 19 Zehenenge Stellung vorne beidseits
bei einem Reitpferd – wo die übermässige
Belastung der inneren Griffelbeine häufig zur
Bildung von Überbeinen führt
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Verletzungen wegen Reiterfehlern
Pinchbeck G.L. et al. (2004)
Verletzungen und Schädigungen wegen Exterieurfehlern stehen natürlich auch
Reiterfehler als Ursachen entgegen. Sowas ist sicherlich jedermann klar, wenn man
bedenkt wie ungünstig 80 kg (und mehr) Reiter wirken können, wenn sie das Pferd
aus Gleichgewicht und Rhythmus bringen. Damit müssen wir bis zu einem gewissen
Masse und in manchen Fällen leben können, aber das Mass der Toleranz wird überschritten, wenn wohl bekannte Ursachen ignoriert werden. Schon in früheren
Arbeiten wurden in diesem Zusammenhang Fatalitäten in Hindernis- und Flachrennen untersucht, wobei erkannt wurde, dass bei Hindernisrennen die Unglücksfälle
immer mit Stürzen assoziiert waren (Vaughan and Mason 1975, McKee 1995 und
Bourke 1995). In der Untersuchung von Vaughan and Mason (1975) waren es 55%
der Unfälle auf der Flachen und über Sprünge. Der grösste Teil dieser Pferde starb
unverzüglich oder hatte eine Quadriplegie.
Solchen Zwischenfällen sollten wir zum Wohl des Tieres vorbeugen und daneben
haben sie auch einen sehr negativen Einfluss auf die Wahrnehmung der Zuschauer.
Gemäss Pinchbeck und Mitarbeitern (2004) sind Stürze in Rennen ein Risiko für
Verletzungen und Todesfälle von Pferden und Jockeys. Für die Untersuchung der
Umstände, die zu Stürzen von Pferden in Hürden- und Jagdrennen beitragen und für
die Identifizierung und Quantifizierung von Risikofaktoren wurden zahlreiche Rennen
ausgewertet.
Die Studie betraf Aufzeichnungen von Rennen auf sechs verschiedenen Bahnen des
vereinigten Königreichs und die Zwischenfälle und Kontrollen wurden abgestimmt
sowohl bezüglich Typ der Rennen und Nummer des Hindernis, wo sich Stürze ereigneten (retrospective, matched, nested case-control study).
Die statistische Auswertung erfolgte zum Zweck der Überprüfung von Zusammenhängen zwischen voraussagenden Variabeln und dem Risiko eines Sturzes (conditional logistic regression analysis to examine the univariable and multi-variable relationship).
119 Fälle und jeweils zwei Kontrollen pro Fall wurden studiert, was eine Zuverlässigkeit der Aussagen von 85% erlaubte.
Das Risiko eines Sturzes war signifikant assoziiert mit Peitschengebrauch und dem
Verlauf des Rennens. Pferde welche geschlagen wurden und ihren Platz verbesserten, hatten ein mehr als 7-fach grösseres Risiko eines Sturzes als ihre
Konkurrenten.
Es ist anzunehmen, dass wegen des unsachgemässen Peitschengebrauchs die
Pferde im Rhythmus gestört werden und weniger sorgfältig springen.
All die oben erwähnten Aspekte werden im Folgenden mit diversen Artikeln zu
Verletzungen, zu Bemühungen um Prävention sowie Verbesserungen und weiteren Belangen etwas näher betrachtet (von den Anfängen bis heute).
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Bemühungen um Verbesserungen
Rennbahn-Geläuf und Studien zur Gesundheit
Racetrack Surface and Soundness Studies (Anon. 1981)
Die Anfänge der Bemühungen um ernsthafte Verbesserungen der Geläufe auf den
Rennbahnen, was vor allem in Nordamerika nötig war (und weiterhin ist), gehen auf
eine Initiative der amerikanischen Pferdepraktiker (American Association of Equine
Practitioners AAEP) zurück. Dieses Unterfangen startete 1976, als der damalige Programm-Verantwortliche Dr. Joe Solomon am jährlichen Meeting der AAEP in Dallas
eine öffentliche „Roundtable Diskussion mit dem Zweck für eine umfassende Studie
über den Zusammenhang von Rennbahn-Geläufen und Verletzungen beim Rennpferd“ lancierte.
Dies führte zu Studien- und Planungs-Sessionen und schliesslich zur Gründung der
AAEP-Stiftung für die Vermeidung von Lahmheiten in 1978.
Die Tests und das Studium der Rennbahn-Geläufe unter der Direktion von George
W.Pratt jr. weitete sich in der Folge aus in ein volles Programm.
1979 etablierte die American Association of Equine Practitioners zusätzlich eine
“Lahmheits-Niederbruch-Überwachung“. Der Plan bestand darin, dass mehrere Praktiker die Leistungen von zahlreichen Pferden im Training für eine Saison verfolgen
und die detaillierten Reporte mittels Computer analysiert werden.
Abb. 20 Typische Präsentation eines niedergebrochenen Pferdes
(David Hervelin 2007)
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Fatale Unfälle bestimmen die bedeutendsten Ereignisse des Sommers
Fatalities mar top American summer events (MacDonald Michele 2006)
Zu Beginn dieses Jahrhunderts wies MacDonald (2006) darauf hin, dass der Tod von
Pferden die angesehenen Sommer-Meetings von Del Mar und Arlington Park überschattete und weit verbreitete Besorgnis bezüglich Sicherheit und Überwachung geweckt wurde. Am 3. August erlitt die vierjährige Stute Early Roman im Morgentraining Gleichbein-Frakturen und musste euthanasiert werden - als neuntes Pferd,
das innert 15 Tagen entweder im Rennen oder im Training starb. – Einfach als ein
Beispiel von vielen für die inakzeptabel hohe Frequenz von Todesfällen, die durch
andere Gründe verursacht werden als nur Exterieurfehler.
Obwohl der Staat Kalifornien verordnet hatte, dass grosse Rennbahnen synthetische
Geläufe installieren, von denen angenommen wird, dass sie wegen der effizienteren
Polsterung die Frequenz von Verletzungen reduzieren, hatte Del Mar noch keine
Verbesserungen in Aussicht gestellt.
Die staatliche Intervention erfolgte aufgrund von Statistiken, denen zu entnehmen ist,
dass im Vorjahr (2005) 272 Rennpferde bei der Arbeit den Tod fanden, die höchste
Zahl je.
Für uns Schweizer muss das Einmischen des (kalifornischen) Staates eine ganz
klare Warnung sein. Wenn wir in unserem Sport nicht selber für Ordnung schauen,
dann müssen wir früher oder später ebenfalls mit staatlichen Interventionen rechnen.
Das kann uns neben grossen Unannehmlichkeiten überdies grosse direkte Kosten
verursachen und eine Unterstützung durch den Staat für unsere Aktivitäten wird dann
bestimmt illusorisch. Wenn sich die Öffentlichkeit über einen Sport derart empört,
dann sind die Steuerzahler sicher nicht bereit, irgendwelche Subventionen zu leisten.
