Thema: Kultur - Forum Junge Anwaltschaft
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Thema: Kultur - Forum Junge Anwaltschaft
Anwalt der Anwälte G 48742 04/11 FORUM Junge Anwaltschaft im DeutschenAnwaltverein Thema: Kultur Man spricht, hört und trinkt deutsch Tempel für Iustitia – Recht als Inszenierung Kulturverfall im Rechtswesen FORUM kämpft für Syndikusanwälte Die Kunst des NEIN-Sagens forum Junge Anwaltschaft w w w. d a v f o r u m . d e Empfohlen von: „Wer außer Anwälten kann wissen, was Anwälten hilft?“ Da eine effiziente Kanzleisoftware besonders leicht zu bedienen und verständlich sein muss, wurden sämtliche Abläufe und Anwendungen zusammen mit Anwälten und ReNos entwickelt – von der Aktenverwaltung, Organisation über Vergütungsberechnung bis zum Mahnwesen. Durch modernste Softwaretechnik ist Haufe Advolux zudem stets zuverlässig, schnell und wartungsarm. Und der einfache Einstieg ist besonders für kleine und mittlere Kanzleien geeignet. www.haufe.de/advolux Editorial Kulturbeutel und Schmecken deutscher Exportgüter herausgefunden. Dabei spielt das Goethe-Institut eine ebenso große Rolle wie die Perlen deutscher Fernsehunterhaltung und ein bekanntes Hefe-Getränk. Um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede des deutschen und US-amerikanischen Rechts geht es im Direktvergleich der beiden Rechtssysteme. Dabei werden unter anderem folgende Fragen erörtert: Wie sehen die Verfassungen der beiden Staaten aus? Was kostet der Becher Kaffee den CoffeeShop-Betreiber im schlimmsten Fall? Und wie war das doch gleich mit dem Robenzwang? „Kultur (lateinisch cultura ,Bearbeitung, Pflege, Ackerbau‘, von colere ,pflegen, verehren, den Acker bestellen‘) ist im weitesten Sinne alles, was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt, im Unterschied zu der von ihm nicht geschaffenen und nicht veränderten Natur. Kulturleistungen sind alle formenden Umgestaltungen eines gegebenen Materials, wie in der Technik oder in der Bildenden Kunst, aber auch geistige Gebilde wie etwa Recht, Moral, Religion, Wirtschaft und Wissenschaft.“ Befragt man die Online-Enzyklopädie Wikipedia nach dem Begriff „Kultur“, stößt man auf diese Definition. Für diese Ausgabe der AdVoice haben junge Kolleginnen und Kollegen für bestimmte Teilbereiche der (Rechts-)Kultur jeweils eigene Definitionen entwickelt. Mit der Bedeutung, die die deutsche Kultur im Ausland hat, hat sich Patrick Ruppert beschäftigt und dabei Erstaunliches über das Sprechen, Hören AdVoice Redaktionsteam Die Wiege der deutschen Demokratie steht in Weimar, wo im Jahr 1919 die erste demokratische Verfassung Deutschlands errichtet wurde. Anke SchillerMönch berichtet, wie es dazu kam und welche Überlegungen bei der Konstituierung dieser Verfassung ausschlaggebend waren. Dass Symbole mitunter auch im Recht eine Rolle spielen, wird dem angehenden Juristen spätestens dann klar, wenn er bei Gericht an der Statue der Justitia vorbeikommt. Ein nicht nur für Juristen besonders symbolträchtiger Ort ist der U.S. Supreme Court in Washington, wie Matthias Dantlgraber weiß. Das Streiten ist eine der Primärdisziplinen der Anwaltschaft. Untrennbar mit dem Streiten verbunden ist jedoch auch das Erfordernis, sich am Ende der Streiterei zu einigen, um den Streit belegen zu können. Das gilt auch im Arbeitsrecht, in dem den Parteien in einem vorgeschalteten Gütetermin explizit die Möglichkeit zur frühzeitigen Einigung nahegelegt wird. Über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der arbeitsgerichtlichen Einigung berichtet Sebastian Günther. Es gibt Strafprozesse, die stark medial begleitet werden. Einer dieser Prozesse, der gegen den Wettermoderator Jörg Kachelmann geführte, endete im Jahr 2011 mit einem Freispruch. Gerade dieser Prozess hat jedoch auch gezeigt, welche Schäden die mediale Aufbereitung von Strafprozessen