Syrien - Al-Maqam, Zeitschrift für arabische Kunst und Kultur

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Syrien - Al-Maqam, Zeitschrift für arabische Kunst und Kultur
Syrien
Wiege der Menschheit
* Aleppo, Damaskus,
Palmyra
* Tribal Dance
syrische Kulturgeschichte
Phantasietanz
amerikanischer
* Nagib Mahfouz
ägyptische Literatur
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
Eid mubarak, alles Gute zum Zuckerfest. Der Ramadan ist vorbei. Das normale Leben kann
jetzt wieder seinen Lauf nehmen. Aber was ist normal? Nachts zu frühstücken und tagsüber zu
schlafen, morgens zu frühstücken und nachts zu schlafen? Was für uns Europäer normal und alltäglich ist, muss es für andere Menschen noch lange nicht sein. Und was für andere Menschen
alltäglich ist, das ist für uns vielleicht eine Sensation, wie etwa alte Ruinen, die sich auf den
Weiden finden, zwischen denen Schafe und Ziegen herumspringen.
Für uns ist es dagegen normal, wenn z. B. Rap-Musiker ihre Texte im Internet veröffentlichen,
damit die Fans sie mitsingen können.
Wir tappen dagegen in so manches Fettnäpfchen, weil wir die Gepflogenheiten in anderen
Ländern nicht genau kennen. Jedes arabisch-islamische Land hat noch obendrein seine eigenen Verhaltensregeln.
Da aber der Islam ein weit gespanntes Feld von kultureller Vielfalt umfasst, kann arabische Kultur nicht oberflächlich und allgemeingültig abgehandelt werden. Wir werden uns daher in
Zukunft immer wieder in einzelnen Heften mit einem speziellen Land oder einer Region befassen oder ein anderes spezielles Thema behandeln.
In diesem Heft soll ein wenig beachtetes arabisches Land näher vorgestellt werden:
Syrien. Vielen Wissenschaftlern, u. a. Archäologen gilt Syrien als die Wiege der Menschheit. Seit
vielen tausend Jahren ist das Land ununterbrochen besiedelt. Es hat so manche Blüte der Kultur
erlebt, doch im Moment ist es still geworden um das Land zwischen dem Euphrat und dem
Mittelmeer.
Mit unseren Artikeln über die größten Städte Syriens, über Grabungsfunde, Deutsche in Syrien
und Syrer, die von Deutschland träumen, Kinofilme usw. möchten wir Ihnen Lust auf mehr
machen. Informationen zu Internetseiten und Büchern sollen Ihnen helfen, sich weiter zu vertiefen.
Vielleicht entdecken Sie sogar ein ganz neues Reiseziel.
Ich wünsche Ihnen in jedem Fall viel Vergnügen.
Ihre
Ulrike-Zeinab Askari
- Chefredakteurin -
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der Tee ist serviert, Foto: Barbara Schumacher
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Inhalt
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66
Editorial
Impressum/Inhalt
Leserstimmen
Vorschau
Impressum
ISSN
1431-7974
Herausgeber
mediaAGENT
Houssam Maarouf
Wilhelmstr. 42, 10963 Berlin
Tel. 030/61 65 96 51
email: u.z.askari@mediaagent.net
www.Al-Maqam.info
Bankverbindung
Deutsche Bank Berlin
Konto 187 22 33 00
BLZ 100 700 24
Redaktion
Ulrike-Zeinab Askari, v.i. S.d.P.
Satz und Layout
Zeinab Askari
Jahresabo
inkl. Versandkosten 22 Euro (Dt.)
Ausland zzgl. das jeweilige Porto
5,50 Euro zzgl. Porto
Arabische Kulturgeschichte
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Syrien - Wiege der Menschheit
Syrien - durch die Geschichte
Aleppo
Damaskus
Bienenkorbhäuser
Palmyra
Salah el Din
Salah el Dins Leben und Taten
Arabische Musik
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Musik aus Syrien
Bekannte MusikerInnen
Salam aleikum, Hakim!
Orientalischer Tanz
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Orientalischer Tanz im ADTV
Tribal Dance - Interview mit Samira
Alles Tribal
Literatur
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Der Vater des ägyptischen Romans
Buchvorstellungen
Vermischtes
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Vergessen im Niemandsland
Mohamed Ghanoum
Sitten und Gebräuche, Teil 1 und 2
Länderspezifika
Deutsche in Syrien
My country is a paradise
Sensationsfund in Syrien
Ausstellung
Der Orient - Mythos und Moderne
Die syrische Braut
Einzelheft
Mitarbeiter an dieser Ausgabe
Nadja Al-Assaf, Nadja Al-Madani,
Mohamed Askari, Ulrike-Zeinab
Askari, André Elbing, Svetlana
Georgieva, Claudia Groh, Christian
M. Jolibois, Gabriela M. Keller,
Joachim Kunz, Veronika Leichs,
Meike Münch, Barbara Schuma
cher, Samia Susann Trabolsi,
Alexandra Trapp
Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos
übernimmt der Verlag keine Haftung. Redaktionelle Bearbeitung behalten wir uns vor. Die Urheberrechte der Artikel, Fotos und Annoncenentwürfe bleiben beim Verlag.
Nachdruck auch einzelner Teile bedarf der schriftlichen
Genehmigung.
Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 2 vom Januar 2006.
Titelbild: Saftverkäufer in Damaskus, Foto: Barbara Schumacher
Bild Rückseite: Gasse in Damaskus, Foto: Dirk Dreschel
Al-Maqam heißt auf Deutsch “die Stufe”. Gemeint ist in erster
Linie die Tonstufe. Eine arabische “Tonleiter” wird auch als
Maqam bezeichnet. Ferner ist ein Heiligengrab ein Maqam. In
früheren Zeiten konnte das Wort Maqam auch für eine Gedichtsammlung stehen. Heutzutage verbindet man damit auch das
hohe Ansehen einer Person.
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Syrien Wiege der
Krak des Chevalies, Foto: © Botschaftskanzlei Syrien / www.geo.at
Menschheit
Nicht zu Unrecht wird Syrien als die Wiege der Menschheit
bezeichnet. Immerhin ist es seit vielen Jahrtausenden ununterbrochen besiedelt. Dabei sind viele Volksstämme durch Syrien hindurch marschiert. Land und Leute haben sowohl Kriege als auch
Erdbeben, Trockenheiten und Stürme überstanden. Aber die Vegetation ist durch die andauernde Besiedlung stark zurück gegangen
und auch der Tierbestand ist dezimiert.
Dafür ist Syrien für Archäologen eine wahre Fundgrube - und nicht
nur für Archäologen. Oft finden sich die Spuren von mehreren
Generationen und Kulturen unmittelbar neben- oder sogar übereinander.
Syrien in kurzen Zügen durch die Geschichte
Der Name des Landes leitet sich von dem griechischen “Assur” ab, womit bereits eine
glanzvolle Epoche dieses Landes umschrieben ist. Sicher ist, dass das Gebiet von Syrien
zu den ältesten, dauerhaft besiedelten Gebieten der Welt gehört. Erste Siedlungen sind
für das präkeramische Neolitikum (10. - 9. Jt. v. Chr.) nachgewiesen. Fundorte sind u. a.
Tell Aswad und Mureybet, beide in Syrien sowie Jericho in Palästina.
Eine richtige Geschichtsschreibung beginnt
jedoch erst um ca. 2.350 v. Chr. mit den Akkadern. Es folgten die Hethiter, die Assyrer und um
625 v. Chr. wurde das Gebiet von Syrien ein Teil
des Neubabylonischen Reiches.
Mit Alexander dem Großen wurde Syrien 333 v.
Chr. dann griechisch, danach selenkidisch und
64 v. Chr. zur römischen Provinz Syrien. 267 n.
Chr. erklärte das Königreich Palmyra unter seiner
Herrscherin Zenobia seine Unabhängigkeit von
Rom, wurde aber 272 wieder zurück erobert.
Kurz nach der Begründung des Islam wurde
Syrien 636 n. Chr. von den Arabern erobert und
in das neue Reich des Kalifen integriert. Die
Omayyaden waren etwas mehr als 100 Jahre die
Herrscher, die prägende Eindrücke und steinerne Zeugnisse wie die berühmte
Moschee
in
Damaskus
hinterlassen haben, bis sie
750 von den Abbasiden
abgelöst wurden, die die
neu gegründete Stadt Bagdad im Irak zu ihrer Hauptstadt machten.
Da die arabischen Fürsten
zerstritten waren und untereinander Kriege führten,
war es für die christlichen
Eroberer ein Leichtes, sich
den Weg bis in die Heilige
Stadt Jerusalem zu bahnen.
Erst Nureddin Zengi (1146 Minarett bei Nacht, Foto: Dirk Dreschel
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1174) gelang es, das ganze muslimische Syrien
und den Nordirak vereint gegen die Kreuzfahrer
ins Feld zu führen. Sein General Sirkuh eroberte
1168 auch Ägypten dazu. Dessen Nachfolger
Salah el Din stürzte 1171 die Fatimiden in Ägypten und begründete die Dynastie der Ayyoubiden.
1517 wurde Syrien durch die Unterwerfung der
Mamluken ein Teil des osmanischen Reiches.
1832 - 1840 gehörte Syrien zum Herrschaftsbereich Mohamed Alis von Ägypten, der
seinen Sohn als Statthalter einsetzte. Dieser
errichtete Schulen, reformierte das Rechts- und
Steuersystem, förderte die Ausbildung und
belebte so und durch weitere Maßnahmen die
Wirtschaft und sorgte für die rechtliche Gleichstellung von Juden, Christen und Muslimen.
1840 fiel Syrien zurück an die Osmanen. Nach
heftigen Unruhen wurde 1860 der Libanon auf
Druck Frankreichs von Syrien abgetrennt. Während des Ersten Weltkrieges stellten sich die Syrer
auf die Seite der Entente (Allianz zwischen
Frankreich, England und Russland) und vertrieben mit Hilfe der Haschimiten und des legendären Lawrence von Arabien 1918 die Osmanen.
Nach einem unabhängigen Königreich, das Faisal
I., ein Haschimit, errichtet hatte, besetzten französische Truppen das Land und der Völkerbund
stellte sowohl Syrien wie den Libanon unter französisches Mandat.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entließ
Charles de Gaulle Syrien aus dem französischen
Mandat und am 17. April 1949 wurde die Unabhängigkeit proklamiert.
Heute ist Syrien eine Präsidialrepublik und hat
ca. 20 Millionen Einwohner. Im letzten Jahrhundert ist die Bevölkerung explosionsartig gewachsen. Nach dem Ersten Weltkrieg betrug die
gesamte syrische Bevölkerung nicht mehr als 1,5
Millionen Menschen. Heute leben außerdem
noch ca. 15 Millionen Syrer im Ausland, in Europa, den Golfstaaten und Lateinamerika.
traditioneller Innenhof in Aleppo, Foto: Claus und Edeltraut Rautenstrauch
Syrien in Zahlen
Syrien hat eine Fläche von etwa 185.000 km2 und ist
damit ungefähr halb so groß wie Deutschland.
Die größten Städte sind
- Damaskus mit etwa 4 Millionen Einwohnern - in der Umgebung von Damaskus
leben noch einmal etwa 6 Millionen Menschen
- Aleppo mit 2,5 Millionen Einwohnern - in
der Umgebung von Aleppo leben weitere
2,5 Millionen Menschen
- Homs mit 1,1 Millionen Einwohnern
- Latakia an der Mittelmeerküste mit
432.000 Einwohnern
- Hama mit 350.000 Einwohnern.
Zur Bevölkerung gehören
Araber
Kurden
Armenier
Aramäer
Griechen
Turkomanen
Roma
Beduinen (die Roma und Beduinen leben
noch als traditionelle Nomaden)
palästinensische und
chalo-assyrische Flüchtlinge aus dem Irak
Die religiöse Zugehörigkeit der Bevölkerung
75% Muslime
15% Christen der verschiedenen Konfessionen
6% Alaviten
2% Drusen
Exportgüter sind vor allem
Erdöl,
Textilien und
Nahrungsmittel.
Es gibt einen kleinen aber unbedeutenden Kultur- und
Sprachtourismus.
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Weitere Informationen über
Syrien finden Sie hier:
www.syrianembassy.de
www.wikipedia.org/wiki/syrien
www.visit-syria.com/songs.htm
www.auswaertigesamt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Syrien/Sicherheitshinweise.html
Fotos:
www.travel-images.com/syria.html
www.souria.com/syriaphotos/index.as
p?oo=40
www.die-wasserpfeifen.de/syrien/
www.spirit-of-the-moment.com/compositions/Syrien/index.htm#
www.lkenhagen.de unter Syrien
http://babsouria.online.fr/
www.hackenberghm.de/Syrien/sy_karte.html
Reiseinfotos und -berichte:
Bücher:
www.syriatourism.org
www.offroadreisen.com/REISEN/SYRIEN/SYR_Menu.htm
www.visit-syria.com/
www.weltenbummlerin.net/reisebericht_syrien.htm
www.swr.de/swr2/syrien/html/index.ht
ml
Für die Einreise wird ein Pass mit mindestens sechsmonatiger Gültigkeit und
entsprechend freien Seiten und ein
Visum benötigt. Kinderausweise benötigen ein Lichtbild.
Jörg Wagner: Reiches Erbe einer Kulturlandschaft, Orbis Verlag, 1999, 183 S.
(nur gebraucht)
Lieve Joris: Die Tore von Damaskus.
Eine arabische Reise. Pieper Verlag,
2000, 304 S., 9,90 Euro
Muriel Brunswig-Ibrahim: Syrien, Reise
Know-How Verlag Rump, 2006, 480
S., 23,50 Euro
Walter M. Weiss: Zwischen Babylon
und Heiligem Land. Picus Verlag,
2004, 168 S., 14.90 Euro
Freytag Berndt Autokarten, Syrien,
Freytag-Berndt U. Artaria Verlag, 2006,
9,95 Euro
Der Pass darf keinerlei Stempel aus
Israel enthalten!
Damit würde auch ein bereits erteiltes
Visum wieder ungültig.
Eine ausführliche Liste der Reiseliteratur finden Sie unter:
www.abenteuerreisen.de/wg/sy/wg_sy__rf02__01.htm
Das Visum erhalten Sie in der
Syrischen Botschaft
Rauchstraße 25, 10787 BERLIN
Tel.: 030/501770, Fax: 030/50177311
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Kulturstadt Aleppo
Gedicht aus Stein
Text und Fotos: Barbara Schumacher
Seit 1986 ist Aleppo, eine der ältesten und am längsten kontinuierlich bewohnten Städte der Welt, UNESCO-Weltkulturerbe. Die
Bemühungen um den Erhalt der Altstadt zeigen positive Ergebnisse.
Halab oder al Shahba, wie Aleppo auch
genannt wurde, war einst Karawanenknotenpunkt und Handelsplatz der Seidenstraße
und wurde 944 n. Chr. Hauptstadt, geistiges
und künstlerisches Zentrum unter dem
Hamdaniden Saif al Daula. Die jüngste Stadtentwicklung hat sich in rasantem Tempo vollzogen: 1920 war Aleppo identisch mit der
heutigen Altstadt. 30 Jahre später zählte die
Stadt 500.000 Einwohner, wovon 200.000 in
der Altstadt wohnten. Heute leben nur noch
etwa 100.000 Menschen in der Altstadt, denn
diese ist im Laufe der Zeit wegen der mangelnden Infrastruktur wie zu enger Gassen,
die keinen Autoverkehr erlauben, und immer
weniger gefragten Innenhofhäusern ohne flie-
ßendes Wasser, aus denen viele alteingesessene Familien ausgezogen sind, renovierungsbedürftig geworden.
Altstadtsanierung
1979 wurde beschlossen, die vom Verfall
bedrohte Altstadt zu sanieren und zu entwickeln. Dabei hilft im Rahmen einer
deutsch-syrischen Kooperation seit 1994 die
Gesellschaft für technische Zusammenarbeit
(GTZ) im Rahmen verschiedener, konkreter
Projekte, die bis 2007 terminiert sind.
Deutschland wird bis dahin etwa 10 Millionen
Euro zur Verfügung gestellt haben. Zwei Ziele
werden vorrangig verfolgt: die Restaurierung
der alten Häuser, die teilweise aus dem 15.
die Zitadelle in Aleppo
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in der Zitadelle von Aleppo
im Lebensmittelsuq
alter Mann im Suq
Jh. stammen und die wirtschaftliche
Entwicklung der Altstadt, die der Stadt
ihre Identität gibt und sie prägt. Es gibt
240 denkmalgeschützte Gebäude,
Hofhäuser als Lebensmodell in der
islamischen Stadt, die eine lange Tradition der religiösen Toleranz haben,
denn hier gab es früher z. B. für Christen und Muslime gemeinsame Gebetsräume. Idee ist, die Jugend für die
Altstadt zu interessieren, 1.000 Kleinbetriebe sollen entstehen mit 30.000
Arbeitsplätzen. Die Fortschritte in der
zunehmenden Wahrnehmung des kulturellen Erbes in der Bevölkerung sind
spürbar. Es wird investiert, wobei günstige, syrische Kredite helfen, es gibt
auch einen Fonds für Kleinunterneh-
men. Es entsteht eine Eigendynamik
der Stadtentwicklung, indem die Infrastruktur langsam erneuert wird, dazu
gehört auch die Verfügbarkeit von
Trinkwasser und eines Abwassersystems. Das Vertrauen wächst: über
650 Häuser sind saniert, das sind
20 % der insgesamt sanierungsbedürftigen Häuser. Rechtzeitig wurde
erkannt, dass der Strom der Touristen,
angelockt durch die angelaufene Kulturarbeit, die zur weiteren Image-Förderung der Altstadt beiträgt, so
gelenkt werden muss, dass er den Einwohnern nicht schadet. 2006 ist Aleppo erste Kulturhauptstadt des Islam.
große Seidentücher, die auch die Einheimischen tragen. Besucher werden
freundlich und aufgeschlossen behandelt. Eine kleine Gasse führt zur
Omayyaden Moschee. Schlank ragt
das aus dem Jahr 1090 stammende
bedeutendste architektonische Werk
des Mittelalters in Syrien, das Minarett
der Omayyaden Moschee Jami al
Kabir, ein schönes Beispiel moslemischer
Baukunst
mit
kufischen
Schmuckinschriften, in den Himmel.
Sie ist die schönste und größte
Moschee von etwa 1000 aus 14 Jahrhunderten stammenden Moscheen
der Stadt und wurde zur Zeit von Kalif
Suleiman Ibn Abdul Malik erbaut. Der
Arkaden umstandene Innenhof umrahmt das Waschhaus und einen Pavillon. Im Innern der Moschee befinden
sich die Gebetsnische und die Kanzel
aus dem 15. Jahrhundert und das
Grabmal des Zacharias, des Vaters
von Johannes dem Täufer.
Durch den Suq zur OmayyadenMoschee
Zwölf Kilometer lang soll das Labyrinth der überdachten Suq-Gassen der
Altstadt aus dem 15. und 16. Jh. insgesamt sein. Orientalisches Ambiente
herrscht in den Gewölben, die sämtlich gepflastert und/oder geteert sind.
Durch Öffnungen in der Decke fallen
Bündel von Sonnenstrahlen und beleuchten Parfum, Gewürze, Stoffe,
Teppiche, Gold und Leder - alles, was
das Herz begehrt, ist hier zu haben.
Besonders beliebt als Souvenir sind
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Die Zitadelle Wahrzeichen Aleppos
Gegenüber dem Suq-Ausgang liegt genau in der Mitte der Stadt - die von
einem gewaltigen Graben umgebene
Zitadelle aus der Zeit der Hethiter auf
einem 55 m hohen Hügel. Sie ist das
Wahrzeichen Aleppos und bietet tagsüber sowie abends bei Beleuchtung
einen grandiosen Anblick. Eine breite
Treppe führt zu diesem prachtvollen
Beispiel militärischer Baukunst im arabischen Stil - sowohl Machtsymbol als
auch Ausdruck feiner künstlerischer
Gestaltung. Der massive Wehrturm ist
von solch strenger baulicher Schönheit, dass er dadurch unüberwindlich
erscheint. Ins Innere gelangt man
durch gewaltige Tore und verwinkelte
Aufgänge, die es den Feinden, die mit
Attacken verschiedenster Art zu rechnen hatten, wie mit heißem Olivenöl
begossen zu werden, unmöglich
machten, mit Rammblöcken voranzukommen. Die Hethiter hatten hier im
den Berg Ende des 12. Jahrhunderts
zum Mittelpunkt der Stadt und ließ
das erbauen, was heute zu sehen ist:
Die Zitadelle mit zahlreichen Gebäuden, z. B. die Große Moschee mit
schönem Innenhof aus dem Jahr 1213,
die Ibrahim-Moschee aus dem Jahr
1167, in der der Kopf von Johannes
dem Täufer aufbewahrt gewesen sein
soll, bevor er nach Damaskus
gebracht wurde, Tempelruinen, ein
restauriertes Theater, heute Ort spektakulärer Aufführungen, Kornspeicher,
Gefängnis, tiefe Brunnen und Kasernenruinen. Der Blick von der Zitadellenmauer über die gesamte Stadt ist
Atem beraubend. Ein Schmuckstück
ist der aus dem 13. Jahrhundert stammende Königspalast mit Thronsaal
10. Jahrhundert v. Chr. einen Tempel
errichtet, die Seleukiden erbauten auf
dem Hügel erstmals im 4. Jahrhundert
v. Chr. eine Burg. Es ist nicht überliefert, ob die Römer die Burg für Verteidigungszwecke nutzten, erst ab dem
10. Jahrhundert n. Chr. gibt es wieder
mehr Informationen über die Zitadelle, als sie in einer Blütezeit der Stadt
zum wichtigsten Stützpunkt der Muslime unter dem Hamdaniden-Herrscher Saif al Daula gegen die Byzantiner ausgebaut wurde. Der Sohn Saladins Malik al Zahier Ghazi machte
aus dem 16. Jahrhundert, den eine
bemalte Balkendecke aus mamelukischer Zeit schmückt.
Museen, Paläste und Bürgerhäuser
Im Nationalmuseum sind die Figuren
aus Mari sehenswert, Löwen aus
Hamea, die berühmte Statue eines
Königs mit Goldumhang und Szepter
aus Ugarit und im Innenhof Mosaiken
und Statuen von Prinzen und Königen
aus dem 8./9. Jahrhundert vor Chr.
Vielfältig ist die Ausstellung zeitgenössischer Malerei - ein Spiegelbild der
Stadt der Künstler. Nicht weit entfernt
findet man die Khans (Karawansereien), z. B. den Khan al Wazir mit
monumentalem Tor und schönen
Ornamenten aus dem 17. Jahrhundert. Über 60 historische Bäder
(Hammam) gibt es - sehenswert sind
das renovierte Hammam Yalbugha al
Naseri aus dem 14. Jahrhundert und
der Kuppelsaal des Hammam al Labadiya. Viele Koran-Schulen, z. B. die al
Bimaristan al Argoony Schule sind
herausragende Beispiele islamischer
Architektur aus dem 14. Jahrhundert.
Das Volkskundemuseum, im Bait
Ashiqbash, einem über 200 Jahre
alten palastähnlichen Bürgerhaus,
untergebracht, zeigt lebensgroße Puppen in traditioneller Kleidung und in
Alltagsszenen. Unvergesslich ist die
Vorführung des Derwisch-Tanzes. Der
frühere Palast Bait Wakil ist heute ein
Hotel. Aus diesem Palast stammen die
einmalig schönen, Holz bemalten
Wände des berühmten "Aleppo-Zimmers" mit seinen Holz geschnitzten
Türen, die im Islamischen Museum in
Berlin zu sehen sind.
Blick von der Zitadelle in die Stadt Aleppo
Infos:
http://whc.unesco.org/en/list/21
www.schaetze-derwelt.de/denkmal.php?id=133
www.gtz-aleppo.org/
www.aleppofreunde.de/
Bücher:
Kay Kohlmeyer, Julia Gonnella, Wahid
Khayyata: Die Zitadelle von Aleppo
und der Tempel des Wettergottes.
Neue Forschungen und Entdeckungen,
Rhema Verlag, 2005, 120 S., 24 Euro
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historische Karte von Damaskus, gezeichnet 1929
im Auftrag des "Bureau Topographique des Troupes
Françaises du Levant (TFL)".
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Damaskus: Stadt der
Paläste und Koranschulen
Kultur, Koran und Kunsthandwerk
Text und Fotos: Barbara Schumacher
Von den vielen Palästen der
Stadt, die oft von außen
völlig unscheinbar wirken,
aber im Innern ihre ganze
Pracht entfalten, sind einige als Restaurant, Hotel
oder Museum zugänglich.
Wer sich für islamische
Architektur interessiert, den
werden die traditionellen
Koranschulen anziehen.
Leben wie in 1001 Nacht im Azem
Palast
Der Azem Palast aus dem 18. Jh.
beherbergt das Volkskundemuseum.
Der Arkaden-Innenhof mit dem typischen, farbigen Mauerwerk (ablaq),
Steinfresken und Brunnen wird
umrahmt von den Gebäuden des
Palastes, der mit bemalten Holzdekken, holzgetäfelten Wänden mit
Nischen und prächtigen Marmormosaikfußböden im damaszener Stil ausgestattet ist. Die Räume sind vollständig eingerichtet und werden von
lebensechten Puppen "bewohnt":
eine Koranschule mit am Boden hokkenden Schülern hinter Koranständern
und dem Imam, ein Aufenthaltsraum
mit den kostbarsten Möbeln mit Perlmutteinlegearbeiten, ein Musik-Zimmer mit traditionellen Musikinstrumenten wie Oud, Trommeln, Flöten
und Rababas in Glasvitrinen, der
Raum der Braut mit besonders festlicher Ausstattung und lebensechten
Puppen: die Braut, zwei Henna-Frauen und eine Oud-Spielerin, der Raum
der Schwiegermutter, in dem die Puppen gerade ein traditionelles Spiel
spielen und die Baby-Wiege im
Prinz von Erfad, 9. Jh. v. Chr.,
Nationalmuseum, Damaskus
Hintergrund steht, der Pilgerraum mit
Pilgern in typischer Pilgerkleidung,
der Raum des Paschas mit Baldachin,
Kaffeehaus mit Derwisch und vielen
Wasserpfeife rauchenden Gästen, ein
Waffenraum, ein Hammam und der
große Empfangssaal in einem gesonderten Gebäude mit prächtigster
Einrichtung - hier wird 1001 Nacht
Wirklichkeit.
Vom
benachbarten
Innenhof gehen die Räume für die
Lederhersteller, Glasbläser, Textilhersteller und Kupferschmiede ab. Man
kann sich nicht satt sehen im Textilraum: an feinsten Gewändern aus
Damaskus aus kostbaren Brokat-Stoffen und an in einer künstlichen Landschaft arrangierten lebensgroßen
Frauen-Puppen mit echtem Schmuck,
Accessoires und traditionellen Gewändern aus Hama, Maloula, Homs,
Golan, Edlib, Lattakia und Aleppo.
Kunsthandwerksuq und Moschee
in der Azem Koranschule
Innenhof des volkskundemuseums, Damaskus
Vom Azem Palast ist es nicht weit zur
Azem Medersa, der seit 1770 bestehenden Koranschule. In diesem
Gebäude, von dessen Dach man
einen schönen Ausblick auf die
Omayyaden Moschee hat, ist seit
etwa 110 Jahren im vorderen Teil ein
Laden für qualitätsvolles Kunsthand15
mit dem ich mich lange unterhalten hatte, mich dem Imam
vorzustellen. Das macht er gern und übersetzt die Worte
von Imam Achmed El Saqa: "Ich habe ein abgeschlossenes
Hochschulstudium und bin hier Imam, aber nicht der Imam
für das Freitagsgebet. Meine Aufgabe ist es, den Gläubigen
Antworten auf ihre Fragen des Alltags zu geben und die
Worte des Propheten auf unsere heutige Zeit und das
moderne Leben anzupassen und entsprechend zu interpretieren. Ich bekomme für meine Arbeit als Imam kein
Gehalt, daher bin ich auf andere Arbeit angewiesen. Ich
habe im Suq einen Textilladen." Auf meine Bitte trägt er
eine Sure aus dem Koran vor und eilt dann von dannen.
Mir fällt die Puppe des Imams im Azem Palast ein - Imam
Ahmed hätte dafür Modell gestanden haben können.
Barbara Schumacher
war u. a. als Redaktionsleiterin, Leiterin
der Rechtsabteilung und Verlagsleiterin
Innenhof der Omayyadenmoschee, Damskus
tätig, reist viel und gern in arabische
Länder und schreibt als freie Journali-
werk und im hinteren Teil, getrennt durch eine Glaswand
mit Glastür, eine Moschee untergebracht. In der Moschee
wird gerade gebetet, der Imam im braunen Mantel mit
Goldborte sitzt mit gekreuzten Beinen auf dem Teppich
und liest aus dem Koran, der auf einem Koranständer vor
ihm steht. Nach dem Gebet, als alle Gläubigen die
Moschee verlassen haben, bitte ich den Schmuckverkäufer,
stin für mehrere Magazine.
Infos:
www.damascus-online.com
www.wikipedia.org/wiki/Damaskus
www.schaetze-derwelt.de/denkmal.php?id=207
Fotos:
www.trekearth.com/gallery/Middle_Ea
st/Syria/South/Dimashq/
Bücher:
Cornelia Kempf: Die Gärten von
Damaskus, KaMeRu Verlag, 15. Dez.
2006, 400 S., historischer Roman
Rafik Schami: Damaskus im Herzen.
Beobachtungen eines syrischen Deutschen, Hanser Verlag 2006, 200 S.,
Damskus bei Nacht, Foto: www.wikipedia.org
16
16,90 Euro
Relikte ungewöhnlicher Wohnkultur
Die "Bienenkorbhäuser" von Tayyara
Barbara Schumacherr
Das Besondere an Tayyara sind Spitzkuppelbauten aus Stampflehm, die
noch bewohnt sind. Historisch lässt
sich dieser Baustil bis ins 3. Jahrhundert v. Chr. verfolgen. Die Kuppeln
werden aus Lehmziegeln gebaut und
dann mit einer Lehmschicht bedeckt,
die jährlich erneuert wird. Manche
Häuser sind über 100 Jahre alt - ein
erstaunliches Alter für Lehmbauten.
Hier wie in benachbarten Dörfern der
Gegend zwischen den Totenstätten
bei Serjilla und dem Assad Staudamm
leben Familien unter harten Bedingungen. Aleppo ist weit, es gibt keine
Geschäfte, nur Sand und Steine prägen die Landschaft, in der mit heißen
Tagen und kalten Nächten trockenes
Wüstenklima herrscht. Ein großer Teil
ist verfallen, aber es gibt noch erstaunlich gut erhaltene Häuser, die der arabischen Wohntradition entsprechend - um einen Innenhof gruppiert sind. Die etwa 5 m hohen Lehmhäuser selbst sind in eine Steinmauer
integriert, sodass kein Einblick in den
Innenhof möglich ist. Die Hauseingänge sind nur vom Innenhof zuBienenkorbhaus, Foto: Werner Stadler
gänglich, in den Innenhof gelangt
man durch eine Maueröffnung.
Es gibt inzwischen immer mehr Siedlungen, die nicht mehr bewohnt sind
oder die Häuser dienen als Ställe
oder Lager für Weizensäcke. Die Tage
gut erhaltener und bewohnter Häuser
sind also gezählt. Gute Chancen des
Erhalts gibt es dort, wo Brunnen sind.
Sich bewohnten Bienenkorbhäusern
zu nähern, erfordert Umsicht und Fingerspitzengefühl, da man sehr schnell
durch unbedachtes Erkunden die Privatsphäre der hier lebenden Menschen verletzen kann. Tagsüber muss
man damit rechnen, nur Frauen mit
ihren kleinen Kindern oder alte Menschen anzutreffen. Als Frau allein hat
man es relativ leicht, mit den hier
lebenden Menschen in Kontakt zu
kommen.
Als ich mich ganz langsam einem
besonders gut erhaltenen und gepflegt aussehenden Haus nähere,
kommt mir die Bewohnerin entgegen,
begleitet von mehreren Kindern. Eine
Unterhaltung ist wegen Verständigungsschwierigkeiten nicht möglich,
aber mit einem freundlichen "Marhaba" werde ich begrüßt. Sie winkt
mir zu, ihr zu folgen. Was ich nicht zu
hoffen gewagt hätte: Sie lädt mich ein,
Hof und Haus zu betreten. Mensch
und Tier leben hier auf engstem
Raum: einige Hühner und Schafe laufen im Hof umher. Ich bin angetan
von der Sauberkeit, der Ordnung und
der frischen Kühle, die mich im Haus
empfängt. Geblendet vom hellen Sonnenlicht draußen gewöhnen sich meine Augen nur langsam an das Dämmerlicht im Hausinnern. Wände und
Boden sind, wie die Außenwand, aus
Lehm. Das Haus ist fast leer, nur ein
paar Gebrauchsgegenstände stehen
am Boden. Meine Gastgeberin nennt
ihren Namen - Fatima - und ihren
Gesten und Worten ist zu entnehmen,
dass sie sieben Kinder hat. Ein weiteres ist noch im Bauch - wie eine entsprechende Handbewegung zeigt.
Auf dem Rückweg wird mir bewusst,
wie entbehrungsreich das Leben hier
sein muss. Wie aufgeschlossen und
gastfreundlich war die Frau, wie sauber waren sie und ihre Kinder gekleidet, wie ordentlich war die Umgebung
der Häuser - keine Plastiktüten, kein
Müll. Und das alles ohne fließendes
Wasser, Kanalisation, Müllabfuhr, …
Buchtipp
Karin Pütt: Zelte, Kuppeln und Hallenhäuser. Wohnen und Bauen im ländlichen Syrien. Imhof Verlag, 2005, 280
S., 69 Euro
17
In Palmyra und Halabiya
Auf den Spuren von Zenobia
Barbara Schumacher
Ruinen in Palmyra, Foto: Félix Bonfils
Sie soll von sich behauptet haben, von Kleopatra
abzustammen und manche glauben, sie sei
Nachfahrin der legendären Königin von Saba:
Königin Zenobia, die 5 Jahre lang von 267 bis
272 n. Chr. ein mächtiges Reich regierte, das bis
Ägypten und Anatolien reichte.
Gerüchte und Vermutungen ranken sich um
Königin Zenobia. Hatte sie ihren Gatten Odainat, der von 252 - 267 Herrscher von Palmyra
war, umgebracht oder von Günstlingen umbringen lassen - zur Machterlangung für den
gemeinsamen 7-jährigen Sohn, um dann für diesen zu regieren? Wie und wann starb sie? Ist sie
im Euphrat bei der Gefangennahme durch die
Römer ertrunken oder in Rom, wohin die Römer
sie brachten, als alte Frau gestorben? Sie sei eine
Schönheit gewesen und die schönste Königin
Arabiens - die einzige erhaltene, auf einer Münze geprägte bildliche Darstellung Zenobias
Palmyra Gesamtansicht, Foto: www.wikipedia.org
18
widerspricht dem nicht. Viele Fähigkeiten wurden ihr nachgesagt, allerdings wenig politisches
Geschick, sie sei von Machthunger besessen
gewesen, heißt es. Tatsache ist, dass sie einen
perfekten Aufstand organisierte, der Palmyra von
Rom unabhängig machte und dass sie ein Riesenreich regierte. Palmyra war unter ihrer kurzen
aber intensiven Herrschaft die Metropole des
Orients. In Syrien wird die Araberin Zenobia,
oder az-Zabba, wie sie in der syrischen Volkslegende genannt wird, gern als frühes Beispiel
einer starken, mächtigen und emanzipierten Frau
dargestellt.
Hätte sie in den wenigen Jahren ihrer Regentschaft den Bogen nicht überspannt und durch
ihre Expansions- und Unabhängigkeitsgelüste
Rom derart verärgert, dass Palmyra (Tadmur)
nach einem Aufstand von Aurelian im Jahre 273
zerstört und geplündert wurde, wäre von dieser
einst durch den Seidenstraßen-Karawanenhandel mit China, Indien und
Rom reichen und prächtigen Oasenstadt vielleicht mehr übrig geblieben.
Was heute noch an großartigen Ruinen zu sehen ist, lässt bereits mit
wenig Phantasie erahnen, in welch
luxuriöser Umgebung Zenobia lebte.
Den Palast Zenobias haben die
Römer allerdings so gründlich zerstört, dass man bis heute nichts davon
gefunden hat. Tausende lebensgroße
Statuen schmückten die Plätze, Patrizierhäuser und Straßen. Tore, Thermen, Tempel beherrschten die Stadt,
die von einer Stadtmauer umgeben
war und in der Kunst und Kultur zu
großer Blüte gelangten. Man spricht
von einer eigenständigen, palmyrenischen Kunst, die sich insbesondere in
den Skulpturen äußert: die Personen
werden frontal in besonderer, repräsentativer Kleidung dargestellt. Die
Menschen von Tadmur sprachen Aramäisch, aber der größte Bevölkerungsteil waren Araber. Zenobia
sprach vier Sprachen: Ägyptisch, Aramäisch, Griechisch und Latein.
Um den Euphrat zu kontrollieren,
gründete Zenobia 270 n. Chr. die
nach ihr benannte Stadt am Südufer
Palmyra, Foto: Barbara Schumacher
des Euphrat, die heute den Namen
Halabiya trägt. Die Anlage an einem
den Euphrat überblickenden, lang
gezogenen, hohen Berghang (610 n.
Chr. von den Sassaniden zerstört)
gefiel den Römern so gut, dass sie sie
"zu einem Bollwerk des römischen
Imperiums und einem Grenzposten
gegen die Perser" (lt. Geschichtsschreiber Prokop, 6. Jh.) ausbauten.
Die Mauern gegen die Überflutung
des Euphrat und die bergauf führende
Mauer, die das Nordtor, die Zitadelle
auf dem Berg und bergab das Südtor
Geschichte Palmyras
Kulturdenkmal: 10 qkm große Ruinenstadt, Unesco-Ernennung: 1980
um 7.000 v. Chr. nachweislich jungsteinzeitliche Besiedlung
32 n. Chr.
Weihe des Heiligtums des Baal
129 n. Chr.
Besuch Kaiser Hadrians
um 212 n. Chr.
Status einer Colonia
269-72 n. Chr.
Blütezeit des palmyrischen Reiches unter Königin Septimia
Zenobia
273 n. Chr.
Zerstörung der Stadt auf Befehl Aurelians
274 n. Chr.
vermutlich Hinrichtung Zenobias in Rom
297 n. Chr.
Errichtung eines Heerlagers
4. Jh. n. Chr.
Bischofssitz
um 1620 n. Chr. Entdeckung durch den Italiener Pietro de la Valle
1721 n. Chr.
Veröffentlichung erster Stiche der Ruinenstadt durch
einschließt, bilden ein Dreieck. Noch
heute sind die Ruinen der massiven
Steinmauern sehr gut erhalten und
äußerst beeindruckend.
Eine Zenobia gibt es übrigens heute
noch in Damaskus - eine der besten
Folkloregruppen Syriens.
Infos:
http://whc.unesco.org/pg.cfm?cid=31
&id_site=23
www.syriatourism.org/index.php?mod
ule=subjects&func=viewpage&pageid=
1582
Bücher:
Andreas Schmidt-Colinet: Palmyra.
Kulturbegegnung im Grenzbereich,
Zabern Verlag 2005, 99 S., 34,80 Euro
Max Babel: Zenobia. Die Königin des
Morgenlandes, Nora Verlag, 2005, 636
S., 29,90 Euro, historischer Roman
Fischer von Erlach, Baumeister des Barockkaisers Karl VI.
19
Glosse
Vergessen im Niemandsland
Was es heißt, von einem Taxi versetzt zu werden
Samia Susann Trabolsi
Nun sitze ich hier in der brütend heißen Sonne im Niemandsland. Zwischen Türkei und Syrien und trinke
Tee. Vor mir die Grenzbeamten, die
auf einem Hocker vor einem kleinen
Häuschen neben der Schranke sitzen
und in ihren Zeitungen blättern. Eben
habe ich im türkischen Kilis 30 türkische Lira für eine Fahrt nach Aleppo
in Syrien bezahlt und bin nur bis zur
türkischen Grenze gekommen. Erst
wollte man 30 Euro, doch als ich
angefangen habe, laut zu schimpfen,
haben die Männer aufgegeben und
mich fahren lassen. Zwei Minuten
später erreicht das Taxi die Grenze,
doch die Schranken bleiben geschlossen. Ein aufgebrachter Beamter rennt
auf das Taxi zu und zieht meinen Fahrer am Ärmel heraus. Ich schaue
ihnen ratlos hinterher, sehe die übrigen Grenzbeamten hinter der Schranke, die unbeirrt weiter Zeitung lesen.
Also schnappe ich mir meinen Pass,
den der Taxifahrer auf das Armaturenbrett gelegt hat und springe hinaus,
sehe, dass der Taxifahrer sichtlich ent-
spannt neben dem Beamten unter
einem Baum sitzt, beide lachen. Niemand kümmert sich um mich. Als ich
mich vor den beiden aufstelle und
sage, es sei noch zu früh für eine Pause, antwortet man mir: "Das Taxi darf
nicht fahren, es gibt ein Problem mit
dem Vergaser." Ich bin überrascht,
dass man sich hier Gedanken um die
Umwelt macht, während das Niemandsland einer Müllhalde gleicht.
Ich lasse die Männer Tee trinken, passiere die Schranke, zeige meinen Pass
und bejahe die Frage, ob ich nach
Syrien wolle. Natürlich, denn immerhin sei das ja die Grenze zu Syrien
und nicht Iran, denke ich. Ich stelle
meinen Koffer neben mich und setze
mich unter einen Sonnenschutz - eine
Plane - zehn Meter weit entfernt von
Schranke und Zeitung lesenden
Beamten. Trotz der Mittagssonne
haben sie die Uniformen zugeknöpft.
Das nächste Taxi sei meins, sagt mir
der Beamte und schaut das erste Mal
von seiner Zeitung auf. Bezahlen
müsse ich nicht, denn das habe ich ja
Taxifahren in Damaskus, Foto: Claus und Edeltraut Rautenstrauch
20
bereits. So sitze ich hier und trinke
Tee. Es sind 33 Grad und die syrische
Grenze ist 3 km entfernt aber kein
Taxi weit und breit, nur das hinter der
Schranke, dessen Fahrer in der Sonne
sitzt. Aber scheinbar gibt es da ein
Problem mit dem Vergaser. Ich gehe
also zurück, um die Schranke herum
und sage dem Taxifahrer, dass ich
mein Geld zurück haben möchte, um
zu Fuß bis zur syrischen Grenze zu
gehen. Der Mann entgegnet mir: "Das
ist nicht erlaubt, du musst auf ein Taxi
warten." Das Geld bekäme ich auch
nicht zurück, denn nicht der Taxifahrer
schulde mir die 30 Lira, sondern die
Busfirma in Kilis. "Wenn das so ist, soll
das Taxi mich doch zurück zur Busfirma bringen", sage ich. Aber der
Grenzbeamte erklärt mir weiter: "Das
ginge auch nicht, weil dieses Auto mit
diesem Vergaser nicht mehr fahren
darf. Und außerdem ist jetzt Feierabend." Ich verstehe, eine Hand
wäscht die andere und kapituliere.
Immerhin darf ich ja kostenlos in ein
anderes Taxi steigen. Ein kleines Bermudadreieck. Als ich zurück zur
Schranke komme und sie passieren
will, springt der Grenzbeamte, der
eben noch gelesen hat, auf und
schreit "Passport!" Dass er ihn gerade
eben vor zehn Minuten in der Hand
hielt, stört ihn nicht, auch nicht, dass
er auf der anderen Seite in meiner
Tasche steckt. "Ohne Pass können Sie
nicht passieren." Ich sehe auf der
anderen Seite mein Teeglas, das man
mir eben noch angeboten hat und
denke daran, dass neben meinem
Passport auch mein Geld in der
ihm nach zu tun und frage noch einmal: Warum darf denn das Taxi nicht
weiter fahren? Wie weit ist der Weg
zur syrischen Grenze ...? Der Türke
versteht die Retourkutsche und beantwortet ein zweites Mal geduldig alle
Fragen mit einem Grinsen unter dem
Schnauzer.
Ich setze mich zu den beiden Reisenden unter den Sonnenschutz, schiebe
mit meinem Fuß die herumliegenden
Flaschen beiseite, nippe an meinem
Teeglas und warte auf das Taxi, das
diese Grenze passieren darf.
Desert Road, Foto: Samis S. Trabolsi
Tasche steckt. Ich komme hier aus
dieser Situation nicht raus, kann mich
keinen Schritt bewegen, nicht nach
Kilis, meine 30 Lira zurück holen und
ohne Pass nicht die Schranke passieren. Plötzlich hält ein weiteres Taxi.
Der Beamte wird wieder wütend und
zieht den nächsten Taxifahrer aus dem
Taxi. Auch dieses Taxi hat ein Problem
mit dem Vergaser, behauptet er. Eine
Minute später trinkt der Mann gemütlich mit beiden Taxifahrern Tee und
ich begrüße meine Leidensgenossen,
zwei Syrer, die auch nach Aleppo wollen und immer noch im Taxi sitzen.
Ich bitte den einen, mir unbemerkt
meinen Pass jenseits der Schranke aus
meiner Tasche zu holen. Er passiert
die Grenze und nähert sich meiner
Tasche. "Was suchen Sie?" Doch der
Junge ist schneller und wirft mir meinen Pass rüber. Ich nehme ihn an
mich und zeige ihn erneut dem
Grenzbeamten, der eine Augenbraue
hochzieht und unbeirrt meinen Pass
begutachtet. Er stellt noch einmal die
gleichen Fragen, ob ich auf dem Weg
nach Syrien sei. Ich bejahe und
bekomme einen Lachkrampf. Er verzieht keine Miene. Ich beschließe, es
Samia Susann Trabolsi
geboren in Syrien, aufgewachsen in
Sachsen,
studierte
Publizistik
und
Islamwissenschaft, arbeitete für die
Tageszeitung und Radio MultiKulti in
Berlin, bei verschiedenen Theaterprojekten, mehrfache Aufenthalte in Syrien
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21
Kunst
Mohamad Ghanoum
"Allah ist schön und liebt die Schönheit"
Nadja Al-Madani, Nadja Al-Assaf
Wir laufen durch staubige Gassen,
vorbei an alten Lehmhäusern, werden
hier und da von lachenden Gesichtern
begrüßt und sind fasziniert von dem
Blick, den wir auf die Stadt Damaskus
erhaschen. Endlich angekommen,
sind wir ein Stück irritiert: Wir stehen
vor einer großen, blauen, imposanten
Tür, die sich so gar nicht in das Bild
von Jobar, einem der ältesten Damaszener Wohnviertel, einfügen will.
"SHAM" ist das Wort auf der Tür, das
meisten Araber jedoch ist die Bedeutung viel mächtiger. Es bedeutet "das
Herz Arabiens" und erstreckt sich vom
Süden Arabiens bis zur heutigen türkischen Grenze. Der Prophet Mohammed soll nur bis zu den Pforten von
Damaskus gelangt sein. Begehen
wollte er die Stadt nie, da er das Paradies nur einmal betreten wollte.
Für den inzwischen international
renommierten Damaszener Kalligraphen Mohammed Ghanoum, in des-
seiner zweitältesten Tochter den
Namen "SHAM".
Endlich öffnet sich die blaue Tür zu
Mohammed Ghanoums Elternhaus,
das ganz im alt-orientalischen Stil der
späten 40er Jahre gehalten ist und das
heute sein Atelier und das Sommerdomizil für die ganze Familie ist.
Wir treten ein und es bietet sich uns
eine märchenhaft unwirkliche Welt
einer längst vergangenen Zeit, begleitet von der Musik plätschernden Was-
die Besucher in schwungvoller Kalligraphie, begrüßt. "SHAM" hat viele
Bedeutungen: Der dritte OmayyadenKalif nannte die neue Hauptstadt des
islamischen Reiches bereits im 8. Jahrhundert "SHAM" (Damaskus). Für die
sen Heim wir heute eingeladen sind,
ist "SHAM" auch einfach seine Heimat
"Syrien", wo der Ursprung der Kulturgeschichte liegt. "SHAM" ist aber auch
sein Nest, wo seine Familie ihm Wärme und Geborgenheit gibt - so gab er
sers, das aus dem marmorgefassten
Brunnen fließt, der das Zentrum der
grünen Oase im Innenhof bildet. Es
eröffnet sich uns ein Blumenmeer,
eingebettet zwischen Granatapfelund Feigenbäumen.
Mohamad Ghanoum: Houb - Die Liebe
23
Die Liebe zur Natur hat Mohammed
Ghanoum eine Oase der Ruhe und
Inspiration schaffen lassen. Wir sind
beeindruckt. Der Künstler spürt unsere Bewunderung und erzählt: "Eine
Mutter schenkt ihrem Kind das Leben
und es ist die Mutter Erde, die es wieder zu sich nimmt." Diese Worte lassen uns verstehen, wie stark er seine
künstlerische Inspiration aus der Natur
mit all ihren Facetten zieht, aus den
Farben der Erde, der Bäume, der Blumen, des Meeres und des Himmels.
"Doch auch meine Familie gibt mir
viel Kraft, aus der ich täglich schöpfen
kann."
Aus dem Gespräch mit Mohammed
Ghanoum hören wir nicht nur sondern spüren auch, dass er keine künstlerische Diva sondern ein sehr erdverbundener, bodenständiger Mensch ist,
der gleichzeitig mit einer großen Sensibilität das Geschehen um sich
Mohamad Ghanoum: Allah II
24
herum wahrnimmt. Die Liebe zu seiner Heimat und zu seiner Familie
spiegelt sich in seinen Bildern wieder.
Aber auch seine Verehrung und Liebe
zur Religion. "ALLAH" mit seiner
unendlichen und unvergleichbaren
Schönheit sind Kernthemen seiner
Werke. In Kufi-Schrift dominiert das
Werk "ALLAH JAMILUN WA JUHIBU
AL-JAMAL" (Gott ist schön und liebt
die Schönheit).
Als wir gemeinsam das Atelier betreten, empfinden wir seine Bilder als
sehr kräftig und lebendig. Es dominieren die Farben blau und gold, die seinen Werken eine mystische Tiefe verleihen.
Kalligraphien haben wir schon viele
gesehen - über Moschee-Eingängen
und als Fries in den unzähligen Koranschulen, die bereits in den frühen
Jahrhunderten des islamischen Zeitalters in Syrien entstanden sind. Doch
nicht ohne Grund zählt Mohamad
Ghanoum, der das Kunstwerk der Kalligraphie an verschiedenen Hochschulen studierte und es seit den frühen
siebziger Jahren in eine neue und
eigenwillige Form gebracht hat, zu
den ganz Großen seiner Zunft. Nach
zahlreichen Diskussionen und Disputen unter religiösen Glaubensvertretern in den siebziger Jahren entschied
der damalige Mufti von Syrien, das
Ghanoums Schrift-Kunst eine Bereicherung für die gesamte islamische
Kalligraphie ist - wer hat es bis dahin
verstanden, den Namen Gottes mit
soviel Farbe, Bewegung und Leuchten
auszudrücken?
Der Herzschlag, der ihn treibt, führt
ihn auch zu Themen aus dem aktuellen Zeitgeschehen. Sie spiegeln sich in
seinen Arbeiten in Form von Poesie,
Namen und Metaphern wieder, die
nicht nur seine Sehnsüchte und seinen
Mohamad Ghanoum: Allah
Glauben sondern auch die anderer
arabischer Nationen ausdrücken. Die
starre Form der Kalligraphie erhält bei
Ghanoum
eine
unvergleichbare
Dynamik. Er versteht es, aus kurzen
und bedeutungsvollen Wörtern einzelne Buchstaben herauszuziehen,
die sich überlappen und wiederholen
und sich am Ende zu festen Formen
und Bildern verbinden. Arabesken
entstehen, die sich durch ihre Strömungen und Farben innerhalb der
Werke stark verändern und sich in
eine unerreichbare Unendlichkeit
bewegen. Die arabische Schrift mit
ihren verschiedenen Dukti (Schriftzügen) wird zu einem Bild und der einzelne Buchstabe wird zum Leben
erweckt.
So stellt er das Wort "HUBB" (Liebe)
immer wieder in den Mittelpunkt seiner Werke - welche starke Bedeutung
dieses, aber auch andere Wörter wie
"AL-WATAN" (die Heimat), "BARADA"
(Name des Lebensstroms
der Stadt Damaskus) oder
"QUDS" (Jerusalem) für Ghanoum, den Damaszener und
Syrer, den Familienvater, Ehemann und Freund hat, können
wir inzwischen verstehen.
Heute begleitet Ghanoum
einen Lehrstuhl an der Universität in Damaskus und ist somit
auch ständig mit jungen Studenten in Kontakt, die ihn sehr
verehren und ihm im gleichen
Maße eine ständige Inspiration
übermitteln.
Zahlreiche Ausstellungen im
arabischen und europäischen
Ausland, haben Ghanoum
Mohamad Ghanoum, Al Quds - Jerusalem
bekannt gemacht. Seine Werke
befinden sich in Galerien, Museen
phie in Teheran, die wichtigste Ausund Privatsammlungen im In- und
zeichnung in diesem Bereich.
Ausland. Preise und Auszeichnungen
hat er schon viele bekommen wie z.
B. den 1. Preis für islamische Kalligra-
Mohamad Ghanoum - Syrien
von Dynamik und Musik, aber auch von Harmonie beherrscht
wird. Mohamad Ghanoums Arbeiten befinden sich in verschie-
Mohamad Ghanoum gehört zur jungen syrischen Künstler-
denen Museen und in Privatsammlungen im In- und Ausland.
generation der siebziger Jahre, die es vermochte durch unter-
Der Künstler lebt und arbeitet in Damaskus.
schiedliche Ausdrucksmöglichkeiten und vielseitige Experimente im Sinne einer künstlerisch-ästhetischen Vervollkommnung
Bibliographische Daten:
neue Kunstwerke hervorzubringen. Heute zählt er zu den
1949 in Damaskus geboren
besten Kalligraphen der Welt.
Studium an der Fakultät für Bildende Künste und Innenarchitektur, Universität Damaskus
Ghanoum begann die Regeln der klassischen arabischen
1992 Promotion an der Hochschule für Kunstwissenschaften,
Schriftlehre zu modifizieren und in die heutige Zeit umzuset-
Taschkent
zen, so dass er seinen eigenen und für ihn typischen Stil ent-
Lehrstuhl an der Fakultät für Architektur, Universität Damaskus
wickelte. Nicht mehr die klassische und starre Form der Schrift
Zahlreiche Auszeichnungen, darunter der „Golden Sail Price“,
stand im Mittelpunkt des Werkes, sondern das Wort, das seine
Kuweit. In Rom zu einem der fünf besten Kalligraphen der Welt
Bedeutung durch das Thema, die unterschiedlichen Farben
und in Teheran zum besten islamischen Kalligraphen ausge-
und Formen, aber auch durch die Bewegung und Harmonie
zeichnet.
erhielt. Der Künstler löst einzelne Buchstaben aus dem Wort
heraus und stellt diese in verschiedenen Größen dar. Die
Weitere Informationen zu Mohamad Ghanoum und zu aktuel-
Schriftzeichen überlappen sich und bilden eine Arabeske, die
len Ausstellungen unter www.arabeske.de.
25
Musik in Syrien
Gesang der Unerhörten
Gabriela M. Keller
Das junge, hippe Damaskus sieht Musik als fröhlichen Partyspaß, Fundamentalisten hören dabei
den Lockruf der Verderbnis, die diktatorische Staatsmacht befürchtet subversive Umtriebe. Und eine
kleine Handvoll junger Musiker erkennt eine magische Sprache, die das Herz
berühren und Gedanken
zünden kann. Genau hier
beginnen die Schwierigkeiten.
Der Rhythmus strömt gemächlich von
Strophe zu Strophe. Um die gleichförmigen Takte fließt eine Frauenstimme;
ihr Klang ist glänzend rein und doch
von Schatten getönt wie altes Silber.
"Hörst du diesen monotonen, minimalistischen Rhythmus?", fragt Rasha,
die Jazz-Sängerin, nickt mit dem Kopf
im Takt und lächelt, selig fast, wie
kurz in einen Traum getaucht. Sie
dreht ihre Stereoanlage ein wenig lauter. "Das ist der Einfluss der SufiMusik, den ich in diesem Lied verarbeite", der Tradition also jener islamischen Mystiker, die Gottes Nähe in
der Musik suchen.
Musik, so scheint es, ist in Damaskus
der Taktgeber des Lebensrhythmus,
ein Herzschlag, der Klang durch die
Adern der Stadt pumpt und jede ihrer
Zellen pulsieren lässt. Die Zeit ist eher
26
in Strophen als in Stunden eingeteilt,
denn deutlicher als jede Uhr strukturiert der Gesang der Muezzine den
Tag, die Gebetsrufe, die aus Hunderten von Minaretten über die Dächer
wehen und dort in einen vielstimmigen Kanon treten. Als Leitmotiv des
Alltags quillt arabische Popmusik aus
den Radios der Taxis und Geschäfte
und vermengt sich mit dem Lärm des
schäumenden Verkehrs zu einem filzigen Geräuschteppich. Sogar die
Autos singen; wenn der Fahrer den
Rückwärtsgang einlegt, piepsen sie
zur Untermalung eine schrille Melodie durch die Straßen.
Doch Musik ist in Syrien auch etwas
Bedrohliches, ein Lockruf, der unwillkürlich weg vom festen Boden moralischer Gewissheit führt. Als Rasha
Rizk, die Jazz-Sängerin mit der silbernen Stimme, das erste Mal auf einer
Bühne stand, trug sie eine schwarze
Maske. "Hier bedeutet Singen für eine
Frau Schande", sagt die 30-jährige,
nüchtern und betonungslos, als würde sie einen Satz von irgendeinem
langweiligen Thesenpapier ablesen.
Rasha war damals gerade 18 Jahre alt.
Hinter der Maske habe sie versucht,
sich zu verstecken, vor der Familie,
vor ihrem Publikum, vor sich selbst.
Gleich nach diesem Auftritt lernte sie
den Musiker Ibrahim Sulaimany kennen. Heute sind die zierliche Sängerin
mit dem ruhelosen Temperament und
der ernste, stille 34-jährige seit über
zehn Jahren verheiratet. Das Paar
komponiert gemeinsam und tritt
zusammen auf. "Doch bis heute habe
ich mit meiner Mutter heftigen Streit
wegen meines Berufs", sagt Rasha
und Ibrahim setzt nach: "Auch unsere
Nachbarn wissen zum Beispiel nicht,
dass wir Musiker sind." Er schweigt
kurz und sagt dann, einen Moment
später: "Das ginge einfach nicht."
Denn abgesehen von den Sufis, den
tanzenden Derwischen, ist sich die
muslimische Welt unschlüssig, ob ihre
Religion das Hören von Musik
erlaubt. Noch suchen islamische Religionsgelehrte im Koran nach Stellen,
die ihnen Klarheit geben könnten.
Und weil das Problem bis heute
ungelöst ist, hat jede Region eine
andere Antwort für sich gefunden. In
Saudi-Arabien etwa führen die
Scheichs Gruppen von Jugendlichen
regelmäßig in den Park, um dort
Instrumente zu verbrennen. Solche
Scheiterhaufen errichten die Geistlichen im säkular regierten Syrien
zwar nicht, doch die Unsicherheit
nagt den Menschen an der Seele.
Musik gilt damit zumindest als etwas
Zweifelhaftes, Anstößiges. Wer daraus
eine Karriere macht, steht im moralischen Zwielicht. "Musik ist etwas, von
dem man nie genau weiß, was sie im
Zuhörer auslöst", sagt Rasha. "Wahrscheinlich haben die Leute deshalb
Angst davor."
Früher, bevor sich Syrien der Religion
zuwandte, war das anders. "Bis in die
70er Jahre blühte hier die Blues-,
Jazz- und Rockmusikszene. Es gab
überall Clubs und Musiker kamen aus
allen möglichen Ländern, um dort zu
spielen", erzählt Rasha. Zu jener Zeit
galt Syrien als ausgesprochen liberal,
junge Frauen spazierten in Miniröcken
und engen Kleidern durch die Straßen. Heute verlassen in den konser-
vativeren Städten rund 85 Prozent der
muslimischen Frauen nur verhüllt das
Haus - Tendenz steigend. Aber
Damaskus ist eine Stadt mit vielen
Gesichtern; während sich das eine
hinter Schleiern abschottet, lächelt
das andere mit rot geschminkten Lippen der Welt entgegen. An den staubigen, windschiefen Fassaden der Altstadt machen bunte, glänzende Schilder mit futuristischen Schriftzügen auf
Internet-Cafés
aufmerksam,
im
modernen Zentrum verkaufen Konsumtempel aus Glas und Stahl digitale
Taschenkorane. Irgendwo zwischen
den Gegensätzen liegt die Wahrheit,
zwischen Koranschulen und CoffeeLounges, zwischen dem Büro der
Hamas und den Praxen der Schön-
Internet und digitalem Fernsehen
sickert Musik als globales Industrieprodukt selbst durch die dicke Isolierschicht, die das Land sonst so effizient
gegen äußere Einflüsse abschirmt.
So tanzen die jungen Syrer zum globalisierten Soundtrack leicht verkäuflicher Unterhaltung, gefälligem amerikanischen Hip-Hop und R'n'B und
arabischem Pop, der mit seiner antiseptischen Fröhlichkeit an Werbejingles für Frühstücksflocken erinnert.
Den Ton geben amerikanische Weltmarktführer an: Britney Spears, Beoncé und Usher. Entsprechend sehen
die Schaufenster der Musikläden aus,
als hätten sich die Inhaber heimlich
abgesprochen; Dutzende von Musiksendern spielen wie in Endlosschleife
fen, werde Musik als reine Unterhaltung betrachtet, erklärt Rasha die Situation: "Niemand in Syrien beschäftigt
sich ernsthaft mit Musik. Musik als
eine Art Nachdenklichkeit existiert
hier so gut wie nicht." Ihrer eigenen
Musik lässt die wuchernde Monotonie wenig Raum. "Wir verarbeiten
unterschiedliche Einflüsse", erklärt
Ibrahim. "Zuerst ist da die arabische
Sprache und eine Grundlage aus
orientalischen Rhythmen. Darüber
legen wir Elemente aus Swing und
Jazz."
Heute, nach zehn Jahren fiebriger
Arbeit, bringt ab und an ein Damaszener Hochglanzmagazin eine Titelgeschichte über das fotogene Paar;
manchmal treten die beiden im Fern-
heitschirurgen, zwischen dem kühlen
Schatten in den Gebetsräumen und
dem diesigen Neonlicht der Stripclubs.
Die syrische Bevölkerung ist zu 70
Prozent jünger als 35 Jahre. Jugend
wächst als gigantische Masse in Städten und Dörfern heran und ein großer
Teil von ihr verlangt trotz aller Vorbehalte hungrig, gierig nach Musik, will
feiern, Spaß haben und tanzen. Dabei
hat sie längst eine gewaltige Nachfrage losgetreten; durch die Fenster von
ihr sacharinsüßes Einheitsprogramm
ab. In den vergangenen Jahren hat in
Damaskus eine Handvoll Diskotheken
eröffnet, schicke Spaßräume mit
blankgewienerten Oberflächen - für
die wenigen Glücklichen, die sich
trotz des Durchschnittsverdiensts von
100 Euro im Monat den Eintrittspreis
von fünf bis zehn Euro leisten können. Auch hier unterscheidet sich die
Musikauswahl höchstens in der Reihenfolge der Lieder.
Um die moralische Gefahr zu dämp-
sehen auf. Dennoch bleiben Rasha
und Ibrahim in der syrischen Bevölkerung weitgehend unbekannt, ihre
Musik erreicht nur einen kleinen,
geschlossenen Kreis von Zuhörern.
Die meisten Syrer, schätzt Rasha, hätten wahrscheinlich noch nie in ihrem
Leben Jazz gehört.
Die Szene für Jazz, Blues, Funk und
Rock ist in Syrien so klein, dass sich
alle Musiker untereinander kennen.
Keiner von ihnen kann mit Konzerten
oder CDs seine Kosten decken, keiner
von ihnen hat einen Plattenvertrag.
Rasha und Ibrahim verdienen ihren
Lebensunterhalt mit Liedern für syrische Kindersendungen, andere komponieren Werbejingles oder produzieren Musik für Fernsehserien. Und
weil sich jeder irgendwie behelfen
muss, unterstützen sich die Künstler
gegenseitig, um überhaupt arbeiten
zu können. Bands leihen sich untereinander Instrumente, Equipment
oder Musiker aus - es gibt einen
Schlagzeuger, den alle "den Joker"
nennen, weil er in so ziemlich jeder
Damaszener Band die Drums schlägt.
Diese Netzwerke sind nötig, damit
die Kreativität nicht irgendwo zwi-
Satellitenhimmel über Damaskus, Foto: M. Ayman Haykal
27
schen allen Hindernissen an Erschöpfung verendet. Denn zur inoffiziellen
Geschmacks-Gleichschaltung kommt
das offizielle Auge des Überwachungsstaates. Wer zum Beispiel ein
Konzert geben will, braucht die
Genehmigungen von Kulturministerium und Geheimdienst. "Es ist wahnsinnig schwer, eine Erlaubnis zu
bekommen", meint Rasha. So schafft
es das Paar in Syrien höchstens zwei,
drei Mal im Jahr auf die Bühne.
Eigentlich nur, wenn das Goethe-Institut oder das Centre Culturel Français
ein Festival oder einen Workshop
organisieren. Denn dann kümmern
sich deren Mitarbeiter auch um die
Formalitäten. So kommt es, dass sich
ein wesentlicher Teil des kulturellen
rascht, als wir ihm erzählt haben: Sie
ist längst da."
Gebrannte CDs und aufgenommene
Kassetten werden für ein paar Pfennige auf der Straße angeboten, selbst
die Plattenläden verkaufen fast ausschließlich Kopien. "Die Regierung
schaut weg, weil sie weiß, dass niemand hier den regulären Preis bezahlen könnte", sagt Rasha. "Sonst könnte
sich niemand eine CD leisten - und
die Leute würden womöglich wegen
ihres niedrigen Lebensstandards protestieren." Besser also, die Bevölkerung lenkt sich mit Musik vom Alltag
ab, als dass sie anfängt, über Politik
nachzudenken.
Dieses Wohlwollen hört jedoch genau
da auf, wo Musik selbst Gedanken
lettos. Subkulturen existieren nicht,
was das Wort Punk bedeutet, weiß
niemand. Die syrische Jugend will
besser nicht auffallen oder anecken,
denn Provokation bedeutet in dem
diktatorisch regierten Land nicht coole Rebellen-Pose, sondern ernsthafte
Gefahr.
Bei Heavy Metal zum Beispiel geht
die Paranoia des Sicherheitsapparates
so weit, die Musikrichtung zu verfolgen wie einen kriminellen Tatbestand.
Im Jahr 2002 stürmten Polizisten den
Campus der Universität von Damaskus und nahmen eine Handvoll langhaarige Studenten in schwarzer
Lederkleidung fest. Ebenso sprengt
die Polizei regelmäßig private HeavyMetal-Partys (an öffentliche ist ohne-
Lebens in Damaskus auf den Veranstaltungskalendern der europäischen
Kulturinstitute findet.
Gerade sind Rasha und Ibrahim
dabei, ihre erste CD aufzunehmen auf eigene Kosten. "Das Hauptproblem hier ist, dass es kein Copyright
gibt. Also wissen wir von vornherein,
dass wir das Geld nicht wieder reinbekommen", sagt Rasha und erzählt
von einem Musikerkollegen aus
Dubai, der sie einmal gebeten hatte,
seine CD den Damaszener Musikläden anzubieten. "Er war höchst über-
zünden oder zu einem Tanz aus der
Reihe verleiten könnte. Denn in
Syrien, dem rundum überwachten
Polizeistaat, gilt jegliche Abweichung
von der Norm als verdächtig. Die junge Generation gleitet daher schick,
sauber und ordentlich gekleidet in
den Strom der Masse. Keine grell
gefärbten Frisuren, keine Nietengürtel, nicht einmal zerrissene Jeans. Die
Jungs gelen sich die Haare eng an den
Kopf, die unverschleierten Mädchen
bleichen sich Strähnchen in die Mähnen und laufen auf strassbesetzten Sti-
hin nicht zu denken), bringt die
Feiernden aufs Revier und lässt sie ein
paar Stunden später wieder frei. Der
Argwohn gegen Menschen, die sich
sichtbar gegen jene unerbittliche,
autoritäre Macht stellen, die sich Normalität nennt, zieht sich bis in die
Heavy-Metal-Szene selbst. "Ich hatte
nie den Wunsch, mich tätowieren
oder piercen zu lassen", sagt Anas alMoumin, der Gitarrist der HeavyMetal-Band Zodiac in Damaskus.
"Weil ich nicht denke, dass so ein
Outfit heißt, dass diese Leute Heavy
Metal mögen, sondern einfach, dass
sie Probleme haben." Das schwarze
Haar des 26-Jährigen ist streichholzkurz geschnitten, er trägt verwaschene Jeans und einen figurbetonten
grauen Pullover - nicht gerade das,
was man unter einem typischen
Rocker versteht. "Ich will nicht so
angesehen werden, wie ich selbst solche Leute ansehe", erklärt er. "Und
ich denke, dass diese Typen Drogen
nehmen und ihr Leben nicht im Griff
haben."
Der Öffentlichkeit malte die Ramadan-Fernsehserie Hajez al Samat
("Die stille Grenze") in grellen Farben
Abendveranstaltung, Foto: André Elbing
28
nachts in Damaskus, der “Seven-Seas-Fountain”,
Foto: M. Ayman Haykam
aus, welche gravierenden Schäden
der Konsum von Heavy Metal hinterlässt: Eine der Figuren schließt sich der
Heavy-Metal-Szene an, beginnt daraufhin Alkohol zu trinken und nimmt
sich nach einem langen, tragischen
Abstieg das Leben. Die Botschaft der
Serie war unmissverständlich: Rock
führt unweigerlich zum Verfall jeglicher Sitten und schließlich zum Tod.
Heavy Metal ist geächtet, doch das
liegt laut Anas nicht etwa an der
erdrückenden
Unwissenheit
der
Gesellschaft und der Willkür des Staates. "Das Problem sind die Fans",
meint Anas al-Moumin, presst den
Mund zu einem krummen Strich
zusammen und beginnt danach hingebungsvoll auf seinem Handy herumzutippen. Denn eigentlich will er
lieber gar nicht vom letzten Konzert
seiner Band Zodiac erzählen. Um seine These glaubhaft zu machen, tut er
es dann aber doch: "Schon nach den
ersten paar Akkorden sind die Leute
ausgerastet. Sie fingen mit Headbanging an, gingen dann dazu über, sich
die Köpfe einzuschlagen und haben
danach die Toiletten zertrümmert."
Das Publikum geriet völlig außer Kontrolle, das Konzert wurde nach einem
halben Song abgebrochen. Sofort
stand der Skandal breitbeinig im
Raum: "Am nächsten Tag haben alle
Zeitungen darüber geschrieben",
erinnert sich der Musiker. "Die haben
es nicht einmal hinbekommen, unseren Bandnamen richtig zu schreiben, aber beschimpften
uns als Satanisten." Seither ist kein Heavy-MetalKonzert mehr in Damaskus vorstellbar. "Wir
wären schon froh, wenn
wir einmal im Jahr eine
Erlaubnis bekämen", sagt
Anas. Aber dazu ist im
Moment und bis auf
Weiteres keine Möglichkeit in Sicht.
Obaida zündet sich eine neue Zigarette an, eine starke, syrische Sorte,
und saugt drei, vier kräftige Züge
nacheinander. "Die Leute hier sagen,
Heavy Metal hört sich an, als ob ein
Esel schreit. Aber sie verstehen das
nicht: So hört sich das nun mal an,
wenn man verzweifelt ist." Und genau
so will sich der Gitarrist mitteilen,
direkt, laut und schonungslos. Es ist
verboten, über Sex, Drogen oder Politik zu sprechen. Wer sich auch nur in
die Nähe eines dieser Tabuthemen
vorwagt, hat seine Chance auf eine
legale Veröffentlichung vertan. Kaum
holt ein Künstler zu einer Äußerung
Atem, schon drückt ihm der Zensor
die Luft ab. Die Masse schweigt derweil von alleine: Der syrische Sicherheitsapparat, jener geschickte Anästhesist des Geistes, betäubt die meisten Gedanken schon zwischen den
Hirnwindungen.
Doch Basel Obaid, Frontmann der
Hip-Hop-Band Area 51, hat eine Lükke in dem klaustrophobischen Kontrollsystem gefunden, einen Schleichweg, der fast lächerlich offensichtlich
scheint: Er rappt auf Englisch. "Wären
meine Lieder auf Arabisch, würde ich
ungefähr eine Stunde später im Knast
sitzen", meint der schlaksige 23-Jährige mit dem offenen, freundlichen
Gesicht. "Außerdem eignet sich Englisch auch viel besser für Rap, wegen
der vielen kurzen Wörter und der vielen Reime."
"Natürlich kommt zu jedem meiner
Auftritte der Geheimdienst", sagt er.
"Aber von denen versteht ja keiner
Englisch, da kann ich sagen, was ich
will." Nun ist es nicht so, als würde
Basel den Präsidenten verunglimpfen,
nach freien Wahlen verlangen oder
den Sturz des Regimes herbeirappen
wollen. "Ich rede über das Leben hier,
ich rede über Respekt, ich rede über
die Menschen, ich rede über Damaskus." Basel hat sich eigentlich ein gut
funktionierendes Sprachrohr gesucht:
Rap kommt in Syrien an und ist fester
Teil der Einheits-Playlist der Diskotheken. Zwar spielen die Clubs nur die
bekanntesten Songs amerikanischer
Künstler wie Snoop Doggy Dog oder
50 Cent, aber wer die Musik von Area
51 hört, könnte fast meinen, eine
Scheibe aus den USA läge auf dem
Plattenteller. "Vom Rhythmus her glaube ich nicht, dass meine Musik etwas
typisch Orientalisches hat", meint
Basel. "Wichtig sind die Texte. Wer 50
Cent hört, weiß vielleicht, wie es in
Kalifornien ist. Wer wissen will, wie es
in unserem Land ist, muss meine
Musik hören." Diese Sehnsucht, seine
Gedanken hörbar zu machen, ist der
Grund, warum er überhaupt Musik
macht, betont Basel nach etwa jedem
dritten Satz mit flackernden Augen,
ein fast manischer Antrieb, der den
23-Jährigen nicht ruhen, aber auch
nicht vorwärts kommen lässt.
Denn wenn die fremde Sprache ihm
auch einen Weg vorbei an den
Schranken der Diktatur eröffnet, so
verschließt sie gleichzeitig den Weg
ins Bewusstsein des Publikums. "Bei
meinen Auftritten sehe ich die Leute
tanzen. Super Beat, sagen sie hinterher. Aber sie verstehen nicht, wovon
ich rede."
29
Bekannte MusikerInnen Syriens
Sabah Fakhri
Sabah Fakhri, geboren 1933, stammt
aus Aleppo. Er belebte die bereits im
Aussterben begriffenen Kunstformen
der Muwashahat und Qudood (klassischer Gesang) neu. Er wird für seine
kräftige und schöne Stimme gerühmt,
seine tadellose Maqamdarstellung
und sein Harmonieempfinden. Fakhri
wird als charismatische Persönlichkeit
beschrieben. Für viele Musikliebhaber auf der ganzen Welt repräsentiert
er den Inbegriff und das Wesen des
Tarab. Er studierte an der Akademie
für arabische Musik in Aleppo, danach an der Akademie von Damaskus, wo er 1948 seinen Abschluss
machte. Dann lernte er in Kairo unter
den Meistern der Musik der Zeit. Erst
danach begann er, in Syrien Konzerte
zu geben. Er wurde schnell in der
ganzen arabischen Welt berühmt.
Schließlich trat er auch in Europa und
Amerika auf. Er wurde ins Guinness
Buch der Rekorde eingetragen, weil
er in Caracas (Venezuela) 10 Stunden
ohne Pause sang. Eine zeitlang war er
Parlamentsmitglied und als Vertreter
für die syrischen Künstler tätig. Er war
ein Kritiker der modernen Musik,
selbst der Klassik mit moderner Instrumentierung.
George Wassouf
George Wassouf, geb. 1961 in Homs,
Syrien, fing bereits mit 12 Jahren an,
auf verschiedenen Veranstaltungen
zu singen. George Khouri war derjenige, der Wassouf auf einer Hochzeit entdeckte und später sein erster
Manager und Produzent wurde. Er
zog in den Libanon, wo er schnell
bekannt wurde. Mit 16 erhielt er
bereits den Ehrentitel “Sultan al
Tarab” für seine Interpretation des
Liedes “El-Helwa Sultan” (Die Liebe
ist ein Sultan). Wassouf hat bisher
mehr als 30 Platten veröffentlicht
und weltweit viele Konzerte gegeben. Er ist nicht nur in der arabischen
Welt bekannt sondern darüber hinaus in Europa und den USA.
Asmahan
Infos:
www.visit-syria.com/songs.htm
www.salmiya.net (arab.)
www.damascus-online.com/Music/
http://www.syrialive.net/music/syrian_singers.htm
Sabah Fakhri:
www.classicalarabicmusic.com/sabah
_fakhri_classics1.htm
www.asmahan.com
30
Asmahan, 1917 geboren, - ihr bürgerlicher Name war Amal el Atrash stammte aus einer adligen, syrischen
Familie. Nach dem Tod des Vaters,
1923, ging die Mutter mit ihren drei
Kindern (Asmahan und zwei Brüder)
ins Exil nach Kairo. Die Familie Atrash
spielte eine nicht unbedeutende Rolle in der Widerstandsbewegung
gegen Frankreich in den 1920er Jah-
ren. Asmahan war Syriens bekannteste Sängerin und Schauspielerin, die
eine zeitlang in Ägypten lebte und
dort die meisten ihrer Lieder veröffentlichte. Sie arbeitete in Kairo mit
den berühmten Komponisten Riyad
el Sombati und Mohamed el Qasabgi
zusammen, mit denen später auch
Um Kulthoum arbeitete. Um ihren
frühen Tod ranken sich diverse
Gerüchte, sie sei als Agentin für die
Engländer und Franzosen tätig gewesen. Asmahan starb 1944 mit nur 27
Jahren bei einem mysteriösen Autounfall. Sie ist die Schwester des berühmten Sängers Farid el Atrash.
Damaskus, 4. Okt., 2006
Nach einer Meldung der SANA
(Syrian Arab New Agency) soll
das Haus der berühmten syrischen Sängerin Asmahan in der
Stadt Sweida im Süden Syriens in
ein Kunstmuseum umgewandelt
werden. Auf zwei Stockwerken
soll ihr Leben nach ihrer Eheschließung mit ihrem Cousin
Prinz Hassan el Atrash gezeigt
werden.
Es wird dort Fotos und einige
ihrer persönlichen Dinge geben
sowie ein Musikarchiv, das u. a.
aus dem Nachlass ihres Bruders
Farid al Atrash stammt.
Salam aleikum, Hakim!
Deutschlandpremiere des ägyptischen Popstars
Hakim beim "VölkerBall" in Berlin
Svetlana Georgieva
Mit lauten Rufen begrüßten Hunderte
von Fans am 26. August, pünktlich um
20:45 Uhr den mit Vorfreude erwarteten Superstar aus Maghagha, einer
kleinen Ortschaft in Ägypten. Das
Konzert fand im Rahmen des "VölkerBalls" statt - der jährlichen Galaveranstaltung von Radio MultiKulti. Aufgrund der Umbauten im Haus der
Kulturen der Welt öffnete in diesem
Jahr die Kulturbrauerei im Prenzlauer
Berg ihre Produktionshallen für ein
hochprozentiges, berauschendes Gebräu aus Klängen und Rhythmen aus
der ganzen Welt.
Seit bereits 20 Jahren gehört Hakim
zu den begehrtesten Sängern Ägyptens und mittlerweile des arabischsprachigen Raumes. Schon als Kind
träumte der Sohn eines Bürgermeisters davon, Sänger zu werden. Erste
Auftrittserfahrungen sammelte der
damalige Student der Kommunikationswissenschaften als Hochzeitssänger in Kairo. Von der Gage konnte er
sich gerade mal die Taxifahrt nach
Hause leisten. Sein Traum ist inzwischen - nach mehr als 8 Millionen verkauften Platten - wahr geworden.
Den Liebhabern der "Arabia"-Sampler,
die seit 2002 in Deutschland den CDMarkt eroberten, dürfte sein Name
auch schon ein Begriff sein. Seine
Musik spricht ältere Generationen
genau so an wie Teenies. Hakims
Markenzeichen sind die mitreißenden
Shaabi-Rhythmen, wie der Fellachi,
Saidi, Baladi, Maksum u. a. Sie kommen aus der ägyptischen Folklore und
verfügen über eher einfache Strukturen, die zum Mitsingen, -klatschen, -
tanzen anregen. Mit modernen Beats
und Sounds verwoben, nähert sich
Hakims Musikstil auch dem westlichen (Massen-)Geschmack an. In
Frankreich ist er bereits recht populär
und wird respektvoll "König des Shaabi" genannt. Diesen Titel hört er lieber, als den protzigen Beinamen
"Löwe aus Ägypten" - wie der Sänger
im Interview im Radio MultiKulti mitteilte. Duette mit Khaled - dem "König
des Rai", James Brown - dem "König
des Soul" und Stevie Wonder, der keiner Attribute bedarf, gehören zu den
Glanzpunkten der Karriere des 44Jährigen.
Der ehrenvolle Besuch Hakims in
Deutschland kam, laut Radio MultiKulti, nur durch ein großzügiges Entgegenkommen des Sängers zustande.
Denn das Budget, das Superstars dieser Rangordnung normalerweise veranschlagen, hätte die finanziellen
Möglichkeiten des RBB für diese Veranstaltung schnell überschritten. Eine
glückliche Fügung also!
Mit einem warmen Lächeln, in Jeans
und glänzend-rotem, tief aufgeknöpftem Hemd sprang "der Löwe" geschmeidig auf die Bühne. Seine helle
Stimme erfüllte prompt den gesamten
Innenhof der Kulturbrauerei. Begleitet
wurde er von einer 17-köpfigen, gutgelaunten Band aus Kairo. Die Rhythmen des Shaabi versetzten die Massen in Bewegung. Hakim kokettierte
mit seinem Publikum, trieb es oft zum
Mitsingen und Klatschen an, posierte
für die rausgestreckten Foto-Handys,
zwinkerte Mädchen in den ersten Reihen zu, schickte Luftküsschen in die
Menge, rockte unermüdlich und
alberte mit den Musikern auf der Bühne herum. Neben den überwiegend
schnellen Musiktiteln wie dem Hit "Ya
Albi" wurden auch langsame Balladen
und Instrumental-Sessions zelebriert.
Diese wurden meistens von Hakim
persönlich, mit viel Lust und Ironie,
tänzerisch ausgestaltet. Er ist eben
nicht nur ein überaus begabter Sänger, sondern auch ein leidenschaftlicher Entertainer. Daher rührt die
häufige Umschreibung als "ägyptischer Robbie Williams". Nach diesem
Konzert werden solche Beinamen und
Vergleiche mit anderen (westlichen)
Idolen nicht mehr nötig sein. Hakim
hat einen eigenen Stil und einen
besonderen Charme. Davon konnte
sich das multikulturelle Publikum in
Berlin überzeugen. So mancher heiße
Tänzer befand sich darunter. Andere
wiederum bewiesen tapferes Stehvermögen in den ersten Reihen - völlig
unbewegt, mit gekreuzten Armen
oder ständig ins Handy vertieft. So
vielfältig waren die Reaktionen.
Wegen der Open-Air Ordnungsvorschriften musste Hakim um 22:00 Uhr
das Konzert beenden, was ihm offensichtlich Leid tat.
Mit orientalischen Rhythmen im Ohr
verteilte sich die Menge auf die übrigen Spielstätten der Kulturbrauerei,
wo andere Mixturen und Überraschungen auf sie warteten. Hakim
machte sich auf den Weg nach Mailand, London, Oslo und Stockholm den nächsten Stationen seiner Europatournee. Wir wünschen ihm eine gute
Reise!
31
Sitten und Gebräuche in der Arabischen Welt
Tipps und Regeln für alle arabischen Länder
Barbara Schumacher
Teil 1: Allgemeine
Hinweise
Was sollte man wissen?
Immer wieder wird von westlichen
Besuchern/Touristen, die in arabische
Länder reisen und/oder zum ersten
Mal in einem arabischen Land
Bekannte oder eine Veranstaltung
besuchen möchten, die Frage gestellt,
ob dort besondere Verhaltensregeln
gelten oder Wissen über spezielle Sitten und Gebräuche, Gesten und
Mimik nützlich ist bzw. Kenntnisse
über Tabus sinnvoll wären, um die
Basis für eine erfolgreiche Reise und
sinnvolle Begegnungen zu schaffen.
Viele Menschen schrecken vor Kontakten zu arabischen Ländern zurück,
nur aus Angst, der völlig fremden Welt
verhaltensbedingt nicht gewachsen zu
sein. Gewisse Grundregeln sind nützlich, um den Aufenthalt in arabischen
Ländern zu erleichtern und erfreulicher zu gestalten.
Dabei muss man wissen und akzeptieren, dass die westliche und arabische Kultur grundverschieden sind:
Extravertiertes Verhalten im Westen
steht introvertiertem Verhalten der
arabischen Welt gegenüber. Weitere
Gegensätze sind materialistisch (im
Westen) gegen geistig (in der arabischen Welt) und analog: Analytisch
gegen synthetisch, objektiv gegen
subjektiv, logisch gegen experimentell, intellektuell gegen emotional,
wissenschaftlich gegen künstlerisch,
ernsthaft gegen lustorientiert, wettbewerbsorientiert gegen harmonieorientiert, aktiv gegen zurückhaltend, individuell orientiert gegen gruppenorientiert,
Selbstverwirklichung
gegen
Selbstkontrolle, Effektivitätsbestreben
gegen Familienzusammenhalt, etc.
Während der westliche Besucher
Frauen auf dem Land backen auf traditionelle Art Fladenbrot, Foto: Barbara Schumacher
Rechte, Pflichten und Verantwortung
einfordert, denkt der arabische Gesprächspartner zunächst eher an
Freundschaft, Sympathie, Höflichkeit,
Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft. Daraus folgt also, dass Araber
grundsätzlich anders denken, andere
Prioritäten setzen und eine ganz
andere Herangehensweise an Beziehungen und Kontakte haben als Europäer oder andere westlich orientierte
Nationen. Sich darauf einzustellen,
muss man wollen und kann man lernen.
In der Praxis heißt das: Die persönlichen Beziehungen zwischen den
Gesprächspartnern sind von eminenter Bedeutung, die "Chemie" muss
stimmen. Arabern geht es zuerst einmal ausschließlich darum, den westlichen Gesprächspartner sehr gut kennen zu lernen. Das geschieht oft in
Cafés und Restaurants - auch private
Einladungen, die eine große Ehre darstellen, spielen eine Rolle. Gute Englisch-Kenntnisse (bzw. FranzösischKenntnisse in den Ländern mit französischer Kolonialvergangenheit wie
Marokko, Algerien, Tunesien) sind wenn man des Arabischen nicht
mächtig ist - nützlich, denn es gilt erst
einmal, das Vertrauen des arabischen
Gesprächspartners zu gewinnen - das
braucht Ausdrucksvermögen, Zeit,
Geduld, Selbstbeherrschung und Verzicht auf Vorurteile.
Es gibt einige Regeln, die in allen arabischen Ländern gelten, es gibt auch
Dinge, die in den verschiedenen Län-
32
dern verschiedene Bedeutungen
haben und es gibt von selbsternannten Spezialisten genannte "Regeln",
die tatsächlich gar nicht gelten. In dieser Artikelserie sind zuerst die wichtigsten Verhaltensregeln zusammengefasst, mit denen man in allen arabischen Ländern gut beraten ist, wenn
man sich daran hält. Es folgen dann
auch Länderspezifika. Die Ausführungen
erheben
nicht
den
Anspruch auf Vollständigkeit. Sie sind
Ausdruck meiner Erfahrungen nach
über 12 Jahren intensiver Reisen,
meist mit journalistischem Hintergrund, in die arabische Welt. Ich habe
die geschilderten Situationen selbst
erlebt,
selbst
beobachtet
und
bestimmte Details auf Nachfrage von
den Einheimischen erfahren. Ziel ist
es, westlichen Besuchern bewusst zu
machen, dass das Thema "Verhalten"
überhaupt ein Thema ist, um mit dieser Sensibilisierung einen wichtigen,
ersten Schritt zu erfolgreichen Kontakten und Gesprächen zu tun. Ich bin
stets gut damit gefahren, bei ArabienReisen meine westliche "Denke"
gegen Offenheit für viel Neues "einzutauschen".
Vorurteilsfreie
Aufgeschlossenheit und Akzeptanz dem
arabischen Gesprächspartner gegenüber sind unverzichtbare Grundlagen
einer fruchtbaren Beziehung. Westliche, vermeintliche Besserwisserei ist
für mit natürlichem Stolz ausgestattete
Araber unerträglich. Man sollte auch
davon ausgehen, dass viele gängige
Begriffe, wie z. B. "Gleichberechtigung" in der westlichen Kultur anders
verstanden werden als in der islamisch-arabischen. In den Ausführungen werden beide Geschlechter
beider Kulturen berücksichtigt.
ein alter Mann verkauft Korane und andere religöse Bücher vor der Moschee,
Foto: Claus und Edeltraut Rautenstrauch
Teil 2: Vorbereitung
auf die Begegnung
mit dem Islam
Wer zum ersten Mal eine Reise in ein
arabisches Land plant, sollte rechtzeitig vorher einen guten Reiseführer studieren, denn Kenntnisse über Islam,
Politik, Geschichte und Kultur des
jeweiligen Landes sind unerlässlich.
So vorbereitet, wird der erste Schock
deutlich abgemildert. Alle arabischen
Länder sind islamische Länder, der
Islam bestimmt das Leben der Menschen. Die fünf Säulen des Islam sollte
man kennen:
1. Glaubensbekenntnis zu Allah, dem
einen Gott
2. Pflichtgebet - fünfmal am Tag zu
festgelegten Zeiten
3. Fasten im Ramadan
4. Almosen an die Armen
5. Pilgerfahrt nach Mekka
Daraus resultieren Handlungen der
Einheimischen, die man berücksichtigen und akzeptieren muss, genau so
wie das Alkoholverbot und das Verbot
des Genusses von Schweinefleisch.
So wurde ich z. B. in Riad, Saudi Arabien, mehrmals am Straßenrand im
Auto "abgestellt", weil der saudische
Fahrer und mein saudischer Begleiter
zum Beten in die Moschee gingen.
Genau so erging es mir mitten in der
Wüste. Beide verschwanden bei Sonnenuntergang hinter einer Düne zum
Beten und ich durfte im 4WD warten,
aber meist dauert es nur 10 Minuten.
Es ist kein Problem, wenn man nach
Einzelheiten aus der Religion fragt,
z. B. ob der jeweilige Gesprächspartner schon einmal die Pilgerfahrt nach
Mekka gemacht hat. Solche Fragen
ergeben sich aus der Situation. Man
sollte dabei sehr einfühlsam vorgehen
und mit Aufmerksamkeit zuhören. Auf
diese Weise lernt man etwas über
Religion und Traditionen, die auch in
der modernsten und futuristischsten
33
Umgebung (wie z. B. in den Golfstaaten: Vereinigte Arabische Emirate,
Oman, Bahrain, Qatar, Kuwait, Saudi
Arabien) eine Rolle spielen. Wichtig
ist die Geschlechtertrennung, die Auswirkungen auf alle Lebensbereiche
hat und auf die besondere Rücksicht
zu nehmen ist. Auch von dem Glauben an Geister und "Djinnen" (Dämonen), die den Menschen helfen, aber
auch schaden können, sollte man wissen. In diesem Zusammenhang ist
immer wieder die Rede vom "Bösen
Blick", gegen den die "Segenskraft"
hilft. Koranbücher und islamische
Rosenkränze, die viele Männer in den
Händen halten, besitzen Segenskraft.
Der Ort mit der höchsten Segenskraft
ist die Kaaba in Mekka.
Fazit: Sich mit den Grundregeln des
Islam vertraut machen und daraus
resultierende Verhaltensweisen akzeptieren!
Reisevorbereitungen
Vor einer Reise in ein arabisches Land
sollte man sich über das dortige Klima
informieren. Bei heißen Temperaturen
muss man sich auf kühle Büros und
Hotels mit Klimaanlagen einstellen. Je
reicher das Land, desto kälter die
Räume. Oft ist es nicht möglich, die
Klimaanlagen abzustellen oder zu
regulieren. In einigen Ländern oder
Städten kann es im Winter recht kalt
sein (z. B. in der über 2.000 m hoch
gelegenen Hauptstadt des Jemen
oder in den nordafrikanischen Ländern, wo gelegentlich noch unangenehme Feuchtigkeit hinzukommt).
Nicht immer sind Büros, Hotelzimmer
oder
Wohnungen
ausreichend
geheizt, oft sind Heizungen sogar völlig unbekannt. Bei Rundreisen ist zu
beachten, dass in ein und demselben
Land oft sehr unterschiedliche Temperaturen in den verschiedenen Landesteilen herrschen. Hinzu kommen
manchmal große Temperaturunterschiede bei Tag und Nacht am selben
Ort.
Bei Ankunft im Land sollte man beim
Geldumtauschen darauf achten, dass
man genügend Kleingeld bekommt.
In den meisten arabischen Ländern
können Taxifahrer keine großen Scheine wechseln und gelegentlich freut
sich ein Bettler über eine kleine Aufmerksamkeit, insbesondere diejenigen, die vor den Moscheen sitzen. Sie
sind oft blind oder haben andere
Krankheiten/Behinderungen. Betteln-
den Kindern sollte man grundsätzlich
nichts geben: Weder Geld (schon gar
nicht die restlichen Euro-Cent) noch
Bonbons, noch sonst irgendetwas das wird auch ausdrücklich von den
Einheimischen aus erzieherischen
Gründen dringend empfohlen. Sollte
ein einzelnes Kind sich z. B. durch
besondere Hilfsbereitschaft ausgezeichnet haben, dann kann man
allenfalls einen Kugelschreiber als
Souvenir verschenken, daher habe
ich immer einige Exemplare dabei allerdings habe ich auch schon erlebt,
dass dies aus Stolz abgelehnt wurde.
Falls man mit privaten Einladungen
rechnet, sollte man kleine Souvenirs
aus Deutschland mitnehmen - insbesondere dann, wenn es an Zeit und
Gelegenheit mangelt, im Land landestypische Süßigkeiten, Gebäck, etc.
einzukaufen.
Fazit: Klimabedingte Gegebenheiten
beim Kofferpacken berücksichtigen,
kleine Souvenirs als Gastgeschenke
und einige Kugelschreiber mitnehmen
(bei Reisen in ärmere Länder).
Fortsetzung
folgt im nächsten Heft
Im nächsten Heft lesen Sie Tipps und
Regeln zu den folgenden Themen:
Verabredungen, Vorstellung, Kleidung,
Begrüßung.
Folgende Themen erwarten Sie in den
kommenden
Ausgaben
von
Al-
Maqam: Vorbereitung auf die Begegnung mit dem Islam, Reisevorbereitungen u. v. m. werden behandelt.
islamischer Friedhof, Foto: Claus und Edeltraut Rautenstrauch
34
Während viele Sitten und Gebräuche in allen arabischen Ländern gleichermaßen gelten, gibt es Spezifika der einzelnen Länder. Im Folgenden wird auf Besonderheiten
der meistbesuchten arabischen Länder bzw. Gruppen arabischer Länder hingewiesen.
Diese Besonderheiten wurden speziell für Touristen und Geschäftsleute zusammengestellt.
Länderspezifika
Sitten und Gebräuche in Syrien
Barbara Schumacher
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In Syrien sind politische Themen allgegenwärtig. Am Konflikt mit Israel und am Palästinenser-Problem kommt man in Gesprächen nicht vorbei. Anders als in Jordanien
genießen die in Syrien lebenden Palästinenser nur Gastrecht, sie sind Flüchtlinge und
haben keine Pässe. In Damaskus gibt es riesige Vorort-Viertel, in denen palästinensische Flüchtlinge leben. Das Verhältnis zwischen Libanon und Syrien ist aktuelles
Bitte zu Tisch!
Thema.
Es besteht eine sehr große Aufgeschlossenheit deutschen Gästen gegenüber. Auch die Hilfsbereitschaft ist überwältigend. Als ich mich in Damaskus einmal verlaufen hatte und nach einer bestimmten Straße fragte, nahm eine Frau
mich an die Hand und führte mich hin.
Besonders beeindruckend ist die Großzügigkeit bei Einladungen, ob privat oder in ein Restaurant.
Für den Gast nimmt man sich unendlich viel Zeit und versucht, alle seine Wünsche zu erfüllen, z. B. im Hinblick auf
Gesprächspartner aus ganz bestimmten Bereichen. Gerät man beim ersten Kontakt an die richtige Person, dann entsteht eine wahre "Kontaktlawine" und jeder gibt sein Bestes.
Es gibt Alkohol: Syrisches Bier und das Nationalgetränk Araq (Anisschnaps mit 53% Alkoholgehalt). Einmalig ist die
Vielfalt der frisch gepressten Säfte.
"Falsche" Kleidung ist in Syrien eine Beleidigung.
Westliche Frauen brauchen ein Kopftuch nur bei der Besichtigung einer Moschee. Viele Syrerinnen, vor allem die
gebildeten, tragen kein Kopftuch.
Als Gastgeschenke sind Postkarten mit Schnee der Renner - neben kleinen Seifenstücken und Parfum.
Bei Privateinladungen erfolgt das Essen oft spät (Mittagessen 14 oder 15 Uhr, Abendessen 22 oder sogar 23 Uhr). Zu
Beginn des Essens kommt ein dankbares "Bismillah" (im Namen Gottes) gut an. Der Gastgeber achtet darauf, dass
der Gast das beste Essen bekommt. Wenn der Gast das Essen beendet, dann müssen auch die anderen mit dem
Essen aufhören, also gilt: Langsam essen. Man sollte viel essen und das Essen loben. Dies fällt nicht schwer, denn
die syrische Küche ist eine der abwechslungsreichsten und phantasievollsten der arabischen Welt.
Bei einer Einladung ins Restaurant bestellt man nicht einzeln sein Essen, sondern der Gastgeber bestellt (natürlich
nach vorheriger Beratung mit den Gästen) mehrere Vorspeisen, von denen man dann gemeinsam isst - mit Besteck
oder mit Brot. Nur unwesentlich später kommen die Hauptspeisen. Das Mahl wird mit Kaffee und sehr vielfältigen
Süßspeisen abgerundet. Probieren heißt die Devise, sie sind alle köstlich.
Geld auf dem Schwarzmarkt zu tauschen, lohnt sich nicht. Wenn man erwischt wird, kann man im Gefängnis landen.
Taxi fahren ist äußerst preiswert - Inlandsflüge ebenfalls.
Nie betende oder bettelnde Menschen fotografieren, dies empfinden Syrer als würdelos und beleidigend.
Als Frau allein in Syrien zu reisen, ist kein Problem, unter den wichtigen Voraussetzungen: Den ganzen Körper
bedeckende, gute Kleidung zu tragen, gutes Benehmen, sicheres Auftreten.
Als Trinkgelder sind 10 Prozent üblich - aber nur für die üblichen Dienstleistungen im Restaurant oder Hotel.
35
Deutsche in Syrien
Warum eine Sächsin und ihr deutscher
Pudel ganz gut in Syrien leben
Samia Susann Trabolsi
Wer nach Syrien auswandert, der muss nicht nur eine neue
Sprache lernen, sondern sich mit fremden gesellschaftlichen
Gepflogenheiten vertraut machen. Auch Frau Krenzlin hat
den Schritt gewagt: Dabei hat sie sich nicht nur angepasst,
sondern auch die Syrer im Viertel mit deutscher Kultur vertraut gemacht: Vor 30 Jahren gab es noch keine Hunde als
Haustiere in der Stadt. Nun ist in Lattakia der deutsche
Pudel zum Trend geworden. Schuld daran ist Frau Krenzlin.
36
Frau Krenzlin, was macht eine Deutsche in
Syrien?
Sie haben gerade von Eierkuchen gesprochen. Vermissen Sie die deutsche Küche?
Wir sind viele Deutsche in Syrien. Auch wenn
man das erstmal nicht auf den ersten Blick
sieht, sondern nur, wenn man auf den Weihnachtsbasar nach Damaskus oder zum GoetheInstitut fährt, bekommt man eine ungefähre
Vorstellung davon, wie viele Deutsche den
Weg nach Syrien gefunden haben. Ich selber
habe meinen Mann an der TU Dresden kennen
gelernt. Wir haben geheiratet und sind nach
Syrien gegangen. Viele die ich kannte sind
jedoch gleich, als sie in Damaskus ankamen,
mit dem nächsten Flieger zurück in die Bundesrepublik geflogen. Das kam für mich nicht in
Frage, ich hatte von vorne herein Syrien im
Visier. Ich hatte mich zwar relativ gut vorbereitet auf die Ankunft in Syrien. Doch wenn man
die Sprache nicht kennt - und Arabisch ist ja
eine schwere Sprache -, dann sieht man erst
einmal gar nix die ersten vier Wochen, dann ist
alles wunderbar, Friede, Freude, Eierkuchen,
wie man sagt. Während der Vorbereitung traf
ich bewusst eine Deutsche, die in Damaskus
lebte und die sagte zu mir: „Heiraten Sie lieber
einen Schornsteinfeger und bleiben Sie in
Deutschland!“
Ja, das Essen vermisse ich am meisten. Ich
koche immer noch gerne Deutsch. Das ist einfach ein Stück Heimat, die man mitnimmt.
Was konnten Sie nicht mitnehmen, was
mussten Sie aufgeben?
Je nachdem woher man kommt, wohin man
geht; gibt man auf oder gewinnt man: Wenn
ich zum Beispiel eine bayerische Bäuerin wäre
und nach Berlin ginge, was würde ich dann
gewinnen und was verlieren? Es gewinnt nicht
immer eine bayerische Bäuerin, wenn sie nach
Berlin geht. Und genauso ist es, wenn man sich
hier eine Existenz aufbaut: Was möchte man im
Leben? Das ist die Frage. Ich bin eine Großstadtpflanze; mir sagen dörfliche Gewohnheiten gar nicht zu. Jedoch bin ich jetzt in Lattakia,
einer syrischen Großstadt, für deutsche Verhältnisse eine Kleinstadt . Ich bin vor 30 Jahren aus
Görlitz hierher gekommen, einer Stadt mit damals 86.000 Einwohnern. So groß also wie Lattakia. Nach 30 Jahren zählt Görlitz 6.000 Einwohner und Lattakia 600.000 Einwohner. Nur
der Unterschied ist der, wenn ich nach Görlitz
komme, habe ich das Gefühl, in eine Stadt zu
kommen. Anders in Lattakia, wenn ich hier
durch unsere Hauptstraßen gehe,
dann weiß ich schon, links und rechts
fängt tiefe Provinz an.
Frau Krenzlin, Sie haben einen
Pudel. Ein Haustier hat hier nicht
jeder. Wie sind Sie auf den Hund
gekommen?
Der Hund ist eine Gemeinheit meiner
Kinder. Die Abhängigkeit, wenn man
sich um ein Haustier kümmern muss,
hat mir als Kind schon nicht gefallen.
Hier in Syrien gilt ein Hund als unrein,
deshalb gibt es sehr wenig Haustierhaltung. Manche haben Fische und
Singvögel, doch Haustierhaltung ist
noch lange kein eigener Wirtschaftszweig wie in Europa und hat daher
eher Seltenheitswert. Trotzdem stört
es niemanden, dass Jenny überall dabei ist. Die Leute sind immer mehr
dem Tier zugewandt. Ich denke das
Fernsehen beeinflusst die Einstellung
der Gesellschaft, in vielen amerikanischen Serien haben die Kinder
Kuscheltierchen. Deswegen findet
jeder den Pudel niedlich.
Die Syrer haben sich also an den
Hund gewöhnt. Und wie ist es mit
Ihnen? Wie haben Sie sich mit
dem Leben in einem orientalischen Land und den Syrern arrangiert?
Es gab damals wenig Bildmaterial und
wenig Bücher über Syrien, demnach
waren meine Vorstellungen relativ
junge Frau mit Hund, Foto: www.stmz.ch
begrenzt und bezogen sich auf Erzählungen meines Ehemannes und Bekannten, z. B. deutsche Professoren,
die eine Gastprofessur in Damaskus
hatten. Ich hatte auch einen Botschafter getroffen, das war dann unser
DDR Uno-Beauftragter in Amerika.
Die Eindrücke allerdings, die Deutsche hier gesammelt haben, sind
doch sehr viel anders, als wenn man
hier als Ehefrau lebt, denn vieles
bleibt für Ausländer aufgrund der
Sprache doch sozusagen im Verborgenen. Wenn man in ein anderes
Land geht, muss man sich Gedanken
machen, wie viel man von sich selber
aufgeben möchte und wenn man sich
aufgeben möchte, was will man von
seiner Heimat behalten. Wie weit lässt
man sich von dem Anderen aufsaugen.
Was hat Sie denn enttäuscht?
Die größte Enttäuschung war, dass ich
ganz bestimmte Sachen hier nicht
regeln kann. Ich war naiv. Wir sind in
der DDR behütet aufgewachsen. Nun
nach der Wende haben wir keine
Altersvorsorge. Denn alles was die
Sozialversicherung betrifft, liegt doch
in Entwicklungsländern sehr im Argen.
Erst seit 5 Jahren gibt es in Syrien eine
staatliche Versicherung, die jedoch in
keinem Vergleich zu einer in der DDR
stand. Nach der Wende stellte ich fest,
dass sich eine Rückkehr nach
Deutschland für mich als ehemalige
DDR-Bürgerin ohne
Vermögenswerte oder
Altersversicherung
aus finanziellen Gründen verbietet.
Was mich hier sehr
enttäuscht hat, war
das Bildungssystem:
Sogar die Privatschulen hatten kein ausreichendes Lehrmaterial.
Wo sehen Sie Ihre Erfolge?
Meine Erfolge? Ich arbeite seit 30 Jahren in Syrien und habe hier viel
geschafft: Ich habe hier als Ingenieurin in der Universität gearbeitet und
an größeren Projekten. Das zeigte mir,
dass man in Syrien trotz aller Merkwürdigkeiten als Frau mit ein wenig
Stehvermögen doch etwas erreichen
kann.
Sehen Sie nach 30 Jahren die
Deutschen mit anderen Augen?
Wie Deutsch empfinden Sie,
wenn Sie in Deutschland sind?
Was mir fremd geworden ist, ist die
Hektik. Die Orientalen sind genügsam. Trotzdem bin ich immer pünktlich, vor allem bei Terminen: 10 Minuten bleiben 10 Minuten. Was die
Umwelt betrifft: In Deutschland habe
ich immer gemerkt, dass ich als Deutsche durch die Straße laufe. In Syrien
habe ich aber nicht das Gefühl, dass
man mich als Ausländerin betrachtet.
Die Syrer sind sehr tolerant, denn viele Kulturen spielten hier eine Rolle in
der syrischen Geschichte.
Sie sagten, es gebe sehr viele
Deutsche in Syrien. Haben Sie
auch arabische Freunde?
Es ist in Syrien wie in Deutschland ein
Prozess, bis man Freundinnen findet,
die zu einem passen. Ich habe auch
arabische Freunde. Diese zu finden,
war jedoch schwieriger, weil in Syrien
die meisten sozialen Beziehungen
innerhalb der Familie bestehen.
Wie schnell haben Sie Arabisch
gelernt?
Ich erlerne jede Sprache nach dem
Papageiprinzip. Natürlich hat das
etwas mit Kommunikationsfähigkeit zu
tun. Wenn man kein Interesse hat, mit
jemandem ins Gespräch zu kommen,
dann lernt man auch kein Arabisch. Es
gibt viele Frauen in Damaskus, die
37
sich ausschließlich in deutschen Kreisen bewegen und kein Arabisch sprechen. Ich habe sehr schnell das
umgangssprachliche Arabisch gelernt,
da ich natürlich auch keine Hausfrau
bin und die Sprache für meine Arbeit
wichtig ist.
Und Hocharabisch, also lesen
und schreiben können Sie auch?
Sprechen kann ich, schreiben und
lesen nicht. Natürlich kann ich bei
einer Rechnung die Zahlen unterscheiden. Ich hatte damals viele
Bücher nach Syrien mitgebracht, aber
es fehlte ein Lehrmeister. Ich habe
sogar mit anderen versucht, Lehrgänge für Ausländer zu organisieren, aber
das ist alles ins Wasser gefallen. Ara-
bisch kann man am besten in London
lernen. Hier in Lattakia gibt es kein
ausgebildetes Personal. Arabisch ist
eine Wissenschaft für sich und ich
merkte, dass man diese Sprache nicht
im Abendkurs lernen kann sondern
studieren muss. Also entschied ich
mich, meine Zeit für meinen Beruf zu
nutzen, denn ich muss als Ingenieurin
auch immer auf dem neuesten Stand
sein und mich belesen. Man kann im
Leben nicht alles machen.
Da die Schule hier erst im Oktober
anfängt, waren sie in Deutschland in
den Ferien und bekamen so die Möglichkeit, auch Deutsch zu sprechen.
Mit der Pubertät jedoch wandelte sich
dies und wir sprachen mehr Arabisch,
um Orientierungsprobleme zu vermeiden. Ich hatte ihnen stets gesagt:
„Ihr seid Syrer und habt eine deutsche Mutter.“
Ihre Kinder sprechen beide
Sprachen?
Nein, der Pudel ist ja Deutsch. Also
wird auch Deutsch gesprochen:
„Jenny, wo ist die Katze?“
Mit den Kindern habe ich zu Anfang
nur Deutsch gesprochen. Alle zwei
Jahre bin ich mit ihnen zu einem längeren Aufenthalt in die DDR gefahren.
vor dem Eingang der Omayyaden-Moschee in Damaskus,
Foto: Barbara Schumacher
38
Und mit dem Pudel reden Sie
Arabisch?
(Jenny springt auf und bellt.)
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Salah el Din
Interview mit Prof. Dr. Havemann
Christian M. Jolibois
Al-Maqam: Herr Dr. Havemann,
Sie haben einige Artikel zu
Saladin verfasst und waren an
Symposien zur Vorbereitung der
aktuellen Saladin-Ausstellung
beteiligt. Wie kamen Sie auf
Saladin und seit wann beschäftigen Sie sich mit ihm?
Dr. Havemann: Bereits während des
Studiums bin ich auf Saladin im
Zusammenhang mit der Geschichte
Syriens zur Zeit der Kreuzzüge gestoßen. Im deutschsprachigen Raum ist
Saladin vor allem aus Lessings Stück
"Nathan der Weise" bekannt. Allerdings muss man mit Lessings SaladinBild sehr vorsichtig sein. Bereits Schiller kritisierte es für die zu positive und
wohlwollende Darstellung, die der
historischen Person nicht entspricht.
Rückgewinnung Palästinas bezogen
sich Nasser, Ghaddafi, Hafiz Al-Asad
und Saddam Hussein auf Saladin.
Was mich an ihm interessiert, ist die
Frage nach seinem primären Ziel.