Auf einer anderen Bahn (Arlington Park, Illinois) mussten vom 5. Mai bis 30. Juli
2006 (also innert 3 Monaten) bei den Rennen 18 Pferde euthanasiert werden, verglichen mit deren 12 in der Zeitspanne von 4 Monaten am Meeting 2005. Mindestens
5 weitere Todesfälle wurden aus dem Trainingsbetrieb rapportiert.
Übersicht: Das Verhältnis der schweren Unfälle auf der Bahn hat sich geändert
Review: Racetrack Fatality Ratio Changes (LaMarra 2008)
Anlässlich der Konferenz “Wohlbefinden und Sicherheit des Rennpferdes” (Welfare
and Safety of the Racehorse Summit) Mitte März 2008 wurde berichtet, dass die Zahl
der katastrophalen Verletzungen auf Sandbahnen zugenommen, die korrespondierende Zahl auf synthetischen Geläufen aber abgenommen hat.
Eine Analyse durch den Jockey Club ergab, dass sich:
- auf Sandbahnen 2.02 Todesfälle auf 1‟000 Starts ereigneten, und
- auf synthetischen Geläufen deren 1.47 auf 1‟000 Starts
Diese Zahlen können als wissenschaftlich schlüssig erachtet werden.
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Rennbahn-Gruppe führt Sicherheits-Initiativen ein
Racetrack Group to Implement Safety Initiatives (The Blood-Horse Staff 2008)
Die Initiative von Verantwortlichen von amerikanischen Rennbahnen für die Verbesserung der Sicherheit schloss insbesondere drei Dinge ein:
- den Hufbeschlag (die Begrenzung der Höhe von Griffen im Zehenbereich („toe
grabs“) der Vordereisen) (Abb. 21)
- Bestimmungen für neue Peitschen
- und die Empfehlung, den Gebrauch von anabolen Steroiden zu reglementieren.
Abb. 21 Erläuterung der Wirkung von „toe grabs“ auf den Bewegungsablauf, deren
Verwendung m.E. auf falschen Vorstellung des Bewegungsablaufs beruht. Die Kraft
für die Fortbewegung kommt aus der Hinterhand – das Pferde zieht sich nicht mit der
Vorhand nach vorne. Die Vordergliedmasse muss die Kraft auffangen, und dafür
muss sie etwas gleiten und rotieren können. Mit „toe grabs“ erfolgt eine Überstreckung im Fesselgelenk und überdies wird das Auffussen zu abrupt gestoppt.
Diese Gruppe war sich der öffentlichen Wahrnehmung und Kritik an der Renngemeinde akut bewusst und engagierte sich aktiv für neue Regelungen um Gesundheit
und Sicherheit der equinen Athleten sicher zu stellen.
Bitte zu beachten
Der Autor ist sich sehr wohl bewusst, hier nur gerade Ergebnisse von Untersuchungen im Rennsport zu präsentiert zu haben. Diesem Umstand liegen aber nicht
etwa einseitige Interessen zu Grunde, sondern vielmehr der Mangel von vergleichbaren Studien aus dem Reitsport. Obwohl dort gleiche Probleme bestehen, was eine
aktuelle Arbeit aus Schweden dokumentiert. Dort haben Kollegin Egenvall und Mitarbeiter (2010) den Zusammenhang von Alter des Pferdes und Erfahrung des Reiters
mit dem Auftreten von Verletzungen in Reitschulen untersucht. Einerseits bewahrheitete sich die Erkenntnis, dass Erfahrung der beste Lehrmeister ist und als Empfehlung für das Vermeiden von Verletzungen wurde u.a. angeführt, dass Pferde
auf verschiedenen Unterlagen trainiert werden sollen.
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Biomechanische Messungen
Die Messung der Beschleunigung des Hufs und die Kräfte von dessen Interaktion mit dem Geläuf bei Vollblut-Rennpferden auf Sand-,
synthetischen und Gras-Geläufen.
Hoof Accelerations and Ground Reaction Forces of Thoroughbred Racehorses
Measured on Dirt, Synthetic, and Turf Track Surfaces (Setterbo et al. 2008)
Einleitung
Obwohl man annimmt, dass die Art eines Geläufs die Gefahr von Verletzungen beeinflusst, sind Resultate von epidemiologischen Untersuchungen wegen diversen
Variabeln unbeständig.
Das Ziel dieser Arbeit war es, Sand-, Gras- und synthetische Bahnen mithilfe der
direkten Messung der Beschleunigung des Hufs und Boden-Reaktions-Kräften zu
vergleichen.
Material und Methoden
Die Beschleunigungen des Hufs und die Boden-Reaktions-Kräfte wurden mittels
eines Beschleunigungsmessgeräts am Huf und einem dynamometrischen Hufeisen
bei 4 Pferden gemessen und analysiert, die im Trab und ruhigen Galopp auf den verschiedenen Geläufen bewegt wurden.
Resultate
Die synthetische Bahn ergab die tiefsten Werte für die Beschleunigung und die
mittleren Vibrations-Variabeln. Die maximale Beschleunigung beim Auffussen des
Hufs betrug 81% vom Maximum auf der Sandbahn und 66% von jenem auf Gras. Die
synthetische Bahn hatte auch die tiefste Spitzen-Boden-Reaktions-Kraft
Schlussfolgerungen und klinische Bedeutung
Die relativ tiefen Beschleunigungen, Vibrationen, maximalen Boden-Reaktions-Kräfte
und Belastungs-Raten auf synthetischem Geläuf weisen darauf hin, dass synthetische Bahnen die Verletzungsrate bei Vollblut-Rennpferden potenziell senken können.
Die Auswirkung von Unterhaltsarbeiten auf mechanische Eigenschaften einer Sandbahn: Eine vorläufige Studie
Effect of track maintenance on mechanical properties of a dirt racetrack: A preliminary study (Peterson and McIlwraith 2008)
Wenn Vollblut-Rennpferde katastrophale Verletzungen erleiden, dann wird das Geläuf oft als beitragender Faktor diskutiert.
Die sorgfältige Untersuchung von Bahnen verlangt quantitative Informationen, die
das Geläuf beschreiben. Frühere Bahn-Messungen haben Apparaturen vom Typ des
Penetrometers benutzt. Die vertikale Komponente wurde in diesen Untersuchungen
als die primäre Kraft betrachtet, die beim Galoppieren eines Pferdes auftritt. Das
zweite wesentliche Element der Belastung in der Bewegung eines Tieres ist horizontal, die abhängig ist von der Scherkraft des Geläufs.
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Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
Peterson und Mitarbeiter (2004) entwickelten ein hufförmiges System, das die Geschwindigkeit des Hufs in vertikaler und horizontaler Richtung und die Kraft beim
Auffussen misst.
Dieses System wurde benutzt, um die mechanische Interaktion von Huf und Geläuf
vor und nach dem Eggen objektiv messen zu können.
Das Instrumentarium besteht darin, dass ein nachgebildeter Huf auf einem Paar
Stahlschienen mit einer Neigung von 12° von 1,6 m Höhe fallen gelassen wird und
mit 540 J auf den Boden trifft.
Ein zweites Set von Schienen ist daran befestigt und wird von einer Gas-Feder in Position gehalten. Wenn der Huf auf den Boden auftrifft, dann wird die Feder komprimiert und der Huf ist gezwungen nach vorne zu gleiten.
