Zulassungsantrag der Plus Medien TV und Handels GmbH für das
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Zulassungsantrag der Plus Medien TV und Handels GmbH für das
Zulassungsantrag der Plus Medien TV und Handels GmbH für das Fernsehprogramm „TGRT Europe“ Aktenzeichen: KEK 205 Beschluss In der Rundfunkangelegenheit der Plus Medien TV und Handels GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Kenan Kubilay, Starkenburgstraße 7 – 9, 64546 Mörfelden-Walldorf, - Antragstellerin - wegen Zulassung zur bundesweiten Veranstaltung des Vollprogramms „TGRT Europe“ hat die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) auf Vorlage der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk (LPR Hessen) vom 12.02.2004 in der Sitzung am 08.06.2004 unter Mitwirkung ihrer Mitglieder Prof. Dr. Mailänder (Vorsitzender), Prof. Dr. Dörr, Prof. Dr. Huber, Dr. Rath-Glawatz und Prof. Dr. Sjurts entschieden: Der von der Plus Medien TV und Handels GmbH mit Schreiben vom 03.10.2003 an die Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk (LPR Hessen) beantragten Zulassung zur Veranstaltung eines bundesweit verbreiteten digitalen Fernsehspartenprogramms „TGRT Europe“ stehen Gründe der Sicherung der Meinungsvielfalt im Fernsehen nicht entgegen. 2 Begründung I Sachverhalt 1 Zulassungsantrag Die Plus Medien TV und Handels GmbH („Plus Medien GmbH“) hat mit Schreiben vom 03.10.2003 an die LPR Hessen, dort eingegangen am 06.10.2003, die Zulassung zur Veranstaltung des bundesweiten, teils türkisch-, teils deutschsprachigen Fernsehvollprogramms „TGRT Europe“ beantragt. Mit Schreiben vom 12.02.2004 hat die LPR Hessen der KEK den Antrag zur medienkonzentrationsrechtlichen Prüfung vorgelegt. Entgegen der von der LPR verbreiteten Erklärung (Pressemitteilung vom 16.02.2004 „Sendelizenzen für TGRT Europe und Kinowelt“) hat diese den Antrag noch nicht genehmigt; sie ist dazu nach dem Rundfunkstaatsvertrag auch nicht berechtigt (vgl. §§ 36 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 37 Abs. 1 RStV). 2 Programmstruktur und -zulieferer Beantragt ist ein ganztägiges Vollprogramm „TGRT Europe“. Unter der Bezeichnung „TGRT“ wird derzeit von der Huzur Radyo TV A.S. („Huzur Radyo TV“), Istanbul, auf Grundlage einer türkischen Zulassung ein türkischsprachiges FamilienVollprogramm veranstaltet. Es zeigt u. a. Talkshows, türkische und internationale Filme, Serien sowie Nachrichten und ist auch in Deutschland empfangbar (s. u. I 3 und III 2.2). Die Antragstellerin beabsichtigt, dieses Programm künftig für die Zuschauer in Deutschland in veränderter Form auf Grundlage einer eigenen Zulassung unter dem Namen „TGRT Europe“ zu veranstalten. Sie plant, den überwiegenden Teil des Programms TGRT von Huzur Radyo zu übernehmen und durch in Deutschland eigenproduzierte, zum Teil deutschsprachige Programmteile zu ergänzen, die sich speziell an die Zielgruppe der in Deutschland lebenden türkischstämmigen Bürger („Deutschtürken“) richten. Der Anteil der eigenproduzierten Programmteile soll zunächst ca. 10 % der Sendezeit betragen und innerhalb von vier Jahren auf mindestens 30 % erhöht werden. xxx ... Das Mantelprogramm soll weiterhin von Huzur Radyo TV produziert und der Plus Medien GmbH xxx ... zugeliefert werden. xxx ... An Huzur Radyo TV sind u. a. die 3 Ihlas Yayin Holding A.S. in Höhe von 22,5 % und die Ihlas Maatbacilik Gazetecilik Yayincilik Sanayi ve Ticaret A.S. mit 14 % beteiligt; beide sind Tochterunternehmen der Ihlas Holding (s. u. I 4.2). Kein anderer Gesellschafter hält dort 20 % der Anteile oder mehr. 3 Verbreitung und Vermarktung Das Programm soll künftig in Deutschland anstelle von TGRT als frei empfangbares digitales Programm über den Satelliten Türksat 2 A und über Kabel verbreitet werden. Im Kabel soll es anstelle von TGRT im Rahmen der Fremdsprachenpakete der Kabel Deutschland Vertrieb & Service GmbH & Co. KG, der Ish GmbH & Co. KG, der PrimaCom AG, der Kabel Baden-Württemberg GmbH & Co. KG, der Iesy Hessen GmbH & Co. KG sowie des Angebots visAvision von Eutelsat vermarktet werden; visAvision ist über verschiedene Kabelnetze, z. B. Bosch Breitbandnetze und die Netze der Tele Columbus GmbH, empfangbar. Über Satellit ist TGRT u. a. in einem Paket frei empfangbarer türkischer Programme von DigiTürk, das nach Angaben von Digitürk ca. 40.000 Abonnenten hat, erhältlich. Das Programm soll durch Werbung und Sponsoring finanziert werden. 