der Rechtskultur zufügen kann. Mit diese Schäden und anderen Nebenwirkungen des Zusammenspiels zwischen Medien und Strafrecht hat sich Felix Westpfahl beschäftigt. Doch es wird nicht nur über Juristen geschrieben, im Laufe der Jahrhunderte haben viele Angehörige dieses Berufsstandes auch selbst zur Feder bzw. Tastatur gegriffen. Einige von Ihnen stellt Dagmar Husmann vor. Im Jahr 2000 hat der CDU-Politiker Friedrich Merz den Begriff der „deutschen Leitkultur“ geprägt und damit unter anderem auch für heiße Debatten in Politik und Gesellschaft über die Integration von in Deutschland lebenden Ausländern gesorgt. Elke Dausacker hat diese Diskussion verfolgt und macht sich Gedanken über ihre Auswirkungen. Nun ist es wie im wahren Leben: Wie es um die (Rechts-)Kultur bestellt ist, muss jeder Leser selbst entscheiden. Entscheidungshilfen sind in dieser Ausgabe der AdVoice jedenfalls ausreichend vorhanden. Im Namen des Geschäftsführenden Ausschusses des FORUM Junge Anwaltschaft wünsche ich allen Lesern viel Spaß bei der Lektüre und einen guten Start in ein hoffentlich erfolgreiches Jahr 2012! Eure RAin Astrid Ackermann Tobias Sommer, Berlin Rechtsanwalt Chefredakteur Anke Schiller-Mönch, Weimar Rechtsanwältin Redaktion und Autorin Patrick Ruppert, Köln Rechtsanwalt Redaktion und Autor Stefanie Salzmann, Eschwege Journalistin Zentralredaktion Jens Jenau Rechtsanwalt Schloß Holte-Stukenbrock Bücherforum Andrea Vollmer, Berlin Fotografin und Bildredaktion ADVOICE 04 /11 1 Inhalt Thema: Kultur Magazin 4 Man spricht, hört und trinkt Deutsch Deutsche Kultur als Exportschlager 22 Rechtskultur Was Wissenschaftler interessiert 34 Vorgelesen und genehmigt ... und Stunden später 7 Kartoffel oder Pasta Italienische Rechtskultur 24 Eine Frage des Ausdrucks Recht und Literatur 35 Virtuelle Tupperparty Social Media und der Datenschutz 8 Burger versus Currywurst Internationales Recht im Vergleich 26 Vorhang auf für Juristen Deutsche Gerichtsfilme 36 Die Katzen der Frau Ahafzi Sozialphänomen animal hoarding 9 Geburtsort deutscher Demokratie Weimar und die Weimarer Verfassung 28 Alles was Recht ist Tipps. Bücher, Filme, Ausstellungen 37 Gericht des Monats Das BVG Leipzig 13 Mehr als Advocaten Juristen als Künstler 30 Wie war das mit der Leitkultur? Eine rechtsethische Betrachtung 38 Gegen doppelte Beitragspflicht Forum setzt sich für Syndikusanwälte ein 14 Kultur um jeden Preis? Theater am Tropf öffentlicher Kassen 33 Gibt es ein Recht auf Kultur? Eine Bestandsaufnahme 41 Fortschritt oder Stillstand? Versicherungskommunikation 16 Ein Tempel für Iustitia Recht als Inszenierung 43 NEIN als Verhütungsmittel Die Kunst des Nein-Sagens 18 Kultur der Einigung Arbeitsrechtliche Schlichtung 44 Um Leben und Tod Die Patientenverfügung 20 Kulturverfall im Rechtswesen? Sind die Medien schuld? 46 News 47 Not macht erfinderisch Selbstgebastelter Notizblock für Anwälte 48 Scheinsozien Außenauftritte mit Folgen 49 Existenzgründerbericht Eine Italienerin in München 2 ADVOICE 04 /11 Inhalt Euer FORUM 50 Vorteile der FORUMs-Mitgliedschaft 51 Medien und Justiz Herausforderung fürAnwälte 52 Andere Baustellen 5. Forum + 3 Bücherforum 57 Info + Service Psychiatrische Begutachtung Handbuch Medizinrecht 63 Autorenverzeichnis 64 Das letzte Wort Extraterrestrisch 64 Impressum Opferentschädigungsgesetz Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht Verwaltungsgerichtsordnung Beamtenrecht in der Praxis 53 Arbeitsrecht – Handbuch für die Praxis Forum an der Themse Treffen mit internationalen Kollegen Handbuch des Fachanwaltes Arbeitsrecht 54 Apps und Ups Regitreffen 2011 in Essen Der Arbeitsvertrag Ausländerrecht 54 Regionalbeauftragte gesucht Marken eintragen und recherchieren 55 FORUM regional Neue Regionalbeaftragte für Erman BGB _LG-Bezirk Heidelberg _LG-Bezirk Mönchengladbach _LG-Bezirk Ravensburg Hartz IV-Paket, Hartz