Jahrestreffen 2012 - Ehemalige Ratsgymnasium Bielefeld

Transcription

Jahrestreffen 2012 - Ehemalige Ratsgymnasium Bielefeld
Mitteilungen
Oktober 2013
Vereinigung der Ehemaligen
des Ratsgymnasiums zu Bielefeld
Gegründet 1924
Vereinigung der Ehemaligen
des Ratsgymnasiums zu Bielefeld
Gegründet 1924
Mitteilungen
Oktober 2013
Vorstand
Hermann Schulze-Niehoff, Humboldtstr. 10, 33615 Bielefeld, Vorsitzender
Philip Ohletz, Detmolderstr. 19, 33604 Bielefeld, stellv. Vorsitzender
Beirat
Dr. Bernhard Hünerhoff, Finkenstr. 77, 33609 Bielefeld
Bernard Kiezewski, Wilhelm-Raabe-Str. 16, 33604 Bielefeld
Martin Maschke, Rathausstr. 1, 33803 Steinhagen
Wolfgang Pickhardt, Grewenbrink 32, 33619 Bielefeld
Dr. Helge Richter, Auf der Siegenegge 13, 33647 Bielefeld
Andreas Schnadwinkel, Stapenhorststr. 147, 33615 Bielefeld
Matthias Foede, Am Nordholz 74, 32130 Enger
Anschrift der Vereinigung:
Postfach 10 29 42, 33529 Bielefeld
Homepage: www.ehemalige-ratsgymnasium-bielefeld.de
E-mail: info@ehemalige-ratsgymnasium-bielefeld.de
Konto der Vereinigung:
Sparkasse Bielefeld (BLZ 480 501 61), Kto.-Nr. 1214
Jahresbeitrag:
16,– E; für Studenten und Auszubildende 5,50 E
Bitte vormerken:
Jahrestreffen 2014
Voraussichtliches
26.09. – 27.09. 2014
Inhalt
Vorwort Philip Ohletz......................................................................................................    6
Redaktion des Gelben Heftes...........................................................................................    8
An die Freunde des Fördervereins des Ratsgymnasiums
Birgit Nordmeyer, 1. Vorsitzende..........................................................................   10
Begrüßung der Abiturientinnen und Abiturienten
zur Entlassungsfeier am 6. Juli 2013
OStD Hans-Joachim Nolting.................................................................................   12
Glückwünsche zur Abiturientenentlassung 2013
StD’ Christa Wegener-Mürbe................................................................................   14
Schülerrede zur Abiturfeier am 6. Juli 2013
Jan Beutler, Mathis Prestel....................................................................................   23
Rede zur Verabschiedung der Abiturienten 2013
OStR Dr. Wolfgang Schröder................................................................................   16
Ergänzung zu Abiturientia Septuagenaria 1942
Dr. Gerhard Limberg..............................................................................................   32
To whom it may concern oder vor fast 70 Jahren –
Das Ratsgymnasium im KLV-Lager Einsiedel am Walchensee
Prof. Dr.-Ing. Till Behrens.....................................................................................   33
Schullandheimaufenthalt der Sexta b vom 7. bis 19. April 2013
StR’ Corinna Uffenkamp.......................................................................................   34
Renovierung des Tischtennisraums im Schullandheim
StR Markus Panhorst.............................................................................................   36
Großbritannienfahrt 2013: Eight cities in ten days
Cecilia Tenge-Rietberg, Bernadette Böllhoff........................................................   36
Reisetagebuch der Studienfahrt nach Italien 27.09.2012 – 8.10.2012
Viktoria Peter, Tim-Niklas Brilka.........................................................................   40
Studienfahrt zur Isola del Giglio
Marie-Luise Rottmann, Abi 2013..........................................................................   43
In 99 Stunden durch Berlin – die Studienfahrt nach Berlin – 30.01. – 03.02.2013
Jan Beutler, Q2......................................................................................................   44
Eine besondere Freundschaft
Elena Rempe, 10/EP..............................................................................................   50
Das französische Sprachdiplom DELF (Diplôme d’Etudes en Langue Française)
am Ratsgymnasium
Dr. Marli Schütze...................................................................................................   52
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In 12 Tagen einmal in die Antike und zurück –
Unsere Studienfahrt nach Griechenland (8.-20. Mai 2013)
Tim Kerkmann, 11/Q1...........................................................................................   53
Mach mir den Lanz
StR Christian Kass.................................................................................................   56
Mit „KonzentRATSion“ bei der Sache
StR Christian Kass.................................................................................................   57
Dr. Hajo Meyer und Justus Meyer: Schicksale jüdischer Ratsgymnasiasten
OStR’ Cora Winke.................................................................................................   57
Eine Rarität in der Bibliothek des Bielefelder Ratsgymnasiums
zur Bonner Revolutionsgeschichte 1848: „Wahlmann wähle Dahlmann“
OStR Dr. Johannes Altenberend............................................................................   61
Mit MINT eine Schul-Brücke bauen – Grundschüler als Jungforscher am Rats
StD‘ Dr. Heike Biermann......................................................................................   64
Nicht der Kumpel – Sebastian Reichelt im Gespräch
Lisa Pausch, Abi 2013...........................................................................................   65
Ein Preis für Geschichte am Ratsgymnasium
OStR’ Cora Winke und die Fachschaft für Geschichte.........................................   67
Experimentalwettbewerb 2013 „Jugend-forscht – Schüler experimentieren“
StR’ Anke Lange...................................................................................................   68
Hockey-Saison 2013
StR Holger Gebauer...............................................................................................   69
Streitschlichtung am Rats’
StR’ Brunhild Hilf.................................................................................................   70
Beitrag zum Schulwettbewerb „Eucharistischer Kongress 2013“
StD’ Romy Tenge..................................................................................................   71
Lernferien Ostern 2013 – Begabungen fördern
Tarik Wörmann, Q1 ..............................................................................................   72
Erfolgreiche Teilnahme beim Regionalwettbewerb – „Jugend debattiert“
StD’ Romy Tenge..................................................................................................   73
Essays:
Denk- und Ausdrucksexperimente
Dr. Wolfgang Schröder, Abi ’67...........................................................................   74
Wozu Lyrik?!
Julia Stögbauer, OI................................................................................................   75
Vieh und Vernünftigkeit
Jan Beutler, Q1......................................................................................................   78
Galileo Galilei, ein Held fürs Drama – aber kein Dramenheld?!
Julia Stögbauer, OI................................................................................................   77
„The basis of optimism is sheer terror“ (Oscar Wilde)
Laura Herde, 10/EP................................................................................................   79
Fotosplitter vom Jahrestreffen 2012................................................................................   81
Aus der Chronik des Schuljahres 2012/2013
StD’ Christa Wegener-Mürbe ...............................................................................   87
Essays (Fortsetzung):
Der Optimismus gegenüber seiner eigenen Sinnlosigkeit
Maximilian Günnewig-Mönert, OI........................................................................   98
Verändern moderne Kommunikationsmittel die Sprache?
Maximilian Hülshoff, UI....................................................................................... 100
Über Thomas Manns Aussage:
„daß ein Schriftsteller ein Mann ist, dem das Schreiben schwerer fällt
als allen anderen Leuten“
Lennart Stadtmann, OI........................................................................................... 103
Sprachlosigkeit, Sprachskepsis, Sprachnot
Annina Macht, OI.................................................................................................. 101
Ein philosophischer Essay: Psychoanalyse oder Neurowissenschaft?
Pascal Féaux de Lacroix, 12 /Q2........................................................................... 104
Ein philosophischer Essay: Von Wölfen und Lämmern
Tim Kerkmann, 11 /Q1.......................................................................................... 108
Erinnerung an meine Schulzeit
Johannes Ahlmeyer, Abi ’59................................................................................. 111
Pressespiegel ................................................................................................................... 118
Personalia im Schuljahr 2012/2013
StD’ Christa Wegener-Mürbe................................................................................ 133
Abschied von Ursula Herrbold am 19. Juli 2013
StR’ Brunhild Hilf................................................................................................. 134
Es starben ehemalige Schüler und Lehrer........................................................................ 135
Versetzung an eine andere Schule................................................................................... 135
Das Kollegium des Ratsgymnasiums 2013...................................................................... 135
Sextaner 2013................................................................................................................... 138
Abiturientia 1943 – 2013.................................................................................................. 140
Beitrittserklärung............................................................................................................. 157
Die Homepage des Ehemaligen-Vereins
Impressum:
Matthias Foede und Holger Hinnendahl................................................................ 152
Auflage 2013
Redaktion:
Andreas Schnadwinkel, Matthias Foede
Textbeiträge:OStD Hans-Joachim Nolting, Dr. Wolfgang Schröder,
Hermann Schulze-Niehoff, Lehrer und Schüler des Ratsgymnasiums
Anzeigen:
Marion Burow-Gamerschlag, Hermann Schulze-Niehoff, Philip Ohletz
Satz, Layout,
Grafik:
Britta Freund
Druck:
Gieselmann Druck und Medienhaus GmbH & Co.KG
Vorwort
Liebe Ehemalige und Freunde des Ratsgymnasiums, verehrte Leser!
Viele von Ihnen werden sich vielleicht
wundern, dass die einleitenden Zeilen zu
unserem Gelben Heft in diesem Jahr nicht
aus der Feder des Vorsitzenden unserer Vereinigung, Herrn Hermann Schulze-Niehoff,
stammen. Er hätte Sie gerne in der gewohnten Manier begrüßt, ist aber leider erkrankt.
Aus diesem Grunde hat er mich als seinen
Stellvertreter gebeten, einige Grußworte an
Sie zu richten, was ich natürlich gerne tue.
Wenn eben möglich, möchte Hermann aber
auf jeden Fall an unserem Jahrestreffen im
Oktober persönlich teilnehmen.
Bis dahin, lieber Hermann, von uns allen
die besten Genesungswünsche !
Ein ereignisreiches, wenn auch nicht
gerade spektakuläres Jahr liegt hinter uns.
Ereignisreich in schulischer Hinsicht war
sicherlich und vor allem der doppelte Abiturjahrgang. Eine große Herausforderung,
die die gesamte Schule mit Kollegium sowie Schülerinnen und Schülern mit Bravour
bewältigt haben, wie sich z. B. an den anlässlich der Entlassungsfeier unserer Abiturientinnen und Abiturienten zahlreich
vorgenommenen Ehrungen und Preisverleihungen zeigte. Wegen der großen Anzahl
der Absolventen konnte die Entlassungsfeier im übrigen in diesem Jahr nicht wie gewohnt in unserer Aula stattfinden, sondern
musste in die größeren Räumlichkeiten des
benachbarten Gymnasiums Am Waldhof
ausweichen. Dieses tat der Feierlichkeit der
Veranstaltung jedoch keinen Abbruch. Vielmehr konnte die Feier auch dort in dem gewohnten Rahmen ausgesprochen würdevoll
abgehalten werden.
Hierfür unserer befreundeten Nachbarschule auch von dieser Stelle noch einmal
unseren ganz herzlichen Dank!
Über die weiteren Vorkommnisse des zurückliegenden Jahres berichtet dieses Gelbe
Heft in der gewohnten Art und Weise mit
Beiträgen von Lehrern, Schülerinnen und
Schülern und auch – und das ist uns wich-
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tig – von Ehemaligen. Dieses alles zeugt
von der Verbundenheit zu unserer Schule,
auf die wir mit Fug und Recht stolz sein
können.
Ein wesentlicher Dank gilt unseren beiden Beiratsmitgliedern Matthias Foede und
Andreas Schnadwinkel. Diese haben, wie
schon in den Vorjahren, dieses Heft mit
ihrem Fachwissen nicht nur redaktionell
gestaltet, sondern sich darüber hinaus
auch ganz wesentlich für die Belange unserer Vereinigung eingesetzt. Letzteres
gilt im übrigen auch und ganz besonders
für unsere Sekretärin Frau Marion BurowGamerschlag, die mit ihrer Zuverlässigkeit
und Hilfebereitschaft inzwischen zu einem
wichtigen Bindeglied unserer Vereinigung
geworden ist. Auch ihr ein herzliches Dankeschön!
Und dann sind da natürlich auch noch
unsere Schülerinnen und Schüler aus der
Oberstufe, die durch ihren großen Einsatz
bei dem Treffen im letzten Jahr wieder entscheidend zu dessen Gelingen beigetragen
haben. All diesen fleißigen Helfern noch
einmal unser besonderer Dank!
Bei dieser Gelegenheit darf ich auch an
dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass unser nächstes Jahrestreffen 2014
wegen der Herbstferien nicht wie gewohnt
in der zweiten Oktoberwoche stattfinden
kann, sondern auf das Wochenende 26./27.
September 2014 vorverlegt werden musste.
Bitte schon einmal vormerken!
Schließlich noch eine kleine Bemerkung
in eigener Sache: zur Finanzierung der Gelben Hefte sind wir dringend auf Anzeigenkunden angewiesen. Leider sind im letzten
Jahr mehrere Inserenten abgesprungen und
konnten nur teilweise durch andere ersetzt
werden. Dieses ist eine durchaus bedrohliche Entwicklung, der es gegenzusteuern
gilt, um das Erscheinen der Gelben Hefte in
der gewohnten Qualität auch weiterhin zu
gewährleisten. Darum die dringende Bitte
an alle Leserinnen und Leser, doch wieder
mehr Anzeigenbereitschaft zu zeigen und
Alte Bielefelder und ehemalige Ratsgymnasiasten
Rechtsanwälte und Notar
Volker Kiso
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Philip Ohletz
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auch vielleicht im Freundes- und Bekanntenkreis hierfür zu werben. Die Anzeigenpreise sind durchaus moderat.
Im Namen des Vorstandes und des Beirats der Vereinigung der Ehemaligen des
Ratsgymnasiums zu Bielefeld grüße ich alle
ehemaligen Lehrer, Schülerinnen und Schü-
ler sowie das Kollegium, Schülerinnen und
Schüler als auch Freunde der Schule.
Philip Ohletz, Abi ’72
Die Redaktion
Haben Sie Anregungen oder Hinweise zum
Gelben Heft oder zu dem Inhalt? Wir freuen
uns über ihre Nachricht.
Sie erreichen uns:
Matthias Foede:
matthias.foede@
neue-westfaelische.de
Andreas Schnadwinkel:
schnadwinkel@
westfalen-blatt.de
Die Redaktion bedankt sich beim Kollegium unter der Leitung von Hans-Joachim
Nolting für die zahlreichen Textbeiträge und besonders bei Dr. Wolfgang Schröder
für die Koordination. Außerdem danken wir Amandus Peters für die Unterstützung
bei den Korrekturen.
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Wir schaffen Verbindungen!
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Joining together!
Liebe Freunde des Förderverein Ratsgymnasium,
zunächst einmal möchten wir vom Vorstand
die neuen Mitglieder willkommen heißen.
Bedanken möchten wir uns für die eingegangenen Spenden und auch für die tatkräftige Unterstützung – durch Kuchenspenden und Verkaufshilfe – bei unseren diversen
Aktivitäten wie dem Stand auf dem Weihnachtsbasar und dem Sommerfest, aber auch
bei der Begrüßung der neuen Sextaner oben
im Forum. Es macht Freude, gemeinsam im
Elternkreis etwas zu bewegen.
Gerne informieren wir Sie an dieser Stelle
wieder über die Förderbeiträge des vergangenen Schuljahres, wobei wir einen Beitrag
etwas genauer beleuchten möchten:
So wurde nun schon zum zweiten Mal das
Verkehrsprojekt in der Einführungsphase
(EP, Klasse10) mitfinanziert. Frau Echterhoff, die dieses Projekt federführend betreut
und bei der wir uns herzlich bedanken, erläuterte uns, dass hier den Schülern anschaulich
Gefährdungspotentiale im Straßenverkehr
aufgezeigt werden, um so Unfallsituationen
zu vermeiden. Dieses Thema wird in verschiedenen Projekten in den Fächern Kunst
und Musik – z. B. durch Erstellen eines entsprechenden Raps – aber auch im Fach Religion durch Diskussionen über Eingriff in das
eigene Leben und das Leben anderer, die Frage nach Schuld etc. vertieft und soll so besser
ins Bewusstsein dringen. Außerdem werden
Filme gezeigt, ein Crashtest wird durchgeführt und Ersthelfer berichten. Dieses Projekt
erachten wir als förderungswürdig, da so den
Jugendlichen im Alter von 15/16 Jahren die
Folgen von schweren Unfällen aufgrund von
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Regelüberschreitungen nahe gebracht werden können, in der Hoffnung auf eine entsprechend verantwortungsvolle Teilnahme
am Straßenverkehr dieser.
Wir freuen uns, dass wir im letzten Schuljahr
wieder mehrere Fachschaften durch die Anschaffung von Materialien und Lehrmitteln
unterstützen konnten: es waren dies die Fachschaften Latein/Griechisch, Physik, Sport,
Kunst, Musik und Englisch. Auch wurden
die Musikfreizeit und das Schulsanitäter-Projekt sowie die Roboter und die Schach-AG
wieder gefördert. Einen gut angenommenen
Themenabend zum Thema „Leistung zählt –
und was zählt noch“ haben wir auch gerne
unterstützt.
Ich möchte daher an dieser Stelle allen Mitgliedern des Fördervereins für Ihre Mitgliedschaft herzlich danken.
Sollten Sie noch nicht Mitglied des Fördervereins sein, aber auch gerne die Schule
Ihrer Kinder oder Enkelkinder unterstützen
wollen, so würden wir uns sehr über Ihren
Beitritt und Ihre Unterstützung freuen! Beitrittsformulare erhalten Sie über das Sekretariat oder aber über die Homepage der Schule
(www. ratsgymnasium-bielefeld.de unter der
Rubrik „Freunde“).
Ihre Birgit Nordmeyer
1.Vorsitzende
Förderverein Ratsgymnasium
zu Bielefeld e.V.
Konto Nr. 72009004, Sparkasse Bielefeld,
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Begrüßung der Abiturientinnen und Abiturienten
zur Entlassungsfeier am 6. Juli 2013
OStD Hans-Joachim Nolting
Liebe Abiturientinnen und Abiturienten,
sehr geehrte Eltern, liebe Kolleginnen und
Kollegen, verehrte Gäste,
„Sie suchen eine Schule mit familiärer Atmosphäre und optimaler Betreuung in kleinen Klassen? Eine Lernumgebung, die von
gegenseitigem Respekt geprägt ist? Sie haben sie gefunden.“
So hat es auf der Homepage der privaten
Fachoberschule in Schweinfurt gestanden,
die derzeit im Mittelpunkt der Medien steht,
weil alle Schülerinnen und Schüler durch die
zentralen Fachabiturklausuren gefallen sind.
Indikator für Qualität von Schule ist eben
nicht die idealisierende Werbung auf einer
Homepage, nicht das Label „privat“ und
auch nicht das zu entrichtende Schulgeld.
Ich freue mich, dass ich Sie – hier – heute
Morgen begrüßen kann, dass die Veranstaltung nicht mangels erfolgreicher Schülerinnen und Schüler ausfallen muss, vielmehr
bei uns das Gegenteil gilt! Ein durchaus
außergewöhnlich erfolgreicher Jahrgang hat
die Abiturprüfungen fast schon mit einem
Übermaß hervorragender Ergebnisse abgeschlossen.
Ich begrüße Sie herzlich zur Entlassfeier des
Ratsgymnasiums heute Morgen hier in der
Aula des Gymnasiums am Waldhof.
Vielleicht haben Sie sich über die Ortswahl
etwas gewundert.
In unserer Aula hätte jeder Abiturient heute
nicht einmal 1,7 Gäste mitbringen dürfen.
Was hätte das gegeben, wenn Sie, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, im schlimmsten Fall die Begleitplätze unter Ihren Eltern
hätten verlosen müssen? – Nun haben beispielsweise auch Großeltern, Paten oder andere wichtige Menschen in Ihrem Leben die
Chance, an diesem bedeutsamen Tag dabei
zu sein. So können wir im gewünschten Rahmen feiern.
Und wenn wir schon nicht in der eigenen Aula
den Schlusspunkt Ihrer Schullaufbahn setzen
können, so können Sie immerhin das Rats im
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Blick haben. Das ist eine Sichtmöglichkeit,
die bisher noch kein Abiturjahrgang hatte! Sie
haben also eine besondere Perspektive!
Die räumliche Nähe ermöglicht es im Übrigen, die Veranstaltung mit einem Glas Sekt
auf unserem Schulhof ausklingen zu lassen.
Und ich hoffe, Sie können die Gestaltung
des Tages heute genießen.
Ich freue mich auf jeden Fall, dass wir hier
heute das Gastrecht bekommen haben und
danke den Verantwortlichen des Gymnasiums am Waldhof sehr.
– – – – – – –
Liebe Abiturientinnen, liebe Abiturienten,
über Ihre Schulzeit, Ihre Abiturbedingungen und Ihre Belastungen ist so viel nachgedacht, diskutiert und geschrieben worden
wie über wenige zuvor! Das zusammenfassende Stichwort heißt „Doppeljahrgang“!
Über Sie ist schon intensiv diskutiert worden, bevor sie überhaupt von der Grundschule zum Gymnasium gewechselt sind.
Zum Beispiel hätte man schon ein Jahr eher
mit der Schulzeitverkürzung starten können
– was übrigens fast keine Schule getan hat.
Insbesondere Eltern, die Kinder mit einer
Altersdifferenz von knapp einem bis ca. 1,5
Jahren Altersunterschied in zwei aufeinander
folgenden Klassenstufen hatten, traten mit
Verve dafür ein, schon eher mit der Schulzeitverkürzung zu starten, um zu verhindern,
dass Ihre Kinder trotz der Altersdifferenz
zusammen Abitur machen. Das zu verhindern hat Familien dazu bewegt, den Älteren
oder die Ältere eine Klasse überspringen zu
lassen. Gleichwohl haben wir heute so viele
Geschwisterpaare unter den Abiturientinnen
und Abiturienten wie nie, die altersverschieden sind und von denen dennoch keiner sitzengeblieben ist.
Der eine Teil von Ihnen, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, musste es verarbeiten, dass plötzlich ein ganzer nachfolgender
Jahrgang sich im eigenen wiederfand, gemeinsame Kurse gebildet wurden.
Der andere Teil von Ihnen musste damit
fertig werden, dass plötzlich Mitschüler
und Mitschülerinnen neben Ihnen saßen, die
nicht nur älter waren, sondern auch ein Jahr
länger zur Schule gegangen waren und in einigen Fächern auch schon mehr Unterrichtserfahrungen einbringen konnten.
Für unsere Schule lässt sich heute feststellen,
dass Sie, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, sich diesen Erfahrungen stellen mussten, dass sich aber, vom Ergebnis her, die
damit einhergehenden Befürchtungen nicht
bewahrheitet haben! Als Gesamtjahrgang
haben Sie mit einem hervorragenden Schnitt
abgeschlossen und die Abiturientinnen und
Abiturienten, die dem G8 Durchgang angehören, haben in keiner Weise, vom Schnitt
her nicht einmal ein Zehntel oder ein Hundertstel, schlechter abgeschnitten als diejenigen, die eine neunjährige Gymnasialzeit
durchlaufen haben.
Das Charakteristikum Ihres Abiturjahrgangs
ist eine Vielfalt und Buntheit in der Zusammensetzung, die ihresgleichen sucht.
Die Altersspreizung von 6 Jahren ist wahrlich nicht alltäglich. Die Geburtsjahrgänge
1990 bis 1996 sind unter Ihnen vertreten.
Die Bezeichnungen G8 oder G9 greifen also
in der Phänomenbeschreibung in dieser Hinsicht zu kurz. 11- bis 16-jährige Schulzeiten
liegen hinter Ihnen!
Allerdings – und das wird in Ihrem Jahrgang, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, wiederum besonders deutlich –, ist
eine verlängerte Schulzeit oder ein nicht
so herausragender Schnitt kein eindeutiger
Indikator für weniger ausgeprägte Anstrengungsbereitschaft oder nicht so ausgeprägte
Fähigkeiten.
Wenn jemand erst in der achten Klasse und
ohne Deutschkenntnisse nach Deutschland
gekommen ist, hier zudem noch die Schule infolge eines Umzugs wechseln musste
und in seinem letzten Schuljahr, in der Q2,
wochenlang gefehlt hat, um in der Familie,
die aus Vater und drei Kindern besteht, den
Vater in der Endphase seiner Krankheit zu
begleiten, dann kann man, wie ich finde, die
Energieleistung, die dahinter steckt, wenn
das Abitur trotzdem erfolgreich abgelegt
wurde, nicht hoch genug einschätzen.
Das Gleiche gilt, wenn jemand sogar erst
in der zehnten Klasse nach Deutschland
kommt, als die Sicherheitslage im Heimatland als zu kritisch eingestuft wird, um dort
zu bleiben. Wer die gesamte Schulzeit bis
dahin im Iran verbracht hat und dann aufbauend auf die Sprachkenntnisse, die noch
aus der Kindergartenzeit in Deutschland
stammen, hier im glatten Durchgang seine
Reifeprüfung ablegt, verdient, wie ich finde,
unsere besondere Bewunderung und Anerkennung. Meine zumindest hat er.
Und übrigens, liebe Abiturientinnen und
Abiturienten, Sie alle dürfen auf so viel
mehr stolz sein als auf Ihren erfolgreichen
Abschluss. Ich erinnere mich zum Beispiel
des von Ihnen in vollends eigenständiger Regie initiierten, entwickelten und gestalteten
Abends der Künste!
Die beeindruckende Vielfalt der Beiträge
an dem Abend aus den so unterschiedlichen
Genres, die Moderation, ohne im Vorfeld
Programmgestaltung und Werbung aus dem
Blick zu verlieren: Das war eine Teamleistung und zugleich eine Summe besonderer
Leistungen Einzelner, auf die Sie mit Stolz
zurückschauen dürfen.
Ich gratuliere Ihnen allen herzlich und wünsche Ihnen für Ihre Zukunft alles erdenklich
Gute!
– – – – – – –
Lassen Sie mich bitte noch einen Dank ergänzen!
Da ich in diesem Abiturjahrgang auch als
Vater betroffen bin, habe ich mich nicht nur
wie in früheren Jahren von der Klasse, deren
Konferenzen etc. und später dem Jahrgang
sozusagen ferngehalten, sondern habe ich
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auch den Abiturvorsitz an Frau WegenerMürbe abgegeben, um den größtmöglichen
Abstand zu wahren. In Zeiten des Zentralabiturs war das, wie ich denke, auch noch nötiger als es dies vielleicht in früheren Jahren
gewesen wäre.
Vor diesem Hintergrund möchte ich aber abschließend es nicht versäumen, insbesondere Frau Wegener Mürbe und Frau Fujiwara
ausdrücklich zu danken.
Frau Wegener-Mürbe hat das Abiturverfahren in diesem Jahr geleitet und Frau Fujiwara
hat die Jahrgangsstufenleitung innegehabt.
Frau Fujiwara hatte damit in Ihrem ersten
Durchlauf als Jahrgangsstufenleiterin gleich
den Doppeljahrgang zu meistern, was konkret bedeutete, dass aufgrund der eben schon
erwähnten Altersspreizung z.B. so viele
verschiedene Prüfungsordnungen mit unterschiedlichen Bedingungsgefügen wie noch
nie parallel anzuwenden waren.
Beiden gilt mein ausdrücklicher Dank!
Glückwünsche zur Abiturientenentlassung 2013
StD’ Christa Wegener-Mürbe
Liebe Abiturientinnen, liebe Abiturienten
Liebe Eltern, Großeltern, Geschwister und
weitere Familienangehörige, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ganz herzlich möchte auch ich Sie alle zu
unserer Entlassungsfeier des Abiturjahrgangs 2013 begrüßen.
„Herzliche Glückwünsche zum Abitur“ –
das wird Ihnen, liebe Abiturientinnen und
Abiturienten, in den letzten Tagen oft gesagt
worden sein. Und jetzt hören Sie es auch
noch von mir!
Was bedeutet es eigentlich, wenn wir das
Wort „Glückwunsch“ sagen?
Ich zitiere den Duden: „Glückwunsch, Substantiv, maskulinum, Plural: Glückwünsche
Bedeutung: Wunsch für Glück und Wohlergehen zu einem besonderen Fest oder der
Ausdruck der freudigen Anteilnahme an einem Erfolg, einer Leistung, einem freudigen
Ereignis o.Ä.“
Sie sehen, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, dass wir mit diesem Begriff ganz
richtig liegen, denn wir nehmen freudig Anteil an Ihren Leistungen und Ihrem Erfolg!
Lassen Sie mich das zusammengesetzte
Wort in seine beiden einzelnen Substantive
unterteilen: „Glück“ und „Wünsche“
„Ich wünsche Dir viel Glück / Wir wünschen Ihnen Glück“ – das haben Sie im Zusammenhang mit Ihren Prüfungen von vie-
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len Menschen gehört, die Ihnen Ihre Sympathie und Zuneigung zeigen wollten. Nicht
nur als gesprochenes Wort, sondern auch in
der Form kleiner Glücksschweine, Kleeblätter oder Käfer bekamen Sie erlaubte Unterstützung bei Ihren Prüfungen. Beim Austeilen der Prüfungsaufgaben konnten wir auf
manchen Tischen gleich ganze Batterien
von Glücksbringern wahr-nehmen, mal ganz
abgesehen von den liebevoll vorbereiteten
Frühstückspaketen, die von zuhause mitgegeben wurden – auch dieses Umsorgtsein ist
eine Form des Glücks!
Es würde Ihre Geduld im Rahmen dieser
Feier überstrapa-zieren, wenn ich auf die
vielen Facetten des Begriffes „Glück“ eingehen würde, die uns begegnen und von jeden einzelnen von uns auch sehr individuell
wahrgenommen werden.
Deshalb möchte ich hier nur auf einen Aspekt eingehen: Wir als Schule hatten und
haben Glück mit Ihnen, dass Sie als Doppeljahrgang bei uns gewesen sind: viele
motivierte und engagierte junge Menschen
mit unterschiedlichen Begabungen, Lebensgeschichten und Zielen! Sie haben uns bereichert mit Ihren individuellen Leistungen
im Bereich der Musik, des Theaters, der
Kunst, des Schulsports, mit einem Abend
der Künste, bei der SV-Arbeit, der Teilnahme an Wettbewerben, Ihren hervorragenden
schulischen Leistungen und nicht zuletzt
Cornelsen Verlagskontor
Das Cornelsen Verlagskontor, kurz CVK, mit Sitz in Bielefeld, wurde 1966 gegründet und ist heute einer der deutschlandweit führenden Full-Service-Dienstleister im Bereich
der Buch- und Warenlogistik. Hierzu gehört seit 2013 auch
die europaweit größte Auslieferung von Kalendern für den
Handel.
Das CVK-Leistungsspektrum reicht von der Lagerhaltung
über Sendungsbündelung, Verpackung und Auslieferung
inklusive individueller Statistiken bis hin zur Abwicklung
von Print-on-Demand Aufträgen und der Entwicklung von
Softwarelösungen. Zu den insgesamt über 40 Mandanten des
CVK gehören das Bibliographische Institut, der Cornelsen
Verlag, der Kalenderverlag KV&H, der Delius Klasing Verlag,
uvm..
Jährlich bewegt das Unternehmen mehr als 1,4 Mio. Sendungen in 110 Länder - von der Einzelbuch- bis zur tonnenschweren Palettensendung. Das vollautomatische Hochregallager
hat eine Lagerkapazität von 60.000 Palettenplätzen. Täglich
werden bis zu 60.000 Bestellpositionen erfasst und verarbeitet. Nach der Kommissionierung, die über 30.000 Handlagerplätze abgewickelt wird, durchlaufen alle Sendungen vor der
Abholung ein automatisches Verpackungssystem.
Umweltbewusstes Handeln ist CVK ein großes Anliegen: Eine
Geothermie-Anlage erwärmt im Winter und kühlt im Sommer die 2006 in Betrieb genommene neue Warenein- und
-ausgangshalle, und auch der seit 2009 eingesetzte Folienschrumpftunnel wird mit alternativer Energie betrieben.
CVK beschäftigt mehr als 400 Mitarbeiter und gehört zur
Franz Cornelsen Bildungsgruppe, Berlin.
Wir lieben
Bücher & Kalender
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mit dem heutigen Gottesdienst. Dafür möchte ich Ihnen ganz herzlich danken. Die Schule ihrerseits hat Ihnen in spezieller Form das
Glück zukommen lassen: heißt doch Ihre
Stufen-leiterin mit dem Vornamen „Beate“.
„Wünsche“ – das zweite Substantiv: Ein
Motto auf den Abi-Shirts war angelehnt an
„per aspera ad astra“ – den ersten Stern haben Sie mit Ihrem Abitur erreicht , holen Sie
sich weitere! Vor Ihnen liegt Ihre ganz individuelle Zukunft, die Sie mit Konsequenz
und Fleiß, Ideen und Kreativität, Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit, Planung oder Zufall
– so wie es Ihrem jeweiligen Typ entspricht
- beginnen werden. Seien Sie neugierig,
wenn Sie jetzt den Schutzraum der Schule
und vielfach auch des Elternhauses hinter
sich lassen - wir sind gespannt von Ihnen als
Ehemalige zu hören, wenn Sie das gute alte
Rats besuchen.
Christa Wegener-Mürbe, StD’,
stellvertretende Schulleiterin
Rede zur Verabschiedung der Abiturienten 2013
OStR Dr. Wolfgang Schröder
„Unterschiedenes ist / gut“
Ein anderes freilich ists,
Unterschiedenes ist
gut. Ein jeder
und es hat
Ein jeder das Seine.
(Friedrich Hölderlin)
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Abiturientinnen und Abiturienten!
Eine Schar voller Verschiedenheiten! Am
ersten Schultag der neuen Doppeljahrgangsstufe sagte jemand aus G9: „Man fühlt sich
wie sitzengeblieben.“ Ein anderer aus G8
rief: „Das wächst sich aus!“ Und tatsächlich
– obwohl man anfangs meinte, nun seien
subtile Differenzierungsmaßnahmen nötig, hat sich alsbald herausgestellt, dass der
gemeinsame Unterricht den Unterschieden
hinreichend Rechnung trägt. Dabei ist Differenzierung seit den sechziger Jahren des
vorigen Jahrhunderts ein wichtiger pädagogischer Leitgedanke. 1969 postulierte der
Deutsche Bildungsrat die institutionalisierte
Differenzierung der Schüler nach Leistungen und Interessen, worauf die Differenzierungspädagogik feinsinnige Muster entwarf,
um solche Abstufungen objektivieren zu
können.
Während sich so der Differenzierungsgedanke etablierte, versuchte gleichzeitig ein
zunächst unterschwelliger, bald aber auch
offensiver Verallgemeinerungsdrang sich
16
Geltung zu verschaffen. Um Unterschiede
ermessen zu können, so meinte man nämlich, müsse es Vergleichbarkeiten, d.h. gemeinsame Maßstäbe geben. In solcher Situation kann sich die Paradoxie auftun, dass um
der Differenzierung willen ein Differenzierungsabbau geschieht. Das würde bei mangelnder Kognition oder durch leichtfertige
Pragmatik mit Blick auf sogenannte individuelle Förderung etwa die Merkwürdigkeit
zu Folge haben, dass nicht primär das Individuum oder der letztlich unverfügbare Einzelne gesehen wird, sondern der Standard,
dem dieser sich zu fügen hat.
Aber das Unterscheiden ist ein aufklärerisches Prinzip und kulturell ebenso wesentlich wie Assimilation oder Integration. Zu
wünschen wäre, dass die Schule, die eine
Insel der Aufklärung sein darf, die bestehenden Verwechslungsgefahren erkennt. Davon gibt es allerdings viele. Beispielsweise
scheint der Hinweis sinnvoll, dass Standard
nicht unbedingt vom Mittelmaß abzuleiten
ist. Auch müsste gelegentlich daran erinnert
werden, dass Wissen höher rangiert als Information. Bücher sind mehr als Texte. Stellungnehmen sollte man nicht mit Meinen
verwechseln. Es ist gut, wenn man kapieren
und kopieren voneinander unterscheidet,
Transparenz ebenso sehr von Fadenscheinigkeit abgrenzt wie von Durchblick, von
Diagnose. Man könnte lange so fortfahren.
Über Gleichheit und Unterscheidung nachzudenken, ist zweckvoll auf vielen Ebenen
– hier: erstens aus Interesse an klaren Denkstrukturen, zweitens mit Blick auf globale
Entwicklungen, drittens zur Einschätzung
der Stellung des Menschen.
– – – – – – –
Auf der Ebene des wissenschaftlichen Denkens erhellt sich das Außergewöhnliche wie
das Gewöhnliche durch das Licht der Forschung, das oft auf Fantastisches stößt. Angesichts der Teilchenphysik kann man sich
beispielsweise über den Gegensatz zwischen
der Verschiedenheit von Gegenständen
und der Ununterschiedenheit ihrer ‚innersten’ Bestandteile wundern. Einmal soll der
Physiker John A. Wheeler, angeregt durch
seinen Doktoranden Richard Feynman, den
späteren Nobelpreisträger, am Telefon diese
Frage aufgegriffen und ebenso einfach wie
verblüffend beantwortet haben. „Alle Elektronen seien nicht nur gleich, sondern dasselbe, meinte Wheeler – tatsächlich gebe es
im gesamten Universum nur ein Elektron.“
Dies berichtet ein wissenschaftsjournalistischer Artikel von Hans Christian von Baeyer
in Die Zeit aus dem Jahre 1997. „Dieses eine
und einzige Elektron“, so heißt es dort weiter, „trete nur stets aufs neue in Erscheinung.
Nachdem es in ferner Vergangenheit seinen
Anfang genommen habe, rase es vorwärts
durch die Gegenwart, wo Beobachter einen
flüchtigen Blick darauf erhaschen könnten.
Dann verschwinde es in der fernen Zukunft
und komme als Elektron zurück, das sich in
der Zeit rückwärts bewege, vorbei an Instrumenten, die es als Positron (das Antiteilchen des Elektrons) in Vorwärtsbewegung
registrierten. Wieder in der Vergangenheit
angekommen, kehre es um und beginne die
ganze Zickzackreise von vorn.“ Der Autor
schließt den Bericht mit der Bemerkung, die
Hypothese Wheelers ziehe „so viele unüberwindliche experimentelle und theoretische
Einwände“ auf sich, „daß ihr Schöpfer sie
fast augenblicklich wieder fallenließ.“
Wieso aber erscheint die Vorstellung, eine
Singularität sei zugleich etwas Universales,
so gewagt? Ist es denn etwa nicht minder
erstaunlich, dass die Industrie die Möglichkeit bereitstellt, in das Design eines weltweit
verbreiteten Produkts die unterschiedlichsten
Verbraucherindividualitäten zu integrieren.
Sie finden uns gegenüber vom Ratsgymnasium.
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Während in der Physik zu fragen ist, wo
genau der Übergang von der Gleichheit zur
Einzigartigkeit stattfindet, ist in der Welt
des Konsums zu erkennen, dass sich Standardisierung und Differenzierung in einer
schillernden Singularität vereinen, in jeweiliger Exklusivität, welcher am Ende doch
das Besondere fehlt, im einen und einzigen
kommerziellen „Elektron“, der Ware, die
durch die Gegenwart rast und so in Serie
geht. Wenn aber das Einzigartige in Massen
auftritt, dann lässt sich das Ununterschiedene
vom Unterschiedenen nicht mehr unterscheiden. Maßanfertigung folgt dem Klischee.
Das Außergewöhnliche wiederholt sich.
Dieser Mainstream der „Massenindividualisierung“ fließt weder an der „Ratskollektion“ – die übrigens ganz vorzüglich ist
– noch an der zeitgenössischen Pädagogik
vorbei. Viele Didaktiken werden von ihm
mitgerissen. Sie neigen zur Pflege standardisierter Beliebigkeit, weshalb der Literaturdidaktiker Johannes Odendahl den bildungsfeindlichen Missionarismus heutiger
Lehrpläne durch folgende Enumeration veranschaulicht: „Ökonomie versus Bildung,
Effizienz versus Kultur, Kompetenz versus
Wissen, Information versus Einsicht, Pragmatismus versus Tiefsinn, Sachtext versus
Literatur.“ Angesichts solcher stereotypen
Vertauschungen mag man sich fragen, ob
vielleicht die zur Zeit in Nordrhein-Westfalen anhebende Fortbildungsinitiative, die
sich sprachmagisch alliterierend „Vielfalt
fördern“ nennt, einen Weg eröffnet, um dem
verwirrenden und nivellierenden Kontrollgeist eine Stirn zu bieten.
Aber noch nimmt das ‚mittelmäßige’ Denken offenbar keinen Anstoß, wenn man etwa
das singuläre Cogito mit einem gesichtslosvagen „Ich-denke-mal-so“ verwechselt oder
wenn performative Sprache vom „Ich-sagemal-einfach“ abgeleitet wird. Auch täuscht
man sich vielleicht nicht, wenn man findet,
dass Mündigkeit für Mündlichkeit gehalten
oder Freiheit mit Freizeit gleichgesetzt wird.
Es gibt viele Verwechslungsgrotesken. Differenzieren im Geiste tut not.
Universalisierung, Generalisierung, Standardisierung und Normung sind verschiedene Formen der Verallgemeinerung. Wegen
mangelnder Trennschärfe kann man sich
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Sorgen machen. Seit Kant unterscheiden wir
generelle Regeln, nämlich „solche, die im
Durchschnitte am öftesten zutreffen“, also
in sehr weit gemessenem Umfang vertretbar
sind, von universalen Regeln, „die jederzeit
und notwendig gültig sein müssen“, die also zwingend sind. Wenn ein für unstrittig
gehaltenes oder für konsensfähig erklärtes
Prinzip zur unhinterfragten Übernahme empfohlen und in Umlauf gebracht wird, dann
betrachten wir dieses Prinzip als Standard.
Ein Standard, der sich vom Gebräuchlichen
zum Verpflichtenden verhärtet, ist als Norm
zu bezeichnen. „Normen“, so schreibt das
Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN)
auf seiner Homepage, „erbringen einen hohen betriebs- und volkswirtschaftlichen
Nutzen […]. Unternehmen, die sich an der
Normungsarbeit beteiligen, erzielen Vorteile
durch ihren Wissens- und Zeitvorsprung.“
Standards und Normen sind keine Tugenden
und keine Pflichten, die moralisieren könnten. Aber sie bieten pragmatische Vorteile.
Von solcher Rationalisierung wäre eine Vereinheitlichung abzugrenzen, die unerbittlich
nach dem Menschen – dem Humankapital
– greift. Für die „Akkumulation von Humankapital“ hat der französische Philosoph
Michel Foucault den Begriff der „Kompetenzmaschine“ geprägt und sie mit Blick
auf die „grenzenlose Verallgemeinerung der
Form des Marktes“ als „Bedrohungsfaktor“
beurteilt.
– – – – – – –
Doch der emphatische Globalismus – zweiter Aspekt dieser Ausführungen – bezweckt
keine Einpassung des Menschen in die
Gleichförmigkeit, sondern blickt in planetarische Weiten. „Die Erde fängt an, rund
zu werden auch im Erlebnis der Menschen,
nicht bloß in der Kenntnis“, meinte Max
Frisch in einem 1952 gehaltenen Vortrag.
Freilich herrschte schon in der europäischen
Renaissance ein starkes globales Bewusstsein, und das Erdrund war ein ideales Signum des Neuen. Shakespeares Friar Lawrence versucht dem verzweifelten Romeo
Mut gegen dessen Gefangenschaft in den
Banden vorurteilsverhafteter Differenzen zu
machen, indem er die planetarisch gewordene Perspektive seines Zeitalters in wenige
Worte fasst: the world is broad and wide.
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Im achtzehnten Jahrhundert wurde die
Menschheit in doppelter Bedeutung, die
‚Gesamtheit aller Menschen’ und die
‚menschliche Natur’, zum Leitgedanken
großer zukunftgerichteter Konzepte – bei
Kant, bei Lessing, bei Herder, bei Schiller.
Vom Weitblick begeistert schrieb Johann
Gottfried Herder 1772: „Nun ist offenbar
der ganze Erdboden für das Menschengeschlecht und dies für den ganzen Erdboden
gemacht […]. “Für den Humanisten ist die
Menschheit nicht ohne die Universalität der
Sprache denkbar. Er schätzt sie als Inbegriff
der geistigen Vielfalt, des universalen Wesen der bunten Menschheit, der Differenz
also, und nennt sie den „Proteus auf der
runden Oberfläche der Erde.“
Während die Sprache im allgemeinen Sinne
heute vor allem im Hinblick auf die Pragmatik internationaler Kommunikation in den
Blick gerät, hat diejenige Sprache, die einen
Ort der Bedachtsamkeit zu bilden pflegt,
nämlich die Dichtung, eine eher unauffällig
globalisierende Wirkung. Seit Goethe hat
hier der Begriff der „Weltliteratur“ sowohl
eine Vorreiter- als auch eine Legitimierungsfunktion. Im 20. Jahrhundert machte
Hans Magnus Enzensberger deutlich, dass
die hochrangige Dichtung der Moderne einen mondänen Lauf genommen hatte. Der
Autor beobachtet die „Entstehung einer poetischen Weltsprache“. Darin werde Skepsis
– soziales Misstrauens, politische Opposition – perpetuiert. Als „Kompetenzzweifel
der Schriftsteller“ hat Dieter Wellershoff
das Freisein der Literatur von Standards und
vorgefertigten Aufträgen bezeichnet. Solcher „Kompetenzzweifel“ bietet ebenso seriösen wie imaginationsgeleiteten Widerstand
gegen jeglichen Opportunismus.
Friedrich Schlegel, der Begründer der Frühromantik, verglich die Wandlungen der
Vorstellungskraft mit der Komplexität der
„Bewegungsgesetze“ des Weltalls. Sein
Welt- und Geschichtsverständnis zentrierte
im Begriff der „progressiven Universalpoesie“, welche die „Vorstellungsarten vom
poetischen Weltsystem“ erkunden sollte. Die
Universalpoesie, die es in unterschiedlichen
Ausprägungen gibt, setzt, wie man 1968 gesagt hätte, „Fantasie an die Macht“. Sie stiftet
keinen Generalkonsens der Perzeption von
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Sinn, sondern sie ereignet sich in zahlreichen
Neuansätzen. Der Begriff des „Gesamtkunstwerks“ zum Beispiel – in der Romantik entstanden, dann von Richard Wagner als das
„gemeinsame Werk der Menschen der Zukunft“ definiert – kann als Inbegriff hochgespannter Erwartungen an die Vereinigung ästhetischer wie sozialer Intentionen begriffen
werden. Die „Soziale Plastik“ ist ein Konzept, durch welches Joseph Beuys die Idee
einer gesellschaftsverändernden, universalen
Kunst definierte. Mit dem Begriff „Interkonnektivität“ wird die globale, simultane Vernetzung und wechselseitige Abhängigkeit
sozialer und kommunikativer Abläufe beschrieben. Bill Gates benutzt den Ausdruck
immer wieder. Als „Zivilisationsökumene“
bezeichnet Hermann Lübbe die sich entwickelnde „Welteinheitszivilisation“.
All diese komplexen Entwürfe erscheinen
wie mögliche Umschreibungen der von
Schlegel gedachten Universalität, wie „Vorstellungsarten vom poetischen Weltsystem“.
Möge es mit dem standardisierten Globaldesign nicht verwechselt werden. Möge man
durch soziale Netzwerke nicht ungut gelinkt,
sondern gut gelenkt werden. Möge die „eine“ Welt nicht die Pluralität aufheben. Der
anscheinend bestehenden Neigung zu derartigen Missverständnissen würde aus Rücksicht auf die Stellung des Menschen – dritter
Aspekt dieser Ausführungen – entgegenzuwirken sein.
– – – – – – –
In dem berühmten Fragment „Unterschiedenes ist / gut“ hat Friedrich Hölderlin das Differenziertsein der Wirklichkeit als Grund ihrer Rechtfertigung ausgelegt. Der hinterlassene Satz aus drei Worten, niedergeschrieben
mit einem Zeilensprung, der das dritte Wort
isoliert, trifft eine Seinsfeststellung: „Unterschiedenes ist“, der das affirmierende Urteil
„gut“ folgt. Durch den Zeilensprung entsteht
der Anschein, als wollte Hölderlin mit dem
naturalistischen Fehlschluss spielen, aber
er hütet sich, ihn zu ziehen. Was gut ist, so
kann man Hölderlins Sichtweise paraphrasieren, ist als Unterschiedenes gut, nicht
‚einheitlich’ oder ‚durchschnittlich’. Ihm
eignet eine universale Stimmigkeit, der vom
Menschen nicht widersprochen werden soll.
Man könnte sie die Selbstübereinstimmung
der Differenzierung nennen. Sie ist „gut“,
sie kann ein Segen, ein Glück sein, und man
soll sie hüten für das humane Leben. Auch
Fragmente mögen „gut“ sein, nicht nur weil
sie auf ein vollendetes – vergangenes oder
zukünftiges – Ganzes verweisen, sondern
indem sie als unregelmäßige, unverbundene
Teile die vordergründigen Generallinien und
die oberflächlichen Nivellierungen brechen.
Die Annahme eines transzendentalen Zusammenhalts der Bruchstücke bleibt dabei
unangetastet. Unterschiedenes ist, hat Bestand, es gilt allgemein. So mag hier deutlich
werden, dass der Vereinheitlichung selbst
vom Begriff der Universalität her, nämlich
der Universalität von Distinktion, von Mehrförmigkeit und Abgegrenztsein zwingend zu
widersprechen ist.
In der globalisierten Welt stehen „Einheitszwang und Unterscheidungswille“ (Jörn Rüsen) freilich nicht nur im Widerspruch zueinander, sondern es herrscht zwischen ihnen
auch Machtkampf. Eine Qualität von Kultur
wäre es, Andersheit zu tolerieren, indem
Abgrenzungen verdeutlicht werden. Denn
Toleranz ist nicht Indifferenz und nicht allgemeine Akzeptanz, sondern sie wirkt als
Arbeit an dem, was Adorno die „Kommunikation des Unterschiedenen“ genannt hat.
Von der totalen, alles vereinheitlichenden,
gnadenlos generalisierenden und damit die
Universalität von Differenz zunichte machenden Weltmacht und der heillosen Stellung des Menschen in ihrer Gewalt spricht
die Offenbarung des Johannes. Der Verfasser hat die Vision, dass eine Welteinheitsregierung herrschen und sich auf politischer,
wirtschaftlicher und religiöser Ebene entfalten werde. Auf politischem Gebiet habe die
gesamte Weltbevölkerung vor einer monströsen Herrscherinstanz zu zittern. „Was
gleicht diesem Ungeheuer? / Wer könnte
es wagen, mit ihm zu kämpfen?“ übersetzt
Walter Jens aus der Apokalypse. Die Diktatur werde ebenso die Regeln von Verkauf
und Konsum unter sich zwingen und auf religiösem Gebiet die Anbetung des Tierbildes
fordern. Dieser Welteinheitszwang sei unerbittlich, so die Apokalypse.
Nun lässt aber die apokalyptische Bedrohung des Unterschiedenen den bescheidenen Rückschluss zu, dass die angenommene
Universalisierung von Differenz ihre guten
Gründe hat. Umso mehr wäre dabei skep-
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tisch zu fragen, ob die Essenz und die Tiefe
täglich getroffener Unterscheidungen, sofern man sich überhaupt die ihnen gebührende Mühe macht, hinreichen und überzeugen.
Einem radikaleren Blick drängt sich vielleicht der Verdacht auf, dass auch die zahllosen Verschiedenheiten der bunten Welt,
global gesehen, bloß Schattierungen des
Immergleichen sein könnten. Diese Vermutung mag daher rühren, dass sich in vielen
Angriffspunkten der konkurrierenden Haltungen kein streitbarer Esprit, sondern die
Gemeinsamkeit stolzer Gesinnung zu verbergen scheint, mit der sich die Menschen
einheitlich selbst bespiegeln. Verzweifelte
Enttäuschung angesichts des allenthalben
– und einfallslos – Unterschiedenen hat E.
M. Cioran bekannt. Er schreibt: „Ich würde
eine Welt lieben, in der es gar kein Kriterium
gäbe, keine Form und keinerlei Prinzip, eine
Welt der absoluten Unbestimmtheit. Denn in
unserer Welt sind alle Kriterien, Formen und
Prinzipien dermaßen schal, daß ihre halbe
Gegenwart lästiger ist als der unerbittlichste
normative Absolutismus.“
Aus Ciorans Worten sprechen das Angewidertsein durch die Pseudoreizungen halbherziger Pluralität und der Verdruss über die
Gewöhnung an herrschende Anschauungsformen. Zu solchem Spott über habituell
verfestigte Grenzen im Denken könnte ein
Beispiel, das alltäglicher sozialer Realität
entstammt und dabei das Befangensein im
vordergründigen Unterschiedemachen nicht
minder souverän in Frage stellt, ergänzt werden. Die Einsicht nämlich, dass es eine Kraft
gibt, die „Unterschiedenes […] gut“ sein
lässt: die Liebe, bringt etwa ein Ayub KhanDin am Schluss seines Theaterstücks East is
East (1997) zur Sprache, das im Milieu einer
englischen Kleinstadt und im Kontext einer
kleinbürgerlichen Familie von dem handelt,
was Samuel P. Huntington 1996 als Clash of
Civilizations bezeichnete.
This isn’t a family! sagt einer der Söhne.
Aber Abdul, sein älterer Bruder, nimmt etwas anderes wahr: dass nämlich seine geplagte englische Mutter seinen poltrigen pakistanischen Vater über alle Schmach hinaus
liebt. Für Abdul lässt die Liebe weder Macht
oder Willkür noch kulturelle Bevormundung
zu. Sie „bläht sich nicht auf“ (1 Ko. 13,4).
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Der Sohn des Migranten betont die Abgrenzung von denjenigen Grenzen, die sich nur
durch Befangenheit definieren, indem er mit
Nachdruck beschwört: I’m telling you, things
are gonna be different round here. In emphatischer Interpretation ist dieser Satz über
den differierenden Trotz eine Ankündigung
des Sich-Unterscheidens von den trostlosen Einteilungsweisen der konventionellen
Verschiedenheit. Diese andere Andersheit,
die Differenz zweiten Grades offenbart das
aufgeklärte Desinteresse an Eifersucht und
engstirnigem Gegeneinander ebenso wie die
Souveränität über erzwungene Familiarität.
Durch solche Befreiung kann auf einer höheren Ebene – jenseits der „schalen“ und kontingenten Differenzierungsweisen, die auch
ein Cioran abhorresziert hat – „Unterschiedenes“ wahr werden, das „gut“ ist.
Da man nun vermuten darf, dass die heute
noch emsig reproduzierten Standards und
Effizienzparadigmen alsbald verbraucht sein
werden, könnte eine künftige Aufmerksamkeit neue Theorien der Besonderung, der Lizenzennutzung, der Autonomie, ja, der Autodidaktik favorisieren, worin Alternativen
zum grauen Mittelmaß, zur Massenindividualisierung und zum Differenzierungseinerlei
dämmern und nicht zuletzt zu den verwalteten Daten, der neuen Einheitswährung in
der Welt des Humankapitals. Dann könnte
das Unterscheiden – in höherer Potenz, in
globaler Anwendung, für die Stellung des
Menschen – erfinderisch, das kriterielle Differenzieren geistreich und das Unterschiedene „gut“ für alle sein. Wie in einer bedachtsamen Pädagogik mehr auf Vertrauen in den
lernfähigen Einzelnen und weniger auf den
Kontrollgeist der Normung gesetzt würde,
so möge – liebe Abiturientia 2013 – auch
im jetzt beginnenden Leben nach der Schule nicht nur allgemeiner Durchschnitt oder
Abwechslungslangweiligkeit
herrschen,
sondern Dynamik, die das Besondere – überzeugend Konturiertes, gut Unterschiedenes,
Distinguiertes – hervorbringt. Versuchen
Sie, das universal Gültige von dem, was nur
generell akzeptiert ist oder zu beliebiger Disposition steht, zu unterscheiden.
Dass „das Ganze das Unwahre“ sei, hat Adorno gegen Hegel gesagt. Immer kommt es
auf ein Etwas an. Und wahr ist, dass sich
auch aus scheinbar wenigem viel entfalten
kann, aus 4 Grundfarben, aus 7 Leitertönen,
aus 24 Lettern, 10 Ziffern, 2 Schaltzuständen, 3 Zeitebenen und Raumdimensionen,
12 Kategorien. Die Schauspielerin Iris Berben, geboren in Detmold, sagte neulich in
einem Interview, was sie vom heteronomen
Einheitszwang hält: „Die Messlatte, die ei-
nem von außen angelegt wird, ist ja nicht
unbedingt die eigene. Man muss seine eigene haben. Das ist ein guter Motor.“ Dass
der Motor während Ihrer Schulzeit gutes Öl
bekommen habe und nun weiterhin bekomme, möchte ich Ihnen wünschen. Fahren Sie
umsichtig, jeder seinen, jede ihren Weg!
Fahren Sie wohl!
Schülerrede zur Abiturfeier am 6. Juli 2013
Jan Beutler, Mathis Prestel
Sehr geehrte Lehrerinnen und Lehrer des
Ratsgymnasiums!
Sehr geehrter Herr Nolting!
Sehr geehrte Frau Wegener-Mürbe!
Sehr geehrte Stufenleiterin Frau Fujiwara!
Liebe Eltern und – vor allem – liebe Mitschülerinnen und Mitschüler!
Mathis Prestel: „Vorsicht, bitte!“ So lautet
der Titel dieser Rede, ein kurzer, aber dennoch prägnanter Satz, der den hier anwesenden Schülern wohl vor allem aus dem Munde
von Herrn Thomas bekannt sein wird. Dieser
Satz hat jahrelang als Indikator für das Auf-
tauchen einer Lehrkraft gedient, er hat sich
abgeschliffen, wurde durch den ständigen
Gebrauch bedeutungslos und scheint fast
zur Floskel geworden. Dennoch bietet diese
Formel noch immer weitreichende Möglichkeiten der Interpretation, die ganz von ihrem
Adressaten abhängen. In ihrer ursprünglichen Form am Ratsgymnasium beinhaltet
sie die Forderung nach Aufmerksamkeit und
den Wunsch, Platz auf dem Gang zu machen. Diese Vorsicht ist geboten, wenn man
sich, wie es im Gesetzbuch zur Zielsetzung
der Schule heißt, darum bemüht, die Fähig-
Modernste technik
für perfekten druck
ì Stillstand? Das gibt es bei Gieselmann nie. Rund um die Uhr laufen unsere hochmodernen Druckmaschinen und produzieren erstklassige Druckerzeugnisse. Und auch
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keit zu einem selbständigen kritischen Urteil
und zu eigenverantwortlichem Handeln zu
erlernen. Ganz allgemein versteht man unter
dem Wort „Vorsicht“ zumindest laut Duden
Besonnenheit, Behutsamkeit, Voraussicht
und Klugheit gegenüber einer Gefahr, Achtgeben usw. Je nach Adressat verändert sich
jedoch die Botschaft, wie sich im Laufe dieser Rede zeigen wird.
Der Titel ist unter Zeitdruck entstanden, aber
wie ja allgemein bekannt ist, entstehen unter
Druck Diamanten. Inwiefern das der Wahrheit entspricht, sei Ihrem Urteil überlassen.
Wir für unseren Teil können sagen, dass wir
mit dem Ergebnis unserer Arbeit sehr zufrieden sind. Denn aus der Not, aus der dieser
Titel entstand, ist eine Tugend geworden:
In der nun folgenden Rede werden wir eher
in Dialog denn in Monologform vorgehen,
einerseits zwecks einer gewissen Auflockerung, andererseits um den verschiedenen Positionen gerecht zu werden, die von uns, den
beiden Rednern vertreten werden. Außerdem möchte ich die Lehrerinnen und Lehrer
darauf hinweisen, dass die Rede zur Stilmittelanalyse schriftlich einsehbar sein wird.
Ein Erwartungshorizont wird nachgeliefert.
Jan Beutler: „Vorsicht, bitte“, lieber Mathis. Auf der einen Seite hast du recht, aber
du darfst eines nicht übersehen: In der letzten Zeit hat sich die Methode, wie man uns
den Lernstoff beibringt, stark verändert, und
das nicht gerade zum Besseren. Ich glaube,
jeder von uns wird sich an Unterrichtsstunden erinnern, die mit unzähligen Lernspielen
wie dem „Kugellager“, den „Brief-Konferenzen“, den „Museumsrundgängen“ und
all den anderen Erfindungen eifriger Pädagogen gefüllt waren. Das angenehmste Gefühl für einen Schüler war aber immer noch
die Gewissheit, dass die nächste Stunde mit
Power-Point-Präsentationen angereichert ist.
Diese Art der medialen Aufbereitung mag
zwar in einigen Fächern effektiv sein, doch
ist bei zu häufiger Anwendung die Gefahr
des Nichtachtgebens zu groß. Wer hat bei
den diversen Power-Point-Marathons schon
seine volle Aufmerksamkeit dem Referenten gewidmet und ist nicht in der ruhigen
Atmosphäre mit den Gedanken vollends abgeschweift oder hat sich einfach nur zurück-
24
gelehnt? Der Lerneffekt blieb dann meistens
aus. Aber nicht nur innerhalb der Stunden ist
die Veränderung der Methoden auffallend.
Auch die vom Ministerium vorgegebenen
Bewertungsmaßstäbe zeugen davon. Mit
der Einführung eines Erwartungshorizonts
bei jeder Klausur wollte man die Vergleichbarkeit der jeweiligen Arbeiten verbessern
und zudem dem Schüler eine bessere Einsicht in seine Fehler und Möglichkeiten zu
Verbesserungen geben. Dies mag zwar der
Fall sein, doch widerstrebt es dem gesunden
Menschenverstand, eine Geschichts-, eine
Deutsch- oder ein Philosophiearbeit in Punkten zu bemessen. Dem Urteilsvermögen des
Lehrers, ob die Arbeit nun sehr gut, gut oder
vielleicht nur ausreichend ist, wird die einfache Addition von Punkten entgegengesetzt.
Und wie stellte schon ein allseits geschätzter Mathelehrer fest: „Mathearbeiten sind
wie ein Quiz, je mehr Punkte desto besser.“
Dass dies nicht für alle Klausuren in den verschiedenen Fächer zum Leitspruch werden
darf, erklärt sich aus meiner Sicht von selbst.
Nicht grundlos verweigern sich viele Lehrer
diesem Bewertungssystem nach Punkten.
Was ist eigentlich von der guten alten
Schule übrig geblieben, wird sich manch
einer fragen. Natürlich unterliegt alles dem
Wandel der Zeit, auch die Schule. Selbstverständlich bedarf es vieler Erneuerungen,
gerade im Bereich der Bildung, doch sollte man das Altbewährte nicht ganz außer
Acht lassen. Und man möchte den Lehrern
dieser Schule ein herzhaftes „Vorsicht, bitte!“ entgegenrufen. Auch eine Stunde ohne
Power-Point, Lernspiel oder Gruppenarbeit
kann zum Erfolg werden. Es ist ganz leicht.
Man nehme einfach eine Diskussion oder
das altbekannte Lehrer-Schüler-Gespräch,
füge noch etwas Humor und Witz hinzu und
nach 45 Minuten bei Ober- und Unterhitze
im schlecht gelüfteten Klassenraum erhält
man dann dreißig verschiedene Kreationen
von Weiterbildung.
Mathis Prestel: Halt! „Vorsicht, bitte“,
lieber Jan. Denn eines darfst du nicht vergessen. Einzig diese Ausbildung, über die
du dich so beklagst, hat dich in den Stand
gesetzt, allein diese Rede zu verfassen. Denn
so auch einige Mängel an den Lehrern, in der
Schule, am System zu finden sind, so stelle ich dir dennoch die Frage: Betrachtest du
dich nicht selbst als gebildeten Menschen?
Hast nicht du selbst den Anspruch, auch von
anderen als solcher betrachtet zu werden?
Und weiter, zeigst du nicht ein erhebliches
Maß an Undankbarkeit denen gegenüber,
die dich auf deinem Weg dorthin angeleitet
haben? Nicht die Kritik allein ist es, durch
die der gebildete und denkende Mensch die
Schärfe seines Geistes beweist, sondern
auch und vor allem durch die Fähigkeit,
dasjenige anzuerkennen, was gut und richtig ist. Gab es denn nicht die Diskussionen
im Unterricht, die Dialoge zwischen dir, den
Lehrern und deinen Mitschülern, die dich
selbst in geistige Höhenflüge versetzt haben? Gab es denn nicht die Freude an einer
wirklich guten Unterrichtsstunde, die selbst
wenn sie zugegebenermaßen selten oder nur
in bestimmten Fächern vorkam, dennoch
einen unschätzbar hohen Wert hatte? Nein,
lieber Jan, nur zu kritisieren ist – und ich
wende mich hier auch an meine Mitschüler – nicht differenziert, sich von einem sehr
subjektiven Verhältnis zur Schule verbittern
zu lassen, ist nicht weise. Schon Platon ließ
seinen Sokrates sagen: „Ich weiß, dass ich
nichts weiß.“ Dieser Grundsatz sollte auch
dir Warnung und Gebot zugleich sein.
Jan Beutler: „Vorsicht, bitte!“ lieber Mathis. Es zeugt zwar von ausgesprochen hohem Interesse und Geist, sich mit dem Thema Schule in dieser Art und Weise auseinanderzusetzen, aber wir sollten nicht ganz den
Anlass für diese Rede aus den Augen verlieren. Man mag zwar über die allgemeine Lage der Schule schlecht denken oder sie kritisieren, doch befindet sich die Ausbildung
am Ratsgymnasium in Bielefeld zugegebenermaßen auf einem dennoch hohen Niveau.
Nicht ohne Grund kann das Ratsgymnasium
dieses Jahr vier Schüler mit einem 1,0er Abitur vorzeigen. Dies mag zwar vorwiegend
dem Fleiß und der Intelligenz der jeweiligen
Schüler zuzuschreiben sein, doch auch die
Ausbildung an dieser Schule ist dabei ganz
wichtig. Die Vermittlung der Unterrichtsinhalte und die Betreuung der Schüler bei
Projekten, Facharbeiten oder außerschulischen Wettbewerben zeigen eine hohe Einsatzbereitschaft seitens der Lehrer, wofür
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ihnen an dieser Stelle gedankt sei. Es ist aber
nicht nur die fachliche Kompetenz der Lehrer, die diese Schule auszeichnet, sondern
auch das soziale Umfeld. Das neue System
von G8 ist zwar an vielen Stellen zu kritisieren, doch ist es gerade bei uns einzigartig
gewesen zu sehen, wie innerhalb kürzester
Zeit aus zwei Jahrgängen ein Jahrgang geworden ist. Freundschaften haben sich über
Klassen-, Kurs- und Stufenverbände hinaus
entwickelt, nimm als bestes Beispiel dafür
uns beide als Vertreter von G8 und G9. Welcher Jahrgang vor und nach uns kann zudem
schon von sich behaupten, mit 115 Mann
und Frau auf den Treppen von Schloss Sanssouci gestanden zu haben?
Wo wir schon bei Schloss Sanssouci angelangt sind, sei noch einmal ausdrücklich
auf die Berlin-Fahrt im Januar dieses Jahres hingewiesen. Im Nachhinein muss ich
doch schon schmunzeln, wenn ich mich
daran erinnere, im moderaten Schritte durch
Berlin gegangen zu sein, während zur gleichen Zeit ein Teil meiner armen Mitschüler
dick verpackt und mit Reader in der Hand
im Laufschritt ihrem Lehrer hinterhergejagt
sind. Die Berlinfahrt war insgesamt nicht
nur eine Fahrt, auf der Schüler UND Lehrer
etwas gelernt haben, sondern sie war auch
ein Zusammenhalt stiftendes Unternehmen.
Wenn 17-Jährige zusammen mit 20-Jährigen
die Hauptstadt unseres Landes erkunden und
sich gemeinsam manch unpopulärer Entscheidung des Lehrpersonals widersetzen,
zeigt das, wie eng unsere Stufe in diesen drei
Jahren zusammengewachsen ist. Das ist und
bleibt einzigartig.
Mathis Prestel: Lieber Jan, nicht ganz kann
ich dir zustimmen. An was hat mich unsere
Schule noch immer erinnert? An ein Bielefelder Stadttheater, das im Gewand der
Semperoper erschien. Klischeebehaftet wie
kaum eine andere, schämt sich die Schule
keineswegs, etliche dieser Klischees auch
freudig zu erfüllen. Das Rats durchweht der
Geist einer englischen Privatschule. Aufs
Rats gegangen zu sein verbindet Leute.
Ratsgymnasiasten horchen auf, hören sie
davon, dass ihr Gegenüber an derselben
Schule sein Abitur gemacht hat. Ein Schüler, dessen Wirken man am Rande miterlebt
hat, ist ein „altes Ratsurgestein“. Diese Ei-
26
genart, dieser Charakterzug macht das Ratsgymnasium aus.
„Worüber man nicht reden kann, darüber
muss man schweigen“ Und so soll hier nicht
vom berühmten Hochmut der Ratsschüler
gesprochen werden, den einige mit Stolz
verwechseln. Die Frage, ob nicht jede Form
von Stolz auch eine Form von Intoleranz bedeutet, soll hier nicht gestellt werden. Ob die
Ausgrenzung nicht eines seiner wichtigsten
Elemente ist? Wer weiß es schon. Auch und
gerade an unserer Schule, die die Zeugnisvergabe in den Räumlichkeiten der konkurrierenden Schwesterschule abhalten muss,
hat es Akte der Ausgrenzung gegeben, gegenüber anderen Lehranstalten und auch gegenüber Mitschülern. Aber einen tadellosen
Ruf hat sie sich dennoch bewahrt, was bei
genauer Betrachtung auch das Wichtigste
und Wünschenswerteste ist.
Was in einer Rede wie dieser nicht fehlen
darf, ist außerdem, sich über die Obrigkeit
zu beklagen. Wie Kurt Tucholsky sagte:
„Wenn man einen Menschen richtig beurteilen will, so frage man sich immer: Möchtest
du den zum Vorgesetzten haben?“ Was uns
betrifft, waren wir in der angenehmen Lage, diese Frage nicht stellen zu müssen. Die
Lehrer waren von Anfang an und gezwungenermaßen unsere Vorgesetzten. Und so kann
man den Satz folgendermaßen umformulieren „Wenn man einen Lehrer richtig beurteilen will, so frage man sich immer: Möchtest
du mit dem mal ein Bier trinken gehen?“ Die
Antwort lautet in etlichen, aber nicht in allen
Fällen ja. Deshalb möchte ich alle Lehrerinnen und Lehrer, die von mir wissen, dass
ich gegen sie eine persönliche Abneigung
hege, bitten, mich nie auf ein Bier einzuladen. Auch sei gesagt, dass sich bestimmte
Lehrer nicht gescheut haben, Konflikte und
Meinungsverschiedenheiten, die auf der persönlichen Ebene bestanden, gerne und oft
in ihre Notengebung und ihren Umgang im
Unterricht einfließen zu lassen. Dazu sei nur
gesagt: „Der Weise verzeiht alles, aber vergisst nichts.“
Jan Beutler: „Vorsicht, bitte!“ lieber Mathis. Während du meinst, einen Hauch
von Eton in unserer Schule zu vernehmen,
empfinden andere genau das Gegenteil. Ist
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es denn nicht üblich, dass mit dem Besuch
einer Schule auch ein gewisses Gemeinschaftsgefühl entsteht, wenn man seine eigene Schule bei wissenschaftlichen oder
sportlichen Wettkämpfen vertritt? Ich kann
dennoch deine Empfindung des Elitären
nicht ganz von der Hand weisen. Dies hängt
aber auch sehr mit dem Ruf unserer Schule
zusammen. Du meinst die Erfüllung vieler
Klischees zu sehen, ich empfinde mehr die
Verteidigung ihres Rufs. Und dieser Ruf ist
gut. Erst neulich bekam ich als Reaktion auf
meine Aussage, ich sei am Rats gewesen, zu
hören: „Oh, das ist gut.“ Und wenn ein Außenstehender den Namen Rats hört, assoziiert er diesen zunächst mit dem Bildungsniveau und nicht mit den gängigen Klischees.
Diese zu überprüfen, ist nämlich deutlich
schwerer. Und du wirst mir hoffentlich zustimmen, wenn ich behaupte, dass sich die
meisten Vorurteile gegenüber dem Rats in
den vergangenen Jahren als falsch erwiesen
haben. Es ist nämlich nicht die Überheblichkeit oder die Intoleranz der Schüler, welche
hier im Vordergrund steht und die Schule
auszeichnet, sondern eine angenehme Atmosphäre zwischen Schülern untereinander
und im Verhältnis zu den Lehrern. Vor allem
diese Beziehung hat sich in letzten Jahren
deutlich verbessert. Für unsere Eltern war
es nicht denkbar, mit ihren Lehrern ein Bier
trinken zu gehen, heute gehört dies schon
fast zum guten Ton.
Mathis Prestel: Auch nicht ganz falsch, lieber Jan. Es muss an dieser Stelle gesagt werden, dass der Geist, von dem ich eben sprach,
Freundschaften geschaffen hat, die hoffentlich ein Leben lang halten werden und die
man nicht missen darf. Daher darf und kann
eines nicht vergessen werden: Die Existenz
kommt vor der Essenz, wie uns Sartre und
nicht zuletzt Herr Schröder lehrten. Und
demnach ist zu sagen, dass die Schule keine
Essenz hat ohne die Existenz der sie prägenden und gestaltenden Schüler. Diese sind
hier das Salz in der Suppe. Und so mag einen
schon eine gewisse Wehmut ergreifen, denkt
man, wie es ja nun heißen muss, zurück an
die Schulzeit und ist sich des dauerhaften rien ne va plus bewusst, das nunmehr mit diesem Gedanken verbunden ist. Allerdings ist
übertriebene Trauer angesichts des Abgangs
28
von der Schule fehl am Platze. „Per aspera
ad Abi“, so war unser Motto. In der Tat, das
Raue haben wir für den Moment hinter uns,
das Abi ist geschafft. Gleichwohl muss der
Griff nach den Sternen noch folgen, die, wie
ich hoffe, abholbereit vor uns auf der Straße
liegen, die uns ins Ungewisse führt. Wir stehen am Anfang, wir sind bereit. Wem, wenn
nicht uns sollte die Hoffnung noch gestattet
sein. Vor allem die Hoffnung, dass der Satz,
„nicht für die Schule, sondern für das Leben
lernen wir“ sich für uns bewahrheitet. Was
ich für mich persönlich sagen kann, ist, dass
ich zumindest durch meine Mitschüler unschätzbar viel über und für das Leben gelernt
habe. Deshalb möchte ich auch ihnen ein
lautes und klares „Vorsicht, bitte“ entgegenrufen: Lasst euch nicht verbiegen, verliert
nicht das, was euch ausmacht!
Jan Beutler: An dieser Stelle stimme ich dir
vollends zu, lieber Mathis. In der Schule erfährt man nicht nur Bildung als solche, sondern man bildet auch seine eigene Persönlichkeit aus. Und ich möchte dich hier an ein
Zitat von Hegel erinnern: „Zum Handeln gehört wesentlich Charakter, und ein Mensch
von Charakter ist ein anständiger Mensch,
der als solcher bestimmte Ziele vor Augen
hat und diese mit Festigkeit verfolgt.“ Dieser Satz, finde ich, greift auch das auf, was
du vorhin schon angesprochen hast, nämlich
dass die Schule nach offizieller Definition
dazu dienen soll, uns selbstverantwortliches
Handeln beizubringen. Dies ist jedoch ein
langwieriger Prozess, der mit dem Ende der
Schule noch längst nicht abgeschlossen ist.
Und hier zeigt sich eben, dass es der Charakter ist, der einen ausmacht und nicht das
Abitur. Dieses ist zwar im weiteren Leben
wichtig, doch das Abitur ist nicht alles!
Und dies sei auch ein Appell an all diejenigen unter uns, die mit ihrem Abitur nicht
so zufrieden sind, wie sie es sich gerne
gewünscht hätten. Es gibt viele bekannte Persönlichkeiten, die es trotz eines eher
durchschnittlichen Schulabschlusses weit
gebracht haben, man denke nur einmal an
Thomas Mann oder Franz Kafka. Nur weil
eine 2 oder eine 3 vor dem Komma steht,
heißt das noch lange nicht, dass man ein
schlechter Schüler ist. Es gibt nämlich auch
Talente in unserer Stufe, deren Erfolge und
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29
Leistungen auf dem Abiturzeugnis nur unzureichend gewürdigt werden, so z. B. aus
dem Bereich des Sängerkreises oder des Literaturkurses. Hier sei noch einmal auf die
Aufführungen des Literaturkurses unter der
Leitung von Frau Jung-Lösing hingewiesen,
die es beispiellos verstanden hat, die Fähigkeiten der einzelnen Schülerinnen und Schüler zum Ausdruck zu bringen. Dafür sei ihr
an dieser Stelle großer Dank ausgesprochen.
Mathis Prestel: Und nicht nur ihr: Auch
anderen gebührt großer Dank. So darf auf
keinen Fall unsere Stufenleiterin Frau Beate Fujiwara-Tönsmann vergessen werden,
bei Schülern und Lehrern besser als „Fuji“
bekannt. Ihr gebührt großer Dank nicht nur
hinsichtlich ihres großen Organisationstalents, sondern auch bezüglich ihrer unaufgeregten und frischen Art, die uns häufig
genug vor dem Kollaps angesichts des Wirrwarrs an Wahlzetteln, Noten und Möglichkeiten bewahrt hat. Dasselbe gilt natürlich
auch in gleicher Form für Frau WegenerMürbe. Ebenso möchten wir an dieser Stelle
den beiden Sekretärinnen Frau Walter und
Frau Haake-Kamp danken, die uns immer
mit Rat und Tat sowie einem freundlichem
Wort zur Seite standen. Generell gebührt allen Lehrerinnen und Lehrern ein Dank von
der Seite der Schülerschaft für die tatkräftige
Unterstützung durch all die Jahre und dafür,
dass Sie uns nun endlich gehen lassen. Dass
wir alle unseren Eltern danken, steht für uns
außer Frage. Und, was mir persönlich noch
wichtig ist, lieber Jan, ein herzlicher Dank
gebührt auch dir, einerseits für die Möglichkeit, gemeinsam mit dir diese Rede zu verfassen, andererseits für den Spaß, den wir
beide dabei gehabt haben. Den Spruch „In
vino veritas“ kann man da schon mal unterschreiben.
Jan Beutler: Lieber Mathis, auch ich möchte mich bei dir bedanken. Wir haben jetzt
insgesamt zwei Monate an dieser Rede gesessen, wobei zugegebenermaßen die letzten
zwei Wochen die effektivsten waren. Diese
Rede hat gezeigt, dass auch Ideen, die samstags morgens um drei Uhr entstanden sind,
ein Erfolg werden können und zugleich noch
so viel Freude bereiten. Und für mich hat
30
sich beim Verfassen dieser Rede auch wieder einmal eines gezeigt: die ganze Mühe hat
sich gelohnt. Und damit meine ich nicht nur
die Rede an sich, sondern auch die gesamte
Schulzeit. Es war zwar oft genug eine Plackerei und ein Ärgernis. Das eine Mal meinte man sich im großen Zirkus wiederzufinden, das andere Mal fragte man sich auch:
Was machst du eigentlich hier? Die Antwort
werden wir gleich in unseren Händen halten.
Und heute kann jeder auf das, was er erreicht
hat, stolz sein, und das sollte auch gefeiert
werden.
Dass unser Abschied von der Schule in dieser großartigen Weise vonstatten geht, sei
es in der Kirche, hier in der Aula oder auch
morgen in der Stadthalle, verdanken wir
vielen fleißigen Schülerinnen und Schülern
in den verschiedenen Komitees, die keine
Mühe gescheut haben und die Verantwortung für diese beiden Tage getragen haben.
Auch ihnen sei zum Schluss dieser Rede
herzlichst gedankt. Was jetzt noch bleibt ist
die Erkenntnis, dass die Schulzeit endgültig vorbei ist. Eine Grundausbildung haben
wir in 12 bzw. 13 Jahren erhalten, doch das
meiste werden wir noch außerhalb der Schule lernen. Und so empfand es auch Wilhelm
Busch, als er folgende Reime schrieb:
Also lautet ein Beschluß:
Daß der Mensch was lernen muss. –
Nicht allein das Abc
Bringt den Menschen in die Höh;
Nicht allein am Schreiben, Lesen,
Übt sich ein vernünftig Wesen;
Nicht allein in Rechnungssachen
Soll der Mensch sich Mühe machen;
Sondern auch der Weisheit Lehren
Muß man mit Vergnügen hören.
Und ich hoffe sehr, dass wir alle dies in unserem weiteren Leben berücksichtigen werden, denn man lernt ja bekanntlich nie aus.
Wir sollten uns aber im Klaren darüber sein,
dass wir uns mit dem Abitur eine sehr gute
Voraussetzung für das weitere Leben erarbeitet haben. Jetzt haben wir die Chance,
also lasst uns sie auch nutzen.
Vielen Dank!
ERBRECHTSKANZLEI
Michael Wadehn
Notar
Rechtsanwalt
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Synthia Winter
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31
Ergänzung zu Abiturientia Septuagenaria 1942
Mitteilungen Oktober 2012
Sehr geehrter Herr Schulze-Niehoff,
ich habe beim Lesen der Mitteilungen 2012 festgestellt, dass von der damaligen „G8“ drei
Mitschüler verstorben und nicht aufgeführt worden sind:
Behrmann
Hans Dieter
Abi: 1942
Herrmann
Helmut
Abi: 1942
Lücking
Wilhelm
Abi: 1942
Das untenstehende Foto des Abiturjahrganges 1942 wurde bereits 1941 gemacht, weil Einberufungen zur Wehrmacht bevorstanden. Bitte zum Behalt in das Archiv aufnehmen.
Mit freundlichem Gruß,
Ihr Dr. Gerhard Limberg
32
To whom it may concern oder Vor fast 70 Jahren –
Das Ratsgymnasium im KLV-Lager Einsiedel am Walchensee
Prof. Dr.-Ing. Till Behrens
Einmal in meinem Leben war ich bisher in
Bielefeld, 1955 als Chauffeur eines dicken
Holzhändlers. Zehn Jahre vorher hatte ich
aber das Ratsgymnasium besucht. Wie
ging das? Rats und ich lebten nicht an ihren angestammten Orten. Wir trafen uns am
schönen Walchensee in Oberbayern. Schüler
und Lehrer waren seit 1944 im Hotel Einsiedel am Walchensee in einem KLV-Lager
(= Kinderlandverschickung) im Krieg evakuiert worden. Meine aus Babelsberg kommende Familie lebte bereits seit 1942 in
einem ebenso romantischen wie primitiven
Sommer-Blockhaus im Dorf Walchensee.
Damals war von dort keine reguläre höhere
Schule zu erreichen. Erst gab mir mein im
Krieg für seine Erfindungen u. k. (= unabkömmlich) gestellter Vater abends privaten
Unterricht, dann ging ich ab Herbst 1944 für
kurze Zeit als Externer im benachbarten Urfeld in die auch in einem KLV-Lager untergebrachte Gisela-Oberschule aus München.
Ihr Schulleiter, ein wilder Nazi, verlangte
bald, dass ich der intern praktizierten paramilitärisch-nationalsozialistischen Ideologie-Erziehung unterworfen werde. Das hiess
morgendliches Antreten in Pimpf-Uniform,
Teilnahme an Schiessübungen, Indoktrination mit Verbot von sonntäglichem Nachhausegehen und Wäscheholen zur Vermeidung
evtl. schädlicher Familieneinflüsse.
Nach dem Sonntagessen kletterte ich folglich aus dem Fenster des zweiten Stockes auf
den vorgelagerten Küchentrakt und sprang
von dort herab. Nach drei Familienbesuchen
hatte mich jemand verraten. Bei der Rückkehr fing mich der Direktor persönlich ab,
riss mir das Wäschepaket aus der Hand, warf
es mir an den Kopf und machte meinem bereits von den Nazis verfolgten Vater weitere
Schwierigkeiten. Uns retteten die katastrophalen hygienischen Verhältnisse des Lagers. Ich bekam die Krätze und wurde ins
„Revier“ gegenüber verlegt.
Bis zur Gesundung gelang es meinem Vater,
meine Verlagerung in das Rats-KLV-Lager
in Einsiedel einzuleiten. Hier lief ein Kontrastprogramm ab. Ich durfte nicht nur sonntags die Familie besuchen, sondern auch neu
gewonnene Kameraden mitnehmen.
Aus dem zu unseren Anwesen gehörenden
Bootshaus holten wir öftern den typischen
Walchensee-Kahn mit hochgezogenem
Bugsteven. Einem im Rudern Ungeübten
passierte dabei das Missgeschick, dass er
ein damals nicht ersetzbares Ruder zwischen
Bootshaus und Boot abknickte. – Sollte er
noch leben, möge es ihn trösten, dass nach
bald erfolgtem Kriegsende die US-Army den
Kahn für recreation-Zwecke konfiszierte –.
Nun klauten mein damaliger Freund Langbehn, dessen Vater die Nazis nach dem 20.
Juli 1944 ermordet hatten, und ich aus dem
der US-Army unterstellten ehemaligen Pionier-Stützpunkt nahe dem Hotel Einsiedel
ein deutsches Sturmboot. Mit diesem transportierten später meine Mutter und ich „sterweise“ unser selbstgeschlagenes Brennholz
über den See.
Eine Bestätigung vom 16. 01.1946 belegt:
ich war vor und nach Kriegsende Schülter
des Rats in Einsiedel (Schulleiter Hemmer,
Klassenlehrer Dr. Crohn). Die Namen der
Schulkameraden gingen mir in meiner weiteren chaotischen Schulzeit verloren. Hätte
ich Abitur gemacht, wäre es 1951 gewesen.
Eine mir freundlicherweise von Frau Burow-Gamerschlag übersandte Liste der
1951er Abiturienten führte bei mir zu keiner
Gedächtnis-Auffrischung. Sollte dieser Bericht evtl. bei einem Ehemaligen aus fernen
Einsiedeler Zeiten Erinnerungen wecken,
würde ich mich über seine Nachricht an folgende Adresse freuen:
Prof. Dr.-Ing. Till Behrens
Am Treutengraben 25
60488 Frankfurt am Main
Tel. 069-76 16 69, Fax: 0 69-7 68 21 10
E-mail: tillbehrens@t-online.de
Vielen Dank!
33
Schullandheimaufenthalt der Sexta b vom 7. bis 19. April 2013
OStR’ Corinna Uffenkamp
Als Klassenlehrerin, die schon einige Jahre
am Ratsgymnasium tätig ist und dementsprechend zahlreiche Schullandheimaufenthalte hinter sich hat, bin ich inzwischen
recht gelassen, was die Fahrten angeht. Natürlich gilt es, sich immer wieder neuen Situationen zu stellen und sich auf die verschiedenen Persönlichkeiten neu einzulassen,
um den Kindern gerecht zu werden und um
eine funktionierende Klassengemeinschaft
zu fördern, Kolleg(inn)en mit ins Boot zu
holen, spannende und sinnvolle Projekte zu
planen und so weiter. Viele Dinge aber sind
vertraut und selbstverständlich, sodass ich in
der Regel, wie so oft zitiert, eine „Klassenfahrt nach Hause“ plane, bei der ich ungefähr weiß, was mich erwartet.
Dieses Jahr war die Langeoogfahrt für mich
allerdings die Ausnahme von der Regel. Ich
war aufgeregt!
Rückblick:
Am 23. August 2012 habe ich die Klassenleitung einer neuen Sexta mit Herzklopfen
übernommen, da unter den 32 wuseligen
Kindern, mit unterschiedlichen Hintergründen, Charakteren und Begabungen eine
Schülerin mit Glasknochen war. Nachdem ich die ersten Tage voller Sorge und
schweißtreibender „Gluckenhaftigkeit“ hinter mich gebracht hatte, musste ich voller
Staunen erkennen, dass die Schülerin sehr
gut zurechtkam, den Gefahrenzonen automatisch aus dem Weg ging und den Schulalltag
wie alle anderen auf ihre Weise regelte. Die
Zusammenarbeit zwischen Eltern, Schülern
und Schule funktionierte sehr gut, sodass der
Schulalltag, mit kleinen Besonderheiten für
diese Klasse, ganz „normal“ verlief.
Die anstehende Schullandheimfahrt nach
Langeoog stellte dann aber doch wieder
eine Herausforderung für mich und die betroffene Familie dar, da Carla das erste Mal
ohne vertrautes Umfeld und damit ohne den
üblichen Schutz und die schnelle Erreichbarkeit bei einem Notfall unterwegs sein
würde. Zudem war zu überlegen, welche
gemeinsamen Aktivitäten auf der Insel ge-
34
plant werden konnten bzw. einer Änderung
bedurften, damit in der Regel alle Kinder
beteiligt sein würden. Bestimmte Aktionen, wie die mehrstündige Wanderung zur
Meierei, das gemeinsame Schwimmengehen mit der ganzen Klasse oder die alltäglichen sportlichen Aktivitäten im und am
Haus usw. mussten neu überdacht werden.
Gleichzeitig war es wichtig, dass die Schüler nicht das Gefühl bekämen, zurückstecken zu müssen.
Die Idee, eine zusätzliche Begleitperson zu
engagieren, die in solchen Situationen auf
Carla aufpassen könnte, war schnell geboren.
Die ideale Lösung kam wie von selbst. Die
zwei zusätzlichen Begleitpersonen, die Ehemaligen Ann-Christin Neitzel und Thomas
Funk, erklärten sich bereit, abwechselnd
als besonderer „Begleitschutz“ für Carla zu
fungieren. Dazu trafen sie sich einige Male
mit der Familie und erhielten Anleitungen.
Die beiden wurden damit nicht nur ein Bindeglied zwischen Lehrern und Schülern, wie
auf allen anderen Fahrten, sondern zusätzlich zu Carlas „Rittern“, was sich als harmonische und inklusive Maßnahme erwies,
denn alle SuS „liebten“ die zwei.
Eine funktionierende Klassengemeinschaft
lag mir natürlich besonders am Herzen. Um
dieses Ziel zu erreichen, um soziale Kompetenz zu erwerben, ist wohl keine andere
Institution besser geeignet als unser Schullandheim. Das gemeinsame Miteinander
verschafft den SuS eine einzigartige Gelegenheit, sich abseits des Schulalltags besser
kennenzulernen, Freundschaften zu vertiefen und voneinander zu lernen. Sie erfahren,
dass das Miteinanderleben nur funktioniert,
wenn sie sich gegenseitig akzeptieren, und
diese Erfahrung schafft ein Bewusstsein dafür, dass es normal ist, verschieden zu sein.
