Typ 1 Diabetes
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Diabetes mellitus Typ 1 08. Oktober 2013, 19:00 Uhr Dr. rer. nat. Brit Kieselbach Institut für Medizinische Diagnostik Berlin, Nicolaistraße 22, 12247 Berlin +49 3077001-220, info@inflammatio.de Diabetes mellitus Typ 1: Synonyme und ältere Bezeichnungen • Zuckerkrankheit • autoimmuner Typ-1-Diabetes (T1D) • juveniler Diabetes mellitus • insulinabhängiger Diabetes mellitus (IDDM) Definition: Diabetes mellitus Sammelbegriff für heterogene Störungen des Glukosestoffwechsels mit dem Leitbefund der chronischen Hyperglykämie. Ursache ist entweder eine gestörte Insulinsekretion oder eine gestörte Insulinwirkung oder auch beides zählt zu den großen „Volkskrankheiten“ Klassifikation des Diabetes mellitus (Amerikanische Diabetesgesellschaft 1997) Diabetes mellitus Typ 1 Diabetes mellitus Typ 2 Diabetes mellitus andere DiabetesTypen SchwangerschaftsDiabetes • Typ 1A: immunologisch vermittelt • Typ 1B: idiopathisch (in Europa selten) z.B. • Genetische Defekte der Beta-Zellfunktion (z.B. MODY) • Erkrankungen des exokrinen Pankreas (z.B.Pankreatitis) • Medikamenten- oder chemikalieninduzierte Form Der Typ 1A–Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung • chronische Erkrankung • absoluter Insulinmangel mit einem Insulinmangelsyndrom: lebenslange Substitutionstherapie mit exogenem Insulin erforderlich! • abrupter Beginn (Tage bis Wochen) mit plötzlich einsetzenden Beschwerden und Symptomen • tritt bevorzugt in jüngeren Lebensjahren auf, kann sich jedoch auch im späteren Lebensalter (LADA) manifestieren Differenzialdiagnostische Kriterien für Typ-1- und Typ-2-Diabetes bei Diagnosestellung Typ-1-Diabetes Typ-2-Diabetes • Manifestationsalter meist Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene meist mittleres und höheres Erwachsenenalter • Auftreten / Beginn akut bis subakut meist schleichend • Symptome häufig Polyurie, Polydipsie, Gewichtsverlust, häufig keine Beschwerden Müdigkeit • Körpergewicht meist normgewichtig meist übergewichtig • Ketoseneigung ausgeprägt fehlend oder gering • Insulinsekretion vermindert bis fehlend subnormal bis hoch, qualitativ immer gestört • Insulinresistenz keine (oder nur gering) oft ausgeprägt • familiäre Häufung gering typisch • Konkordanz bei 30 bis 50% über 50% multifaktoriell (polygen) multifaktoriell (sehr wahrscheinlich polygen, eineiigen Zwillingen • Erbgang genetische Heterogenie möglich) • HLA-Assoziation vorhanden nicht vorhanden • Diabetes-assoziierte ca. 90–95% bei Manifestation fehlen Antikörper (GAD, ICA, IA-2, IAA) • Stoffwechsel labil stabil • Ansprechen auf ß- meist fehlend zunächst meist gut erforderlich meist erst nach jahrelangem Verlauf der Erkrankung mit Nachlassen der Insulinsekretion zytotrope Antidiabetika • Insulintherapie Quelle: Kerner W, Brückel J Diabetologie 2011 LADA: Typ 1-Sonderform Latent Autoimmune Diabetes of Adults Klinische Merkmale: - Alter der Patienten meist >25 Jahre - klinisches Bild eines “schlanken” Typ 2-Diabetikers - Patienten (25.-35. Lj.) mit Erstdiagnose Typ 2-Diabetes: ca. 1/3 LADA - Patienten (50.