IV-Mandat Betriebsverfassungsgesetz Einführung in den praktischen Journalismus Handbuch des FA Versicherungsrecht AnwaltFormulare Zwangsvollstreckung Anwalts-Handbuch Mietrecht Fotos Inhaltsverzeichnis v.l.n.r.: Markus Kirchgessner / STUDIOCANAL GmbH / Jan von Brockel_pixelio.de / Gerd Altmann_pixelio.de / Wilhelmine Wulff_pixelio.de ADVOICE 04 /11 3 Thema Man spricht, hört und trinkt Deutsch Deutsche Kultur als Exportschlager Manch einem Rechtsanwalt wird vorgehalten, dass er die eigene Kultur wenig verstünde. Vor allen Dingen mangelte es ihm an der notwendigen Außensicht, die aber über die Grenzen Deutschlands hinaus in einem vereinten Europa durchaus zweckdienlich ist, ja mandatsfördernd sein kann. Im Ausland werden „wir Deutschen“ oftmals anders beäugt. Es ist uns nicht einmal bewusst. Wir betreiben fleißig Nabelschau und verlieren uns in den Sorgen des Kanzleialltags. Dabei täte es Not, dem „kulturellen Ich“ auf die Sprünge zu helfen. „Am Deutschen Wesen mag die Welt genesen“ entstammt einem Gedicht des Lyrikers Emanuel Geibel (1815-1884). Es ist eine Sentenz, die nur vierzig Jahre nach Geibels Tod von den National- sozialisten aus dem Kontext gerissen wurde, um in ihre menschenverachtende Ideologie eingebettet zu werden. Es bedurfte zweier verheerender Weltkriege, damit dem staatlich verordneten Wahnsinn, von einer breiten Bevölkerungsschicht ursprünglich getragen, ein Ende bereitet werden konnte. Von Deutschland sollte nach 1945 nichts mehr ausgehen können, was Angst und Schrecken in die Welt tragen konnte. Wer intensive Gespräche mit der nunmehr aussterbenden Kriegsgeneration führen durfte, wird gelegentlich festgestellt haben, dass diese nicht immer die Tragweite gesellschaftlicher Fehlentwicklung und eigener Verantwortlichkeit, die letztlich aber in die Katastrophe münden musste, verstand. Mitunter kreisten die Gedanken dieser Generation auch nur um „das Gute”, das aus deutschen Landen kam. In 92 Verbindungsbüros weltweit fördert das deutsche Goetheinstitut unter anderem die deutsche Sprache. 4 ADVOICE 04 /11 „Made in Germany“, lange Zeit Qualitätssiegel für innovative und mangelarme technische Produkte aus Deutschland oder „Land der Dichter“ und Denker sind allesamt Prädikate, die mit der Bundesrepublik durchaus positiv weltweit in Verbindung gebracht wurden und immer noch werden. Doch darf der Blick ungetrübt auf derlei Auszeichnungen gerichtet werden, wenn auf deutschem Boden vor nicht allzu ferner Zeit eines der schlimmsten Kapitel in der Geschichte der Menschheit verfasst wurde? Erst neulich wurden wir durch den enttarnten Rechtsterrorismus an längst abgeschlossen geglaubte Zustände erinnert. Zustände, die eines westlichen Rechtsstaates nicht würdig sind. Ein Blick frei von jedweder historischer Eintrübung dürfte auch (für die nicht für den Holocaust verantwortlichen Generationen) undenkbar sein. Foto: Goethe-Institut / Michael Friedel Thema Zumindest gebietet die geschichtliche Verantwortung einen respektvollen Umgang mit dem schweren historischen Erbe, damit tatsächlich nie wieder Unrecht von deutschem Boden ausgehen kann. Dessen eingedenk, dürfen die positiven Errungenschaften der deutschen Kultur im weitesten Sinne aber gewürdigt werden, die sich international als echte Exportschlager erfreuen. Es sind Exportschlager, die als solche in unserem Alltag nicht immer eine Rolle spielen, weil wir sie als selbstverständlich erachten oder gar nicht erst wahrnehmen. Drei Beispiele, die mit Sprechen, Hören und Trinken zu tun haben, weisen eindrücklich darauf hin. Sprechen! Goethe-Institut Die Deutsche Sprache gehört laut des SIL International (Summer Institute of Linguistics) zu einer der meist gesprochenen Sprachen der Welt. 90 Millionen Muttersprachler und 28 Millionen Fremdsprachler, verteilt auf 43 Länder, bescheren Deutsch einen vorderen Rang hinter