Letztendlich haben wir alle Dinge gemacht,
die ich mit anderen Klassen auch schon unternommen habe – nur etwas abgewandelt:
So gab es bei der Wanderung zur Meierei
jeweils eine Gruppe, die mit einer Kutsche
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35
gefahren wurde, beim Schwimmen wurde
die Klasse aufgeteilt, sodass nur jeweils 16
SuS im Bad waren und besser beaufsichtigt
werden konnten und bei der Radtour fuhr ein
Kind in einem Anhänger mit …
Spiel und Spaß im Haus fanden ganz normal statt, wenn auch manchmal eine kleine
Schülerin eine Pause einlegen musste oder
wir Lehrer manches Mal Bauchweh hatten,
weil besagte Schülerin bei der Fete heftig
tanzte oder auch das frühmorgendliche Ritual des Guten-Appetit-Wünschens mit vollem
Körpereinsatz gestaltete…
Es war eine großartige Fahrt, bei der alle
Beteiligten Vieles gelernt haben, v. a., dass
die Klasse nur als Team funktioniert, dass
ein Umdenken aller Beteiligten gar nicht so
schwierig ist und letztendlich eine Bereicherung bedeutet.
Renovierung des Tischtennisraums im Schullandheim
StR Markus Panhorst
Seit dem vergangenen Winter erstrahlt der
Tischtennisraum im Langeooger Schullandheim in neuem Glanz. Über mehrere
Wochen wurde der Raum umfassend renoviert. Der besondere Dank des Schullandheimvereins gilt Ursula Pasch und Kai
Brüchner-Hüttemann für die Planung sowie
Achim Boenigk und Ulrich Dresing für unzählige Arbeitsstunden. Das Ergebnis kann
sich sehen lassen!
Großbritannienfahrt 2013: Eight cities in ten days
Cecilia Tenge-Rietberg, Bernadette Böllhoff
7.5.2013, 21 Uhr Bielefeld: Abfahrt: Die
letzten Schüler der Englisch- und Geschichts-Leistungskurse sowie des Erdkunde-Grundkurses des Ratsgymnasiums Bielefeld trudeln auf dem Parkplatz des Tierparks
ein. Alle sind für eine lange Busfahrt und die
folgenden zwei Wochen in verschiedenen
Städten Großbritanniens gewappnet. Wir
verabschieden uns also für die nächsten zehn
Tage von Familie und Freunden und steigen
in Peters Bus. Mit dem „Reader“ in der
Hand, den unsere begleitenden Lehrer, Frau
May und Herr Magofsky, mit viel Mühe zusammengestellt haben, steigt die Vorfreude
auf die vielversprechenden Inhalte und die
verschiedenen Zielorte der Kursfahrt.
Es stehen ganze acht Städte auf dem Programm! Es ist übrigens die erste Studien-
36
fahrt des Ratsgymnasiums, welche durch
ganz Großbritannien führt.
London calling!
Nach 12 Stunden Fahrt mit Bus und Fähre erwartet uns ein strammes Programm in
der schönen Hauptstadt Englands: London!
Zur gleichen Zeit wie die unserer Ankunft
spielt sich die traditionelle Eröffnungsfeier
des englischen Parlamentes ab, deren Ende
wir gerade noch miterleben können. Um
noch einen flüchtigen Blick auf die Queen
erhaschen zu können, bewegen wir uns also
zügig Richtung Westminster, dem Zentrum
der englischen Politik. Die Queen bekommen wir zwar nur kurz zu sehen, jedoch sind
der Tumult und die Zeremonie der Horse
Guards um diese herum mindestens ebenso
beeindruckend.
Den Rest des Tages erlaufen wir zu Fuß
durch den traditionellen Teil Londons, Westminster: Buckingham Palace, Westminster
Abbey, the Houses of Parliament. Trafalgar
Square, Whitehall werden morgens besichtigt, nachmittags geht es in die National Gallery, in der wir in kleinen Gruppen bedeutende Gemälde studieren und später unseren
Mitschülern präsentieren.
Am nächsten Tag dreht sich alles um Londons Stadtgeschichte und die ökonomische
Entwicklung der Stadt. Zunächst werden alte Sehenswürdigkeiten der City of London,
wie z.B. Tower Bridge, Tower of London (s.
Foto 1) und das „Monument“ im Gedenken
an den großen Brand in London 1666 besichtigt. Unser Weg zur St. Paul's Cathedral
führt durch das moderne Business-Viertel,
Zentrum des neben New York wichtigsten
Banken-, Börsen- und Finanzdienstleistungsplatzes der Welt. Eine kurze Pause
nehmen wir zuvor noch im Leadenhall Market. An der berühmten Kathedrale im Stil
des Barock angelangt bekommen wir einen
Audio-Guide und haben dann reichlich Zeit,
uns eine der größten Kirchen Englands genauer anzusehen. Einige Tapfere unter uns
klettern sogar die 528 Treppenstufen hoch
bis auf den Turm und genießen einen überwältigenden Blick über ganz London!
Anschließend geht es natürlich noch weiter
in unserem Museumsmarathon: Es steht die
Wahl zwischen dem Shakespeare-Museum,
um sich vor dem abendlichen Programm mit
Englands berühmtesten Dichter des 16. Jahrhunderts ein wenig bekannter zu machen,
oder dem British Museum, welches neben
dem Tate Modern oder dem National als eines der weltweit wichtigsten kunst- und kulturgeschichtlichen Museen gilt.
Gegen neunzehn Uhr besuchen wir als komplette Gruppe das Theaterstück „The Tempest“ von William Shakespeare im Globe
Theatre. Als „Groundling“, so nennt man die
Besucher mit den traditionellen Stehplätzen
direkt vor der Bühne, sind wir unmittelbar
in das Theaterstück eingebunden und dürfen
miterleben, wie Theater vor vielen Jahrhunderten zu Lebzeiten Shakespeares ablief.
Trotz des englischen Wetters im Theater
bleibt dies sicherlich als beeindruckend in
unserer Erinnerung.
Am dritten und letzten Tag in der Hauptstadt
widmen wir uns den sozialräumlichen Unterschieden. Nach einem kurzen Aufenthalt
am Watney Market in Shadwell, der einen
Hinweis auf die Immigration und Armut in
der 8 Mio.-Metropole gibt, geht es weiter zu
der Isle of Dogs, wo wir das im Zuge der
Erweiterung des Bankenviertels revitalisier-
37
te ehemalige
Hafen- und
Industriegebiet
unter die Lupe
nehmen. Nachdem wir kurz
in Greenwich
noch auf dem
Nullmeridian,
also zugleich
in der Ost- und
Westhälfte der
Weltkugel stehen, haben wir
im Zuge des
„Monopoly“S p ie ls
d ie
Möglichkeit,
uns eigenständig etwas „umzuschauen“ und
uns selbst mit der Stadt vertraut zu machen.
Die Aufgabe ist, ein Monopoly-Spielbrett
der Stadt London aus den dreißiger Jahren
zu aktualisieren, d. h. die verschiedenen
Stadtteile und Straßen Londons nach verschiedenen Kriterien zu vergleichen (Wohnungskaufpreis-, -miete, Nutzung, Image
etc.) und in eine neue Rangordnung für das
Jahr 2013 zu bringen, wenn man so will, ein
neues Monopoly zu erstellen. Unsere Gruppe wählt beispielsweise Picadilly Circus
und Leicester Square aus, eine sehr belebte,
touristische Gegend im Zentrum Londons.
Bevor einige abends die Möglichkeit nutzen,
das Kunstmuseum Tate Modern zu besichtigen, vergleichen wir anschließend noch
kurz die „Ergebnisse“ des Monopoly-Spiels
(s. Foto 2). Es hat sich viel getan in London. Zwar sind die Top-Straßen von 1930
auch auf unseren Monopoly-Spielbrett
2013 ganz oben (z. T. mit durchschnittlichen
Wohnungskaufpreisen von umgerechnet 15
Mio. €), es sind aber auch einige Straßen
aufgewertet worden, andere abgestiegen.
Oxford, home of the most prestigious universities in England
Am nächsten Tag heißt es Abschied nehmen
von London. Auf nach Stratford! Unterwegs
legen wir einen Stopp in Oxford ein. Dort
verbringen wir zwar nur wenige Stunden,
doch mit dem kleinen Stadtrundgang und ein
38
paar Stunden Freizeit, bekommen wir einen
runden Eindruck vom englischen Studentenleben. Zwei der Colleges der University of
Oxford, das Balliol College und das Christ
Church College, schauen wir uns genauer
an und erfahren dort mehr, sodass uns zum
einen die Historie der Universitäten, zum
anderen auch das moderne Studentenleben
näher gebracht werden.
Stratford
Nachdem wir bereits im Shakespeare Globe Theatre einen kleinen Einblick in dessen
Werke gewonnen haben, steht nun das Leben
des berühmtesten englischen Dichters und
Schriftstellers im Fokus unseres Interesses.
Wir fahren von Oxford nach Stratford-uponAvon, in ein kleines Youth Hostel etwas außerhalb des Stadtzentrums. Wir alle sind unglaublich angetan von diesem ländlichen Ort
und Haus, in dem es sogar eine entzückende
Selbstversorgerküche gibt. Einige der Jungs
kochen für uns alle Spaghetti und wir lassen
den Abend so gemütlich ausklingen.
Am nächsten Morgen geht es schon früh ins
Zentrum Stratfords, wo wir mithilfe der informativen Referate viel über das Leben in
der Elisabethanischen Zeit und über Shakespeares Leben und Schaffen erfahren. Außerdem können wir dessen Taufbecken und
Grab in einer kleinen Kirche besichtigen und
anschließend auf dem Markt am Fluss Avon
bei strahlendem Sonnenschein noch einige
„Mitbringsel“ kaufen. Denn es soll auch
schon weiter gehen.
Next stop: Ex-Industriemetropole Manchester!
Wie wir wissen, gilt England in vielen Bereichen der europäischen und globalen Kulur als Vorreiter: nicht nur in der Literatur,
wie es das Beispiel Shakespeares zeigt,
sondern besonders bei der Industrialisierung
des neunzehnten Jahrhunderts. Im riesigen
Museum of Science and Industry bekommen
wir Einblicke in die verschiedensten Bereiche der englischen Industrialisierung, von
der Dampfmaschine und dem mechanischen
Webstuhl bis zum Städtebau und dem Abwassersystem.
Schottland
Edinburgh, Schottland lautet dann auch
schon unser nächstes großes Reiseziel. Da-
für fahren wir mit dem Bus Richtung Norden
und halten aufgrund der längeren Anreise an
verschiedenen Orten. Gretna Green ist der
erste „Kurzstopp“. Ein Ort, der früher für
Liebespaare eine große Bedeutung hatte.
Dort, unmittelbar hinter der Grenze zu England durfte man sich schon im Alter von nur
sechzehn Jahren verloben, was unzählige
Paare in den Ort zog. Noch heute kommen
etliche von älteren Ehepaaren dorthin zum
Lunch oder Tea und erinnern sich an ihre
Jugend.
Danach machen wir Halt in New Lanark.
Wir sehen uns die ehemalige Baumwollfabrik und Mustersiedlung aus der Zeit der Industrialisierung an, die im Sozialbereich als
Vorreiter in Bezug auf Bildung, hygienische
Versorgung und Arbeiterrechte gilt.
Als dritter Kurzaufenthalt wird uns in South Queensferry ein wunderschöner Ausblick
auf den sogenannten „Firth of Forth“ und die
beiden „Forth Bridges“ geboten.
Als wir in der Hauptstadt Schottlands ankommen, geht es auch gleich an die Spitze:
Wir wollen die letzten Stunden des Tages
nutzen, um 250 m hoch zum „Arthur´s Seat“ hinauf zu wandern. Dort erwartet uns ein
atemberaubender Ausblick über die gesamte
Stadt. Wir genießen die typisch schottische
Landschaft innerhalb der bedeutenden und
wahnsinnig beeindruckenden mittelalterlichen Stadt Edinburgh. Die Vorfreude auf die
nächsten drei Tage steigt!
Am nächsten Morgen steht ein geführter
Stadtrundgang an. Mit unserem sehr sympathischen Guide, James, vergehen die knappen drei Stunden wie im Flug – in einer
kurzen Tour durch ganz Edinburgh lernen
wir sowohl die wichtigsten „Landmarks“
als auch kleinere Ecken Edinburghs kennen. James erzählt mittelalterliche Schauergeschichten und zeigt uns, wo und wie die
Leute damals lebten.
In unserer Freizeit bieten uns die Lehrer
erneut eine Möglichkeit, zwischen zwei
Programmpunkten zu wählen, wie dem Besuch des Edinburgh Castle und einem literarischen Museum, das die berühmtesten
Schriftsteller Schottlands vorstellt. Einer
dieser Schriftsteller ist zum Beispiel Sir
Walter Scott, dessen ehemaliges Ferienhaus/
Museum wir auf einer der weiteren Reisen
als Zwischenstopp in Melrose besichtigen.
Roman Fort, Hadrian´s Wall
Auf dem Weg nach Durham halten wir beim
Housesteads Roman Fort, Überreste des
römischen Hadrianswalles. Wir lernen im
anliegenden Museum und durch die Vorträge unserer Begleiter viel über die britische
Insel im Imperium Romanum. Leider kann
man nicht grade von gutem Wetter dort
sprechen... Es regnet in Strömen – so richtig
„englisch“ eben!
Durham und York
Die Geschichte Durhams und die romanischen Kirche mit ihren architekturgeschichtlichen Besonderheiten werden uns durch
einen Kirchgang und Vorträge der begleitenden Lehrer nahe gebracht.
Unser nächstes und letztes Reiseziel gilt als
Zentrum des englischen Mittelalters und
heutzutage als eine der schönsten Städte
Englands. Dort beschäftigen wir uns nach
einem kleinen Stadtrundgang in selbstständigen Gruppen im York Minster, einer der
größten und beeindruckendsten gotischen
Kirchen in Nord-Europa. Eins müssen wir
unseren Lehrern lassen: Wir können nun
endlich von uns selbst stolz behaupten, dass
wir die verschiedensten Baustile der englischen Architektur beherrschen.
Amsterdam
Mit der Nachtfähre setzen wir abends nach
Holland über. Als weiterer Bonus unserer
Fahrt wird uns die Möglichkeit eines Kurzausfluges nach Amsterdam als Abschluss
unserer Exkursion geboten. Wir verbringen
den restlichen Morgen zwischen wunderschönen Grachten und kleinen Cafés.
Eight cities in ten days...
Es erscheint uns allen fast unglaublich, wie
viele Orte wir in dieser kurzen Zeit besichtigt haben - London, Oxford, Stratford,
Manchester, Edinburgh, York, Durham und
natürlich viele andere kleinere Städte. Sicherlich waren einzelne Städte für den einen
oder anderen interessanter oder attraktiver,
doch als Schüler erhielten wir so eine Art
Gesamtbild Großbritanniens und schnappten
gleichzeitig kleine Einblicke in das typisch
englische Leben auf.
39
Trotz der generalisierenden Feststellung,
dass der Regen „das Leitmotiv“ der Exkursion war, bleiben Erinnerungen an wunderschöne Landschaften und beeindruckende
Städte mit enormer Geschichte übrig. Die
informativen Referate unserer Mitschüler,
die intensive Vorbereitung von Frau May
und Herrn Magofsky, sowohl vor, während
und nach der Fahrt, sowie das Interesse aller
Mitfahrenden ermöglichten uns, die Kultur
und Geschichte des Landes, in gleicher Weise aber auch die Mentalität der Menschen
kennen zu lernen. Sowohl diejenigen, die
schon einmal in Großbritannien waren, aber
auch die, die das erste Mal Großbritannien besuchten, waren gut in das Programm
eingebunden. Es gab zum einen „touristische“ Programmpunkte, doch zum anderen
genossen wir auch die Freiheiten, jene Sehenswürdigkeiten oder Orte zu besuchen,
die uns ganz individuell interessierten. Diese
kulturelle Freiheit, namentlich die englische
und schottische Kultur so zu erleben, wie
wir wollten, war uns mit dem Rahmenprogramm möglich. Natürlich hatten die Lehrer
es nicht immer leicht mit uns! Denn bei so
viel Programm war auch die eine oder andere Beschwerde zu hören. So sind wir launischen Jugendlichen eben! Im Rückblick
ist dennoch zu sagen, dass wir alle froh und
stolz behaupten können, einen Einblick in
die englische und schottische Kultur und Geschichte gewonnen zu haben. Acht (Groß-)
Städte in zehn Tagen? Empfehlenswert –
doch gerne noch ein wenig länger.
Anmerkung der begleitenden Lehrer
Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen
Schülern noch einmal ganz herzlich für die
Fahrt sowie den im Anschluss an die Reise
mit großer Mühe erstellten Bildband bedanken, der uns ein bleibendes Andenken an
diese Studienfahrt sein wird:
VIELEN DANK!
Reisetagebuch der Studienfahrt nach Italien
27. 09.2012 – 8.10.2012
Viktoria Peter, Tim-Niklas Brilka
Auch in diesem Jahr fuhr ganz traditionell
der Leistungskurs Latein unter der Leitung
Frau Krügers mit der Unterstützung der Geschichtsgrundkurse Herrn Magofskys nach
Italien.
Im Gegensatz zu den bisherigen Fahrten
fuhren wir neben Rom, Paestum, Pompeji
und Neapel auch einige der schönsten Städte
Italiens an wie Verona, Siena und Florenz.
Nachdem wir Schüler in den Wochen vor
der Abreise viele Referate und die Lehrer
ihrerseits das vielseitige Programm erarbeitet hatten, stellte Herr Magofsky einen
„Reader“ aus den jeweiligen Resultaten
zusammen, der wohlgemerkt stolze zweihundertsechsundsiebzig Seiten umfasste.
Dieser beinhaltete die Historie der jeweiligen Städte sowie Informationen über die signifikantesten Gebäude, Plätze und Museen
und die unterschiedlichen geographischen
Lagen und deren Auswirkungen auf Wirt-
40
schaft sowie Populationen der Städte. Wir
waren also bestens vorbereitet und freuten
uns auf sonnige Tage im schönen Italien.
Am 27. September fuhren wir dann um 21
Uhr von der Kunsthalle aus mit reichlich
Proviant versorgt in einem komfortablen
Bus los. Unser erster Halt, nach 12 Stunden
Fahrt, war Verona. An der Arena der Stadt
angekommen, ereilte uns bereits der erste
Lehrervortrag seitens Herrn Magofskys. Darauf folgten kurze Besichtigungen der „Piazza Bra“ und der „Piazza dell’ Erbe“ sowie
des Balkons aus „Romeo und Julia“.
Schon am Mittag desselben Tages ging unsere Reise weiter nach Rom, wo wir gegen
Abend ankamen. „Casa La Salle“ hieß das
Hotel, das unsere Unterkunft für die nächsten fünf Tage sein sollte. Das Hotel war ein
wenig außerhalb der Innenstadt Roms gelegen, jedoch gab es eine Metrostation in
unmittelbarer Nähe, mithilfe derer wir al-
les sehr gut und auch problemlos erreichen
konnten. Da das geplante Programm für den
28. September, trotz später Stunde, nicht
vernachlässigt werden durfte, zeigten uns
Herr Magofsky und Frau Krüger wenigstens
noch den Tiber und das an diesem außerhalb
der historischen Altstadt gelegene Stadtviertel Trastevere. Trastevere, das in der Antike
kleine Leute und Einwanderer aus dem Osten des Reiches beherbergte, ist heute durch
seine schönen Bars und Restaurants in den
restaurierten Gebäuden zu einem beliebten
abendlichen Treffpunkt geworden. Auch
wir genossen dort unser erstes, typisch italienisches Abendessen. Pizza, Pasta und alles, was dazu gehört, durften dabei natürlich
nicht fehlen.
„Rom – Hauptstadt der Welt und ewige
Stadt?“ – Dies sollte eine der Leitfragen
sein, die uns auf unserem Weg durch Rom
begleiten sollte. „Roma ab urbe condita“
(nach dem Werk des röm. Historiographen
Livius), Rom von seiner Stadtgründung an,
– von seinem Mythos bis hin zur Gegenwart –
galt es zu besichtigen und zu untersuchen.
Bei schönstem Wetter standen dazu in den
nächsten Tagen u. a. die Besichtigungen des
Piazza Giuseppe Garibaldi, des Kapitolshügels mit dem berühmten Forum Romanum
sowie den Kaiserforen, des Pantheons und
des Collosseo an. Auch haben wir uns die
„Ara Pacis“, die „Fontana di Trevi“, die „Piazza di Spagna“ und das gigantische Nationaldenkmal Roms angeschaut. Die Plätze
und Brunnen der Stadt zogen sich wie ein
roter Faden durch Geschichte, Gegenwart
und Zukunft Roms als „Caput Mundi“. Außerdem erschloss sich uns durch die genannten Besichtigungen die politische und kulturelle Geschichte Roms und wir verfolgten
die Entwicklung des ehemaligen Dorfes am
Tiber zur Hauptstadt der Welt.
Außerhalb der Stadtmauern Roms besichtigten wir im Hinblick auf die Reichs- und
Kirchengeschichte Roms die Kirchen „San
Giovanni In Laterano“ und die „Catacombe San Callista“, in deren Anschluss einige
Abenteuerlustige von uns in strömendem
Regen die „Via Appia“ – älteste und aus der
Antike erhaltene Straße Roms, begingen,
um der Kultur- und Alltagsgeschichte Roms
vielleicht ein wenig näher zu kommen.
Einen Höhepunkt unseres Aufenthaltes in
Rom bildete der Besuch der Vatikanischen
Museen und des Petersdoms.
Nach fünf anstrengenden, interessanten und
äußerst lehrreichen Tagen in Rom, machten
wir uns gespannt auf nach Paestum, das,
durch seine Lage an der Amalfiküste, in dem
ein oder anderen die Hoffnung auf Erholung
weckte. Paestum gehört zu Großgriechenland in Süditalien. Unter dem Namen „Poseidonia“ wurde die Stadt etwa 600 v. Chr.
von den Griechen gegründet und um 273 v.
Chr. wurde sie zu einer römischen Kolonie.
In dem Hotel „Villa Rita“ angekommen,
erwartete uns noch zu später Stunde ein
geschmackvolles Abendessen im schönen
Speisesaal. Wir fielen erschöpft von der
doch sehr langen Reise in unsere Betten und
ersehnten den versprochenen Tag am Strande Paestums.
Am nächsten Tag ging es aber doch erst einmal zu der eindrucksvollen Ausgrabungsstätte der antiken Stadt. Schon von weitem
erstreckten sich die besonders gut erhaltenen Tempel der Hera, des Poseidon und der
Athene oder der Ceres (es ist unklar, wem
der beiden der Tempel damals gebührte) vor
uns. Auf der Stätte waren unter anderem ein
Privathaus, ein Schwimmbad, ein Forum
und ein Amphitheater und ein Theater zu
besichtigen. Im Anschluss besuchten wir das
an die Stätte angrenzende Museum, um uns
die dort gefundenen archäologischen Exponate anzuschauen. Besondere Aufmerksamkeit erregte die aufwändig bemalte Steinplatte der Decke des Tauchergrabes.
Nach dem Museumsbesuch verwirklichte
sich der versprochene Strandtag. Es wurde sich schnellstens strandfertig gemacht
und wir liefen gemeinsam zum Strand. Bei
Meeresrauschen, sanften musischen Klängen, Sonne und viel Gelächter genossen wir
den wohlverdienten und, wie gesagt, lang
ersehnten Nachmittag. Einen schönen und
gemütlichen Abschluss des Tages bildete
ein Abendessen unter uns Schülern in einem strandnahen Restaurant des Örtchens.
Am folgenden Tag nahmen wir das Programm routinemäßig wieder auf und fuhren
ins nahe Pompeji. Pompeji war eine ehemalige römische Kolonie, wurde bei dem Vul-
41
kanausbruch des Vesuvs 79 n. Chr. zerstört,
erst im 18. Jahrhundert erneut entdeckt und
ausgegraben. Beim Durchlaufen der alten
Straßen erkundeten wir viele antike Privathäuser, eine imposante Therme, ein riesiges
Forum und große Theater und bekamen so
einen Einblick in das Leben der alten Römer in Pompeji. Als äußerst interessant erachteten wir die vom Vesuv verschütteten
Personen, die durch Kalkgestein und unter
Luftabschluss konserviert blieben und später
ausgegraben wurden.
Einen rahmenden Abschluss des Tagesprogramms bildete der Besuch des archäologischen Nationalmuseums in Neapel. Dort
schauten wir uns, neben vielen anderen,
Fundstücke aus Pompeji an.
Am Samstag, dem 6. Oktober, fuhren wir
von Paestum aus nach Siena – die Stadt,
die als Paradebeispiel für mittelalterliche
Gotik in Italien gilt. In der historischen
Altstadt, die seit 1995 zum UNESCO–
Welterbe gehört, betrachteten wir die Piazza del Campo, die als einer der schönsten Plätze der Welt gehandelt wird, das
Rathaus und den weiß-schwarzen Dom.
Von Siena aus ging es dann noch am selben
Tag in die wunderschöne Renaissancestadt
Florenz.
Nach Ankunft bezog man rasch die Zimmer in unserer Unterkunft und machte sich
danach direkt auf in Richtung Zentrum, um
einen ersten Eindruck über die Handels- und
Finanzmetropole des 15. und 16. Jahrhunderts, in der Persönlichkeiten wie z. B. Leonardo da Vinci, Michelangelo, Galileo Galilei und die mächtige Dynastie der Familie
Medici lebten, zu gewinnen. Wir bekamen
Freizeit und einige von uns aßen miteinander
zu Abend und kehrten danach ins Hotel zurück, andere erkundeten noch das nächtliche
Leben der Stadt.
Am nächsten Tag standen wir schon sehr
früh auf, weil wir vor der Abreise nach
Deutschland noch einiges in Florenz sehen
wollten. Beim Frühstück stellte sich heraus, dass wir das Hotel zusammen mit einer
Gruppe von evangelischen Pfarrern bezogen hatten, die unsere nächtlichen Aktionen
42
nicht so amüsant zu finden schienen wie wir.
Auf dem Tagesplan für den 7. Oktober standen zu allererst die Uffizien, die zu der Zeit
der Medici als Verwaltungsgebäude für das
Großherzogtum Toskana entstanden waren.
Heutzutage stellen sie eines der weltweit
bedeutendsten Museen für klassische Kunst,
insbesondere der italienischen Malerei dar.
Ob der Beliebtheit dieses Museums, standen bereits viele Menschen dort an, als wir
ankamen. Frau Krüger ließ ihren Charme
spielen und wir bekamen freien Eintritt. So
schritten wir an den langen Warteschlangen
vorbei.
Danach gingen wir auf die anliegende Piazza della Signoria; der Platz der Signori, der
höchsten Beamten der Republik Florenz.
Dort konnten wir nicht nur den Palazzo
Vecchio bestaunen, der seit 1872 wieder als
Rathaus und Sitz der Kommunalregierung
dient, sondern auch imposante Statuen, unter denen ein originalgetreuer Nachbau des
„David“ Michelangelos war.
Im Anschluss daran trafen wir uns nach einem kleinen Imbiss an dem Platz, auf dem
das nach Stil der Protorenrenaissance errichtete Baptisterium „San Giovanni“ steht,
dessen Bau circa in der Mitte des 12. Jahrhunderts abgeschlossen wurde, und dem
romanisch-gotischen Dom „Santa Maria del
Fiore“, der vom 12.-14. Jahrhundert gebaut
und von Filippo Brunelleschi mit einer eindrucksvollen Kuppel versehen wurde.
Nach deren Besichtigung machten wir uns
in kleinen Gruppen auf, um den Rest der
Stadt mit all seinen Sehenswürdigkeiten und
Attraktionen, wie zum Beispiel dem Ponte
Vecchio und seine unzähligen Lädchen für
Goldschmuck jedweder Art, selbstständig zu
erkunden.
Gegen 18 Uhr versammelten wir uns mitsamt unserem alten und neu erstandenen
Hab und Gut und stiegen in unseren Bus,
der uns nun wieder nach Deutschland bringen sollte. Gegen Mittag des 8. Oktobers
kamen wir schließlich erschöpft aber um
einiges schlauer in Bielefeld an und wurden
von unseren Familien freudig in Empfang
genommen.
Studienfahrt zur Isola del Giglio
Marie-Luise Rottmann, Abi 2013
Nach einer langen und nervenauftreibenden Nacht in unserem dafür umso komfortableren Reisebus, erfreuten wir uns schon
bei unserer ersten Pause in Italien an einem
frischen Cappuccino und sommerlichen
Temperaturen. Auch das Bild der Landschaft aus den Fenstern hatte sich verändert:
immer öfter fuhren wir an Weingärten und
Olivenbäumen vorbei und voller Vorfreude
erreichten wir schließen gegen Mittag den
Hafen Porto Sanct Stefano. Die Überfahrt
war mit einem solch enormen Seegang verbunden, dass wir bald erfuhren, was es hieß,
wirklich seekrank zu sein. Doch die Übelkeit
war bald vergessen, als wir kurz vor dem
Erreichen der toskanischen Insel auf die havarierte Costa Concordia trafen, die uns den
Atem stocken ließ. Dass das Schiffsunglück
immense Folgen für das Ökosystem der Insel mit einem möglichen Auslaufen der Öltanker hätte haben können, wurde uns während unserer Unterrichtsstunden im Institut
für Meeresbiologie umso deutlicher.
Der Ort Campese mit seinem traditionellen italienischen Charme sollte nun für die
folgende Woche unser neues Zuhause sein.
Schnell waren wir mit dem heimischen Supermarkt „Fortuna“ vertraut und erkannten
die Vorzüge der Strandbar mit ihrem Kaffee
und den köstlichen Paninis. Auch arrangierten wir uns mit unseren zugeteilten Appartements, die sogar teilweise mit Meerblick
ausgestattet waren.
Während der vier spannenden Unterrichtsreihen weckte „Nico“ unser Interesse für
das Ökosystem Mittelmeer. An unterschiedlichen Tagen untersuchten wir Organismen
aus den Lebensräumen des Sandbodens, der
Seegraswiese, des Weich-und Hartbodens
und schließlich auch des Freiwasserkörpers.
Nach kurzer Anweisung bestimmten wir
Stamm, Klasse, Art, Symmetrie, Ernährung,
Fortbewegung, Schutz und Fortpflanzung
des roten Seesterns (Echinaster sepositus)
und unzähliger weiterer Pflanzen und Tiere, wie der Herkuleskeule, der Pfennigalge
und der Rasenkoralle. Begeisterung weckte
auch die unglaubliche Vielfalt der Mikroorganismen des Freiwasserkörpers, vor allem das Zooplankton mit seinen unzähligen
Individuen.
Um die sommerlichen Temperaturen und
das mediterrane Klima unseres Aufenthalts
zu nutzen, unternahmen wir schon am Vormittag Expeditionen zu besonders einzigartigen Buchten der Insel. Unter der Führung
Herrn Bökamps nahmen wir riskante Wege
über steile Felshänge auf uns und drangen
in die Tiefen der Flora und Fauna des toskanischen Archipels ein, um schließlich von
einer atemberaubenden Aussicht auf das
Mittelmeer überwältigt zu werden, geheime
„Meeresschätze“ wie das glitzernde Katengold zu finden und mit Schnorchel und Flossen in die Unterwasserwelt der Insel einzutauchen. Am Wegesrand trafen wir nicht nur
auf die für Giglios Flora typischen Mastixsträuche und Korkeichen, sondern auch auf
duftenden und wilden Meerfenchel und Rosmarin, mit dem wir unsere abendliche Pasta
verfeinerten. Die im Unterricht bestimmten
und untersuchten Organismen erkannten wir
bei unseren gemeinsamen Schnorcheltouren
wieder: Steckmuscheln, Seegraswiesen und
Fischschwärme, aber auch mit Moostieren,
Algen und Schwämmen dicht bewachsene
Felswände. Doch die geheimen Aufenthaltsorte der Schlangensterne, Seegurken und
Seesterne entdeckten wir erst während der
einstündigen Schnorcheltour mit Mitarbeitern des Instituts für Meeresbiologie
Nicht selten kamen wir auch abends noch
einmal zusammen und ließen den gelungenen Tag gemeinsam ausklingen. Für den
Grillabend bewies jedes Appartement mehr
oder weniger kulinarische Begabung und
Begeisterung bei der Zubereitung einer Beilage für das frische Grillgut aus Castello,
das Herr Bökamp zuvor mit fachmännischer
Kenntnis beschafft hatte. Bei Kerzenschein,
dem Duft rauchig gebratener Steaks und
sonnengereifter Tomaten kam bald familiäre Stimmung auf. Wenn nicht, um zu grillen, dann traf sich die Gruppe auf den Fel-
43
sen vor dem „Torre“ der Bucht, um in der
unter-gehenden Sonne italienische Pizza zu
genießen.
Nach einer von zahlreichen und einzigartigen Erlebnissen geprägten Woche verließen
wir am Samstag die Isola del Giglio, um
unsere Studienfahrt nach Rom fortzusetzen.
Schon am frühen Nachmittag fanden wir
uns in der überwältigenden Metropole wieder, die uns durch ihre kulturelle Geschichte
faszinierte. An den Wechsel von der Ruhe
und Beschaulichkeit Giglios zu der überfüllten Hektik der Großstadt mussten wir uns
jedoch erst einmal gewöhnen. Unser Hotel
„Beautiful“ bestach durch seine zentrale Lage direkt an dem Hauptbahnhof Roms, den
zahlreiche Buslinien und das U-Bahn-Netz
passierten. Während unseres Aufenthalts
besichtigten wir bedeutende Monumente,
wie das Forum Romanum, das Colosseum
und den Petersdom. In unserer individuell
gestaltbaren Freizeit begaben wir uns selbstständig auf die Spuren des alten Roms und
suchten unter anderem die spanische Treppe, den Trevibrunnen und das Pantheon auf.
Doch das war nicht alles, was uns von der
eindrucksvollen Stadt in Erinnerung bleiben
würde: in der Gelateria „DELLA PALMA“
konnten wir uns zwischen 150 Eissorten und
anderen Leckereien entscheiden, im Stadtteil „Trastevere“ fanden wir uns in einem
Paradis zahlreicher Restaurants, Bars und
Cafés wieder und während der „Rush-Hour“
drängten wir uns mit unzähligen Einheimischen und Touristen durch das U-Bahn-Netz
der Stadt.
Unsere Studienfahrt nahm nach zehn wundervollen Tagen langsam ein Ende und wir
begaben uns erschöpft auf den Heimweg.
An dieser Stelle gilt es Dank zu sagen an
Frau Reinhold, Frau Wagner-Storz und
Herrn Bökamp, die durch ihre Organisation
und ihr Engagement dazu beigetragen haben, dass unsere Studienfahrt nach Giglio
noch lange Zeit in lebendiger Erinnerung
bleiben wird.
In 99 Stunden durch Berlin – die Studienfahrt nach Berlin –
30. 01. – 03.02.2013
Jan Beutler, Q2
Es gibt auf der Welt nur wenige Städte, in
deren Geschichte sich zugleich auch die
Geschichte des Landes widerspiegelt, in der
sie sich befindet. Berlin ist zweifellos eine
solche Stadt.
Angefangen mit der Märzrevolution 1848,
in der die Bevölkerung ihren Willen zur
Freiheit und nationalen Einheit kundgetan
hat, über zwei Weltkriege, die das Gesicht
Berlins, Deutschlands und Europas verändert haben, und eine 28 Jahre lange Teilung
durch eine Mauer bis hin zur Wiedervereinigung im Oktober 1990, war Berlin Drehund Angelpunkt des politischen sowie gesellschaftlichen Lebens. Auf Grund dieser
vielfältigen Geschichte ist diese Stadt immer
das Ziel der historischen Studienfahrt der
Oberprima im letzten Schuljahr.
Anders als bei den Studienfahrten im Herbst,
fährt bei dieser Exkursion die ganze Stufe
44
mit. In den letzten Jahren betrug die Anzahl
der Schülerinnen und Schüler immer 60 bis
70, doch da es sich bei diesem Jahrgang um
den Doppeljahrgang handelt, fuhren insgesamt 115 Schüler mit. Dies ist und wird noch
lange einzigartig bleiben. Auf Grund dieser
hohen Zahl von Schülern, fuhren dieses Mal
sechs Lehrer/innen mit: Frau Winke und Frau
Unverfehrt sowie Herr Altenberend, Herr
Graeser, Herr Gerwin und Herr Magofsky.
Mit einem Reader und einem straffen Zeitplan im Gepäck fuhr die Gruppe dann am
Mittwoch, dem 30. Januar, pünktlich um
15.30 Uhr vom Tierpark Olderdissen mit
zwei Bussen los. Schon auf der fünfstündigen Fahrt nach Berlin wurden die Schüler
auf die kommenden Tage mit Filmmaterial
eingestimmt. Während im einen Bus „Goodbye Lenin“ gezeigt wurde, erfreuten sich die
Schüler im anderen Bus an „Deutschland im
Die Gruppe auf der Treppe vor Schloss Sanssouci
Jahre Null“ von Roberto Rossellini. Vom
Tag schon sichtlich ermüdet, traf die Schulgruppe gegen 21 Uhr in Berlin ein und konnte direkt die Zimmer im „gut überwachten“
Hotel in der Nähe des Kurfürstendamms
beziehen. Der Abend stand dann zur freien
Verfügung und man konnte eine erste kleine Stadtbesichtigung machen, um danach in
einer der vielen Bars und Kneipen den Tag
ausklingen zu lassen.
Am nächsten Tag stand um 8.30 Uhr der
erste Programmpunkt auf dem Plan und bei
einem Blick auf eben diesen wurde erkennbar, dass schon der erste Tag ein langer und
anstrengender werden sollte. Da der Besuch
von Gebäuden, Museen und Gedenkstätten
mit 115 Personen gleichzeitig nicht möglich ist, unternahmen die beiden Gruppen an
zwei Tagen unterschiedliche Aktivitäten. An
diesem Vormittag war für den einen Teil der
Stufe unter anderem ein Besuch im Reichstag vorgesehen, der andere Teil behandelte
zunächst den Themenbereich des Nationalsozialismus. So begann meine Gruppe den
Tag, der sich vorrangig der Geschichte Berlins sowie der Symbolik ihrer Wahrzeichen
widmen sollte, im Nikolaiviertel, um von
dort am Stadtschloss, welches sich noch im
Wiederaufbau befindet, und am Balkon, von
dem aus Karl Liebknecht am 9. November
1918 die Räterepublik ausgerufen hat, vorbei zum Bebelplatz zu gehen. Auf diesem
fanden im Mai 1933 die von den Nationalsozialisten inszenierten Bücherverbrennungen
statt.
Nachdem dieses Thema an Hand eines Schülervortrags vertieft worden war, brach die
Gruppe wieder in Richtung Reichstag auf.
Vorbei am Gendarmenmarkt und durch das
Brandenburger Tor als deutsches Nationalsymbol trafen wir dann gegen 11.30 Uhr am
Reichstagsgebäude ein. Nach der obligatorischen Kontrolle durch die Polizei wurden
wir in das Gebäude geführt und zum Fraktionssaal der Partei „Die Grünen“ geleitet, wo
schon Frau Britta Haßelmann auf uns zum
Gespräch wartete. Als Abgeordnete mit dem
Wahlkreis Bielefeld steht Frau Haßelmann
schon lange als Gesprächspartnerin für die
Jahrgänge des Ratsgymnasiums zur Verfügung. Bei dem einstündigen Gespräch konnte Mann und Frau Fragen zu ihrer politischen
Tätigkeit und dem allgemeinen politischen
Tagesgeschäft stellen. Der Abschluss des
45
Bundestagsbesuchs wurde von einem gemeinsamen Foto in der von Norman Foster
entworfenen Glaskuppel gekrönt.
Der andere Teil der Stufe konnte am darauf
folgenden Tag noch einer Bundestagssitzung
beiwohnen, in der über das NPD-Verbotsverfahren debattiert wurde. Erschöpft vom
ersten Teil des Tages wurde die Mittagspause eingeläutet, doch durfte diese auch nicht
zu lange währen, da um 15 Uhr der nächste
Programmpunkt anstand, nämlich der Besuch des Deutschen Historischen Museums.
Gerade für die Schülerinnen und Schüler,
die Geschichte als Abiturfach haben, bot die
Ausstellung zur Wiederholung einen guten
Überblick über die deutsche Geschichte.
Nicht nur reichlich Textmaterial, sondern
auch viele Gegenstände der damaligen Zeit
wie z. B. Wahlplakate und Uniformen oder
der auch der sehr große Schreibtisch Adolf
Hitlers aus der Neuen Reichskanzlei wurden
in der Ausstellung präsentiert.
Als die Gruppe dann gegen 17 Uhr im Bus
saß und zuschauen konnte, wie der Himmel
über Berlin immer dunkler und die Häuser
gleichzeitig immer heller wurden, stand
noch ein letzter Programmpunkt auf dem
Plan, nämlich das Mauer-Panorama am
Checkpoint-Charlie. In einer Stahlrotunde erschuf der Künstler Yadegar Asisi ein
900 m2 großes Gemälde, welches die Mauer
sowie die anliegenden Häuser in Ost- und
Westberlin an einem Herbstabend zeigt.
Dies konnte dann der ganze Jahrgang von
einem Holzpodest, wie es sie tatsächlich an
der Sperranlage gegeben hat, anschauen,
während durch die Lautsprecher Walter Ulbricht mit seiner prägnanten Stimme immer
und immer wieder verkündete, dass niemand
die Absicht habe, eine Mauer zu errichten.
Nach dieser Ausstellung war das Programm
für den Tag beendet und die Schüler konnten
selbst entscheiden, wie sie den Abend verbringen wollten.
Gerade in Berlin bieten sich viele Möglichkeiten, das Abendprogramm vielfältig zu
gestalten. Vor allem die Bezirke Prenzlauer
Berg, Kreuzberg und Friedrichshain haben
sich als neue Szeneviertel etabliert und bieten mit ihren vielen Bars und Kneipen gute
Möglichkeiten den Abend zu genießen.
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Am nächsten Tag stand dann für meine
Gruppe der Themenbereich des Nationalsozialismus und der Erinnerung an NS-Herrschaft und Holocaust an. Gerade in Berlin
kann man die Zeit des Nationalsozialismus
an ehemaligen Schauplätzen und Gebäuden gut aufarbeiten. Einer dieser Orte ist
das Strafgefängnis Plötzensee, in dem von
1933 bis 1945 insgesamt über 2.891 Menschen hingerichtet worden sind. Auch konnte man sich an diesem Ort ein Bild von der
Gedenkkultur der 1950er Jahre machen, die
sich deutlich von der heutigen unterscheidet.
Als nächstes folgte der Besuch der Gedenkstätte des deutschen Widerstands im Bendlerblock, der heute als Zweitsitz des Verteidigungsministeriums fungiert.
Im Innenhof des Gebäudekomplexes wurden
am 20. Juli 1944 nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler die Hauptakteure um Claus
Schenk Graf von Stauffenberg hingerichtet.
Heute erinnern eine Bronzefigur mit gefesselten Händen und eine kleine Dokumentation der Persönlichkeiten an die Hinrichtungen in dem Hof. Im Innern des Gebäudes
ist zudem das Thema Widerstand an Hand
einer Ausstellung aufbereitet worden, die
danach von den Schülern besucht wurde. Da
sie jedoch sehr textlastig war und die genaue
Struktur nicht klar erkennbar wurde, brach
die Gruppe etwas erschöpft vom vielen Lesen zum Potsdamer Platz auf, um dort die
Mittagspause zu verbringen.
Der Potsdamer Platz ist einer der größten
Plätze Berlins, an welchem sich unter anderem das Sony Center befindet, in dem
jährlich die Berlinale stattfindet. Nach der
einstündigen Pause traf sich die Gruppe vor
der Ausstellung „Topographie des Terrors“
in der ehemaligen Prinz-Albrecht-Straße 8,
wo sich in der Zeit des Nationalsozialismus
u. a. das Hauptquartier der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) befand. Dies ist heute noch
an den freigelegten Zellen zu sehen, die sich
am Eingang zur Ausstellung befinden. Die
Topographie des Terrors, die seit 1987 zur
Aufarbeitung des Nationalsozialismus beiträgt, wurde anschließend von den Schülern
besucht. Sie befindet sich seit 2010 in einem
Neubau und enthält neben den üblichen Informationstafeln auch viele Dokumente und
Video- sowie Audioaufnahmen, so dass ein
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21
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guter Eindruck von Herrschaft und Alltag,
Verfolgung und Unterdrückung in dieser
Zeit vermittelt werden konnte.
Von der Ausstellung ging es dann weiter in
Richtung Stelenfeld, dem Denkmal für die
ermordeten Juden Europas. Auf dem Weg
dorthin kamen die Schülerinnen und Schüler auch am Gebäude des Bundesfinanzministeriums vorbei, das durch seine Größe
hervorsticht. 1935 als Reichsluftfahrtministerium gebaut, diente es von 1949 bis 1989
als Haus der Ministerien der DDR. Ganz
in der Nähe des sog. Detlev-RohwedderHauses befindet sich die U-Bahn-Station
Mohrenstraße, in die ein kleiner Abstecher
gemacht wurde, da in der Station nach dem
Ende des Zweiten Weltkrieges vermutlich
der rote Marmor („Saalburger Marmor“)
aus Hitlers Neuer Reichskanzlei verbaut
worden ist. Am Stelenfeld angekommen,
durfte zunächst jeder für sich das von Peter
Eisenmann entworfene Denkmal für die ermordeten Juden Europas durchqueren, um
dann, der Zufall wollte es so, mit anschauen
zu dürfen, wie mit einem Polizeiaufgebot
der amerikanische Vize-Präsident Joe Biden zum Eingang der angrenzenden USBotschaft geführt wurde.
Nach diesem für Berlin typischen Vorkommnis wurde die unter dem Mahnmal
liegende Ausstellung besucht, die sich mit
der Thematik des Judenmords im Zweiten
Weltkrieg befasst. Nach gut einer Stunde
Besichtigung kam die Gruppe wieder aus
der Ausstellung heraus und wurde mit dem
Bus zum Hotel zurückgefahren, um sich für
den anstehenden Konzertbesuch umzuziehen. Denn für den Abend war der Besuch eines Sinfoniekonzerts mit Werken von Franz
Schubert in der Komischen Oper vorgesehen, zu der die ganze Stufe gegen halb acht
gebracht wurde. Den Schülern wurde danach
die Möglichkeit eröffnet, die restliche Nacht
individuell zu gestalten oder mit dem Bus
ins Hotel zurückzukehren. Da das Tagesprogramm nun schon zwölf Stunden dauerte,
kehrte jeder Schüler mit dem Bus ins Hotel
zurück. Die Fahrt ging durch das erleuchtete
Berlin am Reichstag vorbei hin zum Schloss
Bellevue und dann über den Kreisverkehr an
der Siegessäule, bis das Hotel erreicht war.
Ermüdet vom ganzen Tagesprogramm be-
48
gann dieses Mal schon früh die Nachtruhe
und das war auch dringend angeraten, da das
Frühstück für den nächsten Tag wieder auf
halb acht angesetzt worden war.
Der dritte Tag der Studienfahrt stand ganz
im Zeichen des Kalten Krieges und der
deutschen Teilung, die chronologisch von
1949 bis 1990 an unterschiedlichen Orten
untersucht wurde. Der erste zu besuchende
Ort war der Flughafen Tempelhof, der heute nicht mehr in Betrieb ist. Er war 1948/49
Dreh- und Angelpunkt der ersten Berlinkrise. Da die Sowjetunion die Zufahrtswege
nach Westberlin gesperrt hatte, sahen sich
die West-Alliierten unter der Führung der
USA zu einer „Luftbrücke“ gezwungen, die
die West-Berliner Bevölkerung mit dem Lebensnotwendigsten versorgen sollte. Insgesamt 277.569 Flugzeuge landeten und starteten in der Zeit der Blockade am Flughafen
Tempelhof, woran ein Denkmal aus Beton
vor dem Gebäude erinnert. Nicht weit von
diesem Ort liegt der Treptower Park, der als
nächstes angesteuert wurde. Im Treptower
Park steht das etwa 10 Hektar große sowjetische Ehrenmal zum Gedenken der toten
Soldaten der Roten Armee bei der Einnahme
Berlins. Allein die Größe dieses Mahnmals
führt die Gigantomanie der sowjetischen
Gedenkkultur vor Augen.
Da das Wetter in Berlin leider umschlug und
es anfing zu regnen, setzte sich die Gruppe
wieder in den Bus, um zum ehemaligen Stasigefängnis Hohenschönhausen gebracht zu
werden, in dem für 10.30 Uhr eine Führung
vorgesehen war. Das Gefängnis, welches auf
DDR-Karten nicht verzeichnet und auch für
Anwohner unbekannt war, wurde ab 1945
als zentrale Untersuchungshaftanstalt der
sowjetischen Geheimpolizei genutzt, bis es
1951 vom Ministerium für Staatssicherheit
übernommen wurde. Nach einem 30-minütigen Einführungsfilm wurde die Gruppe geteilt und von jeweils einem Mitarbeiter der
Gedenkstätte durch die Räumlichkeiten geführt. Bei diesen Mitarbeitern handelt es sich
um ehemalige Inhaftierte, die der Nachwelt
ein Bild von der Situation im Gefängnis machen wollen. Der Zeitzeuge, der uns durch
die Gedenkstätte führte, war ein sehr offener Mitarbeiter, der uns im typischen Berliner Dialekt auch vieles aus seinem eigenen
Leben erzählte. Zunächst informierte er uns
über den Aufbau des Gefängnisses und die
Unterbringung sowie die Methoden, mit denen die Mitarbeiter der MfS versuchten, ihre
Gefangenen zu „zersetzen“. Diese Schilderungen waren sehr gut nachvollziehbar,
da man uns auch einen Blick in die Zellen
gewährte, in denen man durch viele Methoden (Temperaturveränderungen, Dunkelheit
etc.) den Gefangenen mürbe machte. Doch
vor allem die Geschichte unseres Leiters hat
es der Gruppe angetan, da er erklärte, weshalb er nach Hohenschönhausen gekommen
ist, wie es ihm dort ergangen ist und welche Auswirkungen die Gefangennahme auf
sein heutiges Leben hat. Am Beispiel dieses
Mannes und dieses Ortes wurde allen vor
Augen geführt, dass es sich bei der DDR um
einen Unrechts- und Unterdrückungsstaat
gehandelt hat.
Nach diesem ausführlichen Besuch ging
es weiter zum Alexanderplatz, um dort die
Mittagspause zu verbringen. Auf dem Weg
dorthin, fuhr der Bus durch die Karl-MarxAllee (ehemals „Stalin-Allee“) und an Hand
der „Arbeiterpaläste“ auf der „Prachtstraße
der DDR“ wurde wieder einmal der Hang
zur Gigantomanie der Sowjetunion deutlich.
Vorbei ging es auch am Café Moskau und
der Karl-Marx-Bibliothek, die auch im Film
Das Leben der Anderen zu sehen ist.
Als die Mittagspause auf dem Alexanderplatz vorbei war, wurden zunächst Referate
über die „Stalin-Allee“ und zum Aufstand
vom 17. Juni 1953 gehalten. Der 17. Juni,
welcher bis 1990 der „Tag der deutschen
Einheit“ in der Bundesrepublik war, hat in
der DDR-Geschichte eine besondere Bedeutung, da sich bei diesem Volksaufstand
zum ersten Mal die Bürger gegen das System öffentlich aufgelehnt haben. Dieser Tag,
an dem mit den Füßen abgestimmt worden
ist, trug auch zur Entscheidung zum Bau
der Mauer 1961 bei. Um diese Mauer ging
es im nächsten Programmpunkt am Mauermuseum in der Bernauer Straße, wo bis
heute noch ein originaler Teil der Mauer
mit Todesstreifen und Wachtürmen zu sehen ist. Bekannt geworden ist die Bernauer
Straße dadurch, dass die Wohnhäuser zum
Territorium der DDR gehörten, der Gehweg
aber zu Westberlin, weshalb es zu Aktionen
gekommen ist, in denen Familien aus dem
Fenster sprangen, um noch die DDR verlassen zu können. An der Bernauer Straße gibt
es zudem noch ein Dokumentationsgebäude,
in dem die Geschichte der Mauer dargestellt
ist. Ein wichtiger Tag der deutschen Geschichte ist der 9. November 1989, an dem
die Mauer „fiel“ und die Menschen der DDR
aus ihrem Land ausreisen konnten.
Ein Ort, der mit dem Mauerfall am 9. November in Verbindung gebracht wird, ist
die Bornholmer Straße, die danach besucht
wurde. Der ehemalige Grenzübergang an
der Bornholmer Straße war nämlich der erste, der an diesem Tag geöffnet wurde. Auch
hier wurden Informationstafeln installiert.
Nachdem die Ereignisse des 9. Novembers
in den Gruppen besprochen worden waren,
stieg die Gruppe wieder in den Bus. Nach
kurzer Absprache fuhr man dann nicht zum
Hotel zurück, sondern noch zum Schloss
Schönhausen im Bezirk Pankow. Das 1664
erbaute Schloss diente von 1949-1960 Wilhelm Pieck, dem Präsidenten der DDR, als
Amtssitz und wurde nach dessen Tod zum
Gästehaus der DDR umfunktioniert. Ho Chi
Minh, Fidel Castro und Michail Gorbatschow zählten zu den Gästen dieses Hauses.
Mit diesem Programmpunkt endete dann der
Tag. Der letzte Abend einer Studienfahrt für
die Schülerinnen und Schüler hatte begonnen, was bis in die frühen Morgenstunden
ausgekostet wurde.
Recht müde begann am Sonntag der letzte
Tag der Studienfahrt. Dieses Mal ging es
nach Potsdam, der Landeshauptstadt Brandenburgs. Zunächst wurde zum Schloss
Cecilienhof gefahren, in dem im Juli und
August 1945 die Potsdamer Konferenz stattfand, auf welcher Winston Churchill (später Clement Attlee), Harry S. Truman und
Josef Stalin über ihr weiteres Vorgehen in
Deutschland und Europa berieten. Leider
war es nicht möglich, in das Gebäudeinnere
zu gelangen, wo der runde Tisch der Konferenzteilnehmer zu sehen ist, doch genügte
ein kurzer Sparziergang durch den anliegenden Park. Vom Heiligen See, in dessen Nähe sich der Hof befindet, fuhren wir dann in
das Stadtzentrum. Dort wurde u. a. der „Tag
von Potsdam“ besprochen, an welchem es
zu dem berühmten Händedruck von Hitler
49
und Hindenburg kam. Danach konnten die
Schülerinnen und Schüler die restliche Innenstadt in kleineren Gruppen erkunden, z.
B. die Garnisonkirche oder das Holländische
Viertel. Es war auffallend, dass in Potsdam
viel renoviert und restauriert wird, so wird
beispielsweise das Potsdamer Stadtschloss
wieder aufgebaut, in das nach seiner Fertigstellung der brandenburgische Landtag einziehen wird.
Die letzten Sehenswürdigkeiten dieses Tages und der ganzen Studienfahrt war Schloss
Sanssouci, die persönliche Sommerresidenz
Friedrichs II. sowie das Neue Palais. Von
dort aus besuchten wir das Grabmal Friedrichs des Großen, auf dem immer Kartoffeln
zu finden sind, da er seinen Bauern befohlen
hatte, Kartoffeln für die Zeiten des Krieges
und der Not anzupflanzen, was dem Großteil der Bevölkerung das Überleben gesichert hat. Über die großen Treppenanlagen
ging es weiter zum Neuen Palais, was einen
20-minütigen Spaziergang bedeutete. Im
Gegensatz zum Schloss Sanssouci handelt
es sich beim Neuen Palais um ein Repräsentationsgebäude, was sich an der Größe und
Verzierung erkennen lässt. Doch auch hier
hat Friedrich II. sparen lassen, und die Steine
des Gemäuers sind zum größten Teil aufgemalt. Mit diesem Spaziergang endete dann
endgültig die Studienfahrt und alle Schülerinnen und Schüler waren froh, im Bus zu
sitzen und sich von den anstrengenden Tagen auf der Heimfahrt zu erholen.
Als beide Busse um 18.30 Uhr den Parkplatz des Tierparks Olderdissen erreichten,
waren genau 99 Stunden seit der Abfahrt
von diesem Ort vergangen. In diesen Stunden hat jede Schülerin und jeder Schüler
sehr viel gesehen und vielfältige Eindrücke
von Berlin und Potsdam mitgenommen. Das
gute Gelingen dieser Fahrt ist den eingangs
erwähnten sechs Lehrern zu verdanken, die
schon ein halbes Jahr zuvor mit der Planung begonnen hatten, zumal es sich mit
115 Schülern um die bis dahin größte Studienfahrt in der 455jährigen Geschichte des
Ratsgymnasiums gehandelt hat. Aber nicht
nur die Größe der Gruppe hat diese Fahrt
einzigartig gemacht. Für diese unvergessenen 99 Stunden sei im Namen aller Schülerinnen und Schüler gedankt.
Eine besondere Freundschaft
Elena Rempe, 10/EP
Neun Schüler des Ratsgymnasiums nahmen
in diesem Jahr am Schüleraustausch mit der
südfranzösischen Stadt Gap teil. Vom 3. bis
13.Februar 2013 besuchten uns die französischen Schüler des Lycée Dominique Villars in Bielefeld.
Als die französischen Schüler am Morgen in Lyon losflogen, waren wir alle
sehr aufgeregt und gespannt auf unsere
"correspondant/e", mit denen wir zuvor
schon über E-Mail und Facebook Kontakt
aufgenommen hatten. Auch die französischen Schüler waren sehr nervös, als sie von
uns und unseren Familien abends am Hauptbahnhof begrüßt wurden.
Das erste Wochenende verbrachte jeder mit
der Familie. Es wurde nach anfänglichen
50
leichten Sprachproblemen viel geredet. Interessen wurden ausgetauscht und es wurden
auch schon erste Ausflüge gemacht.
Am Montagmorgen stand erstmal ein gemeinsames Frühstück auf dem Programm.
Deutsche und Franzosen tauschten sich über
ihre ersten Erfahrungen aus. Anschließend
wurden die französischen Schüler von Herrn
Nolting durch die Schule geführt. Nun waren die Unterrichtshospitationen an der Reihe. Von so manchem Lehrer, der sich noch
an alte Französischlektionen erinnerte, wurden die Schüler mit einem fröhlichen „Bonjour!“ begrüßt.
In den folgenden Tagen waren weitere Aktivitäten, wie eine Stadtralley, eine Führung
durch die alte Schulbibliothek sowie eine
Die ganze Gruppe bei ihrer Sparrenburgbesichtigung.
Führung durch Bethel geplant. Nach dem
Unterricht fand man sich in Gruppen zusammen, um gemeinsam an der Präsentation für
das Projekt „Le monde des jeunes en France
et en Allemagne“ zu arbeiten. Abends trafen
wir uns, um zusammen Bowlen oder Essen
zu gehen.
Besondere Begeisterung löste die französische Führung durch die Dr. Oetker Welt inklusive Verköstigung aus.
Die Präsentation des Projektes fand in der
Aula des Ratsgymnasiums statt. Die verschiedenen Gruppen hatten jeweils Vorträge
über die Themen Schule, Musik, Sport und
Elysée-Vertrag vorbereitet.
Auf Schlössern verewigten sich die Partnerschüler.
Der Hip-Hop-Workshop, in der Tanzschule
DansArt löste große Begeisterung aus.
Neben der täglichen Arbeit am Projekt und
den Unterrichthospitationen stand auch noch
ein Ausflug zur Sparrenburg auf dem Programm, wo wir als Erinnerung an den Schüleraustausch Schlösser mit unseren Namen
an das Metallgitter anbrachten. Außerdem
nahm die Gruppe an einem Hip-Hop-Workshop in der Tanzschule DansArt teil, wo wir
uns unter der Leitung von Tanzlehrer Dhélé
Agbetou einige Hip-Hop-Moves aneigneten.
Als Überraschungsgast stürmte anschließend Tanzlehrer Dhélé die Bühne und führte mit allen gemeinsam den zuvor erlernten
Tanz auf. Das lange Wochenende wurde
für verschiedene Aktionen wie Kinogänge,
Karnevalspartys und Ausflüge in die Region
genutzt.
Am vorletzten Tag besuchten die Teilnehmer Dortmund. Dort besichtigten wir das berühmte Dortmunder U und gingen nachher
51
in der Thier-Galerie einkaufen, was besonders die Schülerinnen freute. Der Abschied
fiel allen sehr schwer. Zahlreiche Freundschaften waren entstanden und auch die
Sprachbarriere wurde mit einer Mischung
aus Deutsch und Französisch erfolgreich
überwunden. Man freut sich auch schon auf
den Mai, wenn die deutschen Schüler nach
Frankreich kommen und den dortigen Alltag
miterleben werden. Für alle Teilnehmer hat
sich dieser Austausch in jeder Hinsicht gelohnt. Dies ist nur ein weiterer Beweis für
die Existenz der einmaligen deutsch-französischen Freundschaft.
Das französische Sprachdiplom DELF
(Diplôme d’Etudes en Langue Française)
am Ratsgymnasium
OStR’ Dr. Marli Schütze
Partenaires un jour, partenaires toujours!
Mit diesem Bekenntnis zur deutsch-französischen Freundschaft wurde in diesem
Jahr die erfolgreiche Umsetzung der Ziele
des Elysée-Vertrages aus dem Jahr 1963
ins Bewusstsein gerückt. Vor 50 Jahren unterzeichneten Charles de Gaulle und Konrad Adenauer einen Freundschaftsvertrag,
der nicht nur auf kontinuierliche politische
Zusammenarbeit auf allen Ebenen abzielte, sondern auch den kulturellen Austausch
sowie die Förderung der Vermittlung der
Sprachen unseres Tandems planvoll in den
Blick nahm.
Ein halbes Jahrhundert später, in globalisierten Zeiten, machen die Sprachen Englisch und Spanisch dem Französischen vielerorts das schulische Leben schwer. Umso
glücklicher sind wir am Ratsgymnasium
über konstant hohe Anwahlzahlen für die
Differenzierungskurse unserer Untertertien.
In Kooperation mit dem Waldhof führen wir
den Unterricht in der Oberstufe im Grundund Leistungskursbereich weiter.
Das französische Sprachdiplom DELF hat
sich in diesem Zusammenhang als äußerst
wertvoller Motivationsfaktor erwiesen. Seit
2005 führt das Institut Français in Zusammenarbeit mit den Schulen Prüfungen zum
Erwerb von französischen Sprachdiplomen
durch, die den unterschiedlichen Niveaus
des europäischen Referenzrahmens (A1 –
C2) angepasst sind. Seit 2004 bereiten wir
auf die schriftlichen und mündlichen Prü-
52
fungen in den Niveaus A1 (UIII), B1 (EF)
und B2 (Q1, Q2) vor. In einer zusätzlichen
Wochenstunde werden die Schülerinnen
und Schüler mit den Anforderungen im
Hör- und Leseverstehen vertraut gemacht
sowie in den schriftlichen und mündlichen
Kompetenzen geschult. Die Fachschaft
Französisch bedankt sich an dieser Stelle
ganz ausdrücklich bei Frau Guéguen (B1,
B2) und Herrn Schulte (A1) für ihr großes
ehrenamtliches Engagement!
Wir dürfen uns sehr über die hohe Zahl motivierter Schülerinnen und Schüler freuen,
die über den angestrebten Schulabschluss
hinaus ins Auge fassen, sich mit einem
individualisierten und schulunabhängigen
Sprachenzertifikat zusätzlich und aussagekräftig zu qualifizieren, um ihre Chancen
auf dem globalen Arbeitsmarkt zu erhöhen.
Die Namen der Schülerinnen und Schüler,
die das A1-Zertifikat erlangt haben, findet
man zumeist auch auf den Listen der höheren Niveaus wieder, obgleich ein Abschluss
in einer unteren Kompetenzstufe keine Bedingung für den Einstieg in die Vorbereitung auf die nächst höhere Kompetenzstufe
ist. Die Zertifikate sind kostenpflichtig und
unbegrenzt gültig.
Auf den schriftlichen, an unserer Schule
durchgeführten Prüfungsteil folgen im Februar die mündlichen Prüfungen, die vom
Institut Français zentral an ausgewählten
Schulen im Regierungsbezirk Detmold abgenommen werden. Diese stellen für die Ju-
gendlichen ein besonderes Erfolgserlebnis
dar: Die Erkenntnis, sich mit dem muttersprachlichen Prüfer tatsächlich verständigen
zu können, sich also in der Konversation mit
einem „waschechten“ Franzosen bewährt
zu haben, erhöht die Motivation für den
weiteren Spracherwerb ungemein. Zudem
können die DELF-Absolventen durch ihre
Erfahrungen an diesem Tag den curricular
geforderten mündlichen Leistungsüberprüfungen in der Oberstufe entspannter entgegensehen.
Pour résumer: Das trikolore Diplom kann
einen wirklich mit Stolz erfüllen!
Alors, allez-y!
In 12 Tagen einmal in die Antike und zurück –
Unsere Studienfahrt nach Griechenland (8.-20. Mai 2013)
Tim Kerkmann, 11/Q1
Nach mehreren Wochen der intensiven
Vorbereitung auf die langersehnte Studienfahrt nach Griechenland war es am späten
Nachmittag des 12. Mai endlich soweit:
Vom Tierpark Olderdissen aus starteten 10
Mädchen und 18 Jungen mit den Lehrern
Normann Graeser (Geschichtsleistungskurs)
und Elsa-Maria Tschäpe (Altgriechischgrundkurs) nach Griechenland. Der Busfahrer Holger Westerhaus brachte uns über die
gesamte Studienfahrt hinweg – trotz teilweise grenzwertigen Straßenverhältnissen und
serpentinenreichen Gebirgspässen – sicher
zu unseren zahlreichen Destinationen und
sorgte darüber hinaus auch außerhalb des
Busses immer für Unterhaltung und wichtige Ratschläge. Die Mitfahrer setzten sich
zum größten Teil aus dem Geschichtsleistungskurs und dem Altgriechischkurs zusammen, letzterer reiste sogar ohne jegliche
Ausnahme mit.
Nach einer knapp 22-stündigen Fahrt respektive einer mehr oder weniger entspannenden Nacht im Bus erreichten wir am
Mittag des folgenden Tages die italienische
Hafenstadt Ancona (100.000 Einwohner) an
der wunderschönen westlichen Adriaküste.
Von dort aus ging es weitere circa 25 Stunden mit einer geräumigen Fähre in die größte
Stadt der Peloponnes, nach Patras (220.000
Einwohner). Aufgrund der Tatsache, dass
diese Stadt als eher weniger sehenswert einzustufen ist, fuhren wir unverzüglich knapp
zwei Stunden weiter in das historisch bedeutende Olympia. Nach einem offiziellen
„Griechenland-Begrüßungsessen“, was wir
wie fast an jedem Abend gemeinsam in einer
netten, landestypischen Taverne eingenommen hatten, hielten wir unseren dringend
benötigten Schlaf in einem soliden Hotel im
kleinen modernen Dorf Olympias ab.
Bevor wir uns die archäologische Ausgrabungsstätte Olympias intensiv angeguckt
haben, konnten wir – wie jeden Morgen
– ein ausgiebiges Frühstücksbuffet im Hotel genießen. Gestärkt fand dann die erste
der zahlreichen Führungen in Griechenland statt, die bis auf wenige Ausnahmen
mit Hilfe eines „Expertenpaares“ von den
Schülern selbst durchgeführt wurden. Die
Stätte der kultischen Olympischen Spiele,
die ab 776 v.Chr. über 1000 Jahre dort veranstaltet wurden und von ihrer Bedeutung
für die gottesgläubigen Griechen kaum zu
überschätzen sind, war ein eindrucksvoller Start der Besichtigungen der antiken,
mittelalterlichen, aber auch modernen Stätten griechischer Geschichte. Anschließend
ging es in das archäologische Museum vor
Ort, bevor Holger uns per Bus quer über die
Peloponnes-Halbinsel mit Zwischenstopp
in der byzantinischen Ruinenstadt Mystras
nach Monemvasia brachte. Die wunderschöne Felsenstadt, die im 6. Jahrhundert ebenfalls von den Byzantinern gegründet wurde,
beeindruckte uns mit engen Gassen entlang
der mittelalterlichen Häuser. Zudem genossen wir einen herrlichen Blick von dem
hohen Felsen auf die vollständig autofreie
Siedlung, die wie aus einer anderen Zeit anmutet. Das Abendessen nahmen wir erneut
zusammen ein mit einem herrlichen Blick
53
auf die Felsenstadt, bevor wir nach diesem
ersten erlebnisreichen Tag in Griechenland
noch ein wenig die milde Frühlingsnacht mit
einem oder mehreren kühlen griechischen
„Mythos“-Bieren genossen.
Am nächsten Tag begrüßten uns die Sonne
und warme Temperaturen (26 Grad), die uns
mit Ausnahme eines Regentages in Athen
immer vergönnt waren. Nach mehreren
Stunden Busfahrt erreichten wir die antike
Stadt Korinth, die aufgrund ihrer geographischen Lage direkt am Isthmus von Korinth
(Landenge zwischen der Peloponnes-Halbinsel und dem griechischen Festland) einen
damals enormen Reichtum aufweisen konnte. Daraufhin wollten wir die nahe Ausgrabungsstätte Mykene besuchen, doch leider
war diese bereits seit 15 Uhr (!) geschlossen. Dennoch konnten wir mithilfe des
erfahrenen Griechenlandreisenden Herrn
Graeser umdisponieren und entschlossen
uns zu einem Besuch der Hafenstadt Nafplio (30.000 Einwohner). Wir wanderten
dort von der mittelalterlichen Bergfestung
ausgehend hinab in die ehemalige Hauptstadt Griechenlands (1830-1834), die heute
vor allem durch enge Fußgängerzonen, eine
breite Gastronomie und schmucke Gebäuden besticht.
Im nahen Tolo, einem wunderbaren Dorf mit
einem herrlichen Sandstrand, verbrachten
wir zwei Nächte in einem hervorragenden
Hotel inklusive Pool. Von dort aus besichtigten wir am folgenden frühen Morgen die
Ausgrabungsstätte in Mykene, die nun - anders als am Vortag- offen war. Dort war es
uns möglich, das Leben um 1500 v. Chr. im
südlichen Mittelmeerraum nachzuvollziehen, was sich auf politischer, gesellschaftlicher und vor allem kultureller Ebene erheblich vom Leben der klassischen griechischen
Antike (500-336 v.Chr.) unterschied. Direkt
danach ging es weiter nach Epidauros, der
antiken Kultstätte des Heilgottes Asklepios.
Dorthin wanderte damals eine unzählbare
Masse an Menschen, die von ihren körperlichen Leiden befreit werden wollten, weshalb
dort auch Relikte des alltäglichen und kulturellen Lebens zu bestaunen sind. Hierbei
sticht zweifelsohne das antike Theater hervor, welches das am besten erhaltene antike
Theater der ganzen Welt darstellt.
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Nach der zweiten Nacht in Tolo fuhren wir
frühmorgens von dort aus knapp zwei Stunden erneut über den Isthmus von Korinth
auf das griechische Festland zu einem der
unbestrittenen Höhepunkte: In die griechische Hauptstadt Athen (4,0 Millionen Einwohner), die Wiege der abendländischen
Kultur. Nachdem wir unser Reisegepäck in
einem unspektakulären Hotel in einem freilich als weniger sehenswert einzustufenden
Viertel Athens deponiert hatten, begannen
wir mit einem intensiven Stadtrundgang.
Als Höhepunkte sind dabei besonders der
Tempel des Olympischen Zeus (Olympieion) sowie das moderne Regierungsgebäude
hervorzuheben. Dabei war es uns an vielen
Stellen möglich, die griechische Finanzkrise
zu erkennen, denn viele Gebäude waren definitiv renovierungsbedürftig und die Stadt
bestach – gelinde gesagt – nicht durch ihre
Sauberkeit.
Nach der ersten Nacht folgte am zweiten
Tag in Athen mein persönlicher Höhepunkt
der gesamten Reise: Die Besichtigung der
Agora sowie der Akropolis mit dem weltberühmten Parthenon-Tempel. In der Epoche
der griechischen Klassik diente die Akropolis als Versammlungsplatz der zeitweise
mächtigsten Polis (griechischer Stadtstaat).
Mithilfe zahlreicher Reformen – beginnend
mit Solon um 600 v.Chr. und endend mit Perikles etwa 450 v.Chr. – konnte Athen stückweise von einer Autokratie in eine Demokratie, also in eine „Volksherrschaft“ (δῆμος
[dēmos], „Volk“, und κρατία [kratía],
„Herrschaft“) umgewandelt werden. Aus
diesem Grund gilt die attische Demokratie
heute noch als Wiege der westlichen Demokratien, die für Partizipation, Gleichheit im
Sinne einer allgemeinen und gleichen Wahl
sowie Selbstbestimmung der freien Bürger
sorgen. Nach der Besichtigung der wichtigsten Gebäude und demokratischen Institutionen wie beispielsweise der zahlreichen
Verwaltungsbauten, bestiegen wir dann die
Burganlage, also die Akropolis. Diese wurde sogar noch zahlreicher von Touristen
frequentiert als die Agora. Das unbestrittene
Highlight war dabei der Parthenon-Tempel,
der im 6. Jahrhundert vor Christus erbaut
worden ist und der Stadtgöttin Pallas Athene
Parthenos gewidmet war. Als weitere Tem-
pelbauten auf der Akropolis konnten wir das
Erechtheion oder auch den Niketempel bestaunen. Diese und weitere Gebäude auf der
Akropolis sowie die zeitgenössische Bedeutung der antiken Burganlage bekamen wir
anhand einer interessanten Führung durch
das modernste und meistbesuchte Museum
Griechenlands, das Akropolis-Museum,
vermittelt. Am Abend genossen wir unsere
Freizeit in der Plaka, der Altstadt Athens unterhalb des Akropolis-Hügels, bevor wir die
zweite Nacht im Hotel in dem etwas dubios
anmutenden Viertel verbrachten.
Am nächsten Morgen stand dann der letzte
Programmpunkt in Athen auf dem Plan: Der
Besuch des griechischen Nationalmuseums,
in dem uns die uns bereits vom AkropolisMuseum bekannte Museumsführerin besonders die archaische und antike Epoche im
östlichen Mittelmeerraum auf interessante und kurzweilige Art und Weise näherbrachte. Anschließend ging es dann per Bus
mehrere Stunden in Richtung Norden. Wir
arrivierten am späten Nachmittag bei den
herrlichen Meteora-Klöstern in der Region
Thessalien. Dort besichtigten wir eines der
24 einzelnen Klöster, die bereits im frühen
Mittelalter einsam auf hohen Felsen errichtet
wurden. Das Ensemble aus den wunderschönen klösterlichen Gebäudekomplexen und
der geologisch beinahe einzigartigen Felsenformationen raubte uns allen den Atem.
In der Nähe des UNESCO-Weltkulturerbes
verbrachten wir unsere erste und einzige
Nacht auf einem Campingplatz, in dem wir
erst spät in der Nacht in unseren Zelten einschliefen.
Die Sonne „begrüßte“ uns am nächsten Morgen erneut mit einem wolkenlosen Himmel,
sodass wir gutgelaunt und voller Erwartung
ein zweites Kloster besichtigten (Mégalo
Méteora), was das größte der 24 Klöster darstellt; es mutete schon fast wie ein kleines
Dorf auf einem Felsen an mit mehreren Gebäuden wie Museen, einer großen Kapelle
und Unterkünften für die immer noch dort
lebende Gemeinschaft von knapp 20 Mönchen. Von dort aus ging es weiter zu der
Fährhafenstadt Igoumenitsa (24.000 Einwohner), denn der Abend des 17. Mai war
leider bereits unser letzter in Griechenland.
Aufgrund dessen verbrachten wir einen
unvergesslichen Abschiedsabend in einem
schönen Restaurant in einer ruhigen Bucht
mit herrlichem Sandstrand. Nach einem ausgiebigen Abendessen, was wir geschlossen
als das beste während unserer gesamten Reise bezeichneten und einer sehr langen Nacht
hieß es am frühen Morgen des nächsten
Tages Abschied nehmen von dem wunderschönen Land, was sowohl landschaftlich als
auch kulturell einen ungeheuren Reichtum
besitzt, auch wenn die derzeit schlechte wirtschaftliche Lage durchaus zu erkennen ist.
Nach einer erneut ungefähr 25-stündigen
Fährfahrt, die dieses Mal von Igoumenitsa
und nicht von Patras startete, erreichten wir
die wunderschöne italienische und weltberühmte Stadt Venedig. Vor allem die morgendliche Einfahrt in den wunderschönen
„Canale Grande“ wird den meisten von uns
als ein unvergessliches Erlebnis im Kontext
der rundum gelungenen Studienfahrt im Gedächtnis verbleiben. Daraufhin besichtigten
wir trotz strömenden Regens, der glücklicherweise zunehmend abflaute, knapp sechs
Stunden lang die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der historisch besonders im ausgehenden Mittelalter so bedeutsamen Stadt. Vor
allem der Markusdom, die Rialtobrücke,
der Dogenpalast sowie die unzählbaren Kanäle vermittelten uns einen Einblick in den
Reichtum der Stadt vor knapp 600 Jahren.
Anschließend ging es nach dieser kurzen,
aber sehr intensiven Stadtbesichtigung per
Bus weiter in das italienische Südtirol, wo
wir die Nacht in einem Hotel verbrachten,
um nicht vollständig erschöpft am Nachmittag des 20. Mai in Bielefeld zu arrivieren.
Unsere Unterkunft in der Nähe von Brixen
(italienisch BresaXXXX) stellte uns ein hervorragendes Abendbuffet zur Verfügung,
sodass wir unsere unvergessliche Studienfahrt bei einem fröhlichen Beisammensein
ausklingen lassen konnten.
Am nächsten Morgen mussten wir dann erneut sehr zeitig aufstehen, denn unsere Abfahrt in Richtung Bielefeld war bereits auf
7:00 Uhr terminiert. Ein wenig müde, aber
ohne größere Verkehrsbehinderungen oder
Staus wurden wir dann gegen 17:00 Uhr von
unseren Eltern und Geschwistern erwartet.
Glücklicherweise war am nächsten Tag auf-
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grund eines beweglichen Ferientages schulfrei, sodass wir unser reichlich angesammeltes Schlafdefizit zumindest annähernd
ausgleichen konnten.
Zusammenfassend war diese Studienfahrt
nach Griechenland ein unvergessliches Erlebnis: Viele interessante kulturelle Sehenswürdigkeiten, antike historische Ausgrabungsstätten, aber auch herrliche, unberührte
Landschaften begeisterten uns alle für dieses
zwar krisengeschüttelte, aber enorm liebenswürdige Land. Zudem sind wir als Gruppe
zunehmend vertrauter geworden und haben
uns untereinander ohne jegliche Vorbehalte sehr gut verstanden, sodass auch lange
feucht-fröhliche Abende sich definitiv zu
unseren Erinnerungen an diese Zeit gesellen werden. In diesem Kontext auch herzlichen Dank an Herrn Graeser, der uns als
Geschichtslehrer auf zahlreiche Dinge von
historischer Relevanz im ganzen Land hingewiesen hat und ein enormes Geschick beim
Handeln über einen günstigen Preis in Hotels
und Restaurants bewies. Des Weiteren auch
ein großes Lob an Frau Tschäpe, die so einige in Altgriechisch „verschlüsselte“ Wörter
und längere Texte übersetzt hat und zudem
mit ihrem fundierten Wissen über die griechische und römische Antike viele essentielle Informationen vermittelt hat.
Mach mir den Lanz
StR Christian Kass
Kamera an, freundlich lächeln, spontan ein
paar Sätze sagen und Feierabend. So oder
so ähnlich klingen häufig die Vorstellungen
vom Leben eines Fernsehmoderators. Dass
dieses Bild aber nur wenig mit der Realität
zu tun hat, mussten die Schülerinnen und
Schüler des Deutsch-Leistungskurses der Q1
von Herrn Kass am eigenen Leib erfahren.
So besuchten zwei Mitarbeiter des WDRStudios Bielefeld am 15. Juli 2013 das Ratsgymnasium, um den Schülerinnen und Schülern einen Einblick in die Arbeit beim WDR
zu geben. Nach einem kurzen theoretischen
Einstieg über den WDR und den Journalismus im Allgemeinen durften die Schüler
direkt praktisch arbeiten. In kleinen Gruppen mussten sie mit Hilfe der erfahrenen
Mitarbeiter sowohl einen Fernseh- als auch
einen Radiobeitrag erarbeiten. Während die
Radio-Arbeit den meisten Schülerinnen und
Schülern noch recht leicht fiel, stellte spätestens die Arbeit mit der Kamera viele vor eine
große Herausforderung. Schließlich musste
nicht nur die Aufnahmeleitung zu jeder Zeit
im Blick haben, was gerade passiert, sondern
auch der Kameramann die optimale Einstellung finden, um alles ins rechte Licht zu rücken. Doch besonders überraschend war es
für die Schülerinnen und Schüler feststellen
zu müssen, wie schwer die Arbeit vor der
Kamera ist.
56
Obwohl man den Text im Vorfeld vorbereiten konnte, war es dann doch alles andere als
einfach, diesen fehlerfrei und ohne Verhaspeln in die Kamera zu sprechen. Spätestens
wenn dann beim Außendreh auch noch der
ausparkende Lastwagen oder sich ansammelnde Schaulustige für Chaos sorgten,
wurde deutlich, wie aufregend, bunt, aber
eben auch schwierig und anstrengend die
Arbeit beim Fernsehen sein kann.
Als dann nach
vollendeter Arbeit die fertigen
Beiträge gemeinsam begutachtet
werden konnten,
konnte man aber
doch zu einem positiven Fazit kommen: Zwar sind die Arbeiten vor und auch
hinter der Kamera deutlich schwieriger,
als man sich das vorstellt, doch es war ein
spannender und unterhaltsamer Vormittag,
der einen interessanten Einblick in die Arbeit des WDR vermittelt hat und bei dem ein
oder anderen auch das Interesse an der Berufsperspektive Journalismus wecken oder
verstärken konnte.
Mit „KonzentRATSion“
bei der Sache
StR Christian Kass
Vom neu gegründeten Jugendforum über
das Generationenmanifest oder die SV bis
hin zum letzten Fehlkauf: Es gibt unzählige
Themen, die täglich am Rats diskutiert werden und Schüler, Lehrer und Eltern beschäftigen. Für diese und viele weitere Themen
gibt es am Rats seit einigen Monaten eine
neue Möglichkeit, sich zu informieren. Mit
der „KonzentRATSion“ ist im Oktober 2012
eine neue Schülerzeitung gegründet worden,
die unter der Leitung von Frau Unverfehrt,
Frau Linke und Herrn Kass mit 12 Schülerinnen und Schülern von Klasse 5 bis zur
Oberstufe versucht, unterhaltsam und informativ über das aktuelle Geschehen am Rats
zu informieren. Neben aktuellen Berichten
über das Leben am Rats, das abgesehen von
besonderen Highlights und viel diskutierten
Themen auch Berichte aus dem Unterricht
und den AGs umfasst, geht es um alles, was
Schülerinnen und Schüler in Freizeit und
Gesellschaft interessiert.
Das Besondere der Schülerzeitung ist dabei,
dass sie online zur Verfügung gestellt wird.
Unter der Adresse http://www.konzentratsion.de sind die Artikel zu jeder Zeit abrufbar
und geben so allen am Rats interessierten
Menschen die Möglichkeit, sich aus erster
Hand über Neuigkeiten aus dem Rats zu informieren. „Anders als bei einer gedruckten
Schülerzeitung haben wir die Möglichkeit,
topaktuell und zudem kostenlos zu berichten“, erklärt Chefredakteur Herr Kass. Dabei ist es ihm allerdings wichtig zu betonen,
dass es sich um eine Schülerzeitung handelt.
„Wir greifen zwar unterstützend und betreuend ein, die Artikel stammen aber von den
Schülerinnen und Schülern“.
Nachdem die Seite im Dezember 2012 online gegangen ist, ist die Entwicklung aber
noch nicht abgeschlossen. „Wir freuen uns,
dass der Start so gut geklappt hat und wir
so schnell in der Schule bekannt geworden
sind, aber wir sind dennoch für jede Unterstützung dankbar“. So ist es in den kommenden Monaten nicht nur das Ziel, die Seite
Schritt für Schritt weiterzuentwickeln, sondern auch die Leserzahl weiter zu steigern.
„Wir freuen uns über jeden, der uns hilft,
unsere Seite noch bekannter zu machen, damit wir mit unseren Artikeln ein möglichst
großes Publikum erreichen.“
Dr. Hajo Meyer und Justus Meyer:
Schicksale jüdischer Ratsgymnasiasten
OStR’ Cora Winke
Beide haben eines gemeinsam: eine Schülerkarriere am Ratsgymnasium und die Erfahrung von Ausgrenzung und Entrechtung im
Deutschland der 1930er Jahre aufgrund ihrer
jüdischen Religion. Und doch war ihr weiterer Lebensweg so verschieden …
Dr. Hajo Meyer: zu Gast in der Aula
Einer der letzten Überlebenden von Auschwitz, der 89jährige Hajo Meyer, Schüler am
Ratsgymnasium bis 1938, war am 17.5.2013
zu Gast in seiner alten Schule, um sich in der
vollbesetzten Aula den interessierten Fragen
Foto: Neue Westfälische
57
der Schülerinnen und Schüler der Obertertia
und Sekunda zu stellen.
Hajo Meyer wurde 1924 in Bielefeld geboren. Sein Vater war ein angesehener Bielefelder Rechtsanwalt, Frontkämpfer im Ersten
Weltkrieg, später von den Nationalsozialisten ins Konzentrationslager Theresienstadt
verbracht und dort zu Tode gekommen.
Seine Mutter nahm sich daraufhin das Leben. Hajo selbst floh noch 1938, allein und
14jährig, in die Niederlande, machte dort
sein Abitur und tauchte unter. 1944 wurde er
verraten und nach Auschwitz gebracht. Mit
viel Glück überlebte er die acht Monate hindurch bis zur Befreiung des Vernichtungslagers. Um die Bilder der Vergangenheit
aus seinem Kopf zu verdrängen, wählte er
die größtmögliche Ablenkung: er studierte
theoretische Physik, wurde Projektleiter bei
Philips in den Niederlanden. Obwohl er sich
selbst als wenig religiös beschreibt, stellte er
sich seinem jüdischen Erbe und machte sich
in den letzten Jahren einen Namen mit scharfer Kritik an der israelischen Politik in den
besetzten Palästinensergebieten.
Auf Einladung der Nahost-Initiative war er
am 16. Mai 2013 nach Bielefeld gekommen,
um seine heftig umstrittenen und provokanten Thesen mit einer interessierten, gleichwohl polarisierten Zuhörerschaft in der
Kapelle der Städtischen Kliniken zu diskutieren. Laut Hajo Meyer würden die Israelis
die Palästinenser heute genauso entrechten
und ihre Menschenwürde mit Füßen treten,
wie es die Nationalsozialisten in den 30er
Jahren mit den Juden getan hätten. Und die
Welt würde aus Scham vor dem Nichtstun
während des Holocausts die Augen vor dem
heutigen Unrecht verschließen und Israel in
der ewigen Opferrolle sehend gewähren lassen. Diese Sichtweise setze voraus, dass man
die Ausgrenzungs- und Entrechtungsphase
der 30er Jahre von der Vernichtungsphase
der 40er Jahre, die uns rückblickend als Einbahnstraße erscheint, trennen könne. Doch
ist das möglich?
Weniger brisant und kontrovers, indes ebenso hochinteressant sprach Hajo Meyer tags
darauf in der von der Fachschaft Geschichte
organisierten Veranstaltung in der Aula mit
den Schülerinnen und Schülern vor allem
58
über die Erfahrungen in seiner Jugendzeit.
Am Ratsgymnasium sei er von den Lehrern
stets zuvorkommend behandelt worden, antisemitische Äußerungen habe es nur von
Seiten eines einzigen Mitschülers gegeben.
Der Hausmeister sei beschämt gewesen, ihn
am Tag nach der Reichspogromnacht nicht
mehr in die Schule einlassen zu dürfen. Er
habe demnach nur positive Erinnerungen an
seine Schulzeit in Bielefeld. Aber er habe
auch nie das Bedürfnis verspürt, nach 1945
wieder nach Deutschland zurückzukehren,
denn: „Man wird nur einmal aus einem Land
hinausgeworfen.“ Seine abschließende Botschaft war ein Aufruf zu mehr Toleranz.
Nicht nur im israelisch- palästinensischen
Konflikt gelte es, einem Denken in den Kategorien „wir hier“ und „die da“ entgegenzuwirken, um Ausgrenzungs- und Entrechtungserscheinungen frühzeitig zu bekämpfen.
Justus Meyer: eine Diskussionsrunde
mit seiner Witwe und Herrn Dr. Klaus
Kreppel
Angeregt durch die Diskussionsrunde mit
Hajo Meyer in der Aula wollten es die Schülerinnen und Schüler der OIIIa genauer wissen. War die Biografie von Hajo Meyer der
Normalfall jüdischen Schicksals ehemaliger
Ratsgymnasiasten? Ein zweites Beispiel
zum Vergleich sollte dieser Frage nachgehen.
Herr Dr. Klaus Kreppel, ehemals Lehrer
am Heeper Gymnasium, der sich intensiv
mit der Geschichte der jüdischen Partnerstadt Nahariya beschäftigt hat, in die v. a.
deutschsprachige Juden ausgewandert sind,
und Gründungsvater der Städtepartnerschaft
Bielefelds mit Nahariya ist, erklärte sich bereit, gemeinsam mit der Witwe des verstorbenen Justus Meyer den Schülerinnen und
Schülern Rede und Antwort zu stehen.