Ging es ihm wirklich um den Dschihad? Ging es ihm nur um die Rückeroberung der von den Kreuzfahrern
besetzten Teile Palästinas, gekrönt
durch die Wiedereinnahme Jerusalems? Oder ging es ihm eher um das,
was ihn den größten Teil seines
Lebens davor beschäftigt hat: die politische Einigung der zersplitterten arabisch-muslimischen Welt seiner Zeit?
Taucht Saladin in den
Erzählungen aus 1001 Nacht auf?
Nein. Dort tauchen weder sein Name,
noch Ereignisse aus jener Zeit auf.
Welcher Aspekt interessiert Sie
bei dem Thema Saladin
besonders?
Was ist von den Portraits zu halten, die Saladin abbilden? Kann er
so ausgesehen haben?
Man fragt sich immer, was ist an Saladin so besonders interessant? In der
islamischen Welt geriet er relativ
schnell in Vergessenheit. In der Literatur findet sich erst im späten 19. Jahrhundert wieder etwas über ihn. In
Europa dagegen ist er die ganzen
Jahrhunderte hindurch präsent, allerdings weitgehend in Form von Legenden und Mythenbildung, was bereits
zu Lebzeiten Saladins begann. Andererseits ist Saladin durch die Instrumentalisierung seiner Person für viele
Muslime wichtig geworden. Dies
begann gegen Ende des Osmanischen
Reiches sowie in Verbindung mit der
Entstehung
arabischer
Nationalbewegungen. Unter dem Aspekt der
Nein. Diese vermeintlichen Portraits
von Saladin sind alle erst lange nach
seinem Tod entstanden. Es finden sich
Beschreibungen in den arabischen
Quellen darüber, wie er ausgesehen
haben soll, allerdings nicht sehr
detailliert. Er soll von kleiner Statur
und gesundheitlich sehr anfällig gewesen sein. Saladin war mit Sicherheit
kein stattlicher Feldherr. Letztlich wird
über sein Aussehen nichts Genaues
gesagt. Die Biographen beschreiben
ihn als bescheidenen und religiösen
Menschen, der auf Äußerlichkeiten
keinen großen Wert gelegt haben soll.
Saladin war zweifelsohne ein berechnender und geschickter Stratege
sowie ein Machtmensch, der seine
Chance zu nutzen wußte. Durch seinen Vater und Onkel wurde er militärisch gut ausgebildet. Ob Saladin nun
wirklich der große Gelehrte war, der
sich in der islamischen Tradition ausgekannt haben soll, wie seine Hofbiographen berichten, ist zu bezweifeln.
Letztlich wissen wir es nicht, genauso
wie über seine Jugend in Baalbek nur
wenig bekannt ist.
Was ist über Saladins
Familienleben und seine
Nachkommen bekannt?
Die Quellen liefern hier nur wenig
Informationen. Saladin gilt als Begründer der Dynastie der Ayyubiden. Es ist
bekannt, dass er mehrmals verheiratet
war und relativ viele Nachkommen
hatte. Die Quellen gehen auf seine
Frauen nicht näher ein. Eine Ausnahme bildet die Witwe seines ehemaligen Oberherrn, Nureddin, aus der
Lokaldynastie der Zengiden, die Saladin ehelichte. Sie war die Tochter
eines reichen damaszener Lokalfürsten, erheblich älter als Saladin und
soll von ihm sehr respektvoll behandelt worden sein. Insgesamt erfährt
man nur wenig über sein Privatleben
und welchen Stellenwert es einnahm.
Dargestellt wird er als Asket, der entweder den Koran studiert, betet und
meditiert oder Krieg führt. In jüngeren
Jahren soll er ein großer Freund des
Weins und anderer weltlicher Vergnügungen gewesen sein.
Was ist von der fast schon sprichwörtlichen Toleranz zu halten, mit
der Saladin oftmals in Verbindung
39
Grabmal des Saladin in Damaskus, Foto:
www.wikipedia.org
gebracht wird?
Da muss man bestimmt Abstriche
machen. Betrachtet man, wie er politische Gegner behandelte, so hat er
sich nicht sonderlich von ihnen unterschieden, weder von den christlichen
Kreuzfahrern, noch von den muslimischen Herrschern.
In manchen Darstellungen wird gerne
betont, dass die lateinischen Christen,
als sie im ersten Kreuzzug Jerusalem
eroberten, ein Blutbad unter der
Bevölkerung angerichtet hatten, wohingegen Saladin bei der Rückeroberung allen Leuten das Leben
geschenkt haben soll. Fakt ist, dass er
erst nach längeren Unterredungen
von seinen Beratern davon überzeugt
werden konnte, die Stadt nicht dem
Erdboden gleich zu machen, also
nicht genauso zu reagieren, wie die
Kreuzfahrer 90 Jahre zuvor.
Ähnlich soll sich Saladin bei der
berühmten Schlacht von Hattin - die
wenige Monate vor der Rückeroberung Jerusalems stattfand und das
Ende der Kreuzfahrer unter Saladins
Zeit eingeleitet hat - verhalten haben.
Während seiner Herrschaft soll es
auch Verfolgungen von Sufis, den islamischen Mystikern gegeben haben.
All das belegt, dass Saladin alles
andere als religiös tolerant war.
Wie wird Saladin heute in der
arabischen Welt gesehen?
Wenn man heute mit Arabern spricht,
stößt Saladin in erster Linie in den Ländern, in denen er gelebt und gewirkt
40
hat, auf großes Interesse. Dies gilt weniger für Ägypten, das ihm eher als
Einkommensquelle zur Finanzierung
seiner Eroberungen diente. Im Übrigen kehrte Saladin nie mehr nach
Ägypten zurück. Interessant ist er für
Syrien, Jordanien und den Irak, weil
dort auch die meisten Spuren von ihm
zu finden sind.
Die moderne Forschung sieht Saladin
inzwischen eher als politischen Usurpator. Aus islamischem Herrschaftsverständnis heraus gesehen, besaß er keinerlei legitimierende Voraussetzungen.
Welche Schlüsse lassen sich aus
der Biographie Saladins ziehen?
Saladin ist bis heute für viele eine
Vorbildfigur. Nicht nur in der Politik,
sondern auch in der Literatur, in der
das Thema immer wieder bearbeitet
wird, wie beispielsweise durch den
Palästinenser Mahmud Darwich. Bauten und Kunstwerke neueren Datums
beziehen sich immer wieder auf die
Größe Saladins und die Ayyubiden.
Saladin wurde und wird immer wieder instrumentalisiert als der glorreiche Mujahid, als Djihad-Kämpfer.
Dabei wird meistens außer Acht
gelassen, dass Saladin anfänglich und
für lange Zeit benachbarte Muslime
bekämpft hat. Erst als er dieses große
Gebiet kontrollierte und unter seine
Herrschaft bekommen hatte, begann
er seine militärischen Aktionen gegen
die Kreuzfahrerstaaten.
Ich persönlich halte ihn für eine faszinierende historische Persönlichkeit
und sehe ihn weder als den großen
Idealherrscher mit der Idee einer
politischen Einheit des Islam, noch als
jemand der versucht hat, aufgrund
seiner religiösen Einstellung bestimmte Differenzen abzubauen.
Saladin hatte große Visionen und Träume, und - das mag auch einer der
Gründe sein, weshalb er in gewissen
Kreisen sehr positiv gesehen wird - er
wollte vielleicht viel mehr, als nur Palästina zurückerobern und die Kreuzfahrer aus dem heiligen Land vertreiben.
Es existiert eine erhaltene Briefkorrespondenz, die Saladin mit dem
Herrscher von Marokko und Al-Andalus geführt haben soll. Dieser almohadische Sultan, der wie Saladin nominell dem Kalif in Bagdad unterstand,
war de facto ebenfalls unabhängig.
Ihn soll Saladin um Truppen zur Verstärkung seines Kampfes für den Djihad gebeten haben, ohne die Bitte
detaillierter auszuführen. Es gibt nun
Berichte laut denen er ebenfalls mit
dem Kaiser von Byzanz und mit Kaiser Friedrich Barbarossa verhandelt
haben soll. Durch diese gleichzeitigen
diplomatischen Kontakte, soll sich
Saladin erhofft haben, alle gegeneinander ausspielen zu können.
Sein großer Traum war, den Islam so
weit wie möglich in die Welt zu tragen. Hierzu wird berichtet, dass er
daran gedacht haben soll, mit Hilfe
des Bündnisses mit den Almohaden
und mit Hilfe mindestens neutraler,
wenn nicht gar freundschaftlicher Kontakte
zum
christlichen
Europa
zunächst Byzanz und danach das restliche Europa unter seine Kontrolle zu
bringen. So hat sich Saladin detaillierte
Berichte aufstellen lassen, die das Verhältnis, die Beziehung und den Unterschied des Kaisers von Byzanz zu
dem Papst in Rom untersuchten. Aus
der Perspektive Saladins war dies vergleichbar mit seiner Position als Macht
habender Sultan und dem Kalifen als
obersten Beherrscher der Gläubigen.
Herr Dr. Havemann, ich danke Ihnen
für das Gespräch.
Dr. Havemann
ist Privatdozent am Institut für Islamwissenschaft an der FU, Berlin.
Salah el Dins Leben
und Taten
Christian M. Jolibois
"Ich bin tief ergriffen von dem Gedanken, an
der Stelle zu stehen, wo einer der ritterlichsten Herrscher aller Zeiten, der große Sultan
Saladin geweilt hat, ein Ritter ohne Furcht
und Tadel, der oft seine Gegner die rechte
Art des Rittertums lehren musste."
das Grabmal Salah el Dins in Damaskus,
Foto: http://www.geocities.com/pinkhipposforever/saladintomb.html
Mit diesen Worten gedachte der deutsche Kaiser Wilhelm II. Saladin, als er
dessen Grab im Jahr 1898 in Dama-
Salah el Din war kurdischen Ursprungs, die Familie stammte aus
Armenien. Der Vater Ayyub war Gou-
den Folgen eines zu opulenten Mahls
gestorben sein. Drei Tage darauf
ernannte al Adid Salah el Din zum
skus besuchte. Seine Rede machte
die Muslime maßgeblich wieder auf
Salah el Din aufmerksam. Jahrhundertelang spielten die Kreuzzüge und
deren berühmter Protagonist Salah el
Din für sie keine Rolle. Im christlichen
Abendland hingegen wurde er immer
wieder thematisiert. Dort sieht man
ihn als Vertreter des eigenen Toleranzideals während er in der muslimischen Welt eher als Freiheitsheld
wahrgenommen wird.
verneur von Tikrit. Seine Jugend verbrachte Salah el Din in Baalbek, das
sein Vater, der im Dienste Zengis dem Begründer der Lokaldynastie der
Zengiden (1127-1233) - stand, als
Gouverneur verwaltete. Nach Zengis
Tod im Jahr 1146 wurde Ayyub unter
den Buriden - einer weiteren Lokaldynastie - Statthalter von Damaskus.
Salah el Dins Onkel Schirkuh verblieb
im Dienst der Zengiden. Nur al Din,
dem Sohn und Nachfolger Zengis,
gelang es, Syrien unter seiner Herrschaft weitgehend zu vereinen. Salah
el Din stand ihm für etliche Jahre als
persönlicher Adjutant zur Seite.
Zwischen 1164 und 1169 begleitete
Salah el Din seinen Onkel bei drei
militärischen Aktionen in Ägypten.
Unter dem letzten fatimidischen Kalifen al Adid (1160-1171), der Nur al Din
um Hilfe ersucht hatte, wurde Schirkuh zum Wesir von Ägypten ernannt.
Er seinerseits beauftragte seinen Neffen mit der Verwaltung des ägyptischen Kalifats.
Wesir und verlieh ihm den Titel al
Malik al Nasir (der siegreiche König).
Salah el Din veranlasste im Jahr 1171
die namentliche Nennung des abbasidischen Kalifen in den Freitagspredigten der Moscheen Ägyptens. Damit
wurde Ägypten formell wieder der
sunnitischen Oberhoheit Bagdads
unterstellt und das über 200 Jahre
währende schiitisch-ismaelitische Kalifat der Fatimiden beendet.
Sultan Salah ad Din al Malik al Nasir
Abu al Muzaffar Yusuf bin Ayyub wie sein vollständiger Name lautet wurde im Jahr 1138 in Tikrit, einer
nord-östlich von Bagdad, am Tigris
gelegenen Stadt geboren. Salah el Din
war der herausragende Held im
Kampf gegen die Kreuzfahrer und der
mächtigste Mann des 12. Jahrhunderts. Er begründete die Dynastie der
Ayyubiden (1169-1249), welche über
Ägypten, Syrien und West-Arabien mit
den Heiligen Städten Mekka und
Medina sowie über den Jemen
herrschte. Er starb am 4. März 1193 in
Damaskus.
Bereits neun Wochen später, am 23.
März 1169, soll der für seinen Hang
zur Völlerei bekannte Schirkuh an
Während Salah el Din seine Position
in Ägypten festigen konnte, verschlechterte sich sein Verhältnis zu
Nur al Din in zunehmendem Maße.
Als dieser im Mai 1174 starb, erklärte
Salah el Din Ägypten von den Zengiden unabhängig. Im darauffolgenden
Jahr erhielt Salah el Din seine lang
ersehnte Ernennungsurkunde aus
Bagdad. Darin wurde seine Herrschaft
über die von ihm eroberten Gebiete
durch den Kalifen nachträglich beglaubigt und somit politisch und religiös von der höchsten weltlichen
Instanz des sunnitischen Islam legitimiert.
In Syrien entbrannte derweil ein
41
Machtkampf unter den Zengiden.
Dabei ging es um die Vormundschaft
über Malik al Salih, den elfjährigen
Sohn und Nachfolger Nur al Dins, um
in dessen Namen herrschen zu können. Salah el Din hielt sich vorerst
zurück, versicherte aber Malik al Salih
seine Loyalität und stellte sich als sein
Beschützer dar. Die unter Nur al Din
errungene Einheit im Kampf gegen
die Kreuzfahrer war zerbrochen und
konnte durch Salah el Din erst im Jahr
1186 wieder hergestellt werden.
Nachdem sich Salah el Din von einer
langen Krankheit erholt hatte, begannen schließlich die Vorbereitungen für
die Rückeroberung Jerusalems im
Frühling des Jahres 1187.
Die gegnerischen Truppen trafen im
Juli westlich von Tiberias aufeinander.
In der entscheidenden Schlacht bei
Hattin fügte Salah el Din den durch
"schweren internen Streit geschwächten und an Wassermangel leidenden
Franken" eine vernichtende Niederlage zu. Da diese all ihre Kräfte aufgeboten hatten, gelang es Salah el Din
innerhalb weniger Monate einen
Großteil der Städte und Burgen des
Königreichs Jerusalem teilweise sogar
kampflos einzunehmen. Am 20. September begann dann die Belagerung
Jerusalems. Sie endete bereits zwölf
martialische Werkzeuge im Museum in Damaskus,
Foto: Claus und Edeltraud Rautenstrauch
42
Tage später, mit der Übergabe der
Schlüssel an Sultan Salah el Din.
In den folgenden Jahren blieben
schnelle Siege aus. Die Belagerung
der strategisch wichtigen Hafenstadt
Tyrus, die den Kreuzfahrern als Brückenkopf diente, brach Salah el Din
im Januar 1188 bereits nach sechs
Wochen wieder ab, ebenso wie die
geplanten Eroberungszüge in die
nördlichen Kreuzfahrerstaaten Tripolis
und Antiochia, die ausgesetzt wurden. Im Juli 1191 ergab sich die Garnison Akkon nach mehrjähriger Belagerung den abendländischen Christen.
Inzwischen waren die Teilnehmer des
dritten Kreuzzuges, an dem sich fast
das gesamte Abendland beteiligte, in
der Levante angekommen. Unter
ihnen befand sich König Richard
Löwenherz von England. Mit seiner
Ankunft in Akkon im Juni trug er entscheidend zur Veränderung der militärischen Situation bei. Nach mehrmaligen Verhandlungen, die immer
wieder durch Kämpfe unterbrochen
wurden, einigten sich der König und
der Sultan am 2. September 1192 vertraglich auf einen Waffenstillstand für
die Dauer von drei Jahren und acht
Monaten. Der Vertrag sah vor, den
Kreuzfahrern die Küste zwischen
Akkon und Jaffa zu
belassen.
Askalon
sollte an die Muslime
zurückgegeben und
christlichen
Pilgern
der freie Zutritt nach
Jerusalem
gewährt
werden.
Salah el Din kehrte
nach
Damaskus
zurück. Im Februar
1193 wurde er schwer
krank, be-kam hohes
Fieber und verlor
immer wieder das
Bewusstsein. Am 4. März erlag er seiner Krankheit und starb - angeblich
lächelnd, nachdem ihm die neunte
Sure des Ko-ran vorgelesen worden
sein soll. Das Reich wurde dann entsprechend der Bestimmung Salah el
Dins unter seinen Verwandten aufgeteilt. Sein Leichnam wurde noch am
selben Tag in der Zitadelle beigesetzt.
Im Dezember 1195 wurde er dann
endgültig in dem neu errichteten
Mausoleum bestattet. In dem in der
Nähe der Umayyaden-Moschee gelegenen Mausoleum sind heute zwei
Sarkophage zu besichtigen. In dem
hölzernen befinden sich Salah el Dins
sterbliche Überreste. Kaiser Wilhelm
II. soll bei seinem Besuch über das
erbärmliche und vernachlässigte Aussehens des Sargs so entsetzt gewesen
sein, daß er eine Anfertigung aus weißem Marmor veranlaßte.
Salah el Dins Dschihadkonzept
Salah el Dins Konzeption des Dschihad ist das Ergebnis einer langen Entwicklung, die bereits unter Mohammed mit der Expansion des Islam
begann. Salah el Din war in der Hinsicht kein Neuerer, sondern benutzte
effektiv die Konzepte und Methoden
seiner Vorgänger. Im Folgenden wird
diese Entwicklung skizziert.
Unter den Abbasiden entwickelte sich
zu Beginn des 8. Jahrhunderts die
klassische Theorie des Dschihad. Dieser war - unter der Führung des Kalifen - verpflichtend für jeden erwachsenen Muslim. Ein dauerhafter Vertrag
mit Nicht-Muslimen galt als unzulässig
und war auf maximal zehn Jahre
beschränkt. In jener Zeit kam es
ebenfalls zu einer Differenzierung
zwischen dem großen Dschihad - als
das individuelle Bemühen um Selbstbeherrschung - und dem kleinen,
kriegerischen Dschihad.
Als Grundlage dient der Koran, der
den Begriff an mehreren Stellen (Sure
9: Vers 24; 22:77; 25:54; 60:1; ...)
sowohl in Bezug auf kriegerisches
(9:14: "Bekämpft sie so wie sie euch
bekämpfen. Allah wird sie strafen
durch eure Hände, sie mit Schmach
bedecken und euch den Sieg über sie
verleihen") als auch auf friedliches
Handeln (25:54: "Gehorche nicht den
Ungläubigen und eifere wider sie mit
dem Koran in großem Eifer") nennt.
Die zweite kanonische Quelle sind die
Hadithe - die Überlieferung der Taten
und Aussprüche des Propheten und
seiner Gefährten. Darin wird u. a.
gesagt, daß die Teilnahme am Dschihad besser sei als 60 Jahre Gebet und
das die Pforten des Paradieses unter
des Islam" und dem "Haus des Krieges" - was die nicht unter muslimischem Herrschaftsgebiet stehende
restliche Welt bezeichnete - wurde
aufgegeben. Rechtlich stand somit
dem Handel mit der christlichen Welt
nichts mehr im Weg.
den Schatten der Schwerter lägen. Bei
den Quellen ist allerdings der jeweilige
Entstehungskontext zu berücksichtigen.
ten und den militärischen Anführern.
Die Anfänge dazu stehen in Verbindung mit der muslimischen Rückeroberung der Grafschaft Edessa durch
Zengi im Jahr 1144. Danach tauchten
erstmals Inschriften an öffentlichen
Gebäuden auf, die den Dschihad
erwähnen, und die Bevölkerung
begann allmählich die Siege darauf zu
beziehen.
Ethymologisch geht das Wort auf die
Wurzel dschahada zurück, in der
Bedeutung von sich bemühen, sich
anstrengen. Die erweiterte Form wird
mit "für den Islam kämpfen, Krieg
gegen die Ungläubigen führen" übersetzt, wovon das Verbalnomen dschihad abgeleitet ist. Im klassischen islamischen Recht versteht man darunter
eine militärische Aktion mit dem Ziel
der Expansion oder Verteidigung des
Islam.
Im Laufe der Zeit kam es zu Veränderungen der Theorie, die an die
jeweiligen politischen Bedürfnisse
und Realitäten angepasst wurde. Im
10. Jahrhundert wurde die politische
Fragmentierung des abbasidischen
Kalifats immer offensichtlicher, durch
die Entstehung von de facto unabhängigen Regionaldynastien. Die Pflicht
zum Dschihad konnte nun vom Kalifen auf die jeweiligen Machthaber
(Sultane) übertragen werden. Die rigide Trennung zwischen dem "Haus
Als Reaktion auf die Kreuzzüge entwickelte sich der Dschihad zu einer
Ideologie, die von den Herrschern
propagiert wurde. Den Erfolg der
Kreuzfahrer führten muslimische
Gelehrte auf die Vernachlässigung der
Pflicht zum Dschihad zurück womit
sowohl der große als auch der kleine
Dschihad gemeint waren. Dafür
bedurfte es fortan einer engen Verbindung zwischen den religiösen Gelehr-
Zengis Sohn und Nachfolger Nur al
Din gelang die Einigung Syriens. Die
Belagerung von Damaskus durch die
Franken im Jahr 1148 bewirkte seine
verstärkte Zuwendung an die Religionsgelehrten. Diese wurden nun
aktiv in die Vorbereitungen und
Durchführungen militärischer Aktionen mit einbezogen. Nur al Din förderte die Errichtung monumentaler
und religiöser Gebäude. Sie dienten
der Stärkung des Glaubens in der
Bevölkerung, der Propaganda seiner
Politik sowie der öffentlichen Darstellung seiner Person als gerechter
muslimischer Herrscher und Kämpfer
für den Islam. Ein Übriges vollbrachten die Hofbiographen und Poeten
mit ihren Werken. Die - nachträgliche
Reiterstatue von Salah el Din in Damaskus,
Foto: Wikipedia
- Legitimation durch den Kalifen
schließlich vervollständigte das Bild.
In der neueren Literatur wird darauf
verwiesen, daß Salah el Din, wie seine Vorgänger, das Konzept des Dschihad maßgeblich als Instrument für die
eigene Legitimation benutzte. Es
erlaubte ihm darüberhinaus, seine
muslimischen Gegner als unfähig
oder als Verbündete der Ungläubigen
darzustellen. Letztlich wären Salah el
Dins Erfolg und Karriere ohne die Leistungen seiner Vorgänger nicht möglich gewesen.
Salah el Din Geschichte(n)
Über die Person Dins lassen sich keine verläßlichen Aussagen mehr treffen. Einen Eindruck vermittelt Ridley
Scott in seinem Film Königreich der
Himmel (USA 2005). Hannes Möhring schrieb eine Einführung zu Salah
el Din und seiner Zeit (München
2005). In Form eines historischen Romans erzählt Tariq Ali die Geschichte
Salah el Dins (München 2001). Eine
knappe wissenschaftliche Biographie,
zusammengestellt aus verschiedenen
arabischen Quellen findet sich bei
Hamilton Gibb unter dem Titel The
Life of Salah el Din (Oxford 1973).
Christian M. Jolibois,
geboren in Karlsruhe hat einen karibischen Hintergrund und studierte Islamwissenschaft und Volkswirtschaft an der
Freien Universität zu Berlin.
43
Orientalischer Tanz im ADTV
Shalimar® E. Möhler neue Beauftragte
Der Deutsche Tanzsportverband (DTV) hat Shalimar® E.
Möhler erneut zur offiziellen Beauftragten des DTV für
orientalischen Tanz ernannt. DTV-Präsident Franz Allert und
der Bundeslehrwart Horst Krämer hoben ihre hervorragende und professionelle Arbeit sowie ihren unermüdlichen
Einsatz zur Integration des orientalischen Tanzes in der
Deutschen Sportorganisation lobend hervor. Als Mitglied
im Ausschuss für Breiten-, Freizeit- und Gesundheitssport
und der Tanzsport-Trainervereinigung der Bundesrepublik
Deutschland (TSTV e.V.) ist die Tanzlehrerin aus Biebergemünd die bundesweite Koordinatorin und Ansprechpartnerin für Fragen rund um den orientalischen Tanz im DTV.
dung über eine Deutsche Meisterschaft bis hin zur Zulassung als Teilnehmer bei den Olympischen Spielen. Von offizieller Seite ist damit die Fachübungsleiterausbildung für
orientalischen Tanz (FÜL-C-OT) anerkannt, die von vielen
Tänzerinnen jahrelang vergebens gefordert wurde. Jedoch
entspricht die Fachübungsleiterausbildung nicht einer
Berufsausbildung, die es im orientalischen Tanz nicht gibt.
Seit drei Jahren organisiert Shalimar im Spitzenverband des
Deutschen Olympischen Sportbunds die Ausbildung und
Qualifizierung der Fachübungsleiterinnen in dieser neuen
Breitensportdisziplin und bildete bereits über 60 lizenzierte
Lehrkräfte für Tanzsportvereine aus dem gesamten Bundes-
Der DTV ist ein Spitzen- und Fachverband des Deutschen
Olympischen Sportbundes DOSB (ehemals "Deutscher
Sportbund - DSB") mit ca. 220.000 Mitgliedern. In ihm sind
weitere Spitzen- und Fachverbände wie der Deutsche Fußballbund (DFB), der Deutsche Turnerbund (DTB), der Deutsche Handballbund (DHB) u. a. organisiert. Dies entspricht
insgesamt etwa 27 Millionen Mitgliedern (ca. jeder 3.
Bundesbürger). Der DOSB untersteht dem für Sport zuständigen Bundesinnenministerium und bestimmt als zuständiges Organ eigenverantwortlich das gesamte deutsche Verbandssportwesen, angefangen von der Übungsleiterausbil-
gebiet aus. Damit trug sie ihren Teil bei, diesen Tanz von
seinem Klischee behafteten Image als Animationstanz zu
befreien. In vielen Vereinen, Tanzschulen, Volkshochschulen und Fitnessstudios ist nun auch der orientalische Tanz
als Angebot nicht mehr wegzudenken.
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Weitere Infos unter:
www.uebungsleiter-ot.de
www.dtv.de,
www.tanzsport.de
Tribal Dance
Al-Maqam sprach mit Samira
Fotos: André Elbing
Samira, was ist Tribal eigentlich
genau?
Es ist ein absoluter Phantasietanz, der
in den 60er Jahren in Amerika entstanden ist. Man suchte eine Auftrittstanzform, die man auf Märkten, unseren Mittelaltermärkten vergleichbar,
tanzen kann. Es wurde dann irgendetwas Künstliches zusammengesetzt
und das war der Grundstock für den
Tribal Dance. Man nannte das "Elemente der verschiedensten ethnischen Gruppen", vor allem vom
Kostüm her, mittlerweile auch musiktechnisch und fügt das irgendwie
zusammen und das ist dann Tribal.
Der Begriff "Tribal Style Belly Dance"
stammt aus den 60er/70er Jahren, als
"in Kalifornien ein Bedarf nach Tänzen entstand, die aussahen, als wären
sie von alten Stämmen (Tribe =
Stamm) so wie sie reisende Emigranten vor 400 Jahren in Amerika getanzt
haben könnten." So stand es einmal
in der TanzOriental. Die große Jamila
Salimpour gab sich größte Mühe mit
"lebendigen Traditionen und Zeitzeugen aus früheren Jahrhunderten, aus
Miniaturen, Gemälden und Grafiken
ein Repertoire an Tribal-Tänzen für
eine Show zusammen zu stellen."
Das sagt eigentlich alles. Sie kreierte
etwas anhand von Bildern. Das war
der eigentliche Ursprung des Tribal
Dance. Die Fat Chance Belly Dance
Gruppe hat dann alles ein bisschen
mehr kultiviert und dann ist es nach
Europa, nach Deutschland rübergeschwappt.
Ich habe gelesen, dass der Tribal
möglicherweise schon vor 40
Jahren in Amerika entstanden ist.
