Bällebad in der Dschungeloase

Transcription

Bällebad in der Dschungeloase
Das Magazin der Diakonie Himmelsthür
Bällebad in der
Dschungeloase
(Seite 12)
Trennungen in den
Köpfen überwinden
Farbenfrohe
Visionen der Teilhabe
(Seite 8)
(Seite 9)
Februar 2012
Nr. 16
Wie lange arbeiten?
Grußwort .................................................................... 3
Grußwort
Miteinander
leben, lernen, arbeiten
Liebe Leserin,
lieber Leser,
Kreative Ideen für Wärme und Strom ......................... 4
Die Diakonie Himmelsthür macht
Häuser ökologisch fit für die Zukunft
Bällebad in der Dschungeloase ................................12
Das ehemalige Bewegungsbad in Sorsum ist
jetzt Entspannungsbereich unter Palmenblättern
Weniger Gewalt – aber mehr Bilder davon ...............13
Kriminologe Christian Pfeiffer wartet
beim Freundesmahl in Sorsum mit
überraschenden Erkenntnissen auf
Spätabbrüche in diakonischen Krankenhäusern ....... 6
Der Fachverband diakonische Behindertenhilfe
und der Vorstand der Diakonie Himmelsthür
äußern sich
Café Piccolo serviert süße Spezialitäten ...................14
Ehrenamtliches Engagement ermöglicht
neues Angebot in Wietze
Angedacht .................................................................. 7
Die Sache mit der Mitte und dem Rand
Mit dem Jahr 2012 ist die Übergangszeit zur Rente mit 67 in Kraft getreten.
Alle jetzt noch aktiven Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen
schrittweise länger arbeiten, um in
Konkret vor Ort
Trennungen in den Köpfen überwinden ..................... 8
Sozialministerin Aygül Özkan
zu Besuch in Sorsum: Großes Lob
für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Farbenfrohe Visionen der Teilhabe ............................. 9
Landesbischof Ralf Meister eröffnete Kunstaktion
der „Wilderers“ im fairKaufhaus Hannover
Auf dem richtigen Weg ..............................................10
Mit Unterstützter Kommunikation
barrierefrei(er) kommunizieren
vor einigen Wochen meldete sich
ein früherer Jugendfreund bei mir. Wir
hatten uns lange nicht gesehen und
gesprochen. „Stell dir vor“, sagte er,
„ich habe gerade meinen Job verloren,
obwohl ich mir nichts habe zuschulden
kommen lassen.“ Das war natürlich
bitter. Aber Dank einer auskömmlichen
Abfindung muss er sich finanziell wenig Sorgen machen. Nun steht er vor
der Frage, ob er mit Mitte 50 noch
einmal eine neue Anstellung suchen
oder lieber einen weit vorgezogenen
Ruhestand genießen will. „Beneidenswert“, mögen manche denken, „vor
einer solchen Alternative würde ich
auch gerne stehen. Ich kann es mir
nicht leisten, früher aufzuhören. Ich
muss bis zum letzten Tag arbeiten,
damit ich im Alter wenigstens einigermaßen abgesichert bin.“
Die Turmuhr läuft wieder wie geschmiert .................15
Und das ist das Verdienst des Wildeshauser
Technik-Fans Werner Hadeler
Den Stuhl direkt am Fenster .....................................16
Das neue Wohngebot in Hannover-Mittelfeld
bietet Ausblicke – im doppelten Sinn
den Genuss der vollen Rente zu kommen. Viele sehen das mit großer Sorge.
Denn die Belastungen des Berufslebens werden fast überall nicht geringer
sondern nehmen eher zu. Wem hilft
es, wenn Menschen, die den Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit bereits
überschritten haben, unter vielleicht
schwierigen Umständen mehr schlecht
als recht ihren Beruf weiter ausüben
müssen? Überforderung und Krankheit
können schnell die Folge sein.
Andererseits, Arbeit darf und soll
nicht nur Last sein. Mit dem Einsatz
unserer Hände oder Köpfe können wir
etwas Sinnvolles leisten, von dem Andere und die Gesellschaft aber auch
wir selbst profitieren. Gaben und Kräfte nutzen, solange man sie hat, das
ist ja kein böses Schicksal sondern
vielfach eine gute Perspektive. Nicht
umsonst wird im biblischen Verständnis immer wieder auch der Segen der
Arbeit betont. Mitgestalten, gebraucht
werden, dazu gehören, eine Aufgabe
haben - diese Aspekte des Arbeitslebens werden oft unterschätzt. Gerade
deswegen treten wir als diakonischer
Träger dafür ein, auch Menschen mit
Weihnachtsstollen à la Chef......................................18
Traditionelle Backaktion der CHG Catering
Gesellschaft Himmelsthür in Wildeshausen
Reif für die Bühne .....................................................19
Kinder und Jugendliche aus dem Haus Micha
in Emmerke verwirklichen ihr eigenes Musical
Es geht wirklich! ....................................................... 20
Sechster Fachtag Inklusion in Hildesheim dient
zum Abgleich von Erfahrungen und Zielen
Behinderungen nicht aus der Arbeitswelt auszugrenzen. Menschen sollen
die Chance haben, etwas zu leisten,
ohne dass man sie überfordert. Das
wäre eine gute Richtschnur für die
Gestaltung des Arbeitslebens.
Möglichst lange arbeiten? Warum
nicht? Aber mit der Verschiebung von
Renteneintritts-Zeitpunkten ist es nicht
getan. Wir müssen auch Arbeitsbedingungen schaffen, die das ermöglichen. Hier ist sicher noch Einiges
an gesellschaftlicher und politischer
Phantasie gefragt. Wir werden es uns
auf Dauer nicht leisten können, die
Potentiale und Einsatzbereitschaft der
Älteren oder von Menschen mit Behinderungen ungenutzt zu lassen. Aber
dafür braucht es einen Rahmen, der
Kreativität und Produktivität zulässt.
Mein Jugendfreund jedenfalls hat sich
entschieden. Er ist auf der Suche nach
einer neuen Anstellung.
Ihr
Ulrich Stoebe
Leserbriefe
Wenn Sie Stellung nehmen möchten zu Artikeln dieser
Ausgabe oder selbst einen Artikel veröffentlichen möchten, schreiben Sie uns an die Redaktionsanschrift:
Diakonie Himmelsthür
Öffentlichkeitsarbeit
Stadtweg 107
31139 Hildesheim
E-Mail: redaktion@dw-hi.de
Konkret gesagt
Bewegungsfreiheit im geschützten Raum .................21
Landesbeauftragter für Menschen mit Behinderung
besucht Wohnbereich in Burgstemmen
Die 15-Tonnen-Waschmaschine läuft......................... 11
Große Investition der Gemeinschaftswäscherei
Himmelsthür in zwei der größten
Waschanlagen der Welt
2
Kaffeemahlen als Sinnstiftung ..................................17
Zweiter Bildungsmarkt
der Tagesförderung
in Hildesheim-Sorsum
DAS MAGAZIN DER DIAKONIE HIMMELSTHÜR
Leserbriefe ................................................................21
– Führung durch die Poppenburg
– Abgerundetes Erscheinungsbild
miteinander.leben
Diakonie Himmelsthür
Februar 2012
Redaktionsschluss der nächsten Ausgabe
Ende Mai ist der 15.04.2012.
Die Redaktion behält sich den Abdruck der eingesendeten
Beiträge und eine redaktionelle Überarbeitung vor.
Termine & Jubiläen ................................................... 22
Kontakt, Impressum ................................................. 23
3
Kreative Ideen für Wärme und Strom
Die Diakonie Himmelsthür macht
Häuser ökologisch fit für die Zukunft
Am Standort Uelzen auf dem Dach:
Solaranlage für Brauchwasser und
Unterstützung der Heizung
„Das ist auch absolut notwendig“,
erklärt Lars Stürmer. „Es geht ja darum,
die Schöpfung und unsere Erde für die
kommenden Generationen zu erhalten.
Also muss der CO2-Ausstoß vermindert
und Energie gespart werden.“ Gerade erst hat er zusammen mit seinen
Kolleginnen und Kollegen ein Energiegutachten für die Sanierung und den
Umbau des Atrium-Gebäudes in Wietze
angefertigt. „Das ist unser typisches
Vorgehen: Wir schauen uns das Haus
vor Ort an, nehmen die Pläne zur Hand,
und dann wird nachgeforscht.“
4
Baumaterialien, Wände, Decken
und Dächer werden geprüft, Verbrauchsdaten, Energiebilanzen und
CO2-Ausstoß unter die Lupe genommen. „Für uns sind die Faktoren Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit,
Versorgungssicherheit und technische Reife entscheidend“, fasst der
diplomierte Ingenieur und Architekt
zusammen. Im Falle des Wohnhauses in Wietze werden jetzt konkrete
Maßnahmen mit der Wohnbereichsleitung diskutiert. Eine Fassaden- und
Dachdämmung könnte anstehen, die
Errichtung eines neuen und sparsamen
Gas-Brennwertkessels ist bereits beschlossen.
Schan. „In den Häusern in Wildeshausen und Lüdersen haben wir beispielsweise Blockheizkraftwerke eingebaut. Die benötigen nur eine relativ
geringe Menge Gas und Öl, um betrieben zu werden und erzeugen dann
selbständig den Strom, den die Gebäude benötigen – sogar im Überschuss, so dass wir in einigen Monaten
Strom an die
So wird Schritt für Schritt und
Haus für Haus umgesetzt, was der
Gesetzgeber mit der Energieeinsparverordnung (EnEV) und dem
Erneuerbare-Energie-Wärme-Gesetz
(EEWärmeG) vorschreibt. „Wir versuchen da mit bestem Beispiel voranzugehen“, wie Lars Stürmer erklärt, „und
möglichst immer noch einen Schritt
weiter.“
Klar, dass eine Einrichtung wie die
Diakonie Himmelsthür dabei immer
auch aufs Geld schauen muss. Die ISH
plant daher ökologisch sinnvolle Maßnahmen so, dass sie zugleich wirtschaftlich sind und den Kundinnen und
Kunden direkt zugute kommen. „Wir
sind gezwungen, uns kreative Lösungen zu überlegen“, berichtet Alexander
Anbieter
verkaufen
können“, so
der Architekt.
„Durch
den
Motor entsteht
gleich noch Wärme
als Abfallprodukt,
die wunderbar genutzt werden kann.
Viele unserer Bewohnerinnen und
Bewohner brauchen ja schon aus
therapeutischen
Gründen viel Wärme.
Insgesamt kommen wir
in Lüdersen auf eine CO2-Einsparung von 26 Prozent, und
die Kosten für die Errichtung
werden sich in vier bis acht
Jahren schon wieder eingespielt haben.“
MITEINANDER LEBEN, LERNEN, ARBEITEN
Die Tendenz dabei ist klar: Was
die Diakonie Himmelsthür erreichen
möchte, ist eine möglichst große Unabhängigkeit von den großen Anbietern
von Strom, Öl und Gas, deren Preise
immer weiter in die Höhe schießen.
So ist etwa in den Neubauten von drei
Reihenhäusern in Uelzen eine spezielle
Wärmepumpe unter dem Dach eingebaut worden. „Die funktioniert wie ein
Kühlschrank“, erklärt Alexander Schan,
„nur eben umgekehrt. Das Heizungssystem ist mit der Lüftungsanlage
gekoppelt. Die warme Abluft, die die
Bewohner zum Beispiel mit ihren elektrischen Geräten erzeugen, wird eingesaugt und durch einen Wärmetauscher
für die Heizung genutzt. Ein weiterer
Vorteil ist, dass die Frischluft ständig
ausgetauscht wird – in den Wohnungen
kann es also nie nach abgestandener
Luft riechen. Das haben uns auch
schon die Bewohnerinnen und Bewohner bestätigt, die sind ganz
begeistert von dem System.“
Die Ökobilanz der Häuser,
deren Solaranlagen auf dem
Dach zusätzlich für die Trinkwassererwärmung und für
heiße Duschen sorgen, fällt
dementsprechend beeindruckend aus: Es gibt keinen Gasanschluss oder
Ölkessel. Und keinerlei fossiler Brennstoff,
wie beispielsweise
Erdgas, Erdöl oder
Steinkohle, wird verwendet.
Manchmal muss
man eben auf der
Suche nach einer Problemlösung tiefer
graben
Die Wärmekamera hilft bei der Suche
nach Energielecks.
miteinander.leben
– im wahrsten Sinne des Wortes.
Für die Großküche der CGH-Cateringgesellschaft Himmelsthür in Emmerke,
die 2010 eröffnet wurde, haben die
Architekten sich ebenfalls etwas ganz
Besonderes einfallen lassen. „Begonnen hat damals alles mit einer großen
Probebohrung auf dem Gelände“, erinnert sich Lars Stürmer. „21 Erdsonden
haben wir in bis zu 130 Meter Tiefe
hinabgelassen, um zu schauen, ob
der Untergrund leitfähig genug war
für unsere Pläne.“ Das Ergebnis war
zufriedenstellend, und so wird für
die Energieerzeugung die Wärme der
Sole, einem Gemisch aus nicht frostendem Wasser und Glycol, aus dem
Erdinneren verwendet. Auch hier wird
Frischluft eingesaugt und Abluft für
die Wärmegewinnung benutzt – und
zwar im ganz großen Stil. Das gesamte
obere Stockwerk beherbergt nur die
Technik“, berichtet Lars Stürmer, „und
durch die dortige Wärmepumpe haben
wir den CO2-Ausstoß um 30 Prozent
verringern können.“
Es sind Leuchtturmprojekte, wie die
beiden Architekten klarmachen, und
die eigentliche Arbeit hat erst begonnen. „Es gibt viele ältere Häuser, bei
denen die Diakonie Himmelsthür über
die Sanierung entscheiden muss – oder
Diakonie Himmelsthür
Februar 2012
Große Probebohrung auf dem Gelände der CGH-Catering Gesellschaft
Himmelsthür
Lars Stürmer und Alexander Schan
planen die ökologische Zukunft der
Gebäude (v.l.).
über einen Neubau.“ Hinzu kommt
das große Projekt der zunehmenden
Inklusion. „Kleinere Wohneinheiten
lassen sich immer energieeffizienter
versorgen als die klassischen großen
Einrichtungen“, sagt Lars Stürmer.
„Auch in dieser Hinsicht sind wir also
auf dem richtigen Weg in die Zukunft.“
Nicht nur die beiden Architekten, auch
ihre kleine Wärmebildkamera dürften
in den kommenden Jahren einiges zu
tun bekommen.
Ralf Neite
5
Fotos: Ralf Neite
Auf dieses Gerät greifen
Lars Stürmer und Alexander Schan
von der Immobilien- und ServiceGesellschaft Himmelsthür GmbH
(ISH) in letzter Zeit ziemlich häufig
zurück: Die Wärmebildkamera ist
klein, liegt gut in der Hand und
macht das Unsichtbare sichtbar.
Selbst in ihren eigenen Büroräumen
werden die beiden Architekten
sofort fündig: Nicht nur leuchten
die Heizungsröhren im Inneren der
Wand tiefrot auf, auch dunkelblaue
Stellen sind in den Ecken zu sehen
– klarer Fall von Wärmeverlust.
Ein großes Thema bei der ISH, die
Lars Stürmer und Michael Henze
leiten. Seit 2007 beschäftigen sie
sich nun damit, die bestehenden
Häuser und Neubauten der
Diakonie Himmelsthür ökologisch
fit zu machen für die Zukunft.
Angedacht
Der Fachverband diakonische Behindertenhilfe
und der Vorstand der Diakonie Himmelsthür äußern sich
Die Sache mit der
Mitte und dem Rand
Position des Vorstandes
Diakonie Himmelsthür
Was meinen Sie, liebe Leserinnen
und Leser: Gehören Sie eher
zur Mitte oder zum Rand der
Gesellschaft? Und woran macht
sich das fest? Ich stelle mir vor,
dass die meisten von uns sich
eher in der Mitte einordnen.
Vielleicht nicht ganz genau in
der Mitte, aber doch schon in
einem Kreis, der deutlich mehr
in der Mitte als am Rand liegt,
in so einer Art innerem Zirkel.
einen schweren Unfall
hatte und seitdem gelähmt ist. Von einer Sekunde auf die andere ist er
aus seinem bisherigen Leben
katapultiert worden. Ganz klar
hat er vorher in der Mitte gestanden. Was wird nun seine Perspektive
sein? Er ringe noch mit Gott und mit
sich selbst, sagt er. Aber er wolle sein
Studium wieder aufnehmen und suche
gerade eine passende Wohnung.
Dass wir uns dort einordnen, hat
seinen Grund: Wir engagieren uns zum
Beispiel im Sportverein oder in der Musikschule, gehen zur Wahl und haben
meist einen positiven Kontakt zu den
Nachbarn: All das zeigt, dass wir uns
einbringen und akzeptiert sind in der
Gesellschaft. Und zwar auf einem Platz
in ihrer Mitte.
Sein Platz in der Mitte ist ins Wanken gekommen. Noch ist nicht klar, wo
genau er zukünftig stehen wird. Er ist
nicht zufrieden damit, wie alles gekommen ist. Trotzdem: Er hat sich auf den
Weg gemacht, den Platz in der Mitte
wieder einzunehmen: mit seinem Engagement in diesem Gottesdienst, mit
seinem Wunsch, das Studium wieder
aufzunehmen, und mit der Hoffnung,
dass ihm die Gestaltung seiner Zukunft
mit Gottes Hilfe gelingen wird.
In den letzten Wochen
gab es eine bewegte öffentliche
Diskussion über SchwangerschaftsSpätabbrüche in diakonischen
Krankenhäusern.
In Hannover war die Anzahl
solcher Eingriffe in Häusern
der Diakonie größer als in
kommunalen Kliniken.
werden, um zu einer sachgerechten
Einschätzung zu kommen. Dabei gibt
es berechtigte Interessen und Belange
aus unterschiedlichen Perspektiven,
die nicht immer konfliktfrei miteinander zu vereinbaren sind. Betroffene,
Ärzte, Berater, Angehörige müssen
Entscheidungen treffen, die als solche
nicht falsch oder richtig sind, in denen vielmehr konkrete Umstände und
ethische Grundsätze verantwortlich
gegeneinander abzuwägen sind.
Wie oft bei ethischen Diskussionen verbieten sich vorschnelle Urteile.
Das Thema muss ausgewogen und
von verschiedenen Seiten betrachtet
Als Diakonie Himmelsthür schließen wir uns der Position des „Fachverbandes Diakonische Behindertenhilfe“
an. Wir stellen uns klar auf die Seite
der Menschen mit Behinderungen und
auf die Seite derjenigen Eltern, die
sich dafür entscheiden, einem Kind mit
Behinderungen das Leben zu schenken. Es kann im Einzelfall wichtige
und nachvollziehbare Gründe geben,
die dagegen sprechen. Diese Entscheidungen achten wir, ohne unsere eigene
Position zu verlassen.
Gern möchten wir mit Ihnen, liebe
Leserinnen und Leser, zu diesem Thema in einen Dialog treten und freuen
uns auf Ihre Zuschriften. (Adresse siehe Seite 3)
Ulrich Stoebe
Positionspapier
des Fachverbandes
diakonische
Behindertenhilfe
Stellen Sie sich nun vor: Alles wird
weggenommen, was außerhalb dieses
inneren Kreises liegt, in den Sie sich
eingeordnet haben. Schnell sind Sie
viel weiter am Rand als Ihnen lieb ist.
Und es wird klar: Ob wir in der Mitte oder am Rand stehen, kann sich
schnell ändern und ist auch eine Frage
des Blickwinkels.
Die Behinderung eines Kindes darf
allein kein Grund für eine medizinische
Indikation1 sein.
Mit der routinemäßigen Anwendung verfeinerter pränataldiagnostischer2 Verfahren ist zu befürchten,
dass der Druck auf schwangere Frauen zunimmt, der Gesellschaft keine
kranken oder behinderten Kinder zuzumuten.
Der Evangelische Fachverband
Behindertenhilfe in Niedersachsen
schließt sich der Forderung der EKD
vom 12.8.2008 an. Er fordert „über die
medizinische Behandlung und Bera6
tung hinaus und unabhängig davon ein
psychosoziales4 Beratungsangebot ...,
das schwangere Frauen freiwillig vor jeder pränatalen Diagnostik in Anspruch
nehmen können. Das Beratungsangebot muss zielorientiert und ergebnisoffen sein. Es gilt, die Betroffenen über
alle Handlungsmöglichkeiten sowie
Hilfsangebote und Unterstützung zu
informieren und zusammen mit ihnen
Wege zu einer Entscheidung zu suchen.
Dazu gehört der Hinweis auf das Recht
auf Nichtwissen, also den bewussten
Verzicht auf pränataldiagnostische
Untersuchungen.“
Die Entscheidung zu einem Abbruch jenseits der 22 Schwangerschaftswoche nach medizinischer Indikation oder für die Geburt eines Kindes
mit Behinderung wird auch wesentlich
vom familiären und gesellschaftlichen
Umfeld der Schwangeren beeinflusst.
In einer Gesellschaft, die den Zielen
MITEINANDER LEBEN, LERNEN, ARBEITEN
Foto: fotolia.de
Nach geltendem Recht ist der Hinweis auf eine Krankheit bzw. Behinderung des Kindes (embryopathischer3
Befund vorgeburtlicher Diagnostik)
keine Begründung für einen straffreien Abbruch. Die Indikation bezieht
sich vielmehr auf die Mutter, auf ihre
körperliche bzw. psychische Belastung. In der Beratung sollte von daher
auch deutlich werden, dass das Leben mit einem behinderten Kind eine
Bereicherung sein kann und welche
gesellschaftlichen Möglichkeiten zur
Hilfe bestehen.