Chinesisch, Spanisch, Englisch, Arabisch, Hindi, Bengali, Portugiesisch, Russisch und Japanisch. Grund für die starke Verbreitung mögen keineswegs nur die Fernsehserien „Tatort“ oder „Derrick“ sein, wobei Tatort mit einer Exportländerzahl von rund 40 einen Spitzenplatz einnimmt. Verantwortlich für die hohe Verbreitung ist unter anderem das Goethe-Institut, das seit 50 Jahren weltweit tätige Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland. Schwerpunkttätigkeit der in 92 Ländern vertretenen Verbindungsbüros ist die Förderung der deutschen Sprache, die kulturelle Zusammenarbeit, insbesondere auf musischem Gebiet, und die Vermittlung eines umfassenden Deutschlandbildes. Das Goethe-Institut fördert zudem den internationalen Diskurs zu Schlüsselthemen, die in der globalisierten Welt eine besondere Bedeutung haben. Als juristische, aber wichtige Randnotiz ist zu erwähnen, dass das Goethe-Institut als gemeinnütziger Verein mit Sitz in München gegründet wurde. Zwischen der Bundesrepublik und dem Goethe-Institut regelt ein Rahmenvertrag die kulturfördernden Aufgaben des Instituts, die im Interesse der Bundesrepublik im Ausland wahrgenommen werden. Zuständig hierfür ist das Auswärtige Amt. Hören! Deutsche Welle In Zeiten des Kalten Krieges war es einst wichtig, im innerdeutschen Nachbarschaftsverhältnis unzensierte Nachrichten aus Deutschland West und aller Welt hinter den eisernen Vorhang zu befördern. Am einfachsten ging das per Radiowelle, genauer gesagt, per Kurzwelle. Diese, wie hätte es auch anders sein sollen, wurde regelmäßig mit eigens installierten Störsendern „beschossen“. Schließlich war es nicht schicklich, sich beim Klassenfeind außerhalb der SED-Parteilinie zu informieren. Der öffentlich-rechtliche Auslandsrundfunk der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Bonn und dem etwas antiquiert klingenden Namen „Deutsche Welle“ war seit seiner Gründung 1953 aber mehr als nur „Flurfunk“ von West- nach OstDeutschland. Nach § 4 DWG (Deutsche-WelleGesetz) ging es stets um das Ziel, Deutschland als europäisch gewachsene Kulturnation und freiheitlich verfassten demokratischen Rechtsstaat weltweit verständlich zu machen. Dank der Fremdsprachenredaktionen konnten zwischenzeitlich über 30 bedeutsame Sprachen rund um den Globus mit Rundfunksendungen bedient werden. Wenn man Reichweitenerhebungen glauben darf, die in regelmäßigen Abständen durchgeführt wurden, so wurde das Radioprogramm nicht nur von deutschen Auswanderern und Urlaubern international geschätzt. Manch Konflikt, so sagen Befürworter des deutschen Auslandsrundfunk, konnte dank unabhängiger Berichtserstattung aus Deutschland günstig im Sinne der Bevölkerung beeinflusst werden. Trotz der linguistischen Diversität gehört es ähnlich wie beim Goetheinstitut im besonderen zum Auftrag, die Verbreitung der deutschen Sprache zu fördern. Sehr beliebt sind seit ihrer Einführung daher die Deutsch-als-Fremdsprache-Kurse, die die Deutsche Welle online anbietet. Zur Erreichung des Sendeauftrags stellt der Bund Mittel zur Verfügung, die sich aus Steuergeldern finanzieren. Anders als die inländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erhält die Deutsche Welle nämlich kein Geld aus Rundfunkgebühren, was sie stets unter erhebliche Sparzwänge brachte. Finanznot ist auch ein Grund, warum mit Ablauf des 29. Oktobers 2011 letztmalig in Kurzwelle gesendet wurde. Fortan will sich die Deutsche Welle auf ihr Fernsehangebot DW-TV und das Internet mit DWWorld.de konzentrieren, um sauber recherchierte, staatlich unabhängige Nachrichten weltweit verfügbar zu halten. Trinken! Reinheitsgebot Ob Kanzleiparty oder Oktoberfest, große inländische Feiern profitieren davon, dass „unser Bier“ haltbar und sauber ist, und das nicht nach freiem Erfindungsgeist der Pharma- und Lebensmittelindustrie. Das „Deutsche Reinheitsgebot“ (DRG) wabert als Qualitätsetikett in unseren Köpfen und gibt beim Biergenuss dass gutes Gefühl, dass das Gebräu ausschließlich aus Gerste, Hopfen und Malz („Gott erhalt's“) besteht. Der informierte Jurist weiß allerdings, dass dank der europäischen Rechtsprechung die strengen Brauereiregeln nur noch für in Deutschland hergestelltes, sogenanntes untergäriges Bier gelten, das nicht für den Export bestimmt ist. Was sich nach Ende des Mittelalters bierbrauende Mönche als hohen Standard auf die Flaggen geschrieben haben, ist mit der Überschwemmung des Einzelhandels mit Biermischgetränken aus „überall“ beinah nur noch Selbstverpflichtung. Dennoch, und das wissen Kolleginnen und Kollegen auch, die Lebensmittelrecht zu ihrem Fachgebiet rechnen, genießt das DRG gerade außerhalb der Bundesrepublik einen Ruf wie Donnerhall – dies vielleicht auch deshalb, weil der Donnerhall am nächsten Morgen nach intensivem Biergenuss möglicherweise eher ausbleibt als nach dem Konsum des landesursprünglichen Gerstensafts. Beispiele findet man allenthalben. Tsingtao etwa, benannt nach der ostchinesischen Hafenstadt Quingdao, ist das meistverkaufte Bier Chinas. Die Brauerei geht auf die Gründung durch deutsche Braumeister zurück und orientierte sich am DRG. Selbiges gilt auch für das japanische Sapporo-Bier, das man hierzulande aus schicken Sushi-Bars kennt. Übrigens, das DRG ist die älteste noch gültige lebensmittelrechtliche Vorschrift der Welt. Sie wurde im Jahre 1516 durch die Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. von Bayern erlassen und über die Jahrhunderte konserviert. Aktuell sind die Bestimmungen des DRG vor allen Dingen in den Normen der Durchführungsverordnung zum vorläufigen Biergesetz und in der Bierverordnung verklausuliert. RA Patrick Ruppert, Köln D ADVOICE 04 /11 5 Thema Kartoffel oder Pasta Die italienische Rechtskultur – oder nur noch „Bunga, Bunga“? dass sie zufälligerweise wie maßgeschneidert für die eigene Situation sind. Man stelle sich unsere Kanzlerin inmitten leicht bekleideter, junger Männer vor. Spätestens jetzt merkt man, wie eng der Umgang und die Pflege des Rechts auch mit der Politik des eigenen Landes verbunden sind. Und genau diese Politik Berlusconis war auch ein Grund dafür, das immer mehr Italiener auf die Barrikaden gingen. Wer nämlich den Blick über die Alpen wagte, fand zwar nicht mehr einen Cesaren, dem die Trauben zum Mund gereicht werden, doch aber einen Premier, der sich selbst der Nächste war. Alle für einen und einer für sich selbst. Und somit nur ein Musketier, dass seine Partner um sich herum zu vergessen haben schien. Man findet nach wie vor ein Land, bei dem die Gerichtsverfahren sich so in die Länge ziehen, dass es einen nicht wundern würde, wenn die Parteien am Ende gar nicht mehr wüssten, was sie eigentlich am Anfang des Prozesses vorgetragen haben. Bilderbuch-Italien. Foto: Alexander Dreher_pixelio.de Rechtskultur oder „cultura giuridica“ wie der Italiener sagt. Aber was genau verstehen wir eigentlich darunter? Gibt es innerhalb Europas denn noch so große Unterschiede? Vor allem, weil wir doch so viel Wert legen auf all diese Möglichkeiten, die uns ein gemeinsames Europa bietet. Wir reisen dank Schengen problemlos in andere Länder und sind uns in vielerlei Hinsicht so nahe. Aber wäre es bei der ganzen Gemeinsamkeit und Vereinheitlichung nicht auch schön, sich ein wenig Eigenart bewahren zu können? Eine berechtigte Frage in Zeiten der Globalisierung, des Euros und eines gemeinsamen Rettungsschirmes. Haben Italiener und Deutsche eigentlich eine andere Vorstellung vom Recht und seiner individuellen Anwendung? Hätte man einen Italiener noch vor Kurzem gefragt, was er unter italienischer Rechtskultur versteht, wäre die Antwort sicher nicht „Bunga, Bunga“ gewesen. Es geht auch nicht um die Frage, wie man Gesetze in der Weise