Damals gab es bei uns ja auch
schon diese Mittelalterszene.
Ja, die gab es, da wurde aber nicht
versucht, etwas zu fusionieren, sondern wirklich die alten überlieferten
Tänze wieder aufleben zu lassen und
weiter zu tanzen.
Wodurch unterscheidet sich der
Tribal Style Dance vom orientalischen Tanz?
Durch die Definition, durch das
Kostüm, durch die Musik usw. Aber
vor allen Dingen - das ist leider Gottes bei vielen Gruppen heute nicht
mehr, ich bin eine der wenigen, die
das wirklich noch durchführt, dass
man diesen Tribal Dance auch tanzen
kann ohne Choreographie, mit Zeichen und manchmal sind auch Laute
entwickelt worden, so dass die Gruppe genau weiß, jetzt kommt das oder
jetzt kommt das: nach rechts, nach
links, nach vorne oder wie auch
immer. Ich kann mit meiner Gruppe
zu irgendeiner Musik auftreten, egal
was, wenn es nicht gerade ein 9/8Rhythmus ist. Also ein gerader Rhythmus und dann sieht es immer aus, als
ob wir eine Choreographie tanzen
45
würden, tun wir aber nicht. Das hängt
natürlich auch damit zusammen, dass
wir uns jetzt schon so lange kennen.
Da braucht man nur mit dem Finger
zu zucken, dann wissen die schon,
was ich will. Aber ich könnte das auch
mit fremden Gruppen machen. Also,
wer die Grundlagen nach Fat Chance
gelernt hat, so wie eigentlich alle
Gruppen, alle Stämme angefangen
haben auf der ganzen Welt, mit dem
könnte ich zusammen tanzen, selbst
mit einer Tribal Gruppe aus Japan.
Das wäre ohne weiteres möglich,
wenn ich mich an die Originalsprache
halte und keinen Dialekt einführe. Das
ist auch etwas ganz Wichtiges.
Dazu gehört jetzt meine Frage, ob
man Tribal tanzen kann, ohne
Kenntnisse im orientalischen Tanz.
Ja, ich sage ja. Die Damen haben es
dann etwas schwerer, vor allem weil
einige Bewegungen auch aus dem
orientalischen Tanz kommen. Z. B.
"stehende Achten", also Hüftschleifen,
die weichen, weiblichen Bewegungen,
die können natürlich gelernte orientalische Tänzerinnen manchmal wesentlich besser ausführen als eine, die
ganz neu dazu gekommen ist. Ich
habe in meinem Stamm auch eine,
die früher mit orientalischem Tanz
absolut nichts zu tun hatte. Die hat
sich mittlerweile wunderbar eingefügt.
Das war überhaupt kein Problem.
Wie kam es zu der Bezeichnung
“Stämme”? Warum nennt es sich
eigentlich "Tribal"?
Wegen dieser Mittelaltergeschichte.
Man hat ja damals etwas Ursprüngliches gesucht. Ich denke da - das
kommt mir jetzt so ganz spontan - an
Indianerstamm. Amerika - Indianer Stämme. Da hat auch jeder Stamm
eine eigene "Mode" oder Bemalung
oder wie auch immer.
Also eigene Kennzeichen, eigene
Traditionen?
Das ist auch so etwas Besonderes.
Beim Tribal bildet sich eine ganz feste
Gruppe. Es ist anders als im orientalischen Tanz. Wenn eine dazu kommt,
der pappt man die Choreographie hin
und die Musik und sagt, jetzt lern das.
Und dann kriegt sie ihren Platz und
basta. Beim Tribal Stamm geht das so
nicht so ohne weiteres. Wenn die
Frauen eine zeitlang zusammen sind,
dann entsteht da etwas un-ter ihnen.
Das erlebe ich jedes Mal wieder. Es
gibt natürlich auch Gruppen, da entsteht gar nichts. In der Regel ist es so,
dass etwas entsteht. Dann sind die
Frauen eine eingeschworene Gemein-
schaft. Dann überlegen sie auch: Wie
zeichnen wir uns jetzt gegenüber
anderen Stämmen aus - mittlerweile
gibt es ja eine ganze Menge. Was
machen wir mit unseren Kostümen,
um etwas anders auszusehen oder
wie machen wir die Bemalungen?
Machen wir uns alle Punkte oder Striche oder wie auch immer? Ganz
wichtig auch, wie nennen wir uns. Das
ist fast noch wichtiger als im orientalischen Tanz: Die Gruppe Sowieso
Sowieso. Das ist dann halt die Gruppe. Aber hier, mein Hauptstamm heißt
Ganesh. Also, das sind die Ganeshas.
Das ist etwas ganz Festes, ganz Eigenes.
Jetzt hast du auch schon die nächste Frage mit beantwortet nach
den Stammeszeichen und den
Tattoos.
Also, wir Ganeshas haben einen stilisierten Elefantenkopf als Stammeszeichen. Das hat sich mal so ergeben. Da
hatte ich mal eine Idee, ein Elefant, und
jetzt ist das so ein Kringel mit einem
Punkt drin. Aber jede Gruppe überlegt
sich da etwas. Ich habe einen zweiten
Stamm, der ist jetzt seit einem Jahr
zusammen. Die haben sich vor zwei
Wochen den Namen "Nakanja" gegeben. Das ist eine indische Schlangengöttin, die steht auch für die Behüterin
des Wassers, der Frauen sowieso. Sie
hat einen Frauenoberkörper und einen
Schlangenunterleib. Da haben die
Mädels schon gesagt, da können wir
uns wunderbar Schlangen aufmalen.
D. h. die Gruppe sucht sich selbst
den Namen und die Zeichen
dazu?
Tribal in Urform
46
Ja, also erst gibt es ein paar Frauen,
dann entsteht eine Gruppe bzw. ein
Stamm und irgendwann kommt dann
unwiderruflich die Frage, “Wie nennen wir uns?” Dann haben wir uns
erst einmal einen Arbeitsnamen gege-
ben und dann kommt da plötzlich
eine an: "Ich hab' da was entdeckt"
und schon sind alle dabei und sagen,
"Das ist es!" Dann haben die ihren
Namen und dann geht es direkt los,
wie geht das mit den Zeichen, wie
sollen wir uns darstellen, was malen
wir uns ins Gesicht, um zu sagen, wir
sind die Nakanjas.
Es gibt ja schon viele Stämme, die
sich spezialisieren auf z. B.
Mittelalter, Nordafrikanisch,
Afrikanisch, Indisch, Zigeuner
usw. Dann haben sie auch spezielle Stammeszeichen, Tattoos,
Kostüme usw.?
Ich mache ja diese Tribal Show. Die
Idee für diese Show ist mal bei einem
Tribal Treff entstanden. Erst hielt ich
eine reine Tribal Show für zu langweilig. Vor fünf Jahren wäre es das auch
gewesen, weil im Prinzip alle, bis auf
ganz wenige Ausnahmen, ähnliche
Kostüme angehabt hätten, also alle
sehr mittelalterlich, mit Turban und
ganz viel Schmuck usw. und auch alle
wahrscheinlich ähnliche Musik gehabt
hätten. Es wäre alles irgendwie gleich
gewesen. Dann ging eine rasante Entwicklung los. Jeder überlegte sich, wie
kann ich mich da absetzen von dem
Stamm sowieso oder von den Normalstämmen. Deswegen habe ich
dann auch gewagt eine Tribal Show zu
machen. Es ist wirklich Wahnsinn, was
sich da entwickelt, nicht nur hier in
Deutschland, sondern auch in Holland
und jetzt habe ich die ersten Kontakte
zu einer ungarischen Gruppe. Und
nächstes Jahr sind mehrere ungarische
Gruppen und eine tschechische
dabei. Also, ich bin total gespannt.
gefragt. Ich habe gesagt, ich habe
nicht die leiseste Idee. Ich schätze
aber, dass locker 300 oder 400 Gruppen mittlerweile in Deutschland existieren. Scharazad meinte, das wäre
etwas zu viel, aber ich denke, dass
das doch relativ realistisch ist. Allein,
wenn ich denke, es haben sich bei
mir für die nächste Tribal Show fast
dreißig Gruppen angemeldet, um bei
mir mitmachen zu dürfen. Also, wie
gesagt, es weiß keiner genau, aber es
gibt mittlerweile sehr, sehr viele.
Dadurch ist auch wieder ein ganz
neuer Markt entstanden: der afghanische Schmuck, der alte Schmuck, diese ganzen Berbersachen. Was ganz
interessant ist, das erlebe ich also
auch, über diesen Tribal erinnert man
sich oder beschäftigt sich plötzlich mit
den wirklichen Ursprüngen der Tänze. Also z. B. indischer Tanz oder
Ghawazee oder Berbertänze oder
was auch immer. Ich merke also
immer mehr, dass man sagt, wir wollen ein bisschen mehr aus diesem
Bereich nehmen. Wie sieht der Tanz
denn wirklich aus. Und dann sucht
man sich eine Lehrerin nur für diesen
Tanz und dann wandele ich das dann
ab für meinen Tribal.
Und zum Schluss die Frage, wie
bist Du eigentlich zum Tribal
gekommen?
Soll ich ganz ehrlich sein? Ich habe
das erste Mal Tribal gesehen, das
muss mittlerweile so ca. 6, eher 7 Jahre her sein - beim Bundesverband für
orientalischen Tanz, das werde ich nie
vergessen - und fand es scheußlich.
Ich muss dazu sagen, das war abends
spät, in einem total überfüllten, stickigen Raum. Und dann habe ich meine
eigene Tanzschule eröffnet, also Tanzschule für orientalischen Tanz, also
reinen Bauchtanz. Da kam eine Schülerin zu mir und hat mich gefragt, ob
ich nicht Lust hätte, Tribal zu unterrichten. Erst habe ich gedacht, nee.
Aber andererseits habe ich mir
gedacht, ich bin ja jetzt auch
Geschäftsfrau. Wenn dann so etwas
kommt, beschäftige dich doch mal
damit. Dann habe ich angefangen,
mich damit zu beschäftigen, habe
darüber auch Scherazad kennen
gelernt, die das damals ja schon in
Deutschland unterrichtete, hab mal
ein paar Workshops besucht usw. und
hab mit ein paar Mädels, die ich
schon länger aus meiner Tanzschule
Hast du eine Idee, wie viel
Tribalgruppen oder Stämme es
inzwischen in Deutschland gibt?
Hat mich Scherazad auch letztens
martialischer Säbeltanz
47
kannte einfach angefangen. Das ist
eingeschlagen wie eine Bombe. Wir
hatten alle einen irrsinnigen Spaß daran. Ich habe immer weiter Workshops
besucht, immer wieder neue Eindrücke bekommen, Schritte, Kombis,
habe DVDs und Videos geguckt. Und
dann haben wir zusammen einiges
entwickelt. So bin ich dazu gekommen. Eigentlich nur, weil eine Schülerin gefragt hat. Sonst hätte es wohl
noch ein paar Jahre länger gedauert.
Dann waren in null Komma nichts 11
Frauen zusammen. Wir sind jetzt seit
5 Jahren und 7 Monaten zusammen.
Fast alle von Anfang an dabei geblieben. Einige wenige sind weggegangen. Aber es sind auch ein paar neue
nachgerückt.
Bei der Gelegenheit fällt mir noch
eine Frage ein. Ich habe irgendwo
gelesen: "Der Stamm ist vollständig", was heißt das?
Das heißt, dass alle Mitglieder dabei
sind. Also mein Stamm besteht zurzeit
aus 11 Mitgliedern und er ist vollständig, wenn alle 11 da sind.
Ich hatte das so verstanden, dass
maximal vielleicht 15 Mitglieder in
einen Stamm passen.
Nein. Also theoretisch kannst du mit
unendlich vielen zusammen tanzen.
Das ist dann eine Frage der Räumlichkeiten. Scherazad hat es in der ersten
Triba Show geschafft, mit 120 Frauen
zusammen zu tanzen. Im Kloster Langenwaden, wo ich ein Tribaltreffen
mache, haben wir letztes Jahr mit 40
Frauen zusammen getanzt. Das war
ein Wahnsinnserlebnis. Und alle verstehen die Grundsprache, und alle
können zusammen tanzen.
Ich glaube, in Berlin gibt es niemanden, der Tribal macht, oder?
In Berlin, …?
Also, ich weiß, dass immer mal
jemand kommt und einen
Workshop anbietet. Aber von
einer Gruppe habe ich bisher
noch nichts gehört.
Das muss Spaß machen, egal ob man
dick oder dünn, groß oder klein ist.
Das kriegt man schon irgendwie passend zusammen. Bei meinem Stamm
ist die jüngste 29 und die älteste wird
diese Jahr 60 und wir haben von 50
kg bis 100 kg alles dabei. Jede hat ihre
Qualitäten und kann die auch mit einfügen. Das passt schon, es muss nicht
alles gleich groß sein und gleich dünn
sein. Ich hab' noch einen ganz großen
Traum: was den Tribal anbelangt, eine
Welt umfassende Veranstaltung zu
machen. Also, ich habe ja jetzt angefangen mit dieser Tribal Show. Die ist
ja im Prinzip schon fast europaweit,
kann man sagen. Irgendwann wird
sich auch mal eine Gruppe aus Frankreich, oder weiß ich woher, melden.
Aber das ist wirklich ein Traum von
mir, wenn z. B. Ursprungsgruppen wenn Fat Chance, oder was davon
noch existiert - aus Amerika kommen
würde, aus Nordeuropa und - ich
weiß in Australien gibt es Gruppen von überall her, wenn die mal hierher
kommen würden. Aber da muss ich
jetzt erst einmal einen Sponsor
suchen, der das alles finanziert.
Ein bisschen ist es ja jetzt auch verbreitet worden über die Belly Dance
Superstars. Es ist schon irre, was die
Sharon Kihara in Gang gebracht hat.
Das versuchen auch viele umzusetzen.
Ich persönlich kann das nicht, das ist
nicht mein Ding. Aber es gibt einige
Gruppen, die können das fantastisch.
Das kommt hervorragend rüber, dann
nicht alleine sondern in der Gruppe.
Dankeschön für das Gespräch.
Ja, dann hätte ich gern auch ein Belegexemplar für mein Tagebuch. Ich habe
nämlich für die Ganeshas, das ist meine Stammgruppe, ein Tagebuch, von
jedem Auftritt oder wenn bei uns im
Studio irgendetwas Besonderes passiert. Das sind zwei ganz dicke Aktenordner voll. Das ist sehr interessant,
was dort alles drin ist. Eine russische
Zeitschrift, Bauchtanzzeitschrift, hat
etwas über unseren Tribal hier
geschrieben. Ich hab' es mir übersetzen lassen, das war sehr interessant.
Tribal auf mongolische Art
48
Alles Tribal
Benefiz-Veranstaltung
Text: Alexandra Trapp, Meike Münch
Fotos: André Elbing
Trommelgruppe KIBO DAIKO und das Tribal Dance Ensemble Asita
Am 29. April 2006 veranstaltete SAMIRA (Monika Wiemann) in Viersen die
zweite TRIBAL-STYLE-DANCE Show
zu Gunsten der Fibromyalgie Liga e. V.
Tribal Dance hat in den vergangenen
Jahren auch in Deutschland stark an
Popularität gewonnen, ein regelrechter
"Tribal-Boom" hat sich in der orientalischen Tanzszene breit gemacht. Das
faszinierende am Tribal ist, dass alle
Gruppen ihren eigenen Stil und Ausdruck finden und ihrer Kreativität
freien Lauf lassen können, sei es in der
Art zu tanzen oder in dem Stil der
Kleidung. An diesem Abend stellten
insgesamt 16 Gruppen ihr Können und
ihre Freude am Tanz unter Beweis,
was dem Publikum ein abwechslungsreiches Programm bescherte.
Den Anfang machte die Gruppe
AKRAM AS AKTHAR, deren Stammesmutter RANJA ihre Frauen just aus Attilas Harem nach Viersen geführt hat.
Shahrazad und Ensemble
Sechs mit Säbeln bewaffnete und in
Leder gehüllte Amazonen hatten es
zunächst auf die Köpfe einzelner
Gäste abgesehen, formierten sich
dann aber auf der Bühne und boten
einen abwechslungsreichen Tanz mit
zahlreichen Kreisformationen. Die
Gruppe MYSTIC ORIENTAL musste als
erstes mit technischen Schwierigkeiten
fertig werden, da immer wieder eine
falsche Musik aufgelegt wurde. Aber
die Tänzerinnen haben dies souverän
mit einem herzlichen Lachen gemeistert. Die BENAT KOM OMBO aus
Engelskirchen, Vertreterinnen des
GYPSY TRIBAL, zeigten Tänze mit
Tamburin und fliegenden Röcken zu
9/8 Rhythmen. Die 10 Zigeunerinnen
traten sehr selbstbewusst und keck auf
und brachten lautstark ihren Spaß am
Tanzen zum Ausdruck. Es kam "echte"
Balkanstimmung auf. Im Anschluss
zeigten PANTHA REI (= alles fließt),
dass Tribal eine Mischung, ein fließender Übergang zu verschiedenen Tanzstilen ist. Sie mischten arabische Folkloretänze mit indischer Gestik und
tanzten mit Stöcken. Die Gruppe
BENAZIR trat zu mittelalterlicher
Musik von CORVUS CORAX und
CULTUS FEROX auf. Die jungen Frauen trugen Turbane und hatten schillernde Saris um. Diese Saris entpuppten sich jedoch während des Tanzes
als Fahnen, die wie Isis-Flügel an den
Enden mit Stöcken versehen waren
und mit denen eindrucksvolle Bilder
gezaubert wurden. Verschleiert und
mit Säbeln bewaffnet wirkten die Tänzerinnen der Gruppe GOONDARANI
bedrohlich wie Wüstenkrieger. Sie
boten eine gekonnte Säbelperformance und bewiesen danach auf flotte
BOLLYWOOD Musik ihr Rhythmusgefühl, indem sie mit einer Art Klanghölzern tanzend immer schneller werdende Rhythmen schlugen. Nach der
Pause eröffnete die Gruppe HANDS,
HIPS & CIRCUMSTANCES den zweiten Teil der Show und bot nach einem
kurzen Intro für die Glücksgöttin Fortuna Tribal Dance im Zeichen von
GYPSY CARAVAN. DAHRI RAKASAT
bedeutet "Tänzerinnen für immer"
und die acht Frauen haben es sich
zum Ziel gesetzt, ihren inneren
Trommler zu finden und zu erwecken.
Gänzlich ohne Musik improvisierte
der Stamm im ersten Teil auf Klatschen, Stampfen und Zunge schnalzen, sogar das Rauschen der weiten
Röcke wurde in die eigene Klangkomposition einbezogen. Im Anschluss
präsentierte sich BENAT MANAT mit
Tänzerinnen aus Holland und
Deutschland. Weiter ging es mit dem
aus Ungarn stammenden Tribe EMEL
TRIBAL, der bewies, dass Tribal grenzen- und alterslos ist. Der Tanzlevel
der 15 Tänzerinnen war so unterschiedlich wie ihr optisches Erscheinungsbild. Jede trug ein anderes Outfit, nach ihrem eigenen Geschmack
eben. Eine ausgefeilte Choreographie
der Stammesmutter sorgte dafür, dass
die unterschiedlichen Levels sich dennoch sehr stimmig und homogen präsentierten. Die erste holländische
Showtanzgruppe für Tribal Style, TRIBAL MYSTICA, schuf mit gedimmter
Bühnenbeleuchtung und Schwarzlicht
den mystischen Rahmen für ihre per-
49
fekte Ode an frühere weibliche Kriegsstämme und Heldinnen, die wohl
jedem Zuschauer eine Gänsehaut
bescherte.
Der
Stamm
ALLAT
DALANDA unter der Leitung von
APSARA HABIBA, als afrikanische
Kriegerinnen gestylt, mit einer wilden
Kriegsbemalung und Schildern und
Speeren bestückt, zeigte eine sehr
temperament- und kraftvolle Tanzshow, die die Zuschauer vom ersten
Moment an fesselte. Der letzte Programmblock wurde von der TAIKO
Trommelgruppe KIBO DAIKO aus
Duisburg eröffnet. ("Ki" = "geistige
Kraft" und "Bo" = [Trommel-Stock] Das
TRIBAL DANCE ENSEMBLE ASITA
zeigte danach einen farbenprächtigen
Afro-Tribal. Ein weiteres Highlight bot
die Gruppe THE UZUME, deren Tänzerinnen wie Geishas auf die Bühne
schwebten. Ihre Hüften wurden von
Bambusranken geziert und sie boten
ein
wahrhaft
exotisches
Bild.
Abwechslungsreich und mit Lebensfreude gepaart zeigte die Gruppe
ARAGIRA unter der Leitung von SHALIA aus Koblenz, dass Tribal seinen
festen Platz in der Mittelalterszene hat
großes Finale
50
und sogar zu mongolischer Musik
tanzbar ist. Darüber hinaus zeigte
KYRA als Solistin ihren bisher einzigartigen TRIBAL-STEP. Die Gruppe SHIR
O'SHAKAR nahm das Publikum mit
auf eine Reise von Indien über NordAfrika bis zu den Balearen. Die Gruppe zeichnete sich besonders durch
ihren sehr gefühlvollen Ausdruck aus.
Gefühlvoll und imposant präsentierte
sich ebenfalls SHAHRAZAD &
ENSEMBLE, die als WEIßE HORDE die
Bühne eroberten. Inspiriert durch
URBAN TRIBAL und fernöstlichen
Tempeltanz entführten sie - mit thailändischen Fingerspitzen bestückt und
mit sphärischer Musik - die Zuschauer
in eine andere Welt. Im Anschluss daran trat die Gruppe GANESH unter der
Leitung der Gastgeberin Samira auf.
Von Live-Musikern unterstützt zeigten
sie eine reine Improvisation, wobei
zum Schluss noch ein Musiker mit
Digeridoo-Spieler dazu kam. Zum
Finale bedankte sich Samira nochmals
bei allen Gruppen und zeichnete
Shahrazad als "Mutter" vieler Tänzerinnen aus. Sharazad führte dann auch
beim letzten Tanz weit über 100 Tän-
zerinnen auf der Bühne an und es bot
sich ein unvergesslicher Eindruck.
Auch im nächsten Jahr wird Samira
wieder zur Tribal-Show nach Viersen
einladen und man darf jetzt schon auf
die neuen Ideen der Tänzerinnen
gespannt sein …
Tribal-Infos
www.samira-habibi.de mit einer regelrechten Datenbank
www.tanz-oase.de
www.apsarahabiba.de/tribal.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Tribal_Styl
e_Dance
www.fcbd.com
www.tribal-style-dance.info
www.oriental-dance.net/lexikon-tribaldance.html
www.goondarani.de
u. v. a.
My country is a paradise
Warum eine Deutsche von syrischen Olivenplantagen träumt
und eine Syrerin von "Herz 4"
Samia Susann Trabolsi
“My country is a Paradise” versprach
Jusuf seiner Frau Beate vor 23 Jahren
und ein Leben im Olivenhain nahe
der türkischen Grenze, bevor sich die
naturverbundene Hamburgerin mit
ihrem frisch vermählten Ehemann in
Aleppo, einer schmutzigen lauten
und großen Stadt, wiederfand und
seitdem dort Deutsch unterrichtet,
damit syrische Studenten ihrem
„Paradies“ Deutschland ein kleines
Stückchen näher kommen
Warme Sonnenstrahlen fallen ins
Zimmer und lassen die bunten Kissen
mit orientalischen Mustern leuchten.
Eine orange-gelbe Katze schlängelt
sich an der Familie vorbei in den Vorgarten, wo mehrere Pullis und Hosen
auf der Leine hängen, ausschließlich
Frauensachen, durch eine große
Hecke geschützt vor dem Blick der
Fußgänger.
Tage wie heute sind selten, an denen
die Familie Schubert freitags zusammen sitzt und frühstückt. Das ist deswegen so, weil die Töchter Juana (17)
und Djamila (24) in den Wintermonaten ein paar Häuserblocks entfernt
bei ihrem Vater Jusuf leben. Seit 24
Jahren lebt Beate im syrischen Aleppo, der Heimatstadt ihres Mannes.
Nach einem Streit mit der Familie des
Mannes zog das junge Paar mit beiden Kindern vom Land nach Aleppo.
Das war für Beate die erste große
Enttäuschung, denn nach Syrien ging
die Hamburgerin nur, weil sie das
Stadtleben in Hamburg satt hatte:
„Ich träumte damals von einem
Leben auf einer Olivenplantage nahe
der syrisch- türkischen Grenze. Und
mein Exmann sagte immer: My country is a paradise. Wir träumten von
einem Haus in der Natur. Stattdessen
landete ich hier in Aleppo, einer lauten Stadt, die niemals zu schlafen
scheint. Ich habe mich getrennt, das
hätte ich nie geglaubt, denn er war
die große Liebe meines Lebens. Wir
haben uns in Rom kennen gelernt,
aber als ich in Syrien ankam, stellte
ich fest, dass er noch nie gearbeitet
hat, denn er ist der Sohn eines Großgrundbesitzers. Das einzige, was er
tut, ist malen.“
Die Mädchen decken widerwillig den
Frühstückstisch ab, ein Wortschwall
aus Arabisch und Deutsch erklingt, bis
die Badezimmertür laut ins Schloss
fällt. In drei Stunden wird Juana ein
Date haben, und die 19jährige kann
sich nicht entscheiden, was sie anziehen soll.
Aleppo bekannt und so hilft Mahmoods ganze Familie, die 400 Lira
(sechs Euro) zusammenzukratzen,
die eine Deutschstunde kostet. Dafür
versprechen sie sich jedoch auch
eine Unterstützung, wenn aus Mahmood dann ein Arzt geworden ist.
Während Beate an der Tafel im
Wohnzimmer erklärt, dass alle Wörter mit der Endung „chen“ stets sächlich sind, tropft in der Küche der Tchibokaffee durch die Kaffeemaschine.
Die älteste Tochter Djamila holt eine
große Tasse aus dem Schrank: „So
gewöhnen sich die Studenten meiner
Mutter langsam an den deutschen
Kaffee, bevor sie in Deutschland sind.
Hier in Syrien wird nämlich Mokka,
also Kaffee mit Kardamon, getrunken.
Den macht man ohne Kaffeemaschine, nur in einem Metallkännchen auf
dem Feuer.“ Auf die Frage, ob sie es
schwierig finde, als Tochter einer
deutschen Mutter und eines syrischen Vaters in Syrien zu leben, überlegt Djamila nicht lang: „Also die
Syrer sehen mich als Syrerin mit deutschem Verhalten, da mir meine Mutter mehr Freiheiten lässt.“ Und
Es klingelt an der Tür, Mahmood, ein
Medizinstudent, betritt den Raum.
„Setz dich, willst du einen Kaffee?“
fragt Beate auf
Deutsch. Mahmood
versteht und bejaht.
Er ist einer der vielen Syrer, die nach
Deutschland wollen, um dort ihr
Glück zu finden.
Dafür
muss
er
jedoch Deutsch lernen. Beate ist als
gute Lehrerin in Frau mit Viehfutter, Foto: Barbara Schumacher
51
lachend fügt sie hinzu: “Ein Junge
meinte jedoch einmal zu mir M
´ ade in
Germany´ “. In Deutschland sei das
Leben für ein Mädchen einfacher,
erklärt sie. „Du kannst einfach auf der
Strasse laufen, ohne dir bewusst sein
zu müssen, wie du lachen musst, wie
du laufen sollst, wen du ansprechen
sollst. Das ist viel unkomplizierter. Bei
uns ist es nicht so. Man muss immer
daran denken, was die Leute jetzt
von einem denken. Das kann ich gar
nicht ertragen, denn ich bin ein sehr
offener Mensch, und die Regeln hier
stören mich sehr. Außerdem lügt man
in Syrien öfter als in Deutschland,
man redet drum herum, ehe man
etwas Konkretes sagt. Die Deutschen
dagegen sind viel direkter, dafür aber
haben sie weniger Leidenschaft,
kümmern sich weniger um die Familie und arbeiten zu viel. Was ich nicht
gut finde, ist, dass sie die Ausländer
nicht mögen. Aber vielleicht ist das
auch normal, es gibt ja auch sehr viele.“
Juana betritt fertig gestylt die Küche:
In weißen Stiefeln und einer engen
Röhrenjeans: „So etwas trägt man
hier, das ist ganz normal. Auch die
Haare müssen gefönt sein und Make
up darf nicht fehlen. Das kann sich in
Deutschland keiner vorstellen, wie
die syrischen Frauen aussehen, wenn
sie ausgehen. Die Deutschen mögen
kein Make up, aber hier gehört das
dazu.“ Djamila schaut prüfend das
Outfit ihrer Schwester an und runzelt
die Stirn: „Nein, ich finde es nicht
gut, dass sich Juana so stark schminkt.
Auch nicht, dass sie Stiefel anzieht, in
denen sie kaum laufen kann. Wenn
ihre Mutter die sehen wird…!“ Das
Telefon klingelt, Juana springt in den
Korridor, greift zum Hörer, kichert
und flüstert leise. Djamila grinst:
„Hier in Syrien hat jeder einen
Freund, aber es geheim zu halten, ist
sehr kompliziert, aber wichtig. Wenn
man mit einem Jungen alleine auf der
Strasse läuft, der nicht mit dir verwandt ist, reden alle schlecht über
dich. Es gibt Stress mit den Eltern und
der Polizei, die dich anhalten und fragen, ob du mit dem Jungen verwandt
bist. Hier ist das sehr streng, selbst
eine einfache Unterhaltung bringt
Probleme. Das ist für mich ein
Grund, nach Deutschland zu gehen.
auf dem Gemüsemarkt, Foto: Claus und Edeltraut Rautenstrauch
52
Dort unterscheidet man zwischen
Freundschaft und Liebe, man redet
nicht schlecht über dich und wird
nicht falsch verstanden!“
Beate versucht, ihre Kinder westlich zu
erziehen und dennoch orientalische
Bräuche und Regeln zu beachten,
damit ihre Kinder im Alltag nicht anekken. Doch das ist eine schwierige
Gradwanderung: „Natürlich sind die
Mädchen in einem Alter, wo sie gerne
ausgehen und sich mit Jungs unterhalten wollen, ohne gleich ans Heiraten
zu denken. Doch die Gesellschaft
erzieht immer mit. Meine Kinder verhalten sich trotz meiner offenen Erziehung sehr orientalisch.“ Für Djamila ist
klar, wenn sie ihr Geschichtsstudium
beendet hat, wird sie nach Deutschland
gehen: „Ich fühle mich sehr wohl in
Deutschland, dort bin ich einfach viel
natürlicher, einfach mehr ich …“
Lautes Schimpfen im Korridor. Juana
blockiert das Telefon schon eine
Stunde und die Mutter zieht den
Stecker. Juana setzt sich maulend in
die Küche und gießt sich einen Kaffee
ein. In vier Monaten wird die Schülerin ihre Abiturprüfung haben. Bis
Ostern will sie in Deutschland sein
und sich einen Ausbildungsplatz
suchen. Obwohl sie schon oft in
Deutschland war, ähnelt der Traum
der 19jährigen Stereotypen amerikanischer Serien: „Ich stelle mir ein großes Büro in einem Hochhaus vor mit
einem Geschäftsmann, für den ich
arbeite, ich bin die Privatsekretärin
und ich kann alles bestimmen, das
finde ich toll.“ Einen Anfang in
Deutschland stellt sich Juana überhaupt nicht schwer vor. Lediglich das
Deutsch und das Englisch muss verbessert werden: „Außerdem habe ich
ein Konto in Deutschland, da ist zwar
nicht viel drauf, aber ich habe von
„Herz vier“ gehört und da kriegst du
die Miete bezahlt und noch ein bisschen Geld dazu. Das finde ich
super. Bei uns in Syrien kriegst du gar
nichts bezahlt. Das ist doch schon
mal ein Anfang. Ich habe gehört, dass
man das mit Abitur kriegt, deswegen
arbeite ich jetzt dran, das ich das
„Herz vier“ kriege.“ Djamila lacht
und kneift der jüngeren Schwester
scherzhaft in die Wange: „Das Haaaartz Vieeeeer“ kriegste nur mit einer
„Vier“, da brauchst du Dich gar nicht
anzustrengen, Juana, Ralisa*!“
Die Mutter weiß, was auf ihre Kinder
in Deutschland zukommen wird. Die
Umstellung wird schwer sein: „Ich
weiß nicht, ob sie das alleine schaffen
werden. Hier ist man sehr behütet
von der Familie, in Deutschland müssen die Kinder viel früher mehr
Eigenständigkeit zeigen. Auch meine
Deutschstudenten, die ich unterrichte, denken, da passiert etwas ganz
Großes, wenn sie nach Deutschland
kommen. Sie werden von mir deswegen zeitig genug darauf vorbereitet, dass sie in Deutschland nur einige
von vielen Ausländern sind und das
Leben schwer ist. Das genau ist für
mich ein persönlicher Konflikt, da ich
oftmals schon vorher ahne, dass viele
Studenten, denen ich die deutsche
Sprache beibringe, unglücklich aus
Deutschland zurückkehren werden.“
Juana hat sich entschlossen, doch
noch den blauen Pulli anzuziehen
und nimmt ihn von der Leine im Vorgarten. Es beginnt zu nieseln, das
Mädchen flucht. „Das ist einfach heute kein guter Ausgehtag!“, sagt sie.
Die orange-gelbe Katze windet sich
um ihre Beine. Nur noch 10 Minuten,
dann kommt das Taxi. „Die sind in
Deutschland viel teuer als hier. Da
fahren die Leute nur Taxi, wenn sie
Geld haben“, erklärt sie. Manchmal
hat Juana Angst, dass Deutschland für
junge Leute im Club, Foto: Samia Susann Trabolsi
sie kein Paradies sein wird und ihre
Träume platzen werden, genauso wie
die Vorstellungen der Mutter über ein
Leben in syrischen Olivenhainen.
„Klar wird das eine große Veränderung werden, wir sind ja hier in Syrien
aufgewachsen und unsere syrische
Familie ist hier und mein Vater, aber
trotzdem freue ich mich sehr auf
Deutschland. Ein bisschen Angst
habe ich davor, dass mir die Deutschen nicht wirklich gefallen und ich
feststellen muss, dass sie nicht so
sind, wie ich dachte, dass sie nicht zu
mir passen, aber ich denke schon, es
klappt alles.“
Es klingelt an der Tür, der nächste
Student kommt. Beate Schubert
stöhnt, denn sie ist müde, der Tag
wird lang. Fast 10 Stunden arbeitet
die Alleinerziehende für die teure
Miete und den Lebensunterhalt.
Trotzdem bereut sie es nicht, nach
Syrien gegangen zu sein: „ Ich hatte
eine schwere Zeit, als ich mich von
meinem Mann trennte, der Kontakt
zu meinen arabischen Freunden ist
seitdem weniger geworden, weil die
Ehemänner Angst davor haben, dass
ich als allein stehende westliche Frau
einen schlechten Einfluss auf ihre
Frauen ausüben würde. Also habe
ich mehr mit Deutschen zu tun, die
hier wohnen. Aber ich genieße trotzdem mein Leben hier in Syrien, ich
bin viel durch das Land gereist und
habe tolle Menschen kennen gelernt.
Ich bin jetzt über 50. Seit 23 Jahren
lebe ich also hier in Aleppo. Ich habe
mal gesagt, ich bin hier lebenslänglich. Nach 25 Jahren werde ich bei
guter Führung begnadigt. Zurück
nach Deutschland will ich aber nicht.
Das geht nicht, wenn man in einem
warmen Land gelebt hat. Ich kann
mir Sri Lanka oder Afrika vorstellen.
Dort kann man sicher auch als
Deutschlehrerin arbeiten. Allerdings
habe ich meine Töchter hier und
bevor ich nicht weiß, was die machen
und ob sie in Deutschland glücklich
sind, gehe ich von hier nicht weg.“
Ein Taxi hupt vor der Tür. Juana
springt aus dem Haus. Sie hat sich
doch noch einmal umgezogen. Eine
Tüte ist in ihrer Hand, worin sie die
weißen Stiefel versteckt hat, deren
Absätze ihre Mutter viel zu hoch findet. Beate ruft ihr etwas hinterher,
doch die Taxitür ist schon zu.
* Ralisa- Du Doofe!
53
Sensationsfund in Syrien
Deutsche Archäologen entdecken
Königsgrab
Claudia Groh
mit freundlicher Genehmigung des ZDF-Kulturmagazings ASPEKTE
Oft ist es die richtige Mischung aus
Geduld und Entdeckergeist, die
Archäologen belohnt. Im Fall Qatna
ist es genau so: Zwei Mal muss das
Tübinger Forscherteam um Prof.
Dr. Peter Pfälzner den Syrienaufenthalt verlängern, dann endlich stoßen die Wissenschaftler in der
größten Palastruine Vorderasiens
auf königliche Grabkammern aus
der späten Bronzezeit.
Als am 25. September 2002 in einem Korridor
unter dem Thronsaal des Königspalasts die ersten
Fundstück aus dem Königsgrab,
© Altorientalisches Seminar, Uni Tübingen;
Fotograf: Konrad Wita
Keilschriften freigelegt werden, gehen die Forscher auf dem Ruinenhügel von Tell Mishrife mit
neuem Eifer an die Grabungsarbeiten. Schon seit
1999 arbeitet das internationale Projekt mit syrischen, italienischen und deutschen Archäologenteams vor Ort in Qatna. Das deutsche Team hat
seinen Standort in Tübingen und steht unter der
Leitung von Prof. Dr. Peter Pfälzner. Das syrische
Team ist in Damaskus stationiert und steht unter
Leitung von Dr. Michel Maqdissi.
Die Ausgrabungsstätte liegt im Westen Syriens,
rund 200 Kilometer nördlich der Hauptstadt
Blick auf den königlichen Palast von Süden,
© Missione Archeologica dell’Univertisà di Udine a Mishrifeh, Dir. Daniele Morandi Bonacossi
54
Sowohl die Hethiter mussten auf
ihrem Weg nach Ägypten durch das
Hoheitsgebiet der syrischen Könige,
als auch die Babylonier auf Reisen
zum Mittelmeer. Qatna war von 1800
bis 1600 v. Chr. ein völlig autonomes
Königreich. Auf Grund seiner strategisch günstigen Lage an zwei Handelswegen konnten seine Herrscher
über die Jahrhunderte ungeheure
Reichtümer anhäufen.
Erst als Qatna um 1600 v. Chr. unter
den Einfluss der Mitanni fällt, wird es
zum Vasallenstaat degradiert. Den
Endpunkt und das völlige Verschwinden der syrischen Könige markiert die
legendäre Schlacht um Kadesch 1260
v. Chr. Damals beanspruchen sowohl
Hethiter als auch Ägypter den Sieg
Luftbild des Grabungsgebietes, © Altorientalisches Seminar, Uni Tübingen; Fotograf: Konrad Wita
für sich.
Damaskus und ganz in der Nähe der
modernen Großstadt Homs. Auf einer
Fläche von einem Quadratkilometer
ragen hier noch immer die Festungswälle der Palastruine vielversprechend
in den Himmel. Ehrgeiziges Ziel der
Forscher ist es, nach und nach das
gesamte Areal großflächig freizulegen.
Ausgerechnet die Tübinger haben
Glück: In ihrem Quadrat liegen die
königlichen Grüfte. Bei den Grabungsarbeiten an dem rund 50 Meter
langen Korridor, dessen Niveau ständig abfällt, stoßen die Archäologen
am 10. November 2002 auf eine Tür.
Hier mündet der Gang in eine Kammer, die von schweren Steinmauern
eingefasst ist. Die Archäologen vermuten: Es muss die Außenkammer der
Grabanlage sein. Doch anfangs blokkieren Schutt und Geröll den Eingang
der in den Fels gehauenen Grabkammer.
Zunächst können die Wissenschaftler
nicht tiefer in das Dunkel der Grabkammern vordringen. Zu groß wäre
die Gefahr, sich mit Schimmelpilzen
zu infizieren, die sich in der jahrtau-
Den syrischen Königen nützt das
wenig. Ihre Kultur geht unter. Um so
spannender, dass jetzt mit der Entdekkung der Königsgräber unglaubliche
Funde auf die Forscher warten.
sendelang von Luft abgeschlossenen
Kammer ausgebreitet haben könnten.
Das Team könnte dann der "Fluch des
Pharao" ereilen. Deshalb montieren
die Forscher eine Kamera an eine lange Stange und schieben sie durch eine
kleine Öffnung in den Innenraum. Die
ersten "Funde" müssen sie daher auf
dem Bildschirm bestaunen.
Die große Überraschung ist: Von der
Hauptkammer gibt es anscheinend
Zugänge zu drei anderen Grabräumen. Und in einer dieser Nebenkammern sieht man bereits einen weiteren Sarkophag. Vor allem die zwei
Statuen vor der Grabkammer sind das
Indiz dafür, dass es sich in Qatna um
das Königsgrab handelt. Bevor die
Grabungen allerdings weitergehen
können, müssen erst die Proben aus
den Räumen der Grabkammer in
Deutschland analysiert werden. Wenn
dann die Trennwand abgebaut ist,
wird es noch einmal einige Tage dauern, bis die Forscher die Gruft betreten können. Denn zunächst muss der
Boden bearbeitet werden. Die Spezialisten aber sind sehr zuversichtlich.
Infos unter:
Prof. Dr. Peter Pfälzner
Altorientalisches Seminar,
Tel.: 0 70 71 29 7 67 71
Fax: 0 70 71 29 50 56
e-mail:
peter.pfaelzner@uni-tuebingen.de
www.qatna.de
www.qatna.org
55
Ausstellung
Saladin und die Kreuzfahrer
in den Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim
Die Ausstellung in den
Reiss-Engelhorn-Museen in
Mannheim hat sich zur Aufgabe gesetzt, die Begegnung zweier Welten, der
zwischen Orient und Okzident - bewusst mit einer
Anspielung auf die aktuellen Geschehnisse - zur Zeit
der Kreuzfahrer zu zeigen.
Mit 300 Exponaten aus Museen,
Bibliotheken und Sammlungen in
Europa und dem Orient, ergänzt um
Modelle von Burgen, Kirchen und
anderen Bauwerken dokumentiert die
Ausstellung Saladin und die Kreuzfahrer die Begegnung zweier Kulturen im
Orient.
ebenso legendären Richard Löwenherz
(1157 - 1199) thematisiert die Ausstellung kriegerische Begegnungen und
friedlichen Austausch einer Zeit, die
viele Jahrhunderte lang Historiker und
Dichter gleichermaßen faszinierte.
1099 eroberten die Kreuzfahrer unter
der Führung Gottfrieds von Bouillon
Jerusalem. Er war der Gründer des
Königreichs von Jerusalem. Erst 1187
konnte Saladin die Heilige Stadt zurück
erobern. Der englische König Richard
Löwenherz hatte vergeblich versucht,
Jerusalem für die Christenheit zurückzuerobern. 1192 schlossen Saladin und
Richard Löwenherz einen Waffenstillstandsvertrag, der die Herrschaft über
Jerusalem in Saladins Hände legte.
Dieser gewährte allen christlichen Pilgern freien Zugang zu den heiligen
Stätten.
Highlights der Ausstellung
Orient trifft Okzident
Am Beispiel des sagenumwobenen
Sultans Saladin (1138 - 1193) und dem
Saladin und die Kreuzfahrer stellt beide
Kulturen gegenüber und beleuchtet
inwieweit sie sich beeinflussten, insbesondere in ihrer Kunst und
Kultur.
Über den Handel erfolgte
ein intensiver Austausch
von Waren, Währungen,
Wissen und Kunsttechniken. Schmuck, Textilien
und Gebrauchsgegenstände, aber auch Waffen und
Schriftstücke geben Einblick in das vielschichtige
Leben und die unterschiedlichen Kulturen im
Heiligen Land - darunter
Ausstellungsstücke wie die
Reiterstandbild von Salah el Din in Damaskus, Foto: M. Ayman Haykal
56
Dose des Malik al-Aziz, ein bedeutendes Zeugnis ayyubidischen Metallhandwerks, und der Lateinische
Psalter der Königin Melisende, das früheste noch erhaltene, komplett bebilderte Gebetbuch aus dem 12. Jahrhundert aus dem Königreich Jerusalem.
Begegnung oder Konfrontation der
Welten?
Auch die politische Aktualität dieses
Themas spiegelt sich in der Ausstellung
der Reiss-Engelhorn-Museen. Deutlich
wird, wie die Region des Vorderen
Orients in der Zeit von etwa 1000 n.
Chr. bis 1200 n. Chr. von Phasen erbitterter Konkurrenzkämpfe arabischer
Fürsten untereinander, vernichtender
Schlachten gegen die Kreuzfahrer und
friedlicher Koexistenz bestimmt war.
Von einem "Laboratorium des kulturellen Miteinanders" kann dennoch nicht
die Rede sein, wie es im umfangreichen Katalog zur Ausstellung heißt. Auf
jeden Fall aber zeigt die Ausstellung,
dass das Zusammenleben von Christen, Juden und Muslimen über lange
Zeitspannen hinweg unblutig und
friedlich und bisweilen sogar kooperativ möglich war.
Infos:
Reiss-Engelhorn-Museen, D5
68159 Mannheim
Telefon 0621/293 31 50
Fax 0621/293 95 39
E-Mail: reiss-engelhornmuseen@mannheim.de
www.rem.mannheim.de
Ins Heilige Land
Pilgerstätten von Jerusalem bis Mekka und Medina Fotografien des 19. Jahrhunderts
Zeitgleich zur Ausstellung Saladin
und die Kreuzfahrer zeigt das Forum
Internationale Photographie (FIP)
Reisebilder des Orients aus seiner
Sammlung historischer Fotografien.
Erstmals werden in dieser Ausstellung
europäische wie einheimische Pioniere der arabischen Fotografie vorgestellt und wissenschaftlich aufbereitet.
Die Ausstellung Ins Heilige Land
zeigt die weltweit einzigen erhaltenen Albuminabzüge der Aufnahmen
von Jerusalem des berühmten Mannheimer Reisefotografen Jakob August
Lorent aus dem Jahr 1864. Ein weiteres Highlight ist unter anderem ein
zwei Meter langes Panorama Jerusalems, eine exakte Bestandsaufnahme
der Stadt im 19. Jh. - in außergewöhnlicher fotografischer Schärfe
und Detailgenauigkeit.
Die führenden Reisefotografen der
Zeit, z. B. Félix Bonfils, Tancred
Dumas, Bruno Hentschel, Hippolyte
Arnoux, Jakob August Lorent,
Mohammed Sadiq Bey, Christiaan
Snouck Hurgronje und al Sayyid Abd
al Ghaffar vermitteln dem Besucher
die Welt des Orients, wie sie Pilger
und Reisende im 19. Jahrhundert
erlebt haben.
Ergänzt wird die Präsentation durch
anonyme Reisealben, darunter das
der Orientreise von Kaiser Wilhelm
II. 1898. Die ersten Porträts von Pilgern aus den verschiedenen Kontinenten, die sich auf der Pilgerfahrt,
Medina, Foto: Sadiq Bey, 1880
Foto: Forum Internationale Photographie (FIP), Reiss-Engelhorn-Museen
der Hadsch, an den heiligen Stätten
des Islam aufhielten, wurden von
dem holländischen Arabisten Christiaan Snouck-Hurgronje angefertigt,
dem wir auch die ersten ethnologischen Schilderungen arabisch-islamischer Sitten und Gebräuche verdanken.
Die Ausstellung lädt den Besucher
ein, die Städte des Heiligen Landes
und ihre Sehenswürdigkeiten in geografischer Abfolge zu entdecken. Er
folgt dem Blick des Reisenden des
19. Jh.s und gelangt an die Orte Jaffa,
Jerusalem, Bethlehem, Bethanien,
Jericho, Nazareth, Tiberias, Damaskus, Balbeck, Palmyra und Beirut,
an den Jordan und ans Tote Meer. Es
werden Zeitdokumente zu allen drei
monotheistischen Religionen vereint.
So ist sie nicht nur ein historischer
Rückblick auf ein zentrales Stück
Fotografiegeschichte, sondern auch
ein Beitrag zum Dialog der Kulturen.
In der Edition Braus erscheint ein
Katalog mit einer Auswahl von Abbildungen der ausgestellten Fotografien.
Fotografien von
Felix Bonfils:
www.charlesnesphotography.com/ex
hibition/exhibition-page1.html
/www.iznik-galerie.de/ghr_fotos.htm
http://naegelke.a.tuberlin.de/offen/sammlung/einzelarch.php?D1=Bonfils&D2=F%E9lix
57
Der Vater des ägyptischen Romans
Zum Tod von Nagib Mahfouz
Ulrike-Zeinab Askari
Nagib Mahfouz im Café,
Foto: Unionsverlag
Am 30. August 2006 verstarb Nagib
Mahfouz, der berühmteste arabische
Schriftsteller. Er ist fast 95 Jahre alt
geworden und hat im Laufe seines
Lebens so manchen Wandel miterlebt, den er auch in seinen Werken
verarbeitet hat.
Geboren (11. 12. 1911) und aufgewachsen ist er in der Altstadt von Kairo, die
er kaum einmal verlassen hat, lediglich, wie die meisten mittelständischen
Ägypter, im Sommer für einen Urlaub
am Meer in Alexandria. Das Land
selbst hat Mahfouz nur zweimal verlassen. Selbst zur Verleihung des Literaturnobelpreises reiste er nicht persönlich. Den nahmen seine Töchter
1988 für ihn entgegen.
Ganz Kind seiner Stadt ist er geprägt
von seinen Vorstreitern der Nahda wie
etwa Taufik al Hakim, dem "Vater des
arabischen Theaters", Taha Husain,
dem Intellektuellen und Mitgestalter
der modernen Literaturkritik, und Jussuf Idris, der die moderne Form der
Kurzgeschichte in der arabischen Literatur etabliert hat sowie der Phase des
58
Aufbruchs in den 20er Jahren in Ägypten, als die ersten Tageszeitungen
gegründet wurden, politische Parteien
und Gewerkschaften entstanden, mit
Huda Shaarawi (Begründerin der
ersten
Frauenrechtsbewegung
in
Ägypten) die erste Frau 1923 öffentlich
ihren Schleier ablegte und das geistigintellektuelle Leben Ägyptens aufblühte. Einerseits kämpften die Intellektuellen für die Unabhängigkeit
Ägyptens vom britischen Mutterland,
andererseits erhielten viele von ihnen
in dieser Zeit ihre Ausbildung in Europa, kamen so mit Theater, Film und
Literatur in Kontakt und gründeten in
Kairo erste Kunstgalerien und literarische Salons.
Nach seinem Studium der Philosophie
arbeitete der Sohn einer kleinbürgerlichen Familie bis zu seiner Pensionierung 34 Jahre lang als Beamter in der
ägyptischen Verwaltung (im Ministerium für kulturelle Angelegenheiten).
Vom Schreiben allein hätte er nicht
leben können. Aber das hatte ihn
nicht abhalten können, nebenher zu
schreiben. Insgesamt umfasst das
Werk des sehr kreativen und disziplinierten Schriftstellers 40 Romane,
Novellen und Theaterstücke, 15 Kurzgeschichtensammlungen
und
25
Drehbücher. 35 seiner Romane oder
Kurzgeschichten sind entweder verfilmt worden oder lieferten zumindest
die Idee für einen Film (Meister Hassan, 1952, Dein Tag wird kommen,
1952, Raiya und Sekina, 1953, Das
Ungeheuer, 1954, Jugend einer Frau,
1956, Anfang und Ende, 1960, mit
Omar Sharif in einer der Hauptrollen,
und viele andere), wodurch er überhaupt erst dem breiten ägyptischen
Publikum, das auch heute noch zu
einem hohen Prozentsatz aus Analphabeten besteht, bekannt geworden
ist.
Mahfouz thematisierte in seinen Werken u. a. das Leben in seinem Viertel
(Kairo-Trilogie 1956/57, dt. 1996), was
bis dahin in der arabischen und ägyptischen Literatur nicht üblich war. Mit
dem Roman Die Midaq-Gasse, 1947,
dt. 1985, wird erstmals überhaupt die
arabische Literaturkritik auf ihn aufmerksam. Hier schildert er nicht nur
das Leben in einer typischen Gasse
der Kairoer Altstadt sondern auch das
Sterben des alten Viertels, den Tod
der Traditionen, der Werte wie der
Ethik und Moral, der Menschlichkeit
und Solidarität. Die Journalistin Erdmute Heller nannte Mahfouz einen
"Anwalt der kleinen Leute, der Ausgestoßenen, Unterdrückten und Entrechteten, deren Schicksal bis dahin unter
dem Deckmantel der Moral, der Religion und der Heuchelei verschwiegen
worden war." Andere verglichen ihn
gar mit Thomas Mann, Charles Dikkens oder Honoré de Balzac. Ist doch
die Kairo-Trilogie, bestehend aus den
drei Gesellschaftsromanen Zwischen
den Palästen, Palast der Sehnsucht,
und Zuckergässchen, eine ausführliche Schilderung des Kairoer Kleinbürgertums.
In Die Kinder unseres Viertels, 1959,
dt. 1990, ging Nagib Mahfouz noch
weiter und verfasste quasi eine
Menschheitsgeschichte, in denen Figuren wie Adam, Moses, Jesus und
Mohamed auftreten und falsche
Heilslehren angeprangert werden.
Der Vorabdruck in der Tageszeitung
Al Ahram verursachte eine derartige
Empörung unter den streng Religiösen, dass der Vorabdruck eingestellt
werden musste. Und bis heute wurde
dieser Roman noch immer nicht auf
Arabisch veröffentlicht. Mahfouz, der
selbst ein toleranter und liberaler
Muslim war, setzte sich nicht nur mit
diesem Roman für die Trennung von
Staat und religiösen Institutionen nach türkischem Vorbild - ein. Sein
Engagement und seine Offenheit
brachten ihm aber auch Feinde ein.
1994 wurde er das Opfer eines fanatischen Attentäters, der ihn mit Messerstichen schwer verletzte. Bis heute
dürfen viele seiner Werke in manchen
arabischen Staaten noch immer nicht
veröffentlicht werden.
Naguib Mahfouz hatte zunächst die
Schilderungen der politischen Zustände und dann die Enttäuschung über
die Errungenschaften der Revolution
von 1919 in historischen Romanen
verpackt (in seinen pharaonischen
Romanen Echnaton, dt. 1999, Che-
ops, dt. 2005 und Radubis, 1943, dt.
2006). Auch später sind seine Schilderungen des Lebens der "kleinen Leute" immer sozial-kritisch, aber dennoch verständnis-, ja liebevoll
geschrieben, in einer Sprache, die
dem Volk entlehnt ist. Er ist der erste,
der nicht mehr die schwülstige Sprache der klassischen arabischen Dichtung und Epen für seine Romane
benutzt, sondern die Sprache reduziert, glättet, säubert, von allem Überflüssigen befreit. Nichtsdestoweniger
bleibt er dennoch in der arabischen
Erzähltradition, er ist und bleibt ein
Ägypter, der seine Traditionen hat
(den täglichen Besuch im Caféhaus)
und ohne seine Jahrtausende alte Kultur ohne Wurzeln wäre.
In den 60er Jahren geht Mahfouz von
der Schilderung der Vergangenheit ab
und stellt die Gegenwart in den
Vordergrund. In Hausboot am Nil,
1966, dt. 1982, thematisiert er die Enttäuschungen nach der Revolution der
"freien Offiziere" 1952, die entgegen
aller Hoffnungen die Verstaatlichung
des Grundbesitzes und die Industrialisierung des Landes vorrangig betreiben, von einer Demokratie aber weit
entfernt sind.
Immer wieder wagt Nagib Mahfouz
Vorstöße in neue literarische Bereiche
(Der letzte Tag des Präsidenten, 1984,
dt. 2001), gleich aber bleibt durch
sein gesamtes Schaffen hindurch sein
Engagement für Freiheit und Gerechtigkeit.
Durch die Verleihung des Literaturnobelpreises 1988 wird schließlich nicht
nur die arabische sondern auch der
Rest der Welt auf ihn aufmerksam. So
ist er für viele Kollegen in der arabischen Welt ein Pionier. Ab Anfang der
90er Jahre entstehen im Schweizer
Unionsverlag vermehrt deutsche
Übersetzungen. Aber nicht nur Nagib
Mahfouz ist damit als Schriftsteller
von Interesse sondern die arabische
literarische Welt an sich wird über die
Geschichten aus Tausendundeiner
Nacht hinaus entdeckt.
Nagib Mahfouz hat sich mit seinem
literarischen Werk bereits selbst ein
Denkmal gesetzt. Wem das noch
nicht genügt, der kann die lebensgroße Bronzestatue mit dem typischen
Spazierstock, der Sonnenbrille und
dem Buch unterm Arm auf dem Kairoer “Midan Sphinx” bestaunen.
Nagib Mahfouz im Ali Baba Café, Foto: John Green
weitere Informationen
über Nagib Mahfouz
www.unionsverlag.com/info/person.as
p?pers_id=1357
www.marabout.de/machfus/machfus.h
tm#radubis
59
Buchervostellungen
Arabische Erzähltradition
Ulrike-Zeinab Askari
Agatha Christie: Erinnerungen an
glückliche Tage, Scherz Verlag,
3. Aufl., 2000, 224 S., geb. Ausg.,
9,90 Euro
Eine ganz andere Agatha Christie
begegnet uns hier: eine Frau, die trotz
ihres viktorianischen Umfeldes (geboren 1890) einen Sinn für Toleranz hat,
der weit über das hinausgeht, was
sonst bei Orientreisenden Anfang des
20. Jahrhunderts üblich war. Für Agatha Christie ist Syrien eine faszinierende Landschaft, die einerseits ihre Reize, andererseits aber auch ihre Schattenseiten hat. Ebenso sind die Menschen nicht alle freundlich, hilfsbereit
und gastfreundlich sondern es gibt
auch Schlitzohrige, Gierige, Arbeitsscheue, Laute, Unbequeme wie eben
überall auf der Welt. Die "Erinnerungen" beschreiben eine Reise mit ihrem
zweiten Mann, dem Archäologen
Max Mallowan, von London durch
Europa mit dem Zug und schließlich
mit dem Auto bis zu den endgültigen
Grabungsstätten. Wie lebten die Menschen dort früher, wie leben die Syrer
60
dort heute und wie leben die Archäologen dort, wenn sie sich für eine
bestimmte Zeit in Syrien für Grabungen einrichten. Mit welchen kulturellen Unterschieden werden sie konfrontiert, wie kommen sie dennoch zu
einer Einigung, wenn es Missverständnisse oder Probleme gibt. Das alles
schildert Agatha Christie humorvoll
und nicht ohne Selbstironie.
Dennoch verklärt Christie nichts, sieht
die positiven Aspekte genauso wie
die negativen, verurteilt aber niemals,
wertet nicht. Leicht plätschert ihre
Erzählung dahin. Agatha Christie verwöhnt den Leser mit einem exquisiten
Sprachstil. Ihre Sprache ist einfach,
blütenreich, fast viktorianisch zu nennen, bildhaft.
"Erschöpft verlassen wir das Postamt
und kehren zu unserem Zeltplatz am
Fluss zurück, den wir etwas entfernt
vom Staub und Schmutz von Hassatché ausgesucht haben. Uns grüßt ein
trauervoller Anblick. Den Kopf in den
Händen vergraben sitzt 'Isa, unser
Koch, vor dem Küchenzelt und heult.
Was ist denn passiert?
Großes Wehgeschrei. "Schande über
mich. Jungen haben mich eingekreist
und verspottet. Meine Ehre ist weg!"
Als er einen Augenblick nicht aufpasste, haben Hunde das fertig gekochte
Nachtmahl gefressen. Es ist nur noch
etwas Reis übrig geblieben.
Verdrossen essen wir den Reis ohne
alle Zutaten, während Hamoudi, Aristide und Abdullah dem armen 'Isa
einbläuen, eines Koches erste Pflicht
sei es, sich mit ungeteilter Aufmerk-
samkeit der Zubereitung des Essens zu
widmen, bis dieses wohlbehalten serviert ist.
'Isa klagt, dass er sich seiner Aufgabe
nicht gewachsen fühle. "Ich bin nie im
Leben Koch gewesen ("Das erklärt vieles", bemerkt Max) und viel lieber
möchte ich in einer Garage arbeiten.
Sie können mich doch als erstklassischen Fahrer empfehlen?" wendet er
sich an meinen Mann.
Max lehnt entschieden ab, da er ihn
nie fahren sah.
"Aber", insistiert 'Isa, "an einem kalten
Morgen habe ich den Motor der Dikken Mary angekurbelt. Das haben Sie
doch gesehen?"
Max gibt es zu.
"Dann können Sie mich auch empfehlen."
Eine ganz andere Agatha Christie, die
Lust auf Lesen macht, auf gepflegte
Sprache, die man lesen sollte, wenn
man sich mit dem Vorderen Orient
und speziell mit Syrien befasst.
wird und man sich drinnen beschäftigen muss. Legen Sie schon mal die
Schere, den Kleber und den Bleistift
bereit.
Und verzaubern Sie sich selbst, Ihre
Umgebung und all Ihre Lieben mit
vielen schönen kleinen Geschenken
im Orient-Stil.
Tina Kröner: Deko-Ideen im OrientStil, Mit Vorlagen, Christophorus Verlag, Freiburg i. Br. 2006, 34 S., 6,90
Euro
Geht es Ihnen auch manchmal so,
dass Sie nicht so recht wissen, was Sie
als kleines Gastgeschenk mitbringen
sollen, zum Geburtstag oder zu sonstigen Anlässen. Er oder sie hat schon
alles, glauben Sie. Na dann schauen
Sie doch mal in dieses Heftchen. Da
gibt es immer noch Anregungen, entweder zum Selbermachen oder Sie
verschenken einfach das komplette
Heft zum Nachmachen.
Der Reihentitel Wohn-Deko ist allerdings etwas irreführend. Ich dachte
spontan an Inneneinrichtung im orientalischen Stil. Es geht in diesem Heftchen aber lediglich um Deko-Gegenstände wie Lampen, Spiegel, Tabletts,
Bilderrahmen, Schächtelchen, Flaschen, Vasen, Kissen usw.
Ein kleines Heftchen von nur 34 Seiten, aber mit viel Inhalt, übersichtlich
aufgebaut, auf jeder Seite eine
Beschreibung der Vorgehensweise,
dazu am Rand noch einmal die benötigten Materialien, gegebenenfalls mit
Hinweis auf die Arbeitsvorlage, auf
der sich zahlreiche verwendete
Muster und Motive finden und auf der
gegenüberliegenden Seite ein Foto
des fertigen Endproduktes.
Da kann man es kaum erwarten, dass
es bald wieder ungemütlich draußen
Marie Fadel und Rafik Schami: Damaskus. Der Geschmack einer Stadt.
Oasen für die Sinne, Sanssouci Verlag
2002, geb. Ausgabe, 208 S., 14,90
Euro
Vieles an diesem Buch ist ungewöhnlich: Die "Verpackung" in einem Schuber, das Format, ein schmales, hochkant Taschenbuch, aber dennoch
gebunden. Und schließlich auch der
Inhalt. Nicht wirklich Kochbuch und
auch kein Stadtführer sondern eher
ein Blick zurück in die eigene Kindheit
und Jugend, die Rafik Schamit mit seiner Familie in der Altstadt von Damaskus verbracht hat.
Interessant und außergewöhnlich
auch die Entstehung des Buches:
Marie Fadel, Rafik Schamis Schwester,
wandert durch das Viertel und
besucht alte Bekannte. Dabei erinnert
sie sich, welche Spezialitäten dort
gekocht wurden. In einem Telefonge-
spräch erzählt sie ihrem Bruder in
Deutschland davon, der schließlich
alles zu Papier bringt.
Der Spaziergang durch die Altstadt
von Damaskus bekommt so eine sehr
persönliche Note. Eingestreut hat
Schami Interessantes und Informatives
und der Leser biegt bald mit Marie
und Rafik um die Ecken und hat den
Duft von frisch gebackenem Brot oder
von Kebab und anderen Köstlichkeiten in der Nase. Die Rezepte runden
dann die jeweiligen Spaziergänge ab
und machen schnell Lust auf Nachahmung. Eine kleine Gewürz- und Kräuterkunde rundet das Buch ab. Schade
nur, dass die wenigen Abbildungen im
Text nur klein und in schwarz-weiß
sind.
Aber das ist vielleicht wie mit dem
Essen. Man kann viel über die gute
Küche Syriens lesen, deswegen kann
man sie immer noch nicht verstehen.
Man muss sie tatsächlich probieren.
Und mit diesem Buch ist es sogar relativ einfach geworden, die besten typischen Gerichte nachzukochen. Und
auch die schönsten Fotos hätten nicht
den Eindruck bieten können wie ein
realer Spaziergang durch die Altstadt.
Na, und wann geht der nächste Flieger nach Damaskus?
61
Radubis ist ein Roman, der im alten
zu Füßen lagen. Doch nun hat sie sich
verliebt und ist nicht mehr Herr der
Lage. Das Schicksal hat die beiden
zusammengeführt. Beinahe erinnert
die Stelle an griechische Sagen, ein
Adler hat eine goldene Sandale von
Radubis gestohlen und lässt sie genau
über dem Pharao wieder fallen. Damit
nimmt die Geschichte ihren Lauf. Und
wie aktiv die eine oder andere Figur im
Roman auch sein mag, gegen das
scheinbar bereits beschlossene Schicksal kommen sie nicht an. Das Ende ist
für den Leser von Anfang an absehbar
und unabwendbar.
Der Pharao, der sich nicht einmal
durch seine Liebe zu Radubis davon
abbringen lässt, die Ländereien der
Priester zu konfiszieren, um die Staats-
anzuwenden. Es entspinnen sich politische Intrigen, aber es ist zu spät. Das
Schicksal nimmt unerbittlich seinen
Lauf. Letzten Endes stürmt das Volk
den Palast und der Pharao stirbt in
Radubis Armen. Auch sie setzt ihrem
Leben ein Ende, denn es ist jetzt sinnentleert.
Dass Mahfouz in seinem Roman, der
bereits 1943 auf Arabisch erschien, auf
die eigene ägyptische Situation
anspielt, ist nicht ganz von der Hand
zu weisen. Immerhin herrschte zu der
Zeit, als er diesen Roman schrieb, in
Ägypten noch König Faruk I, der einen
sehr verschwenderischen Lebensstil
hatte. Seine Staatskasse füllte er vornehmlich aus den Einnahmen der
Großgrundbesitzer, die durch die
Ägypten spielt, dennoch würde ich ihn
nicht als historischen Roman bezeichnen. Zwar haben beide Hauptfiguren
tatsächlich gelebt, aber es kommt Mahfouz nicht darauf an, die historischen
Einzelheiten detailgetreu zu schildern.
Er schildert vielmehr die Liebesgeschichte zwischen der schönen Kurtisane Radubis und dem Pharao Merenra.
Im Mittelpunkt scheinen die verworrenen Gefühle einer Frau zu stehen, die
es gewohnt war, dass ihr die Männer
kasse wieder aufzufüllen, bleibt bis
zum letzten Augenblick hart. Er tut es
um seiner Glaubwürdigkeit und seiner
Würde Willen. Er war dabei aber so
pflichtvergessen, dass er einerseits die
eingenommenen Gelder für seine
Geliebte verschwendet und andererseits nichts hört und nicht sieht, was in
seinem Staat vorgeht. Die Priesterschaft
hat das Volk gegen ihn aufgewiegelt.
Als er es endlich erfährt, versucht er von Radubis angestiftet - eine List
"freien Offiziere" nach deren Putsch
1952 enteignet werden sollten.
Selbst wenn man nicht in die tiefen
Anspielungen vordringt, ist es ein
lesenswerter Roman, der die Verstrickung der menschlichen Gefühle sehr
feinfühlig darstellt.
Nagib Mahfouz, Radubis, dt. von Doris
Kilias, Unionsverlag, 2006, 267 Seiten,
19,90 Euro
Anzeige
62
Göttlicher Hüftschwung in
Trainingshose
Svetlana Georgieva
Dolphina:,"Bauchtanz. Der sanfte
Weg zu einem besseren Körpergefühl", Dorling Kindersley, London,
2005, Seitenzahl: 160, Preis 14,90
Euro
In Ländern mit orientalischem Kulturerbe wird der Bauchtanz von Frau zu
Frau, meist in familiären Kreisen
weitergegeben. Da wir im Westen
nicht zu den direkten Erbinnen des
Bauchtanzes gehören, versuchen bei
uns u.a. Bücher diese Lücke zu füllen.
In den 80er Jahren begann die Bauchtanzwelle (aus USA) Deutschland zu
überfluten. Seitdem sind zahlreiche
Ratgeber mit vielversprechenden
Titeln erschienen.
Eine der neueren Erscheinungen wurde 2005 von der amerikanischen
Bauchtänzerin und Fitnesstrainerin
Dolphina herausgebracht. Wie so einiges, was aus den USA zu uns kommt,
scheint es neue Trends zu setzen.
Bereits auf den ersten Blick vermittelt
es ein Life-Style-Gefühl. Selbstbewusste Frauen im sportlichen TrainingsZweiteiler lächeln uns von den Buchseiten aus an. Ein zartes Hüfttuch
erinnert an den Bauchtanz. Doch
etwas über den Tanz erfahren wir hier
nur am Rande. Einen historischen
Zugang finden wir auf zwei Seiten
(mit Photos), auf denen uns die komplette Geschichte des Bauchtanzes
von der Steinzeit bis heute, mit allen
bekannten Namen, Begriffen und
ebenso mit allen Klischees entgegengeschleudert wird. Dem folgt eine
noch knappere Einführung in das anatomische und tanztechnische Grundwissen. Was hier im Vordergrund
steht, ist offensichtlich nicht der Tanz
sondern ein modern aufgemachtes
Wellness-Produkt. Das am Bauchtanz
orientierte Bewegungsprogramm wird
in die Reihe der soften Trainings wie
Yoga, Pilates und Co. aufgenommen.
Die Liste von Dolphinas Schülerinnen
glänzt mit prominenten Namen wie
Salma Hayek, Heather Locklear,
Pamela Anderson u. a. Nun sind wir
also dran. Das "Work-out der Göttin"
soll sanft den Körper formen und zum
Selbstbewusstsein beitragen.
Über die Bezeichnungen der einzelnen Übungen - eine seltsame
Mischung aus deutscher und englischer Sprache - habe ich etwas gestutzt.
So lernen wir einerseits den "Hüftschwung", andererseits den "Hip-Circle", einmal den "Hip Camel", ein
anderes Mal den "Kamelgang". Unter
neuen stilistischen Schöpfungen wie
"Hip Hop" oder "Chest Slide" verbergen sich auch nur alte Bekannte, wie
der Hüftkick und das Brustschieben.
Abgesehen von diesen kritischen
Anmerkungen, halte ich den überwiegenden Teil des Buches - die Bewegungsanleitung - für durchaus praktikabel. Die Wiedergabe von Bewegungstechnik durch die graphische
Gestaltung setzt im Vergleich zu bisherigen Tanzbüchern neue Maßstäbe.
Die Seiten sind lichtdurchflutet und
bieten dem Auge viel Abwechslung.
Die Beschreibungen der einzelnen
Bewegungen werden weniger verbal
sondern eher graphisch dargeboten.
Dazu verhelfen Photographien aus
den verschiedensten Perspektiven.
Manche Bewegungen wurden grafisch
übereinandergelappt, mit jeweils unterschiedlicher Farbstärke der einzelnen Bewegungssequenzen. Dies ermöglicht das Beobachten von Bewegungsabfolgen auf dem Papier. Farbige Pfeile lassen uns die Bewegungsrichtung nachvollziehen. Als besondere Hilfestellungen sind in kleineren
schwarz-weißen Kästchen fehlerhafte
Bewegungen und Körperhaltungen
abgelichtet. Diese "Gegenbeispiele"
halte ich für sehr nützlich, vermute
dennoch, dass es AnfängerInnen
schwer fallen würde, die eigenen
Schwachstellen zu erkennen oder zu
erspüren.
Die Übungen sind sehr einfach gehalten. Der Trainingseffekt wird nicht
durch das Nachstellen komplexer Bewegungen sondern durch eine stete
Ausdehnung der Trainingsphasen (von
5 Min. täglich für Anfänger bis einigen
Stunden für Mittelstufe) erzielt. Damit
steigt die Motivation zum Training und
sicherlich auch die Lust zu tanzen.
Svetlana Georgieva
studierte Theaterwissenschaft, Philosophie
und
Erziehungswissenschaft.
Eine intensive Beziehung zur Musik
und eine Bewegungslust von existentieller Bedeutung führten sie zum
orientalischen Tanz. Ihre Erfahrungsund Forschungsarbeit mündete in ihrer
Magisterarbeit an der FU Berlin:
"Die Empfindsamkeit des Bauches.
Orientalischer Tanz vor und nach dem
11. September."
63
Veranstaltungen
Der Orient - Mythos und Moderne
21. Berliner Sommer-Uni Ulrike-Zeinab Askari
Vom 28. August bis 5. September fand
im Berlin zum 21. Mal die Berliner
Sommer-Uni in Zusammenarbeit mit
der Berliner Akademie für weiterbildende Studien e. V. statt. 10 Tage lang
hielten Fachleute (Wissenschaftler,
Journalisten, Botschafter u. a.) Vorträge und Seminare über das jeweilige
Thema. In diesem Jahr stand das
brandaktuelle Thema Orient auf dem
Programm und wurde von allen Seiten
her beleuchtet. So stand jeder Tag
unter einem besonderen Motto wie z.
Der Vortrag von Hans-Günther Gnodke, dem Beauftragten der Bundesregierung für den Dialog mit der islamischen Welt, war nahezu eine Offenbarung, lag es ihm doch am Herzen,
zu betonen, dass für ihn und seine
Mitarbeiter der Dialog die Alternative
zum Kampf der Kulturen sei. Allerdings hinderte ihn das nicht, sehr kritisch aufzuzeigen, welche Probleme
zunächst zu überwinden seien. So sei
die Arbeitslosigkeit in der arabischen
Welt ein großes Problem, da es nahe-
Wer es genauer wissen will, sei auf
das oben genannte Buch verwiesen.
B. "Islam im Spannungsfeld zwischen
Dialog und Konfrontation", "Werte
und Integration", "Der Orient - Literatur und Medien". Aber auch Praktisches wie diverse Stadtrundgänge in
Berlin mit Besichtigung von typischen
Kiezen (Moabit und Kreuzberg) und
Museen, von Moscheen und Friedhöfen gehörten zum Programm. Ein
orientalisches Fest durfte natürlich
nicht fehlen. Doch das hielt die bis zu
400 Teilnehmer - größtenteils Senioren aus ganz Deutschland und eine
Gruppe von ca. 20 Personen aus Holland - nicht davon ab, die Gastredner
mit diffizilen Fragen zu bestürmen.
zu tabuisiert würde. Die technische
Entwicklung und Modernisierung in
manchen Ländern, die Prachtbauten
aus der Wüste sprießen lasse, sei
dagegen oft nur Fassade, um von
sozialen Konflikten abzulenken. Auch
sei ein "Demokratiewille" nicht "herbeibombbar". Trotz all dieser Hindernisse seien die kulturellen Barrieren
nicht unüberwindbar und ein Kulturaustausch durchaus möglich. Wie die
Diskussionsbeiträge der zum Teil
äußerst engagierten Damen und Herren anschließend zeigte, war die Zeit
leider zu kurz, das Thema angemessen zu behandeln und so wurde in so
mancher Pause weiterdiskutiert.
in jedem Jahr wird ein anderes Thema
behandelt. Und wie intensiv kann
man schon in einer Stunde auf die
Frage nach den islamischen Werten
eingehen, das islamische Berlin entdecken, den Dschihad verstehen oder
auch nur einen Überblick über die
arabische Literatur geben?
Einen schönen Überblick über die
europäischen Phantasien vom Orient
legte Andreas Pflitsch - in Anlehnung
an sein Buch "Mythos Orient" - dar.
Allein der Begriff Orient rufe ein verwirrendes und vielfältiges Bild hervor
das seit der Zeit der Kreuzzüge bestehe und sich aus Obszönität einerseits
und Brutalität andererseits zusammensetze. Welche vielfältigen Faktoren
dazu beigetragen haben, kam dann in
der näheren Ausführung zur Sprache.
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Mich lässt diese Woche dennoch
etwas skeptisch zurück, weil ich mich
frage, was eine solche Woche
erreicht, da sie sich doch an potentiell
interessierte Menschen richtet, die
bereits sensibilisiert sind nach Beendigung der Sommer-Uni und in ihre
wohl situierte Alltagswelt zurückkehren. Schließlich war ja auch das Thema Orient nur eines von Vielen, denn
Bleibt die Frage, was folgt daraus? Nur
die Beruhigung der Teilnehmer, die
sich vor den Nachbarn mit Kopftuch
fürchten? Oder vielleicht sogar ansatzweise ein zaghafter Dialog, der
Besuch in der Moschee im eigenen
Wohnviertel und die Gegeneinladung
zu einem Besuch in der Kirche? Wie
weit sind wir noch von einem so
ungezwungenen Umgang von Christen und Muslimen entfernt, wie er
etwa in Kairo ganz selbstverständlich
ist, wie ihn auch Hans-Günther
Gnodtke aus eigener Anschauung
beschrieb, denn er ist immerhin in
Kairo aufgewachsen, zur Schule
gegangen, konfirmiert und schließlich
auch getraut worden.
Film/Kino
Die syrische Braut
Die Politik im kleinen Maßstab
Joachim Kunz
mit freundlicher Genehmigung www.Kino-Zeit.de
Majdal Shams ist ein kleiner Ort in
dem von Israel besetzten Teil der Golanhöhen direkt an der syrischen
Grenze. Hier leben seit jeher die Drusen, eine eigenständige Religionsgemeinschaft, die in Syrien, dem Libanon und Israel beheimatet ist. Obgleich die Drusen stark von der ismailitischen Tradition geprägt sind, setzen
sie sich doch weitgehend vom Islam
ab. Jahrhunderte lang verfolgt, leben
die Drusen weitgehend zurückgezogen, heiraten ausschließlich Glaubensgenossen und opponieren kaum gegen
den Staat, dem sie gerade angehören.
Auf den Golanhöhen allerdings ist die
politische Lage undurchschaubar, weshalb die eine Hälfte des Dorfes Israel
zugeneigt ist, während die andere mit
Syrien sympathisiert.
Kein Wunder also, wenn Monas großer Tag, ihre Hochzeit, von einigen
Schwierigkeiten geprägt ist und eine
richtige Feierstimmung nicht aufkommen will. Die junge drusische Braut
(Clara Khoury) wird den syrischen
Fernsehstar Tallel (Derar Sliman), einen
entfernten Verwandten heiraten, doch
der Neuanfang ist zugleich ein Abschied für immer, denn wenn die Braut
sogar der Ausschluss aus der Gemeinschaft der Dorfältesten. Vollends zur
Farce wird die Hochzeit, als die Braut
nach der offiziellen Ausreise aus Israel
in Syrien nicht ins Land gelassen wird,
denn die Anerkennung ihres Ausreisestempels würde für die Syrer eine faktische Anerkennung der Golanhöhen
als Teil der offiziellen Israels bedeuten
- eine traurige Braut im Niemandsland
einmal die Grenze nach Syrien überschritten hat, darf sie nicht mehr nach
Israel zurückkehren. Ihr schönster Tag
im Leben ist also eine traurige und
todernste Angelegenheit für die ganze
Familie.
und zwischen den Mühlen der großen
Politik.
Während ihre Mutter und ihre Schwestern sie auf die Zeremonie vorbereiten, bleibt Mona ruhig und gefasst, sie
lässt den Friseur ebenso über sich
ergehen wie das Festessen und den
anschließenden Gang zur Grenze.
Zum bevorstehenden Fest hat sich die
ganze verstreute Familie Monas eingefunden, und hier brechen nun die
Konflikte offen aus, im kleinen wie im
großen Maßstab. So darf etwa ihr
Vater Hamed nicht
an der Zeremonie
teilnehmen, weil er
offen
mit
den
Syrern paktiert. Und
noch
schlimmer:
Wenn sein Sohn
Hatem, der eine
russische
Jüdin
geheiratet hat, an
der Feier teilnimmt,
droht dem Vater
Die syrische Braut ist ein nachdenklicher, trauriger und zugleich urkomischer Film über die Absurditäten, die
die große Politik schafft und die ganz
unmittelbare und lebenspraktische
Auswirkungen auf das Leben der "einfachen Leute" hat, eine kraftvolle Parabel auf den Nahost-Konflikt, bei der
das einzig Würdevolle die stoische
Gelassenheit und Schicksalsergebenheit der jungen Braut ist!
Der Film kam im März 2005 in die
deutschen Kinos und ist inzwischen
auf DVD (www.amazon.de) erhältlich.
Regie: Eran Riklis, Israel
Frankreich/Deutschland/Israel 2004
Hauptdarsteller:
Hiam Abbas, Makram J. Khoury, Clara
Khoury, Eyad Sheety, Evelyn Aplun
Infos:
http://www.syrianbride.com/
http://www.diesyrischebrautderfilm.de/
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Vorschau
Die nächste Ausgabe, Nr. 4
erscheint am 20. Dezember 2006
Bücher-Special
Sitten und Gebräuche in der Arabischen Welt, Teil 3
Interview mit Doris Kilias, Übersetzerin von Nagib Mahfouz
Von der Idee zum fertigen Buch
Urheberrecht bei den alten Arabern
Arabische Kalligraphie
Interview mit Hans Schiler, Verleger
Weihnachten in Syrien
über den Maler Ismael Shammut
Die neue Shisha-Kultur in Deutschland
und viele Buchrezensionen
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Leserbriefe
Liebe Ulrike Askari,
vielen Dank für die Zusendung der
neubelebten Zeitschrift.
Ich sehe, mit wieviel Sorgfalt das sehr
ansprechende Heft erstellt wurde ...
Für die weitere Arbeit wünsche ich
viel Erfolg und Glück.
Mit besten Grüßen und Wünschen
S. R., Kaarst
Hallo liebe Ulrike,
danke nochmals für das Probeexemplar, ich war begeistert! Es ist lange
her, dass ich in einer orientalischen
Fachzeitschrift soviel Wissenswertes
und Interessantes gelesen habe! Oder
überhaupt soviel lesen konnte! ... Wie
gesagt, sehr viele interessante Artikel.
Man hat das Gefühl, wieder was
dazulernen zu können!
Herzliche Grüße sendet Dir
L. N., Berlin
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Liebe Frau Askari,
gestern fand ich die zweite Ausgabe
von ‘“Al-Maqam” in der Post, und ich
bin - wie bereits schon von der Nr. 1 begeistert: Das Layout ist ansprechend
und die Inhalte sehr interessant und
profund. - Es ist mir deshalb eine Freude, hiermit “Al-Maqam” zu abonnieren.
Bitte richten Sie meine Empfehlung
auch an den Verleger Herrn Maarouf
aus: Ich weiß aus Erfahrung, dass ein
solches Projekt immer unternehmerischen Mut und langen Atem braucht.
Doch ich bin sicher, dass “Al-Maqam”
beides verdient:
Abgesehen von den o. g. Qualitäten
ist es eine Freude, eine Zeitschrift in
den Händen zu halten, die Sachlickeit
und Enthusiamus für ihr Thema so
gekonnt verbindet und dabei jede
‘Politisierung’ vermeidet. Ich bin
sicher, dass es “Al-Maqam” auf dieser
Basis gelingen wird, viele Menschen
für die arabische Kunst und Kultur zu
interessieren.
Ihnen, Herr Maarouf und natürlich “AlMaqam” die besten Wünsche!
J. V., Frankfurt
Aida Nour, Kairo, liest die neue Al-Maqam,
Foto: André Elbing
Gasse in der Altstadt von Damaskus, Foto: Claus und Edeltraut Rautenstrauch
www.mediaagent.net