Ich denke da zum Beispiel an Samuel Koch, den jungen Mann, der im
Dezember 2010 bei „Wetten, dass ...“
der Inklusion5 verpflichtet ist, bestehen
gute Voraussetzungen, dass sich Eltern
bewusst für ein Kind mit Behinderung
entscheiden. Die Erwartung eines Kindes mit Behinderung oder schwerer
Krankheit kann für die schwangere
Frau die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen
oder seelischen Gesundheitszustands
bedeuten und somit den Abbruch nach
§ 218a aufgrund einer medizinischen
Indikation rechtfertigen. Aus Sicht des
Fachverbandes liegt die Gefährdung
aber ursächlich in dem Wissen um
eine Umwelt, die Kindern mit Behinderung eher ablehnend gegenübersteht.
Der Fachverband fordert deshalb, die
Rahmenbedingungen für ein Leben
mit behinderten oder schwer kranken
miteinander.leben
Eins ist klar: „In der Mitte der Gesellschaft sein“ wird für ihn zukünftig
etwas völlig anderes sein als vor dem
Unfall. Denn sein Leben ist ein anderes
geworden. Er ist viel mehr als vorher
auf Unterstützung angewiesen – aus
der Gesellschaft, zu der er gehört. Und
er braucht außerdem, so sagt er es
selbst, Gott dazu und den Glauben
an ihn.
Kindern entscheidend zu verbessern.
Es darf nicht übersehen werden, dass
auch die Entscheidung für einen Spätabbruch eine erhebliche Gefahr für die
physische oder seelische Gesundheit
der Mutter bzw. der Eltern bedeuten
kann. Insofern besteht eine ebenso
große gesellschaftliche Verpflichtung,
die Entscheidung für ein behindertes
oder schwer erkranktes Kind zu fördern und zu unterstützen. Der Spätabbruch darf nicht als der vermeintlich
einfachere Weg zum Normalfall der
Entscheidung pro oder contra des behinderten Kindes werden.
Diakonie Himmelsthür
Der Vorstand des
Fachverbandes Diakonische
Behindertenhilfe in Niedersachsen
Februar 2012
Da ist er mit Sicherheit an der richtigen Adresse. Gott hat sich schon zu
Jesu Zeiten – modern ausgedrückt – um
eine inklusive Gesellschaft bemüht:
Denn Jesus hat sich denen am Rande
zugewandt, um sie zu stärken. Und
denen in der Mitte führte er vor Augen,
dass ihre Position nicht so unerschütterlich ist wie gedacht.
Was meinen Sie, liebe Leserinnen
und Leser: Gehören Sie eher zur Mitte
oder zum Rand der Gesellschaft? Im
Sinne von Inklusion soll es diese Unterscheidung ja so bald wie möglich
gar nicht mehr geben, weil alle gleich
berechtigt und uneingeschränkt dazu
gehören. Dann hat sich auch die Frage
erübrigt. Aber ohne die Mitwirkung von
vielen Mitgliedern unserer Gesellschaft
wird uns das nicht gelingen: dass aus
der Gesellschaft eine Gemeinschaft
wird. Möge Gott uns dabei helfen.
Ute Quednow
1
Indikation = (Heil-) Anzeige;
medizinische Indikation meint eine
medizinische Begründung zum Beispiel für einen Schwangerschaftsabbruch
2
pränatale Diagnostik = vorgeburtlicher Befund, vorgeburtliche
Feststellung
3
Embryopathie = schwere Erkrankung oder Entwicklungsstörung
des ungeborenen Kindes
4
psychosozial = soziale Gegebenheiten betreffend, die die Psyche/Seele beeinflussen
5
Inklusion = wörtlich Einschluss
oder Zugehörigkeit; meint in diesem
Zusammenhang die gleichberechtigte und ungehinderte Teilhabe aller
Menschen an der Gesellschaft
7
Foto: Fotolia.de
Spätabbrüche in
diakonischen Krankenhäusern
Farbenfrohe
Visionen der Teilhabe
Sozialministerin Aygül Özkan zu Besuch in Sorsum:
Großes Lob für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Landesbischof Ralf Meister eröffnete Kunstaktion
der „Wilderers“ im fairKaufhaus Hannover
Direktor Ulrich Stoebe begrüßte
die Ministerin bei ihrer ersten Visite in
Sorsum. „Wir sehen Ihren Besuch auch
als Zeichen der Wertschätzung für die
diakonische Arbeit“, so Stoebe, und
die habe in der Diakonie Himmelsthür
bereits eine mehr als hundertjährige Tradition. In jüngster Zeit sei die
Inklusion „für uns zum Kompass einer Neuausrichtung geworden“. Dies
schlage sich nicht zuletzt in dezentralen, an den individuellen Wünschen
der Menschen orientierten Wohn- und
Förderangeboten nieder.
„Wir glauben, dass Inklusion nicht
ein Thema für Randgruppen, sondern
ein ganz zentrales gesellschaftliches
Thema ist“, sagte Ulrich Stoebe und
stieß bei der Sozialministerin auf offene Ohren. Inklusion dürfe sich nicht
auf Menschen mit Behinderungen
beschränken, sondern müsse auch
8
für Menschen mit Migrationshintergrund, beeinträchtigte Seniorinnen
und Senioren oder andere Menschen
mit Unterstützungsbedarf realisiert
werden, so die CDU-Politikerin. Das
könne freilich nur ein „sachter, vorsichtiger, langsamer Prozess“ sein.
Aygül Özkan: „Inklusion heißt, dass
man Trennungen, die in den Köpfen
gemacht werden, überwindet.“
Bei einem Rundgang durch den Kinder- und Jugendbereich wurde deutlich,
dass Menschen mit Behinderungen
sehr unterschiedlichen Assistenzbedarf
haben und es keine Norm für Teilhabe
und Wahlmöglichkeiten gibt. Im Haus
Arche leben unter anderem Kinder und
Jugendliche mit sehr hohem medizinischen Unterstützungsbedarf – einige
von ihnen müssen beispielsweise seit
ihrer Geburt künstlich beatmet werden
und sind aller Voraussicht nach auch
für den Rest ihres Lebens auf diese
Hilfe angewiesen.
„Das Wesentliche ist für uns,
dass wir die Kinder nicht nur versorgen, sondern ihnen auch Förderangebote machen“, erläuterte Reinhard
„Inklusion ist die Vision gegen
eine Tatsache“: dass nämlich die
Gesellschaft noch weit von einer
uneingeschränkten Teilhabe
aller Menschen entfernt sei.
So formulierte es Landesbischof
Ralf Meister im fairKaufhaus
Hannover. Dort wurde mit einer
Malaktion der Künstlergruppe
„Wilderers“ aus den proWerkstätten
Himmelsthür ein farbenfrohes
Signal für ein selbstverständliches
Miteinander gesetzt.
Komischke-Mast, Fachbereichsleiter
Wohnen im Kinder- und Jugendbereich.
Dazu gehören auch Schulklassen und
Vorschulklassen, die sich in dem selben Haus befinden. Das Lernangebot
richtet sich hier ganz nach den jeweiligen Bedürfnissen der Kinder.
Sie halte solch eine variable Eingliederungshilfe für eine gute Lösung, sagte die Ministerin nach dem
Rundgang: Einerseits unterstütze die
Diakonie Himmelsthür Menschen bei
ihrem Weg in eine größtmögliche
Selbstständigkeit bis hin zur eigenen
Wohnung mitten in der Stadt, andererseits ermögliche sie einen Schutzraum
und einen hohen Grad von Assistenz
für alle, die darauf angewiesen seien. „Man darf sich nicht der Illusion
hingeben, dass das Eine durch das
Andere ersetzt werden kann“, so Aygül Özkan. Zum Abschluss sprach sie
den Mitarbeitenden „ein großes Lob“
aus und verabschiedete sich mit den
Worten: „Schönen Gruß und frohes
Schaffen!“
Ralf Neite
KONKRET VOR ORT
Fotos: Ralf Neite
Inklusion ist seit der
Behindertenrechts-Konvention
der Vereinten Nationen in aller
Munde. Dass es dabei um mehr
geht als einen vorübergehenden
Trend, stellte die niedersächsische
Sozialministerin Aygül Özkan
bei einem Besuch in Sorsum
klar. „Das Thema wird uns in
der Tat noch lange beschäftigen“,
sagte sie im Gespräch mit der
Leitung der Diakonie Himmelsthür.
Bild links: Sozialministerin Aygül Özkan (Mitte) besichtigte im Haus
Arche das Kinderzimmer eines Mädchens mit hohem Unterstützungsbedarf. Heilerziehungspflegerin Kerstin Braun, Fachbereichsleiter Reinhard
Komischke-Mast und Facharzt Dr. Hans Ulrich Peltner (von links) informieren
über die Angebote der Diakonie Himmelsthür für Kinder und Jugendliche
mit Behinderungen.
Bild rechts: Sozialministerin Aygül Özkan lernte bei ihrem Rundgang
durch den Kinder- und Jugendbereich auch die achtjährige Betty-Lea
Rotermund kennen.
Das siebenköpfige Team aus
Hildesheim lud Besucherinnen und
Besucher ein, selbst einen Pinsel in
die Hand zu nehmen und ihre Vision
von Inklusion auf die Leinwand zu
bringen. Landesbischof Ralf Meister
und Hannovers Bürgermeister Bernd
Strauch waren die ersten, die ihre
Sakkos gegen Malerkittel tauschten
und gemeinsam mit den „Wilderers“
ans Werk gingen. Danach dehnte sich
die Kooperation auf andere Gruppen
aus, für die eine vollständige Teilhabe
längst nicht selbstverständlich ist.
Wohnungslose Menschen aus dem
Werkheim e.V., Langzeitarbeitslose aus
miteinander.leben
dem Projekt Neue Arbeit, straffällig
gewordene Menschen von Resohelp,
die Leinelotsen (Kinder- und JugendSozialarbeit) und Mitglieder der Offenen Altenarbeit des Diakonischen
Werks in Hannover ließen gemeinsam
mit den „Wilderers“ ihrer Fantasie
freien Lauf.
Reinhold Fahlbusch, Vorstandsvorsitzender bei fairKauf, hatte die
Initiativen zueinander gebracht. Denn
das soziale Kaufhaus wolle nicht nur
„durch Handel handeln“ und so Veränderung in die Gesellschaft tragen,
sondern zugleich auch ein Marktplatz
und Ort der Begegnung sein. „Wir sind
ein Gewächs der Ökumene und dem
christlichen Menschenbild verpflichtet“, stellte Reinhold Fahlbusch zum
Auftakt der Veranstaltung klar.