erlässt, Italien, das Land der „dolce vita“, des süßen Lebens, das geprägt ist von der beschwingten Lebensart seiner Einwohner, die gutes Essen lieben und dort leben, wo Deutsche Urlaub machen. Es ist aber auch ein Land, das geführt wurde von einem Premier, der die Beschwingtheit vielleicht ein wenig zu wörtlich genommen hat und sein Land auch nach der 51. Vertrauensfrage innerhalb von vier Jahren immer noch weiterführen konnte. Allerdings nicht für lange. Aber auf der anderen Seite gibt es eben auch immer mehr, vor allem junge Italiener, die genau dies nicht mehr ertragen und sich für ihr Land etwas anderes wünschten. Eben einen anderen Umgang, eine andere Anwendung und Pflege des Rechts, eine andere Rechtskultur. Sicher, individuelle Vorstellungen können voneinander abweichen. Aber ausgerechnet ein Premier, der nicht nur die öffentlichen, sondern auch einen Großteil der privaten Fernsehsender in seiner Person vereint, sollte und kann nun nicht länger die (Rechts-)Kultur des schönen Italiens prägen. Denn so wie das Recht die Kultur formt, formt auch die Kultur eben immer das Recht. Nicht zuletzt die Vorlesung zur römischen Rechtsgeschichte lässt uns daran erinnern, dass es einen gemeinsamen Ursprung unserer Rechtsordnungen gibt. Soweit, so gut. Mit der Zeit haben sich im Hinblick auf die Anwendung und den individuellen Umgang mit dem Recht jedoch kleine feine Unterschiede herausgebildet, woraus sich auch Schlüsse auf die eigene Rechtskultur ziehen lassen. Wer in der italienischen Rechtsordnung zum Beispiel das deutsche Abstraktionsprinzip zu finden glaubt, kann lange suchen. Den Italienern reicht ausschließlich der Konsens zwischen den Parteien, der beispielsweise die Übertragung eines Rechts schon dann stattfinden lässt, wenn die Willenserklärungen in rechtmäßiger Weise abgegeben wurden. Das reicht. Ein Zeichen dafür, dass die Dinge auch funktionieren können, wenn man nicht alles doppelt und dreifach regelt und absichert. Zur doppelten Absicherung ein weiteres Beispiel: In ausbildungstechnischer Hinsicht steht Deutschland, was seine Juristen betrifft, eher allein auf weiter Flur. Während man sich in Italien von Vornherein entscheiden kann und muss, welchen Berufsweg man später einschlagen möchte, also das Anwaltswesen der Richterschaft vorzieht oder andersherum, so ist dies in Deutschland ja bekanntermaßen nicht möglich. Schade eigentlich. Oder? Denn die Qual der Wahl hat man so oder so. Auch die Umsetzung der einzelnen EU-Richtlinien lässt trotz einer gemeinsamen Grundlage auch unterschiedliche Umsetzungsmöglichkeiten der Länder zu. Dies betrifft zum Beispiel den Bereich der Mediation, bei dem Italien einen obligatorischen Ansatz gewählt hat und das „mediare“, also das Vermitteln zwischen den Parteien, zu einem Muss in einigen Rechtsgebieten geworden ist. Ein deutscher Ansatz, könnte man denken. Falsch gedacht. Aber gibt es denn überhaupt richtig oder falsch, wenn es um Kultur geht? Besser oder schlechter? Kartoffel oder Pasta? Nicht nur für den Bereich der Rechtskultur eine Frage, die meines Erachtens nicht entschieden werden muss. RAin Maria Knor, Hamburg Bunga Bunga ... ist ein Ausdruck für ungewöhnliche Sexualpraktiken. Benutzt wurde er in der Ruby-Affäre um Silvio Berlusconi. ADVOICE 04 /11 7 Thema Burger versus Currywurst Deutsches und US-amerikanisches Recht im Direktvergleich Welcher Snack macht das Rennen, weil er den Gaumen mehr verzückt, das Kauen erleichtert und länger vorhält? Die (Un-)Kultur des „stopp, friss und weiter“ hat sich jedenfalls hüben wie drüben in derart bemerkenswerter Weise fest etabliert, dass eine klare Antwort nach dem Sieger schwer fallen dürfte. Der Hamburger steht für den „fleischgewordenen“ amerikanischen Traum, dass man es überall, also auch in Deutschland, schaffen kann. Die Currywurst hingegen ist ursprünglich bieder und weiß nicht