Ausgabe sieben als pdf-Download

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Ausgabe sieben als pdf-Download
Das Studentenmagazin
Nov./Dez. 13
Ausgabe #7
www.kaepselemagazin.de
Gratis
Ausland:
Zwischen Nepal
und Bolivien
Leben und studieren
Wie privat
ist Privat?
Studenten in den
Sozialen Netzwerken
Seite 26
Ersti
UNdercover
Drei Tage bei
den Softis
Seite 6
Grenzenlos
Seite 54
Schon Fan?
Nein?
Jetzt aber!
www.facebook.com/kaepselemagazin
Liebe Leserin,
lieber Leser,
Herbst, Winter, Weihnachten,
Neujahr. Jetzt geht es ganz schnell.
Und wieder ist ein Jahr rum. 2013.
Es war magic! Ein Jahr, das für uns thrilling war. Das erste Jahr mit dem
Käpsele geht zu Ende, und wir blicken zurück auf verdammt viel Arbeit und
Zeit, die wir in dieses Projekt invested haben. Wir gehen nun straight auf
2014 zu und möchten uns bedanken.
Vielen Dank dafür, dass du unser Magazin least.
Denn du bist der Grund, warum wir dieses Heft Ausgabe für Ausgabe produzieren.
Danke sagen wollen wir auch unserem Team. Den Buddys, die für uns schreiben, für uns fotografieren, mit uns Anzeigen verkaufen, mit uns Layouten,
uns mit Rat und Tat zur Seite stehen - Day and Nacht, im Chat per E-Mail und
am Telephone.
Ohne euch würden wir das niemals auf die Reihe bekommen. You rock!
Doch nun genug der Melancholie. Wir wünschen euch allen frohe Weihnachten,
einen guten Rutsch, viel Spaß auf der Käpsele-Skireise und freuen uns schon
darauf, im nächsten Jahr wieder dafür zu sorgen, dass Vorlesungen nicht
mehr langweilig sein müssen.
Doch vorher haben wir noch einmal ein Käpsele rausgehauen: Wir haben
uns mit einem Profifußballer getroffen, der studiert. Wir haben für euch
bei Facebook spioniert (yes, we scan!), und wir haben uns in die ErstiEinführungswoche der Informatiker in Vaihingen geschlichen - voll awesome!
Generated by CamScanner
Und nun wünschen wir euch viel Fun beim Lesen!
Das Studentenmagazin
03
36
Ausgezeichnet!
Ludwigsburger
Filmstudenten
räumen ab.
26
Gehen wir zu sorglos
mit unseren Daten im
Netz um? Wir haben
nachgefragt.
24
Blick hinter die Kulissen:
Tim Renner und Sarah
Wächter zeigen, wie es im
Musikbusiness läuft.
04
Aus den Hochschulen
06
Ersti Undercover
48Schnibbeln für die Wissenschaft
Chris hat sich unter Studenten gemischt
Wenn Tübinger Leichen operieren
12
54Studieren im Ausland . . .
Zwischen Kicken und Uni
Fabian Gerster ist Profifußballer - und Student
36
. . . mit der DHBW auf Reisen
Wie im Film
Ludwigsburger sahnen Preise ab
Aus dem Leben
26Datenkrake Facebook?
45
Wirds auch sauber?
Über den Umgang mit sensiblen Daten
Wir haben die Putz-App getestet
16
46Auf zu neuen Ufern Wie ist es eigentlich . . .
. . . Bettler zu sein?
Die Auslandsstipendien der BaWü-Stiftung
42Putzen nach Plan
58Termintipps Warum Absolventen eine WG-App schrieben
Was geht in den nächsten Wochen?
Aus deR Reihe
32Das Unglück des Anderen
20Aus 1001 Nacht
Eine Kurzgeschichte von Marc Bensch
Claudia Ott übersetzt arabische Schriften
23
40
Unnützes Stuttgart-Wissen
Was du wirklich nicht erfahren musst
24
Filme des Monats
Die neuesten Tipps und der Liebling der
Redaktion
Bücher des Monats Der neueste Tipp und der Liebling der Redaktion
05
Undercover bei
Infos und Softis
Hach ja. Das Studium beginnt. Ein neuer
Lebensabschnitt, neue Leute. Und diese
Erstsemestereinführungswoche, die irgendwie
total stressig ist. Oder? Unser Autor hat sich
an der Uni Vaihingen eingeschlichen.
Von Christian Ignatzi
06
J
Shirts und erklären den Erstis, wo sie was
finden, was eine Fachschaft ist und dass man
gefälligst zur Ersti-Party zu kommen hat. Warum,
ava, ist das nicht dieser eine Planet aus
erklärt Schorsch mit einem langgezogenen
„Star Wars“? Ich kann mich nicht mehr so genau
„Sauuuuuufen!“ – und wiederholt das zweimal
daran erinnern, glaube aber, dass Java irgendwo
bei mehr oder weniger passender Gelegenheit.
zwischen Tattooine und Endor liegt, als ich
In der Reihe vor mir sind die ersten Seufzer zu
den vollen Hörsaal V7.03 an der Uni Vaihingen
vernehmen. „Geht‘s hier nur ums Saufen, oder
betrete. Ich muss ein bisschen lachen, dass
wie?“ Ich bin mir sicher, dieser Banause, der
auf den ersten Blick keine Frau zu sehen ist.
den Sinn eines Studiums nicht verstanden hat,
Genauso hatte ich mir das vorgestellt. Es ist
hat schon abgebrochen. Ich freue mich derweil,
mein erster Tag als Informatikstudent. Männer
doch noch festzustellen, dass die eine oder
mit Nerdbrillen, Männer in schwarzen Mänteln
andere junge Dame Informatik studiert, zwar
und mit langen Haaren. Männer mit zerzausten
nur eine Handvoll, aber es sind auch hübsche
Frisuren und verträumtem Blick, Männer mit
dabei. Wer es nicht glaubt: ab ins Gebäude 38.
Karohemd und vermutlich auch mit Samenstau.
Zum Grillen am Nachmittag komme ich zu
Alles da. Jedes Klischee erfüllt.
spät.Auf meiner Bierbank ist nur noch eine Kante
Woran ich mich aus meiner eigenen
frei. Trotzdem finde ich die ersten Freunde,
Studienzeit gar nicht mehr erinnern kann: Die
die – ich gab ihnen mein Wort – an dieser Stelle
Altersunterschiede in einem Erstsemesterkurs
namenlos bleiben sollen. Ich weiß nicht, ob es
scheinen gewaltig zu sein. Einige sind so alt
Zufall ist, aber instinktiv habe
wie ich. Das ist gut, denn so
ich mich zu den Leuten gesetzt,
falle ich in meiner Mission
die offensichtlich keine Nerds
als Undercover-Ersti nicht
sind. Und ja, es gibt Nerds in
auf. Drei Tage werde ich mit
einem Informatikstudiengang.
den Erstis der Informatik und
Als ich noch jünger war,
Softwaretechnik während Sauuuuuuuuuuufen!“
haben wir den billigsten Fusel
ihrer
Einführungswoche
getrunken, den wir bekommen
verbringen. Infos nennen
haben. Hier gibt es Premiumfreibier mit dem
sich die Coolen, zu denen ich gehöre. Zumindest
königlich, württembergischen Wappen auf dem
bilde ich mir ein, dass es die Coolen sind. Die
Etikett. Zeiten ändern sich. Pünktlich, als die
Softwaretechniker heißen Softis. Untereinander
spendable Fachschaft es geschafft hat, nach
scheinen sich die Studenten der Fachrichtungen
einer gefühlten Stunde in der Eiseskälte den
aber gut zu verstehen. Eigentlich werden sie in
Grill anzuschmeißen – man möchte meinen, darin
ihren Jobs einmal genau das Gleiche machen.
hätte sie Erfahrung –, fängt es an zu regnen.
Mit dem Unterschied, dass die Informatiker
Ich gebe schnell eine Runde Feuerwürste aus.
auch programmieren können. Wenn sie wollten.
Ich hab‘s ja. Schließlich bin ich sieben Jahre
Wollen sie aber meistens nicht.
älter als die anderen und verdiene mein eigenes
Auf den Plätzen neben mir sitzen zwei
Geld. Aber das weiß niemand, deshalb verabblutjunge Studenten, die den Hörsaal 7.03
schiede ich mich auch unter einem Vorwand, um
zuvor verzweifelt gesucht haben. Auch noch
mit dem Auto zur Kneipentour zu fahren, wähvor der Tür, als direkt über ihren Nasen groß
rend alle anderen sich S-Bahn-Gruppentickets
geschrieben die Zahlen Sieben, Null und Drei
in die Stadtmitte teilen.
an der Wand standen. Vielleicht werden sie im
Zum Start geht es ins Biddy Earlys. Stuttgarts
Studium lernen, was das bedeutet. Ich habe
Irish Pub im Keller der Marienstraße ist um 20
ihnen geholfen, den Hörsaal zu finden: „Ihr
Uhr noch total leer, und jeder findet einen
steht genau davor.“ Ihr überraschend junges
Platz. Whiskey gibt’s es aber für niemanden.
Aussehen hat einen simplen Grund: Sie sind
Der Mann an der Bar stellt sich stur, wegen dem
jung, dem Turboabitur G8 sei Dank. Dass es
17-Jährigen. Zu gefährlich, sagt er. Wenn wir
fatale Folgen haben kann, 17 zu sein, werden
den Alk untereinander teilen und die Polizei
sie später am Tag noch erleben. Zur Begrüßung
es sieht, fliegen wir alle raus. Die Stimmung
sprechen Schorsch und ein Kumpel ein, dessen
steigt aber auch ohne harten Alkohol von
Namen ich vergessen habe. Sie tragen rote
07
Guinness zu Guinness. Langsam bilden sich
Gruppen, und erste Gespräche manifestieren
Gemeinsamkeiten zwischen den Studenten.
Viele mögen zum Beispiel Computer. Oder
Programmieren.
Nach einer knappen Stunde zieht unsere
Gruppe weiter in die nächste Bar. Das Petrosilius
ist ein kleiner, aber feiner Schuppen neben dem
Stuttgarter Büro der Süddeutschen Zeitung,
in dem wir nur mit Mühe alle einen Platz
bekommen. Neben uns sitzt ein großer, dürrer
Brillenträger mit akkurat gekämmtem Haar
und starrt uns an. Irgendwann ergreift er das
Wort, klammert sich an seinem Maßkrug fest
und sagt meinen drei Jungs ins Gesicht, dass sie
langweilig seien. Ich hingegen wäre cool. Ich
weiß nicht, ob ich mich geschmeichelt fühlen soll
oder beleidigt. Als er mich aber immer wieder
irgendwie verliebt anschaut, beschließe ich,
ihn komisch zu finden. Wenigstens unterhält er
uns mit falschen Goethezitaten und Anekdoten
von Wolfgang Schäuble: „Er sagte zu mir: ‚Sie
sind ein arrogantes Arschloch.‘“ Als Barkeeper,
Verzeihung!, Bartender – das ist nämlich etwas
vollkommen anderes – hat er schon vom Bauern
bis zum Politiker jegliches Volk gesehen und
von ihnen gelernt. Oder sie mit Verachtung
gestraft. Na dann, viel Spaß mit diesem Kerl
in den kommenden drei Jahren.
Mit dickem Schädel
zur Rallye am
Morgen danach
Auch schön: Sein Nebensitzer, der sich noch
ein Stückchen lässiger findet, spricht eine Frau
an, die er in der Bar ausgemacht hat. Ob sie
finde, dass er gut aussehe, lallt er. Tue er nicht,
sagt sie. Komisch, entgegnet er. Das hätte ihm
noch keine gesagt. Ich glaube ihm nicht. Gut
für ihn: Nach einem Abstecher ins Mos Eisley
und dem erneuten Besuch im Petrosilius kann
sich vermutlich keiner der Beteiligten an den
Der Schriftmeister: Chris Ignatzi trägt den Aufgabenbogen mit Ehrfurcht.
08
Sachen gibt‘s: Ein botanischer Garten hinter verschlossener Tür im elften Stock.
Abend erinnern. Ich schon. Ich war ja mit
dem Auto da. Am nächsten Morgen schaffe
ich es so auch rechtzeitig aus dem Bett
und zur Ersti-Rallye. Auf dem Vaihinger
Campus wimmelt es an diesem Freitag nur
so von jungen Leuten mit Zetteln in der
Hand auf der Suche nach irgendwas. Die
Informatiker haben – wie könnte es anders
sein? – ihren Abgabezettel mit einigen fiesen
Nerdfragen ausgestattet. Klar, dass Guybrush
Threepwood zwölf Minuten lang die Luft
anhalten kann, gehört zur Allgemeinbildung,
genauso wie das Herrschaftswissen, dass man
NES-Spiele durch ein Pusten in den Schlitz
wieder zum Laufen bekommt. Wie die Wölfe
aus „Game of Thrones“ heißen, muss ich aber
googeln. Zwar gelte ich jetzt mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit als uncooler,
alter Sack, meine Gruppenmitglieder haben
das aber nicht gemerkt, sondern mich ob
meines Wissens über „Monkey Island“ und
das Nintendo-Entertainment-System zum
Schriftführer ernannt. Während sie voller
Elan Aufgaben lösen, dackele ich hinterher
und schreibe die Lösungen auf. Toll! Fragen
darüber, was der Halsi ist, wie viele Cafeterien
und Restaurants es auf dem Campus gibt,
wer zur Hölle eigentlich Dagobert ist und
wie viele Treppen das Mathe-Gebäude hat,
sorgen dafür, dass die meisten Gruppen
tatsächlich zwischen 10 und 16 Uhr an der
Uni sind. Und dann ist da noch die Sache
mit dem Passierschein A38. Den Gag aus
„Asterix“ vermuten wir sofort lösen zu
können, indem wir den Passierschein A39
fordern. Doch so eine Fachschaft ist nicht
auf den Kopf gefallen. Sie schickt uns
Was uns ausmacht?
Immobilien. Projekte.
Know-how. Leidenschaft.
www.karriere-dreso.com
Der da unten, der im roten T-Shirt: Das ist Schorsch.
von Raum zu Raum, von Institut zu Institut.
Und eines muss man ihr lassen. Neben fiesen
Anschlägen auf die Mathe-Fachschaft („Bringt
ihnen eine Klopapierrolle und tauscht sie gegen
eine Unterschrift. Lasst die Rolle IN JEDEM FALL
in der Fachschaft“) sorgen die Aufgaben dafür,
dass die Erstis ihren Campus kennenlernen – und
mit ihm so manches interessante Institut. Wer
hätte zum Beispiel erwartet, dass im elften Stock
des Mathe-Gebäudes ein botanischer Garten
versteckt ist? Sogar ein Eye-Tracking dürfen sie
erleben und erfahren, dass das Gerät, das die
Bewegung der Augen aufzeichnet, im besten
Fall 25.000 Euro kostet, gerne auch mal bis zu
100.000 Euro. Nach der Rallye haben wir uns
das Wochenende redlich verdient.
Am Montag geht es zur Vorstellung der
Stuvus, danach zur offiziellen Begrüßung der
Informatik. Der Dekan stellt sich vor, die
Fachschaft kommt mit demselben Vortrag
wie am Donnerstag an, und Studiberater
geben Auskünfte. Eigentlich interessiert das
aber keinen. Jeder will nur wissen, wer bei
der Rallye gewonnen hat. Wir sind es nicht.
Scheiße, alles umsonst. Draußen vor dem
10
Hörsaal beginnt schließlich die Diskussion,
was wir zu Mittag essen, ob wir uns eine
Pizza zur Bushaltestelle liefern lassen – eine
Möglichkeit, die uns ein Fachschaftsvertreter
verrät. Ich sage, dass ich nicht mitesse. Ich
müsse zum nächsten Termin. Ich sei nämlich eigentlich gar kein Informatikstudent,
sondern Journalist. Danach herrscht Stille.
Ein bisschen tut es mir leid, nicht allen am
ersten Tag erzählt zu haben, dass ich mir nur
mal eine Ersti-Woche ansehe. Böse sind mir die
Informatiker nicht. Sie gehen Pizza essen. Ich
verschwinde Richtung Parkplatz, ein bisschen
wehmütig. Gerne wäre ich noch ein Weilchen
geblieben. Aber ich kann ja nicht mal Java.
Was in Zukunft passiert: Meine drei
Jungs werden das Studium mit Bestnote
abschließen und vermutlich eine Firma
namens Macerook gründen. Sie werden
den ganzen Tag „Game of Thrones“ in ihren
Büros gucken und ein schönes Leben haben.
Was alle anderen machen, erfahrt ihr auf
www.informatik.uni.stuttgart.de
SKIIIIII-FOAN!
DAS SAISONOPENING 2013
14./15. DEZEMBER
SAVOGNIN
Kommt mit dem ERD und dem Käpsele zum gemeinsamen
Skiopening nach Savognin und genießt die ersten Skitage
der Saison in der traumhaften Landschaft Graubündens.
Was wir euch bieten?
Ÿ Busfahrt ab Stuttgart nach Savognin und zurück.
Ÿ 1 x Übernachtung / Frühstück / Abendessen im Hotel CUBE Savognin
Ÿ Freie Nutzung der Hoteleinrichtungen wie Fitness, Sauna, etc.
Ÿ Eintritt zur Opening-Party im CUBE Club
Ÿ 2-Tages-Skipass der Bergbahnen Savognin
Was das kostet?
Ÿ 149 Euro pro Person im 4-Bettzimmer
Ÿ 169 Euro pro Person im 3-Bettzimmer
Ÿ 189 Euro pro Person im 2-Bettzimmer
Infos und Anmeldung bei ERD e.V.
Tel. 0711 / 82 03 22 10
oder unter www.erd.de
Playstation ist
was für andere
Fabian Gerster ist Profifußballer – und Student. Doch wie kriegt man
die Dritte Liga mit den Stuttgarter Kickers und ein SportmanagementStudium in Tübingen unter einen Hut?
Von Markus Brinkmann
Fabian, wie unterscheiden sich StudentenFußballer von Fußballern, die nicht studieren?
nach der Karriere. Warum bist du einen anderen
Weg gegangen?
Eigentlich nur bei der Freizeitgestaltung. Meine
Kollegen spielen vorzugsweise Playstation, ich
fahre zur Uni und besuche eine Vorlesung. Aber
mir macht das Spaß, ich brauche den Ausgleich
zum Profisport.
Während der aktiven Karriere hat man als
Fußballer unheimlich viel Leerlauf. Diese Zeit
wollte ich nicht ungenutzt lassen. Außerdem
kann ich nach dem Karriereende dann direkt
ins neue Berufsleben einsteigen.
Und auf dem Platz?
Hast du schon Pläne für die Zeit danach?
Da gibt es keine Unterschiede. Beide wollen
gewinnen und Erfolge feiern.
Warum studierst
Fußballkarriere?
du
neben
Nein, das lasse ich alles auf mich zukommen.
Im Moment genieße ich die Zeit als fußballspielender Student.
deiner
Das heißt, der Fußball ist dir wichtiger als
die Wissenschaft?
Ich weiß, wie schnelllebig der Profisport ist.
Eine falsche Bewegung oder eine schwere
Verletzung, und innerhalb einer Sekunde kann
eine ganze Karriere beendet sein. Außerdem
muss ich an die Zeit nach meiner Karriere
denken.
Ganz ehrlich: Fußball spielen macht bedeutend mehr Spaß, als Bücher zu lesen oder
theoretische Dinge zu lernen. Aber die Zeit
als Profisportler ist eben leider sehr begrenzt.
Deswegen das zweite Standbein.
Andere Fußballer beginnen ihr Studium erst
Braucht man als Fußballer, der studiert, eine
13
andere Ansprache vom Trainer?
Nein, auf keinen Fall. Fußball ist ein einfaches
Spiel. Dabei sollte es der Trainer dann auch bei
der Ansprache belassen. Außerdem müssen bei
einem Mannschaftssport persönliche Interessen
hinten angestellt werden.
Viele deiner Fußballer-Kollegen machen ein
Fernstudium, du bist an die Uni Tübingen
gegangen. Macht diese Entscheidung das
Studieren schwerer, weil man bei Prüfungen
und Vorlesungen unflexibler ist?
Ich genieße die Zeit an der Uni und den Austausch
mit den Kommilitonen. Glücklicherweise liegen
die Prüfungen so, dass sie den Trainingsablauf
nicht behindern und ich kein Spiel verpasse.
Ich glaube nicht, dass meine Noten als
Vollzeitstudent wesentlich besser wären. Da
ich weniger Zeit habe, muss ich diese Zeit
effektiver nutzen.
Zeit ist ein gutes Stichwort. Was sagst du
zu den Studenten, die „nur“ ihre Vorlesungen
haben und trotzdem über ein zu hohes Pensum
stöhnen?
Ich kann das durchaus nachvollziehen. Die
Partys an den Wochenenden können manchmal
sehr anstrengend sein (lacht).
Und du steckst die Mehrfachbelastung einfach
so weg? Oder gab es mal einen Zeitpunkt, an
dem du alles hinschmeißen wolltest?
Nein, so einen Moment gab es nie. Wenn ich
mir etwas vorgenommen habe, dann will ich es
auch erreichen. Ohne diesen Ehrgeiz klappt das
Leben nicht, weder im Sport noch im Studium.
Ich muss auf die Zähne
beißen, wenn die
Kollegen Champions
League gucken.“
Wird der Fußball auch nach deinem Studium
noch eine Rolle spielen?
Auf jeden Fall. Ich werde nach meinem Studium
hoffentlich noch weiterhin ein paar Jahre
aktiv spielen können und dann auch mit der
Trainerlizenz beginnen.
Das eine lässt sich mit dem anderen also
problemlos vereinbaren?
Das Ganze geht natürlich nicht ohne
Kompromisse. In vielen Dingen muss ich
zurückstecken und auch mal die Zähne
zusammenbeißen. Zum Beispiel, wenn die
Mannschaftskollegen abends Champions League
schauen und ich für eine Prüfung lernen muss.
Wie ist es mit deinen Kommilitonen: Was sagen
die zu deinem Job als Fußballer?
Viele sind begeistert und kommen ab und an
zu den Spielen. Ich kümmere mich dann gerne
mal um Freikarten. Einer meiner Kommilitonen
ist sogar ein echter Blauer, wohnt in Degerloch
und ist bei jedem Heimspiel auf der Waldau.
Wirkt sich deine sportliche Karriere negativ
auf deine Noten aus?
14
Fabian Gerster, geboren 1986 in Bad
Saulgau, begann seine Fußballkarriere als
Sechsjähriger beim SV Ennetach und spielte
als Aktiver zunächst für den SC Pfullendorf,
bevor er 2009 zu den Stuttgarter Kickers
wechselte. In der dritten Liga gehört der
Abwehrspieler zur Stammformation. Ebenfalls
2009 begann er an der Universität Tübingen
sein Sportmanagement-Studium.
100
meilen
Wie ist es eigentlich...
... Bettler zu sein?
Einst war er Kranfahrer in seiner Heimat, der
Slowakei. Dann verlor er wegen der Folgen einer
Kinderlähmung und einer verpfuschten OP beide
Beine. Heute erbettelt sich Roman das Geld zum
Leben – für sich und die Familie seiner Tochter.
Von Marco Lang
G
rau melierte Haare, tiefe Falten
im Gesicht und ein zahnloses Gebiss
lassen ihn zwielichtig, fast angsteinflößend erscheinen. Seine Kleidung ist
billig, wirkt alt und zweckmäßig. Er
trägt mehrere Jacken und Pullover im
Zwiebelprinzip, wie ein Bergsteiger. Die
blaue Jogginghose hat er hochgekrempelt, sie würde sich nur in den Rädern
seines Rollstuhls verfangen. Über die
Stumpen seiner abgetrennten Beine
trägt er selbst gestrickte Socken. Seine
zittrigen Hände halten einen Coffeeto-go-Becher, in dem etwas Kleingeld
liegt. Meistens sitzt er auf der Brücke
vor einem Einkaufszentrum. „Hier kommen viele vorbei. Von Brückcenter
in Altstadt“, sagt er in gebrochenem
Deutsch. Roman, der seinen Nachnamen
nicht verraten will, bettelt. Doch das war
nicht immer so.
Das genaue Datum der Operation weiß
Roman nicht mehr, es war vor etwa
dreizehn Jahren. Gemeinsam mit seiner
Tochter und seinem Schwiegersohn lebte
er in Rimovska Sobota, einer Kleinstadt
im Süden der Slowakei. Roman war 55
Jahre alt und litt unter den Spätfolgen
einer Kinderlähmung. Seine Beine gaben
nach, die Fehlstellung seiner Füße wurde
schlimmer, und es fiel ihm immer schwerer, seinen Baukran zu besteigen. Er
wollte sich behandeln lassen und fuhr
dazu nach Bratislava, die Hauptstadt
seines Heimatlandes. Für die knapp 300
Kilometer brauchte er mit seiner Tochter
fünf Stunden. „Straßen in Slowakei war
schlecht, mit Löcher und viel ... na, wie
heißt man ... Stau!“, sagt Roman.
Im Krankenhaus angekommen, operierten ihn die Ärzte. Die Besserung blieb
jedoch aus, sein Zustand verschlechterte
sich sogar. In Romans Unterschenkeln
bildeten sich Thrombosen, kleine
Blutgerinnsel verstopften die Venen.
Dadurch verlor er sein linkes Bein mit
56 Jahren, das rechte wurde zwei Jahre
später amputiert. Seitdem kann Roman
nicht mehr als Kranführer arbeiten.
Einen anderen Job fand er nicht. „Gibt
17
nicht viel Arbeit, wenn man im Rollstuhl
ist“, sagt er. Im Jahr 2000 gab es in der
Slowakei viele Arbeitslose und wenig freie
Stellen. In dieser Zeit einen behindertengerechten Arbeitsplatz zu finden war
schwer, für einen 58-jährigen Kranfahrer
ohne Beine wohl unmöglich. 260 Euro
Invalidenrente bekommt Roman seitdem
monatlich gezahlt. „Nach ein paar Jahren
war Ersparnisse weg, Voijslav musste mir
helfen.“
Der Schwiegersohn
kann zupacken beim Händedruck
Voijslav ist Romans Schwiegersohn, Ende
30, kahlköpfig und seit 13 Jahren mit seiner Tochter, Janetta, verheiratet. Er ist
Mechaniker für Landmaschinentechnik.
Ein großer und kräftiger Mann, der zupacken kann, zumindest beim Händedruck.
An Traktoren, Mähdreschern und
Feldhäckslern hat er schon lange keine
Hand mehr angelegt. „Seit Trennung
von Tschechoslowakei gibt mehr kleine
Firmen, weniger große. Schwer für einfache Arbeiter“, sagt Voijslav in noch
schlechterem Deutsch, als Roman es
spricht. Vielen alten Freunden in der
18
Slowakei ginge es genauso. Ein ehemaliger Kollege von Voijslav erzählte,
er schlage sich in Deutschland mit der
Bettlerei durchs Leben. Die Idee erschien
Roman und seiner Familie anfangs absurd.
Allerdings brauchten sie dringend Geld,
Voijslavs und Janettas erstes Kind war
inzwischen sieben Jahre alt, brauchte
Hefte, Stifte und Bücher für die Schule.
In dieser Zeit wurde Janetta zum zweiten
Mal schwanger. „Da habe ich zu Voijslav
gesagt, wir probieren einfach mal“, sagt
Roman nüchtern.
Janetta blieb in der Slowakei und
kümmerte sich um die beiden Kinder.
Roman und sein Schwiegersohn gingen
nach Würzburg, Bamberg, Nürnberg und
Ansbach betteln. Vier Jahre lang haben
sie in ihrem Ford geschlafen, während
sie in Deutschland waren. „Hab‘ Kinder
und Janetta vermisst, war nie schön!“,
sagt der Schwiegersohn. Das Duo bettelte jeweils zwei bis drei Monate, fuhr
dann für zwei Wochen in die Heimat.
Im April 2012 hatte die Familie genug
Geld gespart, um in der Slowakei einen
Wohnwagen zu kaufen. Jetzt konnten
Janetta und Romans jüngstes Enkelkind
mit nach Deutschland kommen. Der
ältere, zwölfjährige Junge musste dagegen bei Voijslavs Bruder in der Slowakei
bleiben. Janettas Hündchen Oliver ist
dagegen dabei. Die fünf Auswanderer
leben auf einem Wohnwagenstellplatz am
Stadtrand. Die Parkplätze sind kostenlos, und den Strom können sie an einem
Münzautomaten nach Bedarf kaufen.
„Wir haben hier konstant zwischen
einem und zehn Bettlern“, sagt Volker
Sperr, verantwortlicher Mitarbeiter vom
Ordungsamt Ansbach. „Die meisten kommen aus Rumänien oder Bulgarien. Wir
vermuten, dass sich die Bettler organisiert haben.“ Tatsächlich verschwinden
Gruppen aus der Altstadt genauso schnell,
wie sie auftauchen. Im September und
Anfang Oktober saßen mehrere zwischen
der Altstadt und dem Brückencenter.
Mitte Oktober war Roman wieder der einzige, die anderen waren verschwunden.
„Weiß ich nicht, wo sie sind, kenn‘ sie nur
vom Sehen“, sagt er. „Wir glauben, dass
die Bettler von Hintermännern organisiert
sind“, sagt Volker Sperr.
Beweise hat er dafür aber nicht. Und
selbst wenn es eine „Bettlermafia“ gibt,
ist diese nicht zwingend illegal. Betteln
ist in Deutschland erlaubt. Solange die
Menschen das freiwillig tun und die
Anwohner nicht belästigen, besteht
kein Straftatbestand. Roman ist das
Verschwinden seiner Konkurrenten ganz
recht. Nur den Clown, der Samstag oft in
der Nähe der Brückencenterbrücke auftritt, mag er. „Ist lustiger Mann, er gibt
den Kindern Zuckerl. Einmal hat er sogar
mir eins gegeben“, sagt Roman lachend.
Trotzdem ist es ihm lieber, der einzige
Bettler der Stadt zu sein. Er braucht das
Geld dringend. Bis zu 30 Euro sammelt
er am Tag. An guten Tagen, wie in der
Weihnachtszeit, sind es sogar 50 Euro.
Es ist Freitagabend, acht Uhr. Voijslav
holt Roman mit dem Auto an der
Brückencenterbrücke ab. Zielstrebig steuert er auf seinen Schwiegervater zu, legt
die linke Hand auf dessen Schulter und
schiebt den Rollstuhl mit der Rechten zum
Parkplatz. Er macht die Beifahrertür seines Fords auf, hievt Roman in den Autositz
und verstaut den Rolli im Kofferraum.
Nach elf Stunden Arbeit geht es nach
Hause. Am Wohnwagen angekommen,
wartet Janetta schon mit Kaffee auf
ihre Männer. Sie hält den Zeigefinger
vor den Mund und flüstert etwas auf
Slowakisch. „Wir müssen leise sein, Kleine
schläft“, sagt Roman. Er fährt seinen
Rollstuhl vor die Tür des Wohnwagens,
stemmt sich über die Schwelle auf den
Boden und von dort aus auf sein Bett. Es
liegt der kleinen Küche gegenüber, rechts
von ihm schlafen Janetta, Voijslav und
deren vier jährige Tochter im Doppelbett.
Der kleine Hund hat einen Teppich auf
dem Boden. Seine Tochter reicht Roman
eine Tasse. Sie unterhalten sich auf
Slowakisch, Roman übersetzt: „Ich hab‘
heute Brötchen und Kuchen bekommen,
brauch‘ kein Abendessen. Nur Kaffee.“
Das ist sein Luxus vor dem Einschlafen,
eine Tasse billiger Aufbrühcappuccino, in
dem Bröckchen vom Pulver schwimmen.
Der 67-jährige Bettler genießt trotzdem
jeden Schluck.
Janetta setzt sich zu ihrer Tochter aufs
Bett und streicht ihr über die Wangen. Sie
spricht leise. Voijslov übersetzt: „Sie will
heim, vermisst unseren Sohn. Ist nicht
leicht für sie, so lange weg vom Kind.“
Roman nickt. Er wird bald 68 Jahre alt,
dann bekommt er zum Invalidengeld noch
eine richtige Rente. Damit könnte die
Familie über die Runden kommen und
endlich in der Slowakei bleiben.
Wie-ist-es-eigentlich.de ist ein Blogprojekt
von Journalismusstudenten. Sie befragen
Menschen, wie sich bestimmte Erlebnisse,
Situationen oder Geschehnisse anfühlen.
Im Internet gibt es eine Sammlung dieser Geschichten. Im Käpsele erscheint
monatlich ein Text aus der Reihe als Serie.
19
Die Tübinger Innenstadt
ist eine der schönsten
in Deutschland.”
Das Mekka der
Orientalistik
Die aus Tübingen stammende Islamwissenschaftlerin Claudia Ott feierte
2004 mit ihrer Übersetzung von „1001 Nacht“ einen Sensationserfolg.
Zum ersten Mal wurde die älteste arabische Handschrift der
Erzählungen der deutschen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Im
Interview erzählt sie, was sie mit ihrer Heimatstadt verbindet.
Von Markus Brinkmann
Frau Ott, Sie haben in Jerusalem, Tübingen
und Berlin studiert. Wo hat es Ihnen am besten gefallen?
Warum haben Sie sich nach der Rückkehr
aus Jerusalem dazu entschieden, in Ihrer
Heimatstadt zu bleiben?
Jede Stadt hat ihren besonderen Charme.
Jerusalem war sicher meine schönste Zeit
und für mein Studium optimal, weil ich die
arabische Sprache, die ich an der Hebräischen
Universität auf höchstem Niveau studieren
konnte, täglich anwenden konnte und auch
mit der arabischen Kultur in enger Berührung
lebte.
Das hatte hauptsächlich fachliche Gründe.
Der Lehrstuhl in Tübingen war in den 1980er
Jahren eine Art Mekka der Orientalistik
mit fünf Professuren in breit gefächerter Ausrichtung von arabischer und persischer Philologie über islamische Theologie,
Geschichte, Architektur und Kunst der Länder
des so genannten Orients bis hin zu den
Sprachen und Kulturen des Christlichen
Orients sowie in der Politikwissenschaft verankert den politischen Verhältnissen im heutigen Nahen Osten. Dazu kam das damals
noch
bestehende
Sondersammelgebiet
Orientalistik der Tübinger UB mit eigener
Fachbibliothekarsstelle. Diese Konstellation
war damals konkurrenzlos in Deutschland, ja
sogar international.
Was war in Tübingen anders?
In Tübingen stand der Magisterabschluss im
Mittelpunkt, aber auch hier hatte ich interessante Begegnungen mit Kommilitonen und
konnte Kontakte knüpfen, die bis heute halten.
Und in Berlin?
Berlin wiederum öffnete den Horizont für die
arabische Kultur im Exil, denn schon damals
lebten viele arabische Künstler dort.
Tübingen ist Ihre Heimatstadt. Was macht
die Stadt Ihrer Meinung nach studentenfreundlich?
Gerade weil es meine Heimatstadt ist, kann
ich hierüber nicht wirklich profunde Auskunft
geben, denn ich habe das Studentenleben
hier nicht so ausgiebig wie in den anderen
Städten ausgelebt. Gut waren aber zu meiner Studienzeit die fußläufigen Entfernungen
zwischen den Instituten in der Innenstadt.
Überhaupt ist die Innenstadt ja eine der
schönsten Deutschlands und schon deshalb
sehr attraktiv für Studierende.
Warum haben Sie sich überhaupt für
die Fächer Orientalistik und Arabistik
entschieden?
Das lag daran, dass ich als Jugendliche mit 18
Jahren nach Jerusalem gegangen war. Dort
habe ich mich unter dem Eindruck der arabischen Kultur zum Studium eingeschrieben.
Was verbinden Sie mit Ihrer Tübinger
Studienzeit?
Vor allem die Erinnerung an eine überwältigende intellektuelle und organisatorische
Freiheit. Ich kam gerade von vier Semestern
hart durchgetaktetem B.A.-Studium an der
Hebräischen Universität Jerusalem in der
Erwartung, dass es schon irgendwie so ähnlich weitergehen werde. In Tübingen aber
sagte mir plötzlich niemand mehr, welche
21
Kurse ich zu besuchen und wie viel Punkte
ich wann zu erwerben hatte. Das war irritierend, aber auch sehr befreiend. Es ist mir
klar, dass nicht jeder Studierende mit dieser
Freiheit umgehen kann, aber für mich war
sie eine große Chance. Diese Freiheit führte
zum Beispiel dazu, dass manche Seminare als
Privatissimum endeten, weil ja niemand verpflichtet war, sie zu besuchen. Wer sich aber
wirklich interessierte, kam in den Genuss
einer intensiven Betreuung, von der heutige
Studenten nur noch träumen können.
Wo sind die Studenten zu Ihrer Zeit abends
weggegangen?
Im Prinzip verteilten sie sich über die ganze
Innenstadt. Aber wir Orientalisten hatten
auch alle den Institutsschlüssel und haben oft
in der alten Aula die Nacht zum Tage gemacht
und umgekehrt.
Sie haben sich auf Übersetzungen spezialisiert und sogar einen Preis für Ihr Buch
„Tausendundeine Nacht“ bekommen. Was hat
Sie gereizt, diese Übersetzung anzugehen?
Mir kommt es so vor, dass sich die Übersetzungen
mich ausgesucht haben, nicht umgekehrt. Ein
gütiges Schicksal hat mich damit beauftragt,
Übersetzerin von „Tausendundeine Nacht“
zu werden, nachdem mich ein Kollege dem
Verlag vorgeschlagen hatte; und die mittelalterliche Handschrift von „101 Nacht“ hat
mir aus einer Museumsvitrine zugewinkt. Was
kann einen mehr reizen?
Nach den Anschlägen vom 11. September
2001 in New York haben sich viele Studenten
für Islamwissenschaften, Arabistik oder
Orientalistik entschieden. Hat das dem Fach
gutgetan?
Insgesamt wohl schon, auch wenn der Aufwand
für die Lehrenden enorm gestiegen ist.
Welchen Einfluss hatte der arabische
Frühling auf das Interesse an Ihrem Fach?
Auch hier denke ich, dass die Revolten in
der arabischen Welt für die Fächer insgesamt zu verstärktem Interesse und zu einem
22
fachlichen Aufschwung geführt haben - auch
wenn die wirtschaftliche und soziale Lage in
den arabischen Ländern derzeit ja eher zum
Verzweifeln ist.
Wie bewerten Sie das momentane Verhältnis
zwischen westlicher und arabischer Welt?
Über generelle Tendenzen kann ich als
Literaturübersetzerin keine qualifizierte
Einschätzung abgeben. Im Bereich der persönlichen und fachlichen Kontakte hat sich
für mich nichts geändert. Ich freue mich, dass
ich mit allen meinen arabischen Freunden und
Kollegen in gutem Kontakt stehe.
Welche Jobmöglichkeiten
Islamwissenschaftler?
gibt
es
für
In der Orientalistik ist es gottlob immer
noch so, dass nach dem Studium kein genau
definierbarer Beruf wartet. Für mich war
das genau das richtige, mancher andere
bekommt eher Panik davor. Darum rate
ich den Studierenden, schon ganz früh
Praxiserfahrungen zu sammeln, beispielsweise durch Praktika in deutschen Botschaften
oder Goethe-Instituten im Ausland, bei NGOs
oder Wirtschaftsverbänden, bei Radiosendern
oder Museen, in Verlagen oder großen
Bibliotheken. Alles das könnten potentielle
Berufsfelder oder Arbeitgeber werden. Es
reicht aber nicht, das zu wissen. Man muss
jede Möglichkeit wirklich am eigenen Leib
ausprobiert haben, um festzustellen, in welche Richtung man sich später orientieren
möchte.
Claudia Ott, geboren 1968 in Tübingen,
studierte Arabistik, Islamwissenschaft,
Iranistik und andere orientalistische
Fächer in Jerusalem und Tübingen.
Seit 2012 lehrt sie Arabastik an der
Uni Göttingen, ist aber vor allem als
Übersetzerin arabischer Literatur tätig
und erfolgreich. Ott kommt mit ihrer
musikalischen Lesung „101 Nacht“
nach Tübingen. Mittwoch, 22. Januar,
„Museum“ Obere Säle, Wilhelmstr. 3,
Beginn: 20 Uhr. Weitere Informationen
auf www.tausendundeine-nacht.com.
Ein bekannter Orientierungspunkt in Cannstatt
ist der Rosensteinbunker. Das 1942 fertiggestellte Hochbauwerk – in dem es sogar einen
Aufzug gab – konnte mehr als 1400 Menschen
Schutz bieten. In der Nachkriegszeit wurde der
Bunker für einige Jahre als Hotel genutzt.
Die „kleine Schwester“ des Fernsehturms ist
der 192 Meter hohe Fernmeldeturm auf dem
Frauenkopf. Dieser 1972 eingeweihte Turm leistet heute weit mehr als der ältere Fernsehturm,
übernimmt sogar dessen ursprüngliche Aufgabe:
die Fernsehausstrahlung. Neben dem Hörfunk
ist er vor allem für den Mobilfunk verantwortlich, da er im Besitz der Deutschen Telekom ist.
Das Neue Schloss hat die Hausnummer 4.
Eine kleine Zahl für das riesige Gebäude. Zu
Herzogs- und Königszeiten kam es sicherlich
noch ohne Nummer aus. Doch irgendwie muss
die Post heute schließlich ins richtige Haus
flattern. Der Fernsehturm hat die Hausnummer
120 (Jahnstraße), und selbst der Bismarckturm
bekommt Post. Er trägt die Hausnummer 36.
Weitere unnütze Fakten über Stuttgart gibt es
im Netz auf www.unnuetzes-stuttgartwissen.de
oder auf Facebook.
18
Buch des Monats
Vom Liebemachen
in Zeiten des
Wandels
Der Soundtrack unseres Lebens kennt keine
Kompromisse. Darin tauchen schon mal Songs
auf, wegen derer wir uns in Grund und Boden
schämen, die aber unauslöschlich sind mit ersten Küssen, Herzschmerz oder Abiausfahrten.
Musik ist Nostalgie, auch für Tim Renner und
Sarah Wächter. Als Manager und Promoter sind
sie Teil der gigantischen Maschinerie, die den
Soundtrack fürs Leben vom Interpreten zum
Hörer bringt.
Ihr Buch von der „Wahrheit über
die Popindustrie“ mit dem großartigen Titel „Wir hatten Sex in den
Trümmern und träumten“, den
sie sich von der Hamburger Band
„Die Sterne“ liehen, erscheint
in einer Zeit des Wandels, in
der die fetten Jahre vorbei sind
und die Industrie geprägt ist von
bissigen Dinosauriern und neuen
Machern. Die einen stochern
in den digitalen Welten wie in
einem Nebel, die anderen packen
die Chancen beim Schopf wie
Sebastian Andrej Schweizer, der
mit dem Stuttgarter Label Chimperator Cro
groß rausbrachte, obwohl oder weil er gegen
alle Regeln des Hitmachens verstieß.
Die Einblicke in die Branche sind von höchst
schwankendem Unterhaltungsgehalt. Details
24
über das Wesen eines Talentsuchers oder
eines Bookers lesen sich zuweilen lehrbuchhaft, wohl aber findet sich so manche Perle
in Episoden über die Macken und Triumphzüge
von Künstlern. Beispiele: das Charisma der
Techno-Queen Maruhsa, der Kampf um
Selbstbestimmung des ersten DSDS-Gewinners
Alexander Klaws oder die psychische
Achterbahnfahrt von Udo Lindenberg, der
Anfang der Neunziger nur nicht von
seinem Label gefeuert wurde, weil
es darauf spekulierte, Lindenberg
könne sich bald zu Tode saufen und
post mortem zum Verkaufsschlager
werden.
Und dann die Geschichten mit großem Empörungspotenzial: Chartsmanipulationen der Branchenriesen,
verminderte Einnahmen für Musiker
von Plattenfirmen bei SpotifyAbrufen wegen Verpackungsabzügen
oder die Behäbigkeit und mangelnde Flexibilität der Gema. Musik ist
Nostalgie, aber das Business zuweilen ganz schön dreckig. (ben)
Tim Renner/Sarah Wächter, Wir hatten Sex in den Trümmern und träumten
– Sachbuch, Berlin-Verlag, 336 Seiten, ISBN
978-3827011619, 16.99 €
Der Liebling der Redaktion
Irische
Hassliebe
Mitten in Europa sterben Menschen, weil
sie kein sauberes Trinkwasser zur Verfügung
haben. Weil sie nachts frieren und ihre Betten
durchnässt sind, weil es ständig durch das
Dach regnet. Sie sterben, weil sie Hunger
haben, Schwindsucht und andere Krankheiten.
Was klingt wie Zustände aus
der Dritten Welt ist Alltag in
der Kindheit des irischen
Schriftstellers Frank McCourt. In
seinem Roman „Die Asche meiner
Mutter“ beschreibt er, wie er in
den 30er Jahren in Limerick aufwächst, nachdem seine Familie
aus New York zurückgekehrt ist,
weil sein Vater Malachy dort
keine Arbeit gefunden hatte.
Zwar ist das Buch nach seiner
Mutter Angela benannt, Vater
Malachy McCourt, der ständig
betrunkene Nordire, nimmt aber
einen viel größeren Platz in
Franks Erzählungen ein. Er prägte die Kindheit
des späteren College-Lehrers mindestens
genauso sehr wie das feuchtkalte Wetter in
den Gossen Limericks und das allgegenwärtige
Elend auf den Straßen.
Es ist der Zwiespalt in der Beziehung der
beiden, der das Buch so lesenswert macht.
Malachy, der in Limerick verhasst ist und
als unzuverlässiger Säufer gilt, hat für die
IRA gegen die Engländer gekämpft. Wenn
er abends nach Hause kommt, zitiert er die
Kinder aus dem Bett und zwingt sie, für einen
Penny Rebellenlieder mit ihm zu singen.
Er verschwindet nach England, verspricht,
dort zu arbeiten, und schickt doch nichts
nach Hause, weil er den gesamten
Lohn im Pub lässt. Und dann sind
da die Passagen in Frank McCourts
Biografie, in denen sein Vater mit
ihm über die grünen Wiesen spaziert,
in denen er mit seinen Kindern spielt
und ihnen am Feuer vorliest.
„Die Asche meiner Mutter“ ist ein
ständiger innerer Kampf eines jungen Mannes, der seine Heimat liebt
und zugleich hasst. Als Letzteres
schließlich überwiegt, träumt er
davon, endlich wieder nach New York
zurückzukehren. Und obwohl der
Leser vom ersten Moment an weiß,
dass Frank es am Ende schaffen wird,
fiebert er doch mit dem jungen Mann mit,
der Seite für Seite so hoffnungsvoll kämpft.
Und zwischen Elend, Mut und erster Liebe
zeichnet McCourt ein liebevolles Porträt einer
ganzen Nation, die es nie leicht hatte. (ci)
Frank McCourt, Die Asche meiner Mutter
– Roman, btb-Verlag, 544 Seiten, ISBN
978-3442723072, 10 €
25
Die Grenzen der
Privatsphäre
26 Millionen Deutsche nutzen Facebook, darunter fast
90 Prozent der unter Dreißigjährigen. Doch wie sensibel gehen sie mit persönlichen Daten um? Was teilen
sie mit wem? Und was hilft die größte Vorsicht, wenn
irgendwo doch jemand mitliest?