-70. Lj.) mit Erstdiagnose Typ 2-Diabetes: ca. 8% LADA - Patient spricht zu Beginn auf eine Typ 2-Therapie an (Diät, Antidiabetika) - Insulinpflichtigkeit entwickelt sich binnen weniger Monate bis Jahre - langsamere Zerstörung der Inselzellen analytische Eigenschaften: - niedrige C-Peptid-Konzentration nach Fasten und Glucose-Stimulation - positive Autoantikörper Epidemiologie des Typ 1- Diabetes • Prävalenz: 0,4 % der Bevölkerung, 4,0 % bei Verwandten 1. Grades • Inzidenz: 3,4 % ansteigend pro Jahr weltweit (Verdopplung in den letzten 30 Jahren!) Typ 1-Diabetes ist Ursache für: ca. 90% aller Diabetesfälle bei Kindern und Jugendlichen ca. 5-10% aller Diabetesfälle bei Erwachsenen Symptome des Typ 1-Diabetes • Beginn der Krankheit: oft eine bis zu Bewusstseinsverlust gehende ketoazidotische Stoffwechselentgleisung als Manifestationskoma • starke Gewichtsabnahme innerhalb von Tagen bis Wochen • Exsikkose, häufiges Wasserlassen • Ständiges Durstgefühl • Erbrechen • Allgemeinsymptome (Müdigkeit, Kraftlosigkeit, Seh- und Konzentrationsstörungen) Stadien des Typ 1-Diabetes 1. Prä-Autoimmunität (genetische Prädisposition) 2. Auftreten von Insel-Autoimmunität (Bildung von Autoantikörpern) 3. Klinische Manifestation Insel-Autoimmunität = selektive Zerstörung der Betazellen durch das Immunsystem (T- und B-Zellen) Verlauf des Typ 1-Diabetes Funktion der Beta-Zellen (%) unbekannter Auslöser Umweltfaktoren, virale Infektionen? 100 genetische Prädisposition 50 Insulinpflicht 0 frühe Insulitis Quelle: Euroimmun AG RemissionsInsulitis mit klinische phase Beta-Zell-Verlust Manifestation Insulinpflicht Zeit (Jahre) Im Verlauf des Typ 1-Diabetes kann es zu verschiedenen Folgeschäden kommen Typ 1- Diabetes mellitus Primäre Komorbiditäten Autoimmunthyreoiditis Zöliakie Hypothyreose Malabsorption Sekundäre Komorbiditäten Mikroangiopathie Makroangiopathie Neuropathie Arterioskerose Retinopathie koronare Herzkrankheit Nephropathie Erhöhte Morbidität und Mortalität Quelle: Charpentier Diss. 2008 Typ 1 Diabetes - assoziierte Autoimmunerkrankungen - ca. 5x häufiger als in der Normalbevölkerung - zu diesen Autoimmunkrankheiten zählen: 1. Autoimmunthyreoiditis, 2. Zöliakie, 3. Morbus Basedow, 4. Morbus Addison, 5. Vitiligo, 6. Alopezie, 7. Hypogonadismus, 8. perniziöse Anämie können den Krankheitsverlauf eines Typ 1Diabetes negativ beeinflussen! Im Verlauf des Typ 1-Diabetes kann es zu verschiedenen Folgeschäden kommen Typ 1- Diabetes mellitus Primäre Komorbiditäten Autoimmunthyreoiditis Zöliakie Hypothyreose Malabsorption Sekundäre Komorbiditäten Mikroangiopathie Makroangiopathie Neuropathie Arteriosklerose Retinopathie koronare Herzkrankheit Nephropathie Erhöhte Morbidität und Mortalität Quelle: Charpentier Diss. 2008 Ursachen des Typ 1-Diabetes genetische Prädisposition exogene Faktoren (z.B. virale Infekte, Ernährung) Immundysregulationen Erkrankungsrisiko bei Trägern der HLAMerkmale DR3/DQ2 und/oder DR4/DQ8 90 %: keine familiäre Vorbelastung Typ 1-Diabetiker 10 %: genetisch prädisponiert 90-95 %: DR4/DQ8 oder DR3/DQ2 Erkrankungsrisiko Normalbevölkerung 2 IDDM-assoziierte HLA-Merkmale 0.3 % 4% Verwandte 1.Grades von Diabetikern keine IDDM-assoziierten HLA-Merkmale 1 IDDM-assoziiertes HLA-Merkmal 2 IDDM-assoziierte HLA-Merkmale 1% 3-5 % 20-40 % Gendosiseffekt Ursachen des Typ 1-Diabetes 1.genetische Prädisposition 2. exogene Faktoren (z.B. virale Infekte, Ernährung) 3.Immundysregulationen Umweltfaktoren beeinflussen zu 50% die Entwicklung des Typ 1-Diabetes. Umweltfaktoren, die eine Erkrankung an Typ 1-Diabetes bedingen könnten: 1. Virusinfektionen: Mums-, Röteln- und Coxsackie-Viren 2. perinatale Umwelteinflüsse: z.B. Kaiserschnitt 3. frühkindliche Ernährung: prädisponierte Kinder mit glutenhaltiger Ernährung vor dem 4.Lebensmonat entwickelten zu 100 % Autoantikörper 4. Umweltschadstoffe? Ursachen des Typ 1-Diabetes 1.genetische Prädisposition 2.exogene Faktoren 3.Immundys(z.B. virale Infekte, regulationen Ernährung) Immundysregulation geht mit der Bildung von Autoantikörpern (AAk) einher Progrediente Zerstörung der Insulinproduzierenden Betazellen in den Langerhansschen Inseln des Pankreas Zerstörung durch körpereigenes Immunsystem: T-Zellen / B-Zellen, B-Zellen bilden AAk gegen Inselzellen Verlust der Insulinausscheidung Insel-Autoimmunität Euroimmun AG Autoantikörper sind die am häufigsten verwendeten Immunmarker für die Diagnostik eines Typ 1-Diabetes: AAk gegen: Inselzell-AAk (ICA) Glutamat-Decarboxylase = GAD-AAk (GADA) Tyrosin-Phosphatase = IA2-AAk Insulin = IAA Zink-Transporter 8 = ZnT8-AAk Abb.: modifiziert nach Euroimmun AG weitere... Immunfluoreszenztechnik (IFT) ELISA / RIA Beispielbefund: Nachweis von positiven AAk gegen Inselzellen (ICA), GAD und IA2 Inselzell-AAk (ICA) GAD-AAk Euroimmun AG IA2-AAk Autoantikörper-Prävalenz bei Patienten mit Typ 1-Diabetes 0 5 10 100% 90% 90% 80% 15 20 25 Insulin-AAk 30 20% Inselzell-AAk GAD-AAk IA2-AAk 70% 50% AAk-Spiegel fallen im Laufe der Erkrankung ab Abb. modifiziert nach Euroimmun AG 70% Alter (Jahre) Zeitlicher Verlauf der Autoantikörper (AAk) frühe Insulitis Insulitis mit Beta-Zellklinische RemissionsInsulinpflicht phase Verlust Manifestation Beta-ZellFunktion (%) Zeit Insulin-AAk Inselzell-AAk GAD-AAk IA2-AAk Beginn der BetaZell-Autoimmunität Quelle: Euroimmun AG Beginn der BetaZell-Zerstörung Prävalenz der Autoantikörper in Risikopopulationen Allgemeinbevölkerung 0,4% Risikopopulationen: Patienten mit APS Typ 2 50% Verwandte 1. Grades von Typ 1-Diabetikern 5-10% Patienten mit APS Typ 1 5% Patienten mit Zöliakie 5% Erkennung und Zuordnung von Frühsymptomen für optimale Therapie, Prävention Quelle: Euroimmun AG APS = Autoimmunes polyglanduläres Syndrom Autoantikörper (AAk) sind wertvolle Marker des Typ 1-Diabetes: erlauben die frühzeitige Diagnose eines Typ 1-Diabetes Warum so wichtig? - Frühsymptome einer Erstmanifestation rechtzeitig erkennbar und besser einschätzbar (z.B. Vermeidung von schweren Stoffwechselentgleisungen) - mögliche Teilnahme an Studien/ Therapiemaßnahmen sind viele Jahre vor der klinischen Manifestation nachweisbar! Autoantikörper (AAk) sind wertvolle Marker des Typ 1-Diabetes: ermöglichen die Verlaufskontrolle eines beginnenden oder bereits bestehenden Autoimmunprozesses sind nur bei Persistenz relevant für die Entwicklung des Typ 1-Diabetes sollten in angemessenen Zeitabständen (1–3 Jahre, in Abhängigkeit vom Alter und Diabetesrisiko) kontrolliert werden Insel-Autoantikörper-Frequenz (%) Autoantikörper stellen spezifische Marker für die Differentialdiagnose zwischen autoimmunen (Typ 1) und nicht-autoimmunen Diabetes dar 100 mind. 1 Autoantikörper mind. 2 Autoantikörper 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 klinischer Typ 1Diabetes Quelle: Achenbach, Diabetologe 2008 klinischer Typ 2Diabetes Insulinbedürftiger Gestationsdiabetes Das Typ 1-Diabetes-Risiko hängt von der Art der Autoantikörper-Antwort ab Diabetesrisiko Anzahl + Spezifität versch. AAk Faustregel: Patientenalter Je früher und intensiver die AAk-Antwort, desto höher ist das Erkrankungsrisiko! Quelle: Achenbach et al, Der Diabetologe 2008 AAk = Autoantikörper