wirklich, woher sie stammt, entweder aus dem Ruhrpott oder aus Berlin. Dennoch erfreut auch sie sich vielleicht wegen ihres leicht übertriebenen Kultstatus besonderer Beliebtheit. Doch nicht alles, was aus Amiland nach Deutschland schwappt, ist wirklich so heiß begehrt. Das sehen US-Bürger umgekehrt ähnlich, was deutsche Errungenschaften betrifft. Gerade im Bereich des Rechts gibt man sich gern dies- und jenseits des Atlantiks überbetont selbstbewusst und verweist auf die vermeintlich ältere Rechtstradition. Angeben, auch in Fragen der Juristerei, ist ein Teil der tief verwurzelten, freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten von Amerika. So richtig wissen wir oftmals nicht, was eigentlich die trennenden Unterschiede im Recht sind. AdVoice hat sich aufgemacht und ein wenig Basisarbeit betrieben. Einige wenige Merkmale von „hier und dort“ seien ausschnitthaft im Direktvergleich präsentiert. Verfassung USA Libertas in Robe - die römische Göttin der Freiheit. 8 ADVOICE 04 /11 Foto: Gerd Altmann_pixelio.de Die Amis behaupten stolz, sie hätten die älteste vom Volk ausgehende föderale Verfassung der Welt. Das mag man ihnen tatsächlich kaum abstreiten können, bedenkt man, dass bereits am 17. September 1787 die Staatenrepublik mit ursprünglich 13 Gründungsstaaten samt präsidialer Führung und Gewaltenteilung proklamiert wurde. Wichtige Grundprinzipien wie etwa die Habeas Corpus Akte, die eine willkürliche Verhaftung verhindert, wurden für alle Bürger verbindlich. „Alle“ bezog sich aber defacto nicht von Anfang an auf alle in den „Staaten“ lebenden Menschen. Sowohl die Ureinwohner Nordamerikas, die indianischen Stämme nämlich, als auch die schwarz-afrikanische Bevölkerung, die als Leibeigene auf Farmen wie Vieh gehalten wurde, hatten zunächst nichts von der humanistischen Thema Grundordnung. Denn trotz offizieller Abschaffung der Sklaverei mit Inkrafttreten des 13. Zusatzartikels zur Verfassung vom 18. Dezember 1865 wirkte die Diskriminierung besonders der Afroamerikaner bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts fort. Die gerade auf die individuelle Freiheit abzielende Verfassung verbietet es dem Staat in vielerlei Hinsicht einzuschreiten. Deutlich wird das unter anderem bei der Meinungsfreiheit, 1. Zusatzartikel zur Verfassung. Das Recht der freien Rede („freedom of speech“) ist sehr weitreichend und hätte in anderen westlichen Rechtsstaaten längst Volksverhetzung oder die Anstiftung zu erheblichen Straftaten zur Folge. Auch ist das Recht der Selbstverteidigung mittels Waffengewalt jedermann grundsätzlich gestattet. BRD Entgegen ihrem westlichen Verbündeten kann die jüngere Bundesrepublik nur auf 62 Jahre Verfassungstradition zurückblicken. Nach Ende des zweiten Weltkriegs 1945 lag Deutschland in Schutt und Asche und musste rasch wieder aufgebaut werden. In Westdeutschland hatten es die westlichen Alliierten sehr eilig, ein in sich stabiles und weitgehend selbständiges System zu installieren, um einen wirksamen Schutz gegen den sich von Osten ausbreitenden Kommunismus zu errichten. Kernsatz der bundesrepublikanischen Verfassung ist die Unantastbarkeit der Menschenwürde aus Art. 1 GG, der in der jüngeren Vergangenheit aber nicht immer von allen Juristen zutreffend ausgelegt wurde. So hielt es der damalige Staatssekretär der bayerischen Regierung, Peter Gauweiler (CSU), 1987 für angemessen, an AIDS Erkrankte zwangsweise zu melden und zur Vermeidung weiterer Ansteckung sogar einzusperren. Er scheiterte letztlich mit seinem Vorstoß in der Länderkammer. Anders als die US-Verfassung, betont die deutsche die Verpflichtung zum Sozialstaat, was ein völliges Abgleiten der Bürger in Hunger und Armut verhindern soll. Zivilrecht USA Schadensersatzsummen in Millionenhöhe etwa wegen zu heißem Kaffee schießen einem unweigerlich in den Sinn, denkt man an das