Prof. Dr. A. Scherzberg Fallbearbeitung im Öffentlichen Recht SoS
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Prof. Dr. A. Scherzberg Fallbearbeitung im Öffentlichen Recht SoS
Prof. Dr. A. Scherzberg Fallbearbeitung im Öffentlichen Recht SoS 2013 Fallsammlung Fall 1: Der Beschwerdeführer (Bf.) nahm im Jahr 1997 eine nichteheliche Lebensgemeinschaft mit der Mutter seines Kindes auf. Die Beziehung dauerte bis Anfang 1999. Im Mai 1999 erfuhr er von der Schwangerschaft seiner früheren Lebensgefährtin, die ab Juli 1999 jeden weiteren Kontakt zu ihm ablehnte. Am 25. August 1999 gebar sie einen Sohn und erklärte alsbald die Freigabe des Kindes zur Adoption. Das Jugendamt wurde zum Amtsvormund bestellt. Der Bf. erfuhr erst im Oktober 1999 von der Geburt des Kindes und der beabsichtigten Adoption. Mit Urteil des Amtsgerichts Wittenberg vom 20. Juni 2000 wurde seine Vaterschaft rechtskräftig festgestellt. Das AG Wittenberg übertrug ihm im Jahre 2001 die elterliche Sorge. Das OLG Naumburg wies in der Berufung den Sorgerechtsantrag ab und schloss ein Umgangsrecht mit dem Kind befristet aus, weil die Trennung des Kindes von seiner Pflegefamilie, zu der es eine tiefe soziale und emotionale Bindung entwickelt habe, zu schweren irreversiblen psychischen Schäden für das Kind führen würde. Der EGMR entschied auf eine Individualbeschwerde des Bf., dass der von ihm angegriffene Beschluss des OLG Naumburg, durch den ihm das Sorge- und Umgangsrecht versagt wurde, eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellt. Daraufhin übertrug das AG dem Bf. das Sorgeund Umgangsrecht durch einstweilige Anordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Sorgerechtsverfahrens. Auf Antrag des Amtsvormundes hob das OLG Naumburg diese Entscheidung auf, vor allem weil das Kind voll in die Pflegefamilie integriert sei. Auch bestünde für das Gericht keine Bindung an die Entscheidung des EGMR. Hiergegen wendet sich der Bf. mit der Verfassungsbeschwerde vor das BVerfG. BVerfG Beschluss vom 14.10.2004 2 BvR 1481/04, BVerfGE 117, 307 ff. – „Görgülü“ Fall 2: Der Beschwerdeführer (Bf.) betrat mit fünf weiteren Aktivisten im Jahre 2003 den Terminal 1 des Flughafens Frankfurt und verteilte Flugblätter zu einer bevorstehenden Abschiebung. Die Bekl. im Ausgangsverfahren, die Fraport Aktiengesellschaft, die den Flughafen betreibt und in deren Eigentum auch das Flughafengelände steht, erteilte ihm daraufhin ein „Flughafenverbot“ und untersagte es ihm auf Dauer, den Flughafen ohne deren Erlaubnis für Meinungskundgaben und Demonstrationen zu nutzen. Sie stützt sich dabei auf eine vom Land Hessen genehmigte Flughafenbenutzungsordnung, nach der Sammlungen, Werbungen sowie das Verteilen von Flugblättern auf dem Flughafengelände der Einwilligung des Flughafenbetreibers bedürfen. Aus Gründen des reibungslosen Betriebsablaufs und der Sicherheit würden „mit uns nicht abgestimmte Demonstrationen“ grundsätzlich nicht geduldet. Die Zivilgerichte wiesen die hiergegen gerichtete Klage unter Berufung auf das Hausrecht der Bekl. ab. Mit Schreiben vom 10.3.2006 informierte der Bf. die Bekl., dass er am nächsten Tag im Terminal 2 für einige Minuten seine Meinung zu den derzeit stattfindenden Abschiebungen äußern werde, ohne den Flugbetrieb dadurch zu stören. Er habe auch beim Ordnungsamt eine halbstündige Versammlung zum gleichen Thema in Terminal 1 angemeldet. Für beide Aktionen bitte er die Bekl. um Erlaubnis. Dieses wurde unter Verweis auf das im Jahre 2003 ausgesprochene Verbot versagt. Die Bekl. kündigte an, im Falle einer Aktion Strafantrag wegen Hausfriedensbruch zu stellen. In der Verhandlung weist der Bf. darauf hin, dass der Flughafen neben seiner eigentlichen Funktion zunehmend auch als Einkaufsmall fungiere, so werbe die Fraport AG mit dem Slogan „Airport Shopping für alle!“ „Auf 4000 qm zeigt sich der neue Marktplatz in neuem Gewand und freut sich auf Ihren Besuch.“ Ferner seien im öffentlichen Teil des Flughafens schon häufiger Versammlungen und öffentliche Aktionen durchgeführt worden, u.a. ein Public Viewing anlässlich der Fußball WM 2010. Schließlich besäßen die Bundesrepublik Deutschland, das Land Hessen und die Stadt Frankfurt a.M. etwa 70 % der Aktien, nur der Rest befinde sich in privater Hand. Deshalb müsse die Bekl. die Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und die Versammlungsfreiheit achten. BVerfG Urteil v. 22.2.2011 – 1 BvR 699/06 – BVerfGE 128, 226 – „Versammlungsfreiheit am Frankfurter Flughafen“ Fall 3: Die Landesregierung des Landes X wendet sich vor dem BVerfG gegen § 13 b sowie § 33 Abs. 3 und 4 der Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere (TierSchNutztV). Darin werden u.a. Regelungen zur Käfighaltung von Legehennen getroffen. Die Antragstellerin meint, dass es der zuständige Bundesminister versäumt habe, vor dem Erlass der Verordnung gem. § 16 b Abs. 1 S. 2 TierSchG die Tierschutzkommission anzuhören. Die Tierschutzkommission hat nach dieser im Jahre 1986 eingeführten Vorschrift die Aufgabe, das zuständige Bundesministerium vor dem Erlass einschlägiger Rechtsverordnungen und Allgemeiner Verwaltungsvorschriften in Fragen des Tierschutzes zu beraten. Die Bundesregierung wendet ein: Die Verpflichtung zur vorherigen Anhörung sei nur in § 16 b Abs. 1 S. 2, nicht aber in der Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der Verordnung in § 2 a TierSchG enthalten. Im Übrigen sei die Verordnung erst nach Anhörung der Tierschutzkommission erlassen und bekannt gemacht worden. Zwar habe die Bundesregierung schon vor der Sitzung der Tierschutzkommission die Europäische Kommission vom Verordnungstext gem. RL 98/34/EG unterrichtet (Notifizierung), diese Pflicht bestehe jedoch ausdrücklich bereits für jeden Entwurf einer technischen Vorschrift. Auch sei der Kabinettsbeschluss zum Erlass der Verordnung bereits vor der Sitzung der Tierschutzkommission ergangen, die Bundesregierung habe aber wegen eines Urteils des EuGH wegen Nichtumsetzung von Richtlinien zur Tierhaltung unter zeitlichem Druck gestanden. Deshalb sei auch vorher bereits der Zustimmungsbeschluss des Bundesrates ergangen, der Änderungen enthielt, mit denen der Bundesrat dem Verordnungsentwurf mit bestimmten Änderungswünschen seine Zustimmung gab. BVerfG Beschluss vom 12.10.2010, 2 BvF 1/07 – DVBl. 2011, 92 ff. Fall 4: Im ersten Ausgangsverfahren machten Eltern gegenüber ihrem Arzt Unterhaltszahlungen für ein Kind und Schmerzensgeld wegen einer ungewollten Schwangerschaft geltend, weil eine bei ihrem Ehemann aus Gründen der Familienplanung vorgenommene Sterilisation fehlgeschlagen war. Im zweiten Fall hatten die Eltern eines geistig und körperlich behinderten Kindes von dem beklagtem Arzt auf ihre Anfrage die Auskunft erhalten, dass ihnen nicht von einer weiteren Schwangerschaft abgeraten werden müsse, weil eine vererbbare Störung äußerst unwahrscheinlich sei. Die Ehefrau brachte dann erneut ein behindertes Kind zur Welt. Von den Zivilgerichten einschließlich dem BGH (BGHZ 124, 128) wurde den Eltern Schadensersatz in Höhe des Kindesunterhalts wegen Vertragsverletzung und der Mutter Schmerzensgeld zugesprochen. Hiergegen wenden sich die Bf. mit der Verfassungsbeschwerde. BVerfG Beschluss v. 12.11.1997, 1 BvR 479/92 und 307/94, BVerfGE 96, 375 ff. Fall 5: Die in Afghanistan geborene Bf. besitzt seit 1995 die deutsche Staatsangehörigkeit. Ihr Antrag auf Einstellung in den Schuldienst an Grund- und Hauptschulen des Landes BadenWürttemberg wurde mit der Begründung abgelehnt, das von ihr auch während des Unterrichts getragene Kopftuch sei Ausdruck kultureller Abgrenzung; deshalb fehle es ihr an der erforderlichen persönlichen Eignung. Die Bf. macht demgegenüber geltend, das Tragen des Kopftuches sei nicht nur Merkmal ihrer Persönlichkeit, sondern auch Ausdruck ihrer religiösen Überzeugung. Ihre Klage auf Einstellung in den Schuldienst bleibt in den verwaltungsgerichtlichen Instanzen ohne Erfolg. Hiergegen wendet sie sich mit der Verfassungsbeschwerde an das BVerfG. BVerfG Urteil v. 24.9.2003 2 BvR 1436/02 – BVerfGE 108, 282 ff. Fall 6: Nach § 13 Abs. 1 S. 3 Schulordnung für die Volksschulen in Bayern (VSO), die auf einer Verordnungsermächtigung des bayrischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen beruht, ist in den öffentlichen Volksschulen Bayerns in jedem Klassenzimmer ein Kreuz anzubringen. Die Bf., Eltern von zwei Kindern, wandten sich aus weltanschaulichen Gründen seit dem Schuleintritt ihrer Kinder gegen die Kreuze, insbesondere gegen Kreuze mit dem Korpus des leidenden Christus, in den Klassenzimmern. Nach wiederholten, aber nicht dauerhaften Kompromissen mit der jeweiligen Schulverwaltung erhoben die Eltern im eigenen Namen und im Namen ihrer Kinder Klage gegen den Freistaat Bayern mit dem Ziel, aus sämtlichen von ihren Kindern im Rahmen des Schulbesuchs aufgesuchten und noch aufzusuchenden Klassenzimmern in öffentlichen Schulen die Kreuze entfernen zu lassen. Zugleich beantragten sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung bis zum Abschluss des Klageverfahrens auf Entfernen von „Kruzifixen“. Die Verwaltungsgerichte lehnten den Antrag ab; es bestehe keine Berechtigung für die mit dem Eilantrag angestrebte Vorwegnahme der Hauptsache. Auch sei ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, eine Verletzung von Grundrechten der Bf. nicht anzunehmen. Gegen die Eilentscheidungen wandten sich die Bf. im eigenen Namen und im Namen ihrer Kinder mit der Verfassungsbeschwerde an das BVerfG. BVerfG Beschluss v. 16.5.1995 1 BvR 1087/91 – BVerfGE 93, 1 ff. Fall 7: Nach mehreren Presseberichten über Funde von Diethylenglykol (DEG), einem Frostschutzmittel und chemischen Lösungsmittel, in Weinen führten die Lebensmittelüberwachung systematische Untersuchungen durch. Dabei wurde auch in einem von der Kl., einer Weinkellerei, abgefüllten Wein DEG festgestellt. Nach dem damaligen Erkenntnisstand war das Auftreten von Gesundheitsschäden nach dem Genuss von DEG nicht ausgeschlossen. In der Öffentlichkeit herrschte erhebliche Besorgnis und Unsicherheit darüber, welche Weine mit DEG versetzt und deshalb zu meiden waren. Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit (BMJFG) veröffentlichte deshalb eine Liste DEG-haltiger Weine, die u.a. das Herkunftsland, die Lagebezeichnung, den Jahrgang und die Bezeichnung des Produkts sowie die Namen der Abfüller enthielt. Er nahm darin auch die Kl. auf. Diese erlitt daraufhin empfindliche Absatzeinbußen auch bei ihren nicht in der Liste genannten, DEG-freien Erzeugnissen. Die Kl. begehrte vor den Verwaltungsgerichten erfolglos die gerichtliche Feststellung, dass der BMJFG nicht berechtigt gewesen sei, sie als Abfüllerin in die Liste DEG-haltiger Weine aufzunehmen. Die beklagte Bundesrepublik bringt vor, dass die Information der Öffentlichkeit erforderlich gewesen sei und auf die Kompetenz der Regierung zur Staatsleitung gestützt werden konnte. Gegen die letztinstanzliche Abweisung der Klage wendet sie sich vor das BVerfG und stützt sich dabei auf ihre Berufsfreiheit. BVerwGE 87, 37; BVerfG 1 BvR 558/91, 1428/91 v. 26. Juni 2002 – BVerfGE 105, 252. Fall 8: Der Bf., der aus privaten und beruflichen Gründen häufig zivile Luftfahrzeuge benutzt, wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen § 14 III LuftSiG. Das LuftSiG dient dem Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs insbesondere vor Flugzeugentführungen, Sabotageakten und terroristischen Anschlägen. Nach § 13 LuftSiG können, wenn auf Grund eines erheblichen Luftzwischenfalls Tatsachen vorliegen, die auf das Bevorstehen eines besonders schweren Unglücksfalls nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 oder Abs. 3 GG deuten, die Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei der Länder im Luftraum zur Verhinderung dieses Unglücksfalls eingesetzt werden. Gem. § 14 Abs. 3 LuftSiG dürfen die Streitkräfte im Luftraum Waffengewalt gegen Luftfahrzeuge einsetzen, „wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass das Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll, und sie das einzige Mittel zur Abwehr dieser gegenwärtigen Gefahr ist.“ Der Bf. sieht sich dadurch in seinen Grundrechten aus Art. 1 I, 2 II 1, 19 II GG verletzt. BVerfG 1 BvR 357/05 v. 15.02.2006 – BVerfGE 115, 118. Fall 9: Der Bf. hatte 1994 die Vaterschaft des später beklagten Kindes kurz nach dessen Geburt wirksam gem. § 1592 Nr. 2 BGB („Vater eines Kindes ist, wer die Vaterschaft anerkannt hat.“) anerkannt. Im Jahre 2001 erhob er erstmals eine Vaterschaftsanfechtungsklage und stützte sich auf ein ärztliches Attest, das ihm eine auf 10% verminderte Zeugungsfähigkeit bescheinigte. Nach Auffassung der Fachgerichte war das Gutachten aber nicht geeignet, Zweifel an der Vaterschaft des Bf. zu wecken. 2002 holte der Bf. ohne Kenntnis der Mutter bei einem privaten Labor ein DNA-Gutachten ein, dem als Untersuchungsmaterial sein Speichel und ein vom Kind benutztes Kaugummi dienten. Das Gutachten stellte fest, es sei zu 100% auszuschließen, dass er der Vater des Kindes sei. Daraufhin erhob er erneut Vaterschaftsanfechtungsklage und stützte sich dabei auf das DNA-Gutachten. Auch diese Klage blieb erfolglos, da das Gutachten wegen gravierender Verstöße gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Kindes und wegen Eingriffs in das Sorgerecht der Mutter für unverwertbar erachtet wurde. Daraufhin wandte sich der Bf. nach Erschöpfung des Rechtsweges im Wege der Verfassungsbeschwerde vor das BVerfG. BVerfG 1 BvR 421/05 v. 13.2.2007 – BVerfGE 117, 202. Gesetzesauszug: § 1598a BGB Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung (in Kraft seit 01.04.08) (1) Zur Klärung der leiblichen Abstammung des Kindes können 1. der Vater jeweils von Mutter und Kind, 2. die Mutter jeweils von Vater und Kind und 3. das Kind jeweils von beiden Elternteilen verlangen, dass diese in eine genetische Abstammungsuntersuchung einwilligen und die Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe dulden. Die Probe muss nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft entnommen werden. (2) Auf Antrag eines Klärungsberechtigten hat das Familiengericht eine nicht erteilte Einwilligung zu ersetzen und die Duldung einer Probeentnahme anzuordnen. (3) Das Gericht setzt das Verfahren aus, wenn und solange die Klärung der leiblichen Abstammung eine erhebliche Beeinträchtigung des Wohls des minderjährigen Kindes begründen würde, die auch unter Berücksichtigung der Belange des Klärungsberechtigten für das Kind unzumutbar wäre. Fall 10: Der Kläger, ein Journalist, begehrte vom Bundesnachrichtendienst gestützt auf das Pressegesetz des Landes Berlin Auskunft darüber, wie viele hauptamtliche sowie inoffizielle Mitarbeiter der Bundesnachrichtendienst bzw. sein Vorläufer, die Organisation Gehlen, in bestimmten Jahren zwischen 1950 und 1980 hatte und wie viele davon Mitglied der NSDAP, der SS, der Gestapo oder der Abteilung „Fremde Heere Ost“ waren. Der BND hielt sich durch einen im Landesrecht wurzelnden Anspruch nicht für verpflichtet und trägt weiterhin vor, über die vorhandenen Informationen nicht zu verfügen. Zu umfangreichen Recherchen sei er jedenfalls nicht verpflichtet. BVerwG 6 A 2.12 – Urteil vom 20. Februar 2013 Fall 11: Der Kläger (Kl.) ist Eigentümer eines im Gebiet der Beklagten (Bekl.), einer schleswigholsteinischen Stadt, gelegenen Grundstücks, das an die dortige E-Straße grenzt. Diese war zum Zeitpunkt, als der Kl. sein Grundstück bebaute, auf Grund eines Bebauungsplans (BPlans) als Sackgasse ausgebaut und entsprechend gewidmet worden. In der Folgezeit beabsichtigte die Bekl., die E-Straße zur Entlastung der innerstädtischen Verkehrswege zur Durchgangsstraße auszubauen. Sie beschloss einen B-Plan, der die E-Straße als durchgehende Verbindungsstraße zwischen zwei Bundesstraßen auswies. Nach In-Kraft-Treten dieses Plans wurde die E-Straße entsprechend ausgebaut und als Ortstraße dem öffentlichen Verkehr gewidmet. Auf Antrag des Kl. erklärte das OVG den B-Plan wegen ungenügender Beachtung immissionsschutzrechtlicher Belange des Kl. im Verfahren nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO für nichtig. Mit seiner vor dem VG erhobenen Klage beantragt der Kl. nunmehr, die Bekl. zu verurteilen, die E-Straße durch Aufstellen von Pfosten für den Durchgangsverkehr zu schließen. Zur Begründung trägt er vor, für den Ausbau der E-Straße fehle es an einer Rechtsgrundlage; zudem werde er durch den Durchgangsverkehr erheblich beeinträchtigt. BVerwG – Urt. v. 26.8.93 – 4 C 24.91 – DVBl. 1993, 1357 – BayVBl. 1994, 84. Fall 12: E ist Eigentümer eines Grundstücks auf dem Gebiet der Gemeinde G. Da das Grundstück außerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans (B-Plans) im Außenbereich lag, E dieses aber bebauen wollte, beantragte E bei G, den Geltungsbereich des B-Plans auf sein Grundstück zu erweitern. G fasste einen entsprechenden Änderungsbeschluss. Da die Erschließungsanlage des Baugebiets bereits abgerechnet war, verlangte G, dass E für die nicht anfallenden Erschließungskosten einen Ausgleichsbetrag zu einem gemeinnützigen Zweck zahlt. G wollte das Geld zur Instandsetzung von Kinderspielplätzen nutzen. G und E unterzeichneten eine entsprechende Vereinbarung, in der sich E zur Zahlung für den Fall verpflichtete, dass die Planänderung durchgeführt werde. Nach Zahlung und Planerweiterung erhielt E die Baugenehmigung. E errichtete ein Wohnhaus und bezog es, dann aber verlangte er von G das Geld zurück, da die Vereinbarung nichtig sei. BVerwG – Urt. v. 16.5.2000 – 4 C 4.99 – NVwZ 2000, 1285 – DÖV 2000, 1050 – DVBl 2000, 1853 – Schoch, JK 01, Allgemeines VerwR, Öff.-rechtl. Erstattg. - Anspr./6 Fall 13: Der Kl. errichtete im Jahr 1972 im Gebiet der Bekl., der Gemeinde W, ein Haus. In der Folge kam in der Verwaltung der Bekl. der – objektiv nicht zutreffende – Verdacht auf, der Kl. habe den nach der ihm von der Bekl. erteilten Baugenehmigung einzuhaltenden Straßenabstand um 1,50 m unterschritten. Die Gemeindevertretung der Bekl. fasste am 03.06.1976 und am 21.03.1978 zwei Beschlüsse, in denen sie zum Ausdruck brachte, der Kl. habe die ihm erteilte Baugenehmigung nicht eingehalten. In gleicher Weise äußerte sich der Bürgermeister der Bekl. in Schreiben vom 10.06.1976 und 29.03.1978. Der Kl. beantragt mit seiner Klage vor dem VG festzustellen, dass die Behauptung, er habe die ihm erteilte Baugenehmigung nicht eingehalten, falsch sei, ferner die Bekl. zu verpflichten, diese Behauptung zu widerrufen und die Kosten für eine Veröffentlichung der Widerrufsverpflichtung in der örtlichen Tageszeitung zu übernehmen. VGH Hessen – Urt. v. 20.10.87 – 9 OE 24/83 – NJW 1988, 1683 – DÖV 1988, 468 – Erichsen, JK 88, Allgemeines VerwR, Folgenbeseitigungsanspruch/6 Fall 14: Eine Tanklagerfirma ließ ein verfallendes Uferdeckwerk neu anlegen. Von dem Deichverband und der Bundesrepublik Deutschland fordert sie mit Klage vor dem VG Erstattung der dafür aufgewendeten Kosten. Eigentlich, so meint sie, wäre die Neuanlage der Uferbefestigung Sache der beiden Bekl. gewesen. Die Bundesrepublik habe sich jedoch geweigert. Der Deichverband habe sie zur Herstellung des Deckwerks aufgefordert. Schließlich hätte sie nicht länger warten können, da die Sicherheit ihres Tanklagers nicht mehr gewährleistet gewesen sei. BVerwG Urt. v. 09.06.1988 – 4 C 5.86 – BVerwGE 80, 170 ff. – DVBl. 1989, 42 – Erichsen, JK 89, Allgemeines VerwR, Öff.-rechtl. GoA/2 Fall 15: Der Kläger (Kl.) stellte seinen PKW am 27.04.1992 auf einer öffentlichen Straße in K. ab. Anschließend begab er sich für eine mehrwöchige stationäre Behandlung in ein Krankenhaus. Am 12.05.1992 stellte die Beklagte (Bekl.) in dem betreffenden Straßenabschnitt zur Vorbereitung eines Straßenfestes mobile Halteverbotsschilder (Zeichen 283 nach § 41 II Nr. 8 StVO) auf. Der am 16.05.1992 beauftragte Bedienstete der Bekl., ein privates Abschleppunternehmen, wurde mit der Entfernung des Fahrzeuges des Kl. beauftragt. Der Wagen wurde auf den Betriebshof des Unternehmens transportiert, wo ihn der Kl. später gegen Zahlung von 175,56 DM abholte. Mit der Klage vor dem VG begehrt der Kl. die Erstattung dieses Betrages. BVerwG Urt. v. 11.12.1996 – 11 C 15.95 – NJW 1997, 1021 f.: Erichsen, JK 97, VwVfG NW § 41/1 Fall 16: Der verstorbene Unternehmer U betrieb eine Anlage zur Produktion von Chemikalien. Nach seinem Tod im Jahre 1995 wurde die Anlage geschlossen und abgebaut; dies wurde der Behörde auch angezeigt. Im Jahre 1998 veräußerte es sein Erbe E an den Bauherrn B, der das Gelände mit einem Kindergarten und Kinderspielplatz bebauen wollte. Im Kaufvertrag war festgelegt, dass E für Altlasten haften solle. Die im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens angestellten Untersuchungen der Stadt S ergaben im Jahre 2001, dass das Grundstück durch den Anlagenbetrieb mit Schwermetallen verunreinigt war, was Pflanzen, Tiere und Menschen gefährdet. Daher verlangte die zuständige Behörde von E nach Anhörung eine fachgerechte Beseitigung der Schadstoffe. In der Begründung wies sie darauf hin, dass E nach dem Kaufvertrag die Altlasten tragen solle und eine Inanspruchnahme des B unzumutbar sei, da das Grundstück nach der Sanierung nur etwa doppelt so viel wert sei wie die Sanierung koste. E legt gegen den Bescheid Widerspruch ein und beruft sich auf seine allgemeine Handlungsfreiheit. Er hält sich nicht für verantwortlich, da der Erbfall schon mehrere Jahre, sogar vor den Erlass des BBodSchG zurück reicht und B nunmehr für das Grundstück haften müsse. Im Widerspruchsverfahren trägt die Behörde vor, ausschlaggebend für die Auswahl des E sei, dass er als Erbe wie ein Verursacher verantwortlich gemacht werden solle. Hinweis für die Vorbereitung: prüfen Sie § 4 Abs. 3, § 10 Abs. 1 BBodSchG (in Kraft seit 01.03.1999). Zur Rechtsnachfolge im Gefahrenabwehrrecht vgl. VGH BW, VBlBW 2005, 388 – Schoch, JK 2/06, GG, Art. 20 III/42; BVerwG v. 16.3.2006, NVwZ 2006, 928 – Schoch, JK 12/06, BBodSchG § 4 III/3 Fall 17: Im Land L können nach einer ministeriellen Richtlinie (RL) Vorhaben zur spürbaren Emissionssenkung und zur Verbesserung der lufthygienischen Situation gefördert werden; allerdings dürfen vor Erteilung des schriftlichen Zuwendungsbescheids keine Lieferungsoder Leistungsverträge abgeschlossen werden (Verbot des vorzeitigen Vorhabensbeginns). Die Verwaltungspraxis in L entspricht diesen Vorgaben. K beabsichtigt, das Heizsystem in seinem Wohnhaus von Kohle auf Fernwärme umzustellen und beantragt eine Projektförderung nach der RL. In dem Antrag erklärt er, dem Verbot des vorzeitigen Vorhabensbeginns zu genügen. In Wirklichkeit hat er der Firma F bereits einen Auftrag für Heizungsinstallationsarbeiten erteilt. Das zuständige Ministerium von L bewilligt K eine Projektförderung i.H.v. 61.000 €, nimmt diesen Bescheid aber drei Monate später nach Kenntniserlangung vom vorzeitigen Vorhabensbeginn zurück, ohne K zuvor anzuhören. K wendet sich mit einem umfangreichen Schreiben an L und legt seinen Standpunkt dar, worauf L den Bescheid erneut überprüft, aber nichts veranlasst. Nunmehr klagt K gegen die Rücknahme des Bewilligungsbescheids. OVG Thür. v. 27.04.2004 – 2 KO 433/03; DÖV 2005, 36; Schoch, JK 2/05, VwVfG § 48/27 Fall 18: Der Landesverband Hamburg der NPD beabsichtigte, den Bundesparteitag 1988 der NPD auszurichten. Er beantragte deshalb bei der Stadt Hamburg, ihm für den fraglichen Termin den großen Saal des Kongress Centrums Hamburg (KCH) zu überlassen. Die Stadt Hamburg hatte den Saal in der Vergangenheit bereits mehrfach politischen Parteien für die Durchführung von Veranstaltungen zur Verfügung gestellt. Das KCH wird von der A-GmbH betrieben, deren einzige Gesellschafterin die B-GmbH ist. Alleinige Gesellschafterin der BGmbH ist die Stadt Hamburg. Die Stadt Hamburg lehnte den Antrag des Landesverbandes Hamburg der NPD ab. Dieser erhob daraufhin Klage vor dem VG mit dem Antrag, die Stadt Hamburg zu verpflichten, die A-GmbH durch Erteilung von Weisungen zu veranlassen, ihm den großen Saal des KCH zu überlassen. BVerwG – 7 B 184.88 – NJW 1990, 134 ff – Erichsen, JK 90 PartG § 5/1 Fall 19: In Vertretung seiner Ehefrau B beantragte E eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohnhauses im unbeplanten Außenbereich der Gemeinde G. Das Bauamt von G verneinte in der Beschlussvorlage für den Gemeinderat zu Recht die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens, weil die Entstehung einer Splittersiedlung zu befürchten sei, so dass der Gemeinderat zunächst die erforderliche Zustimmung zur Baugenehmigung verweigerte. Nach der Bestechung eines Bediensteten durch E (ohne Wissen der B) und dessen Fürsprache für das Vorhaben änderte das Bauamt jedoch sein Votum, so dass die Zustimmung erteilt wurde. Daraufhin erhielt B die Baugenehmigung. Nachdem die Bestechung bekannt geworden war, nahm die Bauaufsichtsbehörde die Baugenehmigung zurück. Hiergegen wendet sich B mit ihrer Klage. Sie trägt vor, sie habe vom Verhalten ihres Mannes nichts gewusst. Mit Erfolg? OVG NW – Urt. v.14.07.2004 – 10 A 4471/01 – BauR 2005, 696 – NWVBl 2005, 71 Fall 20: Die Beigeladene hat in der Stadt S. (Nds.) eine nach dem BImSchG genehmigte Reststoffverwertungsanlage errichtet. Dafür gewährte die Bekl. nicht zurückzahlbare Zuwendungen nach den Richtlinien des Landes Nds. aus dem Wirtschaftsförderungsfonds – ökologischer Bereich, um umweltfreundliche Technologien zu fördern. Der Kläger ist Ortsverband einer politischen Partei und begehrt gestützt auf das Umweltinformationsgesetz (UIG) Akteneinsicht. Diesen Antrag lehnte die Bekl. mit der Begründung ab, die Förderungsakte enthalte keine Umweltinformationen i.S.d. UIG, außerdem seien die fraglichen Informationen schon bei der Genehmigung der Anlage nach dem BImSchG bekannt gegeben worden. Auch lasse der Antrag des Kl. nicht erkennen, auf welche Daten er genau gerichtet sei. Im Übrigen könnte aus Geheimhaltungsgründen allenfalls Auskunft, aber keine Akteneinsicht verlangt werden. Dagegen hat der Kl. Klage beim VG mit dem Antrag erhoben, die Beklagte zu verurteilen, ihr Einsicht in die Unterlagen zu diesem Vorgang zu gewähren. Schließlich handele es sich bei der Förderung um Umweltsubventionen. BVerwG Urt. v. 25.03.1999 – 7 C 21.98 – BVerwGE 108, 369 ff. Fall 21: Die Klägerin begehrte seit Jahren die Erteilung einer Genehmigung für den Verkehr mit Taxen im Gebiet der beklagten Stadt. Auf deren Vormerkliste hatte sie den 11. Rang unter insgesamt 29 Bewerbern. Nachdem die Kl. um förmliche Bescheidung ihres Antrages gebeten hatte, lehnte die Beklagte die Erteilung einer Konzession mit der Begründung ab, die Ausübung eines weiteren Taxenverkehrs bedrohe die Funktionsfähigkeit des örtlichen Taxengewerbes, da eine ausreichende Tilgung des Anlagekapitals sowie die Erzielung eines angemessenen Gewinns nicht mehr gewährleistet sei. Konkrete Nachweise werden dafür allerdings nicht erbracht. Die Kl. erhob vor dem VG Klage gegen die Stadt K auf Erteilung der Genehmigung für den Verkehr mit Taxen. Sie hält die Einschränkungen des PBefG für verfassungswidrig, weil sie im Ergebnis den etablierten Unternehmen einen Schutz vor Konkurrenz gewähren. Außerdem sei die Prognose der Bekl. unbegründet. Die Bekl. hält den Anspruch der Kl. schon deshalb für unbegründet, weil diese erst auf Platz 11 der Warteliste stünde. BVerwG Urt. v. 15.04.1988 – 7 C 94.86 – BVerwGE 79, 208 ff. Fall 22: Der Kläger erhielt für ein geplantes Bauvorhaben von der bayrischen Gemeinde G (Bekl.) die beantragte Baugenehmigung. Dem Nachbarn N wurde diese Baugenehmigung nicht bekannt gegeben. Dieser erfuhr vielmehr erst durch den Baubeginn 18 Monate nach Erlass der Baugenehmigung von deren Bestehen. Wenige Tage nach Baubeginn legte N Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein. Während des Widerspruchsverfahrens nahm die Bekl. die Baugenehmigung zurück, weil das Bauvorhaben – was zutrifft – gegen nachbarschützende Baurechtsvorschriften verstoße, was ihr bereits unmittelbar nach Erlass der Baugenehmigung bekannt geworden war. Nach erfolglosem Vorverfahren erhebt der Kl. Klage vor dem VG mit dem Antrag, den Rücknahmebescheid aufzuheben. BVerwG Urt. v. 10.02.1994 – 4 B 26.94; DÖV 1994, 570; Erichsen, JK 95, VwVfG § 50/2 Fall 23: Die geschiedene Ehefrau des Kl. ist alleiniger Vorstand einer Familienstiftung in NRW. Mit der vor dem VG erhobenen Klage begehrt der Kl., die Bezirksregierung in M als zuständige Stiftungsaufsichtsbehörde zur Abberufung des Stiftungsvorstandes zu verpflichten. Zur Begründung gibt er an, dass die Interessen der Familie und der Zweck der Stiftung durch verschiedene Entscheidungen des Vorstandes verletzt worden seien. Ferner beantragt der Kl. die Verurteilung zur Auskunft zum Stand des die Familienstiftung betreffenden aufsichtsrechtlichen Verfahrens. OVG NW Urt. v. 28.02.1992 – 15 A 2130 – 2132/90 – NWVBl. 1992, 360