Von Ben Schieler
26
E
und britischen Überwachungsprogrammen
der weltweiten Internetkommunikation
Prism und Tempora sowie anderen Spähin unbedarfter Klick in einer
und Spionageaktionen haben seit Juni 2013
Internetcommunity – und alles geht dahin.
die deutsche Öffentlichkeit aufgewühlt. Sie
Unbemerkt pflanzt sich der Trojaner auf
haben gezeigt, was viele vorher schon geahnt
der Festplatte ein, der Eindringling kann
haben oder geahnt haben wollen: Niemand
jede Aktion der ahnungslosen Besitzerin verund nichts ist im digitalen Zeitalter gefeit vor
folgen, sammelt deren Kreditkartendaten
dem Zugriff anderer, nicht einmal das Handy
und räumt das gemeinsame Konto von ihr
der Kanzlerin.
und ihrem Ehemann leer. Die Episode aus
Wolfgang Schweiger,
dem
Hollywooddrama
seit Oktober neuer
„Disconnect“ (Kinostart in
Professor und Leiter
Deutschland am 30. Januar
des Fachbereichs inter2014, ausführliche Kritik in
aktive
Medien
und
unserer nächsten Ausgabe)
ist aus dem Leben gegrif- Ich fand es spannend, mit Onlinekommunikation an
der Uni Hohenheim, hat
fen. Führt sie im Film zu
wie viel Kompetenz und
die NSA-Affäre aus vereinem nervenaufreibenden
schiedenen Blickwinkeln
Katz-und-Maus-Spiel, sind Manpower Staaten Daten
betrachtet. Als Bürger
die Folgen in der Realität abfischen.“
sei er empört gewesen,
meist weitaus unspektakuläsagt er. „Aber aus prorer, aber nicht minder bitfessioneller Sicht fand ich es überraschend
ter. Je digitaler unsere Welt funktioniert,
und spannend zu sehen, wie viel Kompetenz
je tiefer die Abhängigkeit von Computern
und Manpower auf staatlicher Ebene invesund Netzwerken greift, desto mehr eigene
tiert wird, um in einem solchen Umfang
Vorsicht ist geboten, wenn es darum geht,
Daten abzufischen.“ Dass die Enthüllungen
persönliche Daten zu schützen. Eigentlich.
etwas am Nutzungsverhalten der Deutschen
Die Enthüllungen von Whistleblower
im Internet ändern, glaubt Schweiger nicht.
Edward Snowden zu den US-amerikanischen
27
Viele würden zwar behaupten, sich vorsichtig
im Netz zu bewegen. „Die meisten sind aber
relativ unsensibel.“ Auf Facebook und Co. zu
verzichten käme schon allein deswegen nicht
infrage, weil die Dienste zu stark mit dem privaten und beruflichen Alltag verknüpft seien.
Vor einem solchen Dilemma stand jüngst
Sonja Utz vom Tübinger Leibniz-Institut für
Wissensmedien. Nachdem Facebook bekanntgegeben hatte, auch User gegen ihren Willen
durch Suchmaschinen auffindbar zu machen,
dachte die promovierte Psychologin für einen
Moment darüber nach, sich abzumelden. Weil
sie jedoch berufsbedingt Admin-Aufgaben in
einer digitalen Forschungsgruppe innehat,
verwarf sie den Gedanken sofort. An ihrer
Haltung, die zuckerbergsche Spielwiese überwiegend privat zu nutzen und sich dem Zugriff
Fremder oder entfernt Bekannter so weit wie
möglich zu entziehen, will Utz festhalten.
Wer mehr von ihr erfahren will, muss ihr bei
Twitter folgen.
Sonja Utz hat diese Einstellung in ihren
Studien der vergangenen Jahre auch bei anderen jungen Menschen vermehrt gefunden.
Ein Umdenken habe bereits 2008 stattgefun28
den. „Davor hat die Mehrheit auf Facebook
komplett öffentlich kommuniziert.“ Seitdem
seien die Gesprächsthemen in den für andere
sichtbaren Kommentaren eher oberflächlich.
Intimes verlagere sich in private Nachrichten,
die für jeden uneinsehbar bleiben, der nicht
am anderen Ende der Leitung sitzt oder ein
Spion mit Spezialauftrag ist.
Das Privacy Paradox:
Verhalten wider
der Einstellung
Diese Erfahrungen korrespondieren mit
den Ergebnissen, die der Hohenheimer
Psychologe Tobias Dienlin vom Lehrstuhl für
Medienpsychologie gesammelt hat. Dienlin
schreibt gerade an seiner Dissertation über
die Privatsphäre im Netz und beschäftigt sich
darin mit den Fragen, wer warum mit seinem richtigen Namen in sozialen Netzwerken
unterwegs ist, wie viele Zugangsrechte er
anderen einräumt und in welchen Situationen
er mehr oder weniger auskunftsfreudig ist. Im
Zusammenhang mit dem NSA-Skandal spricht
Dienlin von zwei Ebenen der Privatsphäre. Vor
dem unmittelbaren Umfeld, also vor Eltern,
Dozenten oder unliebsamen Bekannten, ließen sich Informationen sehr wohl verbergen.
„Wer nicht gerade im diplomatischen Dienst
ist, für den ist es nicht so relevant, ob
Geheimdienste seine privaten E-Mails mitlesen.“ Denn – und diese Erklärung begegnet
auch Sonja Utz immer wieder: der normale,
unbescholtene Bürger beteuert, ja sowieso
nichts zu verbergen zu haben.
Am sogenannten Privacy Paradox ändert
das laut Dienlin nichts. „Viele Menschen
haben Angst um ihre Daten, geben sie im
Netz aber permanent preis.“ Einstellungen
und Verhalten der Internetnutzer stimmen
nicht überein, was zu der Frage zurückführt, warum es so viele Nutzer sozialer
Netzwerke gibt – bei den unter 30-jährigen sind Erhebungen zufolge annähernd 90
Prozent der Deutschen auf Facebook aktiv, bei
den über 65-Jährigen noch immer stattliche
66 Prozent. Ist es der Zwang, dabei sein zu
müssen, um nicht abgehängt zu werden, der
Wunsch, sozial integriert zu sein und zu bleiben? Oder sind Facebook und Co. schlichtweg
der bequemste Weg zur Quelle, um schnell
und einfach an Nachrichten und Neuigkeiten
aus dem Weltgeschehen zu kommen? Ja,
berichtet Sonja Utz, der Informationsaspekt
sei in den vergangenen Jahren immer bedeutender geworden. „Die Kontaktpflege geht
aus vielen Studien aber nach wie vor als wichtigstes Motiv hervor.“
Dass dabei zumindest ein Schuss Eitelkeit
und Selbstdarstellung eine Rolle spielen kann,
unterstreicht eine Studie von fünf Hohenheimer
Kommunikationswissenschaftsstudentinnen
im Rahmen des Projekts „Humboldt reloaded“, das Studenten bereits früh für die
Wissenschaft begeistern will. Unterstützt und
angeleitet von Hanna Gölz und Julia Niemann
von der Forschungsstelle für Medienwirtschaft
und Kommunikationsforschung der Universität,
analysierte das Quintett aus dem dritten
und fünften Semester zu Beginn des Jahres
383 Facebook-Profile aus dem Freundes- und
Bekanntenkreis. Ein spezielles Augenmerk
legten die Hohenheimerinnen auf das Profilund das Titelfoto. Ergebnisse: 86 Prozent
der Befragten sind auf ihrem Profilfoto deutlich zu erkennen, wollen also von anderen
erkannt und gefunden werden – und dabei
möglichst einen blendenden Eindruck hinterlassen. „Sie legen Wert auf gute Bilder“, sagt
die Projektbeteiligte Luisa Mack.
Bei dem gleichermaßen als wichtig empfundenen Wunsch, seine Persönlichkeit durch
das eigene Foto durchscheinen zu lassen und
sympathisch zu wirken, scheiden sich teilweise die Geister. Wo die einen Nutzer auch
mal mit Schnappschüssen agieren, wenn sie
Charme besitzen, legen die anderen Wert auf
die Inszenierung. Das gilt erst recht, wenn
das Foto auf fremden Profilen für sie als zentraler Orientierungspunkt gilt. Gerade dann,
wenn die Teilnehmer der Studie nach eigenen Angaben auf Facebook das sogenannte
Impression-Management betreiben, also sich
selbst ins bestmögliche Licht setzen wollen,
tüfteln sie am längsten und am eifrigsten
– mit der Folge, dass Privatsphäre für sie
wichtiger ist als für andere. Frauen, das zeigt
ein weiteres Ergebnis der Studie, seien bei
der Auswahl ihrer Bilder generell vorsichtiger
als Männer.
29
Der Austausch mit alten Freunden und der
tiert, maximal 20 Prozent, eher zehn“, sagt
gute erste Eindruck bei neuen Bekannten scheider Forscher. „Die meisten lesen nur mit und
nen also zentral für Facebook-Nutzer, auch
diskutieren, wenn überhaupt, im privaten
wenn die geringe Stichprobe der HumboldtUmfeld.“ Unterschiede zu früher seien nicht
reloaded-Studie nur bedingt generalisierende
zu erkennen. „Aktiv sind die, die schon immer
Schlüsse zulässt. Schöpfen soziale Netzwerke
redebereit waren.“ Laut Schweiger ist das
abseits
oberflächlicher
eine männlich geprägte
Diskussionen aber darüber
Gruppe von überwiegend
hinaus auch ihr Potenzial als
30- bis 50-Jährigen.
digitale Debattierclubs mit
Die
Gründe
dafür
freiem Zugang für jeden aus?
seien vielfältig, am
Der Neu-Hohenheimer Prof
seien
Öffentliche Diskussionen? hinderlichsten
Wolfgang Schweiger hat sich
Desinteresse und fehjüngst mit der Frage beschäf- Die meisten lesen nur mit, lendes Selbstvertrauen,
tigt, inwieweit sich in den diskutieren höchstens
etwas Relevantes beiöffentlichen Räumen der
steuern zu können. Und
Netzwerke echte Diskurse im privaten Umfeld.“
auch wenn der Output
und Diskussionen von geselldes Plaudernetzwerks
schaftspolitischer Relevanz
Twitter zuweilen einen
finden, ob also die gestiegenen Möglichkeiten
anderen Eindruck vermittle, beispielsweise bei
zum unkomplizierten Austausch wahrgenom„Tatorten“ oder während Fußballspielen und
men werden und zur Onlinedebatte anregen.
Übertragungen des Eurovision Songcontests:
Schweigers Erkenntnisse sind ernüchternd.
Nur eine verschwindend geringe Anzahl der
„Es ist eine relativ kleine Gruppe von Usern,
Deutschen nutzt Twitter aktiv, unterschiedlidie etwas öffentlich postet oder kommenchen Erhebungen zufolge ist es nur etwa jeder
30
Zwanzigste bis Hundertste – und das, obwohl
die Userzahlen in den vergangenen Jahren
stark gestiegen sind. Franzosen, Spanier,
Italiener und vor allem Briten sind prozentual
gesehen deutlich aktiver.
Facebook kostenlos?
Jeder bezahlt mit
seinen Präferenzen
Facebook schwebt da in anderen
Dimensionen, die Anzahl der deutschen
Mitglieder ist seit Januar 2010 von 5,75
Millionen auf 26 Millionen im Juni 2013 gestiegen. Fast jedem Nutzer ist klar, dass die
angebliche Kostenlosigkeit eine Mär ist, dass
er in Wahrheit durchaus bezahlt, ob er will
oder nicht – mit der Preisgabe individueller
Präferenzen, weil wie auch bei verknüpften
Portalen oder dem anderen Branchengiganten
Google ein Rädchen ins nächste greift, jeder
Klick auf einen Link, jedes „Gefällt mir“,
jede Suchanfrage Teil eines Gesamtpuzzles
auf dem Weg zu personalisierter Werbung
ist, rechtlich abgesichert durch Allgemeine
Geschäftsbedingungen, die kaum ein Mensch
vollständig kennt oder versteht.
Die Kontrolle darüber, welche Informationen
unbekannte Dritte außerhalb des persönlichen Umfelds sammeln und verwerten, hat
Grenzen. Edward Snowdens Enthüllungen über
die Überwachung der Internetkommunikation
durch die Geheimdienste haben dem Gefühl,
in der globalen Dimension immer mehr zu
einem gläsernen Menschen zu werden, nicht
viel Neues hinzugefügt. Tatsächlich überrascht, wie Wolfgang Schweiger sagt, lediglich das Ausmaß der illegitimen Handlungen.
Wohl aber hat die Affäre sensibilisiert,
wenngleich das allein nicht automatisch
Konsequenzen hat. Man denke an das Privacy
Paradox: Einstellungen führen nicht zwingend zum passenden Verhalten. Auch hat die
Affäre die verschiedenen Dimensionen von
Datensicherheit erneut gezeigt. Luisa Mack,
nach eigenen Angaben schon immer vorsichtig
in den sozialen Netzwerken unterwegs, sagt:
„Es ist sehr wichtig, dass die Datensicherheit
nicht nur eine persönliche Angelegenheit ist,
sondern durch Regelungen auf staatlicher
Seite sichergestellt sein muss.“
31
Kurzgeschichte
Das Unglück des Anderen
von Marc Bensch
Siggi Sorgenonkel spähte. Manchen Ärger roch
er schon, bevor andere ans Furzen dachten.
Musste er. War Teil der Jobbeschreibung. Wie
zuhören. Und gute Miene zum Zorn machen,
wenn die Stapel nicht abbezahlter Bierdeckel
wuchsen und wuchsen. Siggi schaute zur Tür
und sah Stress. Der Mann, der breitbrüstig
hereinstürmte, trug die Sonne mit sich, die
ihre Strahlen ins Düstere warf, ganz kurz nur,
bis die Tür der Kneipe zufiel. Lächelnd stürzte
der Mann auf die Theke zu. Siggi wusste, dass
eine Kollision drohte, weil auf dem Hocker
vor ihm der andere seit zwei Bieren und
32
Schnäpsen mit buckligem Rücken kauerte und
trauerte. Die Selbstzweifel lasteten schwer
auf seinen hängenden Schultern.
Siggi hatte genickt und Gläser gespült, wie
er es immer tat, wenn einer seiner Gäste
etwas abladen wollte. Siggi urteilte nicht,
egal wie absurd die Sorgen anderer schienen.
Er war da und er war es gern.
Strahlemänner mochte er lieber als
Jammerer, natürlich. Doch der Anmarsch des
Sonnenkönigs alarmierte ihn.
„Oh Siggi, mein Freund“, rief der. „Siggi,
Siggi, Siggi. Das Leben ist wundervoll.“
Der andere sprang auf. „Was soll das?“,
knurrte er. „Wir unterhalten uns grade. Siehst
du das nicht?“
Das Lächeln des Neulings gefror. „Wer bist’n
du? Und was soll die Schreierei?“
Glück und Unglück bauten sich voreinander
auf, Auge um Auge, Nase an Nase, beide
etwa gleich groß, der eine mit glattrasiertem Kopf wie Siggi, aber im Gegensatz zum
Wirt ohne Kessel als Bauch, der andere
mit Milchbubibrille und ungekämmtem Haar.
Halsadern schwollen leicht an.
Da schleuderte der Wirt sein Spültuch von
sich und ließ die Faust auf die Theke krachen.
„Schluss damit, alle beide. Hier wird nicht
rumgebrüllt.“
Hotte und Tino verstummten und schrumpften mit einem Schlag um mehrere Zentimeter.
„Na geht doch. Also, was darf’s sein?“
Und während er neue Gläser füllte, saßen
die Männer Seite an Seite und hörten einander zu.
Tinos jüngste Erlebnisse mussten eigentlich
unweigerlich im Suff enden. Begonnen hatte
alles zwei Abende zuvor. Da kehrte Tino
nach der Arbeit heim und fand statt eines
dampfenden Mahls nur eine Tiefkühllasagne
samt Nachricht von seiner Frau vor: „Bin bei
Sabine, es ist ein Notfall. Komme erst morgen
wieder. Mach dir keine Sorgen.“ Und weil Tino
hungrig war und seine labile Schwägerin nur
zu gut kannte, machte er sich keine Sorgen,
sondern Lasagne.
Dabei konnte es – im Nachhinein war ihm
das sonnenklar - keinen verdächtigeren Satz
geben.
Auch am nächsten Abend empfing ihn
kein Duft. Dafür Qualm. Seine Frau saß
im Dunkeln und rauchte die seines Wissens
nach erste Zigarette seit der Schwangerschaft
mit Bianca. Und die studierte im fünften
Semester.
Sie sei einsam und ausgelaugt, vermisse ein
Gefühl, wolle das gar nicht mal Liebe nennen,
eher Zusammengehörigkeit, sagte sie ihm.
Und ja, sie werde ihn verlassen, in dieser
Nacht noch. Und ja, es gebe einen anderen.
Und nein, keinen den er kenne. Und nein,
er könne nichts dagegen tun. Sie habe ihre
Entscheidung gefällt und bereue es, nicht
schon längst gehandelt zu haben, nicht schon
gegangen zu sein, als Bianca gerade aus dem
Haus war.
Dann ging sie. Und zurück blieb Tino, der die
ganze Nacht über kein Auge zumachte. Der
am Morgen des nächsten Tages, also heute,
ins Büro schlurfte. Der dort von Michel abgefangen wurde, seinem Geschäftspartner und
Freund aus Kindestagen.
Michel tröstete nicht, kam gar nicht so
weit, verriet Tino vorher unverwandt, dass
er beschlossen habe, alle Anteile an den
Konzern zu verkaufen, der seit langem scharf
darauf war, seinen Mitbewerber aus dem Weg
zu räumen. Es täte ihm leid, sagte der beste
Freund, der das in dem Moment nicht mehr
war, aber er halte es für das Beste, wenn Tino
mitziehe. Michel legte ihm den Arm um die
Schulter und tat geknickt.
„Du wirkst in letzter Zeit immer so fahrig
und ausgelaugt. So geht das doch nicht weiter.“
Und Tino konnte nichts tun als zu nicken
und zu hoffen, dass Brutus‘ Arm ihn daran
hinderte zu fallen im Angesicht der kaputten Fundamente: seine Ehe, sein geordneter
Alltag und seine längste Freundschaft waren
futsch.
Er ging in sein Büro, nicht zum Arbeiten,
nur zum Grübeln. Erst Stunden später kam er
wieder heraus.
Als Hotte das hörte, tat ihm sein Auftritt
von zuvor leid. Zwei neue Halbe und zwei
neue Kurze markierten den Beginn seines
Berichts. Er erzählte die ganze Geschichte,
die Siggi schon kannte. Begann mit dem
Interview und der hibbeligen Journalistin,
die Mitte oder Ende zwanzig sein musste
und den Ausdruck der Jugend in ihren Augen
trug: ungetrübt, voll Feuer, erwartungsfroh.
Die von Anfang an mit ihm flirtete und über
ihr Literaturwissenschaftsstudium plauderte.
Darüber, wie sie einmal zufällig einen seiner
frühen Romane in die Finger bekommen habe
– den über das Seniorenpaar in wilder Ehe,
ein Meisterwerk, wie sie meinte, sensibel
und subtil, vielschichtig und klar, anklagend
und unaufdringlich. Die ihm im Laufe des
Gesprächs so zielsichere Fragen zu seinem
aktuellen Werk stellte, dass ihm ganz anders
wurde, er ein Kribbeln im Bauch spürte.
Die ihm am Ende ihre Visitenkarte in die
33
Hand drückte und vorher ihre Handynummer
darauf notierte, falls er sich mal wieder
anregend über Literatur unterhalten wolle,
vielleicht bei einem schönen Glas italienischem Rotwein?
Dann ging sie. Und zurück blieb Hotte, völlig
gefangen von dieser Begegnung, davon, wie
sie ihn verstand, wie sie ihn durchschaute.
Sein Werk lag in ihren flinken und faltenlosen
Händen.
Er vergaß völlig seinen Zeitplan, an den er
sich sonst akribisch zu halten pflegte. Fünf
Seiten Arbeit sah der für den Abend vor. Und
als ihn am Morgen des nächsten Tages, also
heute, sein Agent beim Frühstückstee anrief
und von zwei neuen Anfragen berichtete,
war an Arbeit nicht mehr zu denken. Die
Veranstalter eines Nachwuchswettbewerbs
wollten ihn als Vorsitzenden der Jury, die
Herausgeber eines neuen Trendmagazins
schlugen eine lukrative zwölfmal pro Jahr
erscheinende Kolumne vor.
„Sie liegen dir zu Füßen, mein Guter“, frohlockte der Agent.
Hotte hatte zu Ende erzählt. Nun hockte er da
und starrte sein Schnapsglas an, als wisse das
die Antworten auf all seine Fragen.
„Eins verstehe ich nicht“, sagte er zu Tino
und trank sein Bier leer. „Wie kannst du nach
allem, was dir passiert ist, hier reinlaufen und
grinsen wie einer, der im Lotto gewonnen hat?
Du hast doch alles verloren.“
„Eben“, antwortete Tino. „Etwas Besseres
hätte mir nicht passieren können.“
Hotte suchte Rat bei Siggi, doch der rührte sich nicht. Genauso wenig, wie der Wirt
Hottes Jammern über die Sinnlosigkeit des
Schreibens verstand oder das Verzweifeln
an seinen Werken, die Hotte schlicht und
unbedeutend vorkamen, verstand er Tinos
Euphorie.
„Na ja“, holte der aus. „Ich bin jetzt fünfundzwanzig Jahre lang an jedem Werktag
zur Arbeit gefahren und habe es fast immer
gehasst, egal wo ich war und was ich gemacht
habe. Nur die ersten zwei Jahre als mein
eigener Chef haben Spaß gemacht. So ähnlich
war das auch mit meiner Ehe. Und jetzt, jetzt
bin ich frei.“
Siggi hantierte wieder mit seinem Spültuch.
Dabei konnte er am besten nachdenken.
Gespannt schaute er zu Hotte, der kein
Spültuch zum Hantieren hatte.
„Toll, du bist frei. Außerdem verlassen und
arbeitslos. Was willst du jetzt tun?“
Da zuckte Tino mit den Schultern. „Ich
wollte schon lange mal mit dem Motorrad die
Panamericana runter.“
Und mit diesen Worten kippte er sein Glas
und stand auf. „Ich muss jetzt nach Hause.
Auf mich wartet ein großes kuscheliges
Ehebett.“ Sein Lachen schallte durch die
Kneipe. „Schreibst du’s an, Siggi?“
„Moment mal!“
Tino schaute überrascht.
„Her mit deinem Autoschlüssel“, befahl
Siggi.
Tino kramte in seiner Hosentasche, warf ihm
den Schlüssel zu, salutierte und haute Hotte
auf den Rücken.
„Mach’s gut, mein Freund“, sagte er. „Es
wird alles gut.“
Dann wankte er davon.
Zurück blieb Hotte, der seinen Blick auf
die Theke senkte, ganz kurz nur, ihn wieder
hob und Siggi ins Gesicht schaute. „Noch ‘n
Kurzen auf’n Weg, bitte“, sagte er. „Und ein
Taxi.“
Unter dem Pseudonym Marc Bensch
schreibt Ben Schieler seit 2009
Romane
und
Kurzgeschichten.
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Gnadenlos abgeräumt: Mit drei von sechs
Preisen stach die Filmakademie Ludwigsburg
beim deutschen Nachwuchsfilmpreis First Steps
Awards hervor. Einer der Gewinner: Tobias Haase,
für seinen Werbespot mit Hitler und Mercedes.
Von Mia Bergmann
36
T
obias Haase beantwortet die Fragen
für diesen Artikel schriftlich. „Mein Denken
entsteht aus dem Schreiben heraus“, begründet der 32 Jahre alte Werbefilm-Regisseur
seine Einstellung am Telefon.
Der Student der Filmakademie
Ludwigsburg lässt Dinge gerne
fließen. „Es ist schön, sich
nicht zu viele Gedanken
zu machen und dann im
Nachhinein zu entdecken,
was man alles fabriziert hat“,
schreibt er. In einer Situation
hat Haase sehr viel nachgedacht: Pros und Contras hat
er abgewägt, als er vor der
Entscheidung stand, ob er den
„MCP“-Spot umsetzen soll.
„Ich habe lange gebraucht,
Tobias Haase
mich darauf einzulassen.“
Drittes Reich, der Tod eines
Kindes: Der „MCP“-Clip hat im August für
Aufruhr gesorgt. Haase verdankt ihm aber
auch den deutschen Nachwuchsfilmpreis First
Steps Awards 2013 in der Kategorie Werbefilm.
In dem Kurzfilm, der wie ein MercedesWerbespot wirkt, überfährt ein Mercedes im
19. Jahrhundert das Kind Adolf Hitler. Das
intelligente Bremssystem reagiert bei zwei
auf der Straße spielenden
Mädchen, versagt jedoch bei
dem kleinen Jungen, dessen Mutter entsetzt „Adolf“
schreit. „Erkennt Gefahren,
bevor sie entstehen“, lautet das Fazit. Die Idee zu
dem Film kommt von Gun
Aydemir, der zu jener Zeit
als Kreativer bei der Agentur
Jung von Matt gearbeitet
hat, jener Agentur, die den
Originalfilm zum Mercedes
Collision Prevention System
schuf.
Der
Automobilkonzern
distanzierte
sich
nach
Bekanntwerden des Spots eilig und ließ das
von den Machern nachträglich kenntlich
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37
machen. In den Augen der Daimler-Manager
ging Haase einen Schritt zu weit. Doch der
nutzt das Stilmittel Provokation gerne. „Weil
es Aufmerksamkeit erregt.“ Einem Produkt
hilft, sich abzuheben. Manchmal genüge es
eben nicht, etwas schön aussehen zu lassen.
„Oft ist es dann bloß eines von vielen, da
andere Produkte auch einfach nur nett in
Szene gesetzt werden.“
Haase geht es als Regisseur um viel mehr. Er
schätzt die Arbeit des italienischen Fotografen
Oliviero Toscani. Der wurde bekannt mit seinen
provokanten Werbekampagnen für das Modeund Bekleidungsunternehmen Benetton.
Polarisierte darin mit
Magersüchtigen,
HIVInfizierten, einem Kind
mit
Down-Syndrom,
einem im Bosnienkrieg
gefallenen
Soldaten.
„Toscani hatte damals
Dinge mit Hilfe der
Benetton-Plakate so auf
den Punkt gebracht, dass
Menschen sich provoziert
gefühlt haben. Aids war
fast in Vergessenheit
geraten, der Bosnienkrieg
Barbara Ott
war alltäglich. Menschen
haben plötzlich wieder
darüber gesprochen, und das war wichtig“,
betont Haase.
Provokationen
bringen die
Gesellschaft voran
Er ist überzeugt: Provokationen bringen
die Gesellschaft voran. „Betrachtet man die
großen Provokationen, so geht es immer um
Dinge, die schon einige Wochen, Monate oder
auch Jahre später keine Provokationen mehr
sind.“ Die Aufreger ließen Menschen denken und diskutieren, Wahrheiten sagen, „die
zuvor in der Masse der Gesellschaft untergingen oder von oben herab kommuniziert
wurden“, Festgefahrenes infrage stellen, sich
eine Meinung bilden und diese vertreten.
„Wenn es Dinge gibt, die Werbung zu etwas
mehr machen als den reinen Abverkauf, dann
bin ich dabei.“
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Mit dem „MCP“-Spot hat Haase seine Ziele
mehr als erreicht. Aydemir und ihm ging
es auch darum, für ihre Arbeit zu werben.
Dass der Clip derartige Ausmaße annimmt,
hat Haase aber nicht erwartet. „Wir sind ja
nicht die Ersten, die sich lustig machen über
Hitler. Das ist besser, als den Mann ernst zu
nehmen.“ Er fügt hinzu: „Es war ein Film, das
sollte keiner vergessen. Niemand hat Schaden
genommen.“ Den First Steps Award empfindet
Haase als eine Wertschätzung. Viel wichtiger
war ihm aber ohnehin die Aufmerksamkeit.
„Durch den Film ist bei mir viel ins Rollen
geraten.“ Der Autohersteller Audi habe sich
bei ihm gemeldet.
Außerdem dreht er in
Zürich seinen ersten
bezahlten Film.
Zwei Ludwigsburger
Filmemacherinnen
haben
bei
den
First
Steps
auch
Anerkennung
für
ihre Arbeit erhalten: Barbara Ott und
Cosima Degler. Für
die 30-jährige Ott
ist damit ein Traum
wahrgeworden. Ihr
Spielfilm
„Sunny“
erhielt obendrein den Deutschen Kurzfilmpreis
2013 in der Kategorie „Spielfilme mit einer
Laufzeit von mehr als 7 bis 30 Minuten“ gewonnen – mit insgesamt 275.000 Euro die höchst
dotierte Auszeichnung für den Kurzfilm. Ott
bleibt trotzdem auf dem Teppich: „Die Preise
sind keine Garantie dafür, dass der nächste
Film kommt. Sie erleichtern einem aber die
Arbeit und machen sich gut im Lebenslauf.“
Die Wahlberlinerin hat mit „Sunny“ einen
realistischen Film über den 19-jährigen
Hajo gemacht, den Kind, Jobsuche und das
Leben an sich überfordern. Aggression und
Sanftheit, Wut und Liebe – Ott mag Filme
voller Kontraste. Wichtig ist ihr das Thema
Familie. „Sie ist der Ursprung von allem. Um
die Familie im Kern wird es bei meinen Filmen
immer gehen.“ Derzeit schreibt sie ihr Debüt,
ihren ersten Langfilm nach dem Diplom an der
Filmakademie. Sie hofft, ihn bald drehen
zu können. Eine Produktionsfirma hat sie
bereits gefunden, ein Sender fehlt noch. Zu
den genauen Inhalten des Films schweigt Ott.
„Sunny“ geht 2014 auf Deutschland-Tournee.
Cosima Deglers dokumentarischer Spielfilm
„Zwei Mütter“ läuft hingegen bereits – in Kinos, im
Fernsehen, auf Festivals und
im Ausland. Schon bevor die
25 Jahre alte Produzentin
den
Nachwuchspreis
„No-Fear-Award“
überreicht bekam, war ihr Film
Kennern der Filmbranche
ein Begriff. Der „No Fear
Award“ passt zu Degler,
deren Mut zur Frechheit ihr
einen Job bei einer Berliner
Produktionsfirma einbrachte.
„Ich habe den Produzenten
angerufen, weil ich einen Rat
benötigt habe“, sagt Degler.
Cosima Degler
Ihrem zukünftigen Chef gefiel
das. Er bot Degler eine Stelle
in seiner Firma an.
Aktuell organisiert sie einen Dreh in
Hamburg. Der Erfolg kam Schlag auf Schlag.
„Man erhofft ihn sich natürlich, kann ihn aber
nicht planen. Und plötzlich ist er Realität“,
sagt Degler, die als Produzentin gerne bei der
Entwicklung der Drehbücher
mitwirkt, wie bei dem zu
„Zwei Mütter“, das ursprünglich von Mutterschaft und
Muttergefühlen handeln sollte. Bei der Recherche stellte
sich heraus, dass lesbische
Paare nur sehr schwer an
Samenspenden für ein Kind
kommen. Damit war für die
Mitglieder des Teams klar:
Diese Geschichte müssen sie
erzählen. „Wir haben mit
einigen lesbischen Paaren
gesprochen. Der Film beruht
auf ihren Erfahrungen“, sagt
Degler. Um mehr Realität
zu erzeugen, waren nur die
zwei Hauptdarstellerinnen
Schauspielerinnen. Alle anderen Figuren – von
der Apothekerin bis zum Anwalt – spielten sich
selbst, sogar der Samenspender.
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Neu im Kino:
Die Hand in der Hose
Don Jon – Komödie, USA, Start:
14.11.2013. Regie: Joseph GordonLevitt. Mit: Joseph Gordon-Levitt,
Scarlett Johansson, Julianne Moore,
Tony Danza u.a. (90 Minuten)
Sex ist gut, Pornos sind noch besser. Weil die Frauen
darin alles mit sich machen lassen und alles mit den
Männern tun, wozu die Hasen im echten Leben trotz aller
Freizügigkeit dann doch zu prüde sind. Deswegen schleppt
der selbstbewusste Jon Martello zwar Wochenende für
Wochenende in den Clubs Bräute ab, die wahre Erfüllung
der Gelüste erlebt er aber beim Wichsen danach oder
zwischen den regelmäßigen Kirch- und Beichtbesuchen
mit der Familie und den Trainingseinheiten in der
Muckibude. Zum Problem wird die Routine, als ihn seine
neue Freundin, der fleischgewordene feuchte Traum
Barbara (Scarlett Johansson), erwischt. In einer köstlichen Weise spielt Joseph Gordon-Levitt in seinem Debüt
als Regisseur und Drehbuchautor mit Tabus, Trieben
und Moral. Allein zu beobachten, wann im Kinosaal die
Männer lachen und wann die Frauen, ist ein großer Spaß.
Der Ex-Serien-Star Tony Danza hat als Filmvater eine
Traumrolle, Scarlett Johansson mimt die verführerische
Egomanin, die zur Zicke mutiert und dem Porno-Suchti
„Ich dachte, du wärst anders“ entgegenbrüllt. Oh ewiger
Geschlechterkampf! (ben)
Bittersüßer Sommer
Als Teenager den gesamten Sommer mit der Familie verbringen zu müssen ist ein schreckliches Los. Der 14-jährige Duncan (Liam James) leidet sichtlich, als er seine
Mutter, ihren neuen Freund Trent (Steve Carell) und dessen Tochter in ein Ferienhaus begleiten muss. Zwischen
dem dominanten Trent, pubertierenden Mädchen und
weiteren Familien aus der Nachbarschaft gibt es nicht
viel Platz für den schüchternen Duncan. Er verwendet
den Großteil seiner Zeit darauf, sich ein Versteck zu
suchen, und findet ein Freibad, wo er sich prompt mit
Owen (Sam Rockwell), einem der Manager, anfreundet. Auch wenn sich die Story hauptsächlich um diese
Charaktere dreht, sind es die Nebenrollen, die den Film
zu dem machen, was er ist. Der leicht melancholische
Charme des Films entsteht größtenteils durch die bizarren Protagonisten und die pointierten Dialoge, die sie
miteinander führen. Permanent angetrunkene Mütter und
chronisch demotivierte Angestellte des Freibads fügen
sich gleichermaßen in die Geschichte ein. Wer in der
kalten Jahreszeit Lust auf eine lockere Sommerkomödie
mit einem Hauch Wehmut hat, ist hier genau richtig. (ay)
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Ganz weit hinten – Komödie, USA,
Start: 5.12.2013. Regie: Nat Faxon
& Jim Rash. Mit: Steve Carell,
Sam Rockwell, Liam James, Toni
Collette u.a. (104 Minuten)
Ohne Glitter
Adam (Tom Hiddleston) lebt zurückgezogen in einer
verlassenen Villa außerhalb von Detroit. Der urbane
Eremit verbringt seine Nächte damit, seltene Gitarren
aus dem vergangenen Jahrhundert zu sammeln und Musik
zu machen. Tagsüber muss er schlafen, denn Adam ist
ein Vampir. Doch mit seiner Unsterblichkeit ist er alles
andere als glücklich. Er beschließt, seinem Leben ein
Ende zu setzen. Als Eve (Tilda Swinton) von der Lage
ihres Geliebten erfährt, beschließt sie das marokkanische
Tanger zu verlassen und Adam aufzusuchen. Nach der
berühmt-berüchtigten Twilight-Reihe hatte der Vampir
dringend einen Imagewechsel nötig. Während vor einem
Jahr noch in der Sonne glitzernde Frauenhelden über
die Leinwand huschten, werden hier soziale Außenseiter
präsentiert. Und obwohl der Film nur bei Nacht spielt,
kann man nicht von einem Horrorfilm sprechen. Anstatt
Menschen zu töten, besorgen sich die Vampire ihre
Nahrung aus Krankenhäusern und von korrupten Ärzten.
„Only Lovers Left Alive“ ist ein fast schon poetisches
Drama mit wenigen Dialogen und wunderschönen Bildern,
das die Unsterblichkeit behandelt. Wem das bewusst ist,
der wird mit diesem Film mehr als glücklich. (ay)
Only Lovers Left Alive - Drama,
USA, Start 25.12.2013. Regie: Jim
Jarmusch. Mit: Tilda Swinton,
Tom Hiddleston, John Hurt u.a.
(123 Minuten)
Der Liebling der Redaktion:
Ein Gagfeuerwerk
Hot Shots! - Die Mutter aller Filme
- Komödie, USA, Start: 19.12.1991.
Regie: Jim Abrahams. Mit: Charlie
Sheen, Cary Elwes, Lloyd Bridges,
Jon Cryer u.a. (82 Minuten)
Irgendwann begannen humorvolle Menschen damit,
Kassenschlager zu parodieren. Manchen gelang das gut,
anderen eher weniger. Doch ein Film schlägt viele
andere um Längen. Nicht umsonst trägt „Hot Shots!“
den selbstbewussten Untertitel: Die Mutter aller Filme.
Mit der Parode auf den Pilotenfilm „Topgun“ mit Tom
Cruise gelingt Regisseur Jim Abrahams ein wahres
Gagfeuerwerk. Kalauer im Sekundentakt sind zwar nichts
für jeden Zuschauer, Charlie Sheen ist als Kampfpilot
in jedem Fall aber bedeutend cooler als Tom Cruise.
Mit seinem Gegenspieler Cary Elwes, der schon als
komischer Robin Hood glänzte, liefert er sich Wort- und
Witzduelle vom Feinsten. Der mittlerweile verstorbene
Lloyd Bridges bleibt als greiser Kommandant unerreicht, dessen Körperteile beinahe zu 100 Prozent aus
Ersatzteilen bestehen. Und nicht zuletzt treffen schon in
„Hotshots“ die späteren Comedy-Brüder Charlie und Alan
Harper in anderen Rollen aufeinander. Jon Cryer spielt
den naiven und schielenden Piloten Fisheye. Kategorie:
Absolut sehenswert. (ci)
41
Putzen nach Plan
Ehemalige Studenten aus Esslingen und
Reutlingen haben als Softwaredienstleister
eine App entwickelt, die Wohngemeinschaften
sauber machen und halten soll.
Von Timo Dersch
42
W
elcher Student kennt das nicht? Man
kommt nach Hause und die Wohnung sieht
immer noch aus wie zum Zeitpunkt des
Verlassens. Keiner hat den Aschenbecher
geleert, das Geschirr in der Küche gespült
oder das Waschbecken geputzt, in dem sich
um den Abfluss schon ein gefährlich wachsender gelber Rand gebildet hat. In der Dusche
fließt das Wasser immer noch nicht ab, da
ein Klumpen aus Haaren und allerlei anderer
undefinierbarer Körperausscheidungen den
Abfluss verstopft. Und niemand hat den Müll
rausgebracht. Dabei ist man selbst doch der
festen Überzeugung, dass man selbst in dieser Wohngemeinschaft am meisten schuftet,
wenn es ums Putzen geht.
Was also tun? Den Mitbewohnern Dampf
machen? Aber dann ist wieder nur schlechte Stimmung in der WG. Man will ja nicht
immer nur der Miesepeter sein. Und wenn
man sich über das Putzverhalten der anderen
aufregt, ist man dann eigentlich ein Spießer?
So oder so ähnlich dürften wohl die meisten
Bewohner einer Wohngemeinschaft schon einmal gedacht haben.
Genau an dieser Problematik setzen
die jungen Entwickler vom Stuttgarter
Softwaredienstleister px minds an. Mit
ihrer App „Roomboard“, erhältlich für iPhone oder Android Mobiltelefone, sagen sie
dem Putzterror in Wohngemeinschaften den
Kampf an. „Roomboard ist eine so genannte
Kollaborationsapp“, erzählt Sebastian Harder,
Leiter der Softwareentwicklung bei px minds.
„Mit Roomboard kann eine interaktive WG
erstellt werden, in der Aufgaben eingetragen
und verwaltet werden.“ Die App weist dann
die jeweiligen Aufgaben einem Mitbewohner
zu. Dies geschieht entweder nach dem vom
Putzplan in Papierform her, altbekannten
Rotationsprinzip – putzen muss dann immer
der, der eben gerade an der Reihe ist – oder
nach einem intelligenten Prinzip des sogenannten Smart-Modes, das sie daran orien-
SLH_SM_AZ_A6_quer_10.2013:Anzeige_Freudenthal
30.10.2013
18:33 Uhr
Seite 1
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43
Täglich ab 11 Uhr geöffnet
Teil des Teams von px minds (von links): Sebastian Gauditz, Sebastian Harder, Timo Kaiser (in der Hocke),
Patric Schenke und Michael Harder.
tiert, dass für die jeweiligen Aufgaben Punkte
vergeben werden. Heißt: beim Einstellen
der Aufgaben legt der Nutzer fest, wie viele
Punkte derjenige, der die Aufgabe erledigt,
erhalten soll. Die Skala reicht von eins bis
zehn. „Im Smart-Mode erhält immer der
Mitbewohner die als nächstes anstehende
Aufgabe, der den niedrigsten Kontostand
hat. Jeder Mitbewohner kann nun, wenn
eine Aufgabe erledigt wurde, eine Bewertung
dafür abgeben.
Durchbruch mit
der App für die
Muckibude
„Eine faire Angelegenheit“, findet Timo
Kaiser, der als Programmierer zu px minds
gekommen ist. Er hat wie Sebastian Harder,
Softwaretechnik und Medieninformatik an der
Hochschule Esslingen studiert. „Wir alle teilen
die Leidenschaft für neue Technologien und
haben früh erkannt, dass in der Entwicklung
von Apps jede Menge Potenzial steckt“,
erzählt der junge IT Spezialist. Er ist seit 2007
dabei, als die beiden px-minds-Geschäfts44
führer und Gründer Achim Schwichtenberg
und Michael Harder, Absolventen der HS
Reutlingen im Studiengang Außenwirtschaft,
ihre erste Geschäftsidee namens Pixelstream
verwirklichten. Seit einer Umstrukturierung
Anfang 2013 konzentriert sich das jetzt als px
minds GmbH bekannte Unternehmen auf die
App- und Web-Entwicklung.
„Unseren Durchbruch auf dem App Markt
hatten wir mit MeinClub, einer App für
Fitnessstudios“, klinkt sich Sebastian wieder
ins Gespräch ein, nachdem er zuvor seinem
dauerklingelnden Telefon Einhalt gebieten
musste. „Ein Besitzer kam auf uns zu und
wollte eine App haben, mit der er seine
Kunden über alle Neuigkeiten in seinem
Studio informieren kann. Mittlerweile zählen
wir bei MeinClub knapp 100 angemeldete
Fitness-Studios in ganz Deutschland.“
Roomboard ist nun die neueste Schöpfung
aus dem Hause der px minds und scheint
sich bisher recht gut zu behaupten. „Die App
wurde mittlerweile mehr als 20.000-mal heruntergeladen. Die Resonanz ist außergewöhnlich positiv. Die Menschen verstehen die Idee
und das Konzept dahinter und die App wird
durchweg gut angenommen.“
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P
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Hält die App was sie verspricht?
Aurelia, Kathi und Gaston repräsentieren
die perfekte studentische Wohngemeinschaft.
In ihrer gemeinsamen Altbauwohnung
im Stuttgarter Westen kommt es schon
das ein oder andere Mal zu Ärger, da hier
unterschiedlichste
Putzverhalten
und
Sauberkeitsdefinitionen aufeinandertreffen.
Nachdem sich die WG bereit erklärte, die App
zu testen, stand ihrer sauberen Zukunft nach
einem gerechten Putzplan also nichts mehr
im Weg, oder?
Gaston berichtet: „Der erste Schritt war
erst einmal, alle Mitglieder der WG dazu
zu bewegen, die App überhaupt auf ihrem
Telefon zu installieren. Auch die Erstellung
der digitalen WG stellte sich als schwieriger
als gedacht heraus. Mehr als 30 Minuten saßen
wir beisammen und haben versucht, unseren
digitalen Haushalt zu erstellen. Einladungen
wurden hin und her geschickt, und es kam zu
Verwirrung. Die beste Lösung scheint wohl zu
sein, erst einmal eine Person einen Haushalt
erstellen zu lassen und die anderen dann
einzuladen, denn wenn jeder die App öffnet, erstellt diese schon automatisch einen
Haushalt, der dann erst wieder gelöscht
werden muss.“ Gaston kennt sich gut aus mit
digitalen Medien. Er ist leidenschaftlicher
PC-Spieler. Er lässt schnell deutlich werden, dass bei der Einrichtung der App noch
Verbesserungsbedarf besteht.
„An sich ist es ja cool, dass man Punkte
vergeben kann. Punkte sammeln motiviert
immer“, sagt Kathi. „Aber das funktioniert
eben nur, wenn man sich auch sonst ganz
gut in der WG versteht“, wendet Aurelia ein.
„Richtig“, pflichtet ihr Gaston bei. „Ohne
einen hohen Kommunikationsanteil innerhalb
der WG ist Krieg programmiert. Ich hatte
regelmäßig Angst, dass sich die Mädels gegen
mich verschwören, meine Arbeit nicht positiv
bewerten und so meine Punkte blockieren.“
Gastons Sorge stößt auf allgemeines
Gelächter. Doch der Grundtenor ist klar.
Komme man ohnehin nicht so gut miteinander aus, könne die App seiner Ansicht nach
das Ganze noch verschlimmern. „Wenn die
Aufgabenverteilung auf Smart gestellt ist,
sorgt das unter Umständen dafür, dass immer
dieselbe Person putzen muss.“ Besser
wäre es wohl, das Bewertungssystem
optional und die App zur reinen
Buchführung zu verwenden.
Das Design finden alle
drei Tester ganz
gut. „Nur die
Werbung
mitten in
den Listen
zu platzieren finde ich
frech, da kann
es zu Fehlklicks
kommen“, kritisiert Gaston. „Da
die App aber noch
im Beta-Stadium ist,
können wir ja noch auf
Verbesserungen hoffen.“ (td)
Aus dem Land
in die Welt
Mit einem Stipendium der Baden-WürttembergStiftung können Studenten ins Ausland reisen.
Ein Überblick über Programme und Bedingungen.
Von Markus Brinkmann
46
Württemberg-STIPENDIUM bewegt,
wirkt und stiftet an.
Fachrichtung: fachübergreifend | Zielgruppe: Studierende, Sonstige |
Stichtag: Programmlinie für Studierende bis 31.03. | Regelförderzeit: 6 Monate |
der deutschsprachigen Andrássy-Universität
Förderbetrag / Monat: 400 bis 1.200 Euro | Voraussetzung: Studium an einer
in Budapest. Die Studienaufenthalte an der
baden-württembergischen Hochschule
oder einerHochschule
Partnerhochschule
im Ausland
privaten
werden
für |bis zu zehn
li Jashar Babaei hat es getan. Der
Zahl der Stipendiaten: 1.000 pro Jahr
Monate
lang
unterstützt.
Student des Bauingenieurwesens an der Uni
Stuttgart verbrachte ein Jahr in Japan. „Die
Arbeitsverhältnisse dort unterscheiden sich
Kontakt:
Baden-Württemberg
Stiftung gGmbH
sehr stark von denen bei
uns“,
sagt er. „Das
Tel. (0711) 24 84 76-0
merkte ich sehr schnellFax
daran,
0711/24dass
84 76 es
- 50in meinem ForschungsinstitutE-Mail:
keine
Seltenheit war,
info@bw-stipendium.de
bis 23 Uhr zu arbeiten.“www.bw-stipendium.de
Ohne die Baden-Württemberg-Stiftung
wäre das Abenteuer Japan für Ali nicht möglich gewesen. Sie hat es sich zur Aufgabe
5.) Die Programmlinie „Filmproduktion“
gemacht, den internationalen Austausch von
Dieses Stipendium richtet sich speziell an
jungen Menschen zu fördern. Seit 2001 hat die
Studenten der Filmakademie in Ludwigsburg.
Stiftung mehr als 15.000 Stipendien vergeben.
Im „Hollywood-Workshop“ erhalten talentierte Studenten drei Wochen Unterricht an der
UCLA School of Theater, Film and Television
in Los Angeles. Anschließend kommen sie
1.) Das Stipendium für Studenten
dem internationalen Filmgeschäft in vierDer Klassiker: Es unterstützt Studenten, die
bis sechswöchigen Praktika bei Film- und
ein oder zwei Auslandssemester einlegen.