Diese Studie untersuchte die mechanischen Eigenheiten des Geläufs und fand signifikante Unterschiede während des Routine-Unterhalts. Fragen zur relativen Bedeutung der Bahn-Variabilität und Festigkeit verlangen jedoch weitere Studien.
Bedingungen unter dem Huf
Conditions Under Foot (Jurga 2009)
Mit diesem Artikel unter mehrdeutigem Titel befasst sich Jurga recht kritisch mit dem
Rennsport in Amerika, der seit dem öffentlichen Aufschrei nach den tragischen
Todesfällen von Eight Belles, George Washington und anderen guten Pferden in der
Defensive ist und nach Antworten sucht.
Gemäss Jurga fühlt man sich im Rennsport wie ein Jahrmarktsbesucher in einem
Spiegelsaal, der hier- und dorthin schaut, ein verzerrtes Bild von sich sieht, u.a. weil
vieles, welches bisher als richtig galt, jetzt nicht mehr so sein mag.
Als die Konferenz des amerikanischen Jockey Club‟s (Welfare and Safety Summit
WSS) die Zehengriffe (toe grabs) als ein möglicherweise schädliches Problem aufgriff, begannen Taylor und sein Team die Unterschiede im Bewegungsablauf des
Hufs mit verschiedenen Eisen zu studieren.
Ein Komitee für Hufbeschlag und -pflege des WSS sorgte für eine rasche Änderung
der Regelungen, um die Höhe der Zehengriffe auf 4 mm zu beschränken. Diverse
Staaten übernahmen diese Neuerung – und gleichzeitig öffnete sich die Büchse von
Pandora.
Das 20. Jahrhundert war zwar eine gute Zeit für den Rennsport, aber eine harte Zeit
für Verbesserungen über die Grundlagen unserer Kenntnisse über das Pferd. Im 19.
Jahrhundert beschäftigte die Geschwindigkeit die Pferdeleute, die mit Hufeisen,
Sätteln, dem Bau der Bahnen und allem Denkbaren Verbesserungen erzielen wollten. Ihr Ziel war ein schnelleres Pferd, ein besseres Pferd.
Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts fand die neue Wissenschaft der Biomechanik
ihren Weg vom Human- in den Pferdesport. Führende Geister wie Doug Leach,
Hilary Clayton, George Pratt und andere begannen, die Bewegung des Pferdes und
die Bedeutung des Geläufs zu studieren. Sie wurden grösstenteils ignoriert, und ihre
detaillierten Studien und Publikationen mit vielen Daten wurden mit einem Gemurmel
wie „Wie interessant“ zur Kenntnis genommen. Die Pferdeleute wendeten sich aber
gleich wieder ihrer täglichen Arbeit zu und taten, was sie schon immer taten. Sie
liessen ihre Pferde laufen auf Geläufen, über Distanzen und zu Intervallen, die ihnen
passten.
Heutzutage aber, 25 Jahre später, fragen Publikum, Presse und sogar die Regierung: Warum erlitt jenes Pferd eine Verletzung ?
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Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
Die weitherum beliebte Antwort “Das ist Rennsport”, ist nach dem ausgebliebenen
Erfolg der Forderung von mehr Sicherheit und weniger Verletzungen auf synthetischen Bahnen nach Jurga (2009) jedoch schlicht und einfach nicht mehr gut genug.
Über den ganzen Globus verteilt gibt es ein wachsendes Kader von Forschern, die
bereit und willig sind, die Einflüsse vom Geläuf, den Hufeisen, der Form des Hufs,
der Luftfeuchtigkeit, des Winkels der Sonneneinstrahlung zu studieren – was immer
es ist, was Hinweise liefern kann.
Die Länge und Frequenz des Galoppsprungs sind zwar die Schlüssel-Faktoren für
den Speed, aber die neue Realität legt grösseren Wert auf Scherkräfte, die Reibung
und die horizontale Bewegung des Hufs nach dem Auffussen. Das Ziel ist ein effizienter Sprung und ein sicherer Schritt.
Gemäss des Ingenieurs Mick Peterson (University of Maine) sind weitere Variabeln
von Bedeutung:
1) Wie rasch der Huf nach dem Auffussen gestoppt wird,
2) wie hart die Landung ist,
3) wie viel Widerstand das Geläuf dem abzustossenden Huf entgegensetzt, wenn
das Gewicht aufgenommen wird.
Die Aufgabe der relative Stossdämpfung übernimmt der Fessel, der je nach Härte
der Unterlage mehr oder weniger stark durchgestreckt wird.
Auf hartem Geläuf wird der Fessel stärker belastet, aber je stärker das Gelenk durchgedrückt wird, desto mehr Federkraft wird frei wenn sich das Pferd vorwärts bewegt.
In der Sprache des Boxers wäre nach Peterson die Härte des Geläufs die „Direkte“
und die Scherkraft der „Haken“.
Die Scherkraft bestimmt die Kraft, die beim Auffussen auf die Hufspitze wirkt; dieser
Druck stoppt den Huf. Je grösser die Scherkraft, desto rascher wird der Huf gestoppt. Sie fördert oder hindert auch den Abstoss-Faktor.
Eine Bahn mit tiefer Scherkraft erlaubt dem Huf vor dem Stoppen ein Gleiten für
mehrere Zentimeter. Eine Unterlage mit grosser Scherkraft hingegen bewirkt ein
schnelleres Stoppen.
Das Gleiten dämpft die Landung, aber erschwert das Abstossen für den nächsten
Sprung, weil der Huf weniger oder sogar keinen Halt bzw. Widerstand findet.
Neue, ausgeklügelte Hochgeschwindigkeits-Kameras erlauben die relative horizontale Bewegung des Hufs darzustellen, wenn er im Geläuf verschwindet. Erst 1995
gelang es William Back (Utrecht), eine messbare Differenz in der horizontalen Bewegung des Vorder- und Hinterhufs beim Auffussen zu bestimmen. Normalerweise
gleitet der hintere Huf weiter als der vordere.
Gemäss der Forschung von George Pratt (1981, Massachusetts Institute of Technology) zieht sich das Pferd beim Galoppieren nicht nach vorne, und die Hufe bewegen
sich schneller als das Pferd selber. Schon damals predigte er gegen die Verwendung
von Zehengriffen (toe grabs), Stollen und Stiften, weil er fand, dass diese den idealen
Kontakt des Hufs mit dem Geläuf und das Abstossen stören würden. Pratt schrieb
(1981), es ist unerlässlich dass der Huf vorwärts gleiten kann – „aber auch nicht zu
weit vorwärts“, würde er ergänzen.
Peterson warnt, dass wir (jetzt) prinzipiell zwar synthetische Geläufe haben, sie aber
(noch) weiter ausbaufähig sind.
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Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
Gemäss Taylor zeigen die Geschwindigkeits-Videos, dass die Hufe bei synthetischen
Geläufen nicht so tief einsinken wie bei traditionellen Sandbahnen. Er glaubt aus
dieser Beobachtung schliessen zu können, dass die Zehe in der Belastungsphase
die Unterlage weniger gut penetrieren kann und die Gliedmasse somit über die Zehe
rotieren muss, statt dass diese ins Geläuf hinein rotiert wie bei Sandbahnen. Falls
diese Annahme stimmt, dann müssen die stabilisierenden Muskeln die Funktion jener
Muskeln übernehmen, die den Antrieb bewirken. Er glaubt diese Theorie durch die
Beobachtung bestätigt zu sehen, weil auf synthetischen Bahnen weniger „kick back“
(nach hinten geschleuderter Dreck) zu sehen ist.