4 Antragstellerin und beteiligte Unternehmen 4.1 Plus Medien TV und Handels GmbH Unternehmensgegenstand der Antragstellerin ist der Druck und der Vertrieb von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, die Herstellung und der Vertrieb von Filmen sowie der Import, der Export und der Handel mit Waren jeglicher Art sowie das Betreiben eines Rundfunk- und/oder Fernsehsenders xxx ... Am Stammkapital sind Ahmet Mucahid Ören mit 75 % und Kenan Kubilay mit 25 % der Anteile beteiligt (xxx ...); Herr Kubilay ist zugleich Geschäftsführer. Die Antragstellerin verlegt auch die deutsch-türkischsprachige Zeitung „Die Post“, die in sieben deutschen Regionen als regionale Monatszeitung erscheint. 4 4.2 Beteiligte Die Gesellschafter der Antragstellerin A. Mucahid Ören und Kenan Kubilay sind daneben (mit 80 % bzw. 20 %) an der Ihlas Media und Trade Center GmbH, Mörfelden-Walldorf, beteiligt, Herr Kubilay ist zugleich deren Geschäftsführer. Sie verlegt die in Deutschland erscheinende Ausgabe der türkischsprachigen Zeitung Türkiye und betreibt u. a. eine Druckerei; künftig soll sie die Vermarktung des Programms TGRT Europe in Deutschland übernehmen. A. Mucahid Ören ist in der Türkei mit jeweils weniger als 5 % der Anteile an der Ihlas Holding, an der Herausgeberin der dort erscheinenden Tageszeitung Türkiye und an der Nachrichtenagentur Ihlas Haber Ajansi A.S. beteiligt. Der Mischkonzern Ihlas Holding hält mittelbar insgesamt 36 % der Anteile an Huzur Radyo TV. An der Ihlas Holding ist der Vater von A. Mücahid Ören, Dr. Enver Ören, in Höhe von 40,846 % der Anteile beteiligt. Er hat die Tageszeitung Türkiye und den Fernsehsender TGRT (Huzur Radyo TV) gegründet. II Verfahren Die Vollständigkeitserklärung der Veranstalterin liegt vor. Einem Vertreter der LPR Hessen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. III Medienkonzentrationsrechtliche Beurteilung 1 Bestätigungsvorbehalt der KEK Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 RStV bedürfen private Veranstalter einer Zulassung nach Landesrecht. Fragestellungen der Sicherung der Meinungsvielfalt werden von der KEK nach Vorlage durch die zuständige Landesmedienanstalt gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 RStV beurteilt. 2 Zurechnung von Programmen und Zuschaueranteile 2.1 Zurechnung Der Antragstellerin und den an ihr Beteiligten ist in Deutschland nur das beantragte 5 Programm TGRT Europe zuzurechnen. Dieses Programm ist jedenfalls in der Einführungsphase auch Huzur Radyo TV zuzurechnen, die in dieser Phase 90 % des Programms zuliefern wird (§ 28 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RStV). 2.2 Zuschaueranteile Das geplante Programm hat derzeit mangels Ausstrahlung noch keine Zuschaueranteile. Es soll künftig in Deutschland an Stelle des von der Huzur Radyo TV veranstalteten Programms TGRT über den Satelliten Türksat 2 A und Kabel empfangbar sein. Daneben wird auch das in der Türkei veranstaltete Programm TGRT weiterhin in Deutschland empfangbar sein, jedoch nur noch über den nach Auskunft der Antragstellerin von türkischen Haushalten kaum zum Direktempfang genutzten Satelliten Eutelsat-Ost. Zur Nutzung des Programms TGRT liegen der KEK folgende Erkenntnisse vor: In Deutschland leben ca. 2,0 Mio. Menschen mit türkischer Staatsbürgerschaft und ca. 580.000 Deutsche türkischer Abstammung („deutschtürkische Bevölkerung“; Quellen: Werbevermarkter ARBOmedia Deutschland GmbH/Data 4 U; Statistisches Bundesamt, Stand 31.12.2002). In dieser Teilmenge der Gesamtbevölkerung entfallen mehr als 70 % der Fernsehnutzung auf türkische Sender. Zu den Zuschaueranteilen