Fernsehunternehmen nah. Einen kompletten Filmdreh können Studenten im drit2.) Das Baden-Württemberg-Stipendium plus
ten Studienjahr miterleben, die einen der
Das 2011 gestartete Sonderprogramm soll
Plätze im Programm „fiction 35“ ergattern.
mit konkreten Projekten dazu beitragen,
Gemeinsam mit Studenten der französischen
nachhaltige Kooperationen zwischen in- und
Filmhochschule la fémis produzieren sie in
ausländischen Hochschulen aufzubauen.
Paris einen professionellen zehnminütigen
Über einen Förderzeitraum von maximal drei
Kurzfilm im 35-Millimeter-Format – drei
Jahren stellt die Baden-Württemberg-Stiftung
Monate lang, vom Drehbuch bis zum Schnitt.
dafür jährlich insgesamt 800.000 Euro zur
A
Programme:
Verfügung.
3.) Das Waller-Hallstein-Programm
Hier steht kein einzelnes Land, sondern die
EU im Mittelpunkt. Das Programm ermöglicht
Studenten ein Auslandssemester, die einen
europabezogenen Aufbaustudiengang belegen
und mit sehr guten Leistungen glänzen – vorzugsweise in einem südost- oder osteuropäischen Land. Teilnehmer des Studiengangs
„Europäisches
Verwaltungsmanagement,
Master of Arts“ an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg
werden besonders gefördert.
4.) Die Programmlinie „Andrássy-Universität
Budapest“
Das ebenfalls auf Europa ausgerichtete Programm ermöglicht mit Hilfe vieler Kooperationspartner, Studenten einen
Aufbaustudiengang oder eine Promotion an
Bewerbung:
Bewerben können sich junge Menschen
mit guten Leistungen im Studium, die
einen Auslandsaufenthalt anstreben. Eine
Direktbewerbung bei der Baden-WürttembergStiftung ist aber nicht möglich. Studenten
wenden sich an das Akademische Auslandsamt
ihrer Hochschule.
Rahmenbedingungen:
Die Höhe des Baden-Württemberg-Stipendiums
liegt je nach Programmlinie zwischen 400 und
1200 Euro im Monat. Weitere Informationen
zu den Leistungen gibt es im Internet unter
www.bw-stipendium.de.
47
48
In der Hauptrolle:
Körperspender
Bewegte Bilder von Operationen an Leichen
erfreuen sich unter angehenden Medizinern in
Tübingen hoher Beliebtheit. Was sich makaber
anhört, ist streng studienorientiert – und seit
diesem Sommer auch preisgekrönt.
Von Katrin Bohnenberger
D
onnerstag, 18 Uhr: Zeit für eine
Lebertransplantation im Live-Stream –
zumindest für zahlreiche Medizinstudenten
Deutschlands. Während für andere das
Abendprogramm im Fernsehen beginnt,
gehört es vor allem für künftige Ärzte aus
Tübingen zum Stundenplan, Chirurgen online
bei Operationen an Leichen zu verfolgen.
Der Präparationssaal wird zum OP, ein Team
aus Chirurgen und Assistenten arbeitet an
einem großzügig abgedeckten, toten Körper.
Bis zu acht Kameras zeichnen die Operation bis
ins Detail auf. Ein Anatomieprofessor moderiert den Eingriff im Hörsaal und beschreibt
die Großaufnahmen des Körpers. Auch zu
Hause vor dem Computer sehen Studenten die
Live-Übertragung. Sectio Chirurgica heißt die
wöchentliche Veranstaltung des Anatomischen
Instituts der Universität Tübingen, bei der
Medizinstudenten typische Operationen
an Körperspendern miterleben können.
Vor wenigen Wochen lief die neue Staffel
an: Die Entfernung eines Hirntumors, eine
Marknagelung und die Herzchirurgie stehen
in diesem Semester mit auf dem Programm.
„In der Medizin ist die Anatomie ein sehr
zentrales Fach. Die Studenten müssen unheimlich viel Faktenwissen pauken. Ich wollte den
Leuten etwas an die Hand geben, um zu
zeigen, warum sie das alles lernen müssen“,
sagt Bernhard Hirt, Oberarzt für Hals-NasenOhren-Heilkunde an der Universitätsklinik
49
Tübingen und Initiator von Sectio Chirurgica.
In den klassischen Präparationskursen
stehe vor allem das aktive Präparieren und
Faktenlernen im Vordergrund. Seit 2008 diene
die Online-Serie dazu, Studenten ergänzend
die Verbindung zwischen Anatomie und angewandter Chirurgie näherzubringen. Sie können live verfolgen, wie ärztliche Direktoren
aus Fachbereichen der Tübinger Uniklinik
typische Operationen an Körperspendern
Die Sectio wird mittlerweile zelebriert. Gruppen
treffen sich, wie zum
wöchentlichen ,Tatort‘.“
durchführen. Auch ein Live-Chat gehört zum
Programm, über den die Zuschauer Fragen
stellen und Eingriffe diskutieren können. „Ein
Anatom und ein Chirurg unterstützen den
Chat. Wenn es um etwas sehr Wichtiges geht,
greifen wir die Frage aus dem Chat auch in
der Live-Veranstaltung auf“, sagt Hirt.
Welche Operationen zum Programm
gehörten, hänge vom Lehrplan der Tübinger
Medizinstudenten ab. Trotzdem habe sich
die Sectio Chirurgica zu einer gefragten Veranstaltung unter Medizinstudenten
in ganz Deutschland entwickelt: 16.000
Studenten sind für den Online-Kurs registriert, das entspricht etwa einem Viertel aller
Medizinstudenten der Bundesrepublik. „Die
Sectio wird mittlerweile zelebriert. Gruppen
treffen sich im Hörsaal oder zu Hause, wie zum
wöchentlichen ,Tatort‘“, sagt Jens Strohäker,
Student und Anatomietutor in Tübingen.
Auch für Medizintechniker, Pflegepersonal,
Rettungssanitäter oder Studenten fachnaher
Disziplinen ist die Teilnahme und Registrierung
möglich – und alles ist kostenlos. Das gesamte Programm wird durch Drittmittel finanziert und von freiwilligen Ärzten, Lehrenden
und Studenten unterstützt. Dass Schaulustige
Zugriff auf die Übertragung haben, schließt
die Universität bei der Anmeldung aus. „Wir
50
nehmen eine individualisierte Registrierung
vor. Die Leute müssen definieren, von welcher Universität oder Institution sie kommen, müssen ihr Studienfach angeben und
müssen bestätigen, dass sie ihr persönliches
Passwort nicht weitergeben“, erklärt Hirt.
Ob die Aufzeichnung und Darstellung von
Operationen an Körperspendern ethisch
vertretbar sei, sei vor Beginn von Sectio
Chirurgica streng geprüft worden. „Wir müssen und wollen mit diesem Bereich sehr
sensibel umgehen“, sagt Hirt. Deshalb wurde
das Verfügungssystem für Körperspender
in Tübingen verändert. Auf dem speziellen
Verfügungsschreiben muss der Körperspender
zu Lebzeiten unterzeichnen, den eigenen
Körper für anatomische Zwecke freizugeben.
„Es ist explizit aufgeführt, dass man in Bild
oder Bewegtbild Medizinstudenten, Ärzten
oder Mitgliedern medizinnaher Berufe auch
mit Übertragungsmöglichkeiten zur Verfügung
gestellt wird. Die Körperspender müssen
das eindeutig bejahen oder verneinen.“
Aussegnungsfeier für
die Körperspender
Auch nach den Übungen und Operationen
an den Körperspendern sei ein sensibler
Umgang selbstverständlich. Jährlich wird von
den Medizinstudenten eine Aussegnungsfeier
in der Stiftskirche in Tübingen organisiert, die Urnenbestattung findet auf dem
Bergfriedhof statt. „Das ist immer eine sehr
eindrucksvolle Veranstaltung, zu der alle
Angehörigen der Körperspender eingeladen
werden. Die Medizinstudenten bilden dafür
auch Orchester oder Chöre“, sagt Hirt. Die
während der Präparationszeit vorgenommene Pseudonymisierung der Körperspender
wird hier aufgehoben, ihre Namen werden
erstmals verlesen. Für die Medizinstudenten
werden die sogenannten Humanpräparate
zu Menschen. Meistens handle es sich bei
den Körperspendern um Personen, die in
ihrem Leben selbst vom medizinischen
Fortschritt profitiert hätten. „Die Operation
an Körperspendern ist sinnvoll, da wir
diese didaktisch aufbereiten können und an
bestimmten Stellen des Eingriffs auch länger
verweilen, wenn es zur Erläuterung not-
Christl Reisenauer, Leitende Oberärztin der Urogynäkologie an der Tübinger Universitäts-Frauenklinik,
nimmt eine Hysterektomie vor. Neben ihr moderiert der Sectio-Begründer Bernhard Hirt.
wendig ist“, erklärt Hirt. Die Übertragung
von Operationen an lebenden Menschen sei
deshalb nicht vorgesehen. „Was zählt, ist,
dass wir im realen Fall sicher und möglichst schnell operieren, da verbietet sich
die Sectio Chirurgica“, sagt er. Es werde
jedoch diskutiert, in der neuen Staffel eine
Live-Schaltung in den Zentral-OP zu schaffen
und die entsprechende Operation parallel am
Körperspender durchzuführen.
Das aktuelle Programm habe sich insgesamt weiterentwickelt. Im Juni gewann das
Projekt die „MOOC Production Fellowship“,
ein Preisgeld des Stiftsverbands für die
Deutsche Wissenschaft zur Förderung von
„massive open online courses“, frei im
Internet zugänglichen Lehrveranstaltungen.
Das Preisgeld von 25.000 Euro schlägt sich
in den neuen Aufzeichnungen nieder. „Wir
bieten zusätzlich Filmsequenzen an, in denen
anatomische Grundlagen vermittelt werden. Diese bereiten auf die Operationen der
Sectio Chirurgica vor“, sagt Hirt. Weil dabei
nicht mit Körperspendern gearbeitet werde,
seien diese Kurse auch für alle anderen
Interessierten zugänglich, die noch etwas
dazulernen möchten.
Käpsele-Illustratorin
Verena Tribensky
(22) zeichnet gern.
Sie hat seit 2010
ihr eigenes Label
(zu finden auf milcositas.dawanda.
de), unter dem sie
vor allem Schmuck
und Drucke ihrer
Illustrationen verkauft.
51
Advertorial
Das Sensadrom ist der neue Tempel für Kartbegeisterte in der Region.
Wie einst Vettel
Auch Sebastian Vettel hat mal klein angefangen. Im Oktober ist er zum vierten Mal in
Folge Formel-1-Weltmeister geworden. Wer
ihm nacheifern will, kann einem der UniRennteams der Region beitreten. Oder er
setzt sich an die Videospielkonsole und versucht dort sein Glück.
Das Adrenalin im Blut können motorsportbegeisterte
Studenten
jetzt nach der Uni auch
auf einer echten Piste
in der Region spüren.
Vollgas geben auf einer
neuen Kartbahn - das
Sensadrom macht‘s möglich.
Mit den 22 hochmodernen, umweltfreundlichen Elektroflitzer erreicht man
auf dem Flugfeld Böblingen mehr als 50
Stundenkilometer. Der Vorteil liegt auf der
Hand. Ohne Benzin und Abgase schont man
52
die Umwelt und hat auch noch jede Menge
Spaß dabei. Gefahren wird in einer rund
2400 Quadratmeter großen Halle auf drei
Ebenen und einer Streckenlänge von insgesamt 300
Metern. Auf der neuen Tribüne
können Zuschauer Platz
nehmen und die Fahrer
anfeuern. Tagsüber ist das
Sensadrom ausschließlich
für
Sensapolis-Gäste
reserviert.
Abends
wird die Rennstrecke
dann für alle KartBegeisterten freigegeben. Los geht es
jeden Tag um 18.30 Uhr. Am Wochenende hat
die Bahn sogar bis 23 Uhr geöffnet.
Weitere Infos unter www.sensadrom.de
53
Eine Kletterwand
für Nepal
Praxisbezogen sind sie von Natur aus, die
Studenten der Dualen Hochschule Stuttgart.
Dass sie auch reisefreudig sind, beweisen
Drittsemester der Sozialen Arbeit. Ein Buch
dokumentiert ihre Aktivitäten rund um den Globus.
Von Ben Schieler
54
V
ulkanerkundungen und Hygienekurse
in Guatemala, holprige Rikschafahrten und
strahlende Kinderaugen in Bangladesch oder
der spontane Aufbau einer Hühnerfarm in
Uganda – während eines Praktikums im dritten
Semester zieht es viele Studenten der Sozialen
Arbeit aus der Stuttgarter Dependance der
Dualen Hochschule Baden-Württemberg ins
Ausland. Ziel: die Welt zu sehen und von ihr zu
lernen. Die vierte Auflage des Buches „Soziale
Arbeit grenzenlos“ zeigt die Erfahrungen der
interkulturellen Globetrotter, die 16 Länder auf
fünf Kontinenten bereist haben – und dabei so
einiges über das Leben und Überleben in der
Fremde erfuhren.
Es gibt sie wirklich, die lebendigen
Beispiele für eine sinnvolle Verwendung
der früheren Studiengebühren und heutigen
Qualitätssicherungsmittel. Die Stelle von
Doris Kupferschmidt ist eines davon. Vor
fünf Jahren begann die Diplom-Kulturwirtin
an der DHBW Stuttgart als Leiterin des auf
Vorschlag der Studierendenvertretung ins
Leben gerufene Zentrum für interkulturelle
Kompetenz und Sprachen, kurz ZIK, der Fakultät
Sozialwesen. Das ist eine Anlaufstelle nicht
nur für Workshops, Seminare oder den allseits
beliebten Sprachunterricht, sondern auch für
die Organisation von Auslandsaufenthalten.
Kupferschmidt sieht sich als Lotsin – und weiß
aus eigener Erfahrung, wie prägend der Blick
über den bundesdeutschen Tellerrand sein
kann. „Wer immer nur das Gleiche sucht,
verpasst so viel Bereicherndes“, sagt sie.
Kupferschmidts Auslandserfahrungen begannen nach dem Abitur während eines einjährigen
Aufenthalts in den Vereinigten Staaten von
Amerika. Später im Studium, nach Stationen in
Mexiko und Spanien, kehrte sie dorthin zurück,
schrieb ihre Diplomarbeit über die zurückgezogen lebende Glaubensgruppe der Amish People.
Mit ihrem Mann, einem Halbengländer, lebte sie
55
zudem in Indien. „Afrika würde mich auch noch
Ex-Studierende vor zwei Jahren auf einer
reizen“, sagt die ZIK-Leiterin, die es gerade in
Weltreise ein Kita-Projekt ins Leben riefen.
einer stark globalisierten Welt wichtig findet,
Dorthin verschlug es in diesem Jahr Miriam Geib
offen zu sein für Menschen aus fremden Welten.
und Jasmin Böker, die mit dicken Schlafsäcken in
Erst recht als Student der Sozialen Arbeit, der
das ehemalige Königreich am Himalaya aufbraim späteren Berufsleben nicht
chen, um der Schule eine
selten mit Migranten zu tun
Boulderwand zum Klettern
hat, die sich verloren fühlen
zu bescheren. In Katmandu
in der für sie zuweilen so
erwartete die erlebfremden deutschen Welt.
nispädagogisch begeisKupferschmidt bestärkt die Genial, kalt, staubig, sonterten
Studentinnen
von Natur aus ohnehin sehr nig, lustig, lecker, abender Schulleiter mit der
praxisorientierten dualen
Nachricht, die zweiwöchiHochschüler darin, die teuerlich, kalt, spannend,
gen Ferien extra für sie
Chance und Herausforderung spontan und perfekt“
verschoben zu haben, um
eines
dreimonatigen
ihnen die Möglichkeit zu
Auslandsaufenthalts wahrzugeben, direkt anzufangen.
nehmen, „sich darauf einzulassen“, wie sie
Hinter dem Mann standen mehr als 100 Kinder
sagt. Viele muss sie dazu nicht lange überreden,
mit Begrüßungsblumen in der Hand. „Nepal ist
die Reiselust der Studenten ist groß und die
das Land der Spontanität“, schlussfolgert das
Projektpartner breit verstreut – Partner wie
Duo in seinem Bericht.
die inzwischen vom DHBW-Absolventen Jonas
Der Bau der Kletterwand, erschwert durch
Puhm geleitete Kinderhilfsorganisation Uhuru
Materialprobleme, doch just gelöst durch
in Kenia, die ihren Sitz in Kusterdingen bei
den nepalesischen Einfallsreichtum, war
Tübingen hat. Oder die ASHA Primary School
während des Praktikums allerdings nicht die
für ärmste Kinder in Nepal, in der zwei
Hauptaufgabe von Miriam Geib und Jasmin
Wohl fühlen in Nepal: Miriam Geib und Jasmin Boeker (rechts).
56
Jasmin Gruppe kümmerte sich in Bolivien um Drei- und Vierjährige.
Böker. In der Lower Kindergarden Class für
bereits eingeschulte Vier- und Fünfjährige
sollten sie den Schulraum umstrukturieren
und spielerische Abwechslung in den ansonsten
eintönigen Frontalunterricht bringen. Die
Erfahrungen schweißten die jungen Frauen
zusammen. Vor ihrer Reise kannten sie sich
nicht, mittlerweile sind sie gute Freundinnen.
Ihr Urteil zu ihrer Zeit in Nepal: „Genial, kalt,
staubig, sonnig, lustig, kulturbeladen, lecker,
abenteuerlich, kalt, spannend, spontan und
perfekt“ sei es gewesen.
Wandeln am
Titicacasee
Ihre Kommilitonin Jasmin Gruppe tauchte
derweil praktisch am anderen Ende der Welt
in eine andere Kultur ein. In dem von einem
deutschen Missionarspaar gegründeten Centro
Infantil „Mi familia“ kümmerte sie sich um eine
Gruppe von Drei- und Vierjährigen und damit um
deutlich jüngere Kinder als in ihrer deutschen
Stammeinrichtung. Doch nicht nur dieser Bruch
mit der Gewohnheit machte der 23-Jährigen in
den ersten Tagen zu schaffen, auch anfängliche
Sprachbarrieren, die Konfrontation mit Armut
und die Unterschiede in der Pädagogik taten
es. „In Deutschland wird sehr viel Wert auf
die individuelle Förderung gelegt. Dort ging es
eher darum, dass alle Kinder ihr Mittagessen
aufessen und ihren Mittagsschlaf machen“,
sagt sie.
Die Erfahrungen, die sie im Centro Infantil
und auf ihren selbst organisierten Reisen unter
anderem an den Titicacasee, die Minenstadt
Potosi und den Urwald in Boliviens Norden
möchte Jasmin Gruppe dennoch nicht missen.
Zumal: die fachlichen Eindrücke des Abenteuers
seien in jedem Fall ein Gewinn gewesen. „Ich
kann jetzt noch besser nachvollziehen, wie
es ist, sich als Kind aus Sri Lanka oder mit
einem arabischen Hintergrund in Deutschland
zurechtfinden zu müssen.“ Die Art von neuem
interkulturellem Verständnis ist ganz im Sinne
des Erfinders.
57
Termine
Stuttgart
Party
Konzerte
Kultur
Poetry Slam
Sonntag, 17.11.
20 Uhr
Keller Klub
I Am in Love
Samstag, 16.11.
21 Uhr
Keller Klub
Magic Vampires
Freitag, 15.11.
20 Uhr
Friedrichsbau
Welcome to the weekend
Freitag, 22.11.
19 Uhr
Rumors Club
Prinz Pi
Samstag, 21.11.
20 Uhr
LKA
Love Bites
Samstag, 16.11.
20 Uhr
Merlin
Soiree Francaise
Freitag, 22.11.
20 Uhr
The Paris
Red Hot Chilli Pipers
Sonntag, 22.11.
21 Uhr
Wagenhallen
Dr. Moppelmops
Mittwoch, 20.11.
20 Uhr
Theaterschiff
Rosenberg oder Tal
Mittwoch, 27.11.
20 Uhr
Perkins Park
Die Kassierer
Freitag, 22.11.
21 Uhr
Wagenhallen
Philosophy Slam
Donnerstag, 21.11.
19 Uhr
Club Zollamt
Lautstark Party
Freitag, 29.11.
22 Uhr
Keller Klub
J.Cole
Dienstag, 26.11.
20 Uhr
LKA
Der Besuch der alten Dame
Freitag, 22.11.
19.30 Uhr
Schauspielhaus
15 Jahre Stereo
Samstag, 30.11.
23 Uhr
Stereo
Motörhead
Freitag, 29.11.
19 Uhr
Schleyerhalle
Der zerbrochene Krug
Samstag, 30.11.
19.30 Uhr
Schauspielhaus
Jamafro beat
Freitag, 13.12.
23 Uhr
Toy
Touché Amoré
Freitag, 29.11.
20 Uhr
CJugendhaus West
Hilfe, die Herdmanns Kommen
Dienstag, 03.12.
11 Uhr
Theater der Altstadt
I Love Reggaeton
Samstag, 21.12.
22 Uhr
T-O12
The Bianca Story
Samstag, 30.11.
20 Uhr
Merlin
Weltweihnachtscircus
Freitag, 06.12.
20 Uhr
Cannstatter Wasen
Depeche Mode Party
Samstag, 21.12.
22 Uhr
LKA
Sarah Connor
Mittwoch, 04.12.
20 Uhr
Liederhalle
Matthias Richling
Samstag, 07.12.
20 Uhr
Liederhalle
Heiligabend
Dienstag, 24.12.
18 Uhr
Unter‘m Weihnachtsbaum
Widmann
Freitag, 06.12.
20 Uhr
Sideways
Silvester
Dienstag, 31.12.
23.59 Uhr
PARTEYYYY!!!!
58
Termine
Party
Konzerte
Kultur
Freitags - Keller
Freitag, 27.12.
20 Uhr
K29
Satyricon
Donnerstag, 12.12.
20 Uhr
Club Zentral
Mother Africa
Donnerstag, 02.01.
20 Uhr
Theaterhaus
Cohiba Club
Sonntag, 29.12.
17 Uhr
Calwer Eck
Die Happy
Freitag, 27.12.
20 Uhr
LKA
Das Phantom der Oper
Mittwoch, 08.01.
20 Uhr
Liederhalle
Silvester Platin Party
Dienstag, 31.12.
21 Uhr
Ratskeller
Voice of Germany Live
Dienstag, 07.01.
20 Uhr
Schleyerhalle
Ballet Revolución
Dienstag, 14.01.
20 Uhr
Liederhalle
Silvester Madness
Dienstag, 31.12.
22 Uhr
Club Zollamt
IVY QUAINOO
Mittwoch, 15.01.
20 Uhr
LKA
Wladimir Kaminer
Dienstag, 14.01.
20 Uhr
Theaterhaus
Hey du!
Ja, genau du! Du hast viel zu viel Freizeit und weißt nicht wohin damit?
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59
Termine
Tübingen
Party
Konzerte
Kultur
Die Party
Freitag, 15.11.
21 Uhr Schlossbergstraße
The Mood
Samstag, 16. 11.
21.30 Uhr
Epplehaus
Sebastian Krämer
Samstag, 16.11.
20 Uhr
Löwen
Radau & Rabatz Klub
Samstag, 23.11.
23 Uhr
Fuchsbau
Motette
Samstag, 23.11.
20 Uhr
Stiftskirche
Mondsgeschichte
Sonntag, 17.11.
16 Uhr
Club Voltaire
Swing Circus
Samstag, 23.11.
22 Uhr
Bierkeller
Samy Deluxe
Sonntag, 24.11.
19.30 Uhr
Sudhaus
Der Bürger als Edelmann
Samstag, 23.11.
20 Uhr
Zimmertheater
Havin A Rave
Freitag, 29.11.
20 Uhr
Bierkeller
Ohrenkino
Montag, 25.11.
20.30 Uhr
Café Haag
Lenas Fenster
Sonntag, 24.11.
15 Uhr
Zimmertheater
Bassculture
Samstag, 30.11.
22 Uhr Epplehaus
Regio.Music.Spot
Freitag, 29.11.
20 Uhr
Sudhaus
Mein Opa: Alter John
Montag, 25.11.
10.30 Uhr
LTT
68er Party
Samstag, 30.11.
21 Uhr
Bierkeller
TEX - Der Prophet
Samstag, 30.11.
20 Uhr
Sudhaus
Zwei Mikros, ein Sampler, ein
Saxophon
Dienstag, 26.11.
20 Uhr
LTT
Dine, Drink & DJ
Freitag, 06.12.
20 Uhr
Ludwigs
Hardcore winterfest
Samstag, 07.12.
17 Uhr
Epplehaus
Gespenster
Freitag, 29.11.
20 Uhr
Zimmertheater
Soundaground
Freitag, 13.12.
22 Uhr
Epplehaus
Götz WIdmann
Freitag, 13.12.
20 Uhr
Sudhaus
Der Parasit
Samstag, 07.12.
20 Uhr
LTT
Party Hard
Samsag, 14.12.
21 Uhr
Afrika
Ohrenkino
Samstag, 14.12.
20.30 Uhr
Café Haag
Homo Faber
Samstag, 14.12.
20 Uhr
Zimmertheater
Dark Visions
Freitag, 20.12.
22 Uhr
Club 27
World Night Venture
Freitag, 20.12.
20 Uhr
Sudhaus
Winterreise
Samstag, 21.12.
20 Uhr
Zimmertheater
60
Termine
Party
Konzerte
Kultur
Metal Party
Samstag, 21.12.
20 Uhr
Bierkeller
Grachmusikoff
Freitag, 27. 12.
20 Uhr
Sudhaus
Lenz
Samstag, 28.12.
20 Uhr
Zimmertheater
Silvesterkonzert
Dienstag, 31.12.
20 Uhr
Kornhaus
Lingua Loca
Dienstag, 31.12.
00.15 Uhr
LTT
Comedy Stube
Sonntag, 05.01.
19 Uhr
Sudhaus
Tempel Bigband
Freitag, 03.01.
20 Uhr
Sudhaus
Adeste Fideles
Sonntag, 05.01.
17 Uhr
Stephanuskirche
Comedy Stube
Montag, 06.01.
19 Uhr
Sudhaus
Chor der Mönche
Sonntag, 12.01.
19 Uhr
Sudhaus
Rigna Folk
Samstag, 09.01.
20 Uhr
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Termine
Ludwigsburg
Party
Konzerte
Kultur
Students Single Party
Freitag, 15.11.
21 Uhr
Pussycatclub
Amon Amarth
Freitag 19.11.
19.30 Uhr
Arena
Max Mutzke
Sonntag 17.11.
20 Uhr
Waldorfschule
Rofas Birthday Night
Samstag,30.11.
21 Uhr
Rockfabrik
Skid Row
Donnerstag, 21.11.
20 Uhr
Rockfabrik
Füenf Treff
Samstag 07.12
20 Uhr
Waldorfschule
Soul2Soul
Samstag, 07.12.
23 Uhr
Pussycatclub
Acousticfever
Donnerstag 28.11.
20 Uhr
Rockfabrik
Das Phantom der Oper
Sonntag 29.12.
19 Uhr
Forum am Schlosspark
Poprock Night
Montag, 30.12.
21 Uhr
Rockfabrik
KOLLEGAH & FARID BANG
Montag 02.12.
20 Uhr
Arena
Willy Astor
Montag, 06.01.
19 Uhr
Forum am Schlosspark
Party
Konzerte
Kultur
Gut aufgelegt
Samstag 16.11.
22 Uhr
One
ESxSW
Freitag 22.11.
20 Uhr
Komma
Esslinger Poetry Slam
Samstag, 16.11.
11 Uhr
Schauspielhaus
Set it off
Freitag 29.11.
22 Uhr
One
Irish Christmas Festival
Samstag 30.11.
20 Uhr
Dieselstraße
Krimiwerke
Sonntag 24.11.
20 Uhr
Dieselstraße
Diesel-Disco
Freitag 08.11.
21 Uhr
Dieselstraße
No Sports
Samstag 30.11.
21 Uhr
S*Cobar
Die Physiker
Sonntag 24.11.
18 Uhr
WLB
Diesel-Disco
Freitag 20.12.
21 Uhr
Dieselstraße
Internationale Weihnacht
Mittwoch 18.12.
19.30 Uhr
Neckar Forum
Die Jungfrau von Orleans
Freitag 13.12.
19.30 Uhr
WLB
Esslingen
62
Das nächste Käpsele
erscheint am 15. Januar.
Die Themen:
- Ausgebeutete Akademiker: Ein
kleiner Gehaltscheck
- Der Traum des Videospielers:
Auf in die Formel 1
- Studieren in England: Ein
furchtloser Selbstversuch
Impressum:
Käpsele – Das
Studentenmagazin
Käpsele GbR
Theodor-Heuss-Straße 109
71067 Sindelfingen
redaktion@kaepselemagazin.de
Herausgeber (V.i.S.d.P.):
Markus Brinkmann (msb) und
Christian Ignatzi (ci)
Anzeigen:
Christian Ignatzi
anzeigen@kaepselemagazin.de
Redaktionsleitung:
Ben Schieler (ben)
Autoren:
Ilkay Aydemir (ay)
Mia Bergmann (mia)
Katrin Bohnenberger (kbo)
Timo Dersch (td)
Gastautoren:
Marco Lang
Illustratorin:
Verena Tribensky
Fotografen:
Ben Schieler (S. 03 und 32)
Marco Lang (S. 17 und 18)
Christian Ignatzi (S. 6, 8, 9
und 10)
Besondere Foto- und
Lizenzhinweise:
Cover: Foto CC PM Cheung
(http://www.flickr.com/photos/pm_cheung)
S. 12: © Stuttgarter Kickers
S. 20: © Dominik Rößler/
Random House
S. 24: Foto © Martin Becker,
Cover © Berlin Verlag
S. 25: Foto CC David Shankbone
(http://blog.shankbone.org/
about), Cover © btb Verlag
S. 26: Foto CC nolifebeforecoffee (http://www.flickr.com/
photos/nolifebeforecoffee)
S. 27: Foto CC mw238
(http://www.flickr.com/photos/11415654@N05)
S. 28: Illustration © Verena
Tribensky
S. 29: Foto CC Frerk Meyer
(http://www.flickr.com/photos/greenoid)
S. 30: Foto CC Mike Herbst
(http://www.flickr.com/photos/cyzen)
S. 31: Foto CC Dennis Skley
(http://www.flickr.com/photos/dskley)
S. 34: Foto Tilo Schmidt,
© Marc Bensch
S. 36/37: Screenshot und Foto
© Tobias Haase
S. 38: Foto © Barbara Ott
S. 39: Foto © Cosima Degler
S. 40/41: Plakate © Verleiher
S. 42: Foto CC Kunstee
(http://www.flickr.com/photos/kunstee)
S. 44/45: Fotos © px minds
S. 46/47: Foto und Logo
© Baden-Württemberg-Stiftung
S. 48 und 51 unten: Illustration/
Foto © Verena Tribensky
S. 51 oben: Foto © Sectio
Chirugica/Uni Tübingen
S. 52: Foto oben © Sensadrom,
Foto unten CC Supermac1961
(http://www.flickr.com/photos/supermac)
S. 54/55: Foto CC Simon le
nippon (http://www.flickr.com/
photos/simonippon)
S. 56: Foto © Miriam Geib/
Jasmin Boeker
S. 57: Foto © Jasmin Gruppe
Ein Dank für das Erfinden,
Entwerfen und Designen des
Käpsele (der Vogel) geht an seinen Schöpfer Timo Rehm.
Vertrieb:
Flyertyre
Gymnasiumstr. 43
70174 Stuttgart
www.flyertyre.de
Auflage/Erscheinungsweise:
30.000 Stück/zweimonatlich
Das Käpsele ist auf
Recyclingpapier gedruckt
dieses Exemplar wurde bei www.dierotationsdrucker.de gedruckt
dierotationsdrucker
63
www.bigfm.de
www.facebook.com/RadiobigFM
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