Wegen der Struktur des Geläufs mit spannkräftigeren Charakteristika erfährt der Huf
mehr Widerstand für das Eindringen in die Unterlage als beim Sand, der leicht weg
schert.
Taylor spricht auch immer wieder vom “Schneepflug“-Effekt („snowplough“ oder
„snow-plow“), womit er das Sandwölkchen meint, das beim Abbremsen des Hufs aufgewirbelt wird. Je abrupter der Huf gestoppt wird, desto ausgeprägter ist der Schneepflug-Effekt (Abb. 22).
Taylor zeichnete auch wiederholt die Behinderung der gleitenden Bewegung durch
die Zehen-Griffe (toe grabs) beim Auffussen auf. Auch er ist der Meinung, dass diese
Griffe eine stärkere Streckung des Fessels verlangen, um den Huf wieder vom
Boden abstossen zu können.
Abb. 22 Der „Snowplough“-Effekt, der Auskunft
gibt über die Scherkraft eines Geläufs - und damit auch über die Belastung der Gliedmasse
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Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
Handel und Zucht
Exterieurbeurteilung im Handel
Selbstverständlich spielt die Exterieurbeurteilung auch im Handel eine grosse Rolle.
Sie ist aber nur ein Kriterium von vielen und für den Einsatz in der Zucht ist die
eigene Leistung und jene der Familie viel wichtiger.
In diesem Zusammenhang ist klar, dass gut aussehende Pferde (v.a. Jährlinge) an
Auktionen bessere Preise erzielen – möglicherweise sogar Spitzenpreise.
Diese Tatsache kann belegt werden mit zwei Beispielen:
- Snaafi Dancer (Northern Dancer – My Bupers) wurde 1983 als Jährling an den
Keeneland Select Sales für 10.2 Millionen $ versteigert. Er lief nie und war im Gestüt
ebenso erfolglos.
- Green Monkey wurde am 28. Februar 2006 als Zweijähriger an der Fasig-Tipton
Calder Sale für 16 Millionen $ verkauft (Abb. 23). In der Folge lief er drei Rennen und
gewann insgesamt 10„240 $. Sein Exterieur war grossartig, und Green Monkey lief
beim breeze-up vor der Auktion auch die schnellste Zeit. Seine spätere Leistung auf
der Bahn und im Gestüt war jedoch ungenügend.
Abb. 23 Green Monkey USA (Forestry – Magical Masquerade)
Green Monkey ist ein Beispiel von mehreren, die trotz bestechendem Exterieur leider
die erwünschte Leistung nicht erbringen können. Selbst wenn sie mit grösserer
Wahrscheinlichkeit zu einem guten Trainer kommen als andere Pferde. Dies ist ein
eindrücklicher Hinweis darauf, dass die Beurteilung von Leistungsfähigkeit zumindest
multifaktoriell ist. Hier kommt noch dazu, dass selbst eine gemessene Zeit unter
optimalen Umständen kein zuverlässiger Parameter ist für die Leistung in einem
echten Rennen. Dort sind die Anforderungen noch viel komplexer, Schnelligkeit
alleine genügt bei weitem nicht.
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Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
Biomechanik und Zucht
Aus verschiedenen Gründen hat die Beurteilung der Pferde in der Zucht vermutlich
die grösste Bedeutung. Ihre Selektion beruht zu einem hohen Masse auf den Ergebnissen der Einschätzung des Exterieurs – aber mit der Schaffung von verschiedenen
Geläufen, neben den herkömmlichen Grasbahnen eben auch von Sand- und synthetischen Bahnen, hat sich herausgestellt, dass die Leistungsfähigkeit von Pferden
auch in engem Zusammenhang stehen kann mit den diversen Unterlagen.
Dabei erwuchs in den letzten Jahren der Eindruck, dass auf synthetischen Geläufen
erfolgreiche Pferde auch auf Gras gut laufen – und umgekehrt. Diese Beobachtung
ist vor allem für die nordamerikanische Zucht von Bedeutung, weil mit dem Ersatz
von Sandbahnen durch synthetische Geläufe eine stärkere Konkurrenz durch Pferde
aus Europa befürchtet werden muss.
Über diese Belange geben die folgenden Artikel weitere Auskunft.
Der Wechsel zu Polytrack® kann für die US eine Dummheit sein
Switching to Polytrack may turn out to be folly for the US (Mordin 2006)
Der Wechsel zu Polytrack® kann sich für die Vereinigten Staaten als Tollheit herausstellen (Polytrack® ist der Markenname für eines der synthetischen Geläufe).
Ein Polytrack-Wahn geht durch Amerika und ist getrieben von der Art Verletzungen
und von Unterhaltsproblemen, die 2006 am Breeders„ Cup auftraten. In diesem Jahr
ging auf der Sandbahn in 4 von 5 Rennen der Sieg an Pferde aus der Startboxe 1.
Polytrack® wird als eine viel sicherere Unterlage erachtet als Sand, und Studien auf
beiden US-Bahnen, welche zu Polytrack® wechselten, zeigten eine deutliche Reduktion von Verletzungen und Todesfällen.
Resultate sowohl aus Grossbritannien wie den USA zeigen, dass Polytrack® Turfpferde viel stärker begünstigt als jene, die ihre beste Form auf traditionellen Sandbahnen zeigten. Die Einführung von Polytrack® in Amerika könnte darum eines der
grössten Eigengoals des Rennsports in den Staaten sein.
Top-Hengste aus Europa wie Sadler’s Wells und Danehill waren schlicht und einfach
nicht in der Lage, erfolgreichen „Sand“-Hengsten aus Amerika Paroli bieten zu
können (Pferde, die auf traditionellen Sandbahnen wirklich Speed zeigen können),
weil ihre Nachkommen sich auf solchen Bahnen nicht wohl fühlen.
Eine Studie zeigte, dass die drei erfolgreichsten Deckhengste auf Gras (bezüglich
Siegen) auch die besten waren auf Polytrack®, aber dass keiner von diesen unter
den 20 besten Erzeugern von Siegern in England auf Unterlagen zu finden war, die
den traditionellen Sand-Geläufen in den USA ähneln (wie bspw. Fibresand und Equitrack®).
Dieser Umstand eliminiert auch weitgehend den Faktor der Startboxe, welcher normalerweise ein gutes Instrument ist für die Vorhersage des Rennverlaufs auf anderen Geläufen.
Es steht ausser Frage, dass Polytrack® die Analyse der Rennen erschwert, weil
deren Eigenheiten zu ausgeglicheneren Einläufen führen und Startboxen-Vorteile
eliminieren, womit die Resultate eine grössere Zufälligkeit haben werden. Es wird
befürchtet, dass dies das Abwenden von Wettern zu anderen Medien bewirken kann,
die bessere Erfolgschancen bieten.
Wie werden synthetische Geläufe den Sport und die Zucht von Vollblütern beeinflussen ?
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Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
How will artificial surfaces affect thoroughbred racing and breeding ? (Stabell 2006)
An diesen Titel in Frageform schliesst sich die Frage an: Was haben Dubai Millenium, Arcangues, Singspiel, Swain, Sakhee, Giant’s Causeway and Electrocutionist
gemeinsam ? Sie alle zeigten sowohl auf Gras wie auf Sand grosse Klasse. Doch der
wichtigste Punkt ist: Sie alle hatten Erfolg auf weicher oder schwerer Grasbahn bevor sie auf Sand liefen.
Bald werden wir in Nordamerika viele Rennen auf synthetischen Geläufen sehen,
dort wo der grösste Markt für Vollblüter ist. Wobei von Bedeutung sein dürfte, dass
eine Polytrack®-Bahn grosse Ähnlichkeit hat mit einer Grasbahn.
Somit stellt sich die Frage, ob mit diesen neuen Entwicklungen die Züchter neue
Hengstlinien suchen werden. Werden sie eine Mischung von traditionellen „Sandoder Gras-Linien“ wählen, oder werden traditionelle Linien verschwinden ?
In England hat man schon seit 1989 Erfahrung mit Allwetter-Bahnen, und der Rennsport auf solchen Bahnen etablierte sich, um den britischen Sport an solchen Tagen
zu gewährleisten, an denen wegen des Wetters sonst Absagen hätten gemacht werden müssen.
Die Allwetter-Rennen spielen heutzutage eine wichtige Rolle und man frägt sich, ob
dies auf die Zucht einen Einfluss ausüben kann ? Tony Morris beantwortet diese
Frage ganz kurz: „Die grösste Sorge besteht darin, dass eine zunehmende Zahl von
mittelmässigen Stuten irgend ein Rennen gewinnen und Zuchtstuten werden. Dies
wird einen negativen Einfluss ausüben auf die Zucht, ähnlich wie Rennen bescheidener Qualität in England (banded racing), wo wirklich mittelmässige Pferde, die aus
dem Rennsport hätten ausgeschieden werden müssen, zu Siegern werden.“
Nach Jimmy George (Tattersalls) ist “die Tendenz zu Polytrack®-Geläufen in Amerika das wichtigste Kriterium bezüglich Einfluss auf die Vollblutzucht, weil wir alle
wissen, dass Polytrack® für die Pferde viel besser ist. Diese Unterlagen sind äusserst erfolgreich und die Tatsache, dass die bedeutendsten Bahnen in den Vereinigten Staaten sie übernehmen wollen, ist wunderbar aus der Sicht des Wohlbefindens der Pferde. Dies macht auch Pferde aus Europa noch attraktiver für Käufer
aus Amerika. Wenn sich mehr Rennen in den US als legitime Ziele anbieten, mögen
wir dort auch mehr Starter aus Europa sehen. Viele Pferde wechseln ohne weiteres
von Gras auf Polytrack® und umgekehrt, weil sich die Geläufe viel mehr ähneln als
Sand.“
Aus der Sicht des Wettbetriebs ist die Situation insofern günstiger, als Polytrack®Bahnen weniger wetterabhängig sind (s. auch Mordin (p. 49, 2006), wo bezüglich
des Wettbetriebs negative Aussagen gemacht werden).
Das ist ein sehr interessanter Punkt, weil synthetische Geläufe auch dazu beitragen
können, das Runterstufen von Stakes-Rennen zu vermeiden, wenn sie wegen des
Wetters auf Gras nicht gelaufen werden können oder die Qualität und die Grösse der
Felder leiden.
Byron Rogers erläutert, dass “keine grosse Korrelation zu bestehen scheint zwischen
Rennen auf der Allwetter-Bahn in Lingfield (England) oder in Turfway (USA). Man
muss beachten, dass die Meetings in Turfway keine Topevents sind, aber es ist eine
gute Bahn und nach Rogers Beobachtungen können Pferde überall im Rennen eine
Chance haben. Er meint auch, dass Pferde mit Speed einen leichten Vorteil haben,
ähnlich wie auf Gras. Solche Pferde sind auf Sand manchmal benachteiligt, weil
starke Pferde dort eine gute Pace anschlagen und diese aufrecht erhalten können.
Wir wissen, dass Polytrack® den Pferden entgegen kommt, und Rogers ist sich
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sicher, dass diese Unterlage deren Laufbahn verlängern wird und wir weniger Verletzungen und Niederbrüche sehen werden. Alles, was wir in der Zucht und im Sport
tun können, um die Pferde länger gesund zu erhalten, kann nur gute Nachricht sein.“
Werden wir bei den Züchtern neue Trends sehen, als Folge dieser neuen Unterlagen ?
“Langfristig werden wir eine stärkere Korrelation sehen zwischen Turf-Linien und Allwetter-Rennen”, sagt Rogers, “aber wir stehen erst am Anfang. Bevor wir nicht hochklassige Pferde auf synthetischen Bahnen sehen, werden Züchter ihre Gewohnheiten nicht stark ändern. Rogers vermutet dies, obwohl Änderungen erfolgen werden. Amerika hat sehr spezifische Zucht-Linien entwickelt, bspw. die Fappiano-Linie,
die Seattle Slew-Linie – und auch die In Reality-Linie, mit Ausnahme von Known
Fact. Diese Pferde waren dominierend, hatten aber Schwierigkeiten auf Grasbahnen.
Vielleicht werden wir mehr traditionelle Turf-Linien sehen, einige von Europa, die in
den US erfolgreicher sind ?
“Es ist schwierig vorauszusagen, was geschehen wird. Es ist nicht zu lange her, dass
die europäische Zucht den nordamerikanischen Rennsport dominierte, bspw. mit all
den Nachkommen von Lyphard, Blushing Groom and Nureyev. Sie übten einen
grossen Einfluss aus und es wäre nicht überraschend, wenn solche Tage zurück
kommen würden. Falls dies zutrifft, dann werden wir einen sehr kompetitiven Hengstmarkt haben. Wenn sich heraus stellt, dass die Turf-Linien auf synthetischen Geläufen dominieren, dann werden die Europäischen Hengste sehr schnell sehr gefragt
sein.”
Von obigen Resultaten können nach Ansicht des Autors keine zuverlässigen
Schlussfolgerungen gezogen werden. Es kann Zufall sein, welche Hengste auf Allwetter-Bahnen am meisten Sieger stellen – aber Speed ist wichtiger als Stamina, und
alle führenden Hengste waren Turf-Pferde.
Höchstwahrscheinlich wird in Zukunft die Statistik von Hengsten mit Siegern auf
synthetischen Geläufen immer mehr jener ähneln, welche alle Rennen umfasst.
Wenn die Zahlen zunehmen, dann werden die Unterschiede immer kleiner.
In den hier studierten Statistiken findet man 17 verschiedene Namen, darunter findet
sich interessanterweise aber kein einziger Sohn von Sadler’s Wells. Seine Nachkommen haben auf Sandbahnen in Nordamerika wenig Erfolg, ebenso wenig wie auf
Allwetterbahnen in England.
Während der Europäische Rennsport den Gebrauch von synthetischen Bahnen noch
voll akzeptieren muss, erfolgte in Nordamerika der Wechsel bis auf Gr.1-Niveau
„über Nacht“. Es wird faszinierend zu beobachten sein, wie die Züchter, auf beiden
Seiten des Atlantiks, sich den kommenden Änderungen anpassen werden. Langsames Reagieren wird sich gemäss Stabell (2006) vermutlich nicht auszahlen.
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Verband Schweiz. Pferdezuchtorganisationen / 13.11.2010
Oekologie
Besonders in der Schweiz haben es viele Pferdehalter schwer, in der Landwirtschaft
unterzukommen, wobei die Probleme in erster Linie politisch begründet zu sein
scheinen. Dies ist natürlich in vielen Belangen unerfreulich, besonders störend aber
aus Sicht der Oekologie, weil Pferdehaltung und -zucht diesbezüglich ja als relativ
vorteilhaft gelten. Allerdings wird auch hier manchmal gesündigt, dummerweise nicht
selten aus Unwissenheit. Zu den häufigeren Sünden und Dummheiten gehören
beispielsweise Ausläufe und Trainingsanlagen, wo bedenkliche Materialien als Unterlage verwendet werden. Das Angebot an ungeeigneten solchen Produkten ist derart
gross, dass hier nicht auf Einzelheiten eingegangen werden kann. Der Hinweis muss
genügen, dass der Auswahl eines Bodens oder Belages auch in oekologischer Hinsicht allergrösste Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Eine gute Unterlage
kann bezüglich der Herstellung nicht billig sein, nur günstig. Andernfalls besteht die
Gefahr, dass einem Material geliefert wird, das sehr staubig ist oder bei der Entsorgung grosse Kosten verursacht, weil es dann als Sondermüll gilt.
Bezüglich der Oekologie ist auch zu beachten, dass für den Unterhalt von Bahnen,
v.a. Grasbahnen, viel Wasser nötig ist - für gewöhnlich selbstverständlich genau
dann, wenn es ohnehin knapp ist. Die Wasserversorgung von Trainings- und Rennbahnen verdient darum grösste Beachtung. Die folgenden Artikel geben darüber
etwas nähere Auskunft.
Im 21. Jahrhundert gibt es keine Entschuldigung mehr für schlechte
Bodenverhältnisse
There is no excuse for poor ground conditions in the 21st century (Buckley 2006)
Viel wurde kürzlich schon gesagt über den Zustand der Geläufe auf englischen
Bahnen, und als Resultat fokussierte sich das Interesse nicht nur auf das Management der Bahnen sondern auch auf kontroverse Aspekte wie zu viele Rennen, die
Zucht des modernen Vollblüters und Trainingsmethoden.
Für den Bahnchef ist der Zustand des Geläufs von grösstem Interesse. Die drei wichtigsten Techniken des Unterhalts scheinen sehr simpel zu sein – Düngen, Wässern
und Mähen. Es ist trotzdem unglaublich, wieviele Rennbahnen diese Forderungen
nicht zur rechten Zeit erfüllen, wenn überhaupt.
Es macht beispielsweise überhaupt keinen Sinn, harten Boden erst eine Woche vor
einem Meeting zu wässern – das Resultat wäre ein unsicheres und inkonsistentes
Geläuf. In Goodwood wird zu jeder Zeit Feuchtigkeit im Boden gewahrt, unabhängig
ob Rennen stattfinden oder nicht.
Das Wässern mag schon im April beginnen und wird fortgesetzt während der ganzen
Saison. Im Süden Englands ist man zunehmend unter Druck, wegen fehlendem
Regen, was den Zustand des Geläufs beeinträchtigt und in der Folge auch die Bewässerungspraxis. Für den Rennsport wäre es äusserst unvorteilhaft, wenn als Folge
der Klima-Erwärmung und Wassermangel die Bewässerung der Bahnen verboten
würde.
In Goodwood hat es 20 Renntage, eine gute Zahl für alle Beteiligten, aber viele
weitere wären nicht möglich. Es ist kein Zufall, dass vor dem fünftägigen SommerFestival ein fünfwöchiger Unterbruch besteht. Dies erlaubt genug Zeit um die Bahn
wieder in Stand zu stellen und in genügendem Masse vorzubereiten für die
Belastung von fünf aufeinanderfolgenden Renntagen.
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Es wird härter werden
Going gets tough (Ryan 2006)
Das Risiko von Einschränkungen für Wasser durch die Regierung hat in England bei
den Bahn-Verantwortlichen im Sommer 2006 für Kopfweh gesorgt. Mit der Möglichkeit der Zunahme von Trockenzeiten in kommenden Jahren, wegen der globalen Erwärmung, müssen für die Bahnen Pläne für solche Fälle gemacht werden. Launen
des Wetters sind dem Derby-Tag in Epsom zwar nicht fremd, indem 1830 ein Wolkenbruch 13 Fehlstarts zur Folge hatte, 1867 fiel Schnee und 1911 wurden wegen
eines Gewittersturms mit Hagel und Blitz vier Pferde und drei Zuschauer getötet.
Epsom muss sich jetzt einmal mehr mit den Elementen befassen, dieses Mal aber
nicht wegen übermässigem Niederschlag sondern wegen dessen Ausbleiben.
Im Sommer 2006 konnte die Bahn für das Derby noch adaequat vorbereitet werden,
trotz der Drohung von Einschränkungen für den Wassergebrauch durch die Behörden. Allerdings hatte man 2006 aus zeitlichen Gründen Glück, aber in Zukunft kann
das Derby-Meeting gefährdet sein.
Diese Bedrohung betrifft natürlich nicht nur Epsom. Der ganze Rennsport muss sich
mit potenzieller Wasserknappheit beschäftigen, und vor allem im Südosten Englands
macht man sich Gedanken darüber wie die prognostizierten längeren Trockenzeiten
bewältigt werden können.
Im April schrieb die Vereinigung der Rennbahnen ans verantwortliche Ministerium mit
der Erklärung „dass die Bewässerung der Bahnen notwendig ist und dass gegen
Einschränkungen Einspruch erhoben wird“. Zu dieser Zeit war Thames Water im
Begriff, den ersten Bewässerungs-Bann seit 15 Jahren auszusprechen, und Southern Water beantragte bei der Regierung bei Trockenheit eine Verfügung.
Es wurde auf zwei Punkte hingewiesen, weshalb Epsom gezwungen sein würde Einspruch zu erheben. Der erste ist das Wohlbefinden des Pferdes, wegen des Einflusses auf die Pferde wegen hartem Boden. Des weiteren, wenn es ein besonders
warmer Tag ist, weil man dann auch Wasser für die Pferde nach dem Rennen
braucht. Weiter müsse der oekonomische Aspekt beachtet werden, wenn Rennen
abgesagt werden, unter anderem wegen des Effekts auf das lokale Gewerbe und die
Rennbahn selber.
Seit November 2004 gab es im Einzugsgebiet der Thames nur während zwei Monaten überdurchschnittliche Niederschläge, und London hatte weniger Regen als
Istanbul, Dallas and Rome.
Wenn die Entwicklung des Klimas ihren Lauf nimmt, so wie ihn die Experten erwarten, dann wird sie jene Pferde begünstigen, denen der harte Boden behagt.
Diese Situation bietet auch Probleme für jene Bahnen, die im Sommer Hindernisrennen durchführen wollen. Als Newton Abbot sich für Hindernisrennen im Sommer
entschied, gab es Hunderttausende von Pfund aus für die Verbesserung des Bewässerungssystems.
In Zukunft müssen Rennbahnen das Management der Bewässerung sehr sorgfältig
vornehmen, die einer der Schlüsselfaktoren sind. Es müssen Reservoirs geschaffen
werden, und beim Neubau der Bahn in Ascot wurde die Kapazität der WasserReservoirs verdreifacht (30‟000 m³).
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Fazit
Wir haben einleitend festgestellt, dass der Zweck der Pferdebeurteilung darin besteht, Hinweise für eine möglichst lange und gute Nutzung der Tiere zu erkennen.
Dieses Bestreben besteht schon seit Menschengedenken und ist nach wie vor derart
wichtig, dass eine nicht mehr zu überschauende Menge an Literatur besteht. Schon
vor fast 100 Jahren haben Duerst (1922) und Wrangel (1928) auf diesen Umstand
hingewiesen, und heutzutage ist die Situation noch ausgeprägter. Die vorliegende
Zusammenfassung kann darum unmöglich auf alle Aspekte eingehen und man möge
sich bitte für Augen halten, dass für all die zu beachtenden Aspekte jeweils nur
gerade zwei bis drei Artikel besprochen werden konnten. Diese Unterlagen erheben
überhaupt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und die ausgewählten Arbeiten dürfen
nur als exemplarische Hinweise auf ein sehr weites und komplexes Gebiet verstanden werden.
Es wurde vorausgesetzt, dass die Teilnehmer vertraut sind mit der traditionellen
Exterieurbeurteilung, dass also klar ist was gemeint ist, wenn man bspw. von zeheneng und zehenweit spricht. Man kann nur miteinander sprechen, wenn man sich
bezüglich der Definition von Begriffen einig ist. Man muss mit all diesen Bezeichnungen aber auch darum vertraut sein, wenn der Einfluss eines Exterieurmerkmals
auf Verletzungen und andere Dinge beim späteren Einsatz beurteilt werden soll.
Die traditionelle Pferdebeurteilung bildet also die Grundlage für das Verständnis
dieser Ausführungen. Sie soll aber nicht Selbstzweck sein, sondern muss immer in
Zusammenhang stehen mit der Nutzung der Pferde, die sich im Lauf der Zeit geändert hat und sehr vielfältig wurde. Gefahren für Verletzungen von Pferden - und damit
die Verkürzung der Dauer ihres Einsatzes - bestehen auch seitens der Umwelt und
selbst das korrekteste Pferd ist bezüglich seiner Gesundheit gefährdet, wenn es nicht
sachgemäss ausgebildet, beschlagen, genutzt und eingesetzt wird. Die zeitgemässe
Pferdebeurteilung muss all diese Aspekte miteinbeziehen, auch aus dem Grunde,
weil deren Vernachlässigung die Resultate unserer Bemühungen verfälschen können. Wir müssen bezüglich der Umweltbedingungen auch an gesellschaftliche und
oekologische Gegebenheiten denken und als Züchter natürlich vor allem an all die
grossen Fortschritte in der Genetik in der heutigen Zeit.
Diese Zusammenfassung befasst sich in erster Linie mit Dingen, die auf naturwissenschaftlichen und medizinischen Belangen basieren. Diese sind zwar eine eher
trockene Materie mit geringem Unterhaltungswert – aber die Erfahrung hat gelehrt,
dass nur dieser Zugang zu Verbesserungen auf dem Gebiet der Pferdebeurteilung
führen kann. Die Förderung des Verständnis für all diese Belange ist der vornehmliche Zweck dieser Arbeit.
.
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Zur Abwechslung was zu Ihrer Unterhaltung
Wie gefällt Ihnen dieses Pferd ?
Was meinen Sie zum Rücken dieses 8-jährigen Pferdes ?
Und zu seinen geraden Sprunggelenken ?
Antwort nächste Seite
oOo
Verwechsle niemals einen Züchter mit einem Manne, der lediglich das Exterieur
eines Pferdes richtig beurteilen kann. Letzterer spielt sich häufig als ersterer auf.
Übrigens wechselt die Ansicht des Züchters mit seinem Lebensalter. Im ersten Drittel
des Lebens schwärmt er für das schöne Pferd, im zweiten Drittel für die Masse, im
letzten Drittel für die Leistung.
Oberlandstallmeister Groscurth Berlin (1924): Aphorismen über Pferdezucht
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Wie gefällt Ihnen dieses Pferd ?
Bei dem auf vorhergehender Seite vorgestellten Pferd handelt es sich um Achill
1265 (8-jährig), von dem Graf von Thun-Hohenstein im Buch „Das Holsteiner Pferd“
folgendes zu schreiben weiss:
Die Achill-Linie ist die letzte existierende der sechs alten Linien, zudem die einzige,
die noch direkt auf einen der drei grossen Yorkshire-Stammväter zurückgeht. Diese
Linie trägt das Holsteiner Springblut und wurde von der Entwicklung dazu bestimmt,
innerhalb der Holsteiner Zucht das erhaltende Gerüst zu stellen. Ende des 19. Jahrhunderts sah es allerdings trübe um das Schicksal dieser Linie aus, und ihre Rettung
liess sich geradezu abenteuerlich an. Begründer der Linie ist Achill 1265, der einerseits direkt auf Brillant 448 zurückgeht, anderseits einige bemerkenswerte Inzuchten
aufweist. Zum Beispiel waren beide Eltern Halbgeschwister und stammten von Achill
582. Dessen eigene Mutter wiederum, Stern A 312, war ein Produkt von Vollgeschwistern. Die Anhäufung von Burlington Turk Blut innerhalb der ersten fünf Generationen ist infolgedessen beträchtlich. Da Brillant 448 über die beiden Vollblüter
Harpham Turk xx 934 und 935 ebenfalls mit Burlington Turk recht nah verwandt ist,
so verfügte Achill über ein selten geschlossenes und gefestigtes Blutbild. Die BrillantLinie hatte 96 Beschäler bestellt. Im Jahr 1894 war sie jedoch im verlöschen, Achill
1265 ihr letzter Vertreter. Er stand vergessen und vernachlässigt auf einer kleinen
Station, nicht einmal im Kernzuchtgebiet. Es bleibt das unsterbliche Verdienst des
grossen Hippologen Dr. A. de Chapeaurouge, Achill quasi aus dem Holsteiner
Gestütbuch auszugraben und ihn wieder voll in das Zuchtgeschehen zu stellen. Bei
der Bearbeitung der Gestütsbücher war Dr. de Chapeaurouge das bemerkenswerte
Pedigree aufgefallen. In letzter Minute begann man dem bis ins hohe Alter sehr
nervigen, im Temperament nicht ganz einfachen Hengst wieder bessere Stuten
zuzuführen. Es war noch nicht zu spät. Mit 20 Jahren lieferte Achill „Meister“, mit 21
„Nerv“, mit 25 „Siegmund“ und schliesslich als 26-jähriger seinen besten Sohn
„Tobias“. Erst mit 28 Jahren wurde Achill getötet. Er verkörperte das alte Holsteiner
Blut in seiner höchsten Potenz. Bei seinem Blutaufbau nicht weiter verwunderlich,
gab er die eigene hellbraune Turk-Farbe sämtlichen Nachkommen mit. Niemals fiel
nach ihm ein Fuchs-, Rapp- oder dunkelbraunes Fohlen.
Thormählen schildert Achill 1265 sehr treffend: „Hellbraun, geb. 1877, getötet 1905,
etwa 174 cm gross, starkknochig, muskulös. Er hatte hoch aufgesetzten Hals, etwas
weichen Rücken und etwas kurze Hinterrippe, eine kräftige, muskulöse Kruppe mit
gut angesetztem Schweif. Sein Fundament war vorn etwas verstellt, hinten reichlich
gerade im Sprunggelenk, sein Gang energisch, hoch und räumend, vorn seiner
Stellung entsprechend etwas knieweit. Er war ein Hengst mit viel Nerv und robuster
Gesundheit bis an sein Lebensende.“ Schub und Schwung müsse phänomenal
gewesen sein.
Heute blüht nur noch der Tobias-Favorit-Fanal-Zweig. Der Meister-Zweig der über
Simson-Diktator-Dias-Diamant Meteors Vater „Diskus“ (1933-1947) hervorbrachte,
war 1960, dem Zeitpunkt der Neuorientierung, bereits erloschen. Der erfolgreichste
Vertreter des Tobias-Favorit-Zweiges ist zweifelsohne Fanal. Ein mächtiger, tiefer,
starker, dabei leichtfuttriger Hengst. Über seinen wohl besten Sohn Fanatiker reicht
sein Einfluss bis in die Gegenwart. Die charakteristischen Springanlagen die diese
Linie auszeichnen, sind fest an die Erbmasse gekoppelt. Eine grosse Zahl von
Springpferden internationaler Klasse ging vor und nach dem 2. Weltkrieg aus dieser
Linie hervor. Die Namen von Egly, Friderikus, Fürstin, Winzige, Bianca, Nemo,
Baden, Original Holsatia, Toni usw. mögen hier für viele stehen.
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Das Schicksal der Achill-Linie, das buchstäblich an einem Haar hing und praktisch in
der Bibliothek eines genialen Hippologen entschieden wurde, ist einer der zahlreichen ans Wunderbare grenzenden Zufälle, an denen die Geschichte der Pferdezucht so reich ist. - Diese Geschichte findet jedoch nicht nur das Interesse von uns
Schweizern, sondern darf uns sogar mit Stolz erfüllen – denn Dr. Axel de Chapeaurouge (20. Juni 1861 – 10. Dezember 1941) stammte aus einer Genfer Familie !
Gemäss Thun-Hohenstein gebührt Dr. de Chapeaurouge in der Zucht des Holsteiner
Pferdes ein ganz besonderer Ehrenplatz. Diese gross angelegte Persönlichkeit, ein
Humanist im wahrsten und schönsten Sinn des Wortes, war ursprünglich Humanmediziner. Aus einem alten Genfer Geschlecht, das nach Hamburg eingewandert
war, verband er Kultur und Weitläufigkeit eines kultivierten Hauses mit der Gründlichkeit, Exaktheit und Konsequenz des leidenschaftlich engagierten Naturforschers.
Letzteres sicherlich erleichtert durch die ererbte Clarté der frankoschweizerischen
Vorfahren. Fasziniert von der Vollblutzucht und dem Werk des Grafen Georg Lehndorff begann er, sich mehr und mehr der Erforschung dieser Zucht zu widmen, die
ihm als Tierzuchtzweig der Welt eine lückenlose Statistik über zwei Jahrhunderte
bieten konnte. Der Gedanke der konsequenten Leistungszucht hatte ihn in seinen
Bann geschlagen. Als im Jahre 1894 der Australier Bruce Lowe sein System veröffentlichte, das dann 1897 auf Veranlassung des Union-Club ins Deutsche übersetzt
wurde, entschloss sich Dr. de Chapeaurouge, den zahlreichen in dem Werk auftretenden Fragen und Widersprüchen auf den Grund zu gehen. Von 1896 an führte
er bis zu seinem Tode das Leben einen Privatgelehrten. Seine Mittel gestatteten ihm
dies.
Seine umfassende Bildung einschliesslich der Beherrschung der wichtigsten Fremdsprachen verschaffte ihm bald einen Überblick über die gesamte Vollblutzucht der
Welt, wie er zu seiner Zeit nur wenigen vergönnt war. Sein Blankeneser Haus wurde
bald zum Wallfahrtsort der gesamten Tierzuchtwissenschaft, da die Arbeit sehr bald
den Rahmen der Vollblutzucht gesprengt hatte. Sie führte u.a. zu umfassenden Vergleichen mit den deutschen Halbblutzuchten. Die Deutsche Gesellschaft für Züchtungskunde hielt von 1909 bis 1914 in seinem Haus regelmässig Lehrgänge für Abstammungsforschung ab. Eine grosse Zahl von Doktoranden und bekannten
Hippologen zählte sich zu seinen Schülern. Grundlegende Arbeiten wie: Gustav Rau
– Blutströme der Hannoverschen Pferdezucht, Friedrich Wilhelm Ostorff – Westpreussisches Halbblut, Bruno Schmidt – Vererbungsstudien des Hauptgestüts
Trakehnen, und Gustav Fehrs – das Holsteiner Marschpferd, wurden unter seiner
Aufsicht hergestellt. Gustav Rau bekannte Zeit seines Lebens voll Stolz, ein Schüler
Dr. de Chapeaurouges gewesen zu sein. Der Einfluss des grossen Gelehrten reichte
weit. Die „Rettung“ von Achill 1265 und somit die Erhaltung der letzten heute noch
existierenden alten Holsteiner Hengstlinien wurde bereits erwähnt. Sie ist allein Dr.
de Chapeaurouge zu verdanken. Zahlreiche enge, persönliche Freundschaften verbanden ihn mit den führenden Hippologen seiner Zeit, darunter auch mit Georg
Ahsbahs. Regelmässig nahm Dr. de Chapeaurouge an den züchterischen Veranstaltungen im Holsteiner Raum teil. Er fühlte sich mit dem Rennsport eng verwachsen, da ihm dieser unmittelbare, einwandfreie Massstäbe für züchterische
Leistungen lieferte. Die Zeitmessung auf den Rennbahnen ist gleichfalls ihm zu verdanken. Unter den vielen Ehrungen seines reichen Lebens war ihm wohl die Würde
eines Ehrendoktors der Phil. Fakultät Breslau, verliehen im Jahr 1923, die liebste.
Selbst weder Landwirt noch Tierzüchter, verkörpert er das Schulbeispiel eines
nimmermüden Geistes, der durch die Probleme der Genetik und die damit
verbundenen Fragen der Leistungsvererbung in der Tierzucht unwiderstehlich
angezogen wurde (Thun-Hohenstein).
.
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“Pferd” japanisch: sieht doch richtig schön „biomechanisch“ aus und man glaubt den
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Bern, 05.11.2010 / HPM / VSP
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