der türkischen Programme liegen der KEK unterschiedliche Untersuchungsergebnisse vor. Einer Studie von ARBOmedia/Data 4 U zufolge erzielten im 1. Quartal 2002 TRTint mit 16,1 % und Kanal D mit 15,5 % bei der deutschtürkischen Bevölkerung die größten Anteile. Danach folgten RTL (4,2 %), ProSieben (2,9 %) und andere deutschsprachige Programme (Quelle: Tendenz 1/2002). Nach einer von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) und der Freien Universität Berlin im Auftrag des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung im Jahr 2000 durchgeführten Umfrage sind aber RTL und ProSieben bei der deutschtürkischen Bevölkerung die „beliebtesten“ Fernsehkanäle, TRTint folgt erst an dritter Stelle, TGRT an 12. Stelle. Die Beliebtheit eines Senders sagt aber nicht unbedingt etwas über die tatsächliche Nutzung aus. Die Antragstellerin gab für TGRT bei den deutschtürkischen Sehern einen Marktanteil von ca. 10 – 12 % an (Zulassungsantrag vom 03.10.2003, S. 11). Sie reichte am 27.06.2004 Ergebnisse einer weiteren, telefonischen Studie nach (Data 4 U). Danach erzielte TGRT im März 2004 einen Anteil in Höhe von ca. 5 %. Nach dieser Studie sind die türkischen Sender ATV (ca. 16 %), Kanal D (ca. 16 %) und Show TV (ca. 12 %) führend in türkischen Haushalten in Deutschland. Danach folgen die türkischen Sender TRTint, TGRT, Kanal 7 6 und Star TV. ProSieben erscheint mit ca. 4 % an 8. Stelle. Noch mehr als 16 % der Zuschaueranteile entfallen auf weitere türkische Sender (z. B. TRT 1, 2, 3). Der KEK liegen nur wenige Informationen zu den Erhebungsmethoden vor, die den Studien von ARBOmedia/Data 4 U und den Angaben der Antragstellerin zugrunde liegen. Ein Vergleich mit den ansonsten von der KEK zugrunde gelegten AGF/GfKZuschaueranteilen ist nicht möglich: Die Zuschaueranteile der AGF/GfK- Fernsehforschung sind repräsentativ für 72,85 Mio. Personen, die in 34,10 Mio. Fernsehhaushalten leben. Diese Grundgesamtheit umfasst derzeit nicht die Fernsehnutzung in Privathaushalten, in denen der Haushaltsvorstand bzw. der Bezieher des Haupteinkommens türkischer Staatsangehöriger ist. Die von der Antragstellerin mitgeteilten Zuschaueranteile für TGRT in der deutschtürkischen Bevölkerung wären weit geringer, wenn sie mit den anhand der Gesamtsehdauer aller Zuschauer ermittelten Anteilen verglichen werden könnten. Geht man davon aus, dass die Zuschaueranteile, die das türkische Programm TGRT außerhalb der Gruppe der türkischen Staatsbürger in Deutschland erzielt, vernachlässigbar sind, erscheint ein fiktiver Zuschaueranteil von 10 % in der Gruppe der türkischen Staatsbürger im Verhältnis zur Fernsehnutzung der Gesamtbevölkerung in Deutschland als sehr gering und weit entfernt von medienkonzentrationsrechtlich beachtlichen Zuschaueranteilen. 3 Vorherrschende Meinungsmacht Das beantragte Programm soll überwiegend in türkischer Sprache veranstaltet werden. Fremdsprachige Programme werden zwar gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 RStV nicht in die Ermittlung des für die Vermutungstatbestände des § 26 Abs. 2 RStV maßgeblichen Zuschaueranteils einbezogen, dies schließt aber nicht aus, dass sie nicht auch für die Meinungsvielfalt bedeutsam sein können. Die sich aus dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit ergebenden Anforderungen an die Sicherung der Meinungsvielfalt beziehen sich nicht ausschließlich auf deutschsprachige Sendungen. Auch eine einseitige Beeinflussung des türkischsprachigen Bevölkerungsanteils in Deutschland könnte unter besonderen Umständen Relevanz erlangen (vgl. auch Beschluss i. S. RtvD, Az.: KEK 171, III 2; Beschluss i. S. VIVA Polska, Az.: KEK 188, III 2.2). Dafür liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor (s. o. III 2.2). 7 Nach dem dargelegten Sachverhalt bestehen keine Anhaltspunkte für die Entstehung vorherrschender Meinungsmacht. Der Zulassung des Programms TGRT Europe stehen daher Gründe der Sicherung der Meinungsvielfalt nicht entgegen. (gez.) Mailänder Rath-Glawatz Dörr Huber Sjurts