Justus Meyer, geboren 1913 in Rheda, namensgleich, doch nicht verwandt mit Hajo
Meyer, machte 1931 sein Abitur am Ratsgymnasium. Die Diskussionsrunde am
3.6.2013 im Forum wurde mit einer Filmsequenz eingeleitet. In einem vor einigen Jahren gedrehten Interview, das Justus Meyer
in den Räumen seiner alten Schule zeigt,
berichtet dieser von seiner Schulzeit. Antise-
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mitische Anfeindungen seien die Ausnahme
gewesen. Die Lehrer hätten sich professionell und korrekt verhalten. Sticheleien habe
es nur unter Mitschülern gegeben. Seine Witwe bekräftigte im anschließenden Gespräch,
dass seine Erfahrungen insofern mit denen
von Hajo Meyer vergleichbar seien. Doch
statt Flucht, Verrat und Konzentrationslager
erfahren zu müssen, war sein weiterer Lebensweg von der rechtzeitigen Emigration
gekennzeichnet. Unter den Eindrücken der
Ausgrenzung und Entrechtung der Juden seit
der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten musste die Familie von Justus die
väterliche Fabrik in Rheda 1937 zu einem
Achtel des tatsächlichen Wertes verkaufen.
Sie wählte die Ausreise nach Israel ins damalige britische Mandatsgebiet Palästina.
Obwohl seine Eltern aus dem Berliner Bürgertum stammend in Rheda zum mittelständischen Unternehmertum mit akademischem
Hintergrund gehört hatten, erging es ihnen
wie vielen gebildeten Juden aus Westeuropa.
Studierte Ärzte, Juristen, Professoren und
Unternehmer bestritten nun ihren Lebensunterhalt mit bäuerlichen und handwerklichen
Tätigkeiten in dörflichen Siedlungen. Die
Familie von Justus Meyer betrieb in Nahariya eine Dorfschlosserei. Mit den arabischen
Nachbarn habe man friedlich zusammengelebt, gleichwohl hätten viele von ihnen das
Land im Zuge des Sechs-Tage-Krieges mehr
oder weniger freiwillig verlassen. Anders als
Hajo Meyer habe Justus, der nur Halbjude
gewesen sei, seine deutschen Wurzeln nicht
gekappt und seine letzten Lebensjahre in
Bielefeld verbracht.
60
Am Ende auch dieser interessanten Diskussionsrunde offerierte Herr Dr. Kreppel den
interessierten Schülerinnen und Schülern ein
besonderes Geschenk. Er überreichte allen
ein Exemplar seines Buches „Wege nach
Israel. Gespräche mit deutschsprachigen
Einwanderern in Nahariya“ . Darin konnten sie nicht nur die Lebensgeschichte von
Justus Meyer nachlesen, sondern auch die
von anderen nach Nahariya ausgewanderten
deutschen Juden.
Foto: C. Winke
Insgesamt bereicherte die Konfrontation mit
der Alternative Auswanderung versus Verfolgung und Vernichtung im nationalsozialistischen Deutschland den Blick der Schülerinnen und Schüler auf jüdische Schicksale
und regte an, sich mit der Frage der Unverletzbarkeit der Menschenwürde in Vergangenheit und Gegenwart im Allgemeinen und
mit der Geschichte und heutigen Politik des
Staates Israel im Besonderen auseinanderzusetzen.
Eine Rarität in der Bibliothek des Bielefelder Ratsgymnasiums
zur Bonner Revolutionsgeschichte 1848: „Wahlmann wähle
Dahlmann“*
OStR Dr. Johannes Altenberend
Bibliotheksleiter und Sammler sind in der
Regel stolz auf ihre seltenen und kostbaren
Bücher. Raritäten stoßen nämlich weitaus
mehr als die normalen Bestände auf das Interesse von Forschung und Öffentlichkeit.
Das gilt vor allem für Unikate, die nur noch
in einem Exemplar nachweisbar oder tatsächlich vorhanden sind und deshalb auch
gern gezeigt und ausgestellt werden. Das
bekannteste Unikat der Bibliothek des Ratsgymnasiums in Bielefeld ist sicherlich die
spätmittelalterliche Handschrift mit dem nur
in dieser Fassung bekannten Bericht über die
Translation des Bistumsheiligen Liborius
von Le Mans nach Paderborn.1 Unscheinbar
und wenig beeindruckend ist dagegen eine
Bonner Flugschrift, die nur noch aus einem
doppelseitig bedruckten Quartblatt besteht.
Das Blatt wurde im Frühjahr 1848 von dem
Bonner Universitätsdrucker Carl Georgi hergestellt und galt schulintern bisher als ein
Unikat.2
Das anonym herausgegebene Flugblatt
beginnt mit dem groß und fett gedruckten
Aufruf: „Wahlmann wähle Dahlmann für
Frankfurt, wo er nicht zu entbehren ist aus
zweien Gründen.“ Das Flugblatt wurde
also aus Anlaß der Wahlen zur Nationalversammlung in Frankfurt veröffentlicht
und dürfte zwischen den Urwahlen am 1.
und der Zusammenkunft der Wahlmänner
am 10. Mai 1848 erschienen sein. Der seit
1842 in Bonn tätige und politisch aktive Geschichtsprofessor und Staatswissenschaftler
Friedrich Christoph Dahlmann (1785-1860)
war als Kandidat des liberalen, protestantischen und preußischen Bildungsbürgertums
in der rheinischen Universitätsstadt aufgestellt worden. Gegen die Kandidatur hatte
sich jedoch der Widerstand des katholischen
Bürgertums geregt, das sich mit der Wahl
des katholischen Juraprofessors Peter Franz
Deiters schließlich auch durchsetzte.3
Die Kandidatur Dahlmanns für den Wahlkreis Bonn wurde in der Flugschrift damit
begründet, dass es „in Deutschland jetzt
keinen größern Staatsmann, keinen bewährtern, erfahrnern, tiefsinnigern Kenner aller
Staatsgrundgesetze, alles Verfassungswesens“ gäbe als Dahlmann.4 Dürfte, so wurde
gefragt, „Der bei der Errichtung des neuen
deutschen Reichsgebäudes fehlen, der für
den besten Staatsbaumeister gilt?“ Zweitens führte der Verfasser an, dass der Bonner
Professor bei dem Entwurf eines deutschen
Reichsgrundgesetzes, den der sogenannte
Siebzehnerausschuss am 26. April 1848 veröffentlicht hatte, entscheidend mitgewirkt
habe. Das Vorwort dieses Entwurfes wurde
auf der Rückseite des Flugblattes mit abgedruckt. Schließlich folgte eine kurze biographische Skizze mit seiner wissenschaftlichen
Laufbahn. Vor allem wurde auf die Protestaktion der Göttinger Sieben 1837 und die daraus resultierenden persönlichen Folgen für
Dahlmann sowie auf seine Bedeutung bei
den Vorbereitungen für die Erarbeitung einer
Reichsverfassung hingewiesen. Abschließend fragten die Verfasser: „Wer ist diesem
Manne an Kühnheit, Unerschrockenheit, an
*Nachdruck aus den Ravensberger Blättern. Organ
des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg, H. 1, 2013.
1Bibliothek des Ratsgymnasiums, HS 2 (alte Signatur
O 2). Eine ausführliche Beschreibung liefert Volker
de Vry, Liborius. Brückenbauer Europas. Die mittelalterlichen Viten und Translationsberichte, Paderborn 1997, S. 261 ff.
2Bibliothek des Ratsgymnasiums, Sammlung Loebell,
Miscell. Band, Nr. 2565 (Sonderstandort).
3Max Braubach, Bonner Professoren und Studenten
in den Revolutionsjahren 1848/49, Köln u. Opladen
1967, S. 19 ff. Dahlmann wurde schließlich vom holsteinischen Wahlkreis Segeberg in das Frankfurter
Parlament geschickt, wo er u. a. eine herausragende Rolle bei der Erarbeitung der Reichsverfassung
spielte.
4Zu Dahlmann vgl. jetzt vor allem Wilhelm Bleek,
Friedrich Christoph Dahlmann. Eine Biographie,
München 2010.
61
62
staatsmännischer Einsicht und Erfahrung
vergleichbar?“ Es folgte dann noch einmal
die Parole „Wahlmann wähle Dahlmann“.
Wer dieses Flugblatt verfaßt hat, ist nicht
sicher nachgewiesen. In der Bonner Literatur ist es schon frühzeitig dem patriotischen
Schriftsteller, Politiker und an der dortigen
Universität lehrenden Professor Ernst Moritz
Arndt (1769-1860) zugewiesen worden, der
von anderen Professoren unterstützt worden
sei.5 Wohl auf Grund der klaren, einprägsamen und schlagkräftigen Wahlkampfparole
ist die Flugschrift bis in die jüngste Zeit immer wieder von der Bonner Stadtgeschichtsforschung und der Arndt-Forschung zitiert
worden, ohne daß ein detaillierter Nachweis
des Fundortes angegeben worden ist.6 Nur
Edith Ennen hat sich die Mühe gemacht, das
Blatt in einem Nachlaß des Bonner Stadtarchivs aufzuspüren.7 Immerhin war schon
seit Anfang des 20. Jahrhunderts durch die
bibliographischen Bemühungen zum Werk
Ernst Moritz Arndts bekannt, dass ein Exemplar der Flugschrift in der Bibliothek des
Bielefelder Gymnasiums vorhanden ist. Der
beste Kenner der Gymnasialbibliothek, der
Mathematiklehrer Theodor Bertram, hatte
nämlich die Bedeutung des Blattes erkannt
und der Preußischen Staatsbibliothek diesen Fund gemeldet. Daraufhin ergänzte Paul
Trommsdorff seine Arndt-Bibliographie,
veröffentlichte eine Annotation und bedankte sich im Dezember 1906 bei Bertram.8 Bis
5Anton Springer, Friedrich Christoph Dahlmann, 2.
T., Leipzig 1872, S. 252.
Vgl. beispielsweise Wilhelm Bleek, Die Politik6
Professoren der Paulskirche, in: Von der Arbeiterbewegung zum modernen Sozialstaat. Festschrift
für Gerhard A. Ritter zum 65. Geburtstag. Herausgegeben von Jürgen Kocka, Hans-Jürgen Puhle und
Klaus Tenfelde, München u.a. 1994, S. 276-299, hier
S. 279; Gerhard Loh, Arndt Bibliographie. Verzeichnis der Schriften von und über Ernst Moritz Arndt,
Greifswald 1969, S. 87, Nr. 497; Karl Heinz Schäfer,
Josef Schawe, Ernst Moritz Arndt. Ein bibliographisches Handbuch 1769-1969, Bonn 1971, S. 263, Nr.
975.
7Edith Ennen, Dietrich Höroldt, Vom Römerkastell
zur Bundeshauptstadt. Kleine Geschichte der Stadt
Bonn, 3. Aufl., Bonn 1976, S. 218 u. 437.
8
Paul Trommsdorff, Zur Bibliographie von Ernst
Moritz Arndt. (Nachtrag.), in: Zentralblatt für Bibliothekswesen, Bd. 23 (1906), S. 551 f, hier S. 551;
siehe Anm. 2.
heute sind also nur zwei Exemplare dieser
Flugschrift bekannt geworden.
Dass die Flugschrift in der Bibliothek des
Bielefelder Ratsgymnasiums zu finden ist,
ist leicht erklärbar. Der Bonner Professor
Johann Wilhelm Loebell (1786-1863) 9, ein
Kollege der beiden politisch aktiven Historiker, vermachte vor 150 Jahren dem heutigen
Ratsgymnasium seine Büchersammlung,
wodurch die Bibliothek des Gymnasiums
um einen überaus wertvollen Schatz vermehrt wurde.10 Die Privatbibliothek Loebells umfaßte fast 7.000 Bände, darunter ein
„Miscellan-Band zur preußischen Gesch.
1848 u.1849“ mit „Broschüren von d`Ester,
Willisen, Urlichs u. A.“11 Ernst Moritz Arndt
wird in diesem Verzeichnis nicht mit Namen
genannt, was nicht weiter verwundern muß,
denn die namentlich genannten und weitere
sieben „Broschüren“ enthielten umfangreichere Traktate. Das Flugblatt war ursprünglich zwischen zwei Schriften gebunden und
wurde offensichtlich von Professor Bertram
aus dem Einband herausgetrennt.12
Auf den ersten Blick ist es überraschend,
daß Loebell die oben genannte Flugschrift
in seine Bibliothek eingereiht hat, denn er
galt in Bonn wegen seiner konservativen
und gegen den revolutionären Liberalismus
9Paul Schmidt, Johann Wilhelm Loebell 1786-1863,
in: Bonner Gelehrte. Beiträge zur Geschichte der
Wissenschaften in Bonn. Geschichtswissenschaften,
Bonn 1968, S. 79-92; Roland Köhne, Prof. Johann
Wilhelm Loebell (1786-1863) und die „Loebellsche
Bibliothek“ in Bielefeld, in: Ravensberger Blätter
1/2000, S. 26-34; ders., Nachträgliches zur Biographie Johann Wilhelm Loebells, in: Ravensberger
Blätter 1/2007, S. 56-59.
10Roland Köhne, Johannes Altenberend, Die Bibliothek des Ratsgymnasiums, in: Deo et Literis. Schule mit Geschichte – Schule mit der Zeit. Festschrift
zum 450-jährigen Jubiläum des Ratsgymnasiums
Bielefeld. Herausgegeben im Auftrag der Schule von
Johannes Altenberend und Wolfgang Schröder, Bielefeld 2008, S. 93-106, hier S. 101.
11Katalog der Loebell`schen Bibliothek. Als Festschrift
für die Loebell`sche Gedenkfeier am 15. September,
zugleich als Beigabe zu dem diesjährigen Programm
des Gymnasiums in Bielefeld ausgegeben, Bielefeld
1864, S. 54, Nr. 2565. Dieser durch den Oberlehrer
Adolf Wortmann erstellte Katalog beruht auf einem
handschriftlichen Verzeichnis Loebells, das aber
nicht mehr vorhanden ist.
12Sammlung Loebell, Nr. 2565.
63
gerichteten politische Grundeinstellung sowie wegen seiner wissenschaftlichen Ausrichtung als Außenseiter und Sonderling.
Auf der anderen Seite gehörte er zusammen mit Arndt und Dahlmann der Philosophischen Fakultät an und lehrte wie die
bekannteren und anerkannteren Kollegen
das Fach Geschichte.13 Unter dem Eindruck
radikaler demokratischer Strömungen einerseits und einer starken katholischen Partei in
der Stadt andererseits hat er sich im Verlauf
der Revolution konstitutionellen Verfassungsvorstellungen angenähert und ist dafür
in der Bonner Öffentlichkeit eingetreten.14
Die Forderung nach nationaler Einheit unter
preußisch-protestantischer Führung sowie
13
Edith Ennen, Ernst Moritz Arndt 1769-1860, in:
Bonner Gelehrte (wie Anm…..); Karl Dietrich Bracher, Friedrich Christoph Dahlmann 1785-1860, in:
ebenda, S. 115-128.
14Friedrich von Bezold, Geschichte der Rheinischen
Friedrich-Wilhelms-Universität von der Gründung
bis zum Jahr 1870, Bonn 1920, S. 434 ff.
die antirepublikanische und gegen den Ultramontanismus ausgerichtete Einstellung
gehörten bei Unterschieden im Einzelnen
zum politischen Kanon der drei Professoren. Deshalb hat Loebell die Kandidatur
Dahlmanns zum Bonner Abgeordneten für
das Paulskirchenparlament sicher unterstützt. Private Beziehungen zu den Kollegen Dahlmann und Arndt sind nicht bekannt
geworden; doch hatte Loebell schon aus
wissenschaftlichem Interesse wichtige Werke seiner Kollegen angeschafft und durchgearbeitet.15
Diese Bücher geben wie die Flugschrift einen Einblick in die Denk- und Verhaltensweisen intellektueller Eliten im deutschen
Vormärz und in der 1848er Revolution.
15Vgl. bsw. F.C. Dahlmann, Geschichte der englischen
Revolution, Leipzig 1844 (Sammlung Loebell, Nr.
2810); E.M. Arndt, Versuch in vergleichender Volksgeschichte, Leipzig 1843 (Sammlung Loebell, Nr.
934).
Mit MINT eine Schul-Brücke bauen –
Grundschüler als Jungforscher am Rats
StD’ Dr. Heike Biermann
Im Schuljahr 2012/13 hat das Ratsgymnasium erfolgreich an dem Bielefelder Projekt
„mit MINT gemeinsam lernen, entdecken
und Schul-Brücken bauen“ teilgenommen,
das von der Stiftung Bildung initiiert wurde.
Die Idee
Eine „Schul-Brücke“ zu bauen, d. h. gemeinsam zu lernen, dazu haben Schülerinnen und Schüler der Klassen VIb (5b) und
Vc (6c) des Ratsgymnasiums zwei vierte
Klassen der Klosterschule Bielefeld eingeladen. Die heimlichen Stars dieses naturwissenschaftlichen Projektes waren lebendige
Insekten – Stabschrecke, Gespenstschrecke,
Samtschrecke und Totenkopfschabe. Insbesondere deren Tarnungs- und Anpassungsmechanismen wurden genauer untersucht.
Anschließend wurde das erworbene Wissen
in einem (fiktiven) Insektenparcours praktisch angewendet.
64
E r m ö g lic ht
wurde unser
schulisches
Projekt durch
eine Kooperation
mit
der Universität
Bielefeld, Fakultät
für Biologie.
Vom Ratsgymnasium waren als Biologielehrer Mathias Lemm und Heike Biermann beteiligt. Die Klassen der Klosterschule wurden von der Schulleiterin Frau
Müller-Borchert und Herrn Limberg begleitet.
Die „Gastgeber“ der VIb und Vc wurden
drei Wochen zuvor auf die Inhalte vorbereitet. In intensiver Stationenarbeit konnten
die Schülerinnen und Schüler der 5. und 6.
Klassen die Insekten ausgiebig erforschen.
Nach anfänglicher Zurückhaltung („ih, eine
Totenkopfschabe“) wurden die lebendigen
Tiere auch auf die Hand genommen. Natürlich mussten dabei die zuvor besprochenen
Regeln für einen sorgsamen Umgang eingehalten werden.
Der Besuch
Während der zur Verfügung stehenden Stunde erforschten die Grundschülerinnen und
-schüler an Stationen die Anpassungs- und
Tarnungsmechanismen der vier verschiedenen Insekten – anhand eines Laufzettels mit
Fragen. Dazu hatten die Schülerinnen und
Schülern der 5. und 6. Klassen im Vorfeld
besonders spannende Forschungsfragen ausgewählt und konnten dann als Experten die
jüngeren Schülerinnen und Schüler beraten
und unterstützen. Abschließend hatten die
Schülerinnen und Schüler der Klosterschule
die Aufgabe, bei einem fiktiven Insektenwettrennen mit Hindernissen und Schutzzonen das Gewinnerinsekt zu ermitteln.
Das begeisterte Mitarbeiten aller Schülerinnen und -schüler zeigte, dass das Konzept
geglückt ist. Die Schülerinnen und Schüler
des Gymnasiums haben ihre naturwissenschaftlichen Kompetenzen vertieft und Verantwortung übernommen.
Die Grundschülerinnen und -schüler haben
aktiv an Stationen geforscht und aus „erster
Hand“ von den nur wenig älteren Schülerinnen und Schülern gelernt.
Fazit
Das Besondere an diesem Projekt war die
„Schul-Brücke“, d. h. das gemeinsame Lernen über Schulen und Schulstufen hinweg
– in diesem Fall von der Grundschule zur
weiterführenden Schule. Das Projekt war für
alle Beteiligten ein Gewinn. Man fragt sich
eigentlich, wieso man nicht schon früher auf
diese schöne Idee gekommen ist.
Das Projekt ist in einem kleinen Film auf
der Homepage des Ratsgymnasiums zu
sehen.
Nicht der Kumpel – Sebastian Reichelt im Gespräch
Lisa Pausch, Abi 2013
Am 26. November 2012 wurde Studiendirektor Sebastian Reichelt, seit 1993 mit
den Fächern Geschichte und Evangelische
Religionslehre am Ratsgymnasium tätig, in
Berlin mit dem renommierten Deutschen
Lehrerpreis ausgezeichnet. Lisa Pausch,
Abiturientin des Jahrgangs 2013,interviewte ihn für die Schülerzeitung des
Ratsgymnasiums nach der Peisverleihung.
KonzentRATSion: Herr Reichelt, was ist
das für eine Auszeichnung, die Sie erhalten
haben?
Sebastian Reichelt: Das ist der deutsche
Lehrerpreis, den es erst seit 2007 gibt. Ein
wichtiges Motiv der Stifter war es, all das
Positive, das tagtäglich an Deutschlands
Schulen geschieht, stärker zu würdigen. Da-
Foto: Lisa Pausch
zu zählen zum einen besonders gelungene
Unterrichtsprojekte und zum anderen einzelne Lehrerinnen bzw. Lehrer, die von ihren ehemaligen Schülerinnen und Schülern
für den Preis vorgeschlagen werden können. Im gesamten Bundesgebiet gab es im
letzten Jahr über 3500 Vorschläge, die von
65
einer strengen Jury, bestehend aus Kultusministern, Professoren und Anderen geprüft
wurden.
KonzentRATSion: Wer hat Sie nominiert?
Reichelt: Das waren zwei Schüler des letzten Abiturjahrgangs, der ehemalige stellvertretende Schülersprecher Jonathan Tenge
und der Kurssprecher Christoph Busse. Beide waren bei mir im Geschichte-Grundkurs
und haben sich die Mühe gemacht, nach ihrem Abi-Stress ein drei Seiten umfassendes
Gutachten zu schreiben.
KonzentRATSion: Wissen Sie, ob schon
einmal ein Lehrer vom RATS nominiert
wurde oder direkt den Preis erhalten hat?
Reichelt: Ob jemand nominiert wurde, ist
mir unbekannt; einen Preisträger hat es bislang aber noch nicht gegeben. Lange Zeit
wusste ich nicht, dass es diesen Preis überhaupt gibt. Vor ein paar Jahren habe ich zufällig davon erfahren, mich aber nicht weiter
damit beschäftigt. Im Rahmen des Abiballs
2012 kamen dann Jonathan und Christoph
auf mich zu, gaben mir einen Umschlag mit
einem Brief und meinten, dies sei ein Dank
für drei Jahre tollen Geschichtsunterricht und im Übrigen hätten sie mich für den deutschen Lehrerpreis nominiert.
KonzentRATSion: Das kam für Sie also
ziemlich überraschend...
Reichelt: Völlig überraschend! Ich habe
spontan den beiden gesagt, sie seien total
verrückt. Widerspruch sei zwecklos, Bewerbungsschluss sei fünf Tage zuvor gewesen,
war ihre Antwort. Im November erhielt ich
dann Post, in der mir mitgeteilt wurde, ich
gehörte zu den 16 Preisträgern in Deutschland.
KonzentRATSion: Worin besteht der Preis
genau?
Reichelt: Ich habe mit den beiden Schülern
eine Einladung nach Berlin erhalten, dort
fand die Feierlichkeit sehr stilvoll auf einem
rotem Teppich statt. Die Schüler haben mir
in Anwesenheit des Kultusministers und des
Präsidenten der Humboldt-Universität eine
„Trophäe“ überreicht. Dazu habe ich einen
Gutschein über 1000 Euro für die Schule erhalten.
66
KonzentRATSion: Warum sind Sie der
beste Lehrer?
Reichelt: So würde ich das nie formulieren.
Dieser Preis ist eine Auszeichnung stellvertretend für ganz viele gute Lehrerinnen und
Lehrer in Deutschland. Ich hatte einfach
Glück – das darf ich in aller Bescheidenheit
sagen – dass ich so großartige, engagierte
Schüler hatte, die sich gesagt haben: »Wir
möchten, dass Herr Reichelt den Preis erhält«. Dieser Einsatz ist tatsächlich belohnt
worden; die Jury war von der Aussagekraft
des Bewerbungsschreibens offensichtlich
überzeugt. Ich selbst war sehr gerührt, dass
so viel aus meinem Unterricht angekommen
ist.
KonzentRATSion: Was macht für Sie
guten Unterricht aus?
Reichelt: Zunächst einmal gilt die alte
Binsenweisheit, die nicht zuletzt durch die
Ergebnisse des neuseeländischen Forschers
John Hattie weltweit wieder ins Bewusstsein gerufen worden ist: auf die Lehrerinnen
und Lehrer kommt es an! Deshalb ist ein
gutes Unterrichtsklima eine hilfreiche Voraussetzung. Ein Lehrer sollte Humor und
Geduld sowie Interesse an seinen Schülerinnen und Schülern mitbringen. Wer dies
nicht hat, der sollte eher die Finger vom
Lehrerberuf lassen.
Wir sind dazu da, um junge Menschen zu
fordern und gleichzeitig zu fördern. Wir
sollten deutlich machen, dass wir die Schüler und unsere Fächer, für die wir stehen,
gern unterrichten und versuchen, unsere
Schüler für die Sache zu begeistern, in der
Hoffnung, dass ein Funke überspringt. Ich
bin Realist genug, um zu wissen, dass ich nie
alle erreichen kann. Trotzdem sollten wir
versuchen, möglichst viele Schüler zu motivieren und die Bedeutung unserer Fächer, ja
von Schule und Erziehung insgesamt transparent und wirksam werden zu lassen. Guten
Unterricht zeichnet deshalb immer auch aus,
dass er neben einer klaren Struktur sinnstiftende Gespräche ermöglicht, und dabei darf
auch, was lange in den Hintergrund geraten
ist, das Üben und Wiederholen nicht zu kurz
kommen!
KonzentRATSion: Sind Sie eher der strenge oder der lockere Lehrer?
Reichelt: Die richtige Mischung macht's.
Das kommt auch immer darauf an, wie sehr
sich eine Klasse oder ein Kurs auf gewisse
Dinge einlässt. Zunächst sollten die Regeln
klar sein – und da ist es sehr hilfreich, wenn
das Kollegium an einem Strang zieht – und
da bin ich froh, dass dies am Ratsgymnasium
der Fall ist. Ich unterrichte z. B. in einer 8.
Klasse. Einige Schüler meinten zu Beginn,
sie würden als die schlimmste Klasse der
Schule gelten.
KonzentRATSion: Und dann haben Sie
die Klasse »gezähmt«?
Reichelt: Ich habe erst gedacht: „Na, das
wird eine Herausforderung, aber vielleicht
sind sie ja gar nicht so wie ihr vermeintlicher Ruf.“ Ich versuche, mich auf jede neue
Klasse ohne Vorurteile einzulassen. Am
Anfang ist es auch wichtig, streng zu sein,
darauf zu achten, dass Gesprächsregeln und
Anforderungen eingehalten werden. Aber
wenn deutlich wird, dass diese verinnerlicht
worden sind, kann der Unterricht lockerer
gestaltet werden. Übrigens: diese 8. Klasse
ist wirklich eine Zucker-Klasse.
KonzentRATSion: Um das jetzt mal ganz
kitschig zu fragen, ist mit diesem Preis ein
kleiner »Traum« in Erfüllung gegangen,
einer der besten Lehrer zu sein?
Reichelt: Ich hatte nie den Traum, einer der
Besten zu sein. Es gibt so viele gute Lehrer. Wenn mir Ehemalige sagen: »Bei Ihnen habe ich ganz besonders viel gelernt«,
dann freut mich das. Was will man mehr,
als dass sich die Schüler auf den Unterricht
freuen und ihn später in guter Erinnerung
behalten?
KonzentRATSion: Haben Sie die Trophäe
Zuhause ausgestellt?
Reichelt: Die hat einen Ehrenplatz im Bücherregal im Wohnzimmer.
KonzentRATSion: Sind Sie unter Ihren
Kollegen jetzt der »Musterschüler«, der alles richtig gemacht hat?
Reichelt: Man wird nie alles richtig machen.
Den perfekten Menschen und Lehrer gibt es
glücklicherweise nicht. Ich hoffe nicht, dass
ich unter den Kollegen jetzt der Musterschüler bzw. -lehrer bin. Ich habe mich gefreut,
dass die Kollegen zum Preis herzlich gratuliert haben. Das war für mich ein schönes Signal, dass es Menschen gibt, die sich mitfreuen
können. Ein ehemaliger inzwischen pensionierter Kollege schrieb mir, dass der Preis ein
Zeichen für die Qualität der gesamten Arbeit
am Ratsgymnasium sei. Ich sehe das genauso
und möchte gar nicht der Musterlehrer sein.
Das wäre eine überflüssige Bürde.
KonzentRATSion: Also was muss ein Lehrer haben?
Er muss Schüler motivieren und zum selbstständigen Denken und Arbeiten anleiten
können. Er sollte dies mit Humor, Menschlichkeit und Geduld tun und sich über seine
Rolle als Lehrer im Klaren sein. Denn der
Lehrer ist nicht der Kumpel seiner Schüler,
sondern ihr Gegenüber, deshalb sollte er ihnen sowohl mit Strenge als auch mit Liebe
und Geduld begegnen.
KonzentRATSion: Was haben Sie sonst
noch vor?
Reichelt: Mein größter Wunsch ist es, gesund zu bleiben und weiterhin mit Freude
meinen Schülern wie meinen Referendaren
begegnen zu können. Mich reizt die Kombination aus Fachleiter und Lehrer, die Aufgabe ist sehr vielseitig und stellt einen immer
wieder vor neue Herausforderungen. Dass
ich darüber hinaus in den Steuergruppen in
Schule und Seminar mitwirken und Impulse
für die Schulentwicklung geben kann, bereitet mir Freude.
Ein Preis für Geschichte am Ratsgymnasium
OStR’ Cora Winke und die Fachschaft für Geschichte
Im November 2012 erhielt Studiendirektor
Sebastian Reichelt, seit nunmehr 20 Jahren
Mitglied unseres Kollegiums und Lehrer
für die Fächer Geschichte und Evangelische
Religionslehre sowie als Fachleiter am Paderborner Seminar tätig, in Berlin den Deutschen Lehrerpreis. Der Preis ist nicht nur mit
einer Trophäe versehen – zusätzlich erhält
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der Preisträger 1000.- €, die für schulische
Zwecke zu verwenden sind. Herr Reichelt
hat sich dafür entschieden, Schülerinnen und
Schülern, die in ihrer Qualifikationsphase
ebenso wie im Abitur herausragende Leistungen im Fach Geschichte erbracht haben,
mit dem von ihm neu gestifteten Geschichtspreis auszuzeichnen.
Damit soll der Stellenwert des Faches Geschichte, der Tradition des Ratsgymnasiums
gemäß, unterstrichen und das große Inter-
esse überdurchschnittlich vieler Schülerinnen und Schüler unserer Schule am Fach
Geschichte gewürdigt werden. Im Rahmen
der Abiturfeierlichkeiten erhielten in diesem
Jahr fünf Schüler den Geschichtspreis!
Für die Zukunft wünschen wir uns weiterhin
viele zu ehrende Schülerinnen und Schüler
und danken Herrn Reichelt für die Möglichkeit, besonderes Engagement im Fach
Geschichte auch in den nächsten Jahren auf
diese Weise auszeichnen zu können!
Experimentalwettbewerb 2013 „Jugend forscht –
Schüler experimentieren“
StR’ Anke Lange
Dieses Jahr haben an dem Wettbewerb „Jugend forscht bzw. Schüler experimentieren“
vom Ratsgymnasium insgesamt 7 Schülerinnen und Schüler in den Fachbereichen
Chemie und Mathematik mit interessanten
Themen teilgenommen.
Mattis Harhoff, der schon im Vorjahr angetreten war, hat mit Lukas Zielonka aus
der Klasse 7 b Casein hergestellt. Casein
ist ein umweltverträglicher Kunststoff, der
nicht aus Erdöl, sondern aus Milch gewonnen wird und so biologisch abbaubar ist.
Ebenfalls im Fachbereich Chemie sind auch
Henriette Kleinebenne und Kaja Hildebrand
mit Versuchen rund ums Thema „Kaugummi“ angetreten. Eine Fragestellung war, ob
Kaugummi den pH-Wert des Mundspeichels verändert. Zur Untersuchung dieser
Fragestellung mussten die Schülerinnen und
Schüler der Klasse 7 b Zahnpflegekaugummis, zuckerfreie und zuckerhaltige Kaugummis kauen und sowohl vor als auch nach
dem Kauen den pH-Wert des Mundspeichels
mittels Indikatorstreifen testen. Und tatsächlich reduziert das Zahnpflegekaugummi den
Säuregehalt im Mundspeichel, so dass die
Zähne vor „Säureangriffen“ geschützt sind.
Sie haben mit dieser Arbeit den dritten Platz
belegt.
David Schüler und Vincent Adler aus der
Klasse 8a, die bereits im Vorjahr im Fachbereich Chemie angetreten sind, haben
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diesmal untersucht, ob Musikhören beim
Mathelernen die Konzentration beeinflusst.
Hierzu haben sie Mitschülerinnen und Mitschülern aus der eigenen Klasse und den Parallelklassen Matheaufgaben lösen lassen.
Die verschiedenen Schülergruppen hatten
dabei klassische Musik und Popmusik bzw.
gar keine Musik gehört. Die beiden Schüler
David und Vincent konnten durch diesen
Versuch zeigen, dass Musik die Konzentration beim Rechnen negativ beeinflusst,
wobei die Ergebnisse bei klassischer Musik
noch besser waren als bei Popmusik. Sie
belegten den zweiten Platz im Fachbereich
Mathematik.
Marie Féaux de Lacroix (8 a) war ebenfalls im letzten Jahr dabei und hat Roboter
programmiert. In diesem Jahr ist sie mit
Untersuchungen zum Pascalschen Dreieck
angetreten und hat nicht nur die Besucher
des Wettbewerbs in der Sparkassenfiliale in
Herford beeindruckt, sondern auch die Jury:
Sie erhielt den ersten Platz und nahm beim
Regionalwettbewerb in Essen teil.
Und die Vorbereitungen für den Wettbewerb im Jahr 2014 laufen bereits: Kaja
Hildebrands Ehrgeiz und Interesse wurden
geweckt: Sie untersucht zusammen mit
ihrem Bruder Keke und der Mitschülerin
Luisa Hebrock, inwieweit sich die Temperatur von Salzlösungen verändert und ob und
wie man diese exotherme Energie nutzbar
machen kann. Robin Bauer und Tjorven
Wörmann wollen experimentell herausfinden, aus welchen Ausgangsstoffen sich Bioethanol als Energieträger herstellen lässt.
Sie experimentieren mit Karotten und warten auf die Zuckerrübenernte.... Tjorven war
bereits beim Wettbewerb 2012 mit Fabian
Kastrup und Pascal Krause im Fachbereich
Chemie erfolgreich: sie belegten den zweiten Platz zum Thema „Salzgehalt in Salzstangen“. Es werden sich sicherlich im neu-
en Schuljahr noch weitere „Jungforscher“
einfinden und eventuell am Wettbewerb
teilnehmen.
Als betreuende Lehrerin macht es mir Spaß,
die Ideen, den Ehrgeiz und letztendlich
die Ausdauer der Schülerinnen und Schüler
zu erleben. Und nicht umsonst treten mehrere Schülerinnen und Schüler wiederholt
an....
Drücken wir ihnen beim nächsten Wettbewerb die Daumen.
Hockey-Saison 2013
StR Holger Gebauer
Großen Erfolg und noch mehr Freude bescherte die diesjährige Hockeysaison den
Teilnehmern der Hockey-AG unserer Schule. Nach den Titeln auf Stadt- und Bezirksebene wurde es für die Jungen und Mädchen
der Wettkampfklasse III bei den Westfalenmeisterschaften im Feldhockey dann so
richtig spannend. Die Mädchen mussten sich
hier erst im finalen Duell dem Gymnasium
Dionysianum aus Rheine geschlagen geben
und haben prompt daraufhin sofort die Suche nach Verstärkungen angekündigt. Für
die Jungen verlief das Turnier noch erfolgreicher. Dank engagierten und geschlossenen Mannschaftsleistungen sowie großem
Einsatz setzte sich das von Abiturient MaxPhilip Wochner hervorragend gecoachte
Team in allen Partien durch und löste sensationell das Ticket für das Landesfinale in
Mönchengladbach. Damit bekam eine lediglich zur Hälfte aus Vereinsspielern bestehende AG-Mannschaft die Möglichkeit,
sich in der vielleicht größten Hockeyregion
Deutschlands mit NRW-Auswahlspielern
und Jugend-Nationalspielern zu messen.
Und gerade dieses Turnier wird in der Erinnerung Bestand haben, bot es doch tolle
Rahmenbedingungen, blieb nicht ohne eigenen Torerfolg und sorgte für viele neue
Erkenntnisse.
Damit stellte es auch einen gebührenden Abschluss des dreijährigen intensiven und pro-
fessionellen Einsatzes der Abiturienten MaxPhilip Wochner und Christian Mattiat dar, der
sicherlich für viele Schülerinnen und Schüler
ein echter Glücksfall war. Auch an dieser
Stelle noch einmal mein ausdrücklicher Dank
dafür! Doch auch die Zukunft ist schon eingeleitet. So wurde der Stab im Verlauf des Jahres an Paul-Frederik Wochner und Christian
Hogenkamp weitergegeben, zwei Schüler die
ihre Qualitäten bereits diesen Sommer bei der
Durchführung des jährlichen Hockey-Ferienkurses eingebracht haben.
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Streitschlichtung am Rats’
StR’ Brunhild Hilf
Seit vielen Jahren werden in der Mittelstufe am Ratsgymnasium Streitschlichter ausgebildet, die anschließend für ein Schuljahr
zur Verfügung stehen, um Schüler zu unterstützen, die Streitigkeiten beilegen wollen.
Lehrer, die in ihren Klassen Zwistigkeiten
beobachten, machen die Beteiligten darauf
aufmerksam, dass es diese quasi-professionelle Friedenshilfe gibt.
Die Voraussetzung für eine echte Versöhnung ist also die Freiwilligkeit des Verfahrens.
Das Regelwerk der Streitschlichtung sieht u.
a. vor, dass die Schlichter allparteilich sind
und zusammen mit den Streitern eine für
beide Seiten akzeptable Lösung anstreben.
Welche Eigenschaften und Fähigkeiten
müssen solche jugendlichen Mediatoren
mitbringen, um als Friedensrichter für jüngere oder gleichaltrige SchülerInnen tätig
sein zu können?
Ihre herausgehobene Rolle innerhalb der
Schülerschaft können sie nur spielen, wenn
sie von einer Position der Selbstreflexion
und Selbstsicherheit aus in der Lage sind,
Vertrauen zu ihren MitschülerInnen aufzubauen, sie ernst zu nehmen und Empathie für
sie zu entwickeln.
Sie müssen die aktuelle Konfliktsituation
erkennen, analysieren, mögliche latente
Hintergründe erahnen und einbeziehen und
verstehen, wann eine Lösung geeignet ist,
akzeptabel zu sein für jeden, ohne dass eine/r
der Beteiligten dabei sein Gesicht verliert.
Es geht also um weitaus mehr als um das
versierte Spiel auf der Klaviatur der Mediationsregularien, dass alle Unterstufenschüler irgendwann einmal kennen gelernt
haben.
Seit einigen Jahren ist es Andreas Luckey,
studierter Pädagoge, Psychologe und Philosoph, zudem ausgebildet in klassischer
Pantomime und Körpersprache durch Samuel Molcho, der – gern unter dem Dach
der Franziskaner in Wiedenbrück – ihre
Vorbereitung gestaltet. Dabei spielt die
konkrete Strategie der Streitschlichtung nur
eine nachgeordnete Rolle. Im Vordergrund
stehen Erlebnisse der Selbst- und Fremdwahrnehmung hinsichtlich von Emotionen,
Motiven und Interessen, Mutproben, die
objektiv gefährlich und nur zu bestehen sind
bei größtem Ernst aller Teilnehmer, Vertrauen in die Verlässlichkeit der Mitspieler und
deren absolute Solidarität und Übungen der
Teamarbeit zur kooperativen und kreativen
Konfliktlösung. Den abschließenden Höhepunkt des Ausbildungsseminars bildet eine
Simulation, in der die Schüler(innen) die
schmerzhafte Erfahrung machen, dass sie
existentieller Grundlagen ihres Selbst- und
Weltverständnisses beraubt werden: Was
bleibt in der Situation äußerster Gefahr?
Worauf kommt es an im Leben? Gestalten
wir unser Leben in diesem Bewusstsein?
Jede/r Teilnehmer/in muss sich diesen Fragen stellen. Wenn die Schüler(innen) aus
diesen Tagen wieder nach Hause kommen,
sind sie nicht mehr dieselben.
Damit im Alltag des darauffolgenden Schuljahres, in dem die jungen Streitschlichter „im
Amt“ sind, diese Kompetenzen nicht in Vergessenheit geraten, ist im Schuljahr 2012/13
zum ersten Mal ein Begleitprogramm erprobt worden, das insgesamt erfolgreich war
und daher 2013/14 nur wenig modifiziert
fortgeführt werden wird. In monatlichen
Treffen besuchen wir gemeinsam Personen
und Institutionen, die im weitesten Sinne mit
Konfliktverarbeitung zu tun haben:
–
Professionelle Unterstützung bieten uns
die Mediatoren und Mediatorenausbilder
Mechthild und Axel Stockmeier, die uns
nebenbei auch den lebenspraktischen Wert
der Methode der gewaltfreien Kommunikation vor Augen führen, die jeder Mediation zugrunde liegt.
–
Vertiefung der Empathiefähigkeit erfahren wir bei einer erfahrenen Kinder- und
Jugendpsychotherapeutin, beim Verein
„Sterntaler“, der Kindern und Jugendlichen Trauerbegleitung bei Sterbefällen im
Familienkreis anbietet, und bei „unserem“
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Polizisten, der von Situationen häuslicher
Gewalt und Not und deren Deeskalation
berichtet.
– Erfahrungen und Strategien im Umgang
mit eigener und fremder Aggressivität
erleben wir beim Besuch der Schulpsychologischen Beratungsstelle und in einer
Malwerkstatt.
Dieser Beitrag soll den hohen pädagogischen Wert der Streitschlichtung zeigen,
die – so sie diese Chance erhält! – in ihrer
Ausstrahlung in die Schülerschaft eine unschätzbare Bereicherung für das Innenleben
der Schulgemeinschaft bedeutet.
Wir Lehrer sollten uns bei Streitigkeiten
unserer Schüler(innen) häufiger zurücknehmen und die Chancen einer Unterstützung
durch unsere kompetenten jungen Mediatoren nutzen.
Beitrag zum Schulwettbewerb „Eucharistischer Kongress 2013“
StD’ Romy Tenge
Unter dem Motto „Wenn nicht jetzt, wann
dann. Eucharistie – Aufbruch zum Leben“
waren die Schülerinnen und Schüler eingeladen, sich mit der Emmausgeschichte
(LvK. 24, 13 – 35) zu beschäftigen.
Hier sollten sie Anregung finden, das Thema Eucharistie in seiner Bedeutung für das
eigene Leben und für den Glauben zu bedenken und in verschiedenen Kunstformen
auszudrücken.
Musik, Kunst, Medien, Literatur.... die
Schüler/innen des Grundkurses Katholische
Religionslehre wählten verschiedene Zugänge.
Julia Furmanczyk drückte ihre Gedanken in einem Gedicht aus:
Emmaus
Finsternis
das Ende unbekannt
das heilige Licht scheint
für immer verloschen
Die Tränen der klagenden Frauen
versiegen im Sand
Ein Windhauch streift
die vergrämten Gesichter
der Odem
der Glaube
die vollkommene Liebe
Seeligkeit
erfüllt das Licht
die Luft
die Erde erblüht
vor Fruchtbarkeit
Ein Fremder
Zwei Wanderer
Die Nachricht
aufbrausend,
nachdenklich stimmend
Worte,
in Zuversicht gesprochen,
von einer Stimme
wohlbekannt,
decken auf,
was verborgen und
verschwunden galt
Funken,
hoffnungsvoll
im brennenden Herzen,
schweben in Anmut
durch
den Himmel,
bei Anbruch der Nacht
Und wo sie
sich niederlassen
bleiben Spuren
weitergetragen
von dem Glauben,
schützend
eingerahmt von
Gottes Plan
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Lernferien Ostern 2013 – Begabungen fördern
Tarik Wörmann, Q1
In der ersten Woche der Osterferien, vom
25.03. bis zum 29.03., bin ich in die Lernferien nach Hückeswagen, nahe Remscheid,
gefahren. Als Veranstaltungsort hatte das
Schulministerium des Landes NRW dort eine
Jugendbegegnungsstätte ausgesucht. Meine
Stufenleiterin hatte mich für die Lernferien
vorgeschlagen und mit mir das Anmeldeformular ausgefüllt.
Im Lernkurs waren wir insgesamt 21 Schüler der Jahrgangsstufe 11/Q1 an Gymnasien
bzw. der Jahrgangsstufe 12 an Gesamtschulen aus ganz NRW. Eine Kursteilnehmerin
musste sich am ersten Tag aus privaten Gründen wieder verabschieden. So verblieben
20 Teilnehmer, 15 Mädchen und 5 Jungen.
Die Unterbringung erfolgte überwiegend in
2-3-Bettzimmern. Wir wuchsen schnell zu
einer lockeren und freundschaftlichen Lerngemeinschaft zusammen.
Das Thema der Woche lautete „Ich bin die
Zukunft: Begabung und soziale Verantwortung in der Gesellschaft“. Zu diesem Thema
haben wir Vorträge von diversen Referenten
gehört, zum Beispiel zum Thema humanitäre Hilfe. Dazu referierte eine Sozialwissenschaftlerin, die einige Jahre in Thailand und
anderen ostasiatischen Ländern verbracht
hat. Aufgrund ihrer Erfahrungen dort ist sie
einer Organisation beigetreten, die humanitäre Hilfe in Krisengebieten leistet, nicht
nur nach einer Katastrophe, sondern auch
zur Vorbeugung von Kriegen und anderen
Konflikten. Da die Referentin ihre Arbeit
und die Zustände in den Ländern anschaulich
geschildert hat, waren wir von dem Vortrag
so sehr beeindruckt, dass wir sogar während
des Mittagessens und in der anschließenden
kurzen Pause darüber weiterdiskutierten.
Auch das Thema Nachhaltigkeit spielte
in der Woche eine große Rolle. Wir haben
uns dem Thema genähert, indem wir zum
Einstieg ein kurzes Video gesehen haben,
das uns die Auswirkungen des fahrlässigen
Wegwerf-Verhaltens verdeutlichte. Danach
war es unsere Aufgabe, Plakate zum Thema
Nachhaltigkeit zu entwerfen. Als Hilfe diente
uns ein wissenschaftlich gehaltener Bericht
zur Nachhaltigkeit. Zum Abschluss sollten
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wir in einer Art Selbstreflexion unser persönliches Bewusstsein in Sachen Nachhaltigkeit
herausfinden.
Im Anschluss an diesen Workshop referierte ein Mitarbeiter von Bayer Crop Science,
einem Unternehmen der Bayerwerke, aus
einer ganz anderen Perspektive, nämlich der
eines Chemiekonzerns, das Thema Nachhaltigkeit. Für ihn bedeutete Nachhaltigkeit, anhand von neuen Pflanzenschutzmitteln und
Erfolgen in der landwirtschaftlichen Gentechnik Wege zu finden, eine stetig steigende
Weltbevölkerung auf der heute vorhandenen
landwirtschaftlichen Nutzfläche ausreichend
zu ernähren, also vorhandene Ressourcen
besser zu nutzen. Bei einigen Schülern stieß
er damit jedoch auf Widerstand, vor allem
wegen der Gefahren in der Gentechnologie.
Er konnte sich dem aber mit aussagekräftigen Argumenten widersetzen.
Zum Abschluss der Woche war eine Berufsberatung angesetzt, die allerdings nicht,
wie man erwarten würde, von den Mitarbeitern, sondern von den Teilnehmern selbst in
Kleingruppen durchgeführt wurde. Dazu hat
jeder sein persönliches Profil erstellt, vom
Kindergarten bis zur Gegenwart, das dann
in der Gruppe vorgestellt wurde. Aus den
genannten Eigenschaften schlussfolgerten
die Gruppenteilnehmer mögliche, individuell geeignete Berufe. Daraus resultierten
volle Mindmaps, die jedem Teilnehmer
entweder neue Berufsvorschläge lieferten
oder ihn in der eigenen Berufsvorstellung
bestätigten.
Unter Lernferien hatte ich mir ursprünglich
Methodentraining und Hilfen vorgestellt, die
mir nützen sollten, schulisches Lernen in der
Oberstufe und darüber hinaus effizienter zu
gestalten. Meine Erwartungen wurden in dieser Woche auf andere Art dennoch übertroffen. Die Lernatmosphäre in den Workshops
und Diskussionsrunden war entspannter und
lockerer, als es im Alltag der Schule mit seiner Stofffülle möglich ist. Ich habe in dieser
Woche oft Gelegenheit gehabt, meine Gedanken zu den Themen einzubringen. Diese
Art des Lernens in der Gruppe war für mich
hilfreich und (ent-)spannend.
Erfolgreiche Teilnahme beim Regionalwettbewerb –
„Jugend debattiert“
Maurice Schürmann (Jahrgang 10) in der Finaldebatte!
StD’ Romy Tenge
Romy Tenge und
Dr. Egon Gindele
mit dem Debattierclub des
Ratsgymnasiums vor der
Bezirksregierung Detmold.
Acht Schüler/innen des Ratsgymnasiums
nahmen am 20.02.2013 am Regionalwettbewerb „Jugend debattiert“ teil, der in den
Räumen der Bezirksregierung Detmold
stattfand. Insgesamt haben sich 84 Schüler
unterschiedlicher Schulen aus OWL am Regionalwettbewerb beteiligt.
Erfolgreich diskutierten die Schüler(innen)
der Sekundarstufe I und der Sekundarstufe
II Bereich zu interessanten Themen:
Altersgruppe I ( Klassen 8-9)
1.Sollen Jugendliche erst ab 16 Jahren Mobiltelefone besitzen und benutzen dürfen?
2.Soll der Betrieb von PKW, die auf 100
km über 10 Liter Kraftstoff verbrauchen,
verboten werden?
3.Sollen in der Schule Dialekte stärker gepflegt werden?
Altersgruppe II (Jahrgangsstufen 10-12)
Sollen Plastiktragetüten verboten wer1.
den?
2.
Sollen Sportler, die in einer deutschen
Nationalmannschaft antreten, bei Sportveranstaltungen verpflichtet sein, die
Nationalhymne laut und deutlich mitzusingen?
3.Sollen in unserer Stadt Straßen, die nach
politisch umstrittenen Personen der Zeitgeschichte benannt sind, umbenannt
werden?
Maurice Schürmann aus dem Jahrgang 10
gelang sogar die Teilnahme an der Finaldebatte! Herzlichen Glückwunsch!
S e it S chuljahresbeginn
trifft sich regelmäßig eine Gruppe
von Schülerinnen und
Schülern unter der Leitung von Frau Tenge und Herrn Dr. Gindele,
um ihre Talente und Kompetenzen in den
Bereichen Sprache, Rhetorik und Argumentation zu entwickeln und weiter auszubauen.
Nach verbindlich festgelegten Regeln setzen
sich die Schüler/innen mit unterschiedlichen
Themen auseinander und trainieren in einem
fairen Wettstreit Sachkenntnis, Ausdrucksvermögen, Gesprächsfähigkeit und Überzeugungskraft. Der Debattierclub wird von
der Familie-Osthushenrich-Stiftung gefördert und auch finanziell unterstützt.
„Jugend debattiert“ ist ein Projekt der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung auf Initiative
und unter der Schirmherrschaft des Bundespräsifenten, unterstützt von Kooperationspartnern, wie z. B. die Heinz-NixdorfStiftung, die Kultusministerkonferenz und
die Kultusministerien der Länder. Es handelt
sich um den größten bundesweiten Schülerwettbewerb zur sprachlich-politischen Bildung.
Über neue Debattantinnen und Debattanten
freut sich der Debattierclub!
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Essays: Denk- und Ausdrucksexperimente
OStR Dr. Wolfgang Schröder, Abi ’67
„Man wittert eine bestimmte Wahrheit,
aber hat sie noch nicht, man umkreist sie in
immer wieder ansetzenden Schlussketten,
anschaulichen Wendungen und vielleicht
ausschweifenden Reflexionen, um Lücken,
Konturen, Kerne, Sachverhalte zu entdecken.“ So umschreibt der Kunstphilosoph
Max Bense die komplexen Impulse zum
Schreiben von Essays. Er zählt diese ebenso tastenden wie oft „ausschweifenden“
Texte zur „experimentellen Literatur“. Die
erhebliche Freiheit der essayistischen Prosa
bedeutet Versuch und Wagnis, aber nicht
selten auch Verirrung und Scheitern. Selbst
für den professionellen Essayisten gibt es
keine Patentrezepte. Und wer hier nach einem Standard fragt, muss sich die verbreitete Gleichsetzung dieses Begriffs mit dem
Mittelmaß schleunigst abgewöhnen. So ist
es bemerkenswert und durchaus ein bisschen
erstaunlich, dass ausgerechnet im Zeitalter
der Bildungsstandards die wesentlich undefinierbaren Essays, diese unabgesicherten,
netzlosen Übungen zur Gedankenkür an Beliebtheit gewinnen.
Trotz des durch viele Kompetenzmodelle
und Kontrollmodule sich ziehenden Niedergangs der verbalen Ansprüche – der
schleichende Prozess geschieht bei häufiger
Verwechslung von Mündigkeit und Mündlichkeit – und im lichtenden Widerspruch zu
gewissen Diagnosen der Geistesferne wird
von Bedachtsamen die bleibende Potenz
der Sprache, des Ausdrucks und der Schrift
wahrgenommen. Hier scheint eine Chance
zur Wiederbelebung der Nachdenklichkeit
und der Kultur des Formulierens zu dämmern. In der Welt sprachlicher Setzungen
tritt dabei das Interesse am Datengemenge
zurück, um der Lust am möglichst konturscharfen Schreiben den ihr gebührenden
Raum zu geben.
Der Dichter und Literaturwissenschaftler
Michael Hamburger hat dies auf die professionelle Essayistik bezogen, indem er, den
inflationären Informationsbegriff in Frage
stellend, in einem „Essay über den Essay“
74
schrieb: „Seit Montaigne ist der Essay höchst
individualistisch, setzt aber zugleich eine
Gesellschaft voraus, die den Individualismus nicht nur duldet, sondern auch genießt –
eine Gesellschaft, die Zeit hat, zudem genug
Bildung, um auf Information zu verzichten.“
Die Technologie der Datenverarbeitung bezweckt die Speicherung, Zuordnung, Abrufbarkeit und leichte Wiederverwendung registrierbaren Wissens. Erkenntnis und Einsicht verdanken sich jedoch der Vertiefung,
der Essentialisierung und insbesondere der
vernunftgeleiteten Verarbeitung von Gründen und Argumenten. Erkenntnisse haben
und Einsicht nehmen auch Geheimdienste,
und zwar in sturer Entschlossenheit. Die
Suche nach dem Einleuchtenden und geistig
Bereichernden aber fragt, wo der Witz ist.
Die Essayistik bezweckt Datenverarbeitung
mit Esprit.
Für das vorliegende Heft wurden wieder
Beispiele aus der im Unterrichtsalltag an unserer Schule gepflegten Schüler-Essayistik
ausgewählt. Den Anfang macht ein schöner
Aufsatz von Julia Stögbauer über den Sinn
und das Erleben von Lyrik. Der Aufsatz
entstand im Leistungskurs Deutsch (OStR
H. Tiemeyer). Auch der Text über Bertolt
Brecht ist von Julia Stögbauer. Der Beitrag
von Jan Beutler stellt das Resultat einer ganz
„normalen“ Hausaufgabe dar. Laura Herde
und Maximilian Günnewig-Mönert wurden
schon 2011 für ihre erfolgreiche Teilnahme
am Bundes- und Landeswettbewerb Philosophischer Essay ausgezeichnet. Das Lob mit
Urkunde wurde ihnen vom Landesbeauftragten Dr. Gerd Gerhardt verliehen. Beide
Wettbewerbsteilnehmer diskutieren in ihren
Essays einen Ausspruch von Oscar Wilde,
den der Philosoph und Schriftsteller Ulrich
Horstmann, ein Virtuose gegenwärtiger Unheilswahrnehmung, zur Bearbeitung vorgeschlagen hatte: „Die Grundlage des Optimismus ist die nackte Angst.“
Der Aufsatz von Maximilian Hülshoff über
die sprachliche Kommunikation in der heutigen Zeit entstand als Beitrag zum landes-
weiten Schülerwettbewerb „Deutsch: Essay“. Der Text wurde mit Lob seitens der
Landesbehörde bedacht. Der Beitrag über
Sprache und Sprachkritik von Annina Macht
entstand als Abschlussaufgabe einer Unterrichtsreihe im OI-Grundkurs Deutsch. Lennart Stadtmann macht sich Gedanken über
Thomas Manns These, der Schriftsteller sei
ein Mann, „dem das Schreiben schwerer fällt
als allen anderen Leuten.“ Lennart thematisiert dabei das Problem der Sprachverantwortlichkeit aller Sprachteilnehmer, womit
er unausdrücklich zugleich auf die zentrale
Aufgabe des Essayschreibens an der Schule
verweist.
Für ihre Essays beim Philosophie-Wettbewerb wurden im letzten Jahr wieder zwei
Schüler unserer Schule mit Urkunden gelobt: Pascal Féaux de Lacroix (Q2) für seine
Gedanken über die Alternative „Psychoanalyse oder Neurowissenschaft“, Tim Kerkmann (Q1) für seinen Aufsatz „Von Wölfen
und Lämmern“.
Ob Wettbewerbsbeitrag oder Hausaufgabe zwischen zwei Unterrichtsstunden, ob
selbstgewählte Fragestellung oder zusammenfassende und weiterführende Reflexion
am Ende einer Reihe – die Verarbeitung
eines Themas in sprachlich angemessener
Form setzt das Bemühen um Wortwahl,
Satzbau und Textgestaltung voraus. Allen
Beiträgern, die ihre individuellen Deutschund Philo-Texte zur Verfügung stellten, sei
herzlich gedankt.
Essay: Wozu Lyrik?!
Julia Stögbauer, OI
Der folgende Aufsatz von Julia Stögbauer (Foto) über ihre persönliche Lyrikrezeption entstand als Abschlussaufgabe einer Gedichtreihe im Leistungskurs Deutsch OI bei Herrn OStR Hermann
Tiemeyer.
Steht in der Oberstufe das Thema „Lyrik“ auf abgeheftet wurdem Lehrplan, stöhnen die meisten Schüler den. Als Gedichnur gelangweilt auf. Wissen sie doch genau, te einfach nur da
was ihnen nun bevorsteht: formale und in- waren.
haltliche Analysen, epochale Zuordnungen,
Ich bin überzeugt davon, dass fast jeder von
ellenlange Vergleiche. Für die nächsten Wouns diesen Moment einmal erlebt hat: den
chen sehen sie sich konfrontiert mit Jamben
Moment, in dem ein Gedichte einfach nur da
und Kreuzreimen, Sonetten und Gedankenwar, nichts verlangt und nach nichts gefragt
lyrik, Barock und Empfindsamkeit. Längst
hat, aus sich selbst heraus existierte und sich
nicht mehr erinnern sie sich daran, was Lyrik
aus sich selbst heraus erklärte. In meinem
vielleicht einmal für sie bedeutete, als man
Moment war ich gerade siebzehn Jahre alt
noch nicht von ihnen verlangte, aus einem
geworden, es war mein Geburtstag. Mein daunreinen Versmaß auf die Erschütterung der
maliger Freund hatte mir abends zuvor einen
Menschen unter dem Eindruck des Dreißigriesigen Pappkarton vor die Tür gestellt, in
jährigen Kriegs zu schließen. Als Gedichte
welchem sich unter einer Menge Zeitungsnoch nicht den schalen Beigeschmack der
papier ein Mp3-Player befand. Mein Freund
trockenen Theorie hatten, sondern einfach
hatte mir für den gesamten Schultag kleine,
nur da waren, um gelesen und erfahren zu
persönliche Nachrichten aufgesprochen.
werden, individuell und subjektiv. Als der
Eindruck und die Deutung noch nicht vom Die letzte, wichtigste von allen, war ein GeSchulministerium in einem strengen Erwar- dicht. Nein, es war nicht nur ein Gedicht, es
tungshorizont festgelegt, standardisiert und war DAS Gedicht.
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Es war das Gedicht, in meinem ganz eigenen
Moment, das einfach nur da war.
Für mich:
Aber
Zuerst habe ich mich verliebt
in den Glanz deiner Augen
in dein Lachen
in deine Lebensfreude
Jetzt liebe ich auch dein Weinen
und deine Lebensangst
und die Hilflosigkeit
in deinen Augen
Aber gegen die Angst
will ich dir helfen
denn meine Lebensfreude
ist noch immer der Glanz deiner Augen
(Erich Fried)
Nachdem er es zu Ende gesprochen hatte,
sagte mein Freund auf dem Band lange Zeit
nichts. Und dann, nach einer kaum auszuhaltenden, scheinbar endlosen Stille, schließlich: „Ich liebe Dich.“
Dieses Gedicht hat es vermocht, etwas in
mir auszulösen, was ich noch bis heute, Jahre danach, wieder hervorholen kann wie eine
Schatzkiste, die man in sich trägt und jeder
Zeit öffnen kann. Ich habe mich wiedergefunden in diesem Gedicht, ich habe mich
verstanden und aufgehoben gefühlt und tue
es noch heute. Dies hätte kein Prosatext
vermocht: das Zusammenspiel von bedacht
ausgewählten und miteinander kommunizierenden Worten, geschickt angeordnet in drei
einfachen Versen, eingebettet in den wohligen Klang der Sprache. Die, um es mit den
vom Schulministerium verlangten Fachtermini zu sagen, bewusste Desemantisierung
der optischen und formalen Ebene zu Gunsten der Semantisierung der inhaltlichen Ebene; die Kombination aus Anaphern, Repetitionen und Antithesen, welche auf subtile
Weise die Thematik verdeutlichen und dem
Gedicht und seiner Aussage Kraft, etwas Beständiges, vielleicht Ewiges verleihen.
Als ich das Gedicht das erste Mal hörte, habe ich nicht an Semantisierung oder Alliterationen gedacht, und das musste ich auch
gar nicht: ich habe ihre Wirkung gespürt
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und damit die ganz persönliche Botschaft
des Gedichtes an mich verstanden. Und so
wurde aus einem Gedicht das Gedicht, mein
Gedicht.
Sicherlich gibt es viele eher rational fundierte Antworten auf die Frage „Wozu Lyrik?!“
wie: „Lyrische Werke sind Zeitzeugen, weil
sie die literarischen, historischen und soziokulturellen Strömungen der Zeit aufnehmen
und widerspiegeln“ – oder: „Die Analyse der
Lyrik, sei es konkrete Poesie oder ein Gedicht, schult die analytische Fähigkeit des
Lesers, welcher die Überstrukturiertheit des
Werkes erkennen und deuten lernt.“ Und mit
Sicherheit sprechen diese Argumente wichtige Aspekte der Lyrik an, welche bei einer
ganzheitlichen Betrachtung nicht vernachlässigt werden dürfen.
Doch für mich liegt der Hauptgrund, der
Sinn, die Rechtfertigung der Existenz der
Lyrik in ihrer Existenz selbst. In ihrer
Existenz, die darauf wartet, von jemandem
entdeckt und erkannt zu werden, nicht nur
optisch, akustisch und semantisch, sondern
emotional, mit dem Herzen. Lyrik vermag
es, die Menschen zu bewegen, ohne dass sie
sogleich wissen, wodurch. Es sind vielleicht
keine detaillierten Charakterisierungen oder
haarscharfen Beschreibungen und Argumentationen, wie wir sie aus Prosawerken
kennen.
Es ist die Magie des lyrischen Werks an
sich, welche es vermag, den Leser zu berühren. Sicherlich bildet die Überstrukturiertheit ebenso wie der formale Aufbau
eine Grundlage dafür, dass dieser magische
Prozess zunächst in Gang kommt. Doch es
ist letztlich mehr als das, es ist der Dialog
zwischen Leser und Gedicht, ein Geben und
Nehmen von Eindrücken, Assoziationen und
Gedanken, welcher nicht nur rational erklärt,
sondern auch emotional empfunden werden
kann. Diese Magie macht Lyrik besonders,
geheimnisvoll und unabdingbar im Leben
eines Menschen, der bereit ist, sich fallen zu
lassen, ohne zu hinterfragen, um sich selbst
zu finden.
Es gab da mal einen schlauen Fuchs, der zu
einem kleine Prinzen sagte: „Man sieht nur
mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für
die Augen unsichtbar.“
Essay:
Galileo Galilei, ein Held fürs Drama – aber kein Dramenheld?!
Julia Stögbauer, OI
Der folgende Aufsatz von Julia Stögbauer
über Bertolt Brechts Bild des Galileo Galilei entstand als Abschlussaufgabe einer Unterrichtsreihe zu Brechts Theaterstück und
seiner besonderen Dramaturgie im Leistungskurs Deutsch OI bei Herrn OStR
Hermann Tiemeyer.
„Woyzeck ist sehr wohl ein Held fürs
Drama. Woyzeck darf nie ein Dramenheld
werden. Das ist klar.“
Die freie Enzyklopädie Wikipedia definiert: „Ein Held (griechisch ἥρως hḗrōs,
althochdeutsch helido) ist eine Person mit
besonders herausragenden Fähigkeiten oder
Eigenschaften, die sie zu besonders hervorragenden Leistungen, sog. Heldentaten,
treiben. Dabei kann es sich um reale oder
fiktive Personen handeln, also um Gestalten
der Geschichte, aber auch der Legende oder
Sage. Die Taten des Helden können ihm entsprechenden Heldenruhm bescheren. Seine
heldischen (auch heldenhaften oder heroischen) Fähigkeiten können von körperlicher
Art (Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer etc.)
oder auch geistiger Natur sein (Mut, Aufopferungsbereitschaft, Einsatzbereitschaft für
Ideale oder Mitmenschen). Helden stehen
meist in einem Gegensatz zum Schurken
oder Feigling (Neiding).“
Vergleicht man diese Definition eines Helden mit dem Galilei, wie er sich in der 14.
Szene von Brechts epischem Theaterstück
„Leben des Galilei“ präsentiert, erfährt man
vor allem eines: Desillusionierung. Da sitzt
er, der kranke und mittlerweile halbblinde
Astronom, und lässt sich von seiner Tochter Virginia mit fetter Gans bedienen – ein
entmündigter Greis, ein demoralisierter alter
Mann, der sich einst Wissenschaftler nennen
durfte. Nichts ist übrig geblieben von seinem
revolutionären Geist, seiner Leidenschaft,
seinem einst unerschütterlichen Ehrgeiz. Er
scheint sich seinem Schicksal gefügt zu haben, anstatt ihm zu trotzen, um sich fallen
zu lassen in den Schoß der von ihm stets so
verhassten Kirche, um seinem größten Laster zu frönen: dem Genuss. Hier ist nicht
etwa die Rede vom Genuss der Forschung
oder der intellektuellen Erkenntnisse, nein,
es geht um Wein und viel, viel gutes Essen.
Ganz banal.
Es stimmt, Galilei ist kein Dramenheld. Da
ist keine Stringenz und Konsequenz in seinem Handeln, da ist Ambivalenz und Diskontinuität und zwar von der ersten Szene
an. Galilei kämpft nicht mit der Unerschütterlichkeit einer Iphigenie und ist auch nicht
bereit, für seine Ideale zu sterben wie eine
Antigone. Das Tragische hierbei: Galilei
hat zwar eine Überzeugung, und nicht nur
irgendeine, sondern die Überzeugung von einer besseren Welt, die Idee von einer Revolution zugunsten der gesamten Menschheit
– doch er verfügt nicht über die nötige charakterliche Stärke, für all dies einzustehen.
„Ich habe widerrufen, weil ich den körperlichen Schmerz fürchtete“, gesteht er selbst
ein, als sein ehemaliger Schüler Andrea
ihm in seiner Verzweiflung noch taktische
Klugheit attestieren möchte. Nein, Galilei
hat nicht widerrufen, um im Stillen weiterschreiben zu können, weil er sich darüber im
Klaren war, dass dies der einzige Weg sein
würde, seine Forschungen fortzusetzen. Es
war kein ausgeklügelter Plan, kein eiskaltes Kalkül, was ihn dazu gebracht hat, seine
gesamte wissenschaftliche Arbeit vor aller
Welt öffentlich zunichte zu machen. Es war
Todesangst. Schlichte Todesfurcht, von Andrea zur „menschlichen Schwäche“ erklärt.
Spätestens hier steht also fest: Galilei ist ein
Feigling – „Helden stehen meist in einem
Gegensatz zum Schurken oder Feigling.“
Und doch kann dieses niederschmetternde
Urteil, diese universale Kritik nicht alles gewesen sein, was von Galilei bleibt. Es bleibt
(Alfred Kerr in einer Rezension aus dem Berliner
Tageblatt vom 6. April 1921 über „Woyzeck“ von
Georg Büchner)
77
tatsächlich ganz schön viel von diesem charakterlich so schwachen, feigen Genussmenschen: ein Drama, das es in sich hat. Das
nicht einlädt, die Füße hochzulegen und
abzuschalten, weil man „ja eh weiß, wie’s
ausgehen wird“: denn der Standard-Held
setzt seine Ideale entweder durch oder geht
für sie in den Tod. Das Drama um, oder besser gesagt, das Drama durch Galilei ist ein
ganz anderes: Man weiß nie, was kommt,
was Galilei tut, wie er sich entscheidet. „Die
epische Form des Theaters – sie macht ihn
(den Zuschauer) zum Betrachter, aber weckt
seine Aktivität“ – so definiert Brecht selbst
die von ihm entwickelte neue Form des
Theaters. Und an dieser Stelle ist es die Dialektik im Charakter der Hauptfigur selbst,
welche die Aktivität des Zuschauers weckt,
ihn stets auf Spannung hält, ihm keine Ruhe
gönnt und ihn aufruft zur Wachsamkeit, zur
Reflexion, zur Aktivität.
Um Galilei und sein Handeln verstehen zu
können, ist der Zuschauer angehalten, seine
Taten immer im jeweiligen Kontext des Geschehens zu betrachten und sich immer wieder auf neue Perspektiven und Facetten einzustellen. Wenn wir es überspitzt darstellen
wollten, könnten wir behaupten, dass Galilei
im Prinzip schon nach der ersten Verwarnung durch die Inquisition hätte seine Forschung einstellen können – zumindest, wenn
er konsequent wäre, in seiner Genusssucht
und Feigheit. Doch noch nicht einmal das
ist sicher, noch nicht einmal auf Galileis
menschliche Schwäche kann man sich verlassen: er schweigt lediglich acht Jahre, dann
kommt ein neuer Papst auf den Thron und
schon beginnt er erneut, sich der kopernikanischen Lehre zu widmen, frei nach Konrad
Adenauer: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“
Da ist also ganz schön was los, nicht nur im
Drama selbst, sondern auch im Zuschauerraum, denn immer wieder fragt man sich:
„Warum hat er das getan?“ – „Wieso tut er
nun dies wieder?“ – „Hat er nicht noch in
der letzten Szene etwas ganz anderes behauptet?“ Und genau das, diese Aktivität
im Drama und außerhalb des Dramas, wäre
schlichtweg nicht vorhanden, wenn da nicht
Galilei wäre, dieser kleine, unberechenbare,
ziemlich gewitzte Feigling, der nicht einmal
in seiner Feigheit konsequent sein kann. Er
ist ein Held fürs Drama, eben weil er kein
typischer Dramenheld ist, eben weil er inkonsequent, schwach und vollkommen ambivalent in seinen Handlungen ist. Weil er
nicht nach Schema F seine Idee verteidigt,
unerbittlich bis zur Durchsetzung oder zum
Märtyrertod, sondern weil er schwankt und
weil er fällt – weil er Mensch ist.
Nein, Galilei ist kein typischer Dramenheld,
aber er ist ein Held fürs Drama: weil er das
Drama macht.
Essay: Vieh und Vernünftigkeit
Jan Beutler, Q1
Die hier abgedruckte Hausaufgabe verfasste Jan Beutler eines Nachmittags im ersten
Halbjahr der Stufe Q1. Im Grundkurs –
Fachlehrer: Dr. W. Schröder – wurde Büchners „Woyzeck“ besprochen. Der Text der
Hausaufgabe ist kurz und bringt die Sache
auf den Punkt.
„Zeig deine viehische Vernünftigkeit! Beschäme die menschliche Societät!“ – Mit
diesem Satz im Stück „Woyzeck“ widerruft
Georg Büchner die gesamte Aufklärung mit
all ihren Erkenntnissen und Errungenschaften. Nachdem Kant den Wahlspruch aufge-
78
stellt hat: „Habe Mut, dich deines eigenen
Verstandes zu bedienen!“ und die Menschen
in Frankreich mit Gewalt ihren neuen Ansichten Ausdruck verliehen haben, macht
Büchner all dies in einer kleinen Textpassage
zunichte. Das Vieh, welches dem Menschen
seit jeher untergeben war, soll nun Verstand
besitzen? Ja sogar mehr als der Mensch? Daraus muss man folgern: Der Mensch kann
sich gar nicht seines eigenen Verstandes bedienen, denn er besitzt gar keinen. Dagegen
das Vieh! Die Rollen werden vertauscht, die
Menschen in ihren Grundfesten erschüttert.
Das wirkt beschämend. Seit Adam und Eva
wissen wir, dass die ersten Menschen auch
nicht ihren Verstand benutzt haben. Und warum dann ausgerechnet jetzt?
Die Aufklärung ist kein Schalter, den man
umlegen muss, damit einem das Licht aufbzw. angeht. Aufklärung ist vielmehr ein
Prozess, der ins Rollen gebracht wurde und
der bei Menschen unterschiedlich lange
stattfindet. Intellektuelle, so die weit verbreitete Meinung, seien aufgeklärt, und somit abgegrenzt von den anderen „einfachen“
Bürgern. Aber Büchner zählt das Vieh sogar
zu den Professoren an den Universitäten und
macht damit die These von der aufgeklärten
Vernunft, die alles besser werden lässt, lächerlich und wirkungslos.
Büchner hat mit dem Vergleich die provokanteste Art der Verdeutlichung gewählt,
dass die Menschen auch 45 Jahre nach der
von der Aufklärung beeinflussten Französischen Revolution nicht im geringsten
aufgeklärt sind, sei es als einfacher Bürger
oder als Professor. Und gerade in diesem
Punkt zeigt sich, dass Büchner ein radikal
modernes Stück geschaffen hat. Er ist keine „Marionette mit himmelblauer Nase“,
wie er einmal von den Idealisten –Schiller
zum Beispiel – gesagt hat, sondern ein illusionsloser Realist, der die Welt in seinen
Werken nicht verbessert, sondern sie – radikal – dem Leser so vorsetzt, wie Gott sie
erschaffen hat.
Ein Essay zum Thema: „The basis of optimism is sheer terror“
(Oscar Wilde)
Laura Herde, 10/EP
Der folgende Aufsatz von Laura Herde entstand als Beitrag zum Bundes- und Landeswettbewerb Philosophischer Essay.
Es ist allgemein bekannt, dass jeder Mensch
ein Gefühlsempfinden besitzt. Eines der Gefühle, mit dem es sich stark zu beschäftigen
gilt und mit dem wir uns nun näher beschäftigen wollen, ist ein wohl sehr unbeliebtes
und allseits abgestrittenes, dessen man sich
bewusst ist, auch wenn man es sich nicht
einzugestehen vermag. Das zu behandelnde
Gefühl nennt sich Angst. Die Angst ist, wie
jeder weiß, ein unangenehmes Gefühl, das
einen überkommt, wenn man sich in einer
misslichen und ungünstigen Lage befindet,
der man möglichst schnell wieder zu entfliehen versucht. Sie überkommt uns, wenn
wir sie am wenigsten benötigen, und geht
erst wieder, wenn uns durch äußere Einflüsse signalisiert wird, dass es nun an der Zeit
ist, sich zu entspannen. Selbst zuversichtliche
Menschen kennen dieses Gefühl, auch wenn
man es ihnen weniger anmerkt als anderen,
doch ist keineswegs zu behaupten, dass ihnen dieses Gefühl unbekannt ist oder sogar
erspart bliebe. Optimismus ist, im Gegensatz
zur Angst, weniger ein Gefühl als vielmehr
eine Einstellung. Positiv eingestellte Men-
schen hinterlassen bei uns den Anschein, nie
aus der Ruhe zu kommen und im allem und
jedem das Gute, das Positive zu sehen. Für
eine optimistische Lebenseinstellung, an jede sich stellende Aufgabe mit gutem Gefühl
heranzugehen und alles in ein orange-rotes
Licht zu tauchen (hierbei stehen die Farben
orange und rot für den Optimismus), wird jedoch mehr als nur ein frohes Gemüt und eine
glückliche Vergangenheit benötigt. Vielmehr
sind Gefühle, ob in der Vergangenheit oder
Gegenwart empfunden, verantwortlich für
unsere Einstellung gegenüber Situationen,
Aufgaben, Mitmenschen und natürlich uns
selbst.
Daraus lässt sich folgern, dass es eine Grundlage für den Optimismus gibt, eine Voraussetzung, die uns diese Einstellung überhaupt
erst ermöglicht. Diese Grundlage, mit der
wir uns nun näher beschäftigen wollen, ist
das oben genannte Gefühl, die Angst. Wenn
wir also Angst vor etwas haben, das mit großer Wahrscheinlichkeit in nächster Zukunft
eintreffen wird, so versuchen wir diese zu
überspielen und sie uns auf diese Weise nicht
anmerken zu lassen. Mit Optimismus, einem
Lächeln vielleicht, versuchen wir, dem künftigen Ereignis positiv gestimmt entgegen zu
blicken, und allein unser Unterbewusstsein
79
ist sich darüber „bewusst“, dass all diese
vorgetäuschten positiven Einstellungen und
Gefühle nicht echt sind. Wir jedoch halten
am Optimismus fest, brauchen ihn, sind nahezu abhängig von ihm, da wir sonst in dieser
Welt nicht überleben könnten.
Stellen wir dazu ein kleines Gedankenexperiment an: Stellen wir uns vor, wir müssten
uns in naheliegender Zukunft mit einer Situation auseinandersetzen, und allein der Gedanke daran bereitete uns Unbehagen. Wir
sind darauf vorbereitet, in einen Konflikt
verwickelt zu werden, da dieser unumgänglich scheint. Es bleibt uns jedoch schlicht
und ergreifend nichts anderes übrig, als uns
mental darauf vorzubereiten und dem Ereignis mit einem unguten, aber dennoch unterdrückten Gefühl entgegenzusehen. Da dies
aber an die Grenzen unserer psychischen
Belastbarkeit, wenn auch nur unterbewusst,
stoßen würde, versuchen wir uns anderweitig darauf einzustellen. Diese Einstellung
bezeichnen wir als Optimismus. Er hilft uns,
die Angst, die Scheu, vor der ungünstigen
Situation zu bekämpfen oder vielmehr, sich
ihr zu stellen. Denn wir beschäftigen uns
mit dem Ereignis, setzten uns auseinander,
wägen Für und Wider ab und kommen zu
dem Schluss, dass dieser Konflikt auch etwas Gutes mit sich bringen wird. Dies muss
nicht unbedingt stimmen, vielmehr ist es sogar wahrscheinlich, dass wir nur wenig Positives aus der Angelegenheit ziehen, doch
in diesem Moment zählt allein die Einstellung. Wir denken uns also in die Situation
hinein, und wenn wir Glück haben, sehen
wir etwas Gutes darin, wie zum Beispiel die
Bewältigung der Angst oder das Aus-demWeg-Räumen eines Problems, das uns schon
80
viel zu lange verfolgt. Dadurch ändert sich
unsere Grundeinstellung und wir gehen mit
einem anderen Gefühl und einer anderen
Sichtweise an das Problem heran, erkennen
eine Art Sinn, den wir ihm selbst gegeben
haben. Deshalb dient die Angst als Grundlage unserer Einstellung, sie allein beeinflusst unsere Gedankengänge und verleitet
uns dazu, ein Projekt optimistisch in Angriff
zu nehmen. Denn ohne Angst, ja sogar ohne
Zweifel, würden wir nie auf den Gedanken
kommen, etwas so zu sehen, wie es tatsächlich ist, und zwar eine Situation mit all ihren
Nachteilen.
In Anbetracht der Nachteile, die wir uns vor
Augen führen, ist es vielleicht unser Instinkt,
auch die positiven Dinge daneben zu stellen
und Pro und Kontra gegeneinander abzuwägen. Damit scheint uns der Optimismus,
ebenso wie die Angst, in die Wiege gelegt,
also angeboren. Sie gehört unabdingbar zum
menschlichen Wesen dazu. Unser Verhalten
wird demnach allein durch unsere Einstellung, unser Verhältnis zu den Dingen und
unsere Herangehensweise zur Bewältigung
von Aufgaben und Konflikten sowohl bedingt als auch beeinflusst.
So kommen wir zu dem Schluss, dass die
Angst, die uns angeboren ist, unser Verhalten drastisch beeinflusst, ja nahezu die
Grundlage für unsere Einstellungen und
unsere Ansichten darstellt. Demnach gehört
sie zu dem Menschen, wie die Erde in das
Universum.
Unser Dasein ist ohne Angst nahezu unvorstellbar, woraus sich aber eben auch die
optimistische Einstellung bilden und weiterentwickeln kann.
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Chronik des Schuljahres 2012/2013
Jahrestreffen 2012
StD’ Christa Wegener-Mürbe
Die folgende Chronik spiegelt – wie in jedem
Schuljahr – einen Ausschnitt schulischer Ereignisse wieder, die über den täglichen Unterricht
hinaus zum Schulleben gehören. Aktivitäten
einzelner Klassen, z. B. Schullandheimaufenthalte, Wandertage oder Exkursionen, haben
alle ihre wichtige Bedeutung, können aber der
gebotenen Kürze wegen nicht berücksichtigt
werden.
22.08.2012
Nach den Sommerferien startet das neue Schuljahr für alle Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer.
23.08.2012
Für 96 Sextanerinnen und Sextaner beginnt die
Schulzeit am Rats! Nach einem Gottesdienst
mit Herrn Genetzky in der Altstädter NicolaiKirche treffen sich die Schülerinnen und Schüler mit ihren Eltern zu einer kleinen Feier in der
Aula. Die musikalische Umrahmung liegt in
den Händen von Herrn Kamps. Anschließend
begleiten die Klassenleitungen Frau Tschäpe,
Frau Uffenkamp und Herr Jansen ihre Klassen
in die Klassenräume, um die ersten Stunden
gemeinsam zu verbringen. Für die Eltern der
neuen Schülerinnen und Schüler haben Eltern
des Fördervereins im Forum ein Kaffeetrinken
vorbereitet und knüpfen die ersten Kontakte.
30.08.2012
Im Theaterlabor findet die zweite Bildungskonferenz der Stadt Bielefeld zum Thema „Individuelle Förderung“ statt. Beim „Markt der
Möglichkeiten“ präsentiert eine Arbeitsgruppe
mit Frau Aland, Frau Schulz und Herrn Topp
unter der Federführung von Frau Dr. Biermann
Ergebnisse aus der Förderung am Ratsgymnasium.
31.08.2012
Im Stadion an der Rußheide finden die Leichtathletik-Bundesjugendspiele statt. Die Fachschaft Sport hat das Sportfest organisiert, an
dem alle Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I und der Einführungsphase der Sekundarstufe II teilnehmen. Neben dem Dreikampf,
in dem wieder viele Urkunden erworben werden, finden auch die Staffeln aller Jahrgangsstufen statt. Die Fachschaft Sport wird bei der
Durch-führung vom Kollegium und den Sportkursen der Jahrgangsstufe 11 (Qualifikationsphase Q1) unterstützt.
28.09.2012
Die Schulrunde der Mathematikolympiade
„MaRa“ fordert die Schülerinnen und Schüler
der Sekundarstufe I zu kreativen Lösungen von
mathematischen Knobelaufgaben heraus. In der
kleinen Turnhalle und in der Aula stellen die
Teams sich zwei Stunden den Aufgaben, die
Frau Dr. Biermann zusammengestellt hat.
28.09. – 10.10.2012
Der Doppeljahrgang mit den Jahrgangsstufen 13
und 12 fährt auf Studienfahrt: Frau Reinhold und
Frau Wagner-Storz, unterstützt von Herrn Bökamp, begleiten eine Gruppe zur Biologischen
Station in Giglio, Frau Krüger und Herr Magofsky fahren mit ihrer Gruppe nach Italien, Frau
Winke, zeitweise Herr Boenigk und Herr Lohr
begleiten die Fahrt nach Griechenland, Frau
Hauer und Herr Rotter sind mit der Schülergruppe in Andalusien und Herr Dr. Altenberend und
Herr Gerwin begleiten die Fahrt nach Wien.
30.09. – 10.10.2012
23 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 9 fahren gemeinsam mit Frau Dr. Schütze
und Frau May zum Austausch nach England:
„Abingdon School“ und „The School of St. Helen and St. Katherine“ sind unsere Partnerschulen, die in jedem Herbst besucht werden. Neben
der Teilnahme am Unterricht und dem Leben in
den Familien und im Internat bereichern Ausflüge nach Bath und Oxford die Eindrücke.
02.10.2012
In der Aula des Gymnasium am Waldhof findet
für die Jahrgänge 10 und 11 eine Lesung der
Hamburger Kolumnistin Andrea von Treuenfeld
statt. Sie liest aus ihrem Buch „In Deutschland
eine Jüdin, eine Jeckette in Israel“. Die Lesung
soll die Schülerinnen und Schüler mit dieser
Problematik vertraut machen, ein kleiner Baustein im Hinblick auf die religiöse Studienfahrt
nach Weimar und Buchenwald.
27.10. – 28.10.2012
Die Vereinigung der Ehemaligen feiert das jährliche Treffen in der Schule. Am Freitagabend
treffen sich viele ehemalige Schülerinnen und
Schüler aller Altersgruppen in der festlich geschmückten kleinen Halle und genießen bei Essen und Getränken das lockere Zusammensein
mit Freunden, Lehrerinnen und Lehrern. Am
Samstag besuchen einige Ehemalige den UnterFotos:
Fotoatelier
Berries
richt, bevor mittags in
der Aula
der Festakt
unter
87
Jahrestreffen 2012
der Leitung von Herrn Schulze-Niehoff beginnt.
Im Anschluss an das Mittagessen in der kleinen
Halle nutzt eine Gruppe von etwa 40 Ehemaligen die Möglichkeit, von Herrn Nolting durch
die Schule geführt zu werden. Gegen 16.00 Uhr
trennen sich die letzten Interessierten von ihrer
ehemaligen Schule.
29.10. – 31.10.2012
Unter dem Aspekt der Verkehrssicherheit findet
für die Jahrgangsstufe 10 /Einführungsphase
ein fächerverbindendes Projekt statt. Nachdem
unter der Leitung der Verkehrswacht der Gurtschlitten, der Überschlagsimulator und der Fahrradsimulator ausprobiert werden konnten, werden die Erfahrungen von den Fächern Physik,
Chemie/Biologie, Kunst und Musik umgesetzt.
Die Leitung und Organisation liegt in den Händen von Frau Echterhoff und Herrn Thomas.
29.10.2012
Im Rathaus findet eine weitere Anhörung der
beteiligten Gruppen zum Thema des möglichen
Standorts eines Regenrückhaltebeckens statt.
Das Ratsgymnasium ist mit einer Gruppe von
12 Schülerinnen und Schülern, Elternvertretern
und Lehrerinnen und Lehrern vertreten, um sich
an der Diskussion um alternative Planungen zu
beteiligen.
30.10.2012
Die Schülerinnen und Schüler des Abiturjahrgangs 2013 laden zu einem Abend der Künste
in die Aula des Ratsgymnasiums ein. Ein beeindruckendes Programm mit klassischer Musik,
Jazz und Rock, aber auch Tanz und Textvorträgen ist von der Stufe eigenständig vorbereitet
worden. Eine Ausstellung von Arbeiten aus
dem Kunstunterricht sowie Getränke und Imbiss runden das Programm ab. Mit dem Erlös
des Abends soll der Abiturientenball im Sommer 2013 unterstützt werden.
31.10.2012
Am Vormittag findet die Ehrungsveranstaltung
der Beigelschen Stiftung für das Ratsgymnasium in der Aula statt Schülerinnen und Schüler
werden für ihre guten Leistungen im Schuljahr
2011/2012 mit Buchpreisen ausgezeichnet. Die
Preisverleihung erfolgt durch Herrn Stratenwerth, Mitglied im Vorstand der Stiftung, Herrn
Nolting und Frau Wegener-Mürbe. Außerdem
werden alle Schülerinnen und Schüler, die im
vergangenen Schuljahr erfolgreich im Schulsport, bei Sprach- und anderen Wettbewerben
gewesen sind, geehrt. Die musikalische Umrahmung der Veranstaltung erfolgt durch den SexFotos:Andreij
Fotoatelier
Berries
taner
Fadejew
am Klavier.
88
09.11.2012
Die Gedenkfeier der Stadt anlässlich der
Reichspogromnacht 1938 findet unter Beteiligung unseres Schulorchesters statt. Unter der
Leitung von Frau Wagner-Storz wird die Gedenkstunde im Neuen Rathaus mit dem Stück
„Theme from „Schindler´s List“ von John Williams eröffnet.
12.11. - 16.11.2012
423 Schülerinnen und Schüler nehmen erfolgreich am Wettbewerb „Informatik-Biber 2012“
teil und können 5 erste Plätze, 11 zweite Plätze
und 148 dritte Plätze belegen.
15.11.2012
In der Aula finden sich viele Eltern von Grundschülerinnen und Grundschülern der vierten
Klassen ein, um an einem Informationsabend
über die Konzepte unserer Schule informiert zu
werden.
17.11.2012
Am Samstagvormittag nutzen viele Familien
die Gelegenheit, unsere Schule am ersten Tag
der offenen Türe kennenzulernen. Ob die Teilnahme am Unterricht der Sexten oder die erste
Lateinstunde: während die Schülerinnen und
Schüler ihren ersten Unterricht am Rats erleben,
informieren sich Eltern in Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen über unsere Angebote
von Langeoog über individuelle Förderung und
Übermittag-Betreuung bis zur Bigband und den
Schulpartnerschaften.
17.11.2012
17 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 5 bis 9 nehmen an der Regionalrunde des
Landeswettbewerbes Mathematik. Nick Breit
(Vla) und Fabian Brüggemann (OIIIc) qualifizieren sich für die Landesrunde.
20.11.2012
Zu einem pädagogischen Elternabend für die
Eltern der Sekundarstufe I kommen interessierte
Eltern und Kollegen in unser Forum. Zum Thema „Leistung – und was zählt noch?“ referiert
Diplomtheologe Benedikt Bohn vom Generalvikariat in Paderborn. Die Organisation des
Abends liegt in den Händen von Frau Tenge.
23.11.2012
Auf dem Schulsport-Ehrentag, den das Amt für
Schulsport, der Stadtsportbund und die Olympische Gesellschaft ausrichten, wird das Ratsgymnasium mehrfach für die Leistungen im
Schuljahr 2011/2012 ausgezeichnet: die Schulmannschaft im Feldhockey wird Meister im Regierungsbezirk, die Mädchen der Rhythmischen
Sportgymnastik werden NRW-Meister und die
Schule erhält den zweiten Platz beim Wanderpreis der Deutschen Olympischen Gesellschaft.
26.11.2012
Herr Reichelt erhält in Berlin die Auszeichnung
„Lehrer des Jahres“. Für den Preis vorgeschlagen wurde er von seinem Geschichtskurs des
Abiturjahrgangs 2012.
01.12.2012
Am alljährlichen Weihnachtsbasar bieten die
Klassen der Sekundarstufe I in ihren Klassenräumen Selbstgebasteltes, Gebackenes, Kaffee
oder Tee sowie Cocktails oder herzhafte Würstchen an. Theatervorführungen und musikalische
Darbietungen runden das Angebot ab. In Raum
5 werden wieder zahlreiche liebevoll gepackte
Päckchen für die Schülerinnen und Schüler unserer Partnerschule in Benin abgegeben, die noch
am selben Abend für die lange Reise verpackt
werden. Viele Eltern, Lehrer, Gäste erleben das
bunte vorweihnachtliche Treiben im Gebäude.
20.12.2012
Mit der Weihnachtsmusik in der Altstädter Nicolai-Kirche beenden Schülerinnen und Schüler mit ihren Familien, Lehrerinnen und Lehrer,
Ehemalige und Gäste den Schulalltag des Jahres 2012. Das musikalische Programm unserer Gruppen unter der Leitung von Frau JungLösing, Frau Wagner-Storz, Herrn Gerwin und
Herrn Kamps sowie die Wortbeiträge unter der
Vorbereitung von Herrn Genetzky stimmen auf
das bevorstehende Weihnachtsfest ein.
19.01.2013
Am zweiten Tag der offenen Türe nehmen wieder zahlreiche Eltern und ihre Grundschulkinder
die Möglichkeit wahr, sich über unsere Schule
zu informieren, am Unterricht der Sexten teilzunehmen, eine erste Lateinstunde zu erleben und
in verschiedene AG-Angebote zu schnuppern.
21.01.2013
Für die Eltern der Jahrgangsstufe 7 findet ein
Informationsabend zum Thema „Computerund Konsolenspiele“ statt. Der Referent des
Abends, Herr Thomas Erzberger, gibt wertvolle
Informationen und bindet die interessierten Eltern in eine weiterführende Diskussion ein. Die
Organisation des Abends liegt in den Händen
von Frau Tenge und Frau Kastrup.
29.01.2013
Für die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 6 findet am Vormittag der Projekttag „Surfen mit Sinn“ statt, in dem es um die
Nutzung des Internets geht. Am Abend findet
für die Eltern dieser Jahrgangsstufe ein Elternabend zu diesem Thema statt.
30.01. – 02.02.2013
Die Schülerinnen und Schüler der2012
JahrgangsJahrestreffen
stufen 12 und 13 unternehmen gemeinsam mit
Frau Winke, Herrn Dr. Altenberend, Herrn Graeser und Herrn Magofsky die obligatorische
Geschichtsfahrt nach Berlin.
31.01.2013
Die Jahrgangsstufe Q1 nimmt an der Veranstaltung „Car Crash NRW“ der Polizei in der
Kunsthalle Bielefeld teil. Es geht darum, die
jungen Autofahrerinnen und -fahrer für die Unfallproblematik zu sensibilisieren.
01.02.2013
Für die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 5 bis 11 gibt es die Halbjahreszeugnisse.
02.02. – 13.02.2013
Unter der Leitung von Frau Hell und Herrn
Dautais kommen unsere Partnerschülerinnen
und -schüler des „Lycée Dominique Villars“
aus Gap zum Austauschbesuch nach Bielefeld.
Neben Unterrichtsprojekten bleibt genug Zeit
für Erkundungen in der Stadt, den Besuch der
Oetker-Welt, einen Hip-Hop-Workshop und einen Ausflug nach Dortmund.
06.02.2013
Julius Herzig nimmt an der 1. Runde des Physikwettbewerbs in der Juniorstufe in Darmstadt erfolgreich teil und erreicht einen 3.Platz. Damit qualifiziert er sich für die Teilnahme in der 2. Runde.
06.02.2013 – 14.02.2013
Unsere Austauschpartner der „School of St.
Helen und St.Catherine“ und der „Abingdon
School“ aus Abingdon kommen mit Frau Clark,
Frau von Widdern und Herrn Revill zum Besuch nach Bielefeld. Die 22 Schülerinnen und
Schüler fahren traditionell nach Münster, erleben einen Tag in der Autostadt Wolfsburg, nehmen mit ihren Partnern am Unterricht teil und
bereiten ein gemeinsames Projekt vor.
06.02.2013
Die Theater-AG unter der Leitung von Frau
Jung-Lösing zeigt im Forum die Ergebnisse ihrer Arbeit. 8 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 6 bis 9 präsentieren „Der Mensch
vor dem Gericht der Tiere“. Bei Kaffee, Tee,
Saft und Kuchen verbringen Eltern, Großeltern, Geschwister, Freunde, Kolleginnen und
Kollegen einen kurzweiligen Abend.
08.02. – 12.02.2013
Traditionell am Karnevalswochenende fahren
unsere Musikgruppen zum intensiven Proben
Fotoatelier in
Berries
im Hinblick auf dasFotos:
Frühjahrskonzert
unser
89
Jahrestreffen 2012
Schullandheim auf Langeoog. Frau WagnerStorz, Frau Reinhold, Herr Gerwin und Herr
Kamps betreuen die Schülerinnen und Schüler
aller Jahrgänge.
20.02.2013
Am Regionalwettbewerb „Jugend debattiert“ in
der Bezirksregierung in Detmold nimmt erstmalig eine Gruppe des Ratsgymnasiums teil: Laetitia Augustyniak, Nikolaus Dühlmeyer, Laurenz
Esser und David Schüler aus der UIIIa und aus
der Jahrgangsstufe 10: Paul Behne, Maurice
Schürmann, Ferdinand Stoye und Leon Sundermann. Maurice Schürmann erreicht in der Finaldebatte einen dritten Platz.Die Gruppe wird vom
ehemaligen Dezernenten Herrn Dr. Gindele und
Frau Tenge geleitet. Während des Wettbewerbes übernimmt zusätzlich Herr Hülsmann die
Betreuung der Schülerinnen und Schüler.
23. und 24.02.2013
An der Landesrunde der Mathematik-Olympiade – Landeswettbewerb Mathematik NRW in
Köln nehmen Nick Breit (Vla) und Fabian Brüggemann (Olllc) erfolgreich teil. Fabian erhält einen 3. Preis und Nick einen Anerkennungspreis.
24.02.2013
Im Regionalwettbewerb „Jugend forscht“ in
Herford engagiert sich die Arbeitsgruppe von
Frau Lange: Mathias Harhoff und Lukas Zielonka sowie Kaja Hildebrand und Henriette
Kleinebenne (lVb) vertreten das Fach Chemie.
Für das Fach Mathematik nehmen Vincent
Adler und David Schüler sowie Marie Féaux
de Lacroix (Ullla) teil. Marie geht mit ihrem
Beitrag zum dreidimensionalen Pascal‘schen
Dreieck als Siegerin des Wettbewerbs hervor.
25.02.2013
Die kollegiale Fortbildung des Kollegiums
dient der Auffrischung und Vertiefung von
Maßnahmen zur Ersten Hilfe, die speziell auf
den Aufgabenbereich in der Schule zugeschnitten ist. Für einen Teil des Kollegiums schließen
sich weitere Termine an, um die Qualifikation
als betriebliche Ersthelfer zu erlangen.
20.03. und 21.03.2013
An zwei Terminen findet das diesjährige Schulkonzert in der überfüllten Aula statt. Unter der
Leitung von Frau Jung-Lösing, Frau WagnerStorz, Herrn Gerwin und Herrn Kamps zeigen
die Musikgruppen ein reichhaltiges, abwechslungsreiches und exklusives Programm.
22.03.2013
Vor dem Start in die Osterferien feiern die
Schülerinnen und Schüler des Doppeljahrgangs
Fotos: Fotoatelier
Q2/13
ihren letztenBerries
Schultag.
90
18.04.2013
Die Mädchengruppe (WKIII) der Rhythmischen Sportgymnastik unter der Leitung von
Frau Winke belegt bei der Landesmeisterschaft
in Gütersloh den zweiten Platz.
01.05.2013
Julius Herzig (lVc) wird für seine Teilnahme in
der 2. Runde des Physikwettbewerbs in Hamburg ausgezeichnet.
04.05. – 14.05.2013
Unter der Leitung von Frau Krüger fahren 8
Schülerinnen und Schüler zum Besuch unserer Partnerschule „ Lycée Dominique Villars“
in Gap (Frankreich). Die kleine Gruppe erlebt
einen erlebnisreichen Austausch mit einem abwechslungsreichen Programm.
08.05. – 20.05.2013
Die Jahrgangsstufe Q1 ist auf Studienfahrt.
Frau May und Herr Magofsky begleiten die
Gruppe nach Großbritannien, Frau Rottmann
und Frau Reinhold leiten die meeresbiologische
Fahrt nach Giglio in Italien, Herr Dr. Gertz,
Herr Königsberger und Frau Unverfehrt sind
mit einer Gruppe in Rom sowie im Paestum
und Frau Tschäpe und Herr Graeser betreuen
die Griechenlandfahrt.
10.05.2013
Katharina Erdmann (UIIIb) wird für ihre erfolgreiche Teilnahme am Mittelstufenwettbewerb
des Bundeswettbewerbs Fremdsprachen in der
Sprache Englisch ausgezeichnet.
14.05.2013
Bei den Landesteilmeisterschaften Westfalen
im Feldhockey in Bielefeld erreichen die Jungen (WKIII) den ersten Platz und die Mädchen
(WKIII) den zweiten Platz. Die erfolgreichen
Mannschaften werden von Herrn Gebauer betreut.
17.05.2013
Der ehemalige Schüler unserer Schule und
Ausschwitz-Überlebende Hajo Meyer berichtet
in der Aula den Schülerinnen und Schülern der
Jahrgangsstufen 9 und 10 als Zeitzeuge über seine Zeit als Schüler des Ratsgymnasiums, das er
bis zum 9. November 1938 besucht hat.
23.05. – 25.05.2013
An der Schülerakademie Mathematik OWL
(SAM-OWL) nimmt für die 6. Klassen Moritz
Hölterhoff (Vd) teil.
04.06.2013
Im Rahmen einer besonderen Lernleistung im
Zusammenhang mit dem Abitur gibt Jeehun
Choi in der Aula ein Vortragskonzert zum The-
ma „Virtuoses Geigenspiel in Barock, Klassik
und Romantik im Vergleich“.
05.06.2013
Beim größten landesweiten Lego-Roboterwettbewerb gewinnen die Schülerteams des Ratsgymnasiums als einzige Schülerteams aus Bielefeld einen 7. und 14. Platz. Die Betreuung der
Teams liegt in den Händen von Herrn Jansen.
17.06.2013
Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Literaturkurses des Schuljahres 2011/2012 führen unter
der Leitung von Frau Jung-Lösing das Stück
„Der Streit“ von Pierre de Marivaux im Theaterlabor auf.
19.06.2013
An einem hochsommerlichen KennenlernNachmittag erkunden unsere künftigen Sextanerinnen und Sextaner, begleitet von zukünftigen Tutoren, unsere Schule. Vom Quiz über
Musik bis zum Sport hat Frau Meier-Götte
gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen ein
buntes Programm zusammengestellt.
20.06. – 22.06.2013
An der Schülerakademie Mathematik OWL
(SAM OWL) für die 8. und 9. Klassen nehmen
Vincent Adler und David Schüler aus der UIIIa
teil.
27.06.2013
Im Forum und auf den Oberstufenfluren präsentieren die Kunstkurse des Abitur-jahrganges
Arbeiten aus den letzten beiden Jahren. Bei
einer kleinen Feierstunde zur Eröffnung der
Ausstellung erfahren die Gäste, wie die Arbeiten entstanden sind, welche Ideen zu den
Ergebnissen führten. Die Ausstellung wird von
den Fachlehrerinnen Frau Kansteiner und Frau
Uffenkamp vorbereitet.
02.07.2013
In der Aula des Gymnasiums am Waldhof findet eine Informationsveranstaltung zum Thema
der „Entzerrzeiten im öffentlichen Nahverkehr“
statt, in der für das Ratsgymnasium und das
Gymnasium am Waldhof das Zeitmodell der
Verschiebung des Unterrichtsbeginns dargestellt wird. Die Entzerrung der Schulanfangszeiten soll die Stadt finanziell entlasten.
06.07.2013
Nach einem ökumenischen Gottesdienst in der
Altstädter Nicolaikirche, der gemeinsam von
Herrn Genetzky und Herrn Hofnagel mit den
Abiturientinnen und Abiturienten, dem Orchester und dem Mädchenensemble vorbereitet
worden ist, wird der Jahrgang verabschiedet.
In einer abwechselungsreichen Feierstunde in
der Aula des Gymnasiums am Waldhof nehmen die Abiturientinnen und Abiturienten
ihre
Jahrestreffen
2012
Zeugnisse und Auszeichnungen entgegen. Der
Vormittag wird mit einem Sektempfang auf
dem Schulhof des Ratsgymnasiums bei strahlendem Sonnenschein beendet.
07.07.2013
Der Doppeljahrgang 2013 lädt zum Abiturball
in die Stadthalle ein. In der festlich geschmückten Halle feiern Familien und Freunde sowie
das Lehrerkollegium mit den Abiturientinnen
und Abiturienten.
08.07. – 18.07.2013
Für die Jahrgangsstufe 10 findet das Schülerbetriebspraktikum statt. Es soll den Schülerinnen
und Schülern einen Einblick in die Arbeitswelt
vermitteln. Die Betreuung des Praktikums liegt
in den Händen von Herrn Bruderhofer.
12.07.2013
Die Bundesjugendspiele für die Sekundarstufe I
finden unter besten Wetterbedingungen im Stadion an der Rußheide statt. Ein Höhepunkt an
in diesem Tag ist das Fußballspiel von Schülern
der Oberstufe gegen eine Lehrermannschaft.
17.07.2013
In der Ravensberger Spinnerei findet eine weitere öffentliche Sitzung zum Thema der Regenrückhaltung statt, an der die Schule mit einer
Gruppe von Kolleginnen und Kollegen sowie
Eltern teilnimmt.
18.07.2013
Die Schülerinnen und Schüler engagieren sich
bei der „Aktion Tagwerk“ für unsere Partnerschule in Benin, indem sie den Verdienst ihres
eintägigen Jobs zur Verfügung stellen. Schülerinnen und Schüler ohne Arbeitsvertrag helfen
in der Schule: die Bühne für das Sommerfest
wird aufgebaut, ein Dachboden wird geräumt,
zahlreiche Fachräume werden aufgeräumt und
viele Tische gereinigt. Nachmittags findet bei
bestem Wetter das Sommerfest statt. Neben
Auftritten der Bigband und einem Gesangswettbewerb gibt es die Möglichkeit, beim
Rodeo eigene Erfahrungen zu sammeln. Bei
Getränken, Kuchen, Crepes und Bratwürstchen
genießen Schülerinnen und Schüler, Eltern,
Lehrerinnen und Lehrer den sommerlichen
Nachmittag.
19.07.2013
In der dritten Stunde bekommen die Schülerinnen und Schüler ihre Zeugnisse und starten
anschließend in die verdienten Sommerferien.
Am Mittag des Tages beginnen die SommerfeFotos: Fotoatelier Berries
rien für das Kollegium.
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Essay: Der Optimismus gegenüber seiner eigenen Sinnlosigkeit
Maximilian Günnewig-Mönert, OI
Der folgende Aufsatz von Maximilian Günnewig-Mönert entstand als Beitrag zum
Bundes- und Landeswettbewerb Philosophischer Essay. 2011.
„The basis of optimism is sheer terror.“ Wenn
dieser Ausspruch Oscar Wildes zutrifft, dann
würde unser Glaube an das Gute, der Optimismus, aus einer Negativposition entstehen.
Und impliziert dies, dass die Grundlage des
Pessimismus in der Freude liegt? Seien wir
einmal ehrlich, wer in unserer heutigen Zeit
denkt schon, dass es der Angst bedarf, um
das Beste zu wollen?
Der Optimismus: Wir sollen optimistisch
sein – so propagiert es das amerikanische Lebensprinzip. Wir sollen uns nicht immer so
miesepetrig oder schwarzseherisch aufführen.
Dieses und ähnliches propagiert auch die FAZ
unter dem Motto „Optimisten finden leichter
einen Job“ (13.04.2011). Doch was ist dieses
optimistische Denken, und wie passt es zu
dem, in diesem Zusammenhang, eher antithetisch erscheinenden Zitat von Wilde?
„Optimismus-Training“; „Unsere Kinder
brauchen Optimismus“ oder – mein persönlicher Favorit – „Lebe ohne Sorge. Die Macht
des Optimismus “. Dies sind die Titel von
Büchern, die uns etwas über unser Dasein
erzählen oder weismachen sollen und es, im
besten Falle, verbessern. Wie sie dies vermitteln, wird schon durch eben die Titelwahl
deutlich. Wir leben alle in einer schwarzseherischen, pessimistischen, gar positive Gefühle
unterdrückenden Welt. Auch klar; die Schuld
daran, dass wir so sind, trägt die Angst; eben
diese Angst, die Oscar Wilde für die Grundlage des Optimismus hält. Paradox!
Was sagt uns das? Ich denke, wir müssen hier
einen kleinen Blick auf unsere Gesellschaft
wagen. Was ist das, was wir heute als Optimismus deklarieren? Es ist der amerikanische
Lebenslauf! Es ist der Frontier-Gedanke, es
ist der „Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär“Mythos, kurzum, es ist der Zwang, das Glück
und das Beste wollen zu müssen. Die Großen machen es vor, die Kleinen machen es
nach. „Optimismus-Training“: Wir müssen
98
unseren Optimismus trainieren, wie etwa in
einem Fitness-Studio; klar, denn dieser Vergleich ist zeitgemäß. Wenn wir den Optimismus „erlernen“ müssten, und zwar im Sinne
einer philosophischen Reflexion, oder etwas
„über“ den Optimismus lesen müssten, dann
wäre das ja veraltet; heute trainiert man.
Genauso zeitgemäß ist es, dass der Optimismus allgegenwärtig ist. Überall wird er propagiert, mit aller Macht durchgesetzt. An der
Börse spricht man von einem „fundamentalen
Kauf“, wenn ein Verkauf dringend anzuraten ist, oder es heißt: „Die Aktie sollte man
halten“, wenn eine Aktie schlecht bewertet
ist. In der Politik spricht man von der „Umstrukturierung“ des Sozialsystems, wenn
Kürzungen bevorstehen. Im ArbeitgeberArbeitnehmer-Verhältnis ist die Anwendung
des Optimismus schon lange etabliert. Wenn
jemand entlassen wird, weil er nichts geleistet hat, wird in das Zeugnis geschrieben: „Er
war stets bemüht!“ Warum bedienen wir uns
derartiger Umschreibungen, anstatt das Kind
beim Namen zu nennen? Die Antwort lautet: Dies ist die Wahrheit – was allerdings
meist vergessen wird, eine geschönte – weil
man die Wahrheit ja keinem anderen zumuten kann. Ganz besonders manifestiert sich
dieses in dem Titel „Unsere Kinder brauchen Optimismus“. Kinder sollen positive
Erfahrungen mitnehmen, sich durch keine
Zwänge bedrängt fühlen und, was wohl das
allerwichtigste zu sein scheint, Spaß haben.
Eine rosafarbene Zuckerwelt demonstrieren
wir unseren Kindern, vor allem zum Schulanfang, weil sie sonst, was ja Realität ist, aber
auch irgendwie nicht Realität sein darf, die
„Bürden der Welt“ nicht ertragen können.
Doch sind es immer so altruistische Motive,
wie die Kinder vor der Realität zu bewahren
oder dem Menschen die schwere Last der
Realität erträglich zu machen? Man könnte
es meinen, denn alle Welt sieht in dem bewussten „Positivdenken“ und „Positivreden“
die Lösung aller Probleme. Hört es sich nicht
viel schöner an, wenn ich meine Angestellten
„freisetze“, statt „rauswerfe“? Ja, das tut es.
Doch der Effekt ist derselbe. Wozu dann also
Euphemismen?
Die Antwort ist so offensichtlich wie einfach.
Am nächsten Tag wird in der Zeitung von
der Freisetzung einiger Mitarbeiter gesprochen. Ich muss hier noch nicht einmal um
den Vorwurf der Wortmanipulation fürchten,
denn Freisetzen ist in der Tat mit Entlassen
gleichzusetzen. Diese bewusst optimistische,
positive Bezeichnung entbindet mich, den
Geschäftsführer, auf eine perfide Art von
der Verantwortung und meinem schlechten
Gewissen. Doch spielt hier noch eine weitere, viel wichtigere Komponente hinein: die
nackte Angst.
Wir fürchten uns vor der Wahrheit, vor der
Verantwortung, vor einem schlechten Gewissen, welches durch die Medien oder die
Gesellschaft verstärkt werden könnte. Der
Broker fürchtet um seine Aufträge, der Politiker um seine Wähler und der Arbeitgeber
vor der Verurteilung und der öffentlichen
Geißelung. Wir müssen optimistisch denken.
Wir würden andererseits doch gar nicht existieren können. Unsere Welt ist derart moralisch sensibilisiert, dass ein anderes Denken
mittlerweile verwerflich wäre.
Doch ist dies echter Optimismus und bedarf es der Angst, um diese Einstellung zu
„erlangen“? Der Optimismus muss trainiert
werden, mit Hanteln und Laufbändern, aber
möglichst ohne große Anstrengung. Auf
knapp 200 Seiten wird man zum „Optimisten“. Der Optimist ist dann so sehr gegen den
Pessimismus, dass er vor lauter Positivdenkerei und dem Glauben an das Beste sich selbst
und die Wirklichkeit vergisst. Er handelt aus
falschem Altruismus und denkt, er gehöre
jetzt zu der Sorte von Menschen, denen alles
gelingt oder gelingen soll. Allerdings ist der
Optimismus ein fragliches Gedankenkonstrukt. Er stellt keine philosophische Disziplin oder Kunst dar. Deshalb ist das Erlernen
bzw. „Trainieren“ des Optimismus wohl
auch wahrscheinlich ohne wirklichen Erfolg.
Ebenso wenig ist es Optimismus, wenn ich
meine Wortwahl ändere, nur aus Angst, moralisch verfehlt zu wirken.
Und auch der Zwang, immer an das Beste
zu glauben und unseren Kindern die Zukunftsangst zu nehmen, ist kein Optimismus.
Dieser ist nämlich eigentlich gar kein Zwang,
sondern der GLAUBE an das Gute bzw. das
Beste. Ein metaphysischer Gedanke, der
dem Menschen dient, sich die Welt nahbarer zu machen. Vorgänge oder Gefühle die
den Menschen lähmen, ihm unerklärlich erscheinen, wie etwa das Absurde bei Camus,
können unter Zuhilfenahme des Optimismus
bewältigt werden. Und eben in diesem Punkt
fehlt es dem Argument Wildes vermutlich an
Kraft, denn die Angst allein ist kaum die einzige Triebfeder des Optimismus.
Albert Schweitzer sah den Optimismus als
diejenige „Weltanschauung“ an, welche die
„Welt und das Leben“, entgegen dem Nichts,
womit vielleicht der Nihilismus Nietzsches
gemeint war, bejaht. Für ihn war dieses gedankliche Konstrukt die „Zuversicht“, die,
in Anbetracht der rationalisierten Welt, den
Menschen eine Perspektive gibt. Wildes
„Angst“ ist eine spezielle Form dessen, was
ich zu Beginn anführte: die Negativposition. Etwas Positives kann meist nur aus etwas Negativem entstehen, da der Kontrast
und die damit verbundenen Leiden, die dem
Menschen aufgebürdet werden, lediglich
durch den Glauben an das Gute beseitigt werden können. Die Angst ist nur ein Aspekt, neben Ereignissen, die lähmen, neben Trauer,
Scheitern oder gar Hass.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Absurde. Albert Camus betonte, dass es einen
Konflikt gibt, der aus dem Ordnungsstreben
der Menschen und aus der Sinnlosigkeit
– beispielsweise von Naturkatastrophen
– resultiert. Auch dies kann ein Grund für
Optimismus sein, ist er doch, laut Albert
Schweitzer, das einzige, was dem Menschen, in Anbetracht einer solchen Absurdität, Zuversicht gibt.
Zuversicht, der Glaube an das Gute, Lebensbejahung. Der Antagonismus zur heutigen Zeit wird deutlich. Am optimistischsten
sind diejenigen, die in größter Not leben.
An ihnen manifestiert sich der Kontrast
zwischen Absurdität und Lebensbejahung;
alles andere ist kein Optimismus. Der unbedingte Wille zum Erfolg, gepaart mit unterdrückten (Selbst-)Zweifeln und geschönt
mit Euphemismen ist bloße Überheblichkeit
über das Gefühl und Angst vor der Moral!
Eigentlich steht der heutige „Optimismus“
seiner eigenen Sinnlosigkeit gegenüber. Der
Begriff ist entfremdet und erweckt, so paradox wie dies klingt, einen pessimistischen
Eindruck!
99
Essay: Verändern moderne Kommunikationsmittel die Sprache?
Maximilian Hülshoff, UI
Der folgende Aufsatz von Maximilian Hülshoff über die sprachliche Kommunikation in
der heutigen Zeit entstand als Beitrag zum
landesweiten Schülerwettbewerb „Deutsch:
Essay“, angeregt im Grundkurs Deutsch UI
bei Herrn OStR Dr. W. Schröder.
Jean-Paul Sartre sagte einmal, dass es vielleicht schönere Zeiten gebe, doch diese sei
die unsere. Wie wahr! In dieser, unserer
Zeit, der Zeit von Facebook, ICQ, Twitter
oder den fast schon antik anmutenden SMS,
stolpert man immer wieder über Wortneuschöpfungen wie „twittern“, „simsen“ oder
„mailen“, die den Unbeteiligten rasch so
verdutzt und überfordert machen wie einst
Jean-Francois Champollion die Hieroglyphen. Abkürzungen wie „lol" (laughing out
loud) oder „rofl” (rolling an the floor laughing) haben längst Einzug in den Sprachgebrauch gehalten, besonders in den von
jungen Menschen, jener so leicht zu beeinflussenden Menschenschicht, die ja bekanntermaßen Hauptnutzer dieser neuen medialen Massenindustrie sind.
Doch aus welchen Gründen folgt man dort
(Facebook, Twitter, ICQ, ...) kaum noch den
überlieferten grammatischen Regeln? Ist es
eine Art Protest gegen diese Regeln, weil
sie im Unterricht oft wenig spannend behandelt werden und man sich nicht auch noch
in seiner Freiheit – zeitgemäßer: Freizeit –
mit diesen Dingen beschäftigen möchte? Ist
der massenhafte Einzug von Anglizismen in
die deutsche Sprache oder die Globalisierung schuld? Und warum überhaupt dieser
Begriff – „Schuld"? Impliziert das nicht ein
Übel, für das man eigene Verantwortung
trägt? Tragen wir nicht die Verantwortung
für unser Handeln?
So lautet die Frage also nicht nur, ob moderne Kommunikationsmittel die Sprache
verändern, sondern auch: Wie stehe ich zu
dieser Veränderung? Welche Verantwortung empfinde ich?
Das Erste, was ich tat, als ich mir zum ersten Mal einen PC kaufte, war das Chatpro-
100
gramm ICQ zu installieren, mit dessen Hilfe
man über eine funktionierende Internetverbindung zu allen Menschen Kontakt aufnehmen konnte, die gerade „online“ (auch
ich habe Anglizismeritis) sind, denen man
schreiben kann, das Neueste aus der Schule, vom Sportplatz oder der verflossenen
Beziehung berichten oder sich einfach nur
zum Spaß – hey, mit dem möchte ich jetzt
kommunizieren – austauscht.
Zwei bis drei Jahre später erkannte ich, dass
ich all das doch eher aus Opportunismus und
ohne wesentliche Herausforderung tat, nicht
weil ich wirklich dauernd erreichbar sein
wollte, sondern es sein musste, nämlich meinem sozialen Status zuliebe. Im nachhinein
finde ich diese opportunistische Haltung abstoßend. Ich löschte dieses Programm nach
einem archimedischen Heureka und freute
mich über diesen Schritt. Bis heute habe
ich ihn nicht bereut. Falls mein Chef später
fragen sollte, ob ich ihn nicht „adden“ ( Ich
weiß, auch dagegen gibt es etwas von ratiopharm) wollte und ich sagen müsste, nein,
tut mir leid, ich habe kein Programm zum
aktiven Austausch von Nachrichten mithilfe des Internets, wäre ich stolz auf diesen
Schritt.
Die tatsächlich bevorstehende Möglichkeit,
dauernd erreichbar zu sein, per Handy, ICQ,
Facebook oder was auch immer, stellt den
Grund dar, warum diese modernen Mittel
der Kommunikation die Sprache verändern.
Ständige Erreichbarkeit! Hätte der Mensch
immer schon ständig erreichbar sein sollen?
Das muss man sich mehrmals gründlich
durch den Kopf gehen lassen. Denn die ständige Erreichbarkeit ist so vorteilhaft wie sie
beängstigend ist.
Das Hin und Her in der Kommunikation
wird auf ein Minimum an Zeit reduziert,
so dass sprachliche Besinnung kaum noch
stattfinden kann. Zwischenmenschlicher
Kontakt wird in der elektronischen Kommunikation sehr reduziert.
Kurzformeln sind natürlich praktisch, und
letztlich könnte man auch sagen, dass eine
verstümmelte Sprache unserem heutigen
atomisierten Weltbild perfekt entspricht, das
auch aus lauter Splittern, Bruchstücken und
Teilen von Teilen besteht. Deshalb wird in
der modernen Literatur oft die restringierte
Sprache der elaborierten, das Gestammel
der vollendeten Phrase vorgezogen. Aber
um wirklich perfekt einfach und schmucklos
zu schreiben, muss man extrem sensibel für
Unter- und Nebentöne sein. Das wiederum
ist in der hastigen Kommunikation beinahe
ausgeschlossen.
Wozu einen Brief schreiben, wo man sich
womöglich Gedanken über einzelne Formulierungen und treffende Wortwahl machen
muss, und noch schlimmer, mehr Zeit aufwendet als mit dem Schreiben einer SMS
...?! Es ist, als ob es nur nach der Zeit und um
Zeitgewinn geht. Je schneller ich kommuniziere, desto weniger achte ich auf Stil, Form
und Grammatik. Sprechen, und auch Sch-
reiben, vor allem Schreiben, braucht aber
Grammatik und verlässliche Regeln. Kann
man sich ohne Formulierungsgerüst überhaupt artikulieren? Kann man Kommunikationsnetze ohne eingespielte Fertigkeiten
und ohne Strukturkonzepte spannen? Sollen
die Strukturen vielmehr verfließen? Und
braucht es nicht ein solides Fundament, um
Haltbarkeit zu gewährleisten? Ja, natürlich.
Und genauso ist es mit der Sprache, die
Grammatik ist unser sprachliches Fundament, auf dem wir bauen müssen, mit dessen
Hilfe wir dem Geschriebenen einen Sinn geben. Facebook, Twitter und Co. können wir
ruhig auf Sand bauen lassen – dann müssen
wir nur noch auf eine Welle warten ... Sobald dort der Boden wegrutscht, wird man,
wie wohl zu wünschen ist, zur Besinnung
kommen. Diese Besinnung täte der heutigen
Zeit gut. Es hat vielleicht sprachgewaltigere
Zeiten gegeben, aber diese ist die unsere.
Essay: Sprachlosigkeit, Sprachskepsis, Sprachnot
Annina Macht, OI
Der folgende Aufsatz von Annina Macht
über Sprache und Sprachkritik entstand
als Abschlussaufgabe einer Unterrichtsreihe im Grundkurs Deutsch OI bei Dr.
W. Schröder.
Spätestens zur Zeit der Jahrhundertwende
entwickelten viele Autoren eine zunehmend
sprachkritische Haltung. Begriffe oder Metaphern wurden in Frage gestellt, denn sie
schienen nur noch einer kunstvollen Ausgestaltung zu dienen, aber keinerlei Beziehung
mehr zur Realität zu besitzen. Die Worte und
Sätze schienen immer weiter verblassende
Bilder geworden zu sein, sodass die sprachskeptischen Dichter einen „Bruch zwischen
Sprache und Realität“ beklagten und sich
nicht mehr in der Lage sahen, ihre Gedanken
in konventionellen Texten auszudrücken.
Die zunehmende Selbstkritik zeigte sich besonders in Hugo von Hofmannsthals 1902
veröffentlichtem fiktiven Brief des Lord
Chandos an Francis Bacon: Chandos bekennt
darin, ihm sei „die Fähigkeit abhanden ge-
kommen, über irgend etwas zusammenhängend zu denken oder zu sprechen“. Mittels
der Sprache könne er nicht mehr denken und
sich nicht mehr artikulieren, da die Sprache
als Vermittlung zwischen Innen und Außen
nicht mehr geeignet scheint. Auch Nietzsche
meinte, dass man mit der Sprache nicht die
Wahrheit sagen könne und begründete dies
durch die fehlende Bedeutung in den Wörtern. Er sagte: „Wir glauben etwas von den
Dingen selbst zu wissen, wenn wir von Bäumen, Farben, Schnee und Blumen reden,
und besitzen doch nichts als Metaphern der
Dinge, die den ursprünglichen Wesenheiten
ganz und gar nicht entsprechen.“
Begriffe und Wörter haben demnach nur einen schemenhaften Charakter, aber warum
stimmen sie nicht mit den Vorstellungen des
denkenden Ichs überein? Warum ist Sprache
ungleich Denken? Zunächst kann festgehalten werden, dass Wörter von Menschen
erfunden und weitergegeben wurden, um
damit etwas zu benennen. Wörter und allgemein Sprache sind nicht natürlichen Ur-
101
sprungs und nicht gleichwertig mit der Natur. Versucht man die Gedanken der Innenwelt in Worten auszudrücken, das heißt der
Außenwelt mittels Sprache seine Gedanken
zu vermitteln, scheitert man, denn die Worte sind nur unvollkommene Bilder. Schon
Platon waren Abbilder verhasst, da sie nicht
zur Idee führten, sondern sich immer weiter
davon entfernten. Die Wahrheit verblasst, da
Worte diese nicht darstellen können.
Schließlich ist es auch so, dass jeder Mensch
unterschiedliche Assoziationen zu Begriffen
hat, wie bei einer Betrachtung eines Kunstwerkes, wo die Interpretation abhängig vom
Weltbild des Betrachters ist. Es wird keine
Interpretation jemals den Kern der Wahrheit
treffen, denn Kunstwerke und auch Worte
haben schon durch ihren abbildhaften Charakter einen Großteil an Wahrheit verloren.
Bei der Vermittlung zwischen Innenwelt und
Außenwelt – dies ist nach Johann Gottfried
Herder eine Hauptfunktion der Sprache –
kann folglich nur eine eingeschränkte Übertragung stattfinden. Jeder Gedanke muss auf
dem Weg von der Innenwelt zur Außenwelt
unweigerlich in die Muster der Grammatik
eingeordnet bzw. eingesperrt werden und
verliert so seinen eigentlichen Wahrheitsgehalt. Aber auch die Aufnahme von Eindrücken der Außenwelt ist der Sprache als
Vermittlerin unterworfen. Die Eindrücke
werden erst dem denkenden Ich zugeführt,
wenn sie in grammatikalische Strukturen geordnet wurden. So scheint es fast unmöglich,
unabhängig von Sprache und Grammatik zu
denken.
Sprache und Denken sind zwar unterschiedlich, aber anscheinend eng ineinander verwoben, sodass der Mensch nicht einmal
mehr fähig scheint, die Wahrheit zu denken,
geschweige denn sie mitzuteilen, was Hugo von Hofmannsthal auch an sich selbst
bemerkte. Schränkt Sprache den Menschen
also letztendlich in seiner Freiheit ein? Ja,
denn die lebendige, sich ständig wandelnde Welt wird vom Menschen mit Worten
sortiert. Das hat gewiss viele Vorteile, aber
auch den Nachteil, dass die Freiheit der Reflexion dadurch schwinden kann. Die man-
102
gelnde Freiheit, über die Realität reflektieren zu können, führt natürlich dazu, dass die
Wahrheit nicht voll erkannt werden kann,
was ein Schaden für die Menschheit ist.
Aber wahrscheinlich schätzen wiederum
auch viele Menschen die einschränkende
Wirkung der Sprache, da sie das Denken
zu entlasten scheint. So scheint es manchen
Menschen sogar angenehm zu sein, dass sie
nicht die Möglichkeit haben, hinter die Abbilder zu gelangen. Außerdem, selbst wenn
sie die Wahrheit zweifelsfrei wüssten, könnten sie diese mittels der Sprache nicht umfassend mitteilen.
Die Zunahme von Bildern und Abbildern in
unserer Welt ist auch zu begründen durch die
Industrialisierung und die Massenmedien.
Kunst, Film und Zeitungen dienen nur einer
eingeschränkten, schwachen Abbildung der
Realität. Sie sind aber so populär, dass sie
Originalität und wesentliche Werte verdrängen. Die Sprache, welche früher idealisiert
wurde, sollte folglich skeptisch betrachtet
werden, denn sie ist als Vermittlerin zwischen Innen und Außen nicht optimal und
wird anscheinend auch immer schlechter
durch ihren Verfall. Allerdings gibt es keine
Alternative zur Sprache. Eine Metasprache
ohne Objektsprache wäre sinnlos, sodass es
vorrangig und wichtig ist, den Verfall der
Begrifflichkeit aufzuhalten durch die größtmögliche Förderung des Wortschatzes und
einen bewussten Gebrauch von Begriffen.
Denn – so sagt es Konfuzius – „stimmen
Worte und Begriffe nicht, so ist Sprache
konfus. Ist die Sprache konfus, so entstehen
Unordnung und Misserfolg. Gibt es Unordnung und Misserfolg, so geraten Anstand
und Sitten in Verfall. […] Darum muss
der Edle die Begriffe und Namen korrekt
benutzen und auch richtig danach handeln
können. Er geht mit seinen Worten niemals
leichtfertig um.“
Wir können unsere Sprache nicht einfach
abschaffen und können sie nicht ungestraft
verkümmern lassen. Wir müssen deshalb das
Vermittlungsorgan zwischen Innenwelt und
Außenwelt mit allen Mitteln der Sensibilität
und der Vernunft pflegen.
Essay: Über Thomas Manns Aussage:
„daß ein Schriftsteller ein Mann ist, dem das Schreiben
schwerer fällt als allen anderen Leuten“
Lennart Stadtmann, OI
Der Text von Lennart Stadtmann entstand
als Hausaufgabe während einer Unterrichtsreihe im Grundkurs Deutsch OI zum
Thema Sprache.
„Das Schreiben“, gestand Thomas Mann
am 10. Dezember 1946 dem Lyriker, Dramatiker und Erzähler Gottfried Kölwel,
„wurde mir immer schwerer als anderen,
alle Leichtigkeit ist da Schein.“ Etwas weiter gefasst, sagt Thomas Mann damit, dass
er in dem Phänomen „Sprache“ ein Problem
verankert sieht, das ihren Gebrauch zu einer
Herausforderung werden lässt. Gemäß dem
Zitat aus der Novelle „Tristan“, „daß ein
Schriftsteller ein Mann ist, dem das Schreiben schwerer fällt als allen anderen Leuten“,
birgt die Sprache mehrere Ebenen, und entsprechend ist es entweder „leichter“ oder
„schwerer“ zu sprechen bzw. zu schreiben.
Wieso aber sollte es einem überhaupt schwer
fallen zu schreiben? Es ließen sich unterschiedlichste Gründe erwägen. Gemeint
ist wahrscheinlich eine Schwierigkeit, die
aus dem Funktionsprinzip „Sprache“ selbst
abzuleiten ist. Sie funktioniert nämlich
nicht eindeutig und nicht immer unfehlbar.
Hier kann eine schöne Parallele zu Johann
Gottfried Herder gezogen werden, der in
der „Abhandlung über den Ursprung der
Sprache“ (1772) sagt, unsere Sprache sei
von einem tierischen Signalsystem zu unterscheiden. Der wesentliche Unterschied
liege in ihrem Ursprung. Während das Signalsystem noch in den Einflussbereich der
unfehlbaren Naturgesetze fällt, die keinen
Handlungsspielraum für den freien Willen
lassen, nimmt die menschliche Sprache eine
Sonderstellung ein.
Da die Sprache menschlichen Ursprungs
ist, eignen ihr Vernunft und freier Wille
auf Kosten der Unfehlbarkeit. Das Wesen
der Sprache ist ungegenständlich, und zu
ihrer Anwendung müssen allgemeingültige
Vereinbarungen unter den Menschen getroffen worden sein. Dazu werden Begriffe
„… wer ihn sah, mußte zu der Anschauung
gelangen, daß ein Schriftsteller ein Mann
ist, dem das Schreiben schwerer fällt als
allen anderen Leuten.“
(Thomas Mann, Tristan)
erstmal willkürlich Gegenständen, Handlungen, Emotionen, Tönen etc. zugeordnet.
Missverständlichkeiten können auf Grund
der immer nur lose geknüpften Verbindung
zwischen Denotation und Konnotation nicht
ausgeschlossen werden. Dieser Sachverhalt
muss nicht für jedermann zu einem Problem
werden. Damit konfrontiert sieht Thomas
Mann primär eine bestimmte Gruppe von
Menschen, die er als „Schriftsteller“ klassifiziert. Gemeint sind all jene, deren Aufgabe
es ist oder die Wert darauf legen, ihre Aussageabsichten möglichst klar und eindeutig zu
vermitteln. Erst eine tiefer gehende Beschäftigung mit dem, was eigentlich gesagt wird,
offenbart die Herausforderung dahinter. Bei
oberflächlicher Kommunikation hingegen
fällt ihr Gewicht gar nicht erst auf. Missverständnisse in der mündlichen Kommunikation verfliegen mit der Zeit, aber solche,
die auf Papier festgehalten werden, ziehen
möglicherweise weitreichende Konsequenzen nach sich. Der „Schriftsteller“ steht damit in besonderer Verantwortung gegenüber
seinem Wort und tut sich folglich schwerer,
dies zu verfassen als „andere Leute“, die
über Sprache gar nicht erst nachdenken.
In gewisser Weise ist das Zitat aber auch ironisch zu verstehen. Die Unterteilung in die
zwei Gruppen „Schriftsteller“ und „andere
Leute“ ist erweiterbar auf diejenigen Leute,
die sich überhaupt gewählt auszudrücken
pflegen und Gesagtes oder Geschriebenes
reflektieren, und solche, denen in ihrer Naivität die Bedachtheit und Reflexion ihrer
Äußerungen mangelt. Theoretisch besteht
doch an jeden der Anspruch, ein Sprachverantwortlicher, also, wie Thomas Mann sagt,
ein „Schriftsteller“ zu sein.
103
Ein philosophischer Essay:
Psychoanalyse oder Neurowissenschaft?
Pascal Féaux de Lacroix, 12 /Q2
Die hölzerne Spule drehte sich. Gespannt
verfolgte Freud die Rotation und registrierte, wie die Spule den Raum durchquerte und
hinter dem Bett wohl kurz zum Stillstand
kam, bis sie nach energischem Ziehen am
Bindfaden wieder hervor schnellte und zu
ihrem Ursprungsort zurückkehrte, so dass
das Spiel von neuem beginnen konnte. Sein
Enkel fand hörbaren Gefallen an seiner neuen Beschäftigung, quittierte das Verschwinden seines Spielzeugs mit einem langgezogenen „Ooh“ und stieß ein verzücktes „Da“
aus, wenn die Spule wieder ihren Weg zurück in seine Hände fand. Das Spiel wirkte
frei, aus einer Laune geboren und gerade in
seiner Schlichtheit bedeutungslos, doch der
Großvater ahnte schon lange, welche tiefe
Bedeutung er ihm zumessen musste. Denn
sein Enkel verfolgte seine Spule viel zu manisch, als dass es unverfänglich sein konnte,
und verschiedene Elemente des Spiels hatte er schon in anderen Zusammenhängen
wiederkehren sehen. So stieß sein Enkel
das „Ooh“ immer aus, wenn Gäste aus dem
Haus verabschiedet wurden, es bedeutete
wohl so viel wie „fort“, und hatte auch in
anderen Spielen seinen Platz, in denen der
Enkel scheinbar willkürlich und aus rein destruktivem Antrieb Gegenstände durch den
Raum warf und sie mit eben jenem „Ooh“
verabschiedete.
Die Bedeutung des kindlichen Spiels an sich
erschloss sich Freud in seiner Auseinandersetzung mit neurotischen Patienten, deren
Neurosen durch kindliche Traumata verursacht waren, die gerade im bedeutungsvollen Symbolismus beim Spielen aus ihrer
unbewussten Verdrängung zu Tage traten
und meistens wohl kuriert werden konnten.
Vielfach diagnostizierte der Großvater dabei
einen unterdrückten Sexualtrieb, also das
Streben nach Lust, als Ursache psychischer
Konflikte, doch das Spiel seines Enkels
schien dieses Erklärungsmuster zu sprengen. Zwar vermochte er einige Elemente des
Spiels mit seinen Theorien in Einklang zu
bringen – die Spule schien ihm ein Symbol
104
„Wie viele Menschen wohnen denn in
uns? Einer oben, einer in der Mitte, einer
im Keller? Vielleicht auch einer gefesselt
irgendwo in einem verriegelten Kabinett?
Ich misstraue der Psychologie und der
Psychoanalyse. [...] Man kann den Dämon des Menschen wohl andeutungsweise
beschreiben, aber sezieren kann man ihn
nicht [...] Der Dämon bleibt: Schmerzen,
Tod, Liebe, Hass.“
(George Grosz)
für die Mutter zu sein, von der sich der Kleine trotzig trennte, um sie schließlich, durch
den Bindfaden immer an sie gebunden,
wieder zu sich zu holen, so dass das „Da“
als Ausdruck der Freude über die Wiedergefundene gedeutet werden konnte – doch
gerade diese Dialektik von „Kommen“ und
„Gehen“ der Mutter, die für sich gesehen
durch das Lustprinzip erklärt werden konnte,
wurde durch die rein destruktiven Spiele des
Enkels nicht bestätigt. Entscheidender als
die Lust an der Wiederkehr war die Lust am
Wegwerfen, elementarer als das Lustprinzip die Freude an der Dekonstruktion und
der sinnlosen Zerstörung – der Todestrieb.
Auch als die Mutter des Enkels starb, also
wirklich „fort“ war, wiederholte der Enkel
nicht sein Spiel der symbolischen Wiederkehr, sondern das des symbolischen Todes.
(Anekdote frei erzählt nach Manfred Geier.)
Der Großvater, der nicht nur Großvater war,
sondern mit der Begründung der Psychoanalyse das bisherige Menschenbild revolutionierte, hatte den „Dämon“ des Todes
gefunden, er konnte ihn sezieren, er konnte
seine Auswirkungen sogar bis in das Spiel
der Kinder zurückführen und mithilfe seines
Theoriegebäudes nachvollziehen. War also
nicht genau das möglich, was George Grosz
in obigem Zitat leugnet: die Dämonen des
Menschen zu sezieren?
Freuds Theorien entzünden sich an der Banalität des Alltags, wie an der Spule seines
Enkels, sind davon ausgehend aber als ge-
waltige Theoriekathedrale systematisiert
und kehren mit einem totalitären Deutungsanspruch in die Tiefen der menschlichen
Praxis zurück. Diesem Anspruch unterworfen ist auch der Ansatz der Psychoanalyse,
die „Dämonen“ des Menschen, all das, was
ihn existenziell bewegt, zu finden und zu
analysieren. Gefunden wird der „Dämon“
des Menschen – im Menschen selbst. Er
ist nicht abstrakt gedacht, ist Teil des „Systems“ Mensch und gerade dadurch genau
sezierbar, wie das Beispiel des Todestriebs
zeigt. So verdeutlicht das Spiel des Enkels
doch dies: Der Tod bildet nicht einen unfassbaren Rand des Lebens, die Auseinandersetzung des Menschen mit ihm vollzieht sich
konkret, und er ist nicht nur existenzielles
Grundrauschen eines absoluten „Ichs“. Der
Mensch ist gefangen in der Dialektik aus
Sein („Lustprinzip“) und Nichtsein („Todesprinzip“), dem Streben nach Bewusstsein
und dem von Freud mit Schrecken diagnostizierten Trieb hin zum Nichts, zur Dekonstruktion und Auflösung, ist dadurch aber
in seinem Wesen so grundlegend davon bestimmt, dass er ohne das nicht gedacht werden kann.
Die Grundidee der Psychoanalyse ist, dass
das „Ich“ immer als Teil eines Prozesses
vorgestellt werden muss, der hauptsächlich
unterbewusst abläuft und versucht unterbewusste Triebe zu verarbeiten – diese entspringen aber aus der Auseinandersetzung
des Ichs mit seiner Umwelt, d. h. das „Ich“
kann nicht weltunabhängig gedacht werden.
Die Idee eines ohne die Welt denkbaren
„Ichs“ entspringt historisch dem cartesischen Dualismus, Freud zeigt aber, dass das
„Ich“ sich erst durch seine Auseinandersetzung mit der Welt konstituiert und die Idee
eines unveränderliches „Ichs“ als Wesenskern des Menschen einerseits die Komplexität des Bewusstseins als systemischen
Prozess unterschätzt, aber andererseits in
seiner Geltungskraft überschätzt – ein stetiger Kern des Menschen löst sich auf in seiner Funktionalisierung. Das was wir meinen,
wenn wir von „Ich“ sprechen, ist eigentlich
das Produkt eines Systems aus funktionellen
Einheiten, wie dem Über-Ich oder dem Es.
So ist auch das Böse als Dämon des Menschen ihm nicht metaphysisch enthoben oder
irgendwie sonst gebannt, sei es in die Gesellschaft, das System oder psychische Andersartigkeit, sondern es vollzieht sich nach
Freud in jedem Menschen selbst als Folgerung aus dem Todestrieb, der den funktionalen Einheiten der Psyche innewohnt, als eine
blinde, zerstörungswütige Aggression. Das
Böse ist also eine Frage der Gewichtung im
System Mensch, des Ineinandergreifens von
verschiedenen funktionalen Einheiten, die
bei unglücklichem Ablauf als „Output“ Böses erzeugen. Wenn das Böse als messbar,
empirisch sogar im Spiel der Kinder nachweisbar ist – ist es dadurch seziert?
Eine Frage, die zum Widerspruch geradezu
herausfordert. Das sind unheimlich provozierende Gedanken, die vor allem ein Künstler wie Grosz nicht stehen lassen kann. Hatte
nicht gerade die Kunst für sich die Aufgabe gefunden, die Dämonen des Menschen,
wenn sie schon nicht seziert werden können,
dann doch zu beschreiben, und sich ihnen
vorsichtig zu nähern? Warum sollte sie das
jetzt der Wissenschaft überlassen, und noch
dazu einer Wissenschaft, die sie selbst zum
bloßen Produkt des unterdrückten Sexualtriebs degradierte? Die Wissenschaft schien
doch durch die Systematisierung der Triebe
die Dämonen des Menschen beschreiben
zu können, aber verstanden hatte sie sie dadurch noch lange nicht.
Wenn Grosz uns aber die Möglichkeit abspricht, die Dämonen des Menschen sezieren zu können, so versteht er sie in Wirklichkeit als „Universalien“, als für sich gedachte begriffliche Einheiten, die vielleicht
monokausal auf den Menschen einwirken,
aber nicht in einer Systematisierung, wie
die Psychoanalyse sie betreibt, aufgehen.
Grosz sucht „das“ Böse, „die“ Liebe, „den“
Tod, als unabhängige Entitäten. Aus der
bloßen Intuition, das Böse sei doch mehr
als der Output eines Systems, referiert er
auf irgendetwas Unsagbares, Abgeschiedenes. Mit diesem Anspruch bewegt er sich
auf einer Ebene mit den platonischen Ideen.
Auch sie sind Universalien, die höchstens
vom Menschen „geschaut“ werden können,
auf die aber ansonsten als unveränderbaren
begriffliche Abstraktion nicht eingewirkt
werden kann, die so aber trotzdem als Erklärungsmodell für menschliche Erkenntnis
105
herhalten. Der Erkenntnisprozess ist jedoch
ein Prozess, und Abstraktion kann nicht
durch einen einfachen Verweis auf etwas
Metaphysisches erreicht werden, sondern ist
das Produkt eines komplexen gedanklichen
Prozesses eines Systems, das, mit Wahrnehmung als „Input“ gefüttert, begriffliche
Abstraktionen wieder ausspuckt. Wie genau
dieser Prozess abläuft, ist dann Gegenstand
der Erkenntnistheorie, die aber zeigt, dass
der Erkenntnisprozess über ein einfaches
Nebeneinander von „Ich“ und „Idee“ hinausgeht. „Das“ Böse ist vergleichbar mit
„der“ Idee des Pferdes und trifft letztendlich
in seiner Beziehung zum Menschen auch
keine sinnvollen Aussagen. Warum soll die
menschliche existenzielle Situation nur in
einem bloßen Nebeneinander aus „Ich“ und
Dämonen als Universalien bestehen? Zeigt
sich nicht durch die Psychoanalyse, dass das
System deutlich komplexer ist? Dabei darf
natürlich nicht davon ausgegangen werden,
dass die psychoanalytische Systematisierung des Geistes seine wirklichen Prozesse
richtig widerspiegelt. Sie bleibt nur ein Modell der Psyche – und ein ziemlich schemenhaftes noch dazu.
Die Dreiteilung aus Es, Ich und Über-Ich
ist ein erster Schritt der funktionalen Erfassung des Geistes, als solche aber auch sehr
rudimentär und anthropomorph und wird
der Komplexität des Geistes nicht wirklich
gerecht. Dies erklärt vielleicht die Reaktion von Grosz, der durch die Psychoanalyse
verschiedene Menschen in ein Ich gesetzt
sieht. In dieser anthropomorphen Zuspitzung zeigt sich ebenso die abwehrende Haltung vor der anthropozentrischen Kränkung,
dass das „Ich“ aus einem systematisierbaren
Prozess hervorgeht, als auch, wie sehr die
Psychoanalyse noch in Metaphern denkt, in
unscharfen Bildern. So zeigt sich: Die Psychoanalyse ist weit davon entfernt den Geist
zu begreifen – vielleicht weil sie einen noch
zu menschlichen Blick auf ihn wirft.
Einer anderen Wissenschaft gelingt das vielleicht besser. Die Neurowissenschaft zeigt
uns, wie sich die funktionellen Prozesse des
Geistes physisch realisieren. Dadurch ermöglicht sie einen systematischeren Zugang
als die Psychoanalyse. Gehirnzustand XY
kann so als derjenige funktionale Zustand
106
des Geistes identifiziert werden, in dem
beispielsweise die Entscheidung zu einem
Verbrechen getroffen wird und sich das Böse offenbart. Dadurch, dass die Neurowissenschaft die neuronalen Netzwerke des
Gehirns beobachten kann, kann sie direkte
Rückschlüsse auf seine funktionale Ordnung
ziehen, anders als die Psychoanalyse, die
als Grundlage praktisch nur den „Output“
des Systems hat und anhand von Störungen
auf die zugrunde liegende Ordnung schließen kann. So kann die Neurowissenschaft
vielleicht ein umfassenderes Bild vom Menschen zeichnen, das auch genauere Einsicht
über das Böse und seine Rolle gewinnen
kann.
Können wir durch das schärfere Bild der
Neurowissenschaft also das Böse in der Systematisierung auflösen? Die Neurowissenschaft könnte doch alles offen legen – welche funktionalen Zustände warum und wie
zu etwas Bösem führen. In seiner Systematisierung zeigt sich die „Banalität des Bösen“.
Und noch weitere Konsequenzen müssten
sich ergeben: Wenn das Böse so verständlich ist, könnte es doch auch gebannt werden. Wenn die funktionalen Rollen klar sind,
können sie doch auch gestoppt werden und
das System Mensch bereinigt ohne bösen
Output laufen. Psychoanalyse war doch erst
der Anfang – wir brauchen Psychotherapie!
Trotzdem sind auch hier Zweifel geboten.
Heißt das jetzt, dass wenn der Mensch vollkommen als funktionaler Prozess aufgeklärt
wäre und auf seine Gehirnzustände zurückgeführt werden könnte, er vollkommen erfasst wäre? Hat ein Roboter mit dem Computerzustand XY dasselbe existenzielles
Grundbefinden wie der Mensch mit dem Gehirnzustand XY? Wird er von denselben Dämonen heimgesucht? Anscheinend braucht
es mehr als die Systematisierung, auch wenn
es sich dabei vielleicht wieder nur um eine
anthropomorphe Intuition handelt. Auch
wenn ich erklären kann, dass der Schmerz
eine funktionale Rolle hat, indem er anzeigt,
wo im Körper eine Schädigung auftritt, so
habe ich dadurch noch nicht erklärt, warum
sich der Schmerz so anfühlt, wie er sich anfühlt. Der qualitative Gehalt eines Gehirnzustandes scheint so doch seine funktionale
Rolle zu übersteigen. Dass ich das Rote so
sehe, wie ich es sehe, hat vielleicht einmal
die Funktion, dass dadurch verschiedene
Gegenstände unterschieden werden können,
geht aber nicht in dieser Rolle auf. Ich könnte das Rote ja auch ganz anders sehen, als ich
es sehe, und es würde trotzdem weiter seine
Rolle erfüllen. Und vielleicht sehen ja auch
alle Menschen das Rote anders, obwohl sie
das gleiche meinen, wenn sie darüber kommunizieren. Dasselbe gilt doch wohl auch
für die von Grosz genannten Dämonen des
Menschen. Das Böse mag durch seine funktionale Rolle geklärt sein, trotzdem gibt es
doch so etwas wie ein bestimmtes Empfinden, böse zu sein. Liebe hat nicht nur eine
Rolle, sie ist vor allem eine Art des Empfindens – das sind alles Aspekte, die durch die
Systematisierung nicht mehr berücksichtigt
werden. Insofern zeigt Grosz vielleicht doch
auf: Dass der Dämon banalisiert und seziert
wird, heißt doch nicht, dass seine Macht geschmälert wird. Das Böse ist nicht weniger
hart, nur weil es erklärt werden kann, die
Liebe weniger intensiv, der Hass schwächer.
Und gleichzeitig ist eine Betrachtungsweise,
die diesen qualitativen Gehalt nicht berücksichtigt, nicht umfassend. Der Mensch ist
Mensch durch sein existenzielles Befinden.
Insofern braucht es auch eine Anthropologie, die nicht nur funktionalisiert, sondern
den Menschen als von diesem Befinden
geprägtes Wesen analysiert. Ein systemabhängiges Ich kann nicht zu einer objektiven
Erkenntnis über sich selbst kommen. Nur in
einer methodisch umfassenden Perspektive
kann der Mensch mit seinen Dämonen gänzlich erfasst werden.
Die Konsequenzen der Systematisierung
des Geistes reichen aber noch weiter und
erschüttern das Fundament der Philosophie
und damit die Frage, woran eigentlich die
Dämonen des Menschen gemessen werden.
Das Beispiel Erkenntnistheorie zeigt, wie
der neue Geistesbegriff die Fundamente der
Erkenntnis unterhöhlt. Die Kartographie der
Vernunft bei Kant ermöglichte Einsicht über
ihre Operatoren, ihre Wirkungsweise, ging
dabei aber von einem autonomen und als eine
Entität gedachten „Ich“ als logischer Grundlage aus. Sie vermochte als kopernikanische
Wende beweisen, dass sich die Erkenntnis
der Gegenstände nach den Operatoren des
Geistes richtet, trotzdem bleibt im neuen
Weltbild das „Ich“ als „unbewegter Beweger“ der Gegenstände im Mittelpunkt zurück. So greift nun die Psychoanalyse dieses
Fundament der kantischen Philosophie an:
Wenn das „Ich“ in einem System aufgeht, sei
es nun in der Freudschen Dreiteilung aus Es,
Ich und Über-Ich, verliert es seinen Status
als verlässliches, logisches Fundament. Es
gibt nicht nur ein begreifbares Ich, sondern
viele verschiedene „Ich-Zustände“, die sich
aus unterschiedlicher Konstitution des Systems ergeben, was größtenteils unbewusst
vonstatten geht. Welches „Ich“ soll dann als
Fundament der Erkenntnis dienen? Letztlich
fehlt die logische Begründung, wenn sich
das Fundament der Erkenntnis, das Ich, das
„Cogito“ in seiner Systematisierung auflöst
und es keinen absoluten Maßstab mehr gibt.
Diese Unterhöhlung der Maßstäbe zeigt
sich auch in der Ethik. Das absolute Ich ist
auch sein eigener Gesetzgeber in moralischen Frage: Welcher funktionale Geisteszustand aber ist identisch mit dem freien
autonomen Willen, der in Übereinstimmung
mit seiner Pflicht handelt? Ethische Gesetze werden logisch abgeleitet, setzen aber
als Fundament wieder das gesetzte, absolute „Ich“ voraus. Wenn dieses aber nicht
existiert, sondern immer relativ konstituiert
wird – was dann? Gilt dann so etwas wie der
neurowissenschaftliche Imperativ: Handle
so, dass die Maxime deines Willens im Gehirnzustand XY zugleich Grundlage einer
allgemeinen Gesetzgebung werden könne?
Da es aber keine logische Grundlage dafür
gibt, dass gerade Zustand XY frei und autonom ist, und sich Gehirnzustände laufend
ändern, universalisiert er keine Maximen
mehr, er generalisiert sie nur. Die Folge:
Ethische Gesetze können nicht mehr logisch
bestimmt werden, es ist nicht mehr logisch
ableitbar, was gut ist. Dadurch ist aber auch
nicht mehr ableitbar, worin gerade das Böse bestehen soll. Es fehlt der Maßstab, anhand dessen beurteilt werden soll, wann ein
funktionales System etwas Böses produziert.
Die Frage, wo die Dämonen des Menschen
liegen, kann letztendlich also doch nicht
beantwortet werden, denn die Konsequenz
der Systematisierung des Geistes ist ein Relativismus im erkenntnistheoretischen und
107
ethischen Bereich. Wenn sich alles als ein
voneinander abhängiges System zeigt, fehlt
das Fundament, auf dem dieses System steht
– aber vielleicht brauchen wir dieses Fundament auch nicht, wenn sich das System
selbst trägt.
Es bleibt nur die Freiheit. Die Freiheit, wie
wir das System betrachten und wo wir Maßstäbe anlegen für unser Handeln und welche
funktionalen Zustände wir gesellschaftlich
akzeptieren. Ist Gehirnzustand XY unser
Maßstab für den freien Willen oder Gehirnzustand XZ? Logisch begründen lässt sich
das nicht mehr. So muss die Gesellschaft
selbst entscheiden, welche Gehirnzustände
sie als Fundament wählt, und welche sie
ablehnt. Schon heute zeigt sich das, wenn
Betrunkenheit als Zustand juristisch strafmildernd ist. So bleibt zum Schluss: Die
Dämonen des Menschen wurden seziert, und
haben doch kein Skelett – der einzige Dämon, der bleibt, ist die Freiheit.
Ein philosophischer Essay: Von Wölfen und Lämmern
Tim Kerkmann, 11/Q1
Was will der deutsche Philosoph Hans Blumenberg mit dieser Fabel ausdrücken? Um
die Frage zu beantworten und mit historischen Entwicklungen sowie meiner eigenen
Meinung zu untermalen, werde ich versuchen, stückweise diesen Buchauszug zu
analysieren und zu interpretieren.
Anfangs nimmt Blumenberg den Zustand eines materiellen Friedens an, der jedoch nicht
auf sozialer und gesellschaftlicher Ebene
herrscht. Während einige „Wölfe“, also die
wirtschaftlichen und politischen Eliten autoritär über die Staatsgeschäfte entscheiden,
werden die „Lämmer“, die schwächeren, unteren sozialen Schichten bevormundet und
„gefressen“. Menschen, die gegen diese gesellschaftliche Ordnung vorgehen, verkennen dabei die menschliche Natur, die durch
eine ständige Institutionenbedürftigkeit
gekennzeichnet ist. Denn viele „Lämmer“
verlangen oft nach „Führungswölfen“, wofür die Weltgeschichte leider zahlreiche Beispiele geliefert hat (z.B. das „Dritte Reich“
unter Hitler 1939-45 oder die Diktatur Stalins in der ehemaligen UdSSR 1927-53). Die
Utopie des vollständigen sozialen und gesellschaftlichen Friedens scheint auf Grund
all der Kriege, der sozialen Ungerechtigkeit
und des menschlichen Egoismus immer eine
Illusion zu bleiben.
Der zweite Satz ist derart komplex, dass man
ihn auf viele verschiedene Weisen interpretieren und ausdeuten kann. Die Wahrscheinlichkeit der Anpassung der autoritären, rei-
108
„Die unzufriedenen Friedensfreunde, die
mit dem Zustand des nichtfließenden Blutes noch nicht genug haben, denken in den
Bildern eines messianischen Reiches, in
dem Wolf und Lamm miteinander weiden.
Die kleine Unwahrscheinlichkeit, daß der
Wolf dabei überleben kann, indem er Gras
frißt, wird hingenommen, obwohl sie doch
an den Zeitpunkt denken läßt, an dem
die Wölfe vom Aussterben bedroht sein
werden und sich die Wolfsfreunde zusammentun müssen, um von irgendwoher Lämmer für die Wolfserhaltung zu
beschaffen – die Lämmer von anderen
Weiden natürlich. Man merkt, daß es ein
anderer sein mußte, der sich den messianischen Zustand ausgedacht hat, als der,
der sich die Natur ausgedacht hatte.“
(Hans Blumenberg)
chen Machthaber an die sozial schwächeren
Menschen mit oftmals geringer Bildung ist
verschwindend gering. Der gewöhnliche
Prozess des „Fressens“ bezeichnete damals
in vielen Ländern das wahre Töten (z.B. die
Judenverfolgung im nationalsozialistischen
Deutschland oder auch der globale Sklavenhandel im Kolonialismus, der von der
ökonomischen und politischen Elite vorangetrieben wurde). Heutzutage ist er dagegen
charakterisiert durch sehr hohe Abgaben,
Entlassungen oder auf der ideellen, politischen Ebene durch Bevormundungen. Die
Utopie der gemeinsamen Weide, auf der
diese komplementär einander gegenüber stehenden Tierarten beziehungsweise menschlichen Wesen zusammen grasen, scheint
unmöglich. Denn durch den engen Kontakt
mit den Lämmern und die plötzliche Friedfertigkeit sind die Wölfe vom Aussterben
bedroht, weil sie ihre gewohnte Macht verlieren (metaphorisiert wird die Machtlosigkeit hierbei durch das Fressen des Grases).
Diesen Zustand ertragen die Wölfe nicht, die
geradezu nach dem Einfluss auf die Lämmer
verlangen, ähnlich wie auch die Machtmenschen nach immer mehr Opfern verlangen.
Um nun das Bedürfnis nach anderen Lämmern zu stillen, müssen die Wölfe anderswo nach frischem Fleisch suchen, was die
Gier nach Ausbeutung von Menschen darstellt. Die besänftigte Aggressivität wendet
sich also nach außen, indem die Wölfe sich
zusammentun müssen, um neue Lämmer
von anderen Weiden zu beschaffen. Dieser
Schritt stellt eine Besonderheit dar, denn
die Machtmenschen sind eher Einzelgänger,
welche häufig als Despoten die vollständige
Macht besitzen wollten, wie auch heutige
Beispiele verdeutlichen (z.B. der ägyptische
Präsident Mohammed Mursi oder Kim Jongun in Nordkorea). Auch auf wirtschaftlicher
Ebene lässt sich dieser Vorgang sogar in
Deutschland gut erkennen: Die Unternehmer müssen auf Grund des verhältnismäßig
hohen Lohnniveaus in Mitteleuropa den Arbeitnehmern viel Geld zahlen. Aus diesem
Grund lassen immer mehr deutsche Unternehmen im Ausland (vor allem in Ostasien)
ihre Produkte zu Dumpinglöhnen herstellen,
sie „fressen“ also „Lämmer von anderen
Weiden“, was durch den Prozess der Globalisierung vereinfacht wird.
Blumenberg beschreibt in dem dritten Satz
dieses Textauszuges treffend, dass die Natur einen Antagonismus eingerichtet hat,
der darin beseht, dass autoritäre Staats- und
Wirtschaftseliten die machtlosen Menschen
bevormunden, unterdrücken und ihnen Leid
zufügen. In ähnlicher Art und Weise geht
es auch in der Fauna zu. Dort gibt es bei
vielen Tierarten klar festgelegte Rangordnungen, die aber durchaus zum Überleben
der gesamten Spezies beitragen (z.B. die
Alpha-Wölfin im Wolfsrudel, wo sie durch
die Erfahrung dem Rudel hilft, jedoch gegen
Konkurrentinnen kämpft). Blumenberg verknüpft mit der Darstellung des natürlichen
menschlichen Zusammenlebens eine strikte
Absage an kommunistische und religiöse
Utopien. Die Natur ist nämlich bestimmt
durch den zum Teil knallharten Kampf ums
Überleben. Auch wenn in heutiger Zeit gesellschaftliche, technische und auch politische Errungenschaften in vielen Staaten
der Welt für demokratische Entwicklungen
mit den Menschenrechten gesorgt haben, so
existieren dennoch Führungseliten (z.B. die
Politiker oder die Leiter von großen Wirtschaftsunternehmen) mit stark divergierendem materiellem Eigentum. Die kommunistische Vorstellung einer „klassenlosen Gesellschaft“ ohne jegliches Privateigentum,
wie sie Karl Marx (1818-1883) vorgestellt
hatte, hat sich leider als undurchführbar erwiesen auf Grund des menschlichen Egoismus und besonders durch die bestehende
Ungleichheit. Blumenberg beendet diese
Fabel mit einer markanten Pointe, in der er
auch die Religion angreift. Er sagt nämlich
offen, dass es nicht ein Gott gewesen sein
kann, welcher sich diesen paradiesischen
Zustand ausdachte und gleichzeitig die Natur mit ihren vielen ungerechten und bösen
Eigenschaften schuf.
Damit entspricht diese Fabel, sofern man sie
auf das menschliche Zusammenleben bezieht, dem negativen Menschenbild, wie es
beispielsweise Thomas Hobbes (1588-1679)
vertrat. Der englische Philosoph verdeutlichte mit dem Ausspruch „homo homini
lupus“, dass der Naturzustand des Menschen
vor jeglicher Staatenbildung schlecht sei.
Das Miteinander der menschlichen Spezies
sei bestimmt durch einen ständigen Kampf
untereinander mit ungleichen Gegnern
(Wölfe versus Lämmer). Daraus folgert
Hobbes die Idee des Gesellschaftsvertrages.
D. h., die Bürger eines Staates übertragen
die gesamte Macht auf einen Souverän, sie
geben freiwillig ihr Recht auf Selbstbestimmung auf, um so Schutz zu erhalten durch
den mächtigen „Leitwolf“. Hobbes war damit der größte Theoretiker des Absolutismus
(etwa 1600-1750), einer Epoche, in der die
Könige, Fürsten und Herzöge in Europa zum
Teil willkürlich über Menschenleben entscheiden konnten.
109
Die „Lämmer“ sind jedoch oftmals nicht
fremdverschuldet in ihre Lage geraten, sondern sie haben häufig aus Bequemlichkeit
und unaufgeklärten Verhaltensweisen selber
den Raum für Bevormundung und Heteronomie geschaffen, der von ehrgeizigen Machtmenschen nur allzu gerne eingenommen
wurde. Erst die Französische Revolution
(1789-99) markierte in Europa eine Epochenschwelle: Von nun an wollten die Bürger und
Arbeiter mitbestimmen und gleichzeitig das
anachronistische Ständesystem auflösen. Im
weitesten Sinne bedeutet dies, dass die Lämmer selber bestimmen wollten, wer nun die
Leitwölfe sind, so wie es auch in einer modernen Demokratie der Fall ist.
Meiner Meinung nach hat sich die Machtlosigkeit der zahlreichen „Lämmer“ gegenüber
den Machtbefugnissen der wenigen „Wölfe“
glücklicherweise verringert durch die Epoche der Aufklärung, durch den Liberalismus
ab dem Ende des 18.Jahrhunderts sowie
durch die schrittweise Demokratisierung
der Staaten mit dem Abbau der autoritären
Herrschaftsstrukturen bis hin zur Volkssouveränität. Durch die Tatsache, dass die
„Lämmer“ nun die „Wölfe“ wählen dürfen,
müssen sich die Machtmenschen nach ihren
Wählern aus der breiten Bevölkerungsmasse richten. Allerdings gibt es dennoch in
vielen Staaten der Welt – meist Entwicklungsländer – noch viele „Wölfe“, welche
die „Lämmer“ konsequent ausbeuten, indem
sie diese Schwächeren „fressen“, also in
tiefste Not versetzen. So werden besonders
im westlichen Afrika viele Staaten autokratisch regiert. Die politische Führungselite
bereichert sich an den Einnahmen besonders
durch Steuergelder und beutet so die armen
Menschen aus.
Wegen dieser Machtbedürfnisse der Menschen hat auch die kommunistische Utopie des imaginierten Naturzustandes einer
friedlichen Koexistenz von Wölfen und
Lämmern in vielen Staaten seit 1917 (u.a.
Russland, DDR, Polen oder auch im ehemaligen Jugoslawien) leider das Gegenteil
bewirkt. Der Arbeits- und Innovationsanreiz
ist gesunken, die Wirtschaft war von einer
ökonomischen Rezession geprägt und die
Selbstbestimmung und Meinungsfreiheit der
„Lämmer“ war stark eingeschränkt. Viel-
110
mehr bestimmte die Parteielite, wie sich die
Bevölkerung in allen möglichen Lebenssituationen zu benehmen hatte. Die menschliche
Natur schien den Marxismus als unmöglich
zu gestalten, ebenso wie die religiöse Theorie des messianischen Zustandes, den Blumenberg anspricht.
Über den messianischen Zustand schreibt
Jesaja im Alten Testament der Bibel: „Wolf
und Lamm sollen weiden zugleich, der Löwe wird Stroh essen wie ein Rind, und die
Schlange soll Erde essen. Sie werden nicht
schaden noch verderben auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der HERR.“ (Jes
65,25) Gott wird in der Bibel ja bekanntlich
als der Schöpfer der Natur bezeichnet, deshalb widerspricht Jesajas Ausspruch der Realität. Denn in der Natur läuft eben nicht alles
friedlich und gerecht ab, sondern sie ist geprägt vom ständigen Kampf ums Überleben,
der wiederum die Evolution prägt. Dieser
egoistische Wille ist meines Erachtens irreversibel, auch Blumenberg enthüllt seine persönliche Meinung im letzten Satz des Zitats.
Ich halte jedoch auch die Ansicht von Hans
Magnus Enzensberger (*1929) zu diesem
Thema für sehr interessant. Anders als es die
meisten Literaten gemacht haben und weiterhin tun, übt er keine Kritik an den Wölfen,
die die Lämmer unterdrücken. Enzensberger
nimmt vielmehr die andere Sichtweise ein,
welche die Wölfe verteidigt: „gelobt sei´n die
räuber; ihr, / einladend zur vergewaltigung, /
werft euch aufs faule bett / des gehorsams,
winselnd noch / lügt ihr, zerrissen / wollt ihr
werden, ihr / ändert die welt nicht mehr.“
Die Verse bilden die letzte Strophe eines
Gedichtes im Buch „verteidigung der wölfe
gegen die lämmer“, das 1962 veröffentlicht
wurde, also 17 Jahre nach dem Ende des
Zweiten Weltkrieges. Es kritisiert eindeutig
die breite deutsche Bevölkerungsmasse, also
die „Lämmer“, welche gegen die führenden
Nationalsozialisten, also die „Wölfe“, nichts
unternommen haben, sondern die Machtausübung durch ihre Komplizenschaft erst ermöglichten. Die Lämmer haben sich also
„fressen“ lassen und sind auch nicht untereinander für sich eingetreten, so dass auch der
Holocaust mit mehr als 6 Millionen getöteten Juden möglich wurde.
Ich denke, es ist die Aufgabe aller Menschen
und aller staatlichen Gewalt, genau diese
Ungleichheit zu minimieren. Dennoch sollte
es nie wieder Ziel einer Ideologie sein, diese
empirischen Unterschiede aller Individuen,
also auch zwischen den Wölfen und Lämmern, zu nivellieren. Denn dieser Versuch
könnte zu tragischeren Situationen führen,
als es vorher der Fall gewesen ist. Für das
menschliche Gesellschaftssystem ist diese
Arbeitsteilung nämlich von enormer Bedeutung: einerseits für die „Wölfe“, welche die
Regierungsgeschäfte leiten oder wichtige
ökonomische Entscheidungen tätigen, andererseits für die „Lämmer“, welche durch
die ewige Graserei wichtige Arbeitskräfte
darstellen und so erst den Staat aufrechterhalten können.
Die Bevölkerung sollte auf jeden Fall immer
über das Recht verfügen, die Führungselite,
also die Politiker, zu wählen, damit die Bürger so am erfolgreichsten und glücklichsten
ihr Leben gestalten können. Dabei hat sich
meiner Meinung nach herausgestellt, dass
eine gewisse Staatselite mit Mitgliedern auf
Zeit notwendig ist, um so die politischen und
gesellschaftlichen Themen eingehend zu behandeln und um überlegt sowie gezielt einzugreifen. Die Wölfe sollten dabei ihre Autorität durchaus nicht untergraben, aber dennoch
immer das Wohl der „Lämmer“ im Auge
behalten, um bei allen Parteien des gesellschaftlichen Miteinanders für zufriedenstellende Bedingungen zu sorgen. Gerade diese
demokratische Regierungsstruktur, für die
viele Generationen über zahlreiche Jahrzehnte hinweg gekämpft haben, betrachte ich als
die wichtigste Errungenschaft und das höchste Gut der menschlichen Wesen. Diese gilt
es immer zu verteidigen, komme, was wolle!
Erinnerung an meine Schulzeit
Johannes Ahlmeyer, Abi ’59
Steingraben 17/19
59494 Soest
Der Autobiograph Johannes Ahlmeyer:
1940 in Bethel geboren, bin ich 1959 mit
dem Abitur vom späteren Ratsgymnasium abgegangen, habe in Bethel, Bonn und
Münster evangelische Theologie studiert
(die immer auch katholisch ist). Seit dem I.
Examen 1964 verheiratet, kam ich ins Vikariat nach Gelsenkirchen und wurde 1966
nach dem II. Examen in Dortmund–NO zum
Pastor ordiniert, tat Dienst in Hagen, Plettenberg und Ahlen. Tätigkeitsschwerpunkte
außer Gemeindearbeit waren Krankenhausseelsorge, Diakonie, Justizvollzug. Seit
„Zurruhesetzung“ 1998 wirke ich in vielen
Ehrenämtern. Aus der werdenden Autobiographie (Jahrgang 1940 und Pastor geworden – Rückblicke auf mein Erleben und
Denken) summiere ich – zwangsläufig blass
– aus zwei Kapiteln folgenden redaktionell
gekürzten Text.
Zur Gymnasialzeit der 50er Jahre: Fünfhundert Schüler hatten sich über ihre Eltern
– zwanzig Mark Schulgeld je Kind mo-
natlich – um Aufnahme ins Traditionsgymnasium
beworben, zweihundert würden angenommen werden.
Zunächst war eine Testprüfung zu bestehen.
Dreihundert Jungen bestanden die eigentliche Aufnahmeprüfung, hundert wurden u. a.
als zu jung ausgesiebt, je fünfzig sollten die
beiden neusprachlichen Klassen bilden und
je eine mathematisch-naturwissenschaftliche sowie meine altsprachliche. Als ich aufgerufen wurde, mich mit Handschlag vom
Direktor aufnehmen zu lassen, redete er
mich an: „Heh, meine Seele, die Mütze
nimmt man zur Begrüßung ab.“ Umgangssprachlich hieß er wie der englische Pfirsich
Pietsch oder Pietsch Müller. In der Tat glich
sein Haupt mit Vollglatze über der pyknischen Gestalt einem Pfirsich. Charakterlich
war er nicht nur nationalsozialistisch unbe-
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lastet, sondern eher dem Widerstand zuzudenken. Ganz und gar Schulmann Hallescher Prägung, hatte er höhere Berufungen
abgelehnt. Mit welchen Lehrern er Schule zu
machen hatte? Mit wenigen kaum noch mittleren Alters: Sei Emil erwähnt, der Turner
und Organisator, der aus geringstem Anlass
den kleinen Grünewald neben mir, beide
kaum Sextaner geworden, derart mit Fäusten
zusammenschlug, dass dieser sich noch eine
gute halbe Stunde am Boden krümmte und
nach Luft hechelte. Nenne ich zum Lateinischen dessen herben Vertreter, Ede mit
Spitznamen, der gefährlich erschien und
vielleicht sogar gewesen war! Also die Vokabeln und grammatischen Formen rauf und
runter aufsagen, vorwärts und rückwärts,
einzeln und chorweise als sprachliches Formalexerzieren! Meine Anerkennung seiner
Pädagogik rechnet ihm aber ungern jene
Schlagfertigkeit zu, die er auch mit der zur
Faust geballten Hand bewies. In der Oberstufe kamen wir wieder auf ihn zurück als
Freiwillige seiner Arbeitsgemeinschaft, in
der wir lyrisches Latein von feinsten Nuancen des Gefühlsausdrucks lasen. Hervorragend fand ich auf Sexta Dr. Raabs DeutschUnterricht, inhaltlich genau parallel zu Edes
lateinischen Bemühungen um uns. Zum Lateinunterricht von nun nicht mehr sechs Wochenstunden kam Englisch hinzu, vom Lehrer ergänzt um eine Lautschrift zur sehr genauen Aussprache. Denn: „Man sollte nicht
sofort im Feindesland – Verzeihung: im
fremden Land als Deutscher auffallen. Sein
„ungemütliches Viertelstündchen“, von dem
Ede gern sprach, bekam Wolfgang aus dem
Nachbarhaus des „Pinguin“ genannten Erdkundelehrers. Der Junge wurde beidhändig
mit Ohrfeigen begrüßt. „Wie heißen wir?“
Ob Wolfgang Vor- oder Nachnamen nannte,
wurde er noch und noch geohrfeigt, bis einige und zunehmend weitere von uns aufstanden und den Lehrer fixierten. Da erst begann
der Unterricht, als sei nichts gewesen. Die
Mittelstufe ließ uns noch jenen Lateinlehrer,
der uns auch in Religionslehre und Geschichte unterwies. Erste lateinische Lektüre
wurde Gaius Julius Caesars Schrift „Über
den gallischen Krieg.“ Einen „Pons“, die
„von einem Schulmann“ in winzige Buchform gebrachte Übersetzung ins Deutsche,
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hielt der promovierte Herr Studienrat anfangs hinter dem Pult verborgen. Für ihn war
Gallien das zeitweilig Deutschland unterworfene Frankreich, das er kreuz und quer
als Kradmelder durchpflügt hatte. Im Geschichtsunterricht bot er an, Verdun getrost
mit einstmals deutschem Namen „Wirtten“
zu benennen. In eben diesem Zusammenhang auf die Städte Eupen und Malmedy zu
sprechen zu kommen, erntete Lob: „Braves
Jungchen“, berlinerte er dann. Pietsch hatte
einen Stellvertreter, den einzigen Lehrer im
Direktorenrang, bei dem wir ab Untertertia
Griechisch lernten. Er paukte mit uns nicht,
wie es uns in jenen Flegeljahren hätte guttun können, und stand stets, zur rätselhaften
Persönlichkeit geworden, im Gegenlicht vor
dem Fenster. Er galt uns als höchst gebildeter, antik-religiös durchdrungener Heide, der
er vermutlich nicht war. Faulheit ahndete er
allenfalls mit höflichem Spott. Griechisch
wurde fortgesetzt bei einem habilitierten
Vertreter seines Faches, einem Freund von
Goethe und Hölderlin, der sich nicht zu
schade war, auch Persönliches preiszugeben.
Das entschädigte dann für die Beschäftigung
mit den Vorsokratikern und mit Platon, immer wieder Platonlektüre als antike Philosophiegeschichte. Wenigstens das Gerücht
will ich anfügen, dass die eingereichten
Klausurtexte zur Reifeprüfung in Griechisch
manchen Jahrgängen dank einer bestimmten
Forschungsmethode rechtzeitig bekannt geworden seien. Nach lyrisch orientiertem
Deutsch-Unterricht bei zwei Herren, einer
mit einer Kriegsverletzung an der Hand, der
andere seinem Fliegerhorst in Trondheim innerlich nahegeblieben, bekamen wir schließlich Dr. Raab zurück. Bei den wirklich alten
Lehrern denke ich mit Hochachtung an
Herrn „Owb“, der sich nur abgekürzt mal
so, mal als Herr „Owb“ anreden ließ und
über die Lehrbefähigung für Philosophie
und Sport verfügte. In seinem dunkelbraunen Trainingsanzug hinterließ er überall im
Gebäude einen gepflegten Eindruck. Ausgesprochen würdige und lebenspraktische alte
Herren hatte Pietsch in seinem Kollegium zu
unserer Unterrichtung in Mathematik während der Mittelstufe, einer erschien nach einem halben Jahr nicht mehr; eine Krankheit
aus dem schizophrenen Formenkreis soll ihn
dauerhaft dienstunfähig gemacht haben.
Schülern wurde über solchen Weggang
nichts erklärt. Ein anderer Mathematiker,
früher Vorstandsmitglied eines Hüttenwerks, trat ausschließlich in braunen Lackschuhen ohne das geringste Stäubchen auf.
Er fiel für längere Zeit aus, kam zwar wieder, verschwand aber nach seinem zweiten
Schlaganfall für immer. Der dritte ältere Mathematiker hatte wegen einer Handverletzung seinen Beruf als Markscheider aufgegeben. Seine leider schwache Gesundheit
ließ ihn keine zwei Jahre an unserer Schule
überstehen. Ausgerechnetes Glück hatten
wir nach viel Lehrerwechsel in der Unterund Mittelstufe während der beiden letzten
Jahre mit einem letzten Mathelehrer. Ich
verstand zwar Mathematik einigermaßen,
habe es aber in den entscheidenden Jahren
bis Obertertia an Übungsfleiß fehlen lassen,
so dass ich ohne Rechenfertigkeit blieb und
mir alle Formeln und ähnlichen Voraussetzungen für eine Klassenarbeit zeitraubend
erschließen musste und schon während des
Studiums meine Versäumnisse zu bereuen
begann. Die es sich wie ich auch freiwillig
erwählten, hätten biblisches Hebräisch
gründlich lernen können, hätte nicht der
Lehrer, ein alter Priester mit dem Spitznamen „Emanuel“ sich fürchterlich bemogeln
lassen und selbst gemogelt. Im letzten Halbjahr ist „Emma“ nicht mehr zu sehen, ein
evangelischer Pfarrer, Vater eines Klassenkameraden, unterrichtet uns als strenger
Leistungskontrolleur an seines Vorgängers
Stelle. Um auf wenige jüngere Lehrer einzugehen, so hatten wir anfangs einen sehr guten Musiklehrer, in dessen Schülerchor ich
mitsang, mit sechzehn Jahren noch im Sopran, aber das musikalische Fach war plötzlich nicht mehr besetzt. Wir waren bei diesem ersten Musiklehrer sicher genug im
Schreiben und Erkennen von Noten, im Erspüren der grundlegenden Dreiklänge jeder
Tonart und ihren Umkehrungen geworden:
Tritonus, Quartsextakkord, Septimakkord.
Kam darüber Langeweile auf, zog unser begnadeter Lehrer die Stange über dem Tastaturdeckel des Flügels ab und begann zu spielen, zum Beispiel Schumanns „Wilden Reiter“ oder Beethovens „Wut über den
verlorenen Groschen“. Eines Tages war der
Bruder Musikus leider verschwunden. Später hieß es, er sei mit gefälschten Papieren
am Gymnasium angetreten, habe auch nie
die erforderlichen Examina abgelegt. Mit
Eintritt in die die Obersekunda hatten wir je
einzeln die Aufgabe bekommen, eine Weile
vor Schulbeginn eintreffenden Lehrern höflich grüßend die Tür zu öffnen und die Mitschüler draußen bis fünf Minuten vorher
warten zu lassen. Auch hatten wir uns siezen
zu lassen. Vom Peenemünder Raketenspezialisten Willi, der sich bei uns allerpeinlichst
anbiederte, erwartete ich also ein „Sie“. Er
kommt, ich reiße die Tür auf, mache artig
meinen Diener und beginne „Guten Morgen,
Herr …“ –, als er mich schon leutselig unterbricht: „Mensch Ali, biste befördert worden?“ Wie von selbst kommt meine Antwort: „Ja, wir werden neuerdings gesiezt.“
Nicht die Situationskomik geht ihm auf, nur
meine schlagfertige Distanzierung. „Aha, so
einer bist du“, sagt er und: „Dich will ich
mal sofort dem Chef melden.“ Wir starren
uns einen langen Augenblick gegenseitig an,
dann dreht er sich auf dem Absatz um und
entschwindet eilig in Richtung Treppe und
Lehrerzimmer. Es muss auf der Stelle meinethalben eine Konferenz stattgefunden haben, denn aller Unterricht beginnt eine Viertelstunde verspätet. Karlchen Raab spricht
mich hernach kopfschüttelnd an: „Ahlmeyer, mussten Sie den Mann derart runtermachen?“ Spät erst begriff ich: Ich habe eine
große humorlose oder sich billig auf meine
Kosten mit Willi solidarisierende Lehrerschaft gegen mich aufgebracht. Wie i