US-amerikanische Zivilrecht. Astronomische Schadenssummen kommen vor allen Dingen deshalb zustande, weil in einem „Civil Jury Trial“ – üblich ab einer Schadenssumme von 20 US-Dollar – juristische Laien die Schadensbemessung vornehmen. Je nach Bundesstaat entscheiden zwischen sechs und zwölf Geschworene gleichberechtigt neben dem Berufsrichter. Prägend im Zivilrecht ist vor allen Dingen das Common Law, das nicht kodifizierte Gewohnheitsrecht. Hiernach beziehen sich die juristischen Einschätzungen auf eine weit, teilweise in das 19. Jahrhundert und darüber hinaus zurückreichende Entscheidungstradition. BRD Dank der Preußen gilt seit Anfang des 20. Jahrhunderts im Gebiet der heutigen Bundesrepublik das Bürgerliche Gesetzbuch als die Mutter des Zivilrechts. Wer sich mit Rechtslinguistik befasst, wird rasch merken, welche Normen im sich ständig anpassenden BGB alten oder neueren Ursprungs sind. Beinah alles ist in Deutschland normiert, was teilweise unübersichtliche Paragraphenketten hervorruft. Das Richterrecht spielt hierbei eine vergleichsweise untergordnete Rolle. Das universelle Verständnis über die gesetzliche Systematik entwickelt sich im Laufe einer langen Jurististenausbildung, wie wir wissen. Außenstehende stehen nicht selten ehrfürchtig vor dieser, weil sie reines Auswendiglernen von Gesetzen vermuten. Wegen der Fülle des Stoffs heißt es aber in jedem Fall: „Ein kluger Jurist weiß, wo es steht.“ Strafrecht USA „Living on the death row“, also im Todestrakt leben, gehört in 34 von 50 US-Bundesstaaten auch heute noch zum Alltag. Insbesondere einer alten Auslegung der Bibel folgend, soll es den Menschen mit staatlicher Autorität erlaubt sein, Kapitalverbrecher nach einem fairen Gerichtsverfahren hinzurichten. Ein Skandal, wie immer mehr aufgeklärte Bürger meinen. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gilt zwar auch der Grundsatz der Unschuldsvermutung. Straftäter müssen jedoch mittels eigener Beweisführung ihre Unschuld belegen. BRD Die Todesstrafe ist nicht nur in Deutschland, sondern europaweit geächtet, auch wenn manch einer je nach Bildschlagzeile wieder für ihre Einführung plädiert. Solange das Gericht nach freier Überzeugung in der Verhandlung nicht zum Ergebnis gelangt, die Beweise der Anklage reichen zu einer Verurteilung, ist der Angeklagte freizulassen; abgeleitet aus Art. 6 Abs. 2 EMRK, Art. 103 Abs. 2 GG, § 261 StPO. Robe USA Nur Richter sind zum Tragen einer Robe verpflichtet. Staats- und Rechtsanwälte erscheinen bei Gericht stets ohne. BRD Rechtsanwälte müssen eine Robe tragen – oder etwa doch nicht? Der einstige Robenzwang wurde zwi-schenzeitlich in einigen Gerichtssprengeln deutlich gelockert. So ist es in Berlin seit Februar 2009 dank der „Allgemeinen Verfügung über die Amtstracht der Berliner Rechtspflegeorgane“ jedem Berufsträger selbst überlassen, ob er die Robe tragen will. Von der Wahlfreiheit ausgenommen bleiben jedoch weiterhin Richter und Staatsanwälte. Erfolgsvergütung USA Das dürfte allseits bekannt sein, dass amerikanische „law firms“ erfolgsbasiert arbeiten. Von den eingangs erwähnten hohen Schadensersatzsummen fallen schon einmal zwischen 30 und 50 Prozent als Anwaltshonorar im Falle des Obsiegens an. Bei Niederlagen heißt es im Gegenzug aber: Vergütungsverzicht. So jedenfalls wird es oftmals frei mit Mandanten im Vorfeld vereinbart. BRD In Deutschland regiert das RVG, das mit Wirkung vom 1.7.2008 auch Erfolgshonorare erlaubt. Entgegen falschen Medienberichten ist eine Erfolgsvergütung nur dann zulässig, wenn Mandanten wegen ihrer finanziellen Lage von einer Prozessführung abgehalten würden (§ 4a RVG). Wer ernstlich eine Vertiefung seiner Kenntnis in der Rechtsvergleichung über Currywurst-Burger-Niveau hinaus anstrebt, dem sei die Deutsch-Amerikanische Juristen-Vereinigung e. V. (www.dajv.de) als eine Informationsquelle empfohlