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ICON FEBRUAR 2015 Februar 2015 HUGO BOSS AG Phone +49 7123 940 HUGOBOSS.COM DPA/STEPHEN CHERNIN Von wegen Modepuppen! D MARIO TESTINO er Designer Thom Browne provoziert gern mit subtilem Humor. Und er hat ein Händchen (oder Stylisten) dafür, seine Schauen mit kleinen Szenen zu ergänzen, die sich für kunstvolle Fotos eignen. Natürlich geht es ihm darum, die anwesenden Gäste zu unterhalten, er weiß aber auch um die (Werbe-) Kraft von Bildern, die über den rein modischen Aspekt hinausgehen und schon deswegen gute Chancen auf Verbreitung haben. Die beiden Schaufensterpuppen, die bei der Präsentation der nun aktuellen Frühjahrskollektion in der ersten Reihe saßen, sind, klar, echte Models. Ohne die Inszenierung dramatisch zu überhöhen, könnte man im Subtext die Aufforderung lesen, stets genau hinzuschauen. Nicht jede Puppe ist ein Püppchen! Und dass Mode auch im gesellschaftlichen Kontext steht, ist hinlänglich bekannt. Wir haben diese erste Ausgabe im neuen ICON-Jahr deswegen einer Tugend gewidmet, die heute oft genug skeptisch betrachtet wird: Persönlichkeit. Die nicht mit Egoismus zu verwechseln ist. Persönlichkeit hat mit Erfahrung, Freiheit, Wahrhaftigkeit, Courage, Empfindsamkeit zu tun. Und in dieser Saison wieder mit dem wunderbaren 70er-Jahre-Cordsamt. Nehmen Sie also bitte ganz entspannt Platz in unserer Front Row. JULIA FREITAG Seit fast 20 Jahren arbeitet die gebürtige Berlinerin in der Fashionbranche: als Stylistin in Paris und München, als Modechefin bei den Zeitschriften „Glamour“ und der deutschen „Vanity Fair“. Für Letztere zog die ausgebildete Modedesignerin vor bald neun Jahren zurück in die Hauptstadt, wo sie bis heute lebt und von wo aus sie auch das eigene Online-Magazin „styleproofed.com“ betreibt. Und wenn die 41-Jährige mal gerade nicht auf den internationalen Modeschauen unterwegs ist, Models und Prominente einkleidet, Marken berät oder Trendvorträge hält? Dann liebt sie es, von der Mode eine Pause einzulegen, indem sie Zeit rund um ihr Häuschen „im Grünen“ verbringt – beim Gärtnern oder mit ihrem Hundewelpen „Rettich“. Erdverbundenheit zeigte sie auch bei der Wahl des Ortes für ein Shooting dieser Ausgabe: In der texanischen Prärie inszenierte sie für uns Leder, Luxus und – vor allem – Lebenslust. Lassen Sie sich unbedingt anstecken. Ab Seite 66 AUF DEM COVER: Bikerjacke und Hose aus Samt von Louis Vuitton. Ohrringe, Clutch, Stiefelletten ebenfalls. Westernhut von The Kooples. Ring von Camille Enrico TITEL: CLAUDIA GRASSL; DIESE SEITE: MARTIN U.K. LENGEMANN; CHARLIE DE KEERSMAECKER; SANDRA SEMBURG CHARLIE DE KEERSMAECKER Eigentlich ist er für seine Schwarz-Weiß-Porträtfotos bekannt. Für unsere Antwerpen-Reportage fing er die Facetten der hiesigen Nachwuchsdesigner in Porträts und Detailaufnahmen ein. Gerade heraus, ohne digital auf die Spitze getriebene Perfektion. Er ist ein Kind der Neunziger. De Keersmaecker studierte Fotografie am Sint-Lucas Campus in Brüssel und am Cleveland College of Art & Design in England. Unser Shooting, für ihn ein Heimspiel. Denn Charlie De Keersmaecker pendelt für seine Arbeit zwischen Antwerpen und Paris. Nach Hause, in die kleine Hafenstadt an der Schelde, kommt er gern: „Antwerpen bietet eine Menge Vorzüge, die an das Leben in der Großstadt erinnern; aber ohne die Härte und Herausforderungen, die mit Metropolen wie London, New York oder Paris einhergehen... das gute Leben eben.“ Ab Seite 80 Ihre erste Reise nach Antwerpen zum Interview mit der Designerin Véronique Branquinho vor zwölf Jahren wird Heike Blümner stets in schlechter Erinnerung behalten: Das Aufnahmegerät ging während des Gesprächs kaputt, was sie allerdings erst im Zug auf dem Weg nach Hause bemerkte. Vielleicht ist es Traumabewältigung, vermutlich aber Liebe – seitdem ist die Autorin und Mutter von drei Kindern immer wieder in diese Stadt zurückgekehrt: „In den meisten Modestädten muss man sich erst durch das Einerlei der globalisierten Marken kämpfen bevor man etwas Besonderes findet. In Antwerpen ist auf engstem Raum viel Platz für das Individuelle.“ Für ICON lief Heike Blümner drei Tage lang bei Weltuntergangswetter kreuz und quer durch Stadtviertel, Ateliers, Shops und Galerien. Sie porträtiert junge, selbstbewusste Designer, die Antwerpen bewusst als Standort wählen. Und auch die Technik ließ sie diesmal zum Glück nicht im Stich. Ab Seite 80 HEIKE BLÜMNER IMPRESSUM ICON Chefredakteurin: Inga Griese (verantwortlich) Textchef: Dr. Philip Cassier Redaktion: Heike Blümner, Caroline Börger, Nicola Erdmann, Julia Hackober, Silvia Ihring, Sarah Lehnert, Mira Wiesinger. Mitarbeit: Jennifer Hinz, Ligia Tudorica. Praktikantinnen: Linda Leitner, Nina Schmidt, Sarah Lafer. Korrespondentin in New York: Huberta von Voss. In Paris: Silke Bender. Autoren: Susanne Opalka, Esther Sterath , Andreas Toelke Redaktionsassistenz: Ursula Vogt-Duyver Artdirektorin: Barbara Krämer Gestaltung: Katja Schroedter, Maria Christina Agerkop Fotoredaktion: Julia Sörgel, Elias Gröb, Emina Hodzic Bildbearbeitung: Liane Kühne-Kootz, Thomas Gröschke, Tom Uecker Verlagsgeschäftsführung: Jan Bayer (Vorsitzender), Dr. Stephanie Caspar General Manager: Johannes Boege Gesamtanzeigenleitung: Stephan Madel; Anzeigen ICON: Roseline Nizet (roseline.nizet@axelspringer.de) Objektleitung: Carola Curio (carola.curio@axelspringer.de) Verlag: WeltN24 GmbH Litho: Imagepool Druck: Prinovis Ltd. & Co KG, Nürnberg Herstellung: Olaf Hopf ICON ist ein Supplement der „Welt am Sonntag“, die nächste Ausgabe erscheint am 22. März 2015. Sie erreichen uns unter ICON@weltn24.de Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit. 15 ICON Alpaka-Hirte: Ledermantel: Prada. Pulli: Joseph. Jeans: Citizens of Humanity FEBRUAR 2015 Weiche Wolle, wohin das Auge sieht. Wildlederbluse und Stola: Marlene Birger. Sandalen: & Other Stories. Kette: Wempe. Hut: Hermès AUSGEWÄHLT 20 AUFWAC HEN! Das Leben beginnt wieder vor der Tür – unsere Lifestyle-Weisen sagen, wie das am meisten Spaß macht 28 CANDICO NA Unsere ICON-Stilikone genießt mit ihrer kleinen Candicönchen das süße Leben in Pastellfarben MODE DIE KRAFT DER STRAS SE Die neuen Powerfrauen sitzen nicht im Anzug im Büro – sie gehen raus und bewegen was. Wir haben die Looks dazu 36 HE RMÈ S’ STI LLE MACHT Bali Barret ist die Kreativdirektorin der Frauenmode beim Pariser Haus. Kaum jemand kennt sie - aber wir jetzt schon 38 GE SCHICKT GES TRICKT Das deutsche Label Allude konzentriert sich vor allem auf Kaschmir - und wird damit in Paris sehr ernst genommen 40 KE E P C ALM AN D SHOP ON Genauso entspannt wie die Entwürfe von Frauke Gembalis ist das Erlebnis, ihre Kollektion anzuprobieren 42 JA Z U NADJA In den Neunzigern stieg sie zur globalen Ikone auf: Nadja Auermann. Nun ist sie zurück im Model-Business. Ein Gespräch mit einer sehr starken Frau 44 NIX LOS... ...ist das nicht herrlich? Unser Shooting führt uns in die Uckermark, wo selbst Berliner Oberhektiker sanft zur Ruhe kommen 58 HAUPTSACHE HAUP TS TADT Der Store im Soho House ist das Maß der neuen Dinge in der Berliner ShoppingLandschaft - mit Trager Delaney und Rosetta Getty stellen wir zwei der ungewöhnlichen Marken dort vor SCHMIDT UND GORGES 30 Bei unserem Uckermark-Shooting wird es kuschlig. Japok: Hemd von Salvatore Ferragamo. Uhr von Hermes. Lisa: Seidentop von Dries Van Noten Auf einen Morgenspaziergang: Trenchcoat: Burberry. T-Shirt: American Apparel. Seidenhose: Dries Van Noten. Kette: Bottega Veneta. Sandalen: Prada 17 ICON FEBRUAR 2015 66 GE H DOC H I N DIE P RÄRI E ...aber mit Vergnügen! Unser großes Shooting in Texas führt uns in die Weite - satteln Sie doch einfach mit uns auf. Die Looks stehen auch Großstadtcowgirls 76 NUR NIC HT VERF RANSEN Jacken, Blusen und Schuhe - in diesem Frühjahr geht man besser nicht ohne diesen Designklassiker aus dem Haus 78 RE IC HT UM AM ARM Paula Cadematori entwirft Taschen, die sich in so ziemlich allem von der Konkurrenz abheben - wir griffen natürlich zu 80 BOMBASTI SCHE BELGIER Antwerpen brachte schon Designlegenden wie Dries Van Noten und Raf Simons hervor – nun wächst eine neue Generation heran. Plus: schönste belgische Accessoires 86 ST ILLE R STILIST Es gibt sie wirklich, die leisen Italiener: Wir trafen Caruso-Chef Umberto Angeloni zum lehrreichsten Lunch des Jahres CLAUDIA GRASSL MODE Ein Shooting in der texanischen Wüste: Model Polina in OversizedBluse und Haremshose von Wunderkind, Fransenkragen und Gürtel von Dolly Python Dallas. Gladiatorensandalen von Pucci 95 GESCHICHTEN 96 DESIGN 64 BI-MOBILIA R Ein Kratzbaum in Mops-Form? Eine Bank wie ein Baum? Wir lieben Möbel mit multiplen Persönlichkeiten KOSMETIK 90 ECHT BUNTIF UL Unsere Kosmetikexperten bringen schon mal etwas Farbe ins Leben, bevor die Natur dann hoffentlich bald nachzieht 91 BRUMME NDES GESCHÄF T Lang lebe reine Haut – wie Clarisonic sich mit seinen Geräten ums Aussehen verdient macht 94 NICHT NU R SAUBER... ...sondern rein, soll’s schon sein. Wir fanden Kosmetikprodukte für den Haut-Frühjahrsputz, den Ihre Haut jetzt dringend braucht WEISSES GO LD Bei Jo Malone London spielt Weihrauch eine wichtige Rolle. Deswegen entführten sie Caroline Börger für einen Tag in die Welt des Oman, mitten in der City KnallroteTasche von Charlotte Olympia. Mehr Fransiges auf Seite 76 WELCO ME TO BRITAIN Seit 160 Jahren unübertroffen, wenn man sich in England umsorgt fühlen will: Ein Blick hinter die Kulissen des Claridge’s 97 GLO BA L DIA RY Unsere Postkarten erreichen uns dieses Mal aus Zürs, Budapest und Tokio und führen uns in ein Spa und zwei spektakuläre Hotels 98 DER BAUPLAN Zwei links, zwei rechts und dann immer geradeaus. Wir zeigen, wie Handgestrick von Iris von Arnim entsteht Und natürlich digital: Auf dem iPad in der WELT sowie online auf welt.de/icon Entwerfen können sie, die Belgier: Sneaker wie von Rombaut oder den Sessel „Moor“ von Sylvain Willenz. Mehr über Möbel gibt es in unserem Online-Portal iconist.de ICON 19 STILISTEN WAS KOMMT, WAS BLEIBT? UNSERE LIFESTYLEWEISEN GEBEN MODISCHEN RAT In Your Pretty Face MARIO TESTINO Model Tasha Tilberg sieht auf den ersten Blick aus wie ein Geschenk. Oder? Piercings, Tattoos, rote Lippen, trotziger Blick in die Kamera. Die Schleife wirkt verspielt, scheint ihr aber die Luft zum Atmen abzuschneiden. Provokante Widersprüche, Eleganz und Respektlosigkeit stehen im Mittelpunkt von Mario Testinos aktueller Ausstellung „In Your Face“. „Jeder von uns hat viele verschiedene Seiten, nicht immer dürfen wir sie alle zeigen, schon gar nicht gleichzeitig ausleben,“ so der Weltstar-Fotograf . Die spannende Ausstellung läuft bis 26. Juli im Berliner Kulturforum. ES LIEGT WAS IN DER LUFT „Ich seh dir in die Augen, Kleines“ – die Micro Baguette von Fendi möchte gern geliebt werden. Übrigens: Bis 13. März sammelt das Label online mit seinem „Fendi 3 Baguette Project“ und prominenter Unterstützung für seriöse Hilfsprojekte. Aufbruch – diese Stimmung lag erstmals während der Berliner Fashion Week in der Luft. Nach öden Saisons, die Qualität vermissen ließen und deren Höhepunkte aus Boulevard-Getöse bestanden, war nun zusammengekommen, was zusammengehört: Deutschlands einflussreichste Modejournalisten, die relevantesten Designer, die mächtigsten Einkäufer. Sie versammelten sich im Kronprinzenpalais, um ein Zeichen zu senden: Hier sind wir, wir sind gut, und Ihr werdet noch von uns hören. Adressat ist die internationale Modeszene, die Deutschland zwar als hochpotenten Abnehmer prestigereicher Luxusprodukte schätzt, nicht aber als Herkunftsland begehrenswerter Mode. Dies soll sich ändern, beschlossen allen voran Vogue-Chefin Christiane Arp und ein Inner Circle wohlmeinender Experten, die in nie dagewesenem übergeordneten Interesse die Sache in die Hand nahmen und das „German Fashion Johnny Talbot Council“ gegründet haben. Nun gilt es die Idee weiterzutragen! Dorothee Schumacher, Andrea Karg, Jörg & Adrian Ehrlich, Otto Drögsler und Iris von Arnim, lasst uns unsere jüngeren Kollegen coachen und ihnen zeigen, wie Runhof wir uns auf dem internationalen Parkett durchgebissen haben. Christiane Arp, Kerstin Schneider, Petra Winter, Designer-Duo Sabine Nedelchev, zeigt in Euren Modestrecken, wie Mode aus Deutschland aussieht, inszeniert sie, zelebriert sie, sodass des Münchner wir auch international Eindruck machen können! Tillmann Prüfer, Alfons Kaiser, Tanja Rest, Inga Griese schreibt, was nicht gut ist und nicht Modelabels mithalten kann, aber auch, womit wir uns sehen lassen können! Joseph Voelk, André Maeder, Florian Braun, Marion Heinrich, Markus Talbot Runhof Höhn, Mario Eimuth, gebt deutschen Designern Foren in Euren Läden, lasst sie neben den internationalen Marken glänzen, stellt sie in Konkurrenz zu den Großen, damit sie weiterkommen, zu dem werden, wovon wir leben: Must-haves! Was könnte ein schöneres Motto für diese neue Gemeinsamkeit sein, als ein deutsches Wort, für das es in anderen Sprachen keine Übersetzung gibt: Aufbruch. 20 FLANIEREN MIT HERMÈS Informationen unter: Tel. 089/55 21 53-0 Hermes.com BLIESWOODS BLUES Ich sitze im „China Club“ über Berlin. 18 Uhr. Ich bestelle Zapf-Bier „Warsteiner“. Mein Freund, mit Beats-Kopfhörern am iPhone ordert: „Jasmin Tee!“ Wir sind beide 59 plus. Aber Freund Micky sieht aus wie 49, hat Muskeln wie 39 und lacht wie 29 – und wird wohl 99! Er macht Cardio-Training (wie „007“Daniel Craig) – für die Herz-Ausdauer: „Das ist lebensverlängernd!“ Mein Projekt 2015: nicht sterben! Trotz Sechzig. Was tun? Zu Silvester treffe ich einen Milliardär (70) – er lächelt: „Ach! Sie haben zehn tolle Jahre vor sich!“ Mit Legende Udo Lindenberg (68) rauche ich eine „Trinidad“-Kuba-Castro-Zigarre – er trinkt schwarzen Kaffee: „Ich mache jeden Monat zehn Tage Abenteuer-Wellness-Ferien – zum Beispiel Istanbul. Balance für die Seele. 60 ist sexy!“ Liam Neeson (62, „Taken 3“) schwört auf FliegenFischen und Power-Walking im Central Park (zwei Stunden) und Tee statt Rotwein. Musik-Mogul Peter hat Golf entdeckt, den Sport-Elektro-Anzug (2 x 20 Minuten pro Woche) und alle drei Monate Blut-Tests: „Wir haben vielleicht noch 30 Jahre vor uns!“ Mein Lieblings-Psychiater schwört auf Mittagsschlaf – wie Churchill (starb mit 91). Ich bin gerade in meiner Geburtsstadt Regensburg – das New York des Mittelalters. Hier gibt’s heute noch mehr Buchhandlungen als in Manhattan! Vom Hotel Bischofshof führt durch den Biergarten ein Geheimgang in den Dom. Hier zünde ich Kerzen an für meinen Bruder, dem es nicht so gut geht. Der liebe Gott wird’s schon richten. Darauf einen Schweinebraten mit zwei Knödeln! Mode als Balanceakt MA N UW AS HA U S Modekritik meint mehr als nur die Differenzierung von schön bis hässlich. Die Ausstellung „Fast Fashion. Die Schattenseiten der Mode“ zeigt das mögliche Ungleichgewicht von Konsum, Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein. Auch Lösungsansätze präsentiert das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe ab dem 19. März. KANNSTE NICHT MECKERN 22 David Blieswood Connaisseur aus Hamburg IO AR MANI UND SONST NOCH GIORG Ich freue mich immer, meinen Koffer für Berlin zu packen. So schnappte ich mir eine ganze Mappe voller Einladungen. Von Designern, von denen ich noch nie in meinem Leben gehört hatte. Das gerade fertig gestellte Hotel am Zoo begrüßte uns in Lila: der letzte Versuch, dachte ich etwas argwöhnisch. Nach einer Führung durch das Zimmer und den Hinweis auf die Steckdose im Tresor – etwa für ein diamantenbesetztes Vertu Handy – fiel mir die Knef ein und ich summte leise „Von nun an ging’s bergab (...)“. Doch hey! Es wurde wider Erwarten eine muntere Zeit an der Spree, Totgesagte leben länger. Die Premium-Messe spendierte frische Energie, gut gelaunte Pressevertreter und aufgeschlossene Kunden. Die Eröffnung einer Ausstellung von Starfotograf Mario Testino und seine Leidenschaft für Modefotografie wirkte bemerkenswert belebend auf den Spirit der Fashion Week. It-Instagram-Girl Chiara Ferragni schneite in die Stadt und das ist schon so etwas wie eine Sensation, kostet doch ein einzelner Hinweis von ihr auf eine Marke so viel wie ein Familienurlaub. Umso glücklicher war ich, dass ich sie in der Hotellobby in unserem Poncho traf, den sie kurz vorher einfach so gepostet hat. Manchmal hat man eben auch mal Glück! Ich mochte Augustin Teboul mit ihren sexy Bondage-Kreationen, ebenso René Storck, der wie die Jungs von Achtland ein tiefes Gespür dafür hat, was Frauen tragbar finden und sie trotzdem couragiert erscheinen lässt. Und wieder habe ich zahlreiche deutsche Talente bewundern dürfen, Bobby Kolade etwa mit seiner Show im Berghain war Berlin in Reinkultur, seine Hybrid Patchwork-Kreationen waren ein Highlight. Die Stadt sollte sich einfach auf seine Talente konzentrieren, um vor den Sue Giers internationalen Schauen eine Premieren-Bühne für UnkommerzielPR-Chefin les, Unverbrauchtes zu bieten. Das Avantgarde-Feeling ist von jeher von Closed eine Stärke Berlins und wird von Künstlern aller Genres und modernen Nomaden geliebt und gerühmt. Eine Rückbesinnung auf dieses Potential könnte helfen. Wer Berlin abschreibt, hat hier noch nie die Nacht durchgemacht. Und wer Berlin unterschätzt, ist zu satt. MODE MIT KINO: Für ihre Rolle in dem Kinofilm „A Most Violent Year“ wurde Schauspielerin Jessica Chastain exklusiv von Giorgio Armani (Illustration) ausgestattet. Filmstart ist am 19. März. ——— MODESCHUSTER: Erik Frenken launcht ab März eine eigene Schuhlinie für seine Marke Avelon. ——— MODE FÜR KÖNIGE: Im britischen Onlineshop mrporter.com gibt es nun das Männerlabel „Kingsman“. Das hat nichts mit Prinz Charles zu tun sondern mit dem gleichnamigen Spionagefilm vo Claudia Schiffers Ehemann, Regisseur Matthew Vaughn. Ab 26. Februar mit Colin Firth im Kino ——— MODEPÜPPCHEN: Für die Herbst-/Winterkollektion schuf Escada Fashion Director Daniel Wingate ein besonderes Abendkleid – und zwar für eine Porzellanfigur. Hergestellt wurde sie von der Porzellan Manufaktur Nymphenburg ETRO Bitte, zu Tisch it: m Das italienische Label Etro serviert in seiner aktuellen Herrenkollektion wahre Schmankerl. Anlässlich kt e n i Mailands Weltausstellung zum Thema Essen ließ sich Designer Kean Etro von kulinarischen Kösttr iert d lichkeiten inspirieren. So tummeln sich Meeresfrüchte und Gemüse als Fotoprints auf Hemd, un nspir den t Hose & Co. Milch und Bambus landeten nicht etwa im Mund, sondern wurden zu bunten s e is ner i ck in Stoffen verwebt. Ein Augenschmaus! g Au esig r Bli s Da le D r de . Vie enba rank FREIHEIT, FRÜHLING, off hlsch Kü ROTE SCHUHE Dr. Maria Schneider GETTY IMAGES; LOOK VON MARC CAIN Kreativdirektorin der Autostadt in Wolfsburg 24 MOSCHINO ÜBER STYLEBOP.COM CHIARA FERRAGNI ÜBER APROPOS CONVERSE 10X10 ANINTALIANTHEORY Noch ist der Winter nicht vorbei. Doch die ersten Vorboten des nahenden Frühlings sind mehr als willkommen: Tulpen, der Duft von Hyazinthen und die Mode der kommenden Saison sprechen von Leichtigkeit, von viel Farbe und Freiheit. Meteorologisch sind wir derzeit im Vorfrühling und haben es im Garten noch eher mit Schneeglöckchen als mit Narzissen zu tun. Und doch ist das Erwachen schon spürbar. Die Tage werden länger, wir brauchen weniger Schlaf und haben wieder Lust an Bewegung im Freien. Viele entscheiden sich, körperliches Gewicht abzuwerfen, sich vorzubereiten auf die warme Jahreszeit. Die Natur hat andere Gerüche, die wir schon früh in tiefen Hirnregionen abgespeichert haben, als ein Versprechen „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben“ (Hermann Hesse). An den Stränden der Nordsee werden die dunklen Geister des Winters mit hellen Feuern vertrieben und so dem freien Sinn Platz gemacht. In diesem Jahr gibt es besonders viel Dunkles zu verbrennen: Die Freiheit ist erschreckend in Frage gestellt worden. Das Privileg, in einem Land zu leben, das uns die Freiheit im Grundgesetz garantiert, das uns Meinungs-, Pressefreiheit und die Freiheit von Forschung und Lehre in die Verfassung geschrieben hat, ist in die Diskussion gekommen. Bin ich in meiner Freiheit schon eingeengt, wenn ich darauf verzichte, mit meinen Äußerungen andere in ihren Gefühlen zu verletzen? Darf ich meine Meinung nur äußern, wenn sie kein Sicherheitsrisiko darstellt? Das Nachdenken darüber hat gerade erst begonnen. Vielleicht hilft dabei die Kraft des Frühlings mit Offenheit, Farbigkeit, mehr Helligkeit, Freundlichkeit und Wärme. Und natürlich mit Lebensfreude. Dabei könnte dann die neue Mode helfen. So viel Farbe wie in diesem Frühjahr war selten. Rot gibt es immer, aber in diesem Frühling kommt keiner daran vorbei. Rot ist die Farbe des Blutes und ist so mit dem Leben verknüpft. Sie steht für Freude, Leidenschaft, Energie, Wärme, für die Liebe und für Schönheit. Im Russischen bedeutet rot immer auch schön. So ist der rote Platz in Moskau auch der schöne Platz. Gegen die Farbe spricht nichts, außer wenn einer ‚rot sieht’, etwas ein ‚rotes Tuch’ ist oder man schamhaft errötet. Wem aber gleich ein Kleid oder ein Pullover zu auffällig ist, der kann in diesem Sommer mit roten Schuhen auf Verführungswegen wandeln. Aber Vorsicht! Im Märchen ‚Die roten Schuhe’ von Hans Christian Andersen hörten sie nicht mehr auf zu tanzen und auch der Film ‚The red shoes’ hat kein Happy End! Dezent eingesetzt hingegen entfalten sie ihre Magie und wer mag, hört dazu Tom Waits „Red Shoes by the Drugstore“ und los geht’s.... UND SONST NOCH FUTTERNEID: Gemeinsam mit der Andy Warhol Foundation bringt Converse eine Kollektion mit Designs des berühmten Pop Art-Vertreters heraus. Darunter die Campbell-Suppendosen-Schuhe. ——— APROPOS ESSEN: Soft Drink to go: Die Tasche ist von Moschino über stylebop.com. Burger, Hot Dogs und Cola findet man auf den Sneakern von Bloggerin und Designerin Chiara Ferragni. Ihre Kollektion gibt’s bei Apropos. Wem nach Nudeln auf Taschen ist, wird bei „10x10 Anintaliantheory“ fündig. ——— FRÜHJAHRSPUTZ: Die Deutsche Kleiderstiftung macht es uns leichter, alte Kleidungsstücke zu spenden und damit gemeinnützige Hilfsprojekte zu unterstützen: Einfach Kleidung in Kartons packen, bei kleiderstiftung.de Etiketten ausdrucken und die Pakete kostenlos verschicken. ——— DIE LIEBEN KOLLEGEN: Autor Andreas Tölke fasste die letzten sieben Jahre des Zeiss Kalenders in seinem Buch „Zeiss Art Calendar Vol I“ zusammen (teNeues Verlag). ——— ERÖFFNUNG: In Berlin Mitte hat Tommy Hilfiger in einem historischen Gebäude aus dem 19. Jahrhundert (Münzstraße 21-23) eröffnet. ——— GUTES TUN: Für seine Onefor-One-Philosophie ist Toms bekannt: Für jedes verkaufte Paar Schuhe spendet die US-Firma ein Paar an ein bedürftiges Kind. Nun gibt’s eine Taschenkollektion,deren Erlös Hilfsorganisationen zu Gute kommt, die sichere Geburten in Bangladesch, Äthiopien, Haiti und Indien ermöglichen. Being van Noten Jede Kollektion folgt einem kreativen Leitmotiv. Wie genau sich dieses verstofflicht, darüber wollen oder können viele Designer nicht sprechen. Die Ausstellung „Dries van Noten Inspirations“, die bis 19. Juli im Modemuseum in Antwerpen läuft, zeigt diesen Prozess auf höchstem Niveau. Bilder von Francis Bacon, Branzino und Damien Hirst hängen gleichberechtigt neben Postern aus der Punk-Ära, Bildern von David Bowie, Filmstills aus Bollywood und historischer Couture. Die dazu passenden Kollektionsteile van Notens glänzen dazwischen als höchst individuelle Meisterstücke. Keine Verschnaufpause! Kaum ist die frenetische Weihnachtszeit in den Geschäften abgerechnet, dreht sich das Modekarussell erneut. Pitti Uomo Florenz, Männer H/W-Saison 2015, London, Mailand, Paris, Pre-Kollektionen, Ordertermine, Haute Couture, Berlin... der Januar ist einer der intensivsten Monate in der Szene. Schauen, Cocktails, Showrooms, Markenlancierungen. Die internationale Melange aus Kreativen, Einkäufern, Journalisten, CEO’s, Bloggern und Stars feiert und misst sich gegenseitig. Pailletten, Budgets, Instagram – jeder wechselt von einem zum anderen sekundenschnell. Nirgendwo lässt sich mehr wahrnehmen, wie sich das Tempo beschleunigt als in der verrückten Modewelt. Alle sind auf der hektischen Suche nach dem einmaligen neuen Produkt, dem magischen Moment.... Céline, Saint Laurent, Dior, Chanel, Hermès. Die strahlenden, begehrten Sterne am Modefirmament. Wir können ihnen nicht entkommen! Man muss sie tragen. Man muss sie haben. Alles Pariser Marken. Die vier wichtigsten Luxuskonglomerate haben ihren Sitz dort, 90 Prozent der wichtigsten Schauen laufen dort. Selbst Valentino und Miu Miu, die im Moment intensivsten italienischen Marken, präsenEmmanuel de tieren an der Seine ihre Kollektionen. Bayser Doch leider verfällt Paris nach dem Abzug der Mitbesitzer von Modekarawane wieder in einen leicht provinzielThe Corner Berlin len Zustand. Die Energie lebt hier nicht mehr. Trotzdem ist es nach wie vor schwer für neue amerikanische Designer in Europa Fuß zu fassen. Von einer befreundeten Chefredakteurin eines großen amerikanischen Lifestylemagazins hörte ich: ‚Ja, die Kreativität sei in Paris, die Energie allerdings in New York und anderswo.‘ Das stimmt. Alle großen Agenturen, Fotografen und Stylisten sitzen heute fast ausschließlich in New York und London. Und was ist aus Italien und seiner absoluten Vormachtstellung in der Mode in den Neuzigern geworden? Es produziert! Man ist sich einig, dass es nach wie vor die Nummer eins in dieser Branche ist. Qualität, Präzision, familiäres Know-how, unübertroffenes Handwerk. Doch wer kauft heute noch all den Luxus? Waren Sie jüngst mal in einem der großen Pariser Prachtkaufhäuser? Die Hälfte der Lautsprecher-Durchsagen sind auf Mandarin/Chinesisch. Man ahnt, wie viel Prozent des Umsatzes von dieser Klientel gemacht wird. Das gleiche in der Bond Street, Avenue Montaigne, Via Montenapoleone, Via Condotti... kein Luxusgeschäft ohne zumindest einen chinesischen Verkäufer. Auch in unseren Berliner Läden spüren wir den kosmopolitischen Anspruch. Die Kunden suchen auch hier, angezogen vom internationalen Nimbus Berlins, dieselben Marken. Gute Laune: Macarons von Ladurée in einer limitierten Geschenkbox von Emilio Pucci CENTRE POMPIDOU,MNAM-CCI,DIST. RMN-GRAND PALAIS / CHRISTIAN BAHIER / PHILIPPE MIGEAT MODE MAKES THE WORLD GO ROUND GLÜCKSKÄFERS ZINFANDEL Das Jahr ist nun rund zwei Monate alt. Noch jung und frisch, möchte man sagen. Viele gute Vorsätze, die jetzt im gleichen Alter sein müssten, haben es nicht so weit geschafft. Im „Survival of the Fittest“ unterlagen der Heimcrosstrainer, der Wunsch nach mehr Ruhezeit in der Waagerechten und aus Tofu ist schon längst wieder saftiges Rind geworden. Besser hätte es vielleicht mit dem laut Umfragen häufigsten Vorsatz der Deutschen geklappt: weniger Stress im kommenden Jahr. Der ergebe sich häufig aus einer unausgeglichenen Work-Life-Balance, erklären Titel der Abteilung Selbsthilfe. Ein Lösungsansatz wäre, weniger selbst zu arbeiten und dafür mehr andere arbeiten zu lassen. Marienkäfer zum Beispiel. Auf dem kalifornischen Wein- Herbert Seckler gut „Rutherford“ etwa haben die fleißigen Winzer Kultwirt vom die Pestizidgiftspritzen beiseite gelegt und überlas- Sylter „Sansibar“ sen das Vertreiben von Blattlaus und Co. nun den schwarz-roten Insekten. Das Ergebnis nennt sich „Predator“ und ist eine klassische Kalifornische Fruchtbombe: dicht, konzentriert, aber ohne marmeladig zu sein. Zinfandel von seiner besten Seite. Bleibt zu hoffen, dass die Kalifornier die Produktion vor lauter Entspannung nicht ganz einstellen. Ein Glas Predator ergänzt sich nämlich ganz wundervoll mit den Früchten unserer verwelkten Neujahrsvorsätze: der Couch, dem Steak und natürlich auch bald wieder der Sonnenliege. 25 NIINA VATANEN Was guckst du? TRENDBAROMETER VON WOLFGANG JOOP Herr Haka In dieser pseudomodernen Welt ist man so komisch unberührt. Schleichend hat sie uns mit ihrer Unverbindlichkeit und Unbildung gefangen genommen, es scheint unmöglich auszubrechen. Wer erzählt denn noch intellektuelle, zusammenhängende Geschichten? Vielmehr hat die Banalität ungeahnte Bedeutung. Ich war grad in Los Angeles bei einer Party von Bernhard Willhelm. Die Crowd dort war unglaublich. Aber so vielen ist die Panik vor Dismorphologie ins Gesicht getackert, die Angst, körperlich nicht dem Standard zu entsprechen nimmt zu viel Lebenszeit in Anspruch. Frau Dob 26 Meinst Du, die bunten Farben der aktuellen Mode, die Lust an Dekoration wollen uns nur ablenken? Und sind die Pullis mit dem Brand Bashing nicht auch eine Ansage? Wie dieser weiße Céline Sweater, auf dem in Logoschrift Clemens steht? Was mich mehr umtreibt, sind die pornösen Auftritte von Sängerinnen wie Beyoncé. Noch schlimmer: die stummen Frauen, die in Tubenkleidern auf sehr hohen Schuhen über Teppiche stackeln, um sich bei wem eigentlich anzubiedern. Was für Dekaden Nonstop-Befreiung haben wir hinter uns! Nur, um eine Presswurst zu sein? No go! Frau mit Fernglas sucht Blick ins Weite. Noch bis zum 10. April lädt Fotokünstlerin Niina Vatanen ins C/O Berlin ein, mit ihr auf Wolkenjagd zu gehen. In ihrer Ausstellung „Beyond the Visible Surface“ lässt die Finnin den Besucher lustvoll an der Oberfläche ihrer Fotos abprallen, zeigt ihm die Ambivalenz zwischen Sichtbar und Nicht-Sichtbar. Und ja, für Vatanen existiert nicht nur über den Wolken eine Leerstelle zwischen den Dingen. Ihr Jetzt scheint ein Raum aus Erinnerungen und Wunschbildern zu sein. GROSSES ORCHESTER Mode ist wie eine Symphonie, zusammengesetzt aus vier Sätzen, die wiederum aus allerlei verschiedener Noten besteht. Die Kunst des Komponisten liegt darin, trotzdem Harmonie zu erzeugen. Ähnlich geht es mir als Einkäuferin, wenn es gilt, Trends und Tendenzen, Designer und Sortimente passgerecht auf die Kunden und Läden zu zuschneiden. Was leicht erscheint, ist harte Arbeit und muss in relativ kurzer Zeit bewältigt werden. Als Robert Schumann seine „Frühlingssinfonie“ (eines meiner Lieblingsstücke) in nur vier Tagen schuf, musste alles auf Anhieb sitzen. So kommt es mir vor, wenn in den Showrooms die Entscheidungen darüber fallen, was schließlich bis zum Endkunden vordringt. Wie in den verschiedenen Tempi der Sätze sind Mailand, Düsseldorf oder Paris unterschiedlich vom Stil und Temperament und langsam forme ich daraus das, was jetzt Lust auf Neues im Kleiderschrank macht. Und besonders jetzt Petra Fischer Optimismus und die Freude auf die schönen Jahreszeiten voller Licht und Wärme in Geschäftsführerin Kleidung ausdrückt. Die neue Saison besticht durch Leichtigkeit und Lässigkeit. vom „Modehaus Frauen wie ich, die Kinder, Beruf, Alltag und Glamour unter einen Hut bringen müs- Fischer“ in Singen sen, stehen im Vordergrund. Gisele Bündchen steht für diesen Frauentypus und wird das Gesicht vieler Modehäuser. Eine schöne Ouvertüre sind Metallic Horsebit-Loafer von Gucci zu kurzen Röcken und knalligen Farben. Die Farbe Weiß als Inbegriff aller Mädchenträume und Frische – gegen malerische Blumenprints. Die neuen „Keypieces“ sind hellblaue Blusen und Blouson Jacken. Ich hab noch viel auf der „Noten“-Einkaufsliste : 7/8 Hosen, Sommermäntel, Römer-Sandalen, Flared Jeans (Schlaghosen), Pilotenbrillen und Pastellfarben in allen Variationen – das Modekarussell dreht sich weiter wie die Musik, die ewig spielt. Nach Lu st NikeLab und Lage: x von der JFS, entworfen Be Designe rliner ri Schneid n Johanna F. er jedem W , passt sich orkout a n M I N I L I LY B A G M U L B E R RY. C O M OH, LOOK! UNSERE ICONA ZEIGT IHRE AKTUELLEN LIEBLINGSTRENDS ILLUSTRATIONEN: JAMES DIGNAN (JAMESDIGNAN.COM) CANDICONA Eis-Dame: Die „Popcicle“Kette ist von malaikaraiss.com CANDICÖNCHEN Sauer macht auch lustig: Shirt in Zitronengelb von Uniqlo + + So herzig! Die WollLeggins sind von Name It + Pink Lady: Die „Knot“ Bag von Bottega Veneta gibt’s über mytheresa.com + Toffee to go: Die Loafer sind von Unützer Modischer Durchblick: Brille von H&M + Flower Power: „Candy Florale“ von Prada + Pretty in Pink: Daunenjacke von Moncler über reyerlooks.com Appetitlich: „Soft Ice“Kette von Malaika Raiss über vooberlin.com + Hallo Minz-Bonbon! Pullover für Mama von Petit Bateau ButterblumenBeine: Hose von Altuzarra über matchesfashion.com Auf Wasserbasis: Der Kindernagellack „Cookie Rosa“ ist von Nailmatic Kids über smallable.com + + + 3.324 € Ganz die Mama: wattierte Jacke von Mango Kids Mini-Mom: Kinderschuhe von Unützer gibt’s nur auf Bestellung: Tel. 089/255 427 49 + Zuckersüß! Die „Bon Bon“-Uhr von Swatch = + Süßschnabel-Zeit: „Candy Uhr“ über amazon.de Icona hat die rosarote Brille auf: Isabel Marant für Oliver Peoples + 28 + Eis Eis Baby: Clutch von Marie Serpui über mystylecatch.com = 776 € LE U A E V U O N E M S I N I M É F Im Uhrzeigersinn: Models bei der Chanel Frühjahr/Sommer 2015 Show. Romy Schneider, fotografiert von Robert Lebeck, mit lässiger Miene und Zigarette. Amerikanische Frauen demonstrieren 1946 vor dem Weißen Haus gegen die Lynchjustiz. Ölgemälde „Die Freiheit führt das Volk“ (1830) von Eugène Delacroix. Deutsche Frauen beim Frauenstreiktag im März 1994. Szene aus „The Dreamers“ von Bernardo Bertolucci. Die britische Frauenrechtlerin Christabel Pankhurst hält 1908 eine Rede in London L 30 adies First“, „We can match the machos“, „Divorce pour tous“ – wer hätte gedacht, dass feministische Parolen so gut in den Kontext Mode passen könnten, wie es Karl Lagerfeld vergangenes Jahr im schönsten Doppelsinn demonstrierte. Bei der Präsentation seiner Frühjahr-/Sommerkollektion 2015 schickte er die Models samt Megafon und Schildern auf die „Straße“ im Grand Palais und bewies wieder einmal seinen visionären Blick auf die aktuellen Geschehnisse. Der Feminismus hat also ein neues Gesicht. Waren es einst Romy Schneider mit Zigarette im Mund oder Jeanne d’Arc in Rüstung, trägt die starke Frau heute: alles, was sie will. In Militär-inspirierten Entwürfen fühlt sie sich nicht nur stark, sie sieht auch so aus. Power Dressing funktioniert aber auch in weit geschnittenen Hosen, den sogenannten Culottes, die meist mit flachen Schuhen kombiniert werden. Selbst unschuldiges Weiß und Transparenz werden durch geradlinige Schnitte zum Frauenpower-Look. Verspielte Details sind dabei durchaus gewünscht. In Rüschen lässt es sich schließlich genauso gut für sein Recht einstehen wie in Nadelstreifen. Die Weiblichkeit zurücknehmen, um ernst genommen zu werden? Hat Frau schon lange nicht mehr nötig. Das macht auch Emma Watson’s #HeforShe Kampagne deutlich, die propagiert, dass moderner Feminismus nichts mit Männerhass zu tun hat, und Gleichberechtigung Sache beider Geschlechter ist. „Sowohl Männer als auch Frauen sollten sich sensibel fühlen dürfen, sowohl Männer als auch Frauen sollten sich stark fühlen dürfen“, sagte sie in ihrer Rede vor den Vereinten Nationen. In diesem Sinne: Ob stark, ob zart – Hauptsache, Sie fühlen sich wohl. PA/ AP PHOTO; PA/HERITAGE IMAGE; BETTMANN/CORBIS; SZ PHOTO; IMAGO; ARCHIV LEBECK/PICTURE PRESS; PA/ UNITED ARCHIV; MONTAGE: ICON; ARCHIV LEBECK; BRIDGEMANART.COM POWER DRESSING MONTAGE ICON; GETTY IMAGES (17); WIREIMAGE; PA (2) Iris Van Herpen Narciso Rodriguez Giorgio Armani 32 Givenchy Issey Miyake Haider Ackermann Dries van Noten Ann Demeulemeester L E S PA N T A L POUR TOUT FEMMES Ralph Lauren Saint Laurent Marc Jacobs Sonia Rykiel Hermès Chanel Gucci Wunderkind Acne Studios Tod’s Céline ZUSAMMENGESTELLT VON MIRA WIESINGER UND NINA SCHMIDT ONS ES LES 34 MONTAGE ICON; GETTY IMAGES (15); AKG-IMAGES Christian Dior Giambattista Valli Michael Kors Moncler SA N S C O U L EU R S Louis Vuitton Rochas Kenzo Stella McCartney ZUSAMMENGESTELLT VON MIRA WIESINGER UND NINA SCHMIDT Vionnet Tibi Boss Balmain Akris Max Mara Bottega Veneta 36 KAI JÜNEMANN; HERMÈS (3); LIZ COLLINS Im Zentrum des HermèsUniversums steht Bali Barret (rechts). Über ihren Tisch geht jedes Carré von abstrakt futuristisch (oben links) bis naturalistisch (unten links). Im Atelier von Hermès finden sich überall Spuren von Handarbeit (oben rechts) BETUCHT Der Punk in Seide Sie ist die mächtigste Frau im Hause Hermès – und doch kennt sie kaum einer: Bali Barret, Kreativdirektorin für alle Frauenkollektionen. Silke Bender traf die Gralshüterin des Hermès-Stils in Paris W enn Pierre Hardy seine Schuh- und Schmuckkollektion für Hermès entwickelt, Couli Jobert die Handtaschen, oder im März 2015 die junge Nadège Vanhee-Cybulski ihre erste Prêt-àporter-Damenkollektion für das Haus zeigt: Bali Barret ist die Instanz, das Nadelöhr, durch das alle Entwürfe der Designer müssen. Über ihr steht nur noch Pierre-Alexis Dumas, Kreativdirektor des gesamten Hauses und Familienmitglied in sechster Generation des 177 Jahre alten Pariser Traditionsunternehmens. Die mächtigste Frau bei Hermès ist gleichzeitig eine der unbekanntesten Größen in der Modeszene. Selbst Insider bekommen sie nur selten zu Gesicht. Wer wissen will, wer sie ist, muss sie also selbst treffen. Und so sitzt sie da, bei der Eröffnung des ersten Maison in Shanghai – zierlich und brünett – und für eine typische Pariserin reichlich leger: weiß-graues Hermès-Sweatshirt, weiße Jeans und flache Loafer. Kein Nagellack, kaum Make-up. Doch schüchtern wirkt die 48-Jährige nicht. Ihr fester Blick auf ihr Gegenüber strahlt eine natürliche Autorität aus. Sie ist ein Kumpeltyp, aber einer, mit dem man sich besser nicht anlegen sollte. „Ich weiß nicht, ob ich wirklich so diskret bin. Ich bin einfach da, um im Dienste des Hauses zu arbeiten, nicht um in den Medien präsent zu sein“, sagt sie. Und fügt hinzu: „Bevor ich bei Hermès anfing, führte ich zehn Jahre lang mein eigenes Modehaus, und da musste ich in der ersten Reihe spielen. Da habe ich wohl mein Bedürfnis nach Aufmerksamkeit ausreichend ausleben können.“ Als sie 2003 zu Hermès kam, ging eine veritable Erschütterung durch die Flure an der Pariser Rue du Faubourg Saint-Honoré: „Ich entwarf eine erste Seidentuchkollektion für das Haus und wagte es, die legendären Carrés mit Laser Cut zu durchlöchern. Für manche im Haus galt ich von da an als Punk“, sagt sie lächelnd. Sie ist lange befreundet mit der Frau von Pierre-Alexis Dumas, mit dessen Cousin Barret zusammenlebte. So wurde der HermèsChef auf den puristischen, minimalistischen Stil ihrer Mode aufmerksam. „Er sah etwas in mir, was ich selbst nicht vermutet hätte: nämlich meine grafische und farbenfrohe Seite. Es ist sein großes Talent, die Talente anderer zu entdecken“, erzählt sie. „Als Dumas eines Tages in meine Boutique kam, um mir sein Angebot zu unterbreiten, war ich ziemlich baff. Was für eine merkwürdige Idee! Nichts an meinen bisherigen Kollektionen, die meist unifarben waren und auf Muster fast gänzlich verzichteten, erschien mir dafür naheliegend.“ Doch 30 Minuten später sprudelte bereits ihre Fantasie. Und sie biss an. „Mein Label lief damals gut und viele andere Marken kamen auf mich zu, um mir vorzuschlagen, mehr oder weniger das gleiche für sie zu machen. Pierre-Alexis überzeugte mich, weil er mir etwas vollkommen Neues anbot.“ Auch seine Bedingungen gefielen ihr: Du kannst machen, was du willst. Die einzige Person, mit der du sprichst, bin ich. „Das war sehr klug von ihm. So konnte ich mit einem fast unschuldigen Nichtwissen loslegen. Hätte ich mir vorher die Archive angeschaut, hätte ich mich vermutlich nie getraut, die Entwürfe so zu machen, wie ich sie schließlich machte. Natürlich waren mir Hermès-Carrés vertraut, aber eben nur in meinem kleinen, persönlichen Fokus.“ Was Dumas nicht wissen konnte: Barret machte in ihrer Jugend gerne Party. „Hermès-Carrés waren damals total out, das war etwas für ältere, bürgerliche Damen. Ich hatte jedoch von meiner Mutter einige im Schrank und wenn ich damals loszog, mit Lederjacke, Stiefeln und Netzstrumpfhosen, band ich mir aus zwei Carrés einen Minirock zusammen. Das hat wirklich niemand sonst getragen.“ Bali Barret heißt übrigens eigentlich MarieAmélie. Den Spitznamen Bali trägt sie seit Babyzeiten mit sich herum. „Meine ältere Schwester konnte meinen Namen nicht richtig aussprechen – und weil sie total erkältet war, wurde aus Mali schlicht Bali“, erzählt sie. Die erste Carré-Kollektion wurde ein voller Erfolg, und Barrets Stern stieg im Kosmos Hermès immer höher. Bald übernahm sie die kreative Leitung „Seide“ im Haus und schließlich bat ihr Chef Dumas sie, auch die des gesamten Frauen-Universums zu übernehmen. „Für mich ist die Arbeit für Hermès heute eine fast organische Fortführung dessen, was ich damals für mein eigenes Label gemacht habe. Dass ich heute in dieser Position bin, ist eine Verkettung von glücklichen Umständen, die sich ganz ohne mein aktives Streben entwickelt hat. Die Chemie zwischen uns stimmte und setzte einen natürlichen Prozess in Gang. Wenn man mir das vor zehn Jahren erzählt hätte, hätte ich es vermutlich nicht geglaubt“, sagt sie. Aktiv am Design beteiligt ist sie immer noch bei den Seidencarrés. Sie trifft die Illustratoren, besucht die Fabriken, überwacht die Kolorationsprozesse und greift auch oft selbst zum Stift, um ihre eigenen Entwürfe zu zeichnen. Das Hauptthema der letzten Winterkollektion: Metamorphose. Eine Steilvorlage für Bali Barret, die den Stil von Hermès mittlerweile zu hundert Prozent absorbiert hat. Heu- te muss sie täglich entscheiden, was Hermès ist und was nicht. Eine Faustregel kann sie nicht geben: „Ich arbeite komplett intuitiv, manchmal sogar irrational. Da gibt es keinen Masterplan und Stilcode. Ich versuche, mit jeder Kollektion, dem Stil des Hauses treu zu bleiben und gleichzeitig etwas Neues zu wagen. Wie eine Köchin, die aus der Hand eine Mayonnaise zusammenrührt. Es geht um Zutaten und vor allem Dosierungen.“ Ihre nächste große Aufgabe steht bereits an: Nachdem Damen-Prêt-à-porter-Designer Christophe Lemaire das Haus verlassen hat, ist sie nun für die Einarbeitung der Nachfolgerin Nadège Vanhee-Cybulski zuständig. Die 36-Jährige wird im März ihre erste Kollektion für Hermès vorstellen – und sie war die erste Wunschkandidatin von ihr und Pierre-Alexis Dumas. „Wir mochten beide ihre Arbeit für The Row, ihre Sensibilität für Materialien. Aber genauso wichtig ist auch ihre Persönlichkeit: Sie ist sehr zeitgenössisch, hat Finesse und einen starken Charakter.“ Ob sich die Designer manchmal von ihr bevormundet fühlen? „Ich nehme meine Aufgabe nicht autoritär wahr“, sagt sie. „Eher wie ein beratender Freund. Nicht als Besserwisser. Da ich selbst Designerin bin, weiß ich, wie subtil man dabei vorhergehen muss, ohne die Leute vor den Kopf zu stoßen. Doch auch, wenn es manchmal nötig ist.“ Sie lacht und fügt hinzu: „Ich bin dafür da, dass keiner umsonst arbeitet, keine unnötigen Prototypen produziert werden, zu denen Pierre-Alexis, mein Chef, schließlich sagt: ‚Mais non, ist das hässlich’. Mein Ziel ist es, dass er sagt: ‚J’adore‘.“ An eine wirklich schwere, kreative Enttäuschung in all den Jahren mag sie sich nicht erinnern. Sie nimmt einen Schluck Wasser, überlegt noch einmal, schaut an die Decke und dann mit festem Blick zurück: „Nein, die kleine Wahl-Cousine der Familie hat keine Traumata.“ Tuch an Tuch an Tuch: Das HermèsArchiv in Pantin nahe Paris beherbergt unzählige Seidencarrés ALLUDE (9); PA/DPA (1) KARRIERE „Man ist nie selfmade... Transparenz trifft auf grafische Muster und detailverliebten Sommerstrick - so sieht sie aus die Frühjahr/ Sommerkollektion von Allude .. denn ohne Mitarbeiter ist man nichts.“ mixen. Auch Turnschuhe mit der Edelwolle gab es schon. Was genau sie präsentiert, verrät sie nicht: „Es wird wieder viel voluminösen Strick geben, aber ganz anders als bisher.“ Nun ist es ja nicht so, dass jede Frau, die vergeblich etwas zum Anziehen sucht, gleich ein eigenes Unternehmen gründet. Man benötigt schon viel Unerschrockenheit und den Mut, sich in unbekanntes Terrain zu wagen. Beides besitzt Andrea Karg, dazu kommt ein Gespür für Stil, das sie in ihrer Zeit als Eiskunstläuferin und Model verfeinert hat. Nicht von ungefähr hat sie ihr Label „Allude“ getauft, angelehnt an das französische „allure“. Dass sie früh – mit Mitte 20 – Mutter von Zwillingen wurde, hat sie nicht abgehalten, Karriere zu machen: „Ich liebe meinen Job, und die Kinder waren ein Geschenk des Himmels, beides hat mir unheimlich viel positive Energie gegeben.“ Die Gründungsphase ihres Labels beschreibt sie so: „Ich wusste genau, was ich wollte. Also habe ich mich hingesetzt und erst mal eine ToDo-Liste geschrieben, das hat mir als Neuling sehr geholfen.“ Dabei kam ihr die juristische Nüchternheit zugute. Auf der Suche nach Herstellern fuhr sie zunächst nach Italien. „Als Seiteneinsteigerin wurde ich eher skeptisch begutachtet.“ Niemand wollte mit ihr Geschäfte machen. In China wurde sie fündig – unerschrocken reiste sie durch das Land, auf der Suche nach den richtigen Partnern. Bis heute unterhält sie enge Beziehungen zu ihren Herstellern und ist mehrmals pro Jahr vor Ort. Neben Kaschmir und Kochen liebt Andrea Karg Kunst. „Mode nimmt so viele unterschiedliche Einflüsse in sich auf, Kunst ist das , mit dem ich mich besonders gerne auseinandersetze.“ Privat umgibt sie sich mit Arbeiten von Thomas Ruff oder Georgia Russell, sie verehrt die Südafrikanerin Marlene Dumas oder den Briten Chris Ofili. Überhaupt gilt ihre Begeisterung besonders jenen Künstlern, die Frauen porträtieren. Sie selbst ist jetzt 53, der Zukunft sieht sie entspannt entgegen. Allude gehört ihr und ihrem Mann Christian, in der Modewelt ist das eine Seltenheit. „Wir sind inhabergeführt, das hüten wir wie einen Schatz.“ Beide hätten nichts dagegen, wenn die Söhne eines Tages das Unternehmen übernehmen würden. Im Moment sieht es allerdings nicht danach aus, der eine ist Maschinenbauer, der andere Wirtschaftsingenieur. Mutter Karg bleibt gelassen und pragmatisch: „Dann finden Jenny Hoch wir eben eine andere Lösung.“ Ein typischer Satz von Andrea Karg. Und ein erfolgreiches Strickmuster. Ihr Label Allude wird auch in Paris ernst genommen D 38 Die erste Begegnung mit dem Garn, das ihr Leben prägen sollte, hatte Andrea Karg als Schülerin. Ihr Vater nahm sie mit zu einem Herrenausstatter, um sich einen Pullover zu kaufen. Gedankenverloren strich der Teenager über die ausgelegte Kaschmirware – und war fasziniert. Der Strick schmiegte sich samtweich an ihre Haut. „Das kam mir vor wie ein Wunder“, erinnert sich die gebürtige Düsseldorferin, „so ganz anders, als die kratzigen Wollpullover, die ich damals trug.“ Jahre später, sie hatte gerade ihr Jurastudium abgeschlossen, dann der zweite Schlüsselmoment: Sie wollte sich einen Pullover kaufen, aus Kaschmir natürlich, aber sie fand nur Twinsets in Beige, Dunkelblau, Grau. Ihr Traumteil aber sollte zeitgeistig sein, tailliert, dekolletiert und in knalligen Farben leuchten. „Es war vielleicht naiv, aber ich dachte, wenn ich das möchte, geht es anderen Frauen auch so.“ 1993 gründete sie kurzerhand ihre Firma. Ihre Idee kam an, heute ist Allude ein erfolgreiches Modeunternehmen, das einzige deutsche im offiziellen Kalender der Pariser Modewoche. Im März laufen die Allude-Models dort im dritten Jahr. Gezeigt wird – noch eine Besonderheit der Firma – eine gesamte Kollektion aus Kaschmir. Das Label ist bekannt für raffinierte Schnitte und die experimentelle Art, Kaschmir mit anderen Materialien zu Designerin Andrea Karg winkt zum Picknickausflug, mit kuscheliger Decke und luftigem Fransenoberteil Unter Freundinnen Ihre Kundinnen empfängt Frauke Gembalies in privaten Modesalons. Sie genießen das stressfreie Einkaufen – und lieben die ebenso entspannten Entwürfe der Designerin M 40 anche Menschen schwärmen vom Schaulaufen berühmter Frauen in Abendkleidern bei der Oscar-Verleihung. Frauke Gembalies schüttelt bei dem Gedanken daran den Kopf. Nicht, weil es sie nicht interessiert. Aber immer diese BustierRoben, diese Tüllröcke! „Ich verstehe nicht, warum sich so wenige Frauen in einem coolen Smoking auf den roten Teppich trauen.“ Darüber sei man doch längst hinaus, dass eine Frau nur in einer langen Abendrobe als elegant durchgeht. Die Designerin selbst ist der Beweis dafür: Zum Interview trägt sie eine graue Hose mit geschlitztem Schlag und passender Wollflanelljacke, darunter ein graubeige schimmerndes Hemd mit extralangen, offenen Manschetten und weiße Sneaker. Ihre blonden Haare sind bis zu exakt dem Grad zerzaust, dass sie nicht unordentlich, sondern mädchenhaft ungekämmt aussehen. Sie mag es unkompliziert. Aber sie beherrscht die Kunst, Lässigkeit teuer aussehen zu lassen: Durch einen luxuriösen Stoff, einen Schlitz, besondere Knöpfe, eine auffällige Tasche. An diesem verregneten Januar-Nachmittag serviert sie in ihrer großzügigen Altbauwoh- nung im Westen Berlins griechische Plätzchen, die an Vanillekipferl erinnern, und Lindenblütentee aus dem Berliner Concept-Store für Edel-Tees „P & T“. Sie habe sich für einen Gala-Abend mal einen Anzug mit einer extralangen Schlaghose schneidern lassen, aus einem Brokatstoff, der nach der Produktion einer ihrer Kollektionen übrig geblieben war. „Dazu kamen aber hohe Schuhe“, betont sie. Es ist ihr persönlicher Stil, aus dem die in Mülheim an der Ruhr geborene Designerin seit 2012 die Inspiration für die Kollektionen ihres eigenen Labels „Gembalies“ schöpft. Und es ist dieser Stil, von dem sich vor allem Frauen, die viel arbeiten und reisen, so sehr angesprochen fühlen, dass sie für die zwei Mal jährlich in verschiedenen deutschen Städten arrangierten Modesalons immer einen Platz finden in ihren übervollen iPhone-Kalendern. Bei diesen Präsentationen können die Kundinnen, die vorher dazu eingeladen werden, die neuen Entwürfe sichten und anschließend in der benötigten Größe und mit bestimmten Farb- oder Materialwünschen bestellen. Statt Schweißausbrüchen in der Umkleidekabine erwartet sie eine Atmosphäre wie bei einem Treffen unter Freundinnen: Man führt Gespräche, trinkt einen Tee. Realisiert werden die Teile in einem Produktionsbetrieb bei Paris, der auch für Modehäuser wie Céline und Saint Laurent schneidert. Etwa zehn bis zwölf Wochen später bekommt die Kundin ihre Bestellung dann zugeschickt. Von der ersten Kollektion an hatte Gembalies Erfolg. Sie startete aber auch unter vielversprechenden Bedingungen: Die gelernte Schneiderin und studierte Designern verantwortete an der Seite von Akris-Kreativdirektor Albert Kriemler die Hauptlinie des Hauses, arbeitete als Chefdesignerin von Rena Lange und beriet anschließend andere Modehäuser. Die Teile, die sie für sich selbst und ihre Auftraggeber anfertigte, riefen bei vielen Freundinnen Begeisterung hervor. „Ich wurde immer gefragt, ob ich das nicht auch für sie machen könnte.“ Ekatharina Iliadis, ebenfalls eine Freundin und ihre heutige Geschäftspartnerin (die auch private Verkaufstreffen für Strickdesignerin Sabine Parenti organisiert), schlug das Vertriebskonzept vor und überzeugte sie damit, gemeinsam etwas Eigenes zu starten. Heute wird man mit großer Wahrscheinlichkeit bei internationalen Kunstevents und Dinnerpartys der Berliner Haute Volée mindestens eine Frau antreffen, die den EggshapeMantel aus Wolle oder eines der gerade geschnittenen, weichen Lederkleider ausführt. Eingeweihte erkennen ihre zu Klassikern avancierten Stücke sofort. Weite Tuniken, Kaschmirjacken mit dreiviertellangen Ärmeln, Midi-Röcke mit Schlitz, Herrenhemden und Oversize-Pullover. „Wir hatten von Anfang an eine ganz klare Kundin vor Augen“, sagt die Designerin. Nämlich eine anspruchsvolle Frau, die Kleider dann am meisten liebt, wenn sie darin ohne viel Anstrengung perfekt aussieht, und wenn diese anstandslos ihr turbulentes Leben mitmachen. „Diese Frauen reisen sehr viel, da kann kein Mensch zehn Looks mitnehmen.“ Gembalies macht es ihnen so leicht wie möglich. Stücke aus älteren Kollektionen lassen sich problemlos mit neuen Entwürfen kombinieren, und einige Teile sind leicht abgewandelt jede Saison wieder zu haben. „Unsere Teile muss man fühlen. Sie müssen unbedingt noch was anprobieren!“ Wie zur Ermunterung wirft sie kurzerhand selbst eines ihrer neuen Mantelmodelle über den schmalen Körper. „Als würde man eine Decke um sich Silvia Ihring wickeln.“ Schon überzeugt. BORIS KRALJ; SM MORRISON (2) Frauke Gembalies (ganz links) schöpft die Inspiration für ihre Kollektionen aus ihrem eigenen Look. „Es sind alles Teile, die ich selbst gerne anziehen würde“, sagt sie PORTRÄT 18 Karat Gold, 925 Sterling Silver, Edelsteine und Diamanten. Exklusiv erhältlich in unseren Flagship Stores – London . Zürich . Frankfurt . Stuttgart . Wien W W W. T H O M A S S A B O . C O M / F I N E J E W E L L E R Y Frau Auermann, starke Frauen sind gerade sehr in Mode. Joan Didion macht Werbung für Céline, Karl Lagerfeld ließ die Models bei Chanel für mehr Gleichberechtigung demonstrieren, Madonna wirbt für Versace und auch Sie sind wieder häufiger in Magazinen zu sehen... ...was daran liegen könnte, dass ich wieder arbeite. Zwischenzeitlich war Modeln bei mir ja eher schwierig, ich habe vor zwei Jahren noch ein Kind bekommen, da ist die Taille nicht so, sagen wir: ideal. Danach will man auch ein bisschen Zeit mit dem Kind verbringen. Und jetzt? Habe ich das Gefühl, dass es wieder gut ist zu arbeiten. Für einen selbst, aber auch für die Familie. Ich finde es schön, wenn beide Eltern arbeiten. Das ist jedenfalls meine Meinung. Aber es ist ja nicht selbstverständlich, mit Anfang 40 noch als Model aktiv zu sein. Nur wenige Kolleginnen wie Claudia Schiffer, Naomi Campbell oder Linda Evangelista sind ebenfalls noch im Geschäft. Woran liegt das? Wir hatten das Glück, in einer Zeit arbeiten zu dürfen, wo man gerne Models mit Persönlichkeit nahm. In den Neunzigern war doch kein Mädchen wie das andere. Linda, Cindy, Claudia – jede stand für sich selbst. Sie waren die coole, selbstbewusste Nadja. Der Helmut Newton-Stil, das passte zu mir. Kürzlich wurde ich für die deutsche „Vogue“ fotografiert. Als ich am Set ankam, dachte ich noch: „Oh, gar nicht so viel Stoff...“ Aber am Ende sind das sehr sinnliche Bilder geworden. Und obwohl wir viel Haut zeigen, ist die Geschichte – jedenfalls in meinen Augen – überhaupt nicht vulgär. Man sieht eine starke Frau, die sexy ist, aber trotzdem alle Fäden in der Hand hält. Es ist eben nicht das kleine Mädchen, kein Opfer, nicht die schwache Frau. Ein guter Kontrast zu dem, was ich zuletzt häufig in der Mode gesehen habe. Sie waren Stargast im Publikum bei der großen Modeschau von Mango in Barcelona. Alle schauten wieder auf ihre endlos langen Beine in der ersten Reihe. Würden Sie auch noch einmal auf den Laufsteg gehen? Kommt auf die Umstände an. Ausschließen will ich das nicht. Sie sind auch selbstbewusst genug, Fotografen ganz nah an Ihre Lachfältchen heranzulassen. Das machen weder Models noch die meisten anderen Frauen Ihres Alters. Ich habe kürzlich auch wieder mit Peter Lindbergh gearbeitet, der kaum retuschiert. Aber es kommt immer auf den Stil des Fotografen an. Wie viel hinterher bearbeitet wird, ist ein Stilmittel, das man als Model nicht wählt. Es wird auch bei 17-Jährigen teilweise retuschiert, weil das zur Ästhetik unserer Zeit gehört. Die Bilder zeigen eine Traumwelt. 42 Sie wurden im Jahr 1994 bekannt. Wie war das damals? Genauso, da wurde zwar weniger retuschiert, aber viel mit Make-up gemacht, das ist ja auch nicht wirklich realistisch. Da ging es genauso darum, Träume abzubilden. Wenn wir alles ganz realistisch haben wollten, müssten wir alle im Kartoffelsack durch die Gegend hüp- fen. Wir sind doch in diesem Geschäft, um alles überdimensional schön zu machen. Wie hat sich die Modebranche im Vergleich zu Ihren Anfängen verändert? Ein Unterschied ist sicher, dass wir früher noch ein bisschen naiver waren, dafür aber auch wilder. Alles war noch nicht so durchkommerzialisiert. Wir sind in Sachen über den Laufsteg spaziert, die zu einem Großeil nie produziert wurden, weil kein Mensch sie hätte tragen wollen. Eine Modeschau war eher ein Happening. Heute habe ich den Eindruck, dass es mehr um Verkaufszahlen geht. Es werden also eher Sachen gezeigt, die sich hinterher gut verkaufen lassen, und das ist ja auch in Ordnung. Viele der aktuellen Topmodels teilen ihr halbes Leben auf Instagram. Könnten Sie das? Das finde ich ganz schwierig. Ich bin froh, dass ich nicht heute Model bin. Andererseits, wenn ich jetzt 19 wäre, würde ich das wahrscheinlich ganz anders sehen und könnte ohne mein Instagram, Whatsapp oder was auch immer nicht glücklich sein. Aber wer weiß. Selbst Karl Lagerfeld hat vor ein paar Jahren entschieden, sich doch einmal ein Handy zuzulegen. PETER LINDBERGH IM GESPRÄCH N A Karl Lagerfeld nannte Sie die neue Marlene Dietrich. Nicht nur Ihrer Ähnlichkeit wegen, Sie sollen auch immer freiheraus gesagt haben, was Sie denken. Na ja, vielleicht nicht immer. Ein bisschen diplomatisch bin ich schon auch. Aber ich glaube, in den Neunzigern war es eher ein Plus, eine Meinung zu haben. Ich weiß nicht, wie es heute ist, ob man als Model sagt, was man denkt, oder besser nicht. Bei dieser Caren, nein Carla Dele, Dele – wie heißt sie? Ich kann den Namen nicht aussprechen. ...Cara Delevingne... Genau, bei ihr habe ich zum Beispiel das Gefühl, dass sie auch ein starker Charakter ist, ein biss- Vom Supermodel zur Supermum und zurück. Nadja Auermann geht ihren eigenen Weg. Und ist genau deswegen wieder gut im Geschäft. Andrea Morales traf sie in Barcelona ? A chen frech, unangepasst. Da kann ich gut verstehen, dass Karl sie so toll findet. Aber ich glaube, das ist nicht unbedingt typisch für die Branche dieser Tage. Sie haben damals auch selbst entschieden, sich die Haare von Mittel- in helles Platinblond zu färben. Danach ging es mit der Karriere steil nach oben. Mit langen Haaren bis über die Brust habe ich auch schon viel gearbeitet. Aber ich fand plötzlich, die Fotografen machten mich immer gleich. Dabei bin ich doch in diesem Business, weil ich Mode liebe, die Transformation, die Veränderung! Ich wollte sie herausfordern, dass sie mich anders sehen und anders darstellen können. Abschneiden wollte ich meine Haare damals noch nicht, also dachte ich: warum nicht Weißblond? So sah ich als Kind aus und mochte das immer. Mittlerweile haben Sie selbst vier Kinder – welche Werte geben Sie ihnen mit? Sollen sie auch einmal so selbstbewusste Charaktere werden wie ihre Mutter? Nadja Auermann, fotografiert von Peter Lindbergh. Der Fotograf begleitet Auermann seit den Anfängen ihrer Karriere. Sie schätzt an ihm unter anderem, dass er seine Arbeiten kaum retuschiert Auf jeden Fall. Aber noch wichtiger ist mir Respekt. Das Eine hat meiner Meinung nach mit dem Anderen zu tun. Wenn man sich selbst liebt, kann man auch die anderen Menschen besser respektieren. Ihr erstes Kind haben sie 1997 bekommen, auf der Höhe Ihres Erfolgs. Haben da nicht viele gesagt: „Bist du verrückt? Danach ist alles vorbei!“ Darüber habe ich mir überhaupt keine Gedanken gemacht. Mir war es damals auch egal, ob meine Karriere weitergeht. Ich hatte alles erreicht, was ich mir erträumt hatte. Wenn es danach vorbei gewesen wäre – für mich vollkommen in Ordnung. Schauspielerei war für Sie auch einmal ein Thema. 2004 spielten Sie in dem Fernsehfilm „Dörnröschens leiser Tod.“ Das verfolgen Sie nicht weiter, oder? Tja, du musst gute Angebote bekommen, da ist man ein bisschen ausgeliefert. Aber hey – wenn ein super Drehbuch kommt, überlege ich es mir noch mal. Angeblich wollten Sie auch einmal Therapeutin werden. Ja, ich habe vor ein paar Jahren angefangen, Psychologie zu studieren. Mit vier Kindern, Anfang 40... Deshalb habe ich auch nicht fertig studiert. Ich habe Respekt vor Frauen, die Kinder haben, Karriere machen, studieren und das alles verbinden. Ich habe das nicht geschafft und dann entschieden, dass es so wie es jetzt läuft, eigentlich sehr in Ordnung ist. Sie leben fernab des Modezirkus in Dresden. Heute der große Auftritt in Barcelona, morgen wieder im Einfamilienhaus in Dresden? Das würde für mich gar nicht mehr anders gehen. Diese Woche lief fast wieder wie früher, alles war durchgetaktet, erst Paris, kurz zurück nach Dresden, dann nach Barcelona. Danach brauche ich erst mal wieder Zeit mit meiner Familie. Für mich ist die Balance zwischen Aufregung und Entspannung, zwischen Arbeit und Familie, das Geheimnis des Glücklichseins. Zu viel von allem ist nicht gut. 43 MODISCH UNTERWEGS FOTO: LYDIA GORGES & JENS SCHMIDT C/O HILLE; STYLING & PRODUKTION: DANIEL SARTORE; FOTOASSISTENZ: ARNE VOSSELT; HAARE & MAKE-UP: MARCO HÜLSEBUS C/O KLAUS STIEGEMEYER. MIT PRODUKTEN VON CHANEL UND KEVIN MURPHY; MODELS: LISA VERBERGHT C/O IMM MODELS BRÜSSEL, JAPOK C/O M4; LOCATION: DAS SCHWARZE HAUS UND LANDHAUS AM SEE, BEIDE IN PINNOW (GERSWALDE) DIE MARK DES NORDENS BISMARCK SOLL EINST GESAGT HABEN, ES GEHE IN DIESEM LANDSTRICH SO LANGSAM ZU, DASS AUCH DIE WELT HIER DEREINST HUNDERT JAHRE SPÄTER ALS ANDERSWO UNTERGEHEN WERDE. WIR FINDEN: DAS SPRICHT FÜR DIE UCKERMARK, EIN PAAR KILOMETER NÖRDLICH VOM HEKTISCHEN BERLIN GELEGEN. STATT GRAUER HÄUSERFASSADEN GIBT ES HIER GRÜNE HÜGEL UND MYSTISCHE SEEN. FÜR DIE BERLINER SEIT GENERATIONEN DAS, WAS FÜR NEW YORKER LONG ISLAND IST: DAS REFUGIUM ZUM DURCHATMEN. FOLGEN SIE UNS AUF EINEM MODISCHEN SPAZIERGANG. GANZ ENTSPANNT, VERSTEHT SICH 44 Top und Rock: Tory Burch. Parka: Lempelius Diese Seite: Bestickter Mantel und Hose: Dries van Noten. Pullover: Ermenegildo Zegna. Stiefel: Hunter. Rechts: Kleid: Agnona. Armband: Wempe 46 Diese Seite: Japok im Pullover von Hermès. Hose: Giorgio Armani. Sandalen: COS. Gürtel: Filippa K. Armband: Wempe. Rechts: Lisa im Cape von Salvatore Ferragamo 48 ER: Anzug: Brunello Cucinelli. Hemd: Dries van Noten. Schuhe: Giorgio Armani. Socken: Falke. SIE: Lederblouson: Hermès. Tüllrock: Rika. High Heel-Sandalen: Christian Wijnants. Armband: Hermès 50 52 Links: Anzug: Herr von Eden. Strickjacke: Fred Perry. Stiefel: Hunter. Diese Seite: Brokat-Anzug: Joseph. Top: 7 for all Mankind. Stiefel: Hunter 53 Diese Seite: Kleid: Sportmax. Ohrringe: Wempe. Rechts: SIE: Pullover: Ganni. Rock: Brunello Cucinelli. Schal: Johanna Michel für Rubin Chapelle. High Heel-Sandalen: Miu Miu. ER: Pulli mit Hemd-Ärmeln: Giorgio Armani. Hose: Louis Vuitton. Schuhe: Dries van Noten. Tasche: Burberry 54 55 Der Adler ist gelandet CONCEPTSTORE Was nach Geheimdienst klingt, ist (noch) ein Geheimtipp. Die Britin Alex Eagle hat in Berlin ein Geschäft eröffnet, das zum Maßstab werden dürfte. Inga Griese sah sich um, Oliver Mark fotografierte 58 Ein guter Typ mit guten Ideen: Alex Eagle, Kreativdirektorin von The STORE W as ist wirklich urban? Eine von vielen möglichen Antworten auf diese Frage findet sich in der Berliner Torstraße. An der großen Kreuzung im ehemaligen Osten steht ein riesiges, nicht zu perfekt renoviertes helles Gebäude, das jenen Stil verkörpert, von dem internationale Besucher vermuten, dass er typisch Berlin sei. Kreativ, geräumig, international, polyglott. Die jungen Frauen und Männer an der Rezeption sprechen Englisch, bisweilen mit der Hochnäsigkeit, die man in Luxusboutiquen erlebt. Das Soho House ist Hotel und begehrter privater Club zugleich, ein Prinzip, das Gründer Nick Jones mit großem Erfolg in angesagten Städten errichtet hat. Man braucht den Membership-Status oder wenigstens eine Einladung, um hinein zu dürfen. Es schadet nichts, wenn man dabei ein MacBook Air mit sich führt, eine Entourage oder wenigstens ständig Mails zu checken hat. Mit dem Betreten der Halle des Soho Houses lässt man schlagartig die graue Masse hinter sich, die Berlin auch und besonders in dieser Gegend sein kann. Seit Kurzem kann man sich sogar noch ein bisschen weltgewandter fühlen. Denn gleich rechterhand betritt man nun ein Geschäft, das ohne Überheblichkeit tatsächlich den Titel „The Store“ tragen darf. Ein Geschäft ist gar nicht der richtige Ausdruck. Es ist ein Lebensgefühl, das sich auf 2800 Quadratmetern zwischen Holzdielen und Betondecke mit Nischen, Ebenen, Grünpflanzen und viel Freiraum ausbreitet. Kunst, Mode, Design, Bücher, Musik, Essen, Friseur – alles gehört zusammen. Für Sie und Ihn. Eben ein Concept Store im Wortsinn, in dem man glatt einziehen würde, weil er so großzügig und doch heimelig ist. Und nebenbei einkauft. Oder auch nicht. Man könnte sich mit seinem Laptop auch einfach an einen der Mosaiktische setzen oder auf das blaue Samtsofa lümmeln und Getränke von der Bar ordern, oder irgendetwas sehr Gesundes mit Produkten aus der Region – und dabei das Sofa auch gleich kaufen. Denn auch das gehört zum Konzept. Man könnte sich am Regal mit den Schallplatten von Jeremy Deller aus der Vinyl Factory ärgern, dass der Plattenspieler von Braun bei einer von vielen Aufräumaktionen längst aussortiert wurde. Um sich dann zurückzuziehen in den Bibliotheksbereich, der mit den langen Tischen und mittig angebauten Messingleuchten die schöne Illusion eines Studienplatzes in Oxford oder Cambridge vorgaukelt. Man könnte überlegen, eine Packung „Kishu Binchotan Charcoal“ zu erwerben, ein Stück Kohle zum Reinigen von Wasser. Ein Musthave der globalen Mover. Oder mal die Kosmetikprodukte von „#27“ ausprobieren, ich sag nur: Hashtag Körperöl. Zwischendurch zieht es einen dann vielleicht wieder zu einem der Kleiderständer hier und da, behängt nach der Devise: weniger ist mehr. Mit Marken, die nach Kate Moss, Dree Hemingway und Cara Delevingnes Clique klingen. Wer in London zum Beispiel keines der Hemden von Trager Delaney ergattert, ist schon mal raus. (Wir stellen das Duo auf den nächsten Seiten ebenso wie Rosetta Getty vor). Die raue Ware von Christophe Lemaire, dem bisherigen Hermès-Designer, findet sich hier, die Seidenpyjamas von Poplin, dem Label von Lulu Guinness, aber auch The Row von den amerikanischen Olsen-Zwillingen oder die Surferklamotten von Baja East aus New York. Think local mit der Berliner Modistin Rike Feuerstein. Es locken auch Jil Sander, Balenciaga, Proenza Schouler, Jun’ya Watanabe, Issey Miyake. Oder Alex Eagle. Als Wäschelabel und als Person. Die Engländerin ist die Erfinderin dieser Einkaufslebenswelt, die eben wie ein Club und, das muss man nicht betonen, nichts für Schäppchenjäger ist. Aber für Leute, die ihre Persönlichkeit gern mit Understatement kleiden, ohne dabei an Twinset mit Bluse zu denken. Stiller, individueller Luxus, wie er heute angesagt ist als Gegenentwurf zur „Fash Fashion“ . Alex Eagle, eine einnehmend aufgeschlossene Frau, wusste schon als kleines Mädchen, dass sie einmal in der Mode Erfolg haben wolle. Aufgewachsen in London, absolvierte sie nach der Schule ein Praktikum bei der Sunday Times, ging zum Tank Magazine, das sich quartalsweise mit Kultur, Mode, Architektur und Musik beschäftigt. Wechselte zu Harper’s Bazaar, übernahm die PR-Leitung der Marke Joseph, war in alle Abläufe involviert und bekam endgültig den „360-Grad-Blick auf die Branche“, wie sie mit ihrer rauchigen Stimme erzählt. Das würde schon reichen für eine gute Karrierebilanz in der Fashionszene, doch für Alex war das wohl eher ein „Warm up“. Mit Ende 20 war ihr klar: „Ich eröffne mein eigenes Geschäft.“ Keinen Shop, eher eine Kreativebene, einen Showroom für den Lifestyle, der ihr selbst nah ist. Und so betritt man in der Londoner Walton Street in bester ChelseaNachbarschaft eine Art Apartment, eingerichtet mit (Verkaufs-) Objekten von Ettore Sottsass, Fotos von Robert Mapplethorpe oder David Bailey und einem üppigen Lüster aus dem 19. Jahrhundert. Dazwischen Kollektionen, Bücher, Kosmetik. Der Prototyp für Berlin, quasi. Und eigentlich Aufgabe genug, würde man denken. Doch die umtriebige Britin, ge- rade mal 31 Jahre, ist liiert mit dem Investor Mark Wadhwa, unter anderem Mit-Besitzer des Plattenlabels Vinyl Factory und auch der Soho House Immobilie in Berlin. Nick Jones, der Betreiber, ist sein Freund. Und da war diese riesige ungenutzte Fläche im Erdgeschoss. Galerie, Fotostudio, Kino, Shop, Restaurant, Büros – was macht man damit? So ähnlich muss man sich die Gespräche zwischen den kreativen Geistern Mark und Alex vorstellen. Die Antwort: „Alles. Ein Experiment.“ Nun pendelt Alex Eagle also zwischen London und Berlin. Und es ist hoffentlich kein Zweckoptimismus, wenn sie schwärmt: „ Die Leute kommen nicht mehr nur, um Party zu machen.“ Lebensgefühl mit angeschlossener Kauflust: „The Store“ im Soho House Berlin will mehr sein als ein Geschäft - eher ein Aufenthaltsraum für eine internationale „crowd“. Kinder und Hunde sind willkommen. Kaufen kann man auch alles, unter anderem von oben nach unten: Klamotten von Jonathan Sounders, Kosmetik von REN (den Tisch gleich mit), Accessoires wie die Tasche von Jil Sander, Ohrringe von Delfina Delettrez 59 „Kleider, die unsere Freunde sein wollen” Dass experimentelle Mode nicht immer ein Fall für’s Museum, sondern durchaus tragbar sein kann, beweisen die Kreationen des jungen Londoner Labels Trager TRAGER DELANEY, OLIVER MARK, MONTAGE: ICON Delaney. Mira Wiesinger hat das Duo in Berlin getroffen. Oliver Mark fotografierte D 60 er Volksmund sagt: Gegensätze ziehen sich an. Im schönsten Doppelsinn lässt sich dieses Sprichwort auch auf Mode übertragen. Werden Kleidungsstücke doch häufig erst dann interessant, wenn man sie mit vermeintlich Unpassendem kombiniert. Liest man den Beschreibungstext des jungen Londoner Labels Trager Delaney, stolpert man über eine Formulierung, die ähnlich widersprüchlich klingt: „functional luxury“. Funktionaler Luxus? Ist das nicht strenggenommen ein Paradoxon? Funktionales ist in der Regel schlicht, schnörkel- und schmucklos. Vor allem aber ist es zweckmäßig. Luxus hingegen ist per Definition ein kostspieliger, verschwenderischer, nicht notwendiger und nur zum Vergnügen betriebener Aufwand. „Funktionales und Luxus scheinen sich tatsächlich gegenseitig auszuschließen“, sagt Kim Trager, die eine Hälfte des Designerduos, „der Begriff Luxus verändert sich aber im Moment. Man konzentriert sich gerade auf das Wesentliche – ob es nun um Einrichtung, Essen oder Mode geht. Und alle wollen doch nur noch tragbare Mode kaufen. Nicht solche für den Kleiderschrank.“ So entwerfen seine ehemalige Kommilitonin Lowell Delaney und er seit 2012 Kleider für jeden Tag. „Kleider, vor denen man keine Angst haben soll, die unsere Freunde sein wollen“, so Delaney. Ihre Kollektionen würden sich vor allem durch Understatement und Qualität auszeichnen, was einen starken „Look“ nicht ausschließt. „Wir sind nicht sexy oder glamourös. Alle Frauen, die ich kenne, arbeiten in Büros und wenn sie abends noch ausgehen wollen, dann ziehen sie sich dafür nicht extra um. Unsere Kleider sollen zu jeder Tageszeit funktionieren und uns das gute Gefühl von Stärke und Eleganz vermitteln, ohne dabei einzuengen“, erklärt Delaney. Wie das konkret aussieht? In der aktuellen Frühjahr-/Sommerkollektion zeigt das Label vom russischen Konstruktivismus inspirierte Muster, zart Blau auf weißem Grund oder flächig in sattem Orange, Yves-Klein-Blau und Grasgrün. Schaut man näher hin, erkennt man in den Mustern kleine Figuren und Abbildungen von Nahrungsmitteln. Schaut man noch genauer hin, dann auch den Einfluss der Häuser, bei denen die beiden Erfahrung gesammelt haben: Trager war unter anderem bei Henrick Vibskov und Haider Ackermann, Delaney bei Céline und Sonia Rykiel. „Wir haben für diese Kollektion in Richtung Russland geschaut. Und zwar nicht auf das aus den Nachrichten, sondern auf das echte Russland, die einfachen Leute vom Land. Wir haben uns vorgestellt, wie sie barfuß über die Felder laufen, den Sommer auf dem Land verbringen, zurück zu den Wurzeln eben“, beschreibt Delaney die Inspiration der Kollektion. Und so sind auch die Schnitte reduziert, ja, geradezu ländlich. Da gibt es lange, vorn durchgeknöpfte Röcke, mit Kordeln geraffte Bündchen, geknotete Blusen und Jacken. 2006 lernten sich Trager und Delaney, jeweils 29 Jahre alt, während des Studiums am renommierten „Central Saint Martins College of Art and Design“ in London kennen. Beide waren sie dort gegen ihren Willen im Fach „Knitwear“ gelandet. „Am Central Saint Martins stecken sie dich einfach in den Kurs, von dem sie glauben, dass er am besten zu dir passt“, erklärt Trager und verdreht genervt die Augen, „wir wussten das vorher nicht, hätten natürlich lieber ‚Womens Wear’ studiert.“ Sie begannen also, zunächst aus Trotz, mit dem Thema Strick experimentell umzugehen: „Wir waren die Einzigen in der Klasse, die überhaupt keine Lust auf Strick hatten, haben Garne geschmolzen oder aus unkonventionellen Materialien gestrickt“, erinnert Delaney. So sei ihre Obsession für Strukturen entstanden. Unterschiedlichste Materialien wie ge- schorenen Nerz, Neopren, Nappa- und Rentierleder, Samt und Hightech-Textilien wie „Kevlar“ oder Funktionsfasern der Firma „Schoeller“ haben sie schon nebeneinander verarbeitet. Gegensätzlichkeit also auch hier. Am liebsten aber erzählen die beiden mit ihren Kollektionen abseitige Geschichten. Etwa die von dem verwaisten Mädchen aus dem Schwarzwald, das einen viel älteren Mann heiratet. Oder jene von dem skurrilen Teenager, der von seinen Eltern zum letzten Mal mitgeschleppt wird in den Skiurlaub. Dort kombiniert das Mädchen die alten Kleider ihrer Großmutter zur Hightech-Skigarderobe. Hört sich auf Anhieb wild an, wirkt am Ende aber doch stimmig. Das Geschichtenerzählen helfe dem Duo auf den gleichen Pfad zu gelangen. Denn auch sie seien letztlich sehr verschieden: Während Lowell Delaney in London groß wurde und dort vor dem Studium Erfahrung als Stylistin sammelte, wuchs Kim Trager auf einem Bauernhof in Dänemark auf und verbrachte ein Jahr im „Gardehusarregimentet“, im dänischen Heer zu Pferd. Oft beginne das Brainstorming für neue Ideen mit Erinnerungen aus der Kindheit. Da, wo es Berührungspunkte gibt, beginnen dann die Geschichten hinter den Kollektionen. „Wir sind wie zwei Kreise, die sich überschneiden“, veranschaulicht es Trager, indem er mit dem Zeigefinger die geometrische Form auf dem Tisch zeichnet, „aus der gemeinsamen Schnittmenge entspringen die Inspiration für unsere Arbeit.“ Trotz aller Andersartigkeit fände man eben auch eine Menge Parallelen. Vor allem teile man den selben Humor aber auch Kindheitshelden: den Basketballspieler Dennis Rodman etwa oder den Skateboarder Tony Hawk. Sie liebten beide die Fernsehserie „The Crystal Maze“ und den Golden Retriever sowieso – ganz recht, den ultimativen 90er-Jahre-Hund. Klar, dass ihre Kleider irgendwie stets 90erJahre Appeal versprühen. Womit sie momentan nichts falsch machen können. Im Gegenteil, gehört ein gewisser Pre-Millenium-Chic doch momentan zum guten Ton. Es wundert also kaum, dass Trager Delaney spätestens seit vergangenem Herbst, als sie das erste Mal auf der Londoner Modewoche ihre Kollektion präsentierten, auf der „Ones to watch“-Liste der internationalen Moderedakteure stehen. Auch ihr Händler-Verzeichnis lässt sich sehen: Edelboutiquen wie „Matches“, „Browns“ und „Joseph“ in London, zwei Geschäfte in den USA und seit einigen Wochen nun auch der Conceptstore „The Store“ im Berliner Soho House führen das Label. Ein rasanter Erfolg, von dem die beiden selbst manchmal überrumpelt sind: „Wir hatten immer schon eine Menge Selbstvertrauen, trotzdem müssen wir uns hin und wieder hinsetzen und einfach mal durchatmen“, erklärt die elfenhafte Delaney. So wie jetzt, als sie nebeneinander auf einem plüschigen Sofa sitzend über ihre kometenhafte Karriere reflektieren. Und sieht man die beiden dabei aufmerksam an, kommt man nicht umhin, eine gewisse Ähnlichkeit festzustellen: das rötlich-blonde Haar, die hellblauen Augen, die beinahe durchscheinende Haut. Kein Zweifel, Lowell Delaney und Kim Trager, deren Geburtstag nur fünf Tage trennen, sind Seelenverwandte. „Ich glaube nicht an Astrologie“, sagt Trager, „aber wir sind auf jeden Fall irgendwie miteinander verbunden. Trotz der unterschiedlichen Hintergründe. Aber vor allem machen wir beide einfach gerne schöne Kleider.“ Kleider, die so sind, wie sie selbst: Freunde eben. Lowell Delaney und Kim Trager sind nicht nur Geschäftspartner. Sie sind auch Seelenverwandte 61 R unter anderen die Schauspielerin Patricia Arquette. Angesichts des Hollywood-Trubels, der sie umgibt, überrascht der Mensch Rosetta Getty: eine in sich ruhende, ehrliche und leise Frau, die still nachdenkt bevor sie redet, ihre Familie über alles schätzt und gleichzeitig mit Leidenschaft ihre Modekarriere verfolgt. Im vergangenen Jahr lancierte sie ihr eigenes Label. Die Kollektion erinnert an die praktischen und sehr minimalistischen Designs, mit denen einst Marken wie Calvin Klein oder Donna Karan den guten Ruf der USA als Modenation etablierten: weite Silhouetten, neutrale Farben, gerade Schnitte, Layering. Teile, die ebenso viel Ruhe ausstrahlen wie die Designerin selbst, und durch eine bis ins letzte OLIVER MARC, MONTAGE: ICON; ROSETTA GETTY osetta Getty führt alles andere als ein durchschnittliches Leben. Sie ist verheiratet mit Balthazar Getty, Schauspieler, Musiker und Urenkel des legendären amerikanischen Ölmagnaten und Industriellen John Paul Getty. Mit seinen vier Kindern bewohnt das Paar ein Anwesen am Mulholland Drive in Los Angeles, 360-Grad-Blick auf den Pazifik und eine Kunstsammlung mit Werken von Wolfgang Tillmans bis Olympia Scarry inklusive. Die Sommermonate verbringt die Familie meist in Italien, zum engeren Freundeskreis zählt Es bleibt in der Familie Sie ist Mutter von vier Kindern und trägt einen Namen, der Türen öffnet. Mit ihrem Modeunternehmen beweist die Amerikanerin Rosetta Getty jedoch, dass sie niemand ist, der sich auf seiner Herkunft ausruht. Schon der Kinder wegen. Silvia Ihring ist angetan kuratierte Stoffauswahl beeindrucken. „Ich bin ein echter ‚fabric geek’ und habe sehr viel Zeit damit verbracht, die besten Stofffabrikanten auf der ganzen Welt aufzutreiben“, sagt Getty. Ein flatterndes, knöchellanges Trägerkleid aus Seidensatin kann man – nein, will man – von morgens bis abends tragen. Umso mehr, wenn man wie Getty vier Kinder, einen Ehemann, einen Job und gesellschaftliche Verpflichtungen miteinander verbinden muss. „Ich denke viel darüber nach, wie ich Mode entwerfen kann, die mir das Leben erleichtert. Die nicht an Saisons gebunden ist oder an Tageszeiten.“ Die 45-Jährige führt das Label nicht, um sich die Zeit zwischen Charity-Galas und KunstAuktionen zu vertreiben. Selbst ein ehemaliges Model hat sie zudem Modedesign studiert. Bereits zwei eigene Labels stehen in ihrem Lebenslauf: Unter ihrem Mädchennamen Rosetta Millington entwarf sie Kindermode, die Marke Riser Goodwyn stand für Abendkleider. In beiden Fällen gab Getty die Arbeit auf, um sich auf die Familie zu konzentrieren. Aber die Liebe zur Mode ließ sie nie los. „Meine Mutter würde sagen, dass ich damit geboren wurde.“ Getty wuchs im Stadtviertel Silver Lake in Los Angeles auf, ihre Eltern lebten in einer Kommune. „Sie waren richtige Hippies. Spiritualität ist ein schwieriges Wort, aber in dieser Gemeinde wurden Spiritualität und Liebe sehr hoch gehalten. Es waren offene Menschen, jeder durfte er selbst sein. Ich glaube, am Ende hat mir dieses Umfeld eine gute Basis mitgegeben.“ Diese Art Kindheit verbinde sie auch mit ihrem Mann, den sie mit Ende 20 über gemeinsame Freunde kennenlernte. „Wir hatten so viel gemeinsam, wir haben uns gleich verstanden.“ Balthazar Getty wuchs in San Francisco bei seiner Mutter Gisela auf, die einst zur 68er Bewegung und der Clique um Rainer Langhans gehörte und mittlerweile in München lebt. Beide hätten sie außerdem in sehr jungen Jahren angefangen zu arbeiten. Getty, die mit sichtlicher Freude über ihre Kinder spricht, möchte ihnen in dieser Hinsicht ein Vorbild sein. „Gerade mit diesem Nachnamen hätten sie viele Entschuldigungen, warum sie nicht zu arbeiten bräuchten. Aber ich möchte ihnen zeigen, dass, egal, was man tut, ob man Zuhause arbeitet, ein Hobby zum Beruf macht: Man sollte eine Leidenschaft hegen, motiviert sein und arbeiten.“ Man muss die Getty-Kids nicht unbedingt um ihren Nachnamen beneiden. Um ihre coole Mum schon eher. V I S I T O U R NE W W E BS I T E A I G N E R M U N I C H . C O M C E L E B R AT I N G 5 0 Y E A R S Superhero-Qualitäten hat „Light Forest“. Das Leuchtensystem von &tradition kann sich endlos an Wand und Decke verzweigen DESIGN Unaufdringlich, flexibel, elegant: „Voilà“, ein stummer Diener von Ivano Redaelli Probier’s mal mit Persönlichkeit Multiple Individuen lieben wir, allerdings nur in Form von Möbelstücken mit zweifachem Nutzwert. Esther Strerath fand schöne Beispiele Kratz mich! „Dog“ von Soonsalon ist gutmütig und ein gut aussehender Kratzbaum Ein Frosch als Beuteltier: Hocker „Daisy“ von Petite Friture S Sie funktionieren nur im Team: Die fünf Elemente des Sideboards „Friends“ stützen und halten einander, auf sich allein gestellt würden die einbeinigen Einzelteile umkippen. Die Idee, aus Freundschaft ein Möbelstück zu machen, hatte der Berliner Designer Mark Bendow (gemeinsam mit Albertine Baronius und Fine Böhm). Die niederländischen Produkt-Designer „Ontwerp-Duo“ erfinden mitunter Märchenhaftes wie zum Beispiel einen Vogelkäfig als Schaukelstuhl oder das Leuchtensystem „Light Forest“, das streng oder spielerisch durch Räume mäandern kann. „Wir dachten an Kletterpflanzen, die in einen Raum dringen und langsam über Wände und Decken wachsen und wie Blumen des Lichtes aufblühen“, erklärt Tineke Beunders. Der Künstler Cléon Daniel zitiert mit seinem qietschgelben Billardtisch „Banana“ die Pop-Art und spielt mit dem Spiel – in London fanden während des Design Festivals im September vergangenen Jahres die ersten „Banana Pool“-Meisterschaften statt. Es gibt Möbel mit Charakter! Ob der stumme Diener „Voilà“ von Ivano Redaelli, der sich dank seiner zierlichen Glieder räumlichen Gegebenheiten anpasst oder die tierischen Hausfreunde von Petite Friture, in denen man seine Füße vergraben kann, die Designs spielen mit den Erwartungen des Konsumenten, übertreffen sie, interpretieren sie neu, machen Spaß. Und sie können was: Als der französische Grand Seigneur des Designs, Pierre Paulin (1927-2009), in den 50er-Jahren Skandinavien entdeckte, fühlte er sich „wie ein Fisch im Wasser“. Er entwarft ein Daybed, das sich mit wenigen Handgriffen in eine Bank samt Ablagefläche verwandelt und mit seinen bunten Kissen an ein Mondrian-Gemälde erinnert. Das New Yorker Dreamteam Yabu Pushelberg, die zuletzt auch das Interieur des „Waldorf Astoria“ in Peking gestalteten, untersucht die Beziehung von Menschen, Möbeln und ihrer Umgebung – mit „Blink“ realisierten sie eine verschmitzt-elegante Möbel-Kollektion. Auch das: Teamwork. Halb sitzt, halb liegt man – nein, eigentlich schwebt man im Sessel „Mart“ von B&B Italia Alles Banane? Eben nicht. „Banana Pool Table“ von Cléon Daniel Harte Schale, weicher Kern: Drehstuhl „Leya“ von Freifrau Was bin ich? Daybed? Sofa? Ablage? Pierre Paulin für Ligne Roset Keine Himmelsleiter, sondern eine RegalSchreibtisch-Kombi von Muller Van Severen Alleine kippen sie um, gemeinsam sind die Elemente stark: Sideboards „Friends“ von Mark Bendow (über rmxinteriors.com) Anlehnungsbedürftig: Stableuchte „T-light“ von Roomsafari Bank vom Baum: Designer Benjamin Graindorge bringt Natur nach Hause (über ymeretmalta.com) Ein Hoch auf diesen Schrank: KabinettStück von Yabu Pushelberg (über stellarworks.com) ITEM-M6.COM HIGH-TECH KOMPRESSION LEICHTE, SCHLANKE BEINE PERFEKTES SHAPING MADE IN GERMANY COMPRESS TO IMPRESS DIE REV OLUTION A U S D ER M E DIZI N FÜR D IE MOD E GRENZERFAHRUNGEN VIEL HIMMEL, VIEL PRÄRIE, VIEL HITZE, VIELE PFERDE, VIELE RINDER, WENIG MENSCHEN. SO SIEHT’S AUS IN PRESIDIO COUNTY, AN DER GRENZE ZWISCHEN TEXAS UND MEXIKO. EIN ORT, AN DEM DER TREND ZU FRANSEN UND LEDER NATURGEMÄSS BESONDERS GUT ZUR GELTUNG KOMMT. BEREIT ZUM AUFSATTELN? FOTOGRAFIN: CLAUDIA GRASSL STYLING: JULIA FREITAG MODEL: POLINA C/O ONE MANAGEMENT HAARE/MAKE-UP: SHANE MODEN C/O WALLFLOWER MANAGEMENT PRODUKTION: GISELA BORGHI FOTOASSISTENZ: DANIEL SIMPSON & DOMINIC JONES STYLINGASSISTENZ: DANIELA SCHMITZ & MARC SPECOWIUS 66 Jeansjacke: Levi’s (über mytheresa.com). Vintage Sombrero: Dolly Python (SecondhandLaden in Dallas) 67 68 Links: Auf „Dotty“ trägt Polina Plisseerock und -Top, einen Body mit Metallringen besetzt sowie OverkneeStiefel. Alles von Givenchy. Westerngürtel: The Kooples. Armspangen: Camille Enrico. Diese Seite: Lederhose: Sly 010. Spitzentop: The Kooples. Fransenlederjacke und Gürtel: Schacky. Plateausandalette: Saint Laurent. Armspangen: Camille Enrico. Lederstirnband: Dolly Python Dallas 69 70 Bestickte Lederhose mit Fransen und Seidenhemd von Pucci 71 Trägerkleid: Stella McCartney. Fransenweste: Sly 010. Body mit Metallringen: Givenchy. CowboyKrawatte:Theaterkunst. Socken: Prada. Mules: Christian Louboutin. Clutch: Saint Laurent. Armschmuck und Ring: Camille Enrico 72 Kleid: Dolce & Gabbana. Overknee-Stiefel: Givenchy. Armreifen aus Leder (rechter Arm): Saint Laurent. Der restliche Schmuck ist von Camille Enrico. Langer Ohrring: Dolly Python Dallas 73 74 Bestickter Ledermantel und -Trägerkleid mit Fransensaum: Valentino. Gladiatorsandalen: Pucci. Ohrringe: Camille Enrico. Lederkette: privat. Goldener Haarkamm: Uriel Salas 75 ASPHALT-COWGIRLS Armfreiheit: Das Kleid ist aus der „Devided“-Kollektion von H&M e, üss zu l h rsc st ßve s pas ent i e lle ur ,R len ten: a nt La l a i n e Sch n, Ni bei Sa e n s Ö nse Fr a Handlich: Clutch von Valentino über mytheresa.com ZUSAMMENGE RA STELLT VON MI WIESINGER Elegante All-overFransen: Jäckchen von Brunello Cucinelli Franstastisch! adiaim Gl i s o t t e cc il e n -S t on Gu Fr a n s t i l g i b t ’s v o m .c -S toren t-a-porter e n r e üb In der kommenden Saison ist es ausdrücklich erlaubt, sich mit Für die Western-Lady: Gut g Wildlederjacke von Ikks eerde t Fr a n s en-Bo bleiben S ie oties von C in asade i seinem Look zu verfransen. Zumal es einfach Spaß macht, wenn von Kleidern und Accessoires munter Fransen baumeln, wenn sie im Wind flattern oder eine Bewegung Bau m Han eln b e Fr a n d g e l e n i d e g e k: T rn sen von asche am Pa u l Sm und ith Für die GroßstadtIndianerin: Stiefel von Etro echt rst r ni r alb e desh n bei Ma und se K l e i n i n d Fr a n s fein 76 ! D ie S in n e re in a tt a g li a L a s s d ie B t v o n S a ra Ta s c h e is Auswahl E in m al Fra n se n ko m p le tt : L ed er ja ck e vo n S ch ac ky unterstreichen – eine fröhliche Flotte Flechtung: Fransen-Tasche von Tory Burch Heitere Heels: Die Peep-Toes sind von Christian Louboutin Stark er Strei fen: Die Tasch e im Boho Chic ist von Salva tore Ferra gamo a AC Di CE SS O IR ES w e Ta ie s Ge m che o sc hä dis n vo fts ch n m e V Pa od u i el tam la C ld er inpi ade De lle ma rt sig n. ne Das ori w rin irk ?G en ut eL au ne Po we r 78 Pa ula An einem sonnigen Montagmorgen in ihrem Studio in Mailand entschlüpft der Taschendesignerin Paula Cademartori ein Gähnen. „Bitte entschuldige, ich funktioniere erst nach dem achten Kaffee so richtig“, sagt sie und schaut auf das leere Espresso-Tässchen, das vor ihr auf dem Tisch steht. Die Designerin mag vielleicht noch mit Müdigkeit kämpfen, doch direkt neben ihr befindet sich in einer Regalwand der Beweis dafür, dass man es mit einem sehr wachen Geist zu tun hat. Hier reihen sich die Taschenmodelle aus ihrer neuen Frühjahr- und Sommerkollektion aneinander. Viereckige Henkeltaschen, Clutches und Shopper, die so gute Laune machen wie das Obstsortiment auf einem italienischen Marktstand. Sie sind bestickt mit Lederpatches in verschiedenen geometrischen Formen und Farben von Blassrosa über Vanille bis Papaya-Orange, verziert mit kleinen Nieten, Federn, Lochmustern und sichtbaren Nähten. Auf jedem Modell glänzt eine große Schnalle in der Form des Buchstaben „Pi“ – das wichtigste Markenzeichen von Paula Cademartori. Die 31-Jährige entwirft die auffälligsten Taschen der Branche. Seit der Gründung ihres Labels 2010 hat sie sich vom Nachwuchstalent zum Innovator der Mailänder Accessoire-Szene entwickelt – und das auch noch als Brasilianerin. 166 Stores weltweit führen ihre Kollektionen, 2014 erwirtschaftete sie mit ihren 14 Mitarbeitern einen Umsatz von 2,2 Millionen Euro. Ein immenser Erfolg für ein Newcomer-Label. Die Taschen sind mutig gestaltet und werden in Italien in gut 32 Stunden Handarbeit pro Stück hergestellt, das hilft beim Überleben im gesättigten Markt der Luxus-Accessoires. Wirklich abheben von allen anderen tun sich die Objekte durch ihre Malkasten-bunten Designs – und diese Individualität überzeugt Kundinnen heute davon, bis zu 2000 Euro für ein Modell zu bezahlen. „Ich glaube, Frauen kaufen schöne Schuhe, um von Männern gesehen zu werden. Mit Taschen wollen sie jedoch Frauen beeindrucken“, sagt Cademartori. Die Tochter einer Ärztin und eines Unternehmers studierte Industriedesign in ihrer südbrasilianischen Heimatstadt Porto Alegre. Ihren Abschluss machte sie ein Jahr früher als ihre Kommilitonen – und mit 21 Jahren erklärte sie ihren Eltern, dass ihre Zukunft nur in Italien liegen könne. „Für mich ist es das einzige Land, das Luxus und Accessoires auf hohem Niveau herstellen kann.“ Sie schrieb sich am Modeinstitut Marangoni für einen Master in Accessoire-Design ein. „Ich wusste von Anfang an: Ich bin Brasilianerin, hier kennt mich kein Mensch. Also muss ich die Beste sein, wenn ich vorwärts kommen will.“ Nach acht Monaten und vielen Nächten mit nur drei Stunden Schlaf schloss Cademartori den Master mit dem Prädikat „Magna Cum Laude“ ab. Es folgte ein Job in der Accessoire-Abteilung von Versace. Cademartori lernte das System eines internationalen Modeunternehmens kennen – und dessen Grenzen. Als sie am Nachwuchs- wettbewerb der italienischen „Vogue“ teilnehmen wollte und ihr Arbeitgeber es ihr untersagte, kündigte sie die Stelle. Sie entwarf eine Schuhkollektion für den Wettbewerb und ein Jahr später debütierte ihre Taschenlinie. Cademartori ging von Boutique zu Boutique um ihre Kollektion vorzustellen, fertigte Kontaktlisten der wichtigsten Einkäufer und Journalisten an und telefonierte sich durch: „Buongiorno, hier spricht Roberta, die Assistentin von Paula, darf ich Ihnen ein Lookbook schicken?“, äfft die Designerin mit Mädchenstimme nach, wie sie sich damals als ihre eigene Assistentin ausgab. Sie lacht und wirkt plötzlich sehr bewegt. „Ich habe so viele ‚Neins’ gehört, du kannst es gar dir nicht vorstellen.“ Eine sagte sofort ja. Die Stylistin Anna dello Russo gehörte zu den ersten Fans, die während der Modewochen die Kameras der Streetstyle-Fotografen auf Cademartoris Taschen lenkte. Von da an stand dem Erfolg des Labels nichts mehr im Weg. „Es gibt zwei Möglichkeiten, wie man mit Problemen umgeht: mit guter oder mit schlechter Laune.“ Es steht außer Frage, für welchen Weg Paula Cademartori sich entschieden hat. Silvia Ihring Geht meist mit zwei Taschen aus dem Haus: Paula Cademartori www.juvia.com CAPARA 80 Die Designerinnen Vera und Olivera Capara UNTERWEGS Vorteil Antwerpen In den vergangenen Jahren hat die Stadt Modeschöpfer hervorgebracht, die zu Legenden aufgestiegen sind. Nun profiliert sich eine neue Generationen junger Designer. Heike Blümner traf sie, Charlie de Keersmaecker fotografierte E Es gibt viele Möglichkeiten, dem Lebensgefühl der Antwerpener auf die Spur zu kommen. Der berühmteste Modedesigner der Stadt, Dries van Noten, schickt Besucher dazu gerne in die Vergangenheit. Im Museum PlantinMoretus geht es an die Wurzeln des Großbürgertums der Handels- und Hafenstadt. In dem Gebäudekomplex aus dem 16. Jahrhundert befindet sich sowohl die älteste erhaltene Buchdruckerei der Welt als auch die Privatgemächer einer Verlegerfamilie aus dem 19. Jahrhundert sowie ihre Bibliothek und Kupferstichsammlung. In einer Art historischem Destillat lässt sich besichtigen, worauf die Antwerpener bis heute stolz sind: auf ihren Innovationsdrang, ihre Weltoffenheit und ihre Schöngeistigkeit zum Beispiel. Doch vor der Tür des Plantin-Moretus sieht es ganz anders aus. Der Vrijdagmarkt ist von kleinen Cafés umrundet, bei schönem Wetter sitzen leicht bekleidete Menschen entspannt in der Sonne. Dazwischen liegt eine der besten Second-Hand-Boutiquen für lokale Herrendesignermode. Jeden Freitag treffen sich hier zudem die Schnäppchenjäger der Stadt, um bei der Versteigerung von so gut wie wertlosen Überbleibseln aus Wohnungs- und Geschäftsauflösungen doch noch ein Kleinod zu ergattern. Dann türmt sich auf den Pflastersteinen das Gerümpel – und auch für vornehme Zurückhaltung ist kein Platz mehr. Alle überschreien sich gegenseitig. Antwerpen ist eine Stadt mit vielen Widersprüchen, die oft gerade wegen ihrer Gegensätzlichkeit miteinander harmonieren. Die „Skyline“ der Stadt, bestehend aus drei Gebäuden, bestätigt diesen Eindruck: Da steht die Kathedrale aus dem 16. Jahrhundert neben einem Art déco-Bankenturm à la Gotham City und dem brutalistischen Polizeigebäude, das an einen hochgeschossenen Bunker erinnert. Im standesgemäß angeschmuddelten Bahnhofsviertel wird in Hochsicherheitsgebäuden ein Großteil des weltweiten Diamantenhandels abgewickelt. Ob Antwerpen eher eine Groß- oder doch eine Kleinstadt ist, darüber scheiden sich die Geister. Offiziell hat die Stadt eine halbe Millionen Einwohner. Außenbezirke großzügig eingerechnet. Die Antwerpener selbst reden sich jedoch eher klein. Höchstens die Hälfte der Einwohner wollen sie dem relevanten Kern der Stadt zugestehen. Understatement gehört hier offenkundig dazu. Internationale Aufmerksamkeit holt sich die Stadt ohnehin jede Saison aufs Neue ab. Das „Fashion Flanders Institute“ (FFI) spuckt seit den 80er-Jahren immer neue Generationen an Designern aus. Es begann mit den „Antwerp Six“, zu denen Dries van Noten, Walter Van Beirendonck und Ann Demeulemeester gehören. Raf Simons, Chefdesigner von Christian Dior, hat ebenfalls am „FFI“ studiert und lebt trotz Weltruhm und französischem Arbeitgeber nicht in Paris, sondern immer noch hier. Und in van Notens „Het Modepaleis“ oder Dirk van Saenes „DVS“-Boutique pilgern Einheimische genauso wie japanische Hipster. Einer, der den Aufstieg Antwerpens zum Modezentrum mitverfolgt hat und inzwischen selbst zu den Protagonisten zählt, ist der deutsche Designer Stephan Schneider. Schon in den 80er-Jahren fuhr er von Duisburg mit seiner Vespa hierher, weil es dort damals schon einiges mehr zu sehen gab als in Duisburg oder der Modestadt Düsseldorf: Yamamoto hatte in Antwerpen einen Flagshipstore genauso wie Vivienne Westwood, und auf den Straßen spazierten Menschen umher, die sich von Kopf bis Fuß und mit großer Sorgfalt diesen neuen Kleidungskonzepten widmeten. Heute verfolgt Schneider, der zwischenzeitlich auch als Professor an der Berliner Universität der Künste lehrte, sein eigenes Konzept. In einer Gasse mitten in Die Kathedrale aus dem 16. Jahrhundert ist der Innen- eines der Wahrzeichen Antwerpens stadt besitzt er sein eigenes, handtuchschmales Haus aus dem 17. Jahrhundert. Sechs windschiefe Etagen werden nur durch eine halsbrecherische Treppe verbunden, die Schneider leichtfüßig hoch und runter läuft. Hier hat er seit 1996 sein Büro, von dem aus seine Kollektionen in die ganze Welt verschickt werden, und seine eigene Boutique. Bekannt ist Schneider für seine geradlinigen Silhouetten in gedeckten Farben, gern akzentuiert durch saisonale Prints. Die aktuelle Sommerkollektion heißt „smells like soft“ – und neben weichen fließenden Kleidungsstücken in Blau- und Grautönen werden die Looks von goldfarbenen ParfumflakonPrints eingerahmt. Strick-Pullover und Jacken werden seit jeher in Antwerpen von einer älteren Dame vom Fach handgefertigt. Der Deutsche hat sich bestens assimiliert, denn in Belgien steht Qualität über allem: „Das ist das Tolle an Antwerpen, dass Mode und Handwerk hier generationsübergreifend als Wert geschätzt werden“, sagt Schneider. „Und wir sprechen hier nicht von Mode als Luxus- oder Labelfetischismus.“ 3 81 82 3 Äußere Signets sucht man bei den meisten belgischen Designern vergeblich. Die Botschaft von Exklusivität ist subtiler und eher in der Verarbeitung, den kunstfertigen Prints, den Materialien oder dem Nahtverlauf zu finden. „Es gibt nicht einen Stil, aber eine gemeinsame Einstellung“, sagt Tim Van Steenbergen, Modemacher, Kostümbildner und ebenfalls Absolvent des FFIs. „Kreativität ist unabdingbar“, so Van Steenbergen, „aber darauf folgt immer der zweite Schritt, nämlich sie so zu lenken, dass die Kleidung tragbar wird.“ Während van Steenbergens Kollektionen kommerziell orientiert sind, kann er sich in seinem zweiten Berufsfeld austoben, dem Kostümdesign. Beim Besuch sitzt er im Backstagebereich des Antwerpener Stadttheaters, wo er gerade die Kostüme für ein Kinderstück vorbereitet. Vor ihm liegen Federn, Perlen und Spielzeugsoldaten. Auf den Kleiderstangen drängen sich die Outfits für menschlichanimalische Hybridwesen – alle von ihm selbst entworfen. Van Steenbergen war auch für die Kostüme von Daniel Barenboims Inszenierung des „Ring der Nibelungen“ verantwortlich und hat in der Scala und in der Staatsoper Unter Das „Museum am Fluss“ wacht über den Linden geardie Gentrifizierung im Hafenviertel beitet. Seine Modelinie aber hat er ganz bewusst für den belgischen Markt aufgebaut, seine Schauen finden nicht in Paris, sondern beispielsweise im Rathaus von Antwerpen statt. Diese „stabile“ Herangehensweise und ein gutes Maß an „Bodenständigkeit“ seien sein Erfolgsrezept, sagt der Designer. Wer erleben möchte, wie Antwerpen vom Boden in den Himmel wächst und handstreichartig Stadtentwicklungsgeschichte neu schreibt, sollte sich Richtung Hafenviertel begeben. Bis vor wenigen Jahren noch eine der räudigsten Gegenden der Stadt, entsteht hier derzeit eine Art belgische Hafencity: Lofts und Neubauapartments werden im großen Stil hochgezogen, in die ehemaligen Spelunken und Hafengebäude sind kleine Läden und Cafés eingezogen. Etwas weiter draußen baut Zaha Hadid ein riesiges Gebäude, das noch hinter Baugerüsten versteckt ist, und in der ehemaligen Anlaufstelle für Tagelöhner residiert nun eines der exklusivsten Restaurants der Stadt, das „Cielo“. Statt Henkelmann kommt jetzt Wolfsbarsch in Muschels0ße auf den Tisch. Über allem thront der 60 Meter hohe dekonstruktivistische Neubau des „Museum am Fluss“: Von dessen Aussichtsterrasse bekommt man einen noch besseren Überblick über die Wucht dieser Sanierungswelle. Im Stadtteil Seefhoek hingegen ist von Gentrifizierung bisher noch nichts zu sehen. Die Voraussetzungen dafür scheinen allerdings ideal: Hier treffen die zahlreichen Einwanderer der Stadt – angeblich leben in Antwerpen mehr Nationalitäten beieinander als in New York – auf eine junge Künstlerszene. Restaurants und Imbisse der unterschiedlichsten Küchen, blinkende Spätkäufe, Lebensmittelmärkte und Friseure reihen sich aneinander. Dazwischen liegt das „Atelier Solarshop“. In diesem alternativen Mini-Concept Store werden neben den Accessoires der Kleinstlabels „Hui Hui“ und „Daniel Andresen“ vor allem Vintage-Designobjekte verkauft. Im Zentrum stehen jedoch die Kollektionen von Jan-Jan Van Essche. Der gebürtige Antwerpener ist selbst in diesem nicht reizarmen Umfeld eine Erscheinung. Er trägt Schichten von schwarzen Gewändern und sein Haar ist zu einem imposanten Turban aus Dreadlocks drapiert. Damit ist er selbst ein wandelnder Repräsentant seines eigenwilligen Stils. Er verfolgt das, was man heute einen ganzheitlichen Ansatz nennt: „Wir spinnen die Wolle, wir stricken und weben selbst“, sagt Van Essche. In seinem Studio – im Zentrum steht eine weitläufige Kochund Esszeile, die so aussieht, als wäre sie im Dauereinsatz – steht unter anderem ein großer Webstuhl. Hier lebt und arbeitet er. Van Essches Teile in Schwarz- und Grautönen sind weit und locker geschnitten: „Es interessiert mich, wie man Luft und Stofflagen so einsetzt, dass sie das Optimum an Offenheit und Komfort bieten“, sagt Van Essche. Und obwohl seine Kollektionen und Modeprojekte für den Herren deklariert sind, sind die meisten Sachen vom Prinzip her unisex. So verwandelt sich ein weites, fast schon kaftanartiges Herrenhemd an Frauen in ein strenges, elegantes Kleid: „Ich biete Teile, die die Leute selbst interpretieren können.“ Mit seiner Ästhetik ist er unter den jüngeren belgischen Designern derzeit sicher der radikalste. Leichter und luftiger geht es bei Christian Wijnants zu. Er ist auf Expansionskurs. Seitdem ein lokaler Investor bei ihm eingestiegen sei, liefen die Geschäfte besser denn je, sagt er. Konzentriert sitzen mehr als ein Dutzend Mitarbeiter in der offenen Etage eines Bürogebäudes über ihrer Arbeit. Die aktuelle Sommerkollektion hat tropische Anleihen: Es gibt Blättermustertexturen, beschichtetes Leinen und auch Latex kommt zum Einsatz. Wijnants schätzt einen Look, „der wie nach einem Regenguss in den Tropen“ daherkommt. Einige Kleider, Bolerojacken und Oberteile sind aus zerrissener Seide gestrickt worden. Grün-, Blau und Rosatöne dominieren. Wijnants’ nächstes großes Vorhaben ist eine eigene Boutique in Antwerpen. Er, der eigentlich aus dem französischen Teil Belgiens stammt, sieht die Stadt als den idealen Standort: „Es gibt eine hohe Lebensqualität und sowohl Paris als auch Amsterdam sind innerhalb kürzester Zeit zu erreichen.“ Und: „Hier gibt es nicht nur viele Designer, die als Vorbilder taugen sondern auch echte Modekonsumenten.“ Genug Platz, bezahlbare Mieten und ein interessiertes, kaufkräftiges Umfeld. Alle Designer beschwören stets diese Standortvorteile. So auch die Zwillinge Vera und Olivera Capara – geboren in Bosnien, aufgewachsen bei Stuttgart, ausgebildet am FFI. Sie arbeiteten unter anderem bei Dries van Noten als Designassistenten, später für die Artisanal Line von Margiela und für Raf Simons bei Jil Sander: „Als wir nach Antwerpen kamen, fühlten wir uns wie früher die Einwanderer in Amerika. Alles schien möglich“, erzählt Vera – in dieser Umgebung klingt ihr schwäbischer Singsang exotisch. 3 CHRISTIAN WIJNANTS Der Designer Christian Wijnants und ein Look aus seiner Sommerkollektion (oben); Kollektionsteile in Arbeit (rechts) VAN STEENBERGEN Tim Van Steenbergen ist Modedesigner und Kostümbildner 83 JAN-JAN VAN ESSCHE Die Kollektionen von Jan-Jan Van Essche gibt es im „Atelier Solarshop" im Stadtteil Seefhoek zu kaufen STEPHAN SCHNEIDER 84 Der Duisburger Stephan Schneider verbindet belgisches Qualitätsempfinden mit klaren Formen. Ein Look aus der aktuellen Sommerkollektion (rechts) 3 Die Schwestern gründeten 2009 ihr eigenes Label „Capara“. Diesen Januar zeigten sie zum ersten Mal ihre Kollektion auf der Berliner Fashion Week. Bei Capara dreht sich alles um Mäntel und Jacken. Gedacht und entworfen wird von den Schultern abwärts. Die elaborierten Stücke, teilweise mit aufwendigen Prints und Siebdruck, sind eine Art Multifunktions-Couture. Sie lassen sich als lässig übergeworfene Mäntel zu Jeans und Turnschuhen genauso tragen wie mit High Heels und Gürtel als Kleid: „Wir entwerfen für Frauen wie uns, die viel arbeiten, aber auch ab und zu repräsentieren müssen“, sagt Vera. Es ist Abend geworden in Antwerpen. Und die Frage Groß- oder Kleinstadt fällt um diese Zeit recht eindeutig aus: Ab halb sieben ist hier nur noch wenig los. Wer bis dahin seine Mode-Einkäufe nicht beisammen hat, kann danach nur noch seinen Magen in einem der spannenden Restaurants der Stadt füllen. Das Nachtleben ist ebenfalls sehr überschaubar. Aber derartig gut gekleidet und gesättigt, ist der Antrieb für derlei Aktivitäten sowieso eher gering. Oder wie Vera Capara sagt: „Es ist toll hier zu leben, weil das Wetter oft etwas grauer und es insgesamt ruhiger ist. Da ist man nicht so abgelenkt.“ ACCESSOIRES Belgische Kleinigkeiten Das Königreich spricht viele Sprachen. Auch die der Mode ist hier eine mit vielen Akzenten. Mal laut, mal leise, aber immer mit eigenwilligen Ausdrucksformen Vielschichtig: Taillengürtel von Maison Martin Margiela über net-a-porter.com Wenn es mal so richtig knallen darf und soll: sonnengelbe Clutch von Delvaux Durchblick an goldenen Diventagen: Sonnenbrille von theo by Tim Van Steenbergen Königsblau und steinreich: Ring mit eingefasstem Mineralstein von larafrankl.be Mockingjay? Revolutionär schön ist es allenfalls: Medaillon von Heaven Tanudiredja Sündig-rot im sommerlichen Disco-Fieber: Metallic-Sandale von Dries Van Noten Wir klopfen auf Holz: Tasche mit Goldkette von nelemaroquinerie.com Ziemlich bunt getrieben und handgewebt: Patchwork-Schal von Monsieur Maison Für erwachsene Lolitas: Rucksack mit Schleife von Niels Peeraer ZUSAMMENGESTELLT VON LINDA LEITNER Von Meerjungfrauen emporgehoben: Brosche von 21-12.be Läuft – wenn auch weit oben: PlateauSandalette von emmanuellelebas.com The Bling Swing Ring: goldener Ring mit Diamanten von Kim Mee Hye 85 86 CARUSO (11); MONTAGE ICON Männer weltweit nach italienischen Maßstäben gut einzukleiden – das ist das Anliegen, das Caruso-Chef Umberto Angeloni hat S paghetti mit Tomatensoße. Umberto Angeloni verleiht den drei Worten eine beinahe sakrale Tiefe, indem er sie so leise ausspricht, dass man genau zuhören muss. Sein markanter Schädel lugt am Tisch im Halbprofil aus dem gestreiften blauen Dreiteiler hervor, die Lippen umspielt der Anflug, eher der Anflug eines Anflugs eines Lächelns. „Spaghetti pomodoro e basilico“. Darüber lohne es sich nachzudenken. Die schwere Tischdecke, die livrierten Kellner, das ganze Edelholz im Speisesaal des „Four Seasons“ in der Mailänder Via Gesù passen, so denkt man zunächst, zu seinen Worten wie Trüffel auf einen Hotdog. Aber dann erzählt er folgende Geschichte: Als Mann, der viel in Asien unterwegs sei, suche er dort ab und an ein italienisches Restaurant auf. Die Küchenchefs präsentierten ihm dann Fisch, Fleisch, ausgefallene Spezialitäten des Hauses. „Aber das will ich nicht“, sagt er, man hört es kaum. „Ich will Spaghetti mit Tomatensoße. Das Schlichteste. Aber es ist so schwer, die wenigen Zutaten ins optimale Verhältnis zu setzen.“ Viele Lokale hätten sie gar nicht mehr auf der Karte. Da gehe er dann nicht mehr hin, flüstert Angeloni und nimmt eine Gabel Spaghetti von seinem Teller im „Four Seasons“. Die Portion ist ihm zu groß: „Wer soll das bloß alles essen?“ Das dazu. Auf die Frage, wie man im Luxusgeschäft für Männer besteht, gibt es zwei Antworten: Die einen glauben, dass bisher Moden und Trends eine zu geringe Rolle gespielt haben. Deswegen solle sich nun auch bei den Herren die Einsicht durchsetzen, dass Saison für Saison etwas Neues her muss. Die anderen denken, dass die kaufkräftige Kundschaft nach wie vor eher die behutsame Evolution bevorzugt: Neue Looks und technische Neuerungen gern, aber erst, wenn sie wirklich ausgereift sind. Es ist wohl überflüssig zu sagen, welcher Schule Umberto Angeloni angehört. Bevor er vor gut fünf Jahren Chef des Labels Caruso wurde, stand er mehr als 15 Jahre lang Brioni vor und verhalf dieser Marke bis zur Trennung 2007 an die Weltspitze. Unter seiner Ägide gelang den Römern das Undenkbare: Von 1995 bis 2006 trug der Brite James Bond einen italienischen Anzug. An der Londoner Savile Row, wo man dem Selbstverständnis nach handwerklich den Italienern noch immer voraus ist, und wo Angeloni gelegentlich beim Haus Henry Poole arbeiten lässt, sprechen sie voller Respekt von ihm. Wer ihn trifft, merkt schnell, warum. In einer Welt, die etliche Großsprecher kennt, beschäftigt sich der 62-Jährige leise mit jedem Detail. Fragt man ihn nach den Knopflöchern seiner Anzüge, erhält man die Antwort: Handgefertigt, pro Stück 18 Minuten Arbeitszeit, die Konkurrenz brauche zwischen 12 und 15 Minuten. Die drei Minuten mehr lägen am besonders elastischen Seidenfaden, der schwer zu greifen sei; dazu sehe ein Caruso-Knopfloch hinten beinahe aus wie vorn. Der Zuschnitt? Lange stand die Branche vor dem Problem, dass Maschinen, die mit Laser arbeiteten, nur sehr viele Stofflagen übereinander durchtrennen konnten. Das ging auf Kosten der Präzision. Nun haben sie bei Caruso ein Modell eingeführt, das auch zwei Lagen präziser als die Hand schneidet. Deshalb fließt Angeloni zufolge bei Caruso mit 15 Stunden weniger Zeit in einen Anzug als bei manchem Konkurrenten – große Maßschneider rechnen ab 50 Stunden aufwärts für einen Zweiteiler; diese gesparten Kosten könne er ohne Qualitätsverlust an den Kunden weitergeben, IMMER MANNHAFT BLEIBEN Mit der Evolution gegen den Strom Die Herrenmode wird immer rasanter. Das ist ihr gutes Recht. Caruso-Chef Umberto Angeloni widersetzt sich dem ganz bewusst. Philip Cassier aß mit ihm sehr lange zu Mittag – und glaubt nun fest an leise Italiener sagt Angeloni in seinem leisem, perfekten Englisch und nippt vollendet am Sauvignon. In der Via Gesù – einer Straße, die sieben exklusive Labels, zwei Maßschneider und drei Schuhmacher für Herren beheimatet – hat Caruso im Januar zur Modewoche einen neuen Flagshipstore eröffnet; übrigens genau neben Brioni. Das Geschäft sieht aus wie der Backstage-Bereich einer Oper, viel Luft und warmes Holz, der Kunde soll sich als Darsteller fühlen. Es hat gedauert, bis das möglich war, länger als Angeloni kalkuliert hatte, als er bei Caruso begann. Es war die Zeit unmittelbar nach der Finanzkrise – und er, der studierte Ökonom, war erstaunt. Darüber, wie viele Labels sich gerade jetzt dazu entschieden, auf mehr Mode zu setzen; in einem Moment, als bei den Konsumenten weniger Geld zur Verfügung stand. Er jedenfalls entschied sich, bei Caruso von Anfang an genau ein Konzept konsequent zu verfolgen: Bekleidung für den „Good Italian“ herzustellen. Der Titel einer der letzten Geschichten Ernest Hemingways gebietet es, nicht lange darüber zu sinnieren, was Russen, Araber oder Chinesen für guten italienischen Stil halten, sondern die gebildete, kosmopolitische Elite Italiens selbst. Es ist gut vorstellbar, dass ein so langfristig angelegtes Unterfangen bei einem weltweit präsenten Unternehmen wie Caruso seine Zeit braucht. Brioni dagegen hatte sich bald nach Angelonis Abgang nicht ohne Erfolg entschieden, den Modeaspekt ernster zu nehmen und durch große Produktvielfalt auch ein jüngeres Publikum anzusprechen. Ausdruck davon ist zum 70-jährigen Jubiläum die Tatsache, dass man seit Langem wieder eine Schau in Mailand zeigte. 55 Looks zu harten Beats in acht Minuten, für die man das mächtige Stadtschloss mietete. Der Designer Brendan Mullane zitierte, bemüht um eine Aussöhnung von Tradition und Moderne, besonders bei den Mänteln für den Winter 2015/16 die Tradition der Spanischen Hofreitschule Wien. Hoch aufgeschlossen und sehr tailliert ging es auch bei den Jacketts der Anzügen zu, die wieder längere Rockschöße ausweisen. Aber auch farbenfrohe Pullover und kurze Lederblousons waren zu sehen. In ihrem Flagshipstore in der Via Gesú haben die Römer eines der drei Stockwerke für diese legerere Freizeitlinie reserviert. Ebenfalls auf jüngere Käufer ist das riesige Display im VIP-Raum ausgerichtet. Hier wird der Kunde digital vermessen und kann sich dreidimensional ansehen, wie der Anzug in seinem Stoff aussehen wird. So etwas wird man bei Caruso unter Angeloni vergeblich suchen. Es widerspräche seiner Vorstellung von Evolution. Er sitzt nun im „Four Seasons“ vor seinem Espresso, der Anzug sieht selbstverständlich so makellos aus wie vor dem Essen (wie geht das?). Nein, sagt er entschieden und noch ein bisschen leiser, Dinge wie ultrakurze Jacketts, wie sie in den vergangenen Jahren überall zu sehen waren, hätten doch nichts mehr mit Balance zu tun. Einerseits habe sich der männliche Körper verändert, weg vom gedrungenen Arbeiter hin zum hochgewachsenen, mehr oder minder trainierten Büromenschen. Um ein genaues Bild zu bekommen, ließ Angeloni sogar Tausende Männer für sein Herzensprojekt Uman, ganz blauer Herrenkleidung gewidmet, elektronisch vermessen. Nun hat er für Beine, Brust und Schultern Lösungen, die seinen Ansprüchen genügen. Das Ergebnis lässt sich in der Via Gesù betrachten. Bestimmte Dinge aber, erläutert Angeloni zum ersten Mal vernehmlich atmend, könne man für eine gelungene Silhouette nicht außer Kraft setzen. Und dazu gehöre eben, was angelsächsische Schneider seither mit den Buchstaben CYA abkürzen (für alle, die nicht ganz so bewandert sind wie Angeloni: Die Lettern stehen für „Cover your arse“. Zu Deutsch: „Bedecke deinen Arsch“). Wohl deswegen gibt es bei Caruso auch keinen Designer, sondern einen Lifestyle Director namens Sergio Colantuoni. Der stellte die Kollektion für den nächsten Winter unter das Motto Reisen. Und folgte der Idee, dass derjenige, der von einer Reise zurückkehrt, nicht mehr derjenige ist, der aufbrach. So steht Angeloni bei der Präsentation in seinem blauen Anzug zwischen am Bund hohen Flanellhosen, Mänteln aus Harris Tweed – Caruso arbeitet nicht ausschließlich mit italienischen Stoffen – zwischen Capes, Persianern und Kreidestreifen und spricht leise. Über neue Flagshipstores – den in New York, den es schon gibt, und den in Deutschland, der kommen soll. Über das Qualitätsversprechen Made in Italy. Und auch darüber, dass es in Sachen Bekleidung ein Äquivalent zu Spaghetti mit Tomatensoße gebe: „Wenn Sie wissen wollen, wie gut ein Label ist, lassen Sie sich einen Anzug aus Gabardine zeigen“, sagt er mit dem Anflug eines Anflugs eines Lächelns. „Ein unscheinbarer Stoff, der unglaublich schwer zu verarbeiten ist.“ Er wird geahnt haben, dass wir im Geschäft nachsehen – hat Store-Manager Pino Faraone nicht sogar ein wenig unter seiner Glatze gefeixt? Egal. Sechs Stücke hängen auf der Stange. Und es ist zum Verzweifeln: Es gibt nichts zu bemängeln. Einfach gar nichts. 87 BEWARE OF ANGEL S G E O R G I A M AY J A G G E R E R FA H R E N S I E M E H R Ü B E R I H R PA R F U M A U F M U G L E R . C O M BEAUTY STILISTEN HIER KOMMEN UNSERE KOSMETIKEXPERTEN ZU WORT „Bunt ist meine Lieblingsfarbe“ WUNSCHKONZERT Als Kind wurde mir erklärt, dass jede ausgefallene Wimper, vorausgesetzt sie wird vorsichtig gen Himmel gepustet, für einen freien Wunsch steht. Als Erwachsene wurde mir jedoch schnell klar, dass man mit jeder verlorenen Wimper etwas vom großen Augenaufschlag einbüßen würde. Einer Zufallsentdeckung der Augenmedizin jedoch sei Dank, dass Wimpern auch wieder üppig nachwachsen können. Denn ein Mittel gegen zu hohen Augendruck entpuppte sich als wahrer WimpernWachstumsanreger. Besonders schnell (4-6 Wochen) wachsen sie mit dem klaren, geruchlosen „RevitaLash“-Advanced Serum. Abends auf den gereinigten Wimpernkranz auftragen, schlafen gehen und sie in aller Ruhe erneuern lassen. Dieses Bekenntnis von Walter Gropius scheint auch das Credo von Make-up-Künstler Andrew Gallimore zu sein. Bekannt wurde der Brite durch seine extremen Schmink-Fantasien: So zaubert er schon mal einen halben Regenbogen ins Gesicht, verwendet neben Concealer und Co. gern Nieten, Fäden oder Metallplättchen. Die schräg-schöne Masquerade von abschminkbaren Kunstwerken zelebriert sein Landsmann Fotograf Rankin jetzt im vierten Band seiner „Beauty Books“ auf 160 Seiten. „Andrew Gallimore by Rankin“, Rankin Publishing, über boutiquemags.com ANDREW GALLIMORE BY RANKIN Nicole Oswald Mitinhaberin des „Parfumhaus Hangelar“ in Sankt Augustin DRUNTERDRÜBER Intelligent: der „Joli Baume Eclat du Jour“ von Clarins (limitierte Edition) sieht hübsch aus, kann aber auch was. Beim Auftragen reagiert ein Molekül mit dem pH-Wert der Lippen und verstärkt die eigene Farbe. Kussecht! Fünf Freunde: Für Diana Vreeland, einst legendäre Chefredakteurin von Harper’s Bazaar, wurde nun eine eigene Parfüm-Reihe kreiert. Sieht nicht nur gut aus, duftet auch so. Über Apropos Kunst am Handy: Damit Ihr iPhone genauso dufte aussieht, wie die Besitzerin riecht, gibt’s von Iphoria Handyhüllen in Flakon-Form 90 Auf den zweiten Blick: In gewisser Weise geht es auch um den Designklassiker „Victoria Ghost“. Die italienische Kosmetikmarke Collistar offeriert eine kleine Make-up-Kollektion im Kartell-Design. Den Stuhl muss man leider separat erwerben. Gibt’s exklusiv bei Karstadt und douglas.de Kunstvoll: Isabel und Ruben Toledo, das kubanische Künstler-Ehepaar, haben für Mac Cosmetics die Verpackung von Lidschatten, Mascara und anderen in Weiß gehüllt und mit Zeichnungen verziert. Ab März Haben Sie mal in Ihrer Handtasche nachgeschaut? Unzählige Lippenstifte, diverse Handcreme-Tuben, Mascara – alles dabei. Doch wenn frau wirklich mal einen kleinen KosmetikHelfer in der Not braucht, dann hat sie ihn nicht parat. Aber nun gibt es ein SOS-Sofort-RoteFlecken-Weg-Helferlein von Shiseido. Das frische Gel-Konzentrat „Ibuki Solution Gel“ der japanischen Kosmetikmarke kann bei Bedarf nämlich einfach auf wie aus dem Nichts erscheinende kleine Pickel oder rote Flecken (die oft nach einem Glas Rotwein auftauchen..) aufgetragen werden und die Haut schaut ebener aus. Funktioniert übrigens unter und über dem Make-up. Der 30 ml-Tiegel passt sogar in die angesagten Mini-Bags. Sandra Schleip Ebenfalls Mitinhaberin „Parfumhaus Hangelar“ in Sankt Augustin MARKENGESCHICHTE CLARISONIC in rn re c e d n oni , so uber on Claris a s r nv t nu Nich n Bür ste e mit d Doktor Brummer Von der Zahn- zur Gesichtsbürste: Schalltechnik ist das Geheimnis der Produkte von Clarisonic. Von Seattle aus erobern sie die Welt und polieren das Ego ihres Erfinders gleich mit auf, sagt Susanne Opalka D er Mann hat eine Mission. Dr. Robb Akridge, der Miterfinder der Reinigungsbürste Clarisonic, will die ganze Welt zum Brummen bringen. Er ist angetreten, unsere Haut zu befreien – von Unreinheiten, Irritationen, verstopften Poren. Seine Firma aus Seattle gehört inzwischen zu den 500 am stärksten wachsenden Unternehmen weltweit. In den USA hängen inzwischen 15 Prozent aller Frauen an der Bürste, in Deutschland benutzen 100.000 Menschen das Basismodell „Mia 2“: „Da ist bei 40 Millionen deutschen Frauen noch Luft nach oben“, sagt Akridge. Auch seine Firmengeschichte strotzt vor Selbstbewusstsein und Optimismus: Im Jahr 2000 saßen fünf Männer zusammen, die sich nach neuen Herausforderungen sehnten. Gerade hatten sie ihre Firma „Optiva“, die die Zahnbürste „Sonicare“ mit Schalltechnologie erfunden hatte, an Philips verkauft. Akridge, der Doktor der Mikrobiologie ist, und seine Kollegen, darunter auch ein Fluggeräte-Entwickler für das Space Shuttle der NASA, waren überzeugt, dass was die Zähne reinigt auch für die Haut funktionieren könne. Zunächst wurden Prototypen gebastelt, die noch schwer nach Ladyshave-trifft-Elektroschocker aussahen. Und auch so wirkten: „Ich war der Jüngste und damit das Versuchskaninchen“, erinnert sich Akridge, „die ersten Versuche kniffen in die Wangen, sogar auf meiner Glatze wurde getestet. Es war sehr schmerzhaft“. Das Team aus Ingenieuren und Wissenschaftlern gab nicht auf, gründete 2001 Clarisonic und fand erste Investoren. Drei Jahre und mehr als 40 Patentanmeldungen später kommt das erste Clarisonic-Produkt auf den Markt. Dermatologen, Kosmetikerinnen und Spas werden ausgestattet. Die Rückmeldungen sind voller Begeisterung, das Gerät wird euphorisch weiterempfohlen. Über Mund zu Mund-Propaganda verbreitet sich von der Washington Bay aus langsam aber stetig der Sauber-Sound in den Staaten. Doch erst 2007 folgt der UrSchall-Knall. „Nach vergeblichen Versuchen unsererseits, bringt schließlich eine enge Freundin Oprah Winfrey dazu, selbst einmal die Bürste anzusetzen“, so Robb Akridge. Da Mrs. „O“ zum Glück für die Konsumbranche keinen guten Tipp für sich behält, sagt sie in ihrer Millionen-Publikum-Sendung die Zauberformel: „Es ist eine Wundermassage für das Gesicht. Ihre Hauttextur wird sich verändern.“ Acht Stunden später gibt es landesweit kein einziges Gerät mehr zu kaufen. Angeblich reinigt der kleine Brummer sechsmal gründlicher als herkömmliche Methoden. BürstenAnhänger schwärmen stets von diesem frischen, glatten Teint, gleich nach der ersten Runde. Anders als rotierende Geräte oszilliern die Clarisonic-Produkte mit mehr als 300 Schwingungen pro Sekunde und fördern somit die natürliche Elastizität der Haut, ohne sie zu reizen. Inzwischen ist eine ganze Serie entstanden: Das Modell „Air“ für den Körper mit verschiedenen Geschwindigkeitsstufen, andere für die Füße sowie zahlreiche Sondereditionen. Und mittlerweile verfolgt Akridge seine Mission im Alleingang – allerdings unter der Ägide von L’Oréal, die sich 2011 einkauften. 50 Länder sind erobert. Akridge bereist sie alle regelmäßig. Überhaupt ist aus dem selbst ernannten Streber eine Art Rampensau geworden. Nach anfänglichen Ohnmachtsanfällen liebt er es heute, „sein Baby“ in den Shoppingshows von QVC anzupreisen. Zu Hause entspannt er sich dann mit Hundedame Lily in seinem Garten. Oder er blickt über den Pudget Sound nach Downtown Seattle und sieht den pendelnden Fähren zu. Ganz in der Nähe experimentierten Akridge und seine Kollegen in einem kleinen Büro an der ersten Schalltechnik; im „Historic District“ gleich neben der ersten Filliale von Starbucks. Von dort ist es ein weiter Weg zu den Gebäuden von „Pacific Bioscience Laboratories Inc.“ wie die Firma heute heißt, etwas außerhalb, in Redmond. Die Fertigungshallen befinden sich hinter einer leuchtend gelben Fassade. Ständig muss angebaut werden. Hier wird das „Beautytool“ in Minuten zusammengesetzt und geschweißt. Die Fertigungskolonnen wetteifern um die schnellste Zeit, die per Digitalanzeige an der Wand aufleuchtet. „Das ist kein Druckinstrument, nur zur Statistik und Motivation gedacht“, beteuert Bill Bryant, der das Product Engineering leitet und stolz durch die Hallen führt. An einer Wand ein gemalter Baum, dessen Blätter aus den Handabdrücken der Mitarbeiter bestehen. „Anfangs war ich darauf gefasst, mich rechtfertigen zu müssen, warum man so viele Dollar für diese eine Bürste ausgeben soll“, sagt Akridge. Inzwischen plant er Zeit für Umarmungen ein, Raum für Storys wie: „In New York fiel mir eine Frau um den Hals und weinte: ‚Sie haben mein Leben verändert, mein Sohn und ich hatten beide schwere Akne.‘“ Und auch die Haltbarkeit der Apparate ist eine saubere Sache. Die Dinger brummen und brummen. Nur die Bürstenköpfe mit bis zu 34000 Seidenfasern sollte man schon mal waschen oder erneuern. Wahlweise mit Kaschmir-Aufsatz. Bei L’Oréal weiß man um die momentan wichtigste Kategorie in der Hautpflege, den sogenannten „Devices“. Clarisonics Vorsprung scheint uneinholbar. Niemand anders kann die Technologie nutzen, ablaufende Patente werden stets erneuert. Es gibt ihn eben doch noch, den arg strapazierten, aber Ur-amerikanischen Traum. Robb Akridge jedenfalls scheint gar nicht mehr aufzuwachen. 91 johnfrieda.de Gemeinsam sagen wir good-bye zu Frizz. Die John Frieda® Mission ist die Bekämpfung von Frizz. Jetzt wird Frizz sogar eliminiert.* Neu: Unendliche Geschmeidigkeit. Greift Frizz im Ursprung an. Die Formulierung dringt in das Haar ein und wirkt von innen heraus. Das Haar wird immun gegen Frizz. Me & John & Frizz Ease. Together we can. *Bei regelmäßiger Anwendung Entspricht nicht tatsächlicher Produktgröße No Schaumschläger Selbst wer im Chemie-Unterricht nicht aufgepasst hat, weiß, dass ein pH-Wert im mittleren Bereich gut ist. Für vieles. Auch für die Haut. Doch viele Waschgels etwa zerstören die Fett- und Säureschicht. Darum hat Guerlain nun „La Mousse Nettoyante“ für seine Über-Luxus-Pflegelinie Orchidée Impèriale entwickelt. Dessen Geltextur entwickelt sich mit Wasser zu einem dicken Schaumkissen und soll gründlich reinigen, ohne anzugreifen. Und, noch ein wichtiger Fakt für alle HobbyChemiker: das bei einem ph-Wert von 6,3. Abg esch r was Das Mott o gelinie „C der neuesten Pfl Extra Inte ellular Perform eance nse“ Energie von Sensai laute oh t: Klingt zu ne Kraftaufwand . verlocke n Energie müssen d. Etwas Sie jedoc aufwend en h Haut zu , um Ihrer müde dem Sie helfen. Und zwa n au r, der „Esse f den Pumpspen in der nce“ drü cken und zarte F d teilen. D luid auf der Hau as t veras wär’s d ann aber schon. T auch ganz wu ipp: Sie eignet sic nderbar auch als h Kur. PS S SS s Die t! Neu li Vier auf einen Streich Sie haben’s gern aufgeräumt im Badezimmer, lieben Produkte, die mehr als nur eine Funktion haben? Dann werden Sie das „Blue Plasma Cleansing Treatment“ von Dr. Perricone zu schätzen wissen. Es ist, ta daa, flüssiger Hautreiniger, Make-up-Entferner, Peeling und Gesichtswasser in einem. Kein Wasser, einfach auftragen, fertig. Nur das Bad müssen Sie wohl noch selbst reinigen. Kennen Sie diesen Wunder-Putz-Stein, der schier endlos scheint? So ähnlich ist das auch mit der „Phyto-Pâte Moussante“ von Sisley. Der Reinigungsschaum, mit einem Bürstchen aufgetragen, reinigt wundersam ohne Seife und hält ziemlich lange vor. Passen Sie gut auf den „Putz-Stein“ auf: Denn auch Männerhaut verträgt sich gut mit ihm. 94 t, gute h c a N e t u G nge Wasser marsch! Die Kamelie war die liebste Blume von Coco Chanel. Nun ist es dem Chanel eigenen Kosmetiklabor gelungen, die kapriziöse Blume (wird in Schattenhäusern in Südfrankreich angebaut und von Hand gepflückt) gepaart mit blauem Ingwer aus Madagaskar in das neuartige „Hydra Beauty Micro Sérum“ zu stecken. Gemeinsam sollen sie die Haut mit Non-Stop-Feuchtigkeit versorgen. Haut entfernt? p vom Tag hite-u ke a M s a d auch schön n bereit für die „The W ostern Haben Sie o nu t h c si e G r chtigkeits-B Ih Dann wäre n La Mer. Die mit Feu s gibt eine für :e vo ning Mask“ mwollmaske (Achtung hdem der mitc u a n B t g e ufgele a getränkt älfte) wird a ll eine aufhellende Wir h ts h c si e G o uf (s ra r jede d e n m ri fusion P hn Minute gelieferte In ufgetragen wurde. Ze ett! )a sB kung haben en, fertig... und ab in m h e n b a , lassen ZUSAMMENGESTELLT VON CAROLINE BÖRGER Gönn’ ih Seifen(lose)oper mink t Es b e Neo gann m it Sc nfarb h Jahr e nie en, die A minke in ware man star nfan n entw bevorz d produz g der 80 ken u der d ickelte d gt Hellb ierte. Lid eri selbs amals d e Schwe lau. Dar er r u d eige t ihre Fa ei Boutiq in Gun m rben ne „F Now u e n spät . 30 ak, gehö ace e J mit d r, gibt e Stockho ahre un rten, s d l & Co enen ma , logisch m“- Ges 100 , c Farb . (inzwis n sich M auch Pr häfte oduk en) w chen asca „Ma ra, E te, auch iede k mit A e-up Re r abschm in deze yeliner m best loe Vera over“ a inken k nteren ann. ens f uf W Gel nich t in d unktioni und Joj asserbas Der e o nich e-be en Auge ren – un ba soll is, auty d n . .com Gibt’s brennt über Zwischen zwei Welten JO MALONE (3); MONTAGE ICON PARFUM Bei Jo Malone London beginnt jeder neue Duft mit einer Reise. Caroline Börger begab sich auf eben solche, doch es kam anders als erwartet V or einem Townhouse im West End hält das Black Cab plötzlich an. Die Taxitür wird geöffnet, der Duft von Weihrauch weht um die Nase. Und das mitten in London. Ein junger Mann namens Saif grüßt freundlich, er trägt eine weiße bodenlange Tunika, auf dem Kopf einen bunten Turban und in den Händen einen Räuchertopf. Salam Maleikum statt Good Morning. Die vorbeieilenden Passanten wundern sich nicht. Saif öffnet eine schwarze Tür mit goldenen Türklopfern. Hereinspaziert in eine Welt wie aus Weihrauchduft mitten im Londoner East End 1000 und einer Nacht. Unmengen bunter Windlichter säumen den Boden, auf dicken Perser-Teppichen erreicht Alles von zahlreichen Dekorateuren über man den Flur. Eine Frau mit verschleiertem Nacht geschaffen, dort, wo ansonsten SchreibGesicht reicht ein Silberschälchen an. Rosen- tisch neben Schreibtisch steht, in der Kreativwasser zum Händewaschen, sei das. Eine Tra- zentrale der britischen Duftmarke Jo Malone dition in ihrem Heimatland und ja, bitte auch London. An diesem Tag erinnert das Haus an die Schuhe ausziehen und in die bunten, das kleine Sultanat, dem das Unternehmen spitz-zulaufenden Pantoffeln schlüpfen. Will- nun ein eigenes Parfüm gewidmet. Beziekommen im Oman! hungsweise, dem es eine Ingredienz verdankt, ohne die es das neueste Produkt der Cologne Intense Serie nicht gäbe. „Jeder Duft bei uns beginnt mit einer Reise“, erzählt Celine Roux, Fragrance Director des Hauses, das die Britin Jo Malone Anfang der 90er Jahre gründete, 1999 an den Estée Lauder Konzern verkaufte, aber bis 2006 noch als Kreativdirektorin betreute. „Vor etwa zwei Jahren stießen wir auf den omanischen Weihrauch, der dort seit tausenden Jahren von Hand geerntet wird.“ Im Oman, zwischen Wüste, Gebirge und Meer stehen aneinandergereiht Boswellia SacraBäume, aus deren papierartiger Rinde der Weihrauch gewonnen wird. Yusra, die osmanische Botschaftsmitarbeiterin, die eingeladen wurde, um mehr über ihr Land zu erzählen, erklärt, dass die Bäume zum Weltnaturerbe der Unesco zählen und zweimal pro Jahr geerntet werden. Omanische Familien, die in der Region am Fuße des Dhafor-Gebirges leben, machen das seit Generationen, geben das traditionelle Handwerk weiter. Der Ernteprozess ist zeitaufwendig: Der Stamm wird an mehreren Stellen angeritzt, so dass der Baum denkt, er werde verletzt und müsse seine Wunde schützen. „Darum bildet er eine weiße Flüssigkeit, die in der Sonne am Stamm trocknet und nach ein paar Wochen zu kleinen Weihrauch-Tropfen wird.“ Weißes Gold. Nicht zu verwechseln mit Porzellan. „Wir beduften mit ihm unser Haus, unser Haar“, erklärt Youfra, nimmt das Räuchertöpfchen, auf dessen Kohle der Weihrauch die ganze Zeit nebenher dampft, lupft ihren Schleier, hält es darunter und lacht schelmisch „und ja, auch uns selbst.“ Doch ein Inhaltsstoff allein macht noch keinen Parfüm. Es musste auch die passende Parfümeurin gefunden werden. „Ein Parfüm zu entwickeln, ist eine sehr emotionale Angelegenheit und unser Konzept ist es, je nach Duft mit einer anderen Nase zusammenzuarbeiten“, erzählt die Direktorin bei einer Tasse Rosenwasser-Tee. Die Wahl fiel auf Marie Salamagne, eine Mittdreißigerin aus Paris, die bereits an drei anderen Jo Malone Düften beteiligt war. „Wir arbeiteten praktischerweise gerade mit Marie an ‚Tuberose & Angelica’ und ich fragte sie, ob sie einen Duft aus dem Oman kenne?“. Die Antwort lautete nein. Sie ließen den Weihrauch nach Paris einfliegen, es war quasi Liebe auf die erste Nase. Und weckte sogleich schöne Erinnerungen: „Während eines Griechenland-Urlaubs schleppte meine Mutter uns von einer Kirche in die nächste und überall roch es nach Weihrauch.“ Marie Salagmagne war gleichwohl skeptisch: „Mir schien das dennoch eine Herausforderung zu sein, ein Weihrauch-Parfüm zu entwickeln. Jeder hat ihn als etwas Rauchiges, Dunkles in der Nase. Für uns aber musste es jünger, moderner sein.“ Deshalb kombinierte sie ihn mit zitrisch-holzigen Noten. Dunkel ist in diesem Fall nur die Flasche geblieben. Da die von Hand geernteten Weihrauchmengen nicht ausreichen würden, um „Intense & Cedrat“ zu produzieren und auch um die Bäume zu schützen, schickten Celine und Marie die besten Tropfen, die sie finden konnten, in ein Labor nach Grasse, um den Duft mithilfe des Nature Print-Verfahrens einzufangen. Das bedeutet, er wird analysiert und mit natürlichen Inhaltsstoffen reproduziert. Fast sechs Monate vergingen, bis der perfekte Weihrauchersatz gefunden war, und nicht nur irgendein Riechstoff. Es sei ihnen vorgekommen wie das Warten auf Weihnachten, erzählen die Frauen heiter. Dann heißt es raus aus den Pantoffeln und zurück in den Londoner Verkehr. Der hat eher kein Parfümpotenzial. 95 Alle waren da (v. l.): Alfred Hitchcock, Grace Kelly, das Model Poppy Delevingne heiratete hier. Und Cary Grant liebte es, von seinem Savile-Row-Schneider Kilgour durch Mayfair zum „Cladridge’s“ zu gehen UNTERWEGS 5 Sterne Deluxe 96 Luxushotels gibt es viele, das „Claridge’s“ in London nur einmal. Scherzhaft „Anbau vom Buckingham Palace“ genannt, beweist es seit 160 Jahren, wie viel Wärme ein wirklich exklusives Ambiente ausstrahlen kann. Irina von Gagern blickte hinter die Kulissen kurzer Plausch mit den vielen Stammgästen. „Ich habe den besten Job der Welt“, sagt er. Die ersten zwölf Jahre seines Lebens lebte er in Polen, bis eine Flüchtlingsorganisation ihn nach England schickte. „Heute,“ so erzählt Roman, „studiert mein Sohn in Oxford.“ Es folgt eine Führung durchs Haus. Vorbei an den vielen Küchen, vorbei an der Wäscherei (1.500 Handtücher täglich). Das spannendste ist der Storage Room. Hier unten im Keller, wo kein Gast jemals seinen Fuß hinsetzt, lagern die Butler das Gepäck der Stammgäste. In den zweckmäßigen Eisenregalen stapeln sich edle Kleidersäcke, prall gefüllte Golftaschen, Hutschachteln mit großen Initialen und riesige Louis Vuitton-Schrankkoffer. Fast unscheinbar und wenig elegant wirkt dagegen eine schwarze Nylontasche, bis das Namensschild ins Auge sticht: „D. Hirst. London.“ Ob hier Damien Hirst eines seiner millionenschweren Kunstwerke zwischenlagert? Wenn die Besitzer der Koffer anreisen, holt der Butler Michael Lynch das Gepäck aus dem Lagerraum und verstaut die Kleidung in die Schränke der Suite oder des Zimmers. Aus einem kleinen Dorf in Irland stammend, fing er mit 16 Jahren in dem Hotel an. Heute ist er 54. „Ich kümmere mich gerne um Menschen. Viele unserer Gäste kenne ich seit Jahrzehnten.“ Doch wie das so bei den wirklich Vermögenden ist – mancher Besucher bringt lieber sein eigenes Personal mit. Eine arabische Prinzessin bucht schon mal den kompletten dritten Stock für sich und ihre rein weibliche Entourage von 27 Personen. Das sind 40 Räume, die innerhalb von zwei Tagen entsprechend der Bedürfnisse der Prinzessin umgestaltet und nach außen abgeschottet werden. Die Bibeln und der Alkohol werden als Erstes aus den Zimmern entfernt, manche Suiten werden zu Essräumen und Küchen umfunktioniert. In andere kommen meterweise Kleiderstangen, um die Shoppingtrophäen der Prinzessin und ihrer Hofdamen aufzubewahren. Im Bett stehen für die Prinzessin vier zusätzlichen Daunendecken zur Verfügung. John Alves ist Herr über den letzten mannbetriebenen Lift Englands. Auf der ganzen Breite steht ein Sofa, das Kissen klopft er immer wieder zurecht. Die verspiegelte Wand ziert eine antike goldene Uhr. „Ich kenne sie alle, die Mächtigen, die Schönen und Reichen dieser Welt“, sagt John Alves. „Hier im Lift sind sie auch nur Menschen. Wir unterhalten uns.“ Madonna fläzt sich gern auf das Sofa und die spanische Königsfamilie lachte mit Alves, weil der vor Jahren Kronprinz Felipe – den jetzigen König – für einen Bodyguard hielt. Doch die Wärme machen Leute wie Gerry Parker aus: Stolze 88 Jahre ist er alt, seit 44 Jahren frühstückt er jeden Morgen hier, immer am gleichen Tisch. Geboren im Londoner East End hat er sein Geld als Buchmacher verdient. „Ich verbringe mehr Zeit hier als zu Hause“, erzählt Gerry. „Neulich habe ich mit Henry Kissinger geplaudert. Hier ist immer etwas los.“ Wer eine Teatime bucht, erhält mit der recht knusprigen Rechnung übrigens noch eine Tüte Bonbons. Nicht, dass einen die unbesiegbar machen würden. Aber über Niederlagen im Alltag helfen sie einem doch hinweg. ILLUSTRATION: NANDA NAUMANN; CLARIDGE’S; UNITED ARCHIVES; DPA W er auch nur einmal in dem großen Saal eine Teatime zu sich genommen hat und bei Sandwiches und Patisserie so umsichtig umsorgt wurde wie ein Thronfolger von seiner Nanny, der wird der Einsicht des Musikers Alex James zustimmen: „Im ,Claridge’s‘ aufzuwachen bedeutet, unbesiegbar in den Tag zu gehen.“ Und dieser Satz ist nur einer von unzähligen Lobpreisungen: Alfred Hitchcock stieg immer hier ab, wenn er in London war, genauso wie Cary Grant, Elizabeth Taylor, Richard Burton, Katherine und Audrey Hepburn. Spencer Tracy wollte gar auf ewig einchecken: „Wenn ich eines Tages sterbe, dann möchte ich nicht in den Himmel, sondern ins Claridge’s“, soll der Hollywoodstar gesagt haben. Als Winston Churchill 1945 die Parlamentswahl verlor und aus der Downing Street ausziehen musste, wohnte er fortan immer im Claridge’s wenn er in London zu tun hatte. Zuerst waren es jedoch die Royals, die das Hotel für sich entdeckten. Marianne Claridge, die mit ihrem Mann William das Hotel 1854 eröffnete, ist als Porträt noch heute in der Hotellobby zu sehen. Ihr zuvorkommender Charakter muss sich bis in die höchsten Kreise herumgesprochen haben. Im Winter 1860 machte die Königin Eugénie von Frankreich das Haus zu ihrem Winterquartier. Die französische Monarchin lud ihre englische Cousine Queen Victoria und deren deutschen Mann Prince Albert dorthin ein. Die Verbindung lebt fort: Queen Elizabeth war oft hier, genauso William und Kate. Während des Zweiten Weltkrieges lebten hier gleich drei Könige im Exil: die Monarchen von Griechenland, Norwegen und Jugoslawien. Als die Kronprinzessin von Jugoslawien ihr erstes Kind bekam, ließ Churchill für die Dauer der Geburt die Suite Nr. 212 der werdenden Eltern in jugoslawisches Territorium umwidmen, damit das Kind den Anspruch auf den Thron nicht verlöre. Das ist alles Geschichte, aber auch heute noch präsent, man muss nur durch die originale Art déco-Drehtür von 1929 ins hohe Foyer mit dem eleganten schwarz-weißen Marmorboden treten. Das wohl bekannteste Gesicht des „Claridge’s“ ist Doorman Roman Probodziak. Seit 38 Jahren empfängt er die Gäste. Ein freundliches Lächeln ohne jedes Taxieren, ein SONNTAG, 22. FEBRUAR 2015 Global Diary Erinnern Sie sich? An die Zeit, als man statt SMS und E-Mail noch Karten von fremden Orten schrieb? Wir tun es noch immer ILLUSTRATIONEN: TIM DINTER ZÜRS Im Urlaub hat man keinen Plan. Außer sich zu erholen. Einige tun das im aktiven Ski-Urlaub, andere am Strand von Rio. Doch wenn man, wie die Autorin, zu der Spezies der Nicht-Skifahrer zählt, dennoch aber gern Zeit im Schnee verbringt, ist man nun auch in einem Ski-Total-Ort wie Zürs richtig. Man kann sich schließlich auch abseits der Pisten verausgaben. Und das nicht nur auf Tanzpisten. Sondern zum Beispiel beim aktiven Nichtstun, wie dem Herumlümmeln auf großen Wasser-Daybeds im Ruheraum nahe des wohligen Kaminfeuers. Oder bei einer Kosmetikbehandlung, einer Massage und – wenn’s etwas aktiver sein soll – einer Runde im Pool, den Arlberg und die Skifahrer immer im Blick. Die bodentiefen und (von außen uneinsehbaren) Fenster in den Massage-Kabinen des neuen Spa im „Zürserhof" machen das möglich. Selbst meterhoher Schnee kann den Blick nicht verbauen, der Weg davor ist beheizt. Es fällt nicht schwer, den Tag komplett im „Aureus“-Spa zu verbringen. Oberstes Gebot: Handys bleiben draußen und Zutritt nur für Menschen ab 16 Jahren (für die Kleinen wurde das alte Spa des Hotels im Hauptgebäude kinderfreundlich umgebaut – also darf auch das schlechte Gewissen der Eltern vor der Spa-Tür bleiben...) Für das auf 1.700 Quadratmeter große Erwachsenen-Spa, das direkt an das Traditionshaus der Familie Skardarasy angebaut wurde, musste erst ein riesiger Felsen weggesprengt werden, um die zwei Super-Luxus-Entspannungsetagen verwirklichen zu können. Ein Hamam, ein großer „Infinity-Panorama-Whirlpool“ mit Pisten-Blick, eine Wasserfallgrotte, verschiedene Saunen, ein Aromadampfbad, Infrararotkabinen – alles will ausprobiert werden. Sogar an ein kleines Bistro wurde gedacht – für die Stärkung zwischendurch. Denn, das kann die Autorin aus Erfahrung sagen: ein Tag „aktives Nichtstun“ macht hungrig. Sollten Sie doch jemals vorhaben aus den Tiefen des „Aureus“-Spa wieder aufzutauchen, machen Sie einen kleinen Abstecher – selbstverständlich im Bademantel – in den La Biosthétique-FriseurSalon. Lassen Sie sich die Haare richten, sich ausführlich schminken, ziehen Sie sich um, und ab zum Abendessen. Arbeiten Sie sich zum Schluss durch das Käsebuffet mit 200 (!) verschiedenen Sorten, nehmen Sie einen Drink an der gemütlichen Bar und gehen wieder zu Bett und träumen vom nächsten Tag – im Spa... Seit ihrer Abreise denkt Caroline Börger ständig darüber nach, wie sie es in Berlin schaffen könnte, im Bademantel zum Friseur zu gehen. BUDAPEST Drehort für den neunfach Oscar-nominierten Film „Grand Budapest Hotel“ war anderswo. Doch auch im Corinthia Grand Hotel Royal in Budapest soll Regisseur Wes Anderson Inspirationen mitgenommen haben. 1896 war es Europas größtes Hotel, eine Generalrenovierung 2003 bringt es auf zeitgemäßen Hochglanz. Im Grundriss wie ein „E“ sind die Gebäudeflügel auf allen sechs Stockwerken mit Glasübergängen verbunden. Filmreif von Beginn an ist der barocke Ballsaal des neoklassizistischen Baus. Welche bewegten Bilder hatte der Regisseur bei seinem Besuch vor seinem inneren Kamera-Auge? Sah er bereits die Verfolgungsjagd seiner Protagonisten Gustave (Ralph Fiennes), Zero Moustafa (Tony Revolori) und Dmitri (Adrien Brody)? Zum Hotel gehört das „Szamos Marcipán Royal Café“ – kam hier die Idee für das kuriose „Courtesan au Chocolat“-Gebäck der Bäckerin Agatha (Saoirse Ronan)? Oder zog er das Menü in der Atrium-Brasserie vor, die auch einige ungarische Speisen bereit hält? Faszinierten ihn beim Blick aus dem Fenster, vom luxuriösen Fauteuil im Exclusive Club aus, die Häuserfassaden der Jahrhundertwende auf dem Erzsébet-körút-Boulevard ? Beeindruckte ihn das Hotel-Spa mit dem Art déco-Bad? Alle Antworten bleiben Munkelei, die Hotel-Angestellten sind höchst diskret. Fest steht: Kürzlich wurde das Fünf-Sterne-Haus auch noch zu Ungarns Hotel des Jahres 2014 gekürt. Und so träumte mir des Nachts im wolkenweichen King Size Bett: The Oscar goes to... Uta Petersen erliegt wieder und wieder dem Charme von Grand Hotels TOKIO Auf der Dachterrasse des neuen „Andaz Tokyo“, 52 Stockwerke, 247 Meter über dem Meeresspiegel, höchste Outdoor-Fläche eines Hotels in der japanischen Hauptstadt, schnappt man nach Luft – vor Begeisterung. Der Blick reicht über den Rand der Megapolis hinaus. Am Horizont erhebt sich der schneebedeckte Vulkankegel des Fuji. Wolkenkratzer-Konglomerate türmen sich auf, nach Sonnenuntergang funkelt und flammt die Stadt. Kreischende Neonfarben buhlen um Shopper. So macht Reizüberflutung Spaß. Beschwingt kommt mir eine junge Angestellte entgegen und stellt sich vor – Andaz Host Mariko. Ihr Tablett hält sie parat. Mit dem Andaz fand nämlich auch ein modernes Hospitality-Konzept Einzug in die Metropole: Dem Gast auf Augenhöhe begegnen anstatt zu dienern. Und Mariko beweist sogleich, dass sie dieses Konzept verinnerlicht hat. Ich sitze mit dieser fröhlichen Gastgeberin am großen Tisch, süffle einen erfrischenden Willkommens-Drink, während sie mich eincheckt und anschließend fragt, ob ich Restaurant Reservierungen oder Show-Tickets benötige. Ich entscheide mich jedoch zum Kräftesammeln erst mal im Haus zu bleiben und genieße ausgiebig das Innenleben des Hotels. Traditionelles japanisches Kunsthandwerk aus Naturmaterialien wie Washi-Papier oder Hokkaido-Walnuss verbindet sich im Interieurdesign mit zeitgenössischen Formaten. Restaurants und Bars wirken großzügig, harmonisch und lichtdurchflutet und erinnern mit ihren hohen Decken an Shinto Tempel. Die Zimmer sind mindestens 50 Quadratmeter groß und haben bodentiefe Fenster. Ob ich nun speise, trinke oder im Bett liege, der atemberaubende Panoramablick ist als Hintergrund stets präsent. In der offenen Küche der Andaz Tavern gucke ich den Köchen buchstäblich in die Töpfe. Herr am Herd ist der Österreicher Gerhard Passrugger, unter dessen Ägide westöstliche Kost den Weg auf meinem Tisch findet – herzhaft Handfestes mit lokalen Zutaten. Yamanashi Kräuterhuhn beispielsweise, im Tontopf gebacken mit Wurzelgemüse. Das Spa ist eine halbe Wolkenkratzer-Etage groß, ganz in weiß, das Licht mit Papierlaternen sanft gedämpft. Mittelpunkt ist der 20-Meter-Pool. Einziger Konkurrent für ein solches Schwimmbad mit Aussicht ist das Park Hyatt, berühmt als Kulisse von „Lost in Translation“. Vor zwanzig Jahren setzte es in Tokio neue Standards, jetzt sorgt das Andaz mit seinem Boutique-Lifestyle –Konzept für frischen Blick in der Szene. Es bleibt ja gewissermaßen in der (Hotel-) Familie. Kiki Baron stellt sich gern den Herausforderungen der Mega-Metropole – am liebsten von oben 97 CHRISTIAN ABEL UND LAO PAN BAUPLAN HANDGESTRICKTES VON IRIS VON ARNIM In den Ateliers und Manufakturen dieser Welt werden weiterhin Handwerkskünste gepflegt, und wir schauen zu Rechte Maschen geradeaus ebneten ihren Weg: Designerin Iris von Arnim feiert(e) dieses Jahr ihren 70. Geburtstag – und das 35. Jubiläum ihrer Strickmarke. Mit Lust auf Farbe und legere Schnitte prägt die Selfmade-Designerin die Mode. Ihr Stil? Lässig-elegante Bohème, so wie das Stück „Betty“ aus ihrer aktuellen Cruise Collection. Die Strickanleitung haben wir nicht, dafür zeigen wir die wichtigsten acht Produktionsschritte. 1. Für den Entwurf sind Bleistift und Papier nötig. 2. Sobald die Skizze im Hamburger Atelier entstanden ist, wird der Schnitt angefertigt. Die technische Zeichnung dafür erfolgt am Computer. 3. Das Bändchengarn aus Kaschmir wird in Handarbeit an einem Webstuhl hergestellt. 4. Auch das Aufzwirbeln des Garns zum Knäuel erfolgt per Hand. 5. Masche für Masche wird mit einer Rundstricknadel aufgenommen. 6. Die außergewöhnlich dicken Stricknadeln geben dem Pullover seinen Grobstrick-Charakter. 7. Danach wird die Passform an einer Puppe überprüft und wenn nötig werden einzelne Partien abgesteckt. 8. Schließlich wird der Pullover noch vorsichtig gedämpft. Übrigens: Ihre erste Boutique eröffnete Iris von Arnim am Hamburger Großneumarkt. Heute verkauft sie ihre Kollektionen weltweit, seit 2013 gibt es auch einen Online-Shop und eine Herrenkollektion. Die Geschäfte führt nun ihr Sohn Valentin, sie selbst kümmert sich uie Entwürfe. Und bis heute entstehen die Prototypen ihrer Kollektion in der Hansestadt. 98 r nur fü eit z e z r u k entdecken sie die mumm künstler-edition Exklusiv gestaltet von Anja Kroencke.