AAkKonzentration Bei Vorhandensein mehrerer AAk erhöht sich das Risiko deutlich, an Typ 1-Diabetes zu erkranken (Spezifität 98%) Erkrankungsrisiko bei Verwandten 1.Grades von Diabetikern 1 AAk: > 1 AAk: ca. 20 % innerhalb von 10 Jahren > 50 % innerhalb von 5 Jahren ca. 92 % innerhalb von 10 Jahren Erkrankungsrisiko ohne familiäre Belastung • 10-fach verringerte Häufigkeit der AAk • verschiedene AAk positiv (Insulin-, ICA, GAD-, IA2-AAk) hohes Erkrankungsrisiko! Quelle: Achenbach et al, Diabetologe 2008 Nahezu alle jungen Menschen erkranken an Diabetes mellitus Typ 1 innerhalb von 20 Jahren nach dem ersten Auftreten multipler Autoantikörper (AAk). Studie: Beobachtung von 13.377 Kindern über 20 Jahre Über 1000 Kinder entwickelten AAk und Typ 1-Diabetes: 474 Kinder = 1 AAk 585 Kinder = >1 AAk keine AAk Quelle: Ziegler et al, JAMA 2013 15 % innerhalb von 10 J. 70 % innerhalb von 10 J. 85 % innerhalb von 15 J. ~100 % innerhalb von 20 J. 0,4 % innerhalb von 10 J. Je früher Autoantikörper auftreten, desto schneller entwickelt das Kind einen Typ 1-Diabetes! BABYDIAB-Studie: Manifestation von Typ 1-Diabetes bei Kindern mit familiärer Belastung und AAk-Nachweis im... 1. Lebensjahr: 2. Lebensjahr: 5. Lebensjahr: 50 % innerhalb von 2 Jahren 17 % innerhalb von 2 Jahren 7 % innerhalb von 2 Jahren Achtung: Kinder von Typ 1-Diabetikerinnen weisen im 1. Lebensjahr Autoantikörper auf, die von der Mutter übertragen wurden. Diese verschwinden meist im Laufe des ersten Lebensjahres wieder. Beispielbefund: Kind (8 Jahre) multiple hochpositive Autoantikörper nachweisbar hohes Erkrankungsrisiko Beispielbefund: Erwachsener (33 Jahre) Insulin-AAk nur mäßig erhöht Frage: Typ 2-Diabetes oder eher Typ 1-Diabetes? Empfehlung: Bestimmung aller noch fehlenden Typ 1-Diabetes-assoziierten Autoantikörper: Inselzell-AAk (ICA), GAD-AAk, IA2-AAk Folgeuntersuchung: ICA, GAD-AAk, IA2-AAk • Nachweis von multiplen AAk • Hinweis auf Diabetes mellitus Typ 1 / LADA • hohes Risiko für baldige Insulinpflichtigkeit Beispielbefund: Erwachsener (78 Jahre) Keine Autoantikörper nachweisbar, HLA-positiv Träger der HLA-Merkmale müssen nicht erkranken Beispielbefund: Erwachsener (66 Jahre) 3 verschiedene AAk deutlich positiv (ICA, GAD-, IA2-AAk) : Verdacht auf LADA –Diabetes, sehr hohes Risiko für baldige Insulinpflichtigkeit Beispielbefund: Erwachsener (45 Jahre) Inselzell-Autoantikörper (ICA) grenzwertig positiv, aber IA-2-AAk, Insulin-AAk und GAD-AAk negativ.... • • • Nachweis von nur 1 schwach positiven AAk: geringes Erkrankungsrisiko Kontrolle des grenzwertigen AAk nach ca. 6 Wochen Regelmäßige Untersuchungen empfohlen Beispielbefund: Kind (10 Jahre) Verlaufskontrolle von anfangs grenzwertigen Insulin-AAk Regelmäßige Verlaufskontrollen angeraten, weil weitere AAk positiv werden können und die Konzentration ansteigen kann... Nach 6 Monaten: Indikationen für die Bestimmung der AAk ● Frühdiagnose eines Typ 1-Diabetes, Vorhersage des Risikos bei Verwandten 1. Grades von Typ-1-DiabetesPatienten ● Differenzierung zwischen Typ 1-Diabetes (LADA) und Typ 2-Diabetes ● Differentialdiagnose bei Frauen, die während der Schwangerschaft einen Typ 1-Diabetes entwickeln (Gestationsdiabetes) ● Vorhersage einer Insulinpflichtigkeit ● Kinder mit Zöliakie oder Personen mit anderen Autoimmunerkrankungen Institut für Medizinische Diagnostik Berlin, Nicolaistraße 22, 12247 Berlin +49 3077001-220, info@inflammatio.de