Bischof Ralf Meister betonte in
seiner Eröffnungsrede, dass vor Gott
ohnehin jeder Mensch den gleichen
Wert habe. Für die Gesellschaft sei
es aber noch eine große Herausforderung, Barrieren abzubauen und sich
zu öffnen „für Menschen mit all ihren
Möglichkeiten und Nichtmöglichkei-
Diakonie Himmelsthür
Februar 2012
Inklusion wird sichtbar: Ilona
Röpke von den „Wilderers“, Landesbischof Ralf Meister, Hannovers Bürgermeister Bernd Strauch
und Doris Sprenger, ebenfalls
von den „Wilderers“ eröffnen die
Kunstaktion mit einer Gemeinschaftsarbeit. (v.l.)
ten“. Dabei äußerte Ralf Meister sich
durchaus selbstkritisch: „Man muss
nur versuchen, mit dem Rollstuhl zum
Bischof zu kommen – man wird es
nicht schaffen.“
Schon das Wort Inklusion werde
von vielen Menschen als sperrig empfunden, entgegnete Direktor Ulrich
Stoebe. Das allerdings sei kein Wunder, „weil die Sache selbst mit Haken
und Stolpersteinen verbunden ist“.
Stoebe forderte dazu auf, „nicht nur
im engen Horizont unserer eigenen
Zwänge zu denken“.
Die Kunstaktion setzte ein deutliches Zeichen für mehr Offenheit. Viele
hochrangige Gäste waren der Einladung gefolgt, darunter Bundestagsabgeordnete und andere Politikerinnen
und Politiker sowie Vertreterinnen und
Vertreter der Kirche und verschiedenster gemeinnütziger Organisationen.
Einige von ihnen taten es dem Bischof
nach und nahmen selbst einen Pinsel
in die Hand.
Ralf Neite
9
Foto: Ralf Neite
Trennungen in den
Köpfen überwinden
Auf dem richtigen Weg
Die 15-TonnenWaschmaschine läuft
Mit Unterstützter Kommunikation
barrierefrei(er) kommunizieren
Große Investition der Gemeinschaftswäscherei Himmelsthür
in zwei der größten Waschanlagen der Welt
Einmal mehr wurde bei den Angaben zu den Haupt-Kommunikationsformen deutlich, dass tatsächlich ein
sehr hoher Bedarf an Unterstützung
besteht, da nur die Hälfte der hier
Haupt-Kommunikationsformen
1993 Personen:
Wohnen = 1599
Tagesförderung = 394
Werkstatt = 309
1018 verwenden
Lautsprache =
sprechen
ca. 600 verwenden
Gestik, Mimik, Blick
und/oder Gebärden
1
2
3
4
5
=
=
=
=
=
ca. 200 drücken soch in Form
von Aggressionen und mit
Schreien aus –
312 auch über Körperkontakt
Blickkontakt
Gestik
Mimik
Autoaggression
Fremdaggression
Dass der Weg ein steiniger sein
würde, war den Mitarbeiterinnen des
Projektteams von vornherein bewusst.
Dass die Umsetzung der geplanten
Einzelschritte so viel Geduld und Durchhaltevermögen erfordert, wurde jedoch
erst im Laufe der Zeit deutlich. Um zu
wissen, wieweit UK im Unternehmen
angekommen ist, wurde zum Jahresende 2011 eine Sachstandsanalyse
durchgeführt, an der sich 138 Bereiche und Gruppen aus allen Regionen
(sowohl Wohnen als auch Tagesförderung), die proWerkstätten und die
Diakonischen Wohnheime beteiligten. Es wurden Angaben zum Ausbildungsstand von 789 Mitarbeitenden
10
6
7
8
9
10
=
=
=
=
=
269
eigener
Wortschatz
Körperkontakt
Schreien
eigener Wortschatz
Lautsprache
Personen gesamt
berücksichtigten Menschen mit Behinderungen über eine aktive Lautsprache
verfügt – sich also anhand von Sprache
verständigen kann. Inwieweit diese
Menschen in ganzen Sätzen sprechen
und wie hoch ihr Sprachverständnis ist,
geht hieraus noch nicht hervor. Das
Projektteam geht jedoch davon aus,
dass es hier bei einer differenzierten
Nachfrage noch zu einer Verringerung
der Zahlen kommen könnte.
Zumindest die andere Hälfte ist
mehr oder weniger auf Maßnahmen
angewiesen, die die Kommunikation
unterstützen, oder sie benötigen entlastende Hilfen.
Einsatz von UK-Hilfen
Der Einsatz von Symbolen und
Bildern ist inzwischen in der Mehrzahl der Gruppen und Bereiche zum
festen Bestandteil der täglichen Arbeit geworden. Einfache Gebärden,
sogenannte Alltagsgebärden, kommen
daneben vermehrt gezielt zum Einsatz
und verbessern die Kommunikationsmöglichkeiten untereinander.
Der Einsatz elektronischer Hilfen, vornehmlich Talker, bedarf
noch erheblicher Unterstützung, damit diese Hilfen auch
tatsächlich ihren Sinn erfüllen
können und den Nutzerinnen
und Nutzern jederzeit zur Verfügung stehen.
Davon können Hausfrauen
und Hausmänner nur träumen:
Die Gemeinschaftswäscherei
Himmelsthür gGmbH hat zwei
neue Waschstraßen bekommen,
die zu den größten der Welt
gehören. Fachleute haben die
erste der Mega-Waschmaschinen
jetzt in geduldiger Maßarbeit
installiert. „Da mit Hektik ranzugehen, hat keinen Zweck“, sagte
Projektleiter Jörg Eggert vom
Hersteller Kannegiesser in
Sarstedt. Immerhin musste ein
Schwerlastkran zwei Kolosse von
18 Metern Länge und 15 Tonnen
Gewicht vom Tieflader ins Tor der
Gemeinschaftswäscherei bugsieren.
Der eingeschlagene Weg
ist gut, und die ersten Früchte
harter Arbeit konnten bereits
geerntet werden. Doch es gibt
noch viel zu tun auf dem Weg
zu einer barrierefrei(er)en
Kommunikation in der Diakonie Himmelsthür. Darum hat
die Unternehmensleitung einer Projektverlängerung um
weitere zwei Jahr zugestimmt.
In dieser Zeit soll es gelingen,
den Prozess der Einführung
von UK zu stabilisieren und
die dauerhafte Fortführung als
Unternehmensstandard zu sichern. Um dem Ziel der Barrierefreiheit ein gutes Stück näher
zu kommen, ist die Mitwirkung
aller Menschen in unserer Gesellschaft erforderlich.
Mit den vielfältigen Möglichkeiten
der Unterstützten Kommunikation und
deren Nutzung im Alltag kann jede
und jeder von uns mit gutem Beispiel
vorangehen. Das Projektteam möchte
daher auch die Leserinnen und Leser
von miteinander.leben ermutigen,
tatkräftig an einer besseren Verständigung mitzuarbeiten, beispielsweise
durch gemeinsames Gebärden Lernen.
Die nächste Möglichkeit bietet sich am
17. März auf dem UK-Nachmittag in
Hildesheim an. (s. Termine Seite 22)
Andrea Strobel-Brunke
KONKRET VOR ORT
„Wir brauchen eine Kapazitätserweiterung, um die Wäschemengen
im Zwei-Schicht-Betrieb bewältigen
zu können“, erklärt Johann Liegl, der
Geschäftsführer der Gemeinschaftswäscherei. 40 Tonnen Wäsche ist das
momentane Tagespensum des Betriebs
– Tendenz steigend. 30 Krankenhäuser
sowie 100 Altenheime und Behinderteneinrichtungen mit insgesamt 9000
Bewohnerinnen und Bewohnern zwischen Rheine, Oldenburg, Kiel, Schwerin und Göttingen sind der Kundenstamm.
Die millionenschwere Investition
in die beiden Waschstraßen und die
zugehörigen Anschaffungen soll dafür
sorgen, dass die Auftragsmengen wieder im normalen Zwei-Schicht-Betrieb
bearbeitet werden können, und bietet
Luft nach oben für weitere Kunden.
miteinander.leben
Bild links-oben: Ein 100-TonnenKran bugsiert den 18-Meter-Koloss in
Maßarbeit ins Tor der Wäscherei.
Bild unten: Johann Liegl freut sich
über die Neuerung.
liche Wäschearten sortiert zwischengelagert und zu den Waschstraßen
befördert werden.
Jede der beiden neuen Waschstraßen, die zwei ältere Anlagen ersetzen,
kann bis zu 2250 Kilogramm Wäsche
pro Stunde reinigen. „Und wir haben
noch eine dritte Waschstraße, so dass
wir mehr als fünf Tonnen pro Stunde
waschen können“, fügt Johann Liegl
hinzu. Es gehe aber nicht nur um die
Kapazität: Die neuen Anlagen seien
zugleich effizienter, weil dadurch der
Energie- und Wasserverbrauch nachhaltig reduziert wird.
Um die Effizienz weiter zu erhöhen,
hat die Gemeinschaftswäscherei ein
zusätzliches Stahlzwischengeschoss
in die Halle für Schmutzwäsche eingebaut. Hier befindet sich nun eine
vollautomatische Schmutzwäschesackspeicher- und Sortieranlage für
187 Säcke mit jeweils 75 Kilogramm
Schmutzwäsche, in denen unterschied-
Diakonie Himmelsthür
Februar 2012
Für die Weiterverarbeitung der Wäsche nach dem Waschgang hat Liegl
zudem zwei Hochleistungs-Entwässerungspressen angeschafft, denn, so
der Geschäftsführer: „Die gewaschene
Wäsche muss schnell und effizient
entwässert werden.“ Zwei riesige Silotanks zum Auffangen und Wiederverwerten von Nutzwasser ergänzen
das Investitionspaket, zu dem auch
eine Komplettsanierung des Hallenbodens gehört.
Die
Gemeinschaftswäscherei
Himmelsthür hat frühzeitig auf automatisierte Arbeitsprozesse gesetzt.
Aufgrund der seit Jahren steigenden
Auftragszahlen und Wäschemengen
habe sich die Zahl der Mitarbeitenden trotz modernster Technik stetig
erhöht, betont Johann Liegl. Zurzeit
sind in dem gemeinnützigen Integrationsunternehmen 300 Mitarbeitende
beschäftigt, davon 130 Menschen mit
Behinderungen.
Ralf Neite
11
Fotos: Ralf Neite
zu Unterstützter Kommunikation, zu
Kommunikationsformen von 1993 Kundinnen und Kunden sowie den derzeit
eingesetzten Hilfen ausgewertet.
Grafik: Diaonie Himmelsthür
Vor fast drei Jahren startete in der
Diakonie Himmelsthür das Projekt
zur unternehmensweiten Einführung
Unterstützter Kommunikation (UK)
und der Aufbau einer UK-Beratungsstelle. Nun zieht das Projekt Bilanz.
Es kommt zu überwiegend positiven
Ergebnissen, sieht aber noch viele
weitere Verbesserungsmöglichkeiten.
Bällebad in der
Dschungeloase
Weniger Gewalt –
aber mehr Bilder davon
Das ehemalige Bewegungsbad in Sorsum
ist jetzt Entspannungsbereich unter Palmenblättern
Kriminologe Christian Pfeiffer wartet beim Freundesmahl
in Sorsum mit überraschenden Erkenntnissen auf
Buntes Treiben herrscht in der
neuen Dschungeloase in Sorsum.
Vor allem das Bällebad mit
seinen 50000 Bällen hat es
den Besuchern angetan. Darin
können sich Bewohnerinnen und
Bewohner entspannen und ein
ganz neues Körpergefühl genießen.
„Es ist ein Angebot für Menschen
mit höherem Assistenzbedarf,
ergänzend zum Angebot in der
Sporthalle“, erklärt Marianne
Heller, stellvertretende Fachbereichsleiterin für Bildung
und Förderung.
12
können. In den Sommermonaten lädt
eine große Terrasse zum Klönen und
Kaffeetrinken ein.
Marianne Heller ist sich sicher, mit
der Neugestaltung des ehemaligen
Bewegungsbades den Nerv der Kundinnen und Kunden getroffen zu haben: „Es gab bereits zur Eröffnung ein
durchweg positives Feedback“, sagt
die stellvertretende Fachbereichsleiterin und betont, dass die Dschungeloase auch privat genutzt werden könne,
beispielsweise für Kindergeburtstage
oder Ausflüge von Kindergärten.
Ralf Neite
KONKRET VOR ORT
Der Fachmann vom Kriminologischen Institut Niedersachsen lieferte
vor rund 200 Gästen aus Politik, Kirche,
Verwaltung und Wirtschaft eine beeindruckende Menge von Statistik- und
Forschungsergebnissen, die allesamt
auf eine Erkenntnis hinausliefen: Die
These, dass die Gewalt und insbesondere die Gewalt bei Jugendlichen zunehme, ist ein Märchen. Das Gegenteil
sei der Fall, führte Pfeiffer aus. Sexualmorde, Tötungen mit Schusswaffengebrauch und andere Gewaltdelikte seien
seit den 90er Jahren erheblich zurückgegangen. Die Zahl der Wohnungsmiteinander.leben
positiv: „Noch nie hatten wir so ein
hohes Maß an intensiver Zuwendung.“
Und viel weniger Kinder würden von
ihren Eltern geschlagen.
Ein Problem, das ihm viel mehr
Kopfzerbrechen bereite, sei die wachsende Sucht nach Computerspielen
unter Jugendlichen, vor allem bei den
Jungen. Das mache sich in schulischen
Leistungen und auch in der Wirtschaft
bemerkbar.
einbrüche habe sich in den letzten
zehn Jahren halbiert. Ebenso sei die
Menge der Menschen, die bei Schlägereien krankenhausreif geprügelt
Sie alle sind Opfer der mediawurden, seit 1997
Christian Pfeiffer
len Darstellung.
um 50 Prozent geerntete für seinen
sunken.
Vortrag reichlich
Applaus. Ulrich Stoebe, Direktor der
Wie aber kommt es, dass in der öfDiakonie Himmelsthür, dankte ihm und
fentlichen Wahrnehmung ein ganz annutzte die Gelegenheit, die Bemühunderer Eindruck entstanden ist? „Sie alle
gen des Unternehmens für eine uneinsind Opfer der medialen Darstellung“,
geschränkte und selbstverständliche
stellte Christian Pfeiffer klar. Denn:
Teilhabe von Menschen mit Behinde„Wir werden überflutet mit medialer
rungen vorzustellen. Für diesen Zweck
soll auch der Erlös des Freundesmahls
Gewalt.“ Auch hier lieferte er Zahlen,
die belegten, dass im Fernsehen heute
eingesetzt werden: In Burgstemmen
erheblich mehr Gewaltbilder gezeigt
werden Menschen mit und ohne Bewerden als noch vor zehn Jahren. Solhinderung gemeinsam ein Skulpturenprojekt realisieren. Die Nachwirkungen
che Eindrücke seien seelisch schwer
des 2009er Freundesmahls konnten die
zu verarbeiten.
Gäste live erleben: Bewohnerinnen und
Die Basis für das Verhalten junger
Bewohner aus Sorsum erklommen die
Menschen werde in der Familie gelegt.
neue Kletterwand, aus den damaligen
„Der Nachwuchs von Gewalt entsteht
Spendenbeiträgen angeschafft.
in jedem Land durch prügelnde Eltern“,
sagte der Hannoveraner. Deshalb sei
Ralf Neite
die Entwicklung in Deutschland so
Diakonie Himmelsthür
Februar 2012
13
Foto: Ralf Neite
Als sich die Diakonie Himmelsthür
im vergangenen Jahr entschloss, das
Bewegungsbad zu schließen, stand
die Frage im Raum: Was tun mit dem
Gebäude? Mit Unterstützung eines Designerbüros entwickelte eine Projektgruppe ein individuelles Konzept für
die Dschungeloase. Das Wasser wurde
abgelassen, statt dessen können Bewohnerinnen, Bewohner und Mitarbeitende nun ins Bällebad tauchen.
Auch Direktor Ulrich Stoebe schaute
zur Eröffnung beim Bällchenbad vorbei, allerdings ohne selbst ein Bad zu
nehmen. Die Dschungeloase dient zur
Entspannung und zur basalen (Fundamental, basisbildend) Stimulation
sowie zur Körperwahrnehmung. Sie
ist in zwei Bereiche gegliedert: Neben
dem Bällebad, wo Besucher wie im
Wasser abtauchen können, gibt es eine
flexible Brücke und riesige Bäume, unter deren Blättern Besucherinnen und
Besucher schaukeln und entspannen
Foto: Ralf Neite
Bild oben: Gabriele Meyer (liegend),
Thomas Brunken, Gabriele Knebel
(Rollstuhl) und Marianne Heller (von
links) genießen den ersten Tag in der
neuen Dschungeloase.
Bild unten: Die Dschungeloase
kommt bei allen Besuchern gut an.
Renate Ehnert und Christian Jantsch
genießen das Bällchenbad in vollen
Zügen.
Gewalt ist im Fernsehen allgegenwärtig. Und das macht Angst,
zumal wenn Grenzen überschritten
werden, „die bisher nach
unser aller Überzeugung
unverrückbar schienen“,
wie es Walter Meyer-Roscher
bei seiner Begrüßung zum
26. Freundesmahl in Sorsum
ausdrückte. Zum Beispiel, dass
jemand, der am Boden liege,
nicht mehr getreten werden dürfe.
Damit es aber nicht bei diffusen
Angstgefühlen bleibt, hat der Verein
Freunde der Diakonie Himmelsthür
in Hildesheim Prof. Dr. Christian
Pfeiffer als Festredner eingeladen –
und der bundesweit renommierte
Kriminologe wartete mit überraschenden Antworten auf.
Bild links: Christian Pfeiffer beim 26.
Freundesmahl
Bild rechts: Marco Tollkühn (zweiter
von links), Mitglied der Künstlergruppe
„Wilderers“ überreichte Christian Pfeiffer (zweiter von rechts) sein Bild „Polizei“ als Gastgeschenk. Kunstpädagogin
Almut Heimann, Freundeverein-Vorsitzender Walter Meyer-Roscher (Mitte)
und Direktor Ulrich Stoebe dankten
dem Kriminologen bei der Gelegenheit
für seinen spannenden Vortrag.
Die Turmuhr läuft
wieder wie geschmiert
Ehrenamtliches Engagement
ermöglicht neues Angebot in Wietze
Und das ist das Verdienst des Wildeshauser
Technik-Fans Werner Hadeler
Die ersten Erfahrungen machen
Lust auf mehr. Das Café war sehr gut
besucht, die Kuchen und Torten fanden reißenden Absatz. Beim zweiten
„Piccolo“-Termin erhielt Martina Filter
als Dank für ihren freiwilligen Einsatz
einen großen Blumenstrauß, den ihr
Fachbereichsleiterin Dorle Toppel
überreichte. Darin eingebunden war
ein Tortenheber – als Symbol für die
Bitte, das Café in dieser Weise fortzuführen. Den Wink verstand Martina
Filter sofort.
In der Silvesternacht läutete
Punkt 24 Uhr die Turmuhr im
„Haus Ammerland“ – dem
ursprünglichen „Herzogin
Elisabeth Haus“ – das neue
Jahr in Wildeshausen ein.
Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter
hatte daran einen entscheidenden
Anteil: Seit August hegt und pflegt
Werner Hadeler das Uhrwerk des
historischen Zeitmessers.
Vier Mal im Jahr öffnet das Café
Piccolo seine Türen im Allzweckraum
der Tagesförderung. Jeder Gast ist willkommen, von den herrlichen Torten
zu probieren. Die Termine werden
kurzfristig auf unserer Homepage
(www.diakoniehimmelsthuer.de) unter Aktuelles aus Wietze bekannt gegeben.
Veronika Munko
Das Café ist auf die Initiative von
Ramona Mauritz, die seit zehn Jahren
im Haus Wietze arbeitet, und ihrer
Freundin Martina Filter entstanden.
Martina Filter ist ein Vollprofi, sie betreibt das „filtercafe“ in Hamburg. Als
ehrenamtliche Helferin ist sie schon
einige Jahre in der Gruppe 2 im Altbau
aktiv. Als dann die Idee aufkam, das
Café Piccolo ins Leben zu rufen, erklärte sich Martina Filter sofort bereit, das
Vorhaben ehrenamtlich zu übernehmen. Sie bringt nicht nur das Knowhow für das Kuchenbuffet mit, sondern
backt auch die Köstlichkeiten.
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Q 6
„Die Turmuhr wurde 1908 von der
Turmuhrenfabrik und Glockengießerei
J. F. Weule in Bockenem hergestellt“,
weiß der Wildeshauser ganz genau.
Diese Uhr habe ihn schon seit seiner
Kindheit begleitet: „Wenn wir auf dem
Gelände der damaligen Lungenheilstätte der Landesversicherungsanstalt
spielten, hörten wir den halbstündigen
Glockenschlag und haben uns an ihm
orientiert.“
Im Laufe dieses Jahres sei ihm
aber aufgefallen, dass er die Glocke
schon lange nicht mehr gehört habe.
Schnell stellte sich heraus, dass zwar
die Mitarbeiter der Haustechnik für
die Sanierung des Glockenturmes und
das Stellen und die Wartung der Uhr
auch einer neuen Glocke als Spende
zuständig seien, aber wegen Zeitmanübernommen hatten.
gel diese Aufgabe
nicht mehr hätten
Nach einer
Ich mache diese Arbeiten
wahrnehmen könausführlichen
Einmit Freude, denn alles,
nen. Hier brachte
weisung
durch
was ich ehrenamtlich mache,
sich der 68-Jähriden Haustechmache ich gern.
ge ins Spiel: „Ich
nik-Leiter Dieter
Knobloch widmehabe gefragt, ob
ich diese Aufgabe übernehmen darf,
te sich der gelernte Tischler seiner neuen Verantwortung. „Werner Hadeler
und bekam dafür grünes Licht.“ Dies
habe ihn umso mehr gefreut, da
ist unsere Perle“, betont Elke Horstvor rund zehn Jahren im Rahmen
mann aus den Reihen der Verwaltung
und verrät, dass er in der
der Sanierung des Hauses Ammerland die beteiligten
Diakonie zahlreiche
Handwerksbetrieehrenamtliche
be die KosTä tigkeiten
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ausübt.
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14
KONKRET VOR ORT
miteinander.leben
Diakonie Himmelsthür
Februar 2012
„Ich mache diese Arbeiten mit Freude, denn alles, was ich ehrenamtlich
mache, mache ich gern“, betont Hadeler.
Wöchentlich steigt er nun jeden
Mittwoch zwischen 12.30 und 13 Uhr
in den Glockenturm und stellt die Uhr,
die bei ihrer Herstellung 1908 eine
Besonderheit war: „Die Weiterentwicklung der Mechanik vom täglichen zum
wöchentlichen Aufzug war zu jener
Zeit bahnbrechend“, weiß Hadeler. Er
pflege das Uhrwerk mit einem speziellen Turmuhröl, darum laufe sie nun
wieder im wahrsten Sinne des Wortes
„wie geschmiert“.
Genau 33 Umdrehungen benötigt
Hadeler, um die 30 Kilogramm schweren Gewichte der Uhr an einer vier
Meter langen Kette aufzuziehen. „Das
kann manchmal ganz schön schweißtreibend sein“, schmunzelt er. Heute
sei alles neu und digital, bei dieser
Uhr aber habe man Technik zum
Anfassen, und das sei genau
sein Ding.
Andreas Henseler
15
Fotos: Diakonie Himmelsthür
Aber nicht nur die süßen Leckereien werden auf ehrenamtlicher Basis
hergestellt und verkauft. Das Kochen
und Ausschenken von Kaffee, Tee und
Kakao haben zuletzt Gitte Rasmus, die
Tochter einer Wohnbereichsleiterin,
und ihre Freundin Natalie Müller übernommen. Die beiden jungen Frauen
hatten viel Freude dabei und machten
ihre Sache – da war sich die Kundschaft
einig – ausgesprochen gut.
Fotos: Diakonie Himmelsthür
Das Kuchenbüffet beim Wietzer
Sommerfest ist schon seit Jahren für
seine reiche und besonders leckere
Auswahl bekannt. Nun werden Fans
von frisch gebrühtem Kaffee und
süßen Spezialitäten häufiger verwöhnt: Einmal im Quartal lockt das
Café Piccolo mit seinen Leckereien.
Café Piccolo serviert
süße Spezialitäten
Den Stuhl
direkt am Fenster
Kaffeemahlen
als Sinnstiftung
Das neue Wohngebot in Hannover-Mittelfeld
bietet Ausblicke – im doppelten Sinn
Zweiter Bildungsmarkt der Tagesförderung
in Hildesheim-Sorsum
sich schon länger einen Umzug nach
Hannover gewünscht, oder die Initiative ging von ihren Angehörigen aus.
Viele der bisher 18 Menschen, die nach
Mittelfeld gezogen sind, können sich
nicht verbal verständlich machen, doch
das sei kein Hinderungsgrund, stellt
Babette Rasmus fest, die den Wohnbereich in Mittelfeld leitet: „Man kann
an der Mimik und Gestik sehr deutlich
sehen, was ein Kunde möchte.“
Es sind vermeintlich einfache
Tätigkeiten wie das Anspitzen
eines Bleistifts oder das Mahlen
von Kaffee, die für Menschen mit
einer Behinderung zu einer echten
Herausforderung werden können.
Aber mit speziellen Hilfsmitteln
kann beinahe jede und jeder mit
Anspitzer, Kaffeemühle und anderen
Geräten arbeiten. Und das hilft
nicht nur im Alttag, sondern kann
auch ein erster Schritt auf dem
Weg zu einer Arbeitsstelle sein!
beim Umzug hilft. „Und die Busse sind
hier alle behindertengerecht“, betont
Klaus-Dieter Schima, der Vater einer
anderen Bewohnerin.
Gerade für stärker beeinträchtigte
Menschen sei es wichtig, möglichst
nah am Puls des Geschehens zu sein,
erklärt Dorle Toppel, als Fachbereichsleiterin für dieses Wohnangebot zuständig: „Sie können ja nicht selbst
Nach der erfolgreichen Premiere
im Jahr 2010 hat die Tagesförderung
der Einrichtung in Sorsum bereits zum
zweiten Mal ihre Kundinnen und Kunden zum Bildungsmarkt eingeladen.
In der Ernst-Kipker-Sporthalle werden
Von hier oben hat man eine prächtige Sicht zur Messe hinüber und über
die ganze Stadt. Doch es sind eher die
Ausblicke im übertragenen Sinn, die
dafür ausschlaggebend waren, eine
ganze Etage in dem Hochhaus anzumieten und hier einen Wohnbereich
für 22 Menschen einzurichten.
Zu einer selbstverständlichen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben
gehört bekanntlich die freie Wahl des
Wohnortes. Einige Kundinnen und Kunden aus anderen Wohnorten hatten
16
Werkstatt für Menschen mit Behinderungen vorbereitet. Sie lernen ihre
besonderen Fähigkeiten kennen, die
gezielt gefördert werden. Außerdem
vermitteln die Mitarbeitenden den
Kundinnen und Kunden auf anschauliche Weise Hintergrundwissen zu den
jeweiligen Rohstoffen oder Produkten.
Schritt für Schritt wird erklärt, wie etwas funktioniert. Beate Gronau: „Das
ist ein bisschen wie bei der Sendung
mit der Maus.“
Bild links: Susanne Nullmeier genießt den Ausblick vom Balkon ihres neuen
Zuhauses in Mittelfeld.
Bild rechts: Die ersten Kundinnen und Kunden, die von Wietze nach Hannover
umziehen, sind in ihrem neuen Zuhause angekommen.
Das Hochhaus in Mittelfeld wirkt
auf den ersten Blick anonymer als die
familiäre Atmosphäre auf dem Land,
doch für die Betroffenen und ihre Angehörigen wiegen andere Aspekte stärker. „Ich kann jetzt selber einkaufen
und arbeiten gehen“, sagt Susanne
Nullmeier – ab sofort ist für sie alles
viel besser zu erreichen.
Das gilt auch für Klaus Engelhardt,
der im Rollstuhl sitzt, sich aber in dem
barrierefreien Gebäude und im Umfeld
nun selbstständig bewegen kann. Er
ist nicht zuletzt aus Hildesheim nach
Hannover gezogen, weil seine Eltern
und seine Schwester hier wohnen.
„Hier kann man gut mal rüberfahren,
in zehn Minuten ist man da“, sagt seine Mutter Elisabeth Engelhardt, die
da hin gehen. Deshalb muss das Leben zu ihnen kommen.“ In Mittelfeld
kommen viele Vorteile zueinander: In
einem Nebengebäude befindet sich
ein Arbeitsangebot für Menschen mit
Assistenzbedarf, die so genannte Tagesförderung. Einkaufsmöglichkeiten
sind zu Fuß erreichbar, und es gibt eine
gute Anbindung an den öffentlichen
Nahverkehr.
Das neue Wohnangebot ergänzt ein
bestehendes Angebot in Hannover für
Menschen mit Teilhabeschwierigkeiten
und psychosozialen Problemen, das
vor einem Jahr in Döhren eingerichtet
worden ist.
Ralf Neite
KONKRET VOR ORT
Fotos: Ralf Neite / Diakonie Himmelsthür
Das stimmt gleich doppelt: Das
neue Wohnangebot in Hannover-Mittelfeld für Menschen mit geistigen Behinderungen und besonders für Menschen
mit hohem Assistenzbedarf befindet
sich im zehnten Stock des Berufsbildungswerks vom Annastift.
Bild oben: Thea Maul übt mit Hilfe
von Mitarbeiter Daniel Iorio den Umgang mit der Kaffeemühle.
Bild links: Wolfgang Sitte, Mitarbeiter der Tagesförderung, zeigt eine
Erfindung der Diakonie Himmelsthür,
die behinderten Menschen den Umgang mit Filtertüten erleichtert.
alle Angebote der Tagesförderung präsentiert – und das ganz anschaulich
und handfest. „Wir müssen den Menschen die Möglichkeit geben, Bildung
zu begreifen“, erklärt Beate Gronau,
die Leiterin der Tagesförderung. So
können sie Papiere in Folie einlaminieren oder Werkstücke aus Holz glatt
schleifen, Getränke austeilen oder Papier herstellen.
Produziert werden in der Tagesförderung vor allem Dinge, die den
Menschen in den Wohngruppen bei
der Bewältigung ihres Alltags helfen.
Dazu gehört etwa ein Gerät, das ein
bisschen an einen Holzhammer ermiteinander.leben
innert. Es ist so geformt, dass auch
Menschen mit motorischen Einschränkungen damit problemlos eine Filtertüte öffnen können. Ein weiteres
Hilfsmittel unterstützt dabei, den Rand
der Filtertüten zu falzen. Erfunden
wurde beides von Mitarbeitenden der
Diakonie Himmelsthür. Die Produkte in
der Tagesförderung werden also nicht
zum Selbstzweck hergestellt, sondern
haben einen konkreten Nutzen. „Das
ist eine Form der Sinnstiftung“, ist
Beate Gronau überzeugt.
In der Tagesförderung werden die
Bewohnerinnen und Bewohner zudem
auf die Arbeit in einer anerkannten
Diakonie Himmelsthür
Februar 2012
In diesem Jahr ist geplant, eine
zusätzliche Tagesförderstätte in einem
Hildesheimer Stadtteil einzurichten.
Dort soll es dann auch Kooperationen
mit anderen Institutionen geben. Beate
Gronau denkt unter anderem an die
Eröffnung eines Kiosks, in dem behinderte und nicht behinderte Menschen
zusammenarbeiten. Dabei werden viele Kundinnen und Kunden trotz aller
Bemühungen um eine vollständige
Teilhabe immer professionelle Assistenz benötigen, wie Beate Gronau klarstellt: „Unsere Kunden brauchen mehr
Unterstützung, um wirklich teilhaben
zu können.“
Ralf Neite
17
Fotos: Ralf Neite
Aus dem beschaulichen Wietze in
die Landeshauptstadt: Für Susanne
Nullmeier ist dieser Tag ein ganz
besonderer. Ihr neues Zimmer ist
zwar noch völlig leer bis auf einen
Wäschesack, der in einer Ecke liegt.
Doch die Augen der 44-Jährigen
leuchten vor Freude, als sie sagt:
„Hier hat man ganz andere
Ausblicke. Ich möchte meinen
Stuhl genau vorm Fenster haben.“
Weihnachtsstollen à la Chef
Reif für die Bühne
Traditionelle Backaktion der CHG Catering Gesellschaft
Himmelsthür in Wildeshausen
Kinder und Jugendliche aus dem Haus Micha
in Emmerke verwirklichen ihr eigenes Musical
Im Urlaub kommen einem ja oft die
besten Gedanken. Bei der Ferienfreizeit im September 2010 in
Thyboron (Dänemark) entstand
die Idee, dass die Bewohnerinnen
und Bewohner des Hauses Micha
in Emmerke gemeinsam mit den
Mitarbeitenden ein Musical einstudieren und aufführen könnten. Noch
während der Freizeit wurde das
Drehbuch in groben Zügen geschrieben. Es sollte eine Weihnachtsreise
rund um den Globus werden.
Bild rechts: Gerhard Pilgrimm
schiebt die Stollen Richtung Ofen
Bild links: Karl Markus Herbener
holt den Teig aus der Teig-Knetmaschine zum Formen.
die belegten Backbleche in den großen
Heißluftofen. Auf das richtige Timing
kommt es an, weiß der Küchenleiter
und verrät: „Wir haben drei Versuche
gebraucht, um die ideale Temperatur
und Backzeit herauszufinden.“
Bevor die Stollen verpackt und verteilt werden, stehen sie sieben bis zehn
Tage in den Kühlhäusern, damit sie
gut durchziehen und ihren Geschmack
entfalten können. „Der Duft von den
Stollen hält sich noch wochenlang.
Das ist herrlich!“ schwärmt Gerald
Pilgrimm. Und für das Küchenteam in
Wildeshausen bleibt damit noch ein
bisschen Weihnachtsfeeling erhalten,
wenn die Festtage lange vorbei sind.
Elke Horstmann
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18
KONKRET VOR ORT
Zurück in Emmerke wurde für das
Musical ein pädagogisches Konzept
entwickelt, in das jede Bewohnerin und
jeder Bewohner eingebunden war. Zur
Aufführung – noch in ferner Zukunft im
Dezember 2011 – würden alle 30 Kinder
und Jugendlichen auf der Bühne stehen. Ein ehrgeiziges Unternehmen.
Zunächst wurde die Musik für die
„Weihnachtsreise“ ausgewählt, natürlich gemeinsam mit allen Akteurinnen und Akteuren. Hier waren viele
Wünsche zu berücksichtigen und unter
einen Hut zu bringen. Dann wurde die
Choreographie für die Tänze erarbeitet,
Songs mussten geschrieben werden,
die Geschichte benötigte noch einen
Feinschliff. Kostüme wurden genäht,
das Bühnenbild gebaut. Die Rollen
wurden unter Berücksichtigung der
unterschiedlichsten Begabungen und
miteinander.leben
täglich eine Probe statt – wohl bemerkt
nach einem langen Unterrichtstag in
der Schule! Es waren aber absolut
keine Ermüdungserscheinungen zu
verzeichnen. Schauspielerinnen und
Bühnenbildner, Tänzer und Sängerinnen, Tontechnikerinnen und nicht
zuletzt die Regisseurin waren allesamt
„heiß“.
Die Bühne wurde für drei Vorstellungen bestellt, abgeholt und von den
Bewohnerinnen und Bewohnern sowie
den Mitarbeitenden aufgebaut – alles
in Eigenregie. Wie im richtigen Theater verlief die Generalprobe noch ein
wenig chaotisch.
Am Premierentag war dem einen
oder der anderen vor Lampenfieber
ganz übel. Zur ersten Aufführung waren Eltern, Angehörige und Freunde der
Diakonie Himmelsthür
Februar 2012
Bild oben: „Alles was du kannst,
das kann ich viel besser“ frei nach
„Annie get your gun“.
Bild links: ...im heimischen Tannenwald herscht himmlische Ruhe und
der goldene Tannenzapfen hängt am
höchsten Baum.
Bild rechts: Der jüngste Schauspieler und Tänzer als Pinguin
Kinder und Jugendlichen eingeladen.
Das Haus Micha konnte stolze 100
Gäste begrüßen. Zur zweiten, öffentlichen Aufführung kamen sogar noch
50 Zuschauerinnen und Zuschauer
mehr. Beim dritten Mal im Rahmen
der alljährlichen Weihnachtsfeier des
Kinder- und Jugendbereiches in Sorsum
waren schließlich sage und schreibe
250 Menschen im Publikum. Bei allen
drei Vorstellungen gab es donnernden
Applaus. Das Projekt Musical hat allen
Mitwirkenden, 54 an der Zahl gezeigt,
dass man gemeinsam über sich hinauswachsen kann.
Eveline Rudnick
19
Fotos: Diakonie Himmelsthür
Die Idee, selbstgebackene Weihnachtsstollen zu verschenken, hatte
CGH-Geschäftsführer Karl Markus Herbener vor vier Jahren. Seitdem lässt er
es sich nicht nehmen, bei der jährlichen
Backaktion selbst den Teig zu rühren
und zu kneten, und kommt dafür extra
zwei Tage nach Wildeshausen. „Wir
backen die Stollen jedes Jahr in Wildes-
hausen, das ist hier ein eingespieltes
Team“, erzählt Karl Markus Herbener.
Und den Teamgeist kann man sehen:
Die einzelnen Arbeitsschritte gehen
Hand in Hand, alles läuft wie am
Schnürchen. Innerhalb kürzester Zeit
rühren Karl Markus Herbener, Küchenleiter Gerald Pilgrimm und Auszubildender Manuel Schröder gewaltige
Mengen Teig an und formen ihn zu
kleinen runden Stollen. Immerhin 100
Kilogramm Mehl, 40 Kilo Rosinen, 840
Eier und noch viele andere Zutaten
werden in den zwei Tagen zu insgesamt 336 Kilo Stollenteig verarbeitet.
Eine große Teig-Knetmaschine übernimmt den anstrengendsten Teil der
Arbeit, aber vieles ist auch noch echte
Handarbeit. Zuletzt rollt Karl Markus
Herbener die Marzipanmasse in jeden
Stollen, dann schiebt Gerald Pilgrimm
Fotos: Diakonie Himmelsthür
Ende November duftete es für
einige Tage wunderbar nach Weihnachtsbäckerei in der Wildeshauser
Küche der CGH Catering Gesellschaft Himmelsthür. Kein Wunder,
es wurden ja die Weihnachtsstollen für Bewohnerinnen und
Bewohner sowie Mitarbeitende
der Diakonie Himmelsthür
gebacken. 420 Stollen hat ein
dreiköpfiges Team gebacken.
Talente der Schauspieler in spe besetzt.
Im Sommer 2011 konnten endlich die
Proben beginnen. Es war erstaunlich
zu beobachten, mit welchem Eifer die
jungen Schauspieler und Tänzerinnen
bei der Sache waren. Unermüdlich übten sie Tanz, Gesang und Sprechrollen
ein. Während der Proben gab es immer
wieder kleine Veränderungen der einzelnen Szenen, die die „Weihnachtsreise“ noch interessanter werden ließen. Zwei Wochen vor der geplanten
Premiere fand von Montag bis Freitag
Sechster Fachtag Inklusion in Hildesheim
dient zum Abgleich von Erfahrungen und Zielen
Landesbeauftragter für Menschen mit Behinderung besucht Wohnbereich in Burgstemmen
Zum sechsten Mal hat die
Diakonie Himmelsthür in
Hildesheim Fachleute und
Interessierte zum Fachtag
Inklusion eingeladen.
Anfangs sei Manches noch
graue Theorie gewesen, in den
zurückliegenden zweieinhalb Jahren
habe man jedoch viele praktische
Erfahrungen sammeln können,
sagte Direktor Ulrich Stoebe bei
seiner Begrüßung. Die erste und
wichtigste laute: „Es geht wirklich!“
Die Poppenburg in Burgstemmen
ist seit März des vergangenen
Jahres das neue Zuhause für 21
Kundinnen und Kunden aus Sorsum.
Die Bewohnervertretung hat nun
den Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung, Karl Finke,
zu einem Besichtigungstermin
in die Burg eingeladen. Matthew
Jackson führte als Vorsitzender der
Bewohnervertretung Karl Finke und
dessen Assistentin Ina HoffmannGlaß durch den Wohnbereich.
20
„Wir müssen noch wendiger und
flexibler werden, in kleinen Einheiten
denken“, lautet Judith Hoffmanns Vor-
Bilder rechts: Judith Hoffmann,
Andreas Enzmann, Dunja Wörthmann
(von oben nach unten)
Bild links: Inklusion funktioniert
auch ganz spielerisch wie bei diesem
Intermezzo des Fachtags: Eugenia
Meranke bei einer „Feedback-Performance“ des Unternehmenstheaters
„Narrenspiegel“.
gabe für die Zukunft. Um diesem Ziel
näher zu kommen, sollen in Hildesheim
nicht nur Wohnmöglichkeiten, sondern
schon in diesem Jahr auch Förderangebote in die Stadt verlegt werden.
Andreas Enzmann von der NiederRamstädter Diakonie berichtete von
ähnlichen Prozessen. In dem hessischen Unternehmen werde die Zentrale aufgelöst und in einen normalen
Stadtteil verwandelt, neue barrierefreie
Wohnungen entstünden in Zentrumsnähe. Enzmann nahm die früheren
Aktivitäten der Eingliederungshilfe
kritisch unter die Lupe: „Unsere Großeinrichtungen hospitalisieren und verhindern Integration.“ Deshalb habe
sich die Nieder-Ramstädter Diakonie
beim Umgang mit ihren alten Heimen
für einen kompromisslosen Kurs entschieden: „Wir bauen nicht zurück, wir
machen platt.“
Das neue Domizil biete den Kundinnen und Kunden Weitläufigkeit und
Bewegungsfreiheit in einem geschützten Raum, erklärte Wohnbereichsleiterin Beate Schubert. Viele der Menschen
seien eigengefährdet, könnten sich
nicht orientieren und nicht sicher im
Straßenverkehr bewegen. Im Gegensatz zum früheren Wohnen in Sorsum
Inklusion sei allerdings eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft, sagte
Dunja Wörthmann von der AlsterdorfAssistenz Hamburg: „Wir als Behindertenhilfe können keine Inklusion
machen, sondern nur die nötigen
Strukturen schaffen.“ Sie plädierte
dafür, den gesamten Sozialraum in
den Blick zu nehmen, wenn Menschen
aus großen Heimen in normale Stadtwohnungen umziehen. „Vom Fall ins
Feld“, lautete ihre Devise. Das Leben
im Stadtteil biete viele Chancen zur
Vernetzung und Kooperation. „Gehen
Sie kleine Schritte“, riet Dunja Wörthmann, und: „Pressen Sie ihre Klienten
nicht in die bekannten, vorgegebenen
Strukturen!“
Leserbriefe
Diesem Anspruch stellte sich der
Fachtag auf seine eigene Weise: Erstmals waren nicht nur Fachleute, sondern auch Betroffene in nennenswerter
Zahl unter den Gästen. Zwei von ihnen
nahmen an der abschließenden Podiumsdiskussion teil, berichteten von
ihren Erlebnissen und Plänen nach
dem Umzug in die Stadt. Auch das
heißt Inklusion: Man redet miteinander
– nicht übereinander.
Ralf Neite
KONKRET VOR ORT
gebe es nun die Möglichkeit, gefahrlos
und auf eigenen Entschluss nach draußen in den Burghof oder in den Garten
zu gehen. „Endlich ist nicht mehr die
Haustür zu“, so Beate Schubert. Seitdem die Menschen nicht mehr auf so
engem Raum zusammenlebten, gebe
es auch weniger Konflikte.
„Hier läuft Inklusion andersrum“,
erklärte Gabriele Greve, die als Mutter
einer Kundin der Bewohnervertretung
angehört. Die Menschen aus Burgstemmen besuchten die Burg beispielsweise zum lebendigen Adventskalender,
auch ein gemeinsames Kunstprojekt
sei geplant. Die Kundinnen und Kunden
erhielten therapeutische Reitstunden
beim ortsansässigen Reitverein oder
ein Reittherapeut komme mit Pferden
zur Burg, ergänzte Beate Schubert.
Auch nutze der Verein Dorfkultur das
Schäferhaus auf dem Burggelände.
Matthew Jackson, Vorsitzender der Bewohnervertretung, zeigt dem Besuch
die Poppenburg: (von links) Wohngruppenmitarbeiter Jan Kroupa, Wohnbereichsleiterin Beate Schubert, Matthew
Jackson und Landesbeauftragter Karl
Finke.
Es sei wichtig auf dem Weg zur
Inklusion, dass Menschen mit Behinderung nicht nur Angebote innerhalb
ihrer Einrichtungen erhielten, sondern
auch örtliche Sportvereine oder Kurse der Volkshochschulen besuchen
könnten, meinte der Landesbeauftragte Karl Finke. So gelinge Menschen mit
Behinderung oft ein „automatisches
Lernen“. Zum Teil lasse sich ja kaum
ausmachen, ob Defizite wirklich von
der Behinderung herrührten oder von
der Sozialisation. Die Diakonie gehöre
zu den drei Einrichtungen im Land, „die
sich da bewegen“.
Ralf Neite
Die Stimmen unserer Leserinnen und Leser
Foto links: Diakonie Himmelsthür, Fotos oben: Ralf Neite
Ulrich Stoebe räumte allerdings
ein: „Nicht alles, was man sich vornimmt, klappt hundertprozentig.“ Das
sei auch kein Wunder, weil man einen
neuen, kaum erkundeten Weg beschreite. Zudem gebe es „kein Normkonzept
Inklusion“, sondern alle Maßnahmen
müssten sich am konkreten, einzelnen Menschen orientieren. Trotz dieser
Einschränkungen stehe der Weg an
sich nicht in Frage, betonte Stoebe vor
mehr als 100 Gästen, darunter Astrid
Fennen vom niedersächsischen Sozialministerium und Ingrid Mellin vom Landeselternrat.
Judith Hoffmann, seit Mitte Oktober die neue Geschäftsführerin der
Region Hildesheim, sagte, sie sei
beeindruckt, wie viele neue Ideen in
kürzester Zeit angestoßen und auch
umgesetzt worden seien. 116 Wohnplätze in der Sorsumer Zentrale sind
bereits abgebaut und in stadtnahe
Angebote umgewandelt worden.
Führung durch die Poppenburg
Abgerundetes Erscheinungsbild
Sehr geehrter Herr Jackson,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich bedanke mich bei Ihnen heute nochmals herzlich für Ihre ausführliche Führung durch die Poppenburg.
Sie haben sich viele Gedanken gemacht, wie Sie
mir, als sehbehindertem Menschen, die Räume gut
erklären können.
Es hat mich beeindruckt, wie dick die Burgmauern
sind und wie lang der Flur ist. Auch die vielen Fenster,
die viel Licht in die Räume bringen, konnte ich mir
gut vorstellen.
Sicher haben Sie sich viel Zeit zum Überlegen genommen. Hierfür bedanke ich mich.
Meine besten Grüße auch an Frau Hoffmann und
Frau Schubert.
Karl Finke,
Landesbeauftragter für
Menschen mit Behinderungen
beim Nds. Ministerium für Soziales,
Frauen, Familie, Gesundheit und Integration
ich gratuliere zu einem alles in allem „abgerundeten“ Erscheinungsbild der “miteinander.leben“ Zeitschrift.
Das neue Layout vermittelt deutlich mehr Ruhe und
Struktur als das vorherige, die Farbbalken am Seitenrand komplettieren diesen Eindruck, zumal sie sehr
schön die einzelnen Themenbereiche „untermalen/unterstreichen“.
KONKRET GESAGT
Weiter gutes Gelingen !
Mit freundlichen
Grüßen
Frank Wägeling,
Diakonie
Himmelsthür
21
Foto: Ralf Neite
Es geht wirklich!
Bewegungsfreiheit
im geschützten Raum
Termine
Kontakt
Ambulante Angebote
Hildesheim
Alten- und Krankenpflege
Tel.: 05121 604-449
Fax: 05121 604-88449
info@lambertinum.net
– 17. März
Unterstützte
Kommunikation
Info-Nachmittag
Ambulant betreutes Wohnen
Tel.: 05121 604-149
Fax: 05121 604-88149
abw@lambertinum.net
14:00 - 18:00 Uhr
Ernst-Kipker-Sporthalle
Wildeshausen
– 27. April
Frühlingsfest
mit Maibaumsetzen
– 06. Mai
Kirchweih
Jubiläen
Wir gratulieren herzlich
den Mitarbeitenden, die im vierten
Quartal 2011 ihr 25jähriges Jubiläum
in der Diakonie Himmelsthür gefeiert
haben:
Stephanie Merten
Birgit Müschen
Horst Müller
Petra Hakemann
Käthe Dove
Anke Wemken
Die Öffnungszeiten
erfragen Sie bitte über
die Kontaktmöglichkeiten.
Unterstützte
Kommunikation
Stadtweg 100
31139 Hildesheim
OT Sorsum
Tel.: 05121 604-125
Fax: 05121 604-88125
petra.witting@dw-hi.de
Region Niedersachsen Nord
(Wildeshausen)
Beratungsstelle:
Henning Baden
Dr.-Klingenberg-Straße 96
27793 Wildeshausen
Tel.: 04431 83-678
henning.baden@dw-hi.de
Morgenlicht
Beratung für Eltern von Kindern
mit geistiger Behinderung
Familienbüro Hildesheim
Peinerstraße 6
31137 Hildesheim
Tel.: 05121 604-433
Fax: 05121 604-103
morgenlicht@dw-hi.de
Region Niedersachsen Mitte
(Barsinghausen in Planung,
Bennigsen, Hannover,
Lüdersen/Springe, Nienburg,
Triangel/Gifhorn, Wietze)
Beratungsstelle:
Sigrid Jahnel
Angerstraße 6
30161 Hannover
Tel.: 0511 640-608990
Mobil: 0162 2182422
sigrid.jahnel@dw-hi.de
Regionale Ansprechpartner
Udo Lau
Marion Apostel
Heike Wittwer
Sie wünschen
– Informationen über die
Diakonie Himmelsthür?
– einen Besuch in
unserer Einrichtung?
– ein persönliches Gespräch?
Wenden Sie sich bitte an
unser Kundenmanagement:
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22
Wir bieten Ihnen:
– individuelle Beratung von
Angehörigen und Familien
– persönliche Begleitung
von der ersten Anfrage
bis zur Aufnahme in ein
passendes Angebot
– Informationen zu
allen Angeboten der
Diakonie Himmelsthür
– Vermittlung von weiterführenden Angeboten
Sie erreichen uns über die
zentrale Servicenummer
Tel.: 05121 604-440
Diakonie Himmelsthür
Stadtweg 100
31139 Hildesheim
beratung@dw-hi.de
Diakonie Himmelsthür
ist eine eingetragene Marke der
Diakonischen Werke Himmelsthür in Hildesheim e.V.
Hier finden Sie die regionalen
Ansprechpartner:
Kinder- und Jugendbereich
(Emmerke und Sorsum)
Beratungsstelle:
Reinhard Komischke-Mast
Stadtweg 107b
31139 Hildesheim
Tel.: 05121 604-124
Fax: 05121 604-103
reinhard.komischke-mast@dw-hi.de
Beratungsstellen
– 22. April
Konfirmation in
der Elisabethkirche
Sie suchen eine Beratung
in Ihrer Nähe oder möchten
einen Kundenmanager direkt
erreichen?
Region Hildesheim
(Hannover-Döhren,
Hildesheim, Nordstemmen,
Sorsum)
Beratungsstelle:
Monika Mai
Stadtweg 107
31139 Hildesheim
Tel.: 05121 604-365
Mobil: 0162 2182434
Fax: 05121 604-88365
monika.mai@dw-hi.de
Region Niedersachsen Süd
(Bad Pyrmont, Bad Salzdetfurth,
Holle, Marienhagen, Oelber,
Osterwald, Salzhemmendorf )
Beratungsstelle:
Tugba Schwarzer
Marktstraße 40
31162 Bad Salzdetfurth
Tel.: 05121 604-430
Mobil: 0162 2182435
tugba.schwarzer@dw-hi.de
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BLZ: 251 205 10
Konto-Nr.: 441 110 0
Diakonische Wohnheime
Himmelsthür gGmbH
Bischofskamp 24
31137 Hildesheim
Tel.: 05121 604-425
Fax: 05121 206-8899
verwaltung@dwo-hi.de
www.diakonischewohnheime.de
Gemeinschaftswäscherei
Himmelsthür gGmbH
Am Nordfeld 4
31139 Hildesheim
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Fax: 05121 80919-199
info@gwh-hildesheim.de
www.gwh-hildesheim.de
proWerkstätten
Himmelsthür gGmbH
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Fax: 05121 604-453
info@prowerkstaetten.de
www.prowerkstaetten.de
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Stadtweg 100
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burghard.guschel@dw-hi.de
www.cateringhimmelsthuer.de
Lambertinum soziale
Dienste Himmelsthür gGmbH
Hohenstaufenring 70a
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Tel:
05121 604-449
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www.lambertinum.net
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Auflage: 6.800 Exemplare
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung
und Quellenangabe. © 2012 Diakonie Himmelsthür
Erscheinungsweise: vierteljährlich
KONKRET GESAGT
miteinander.leben
Diakonie Himmelsthür
Februar 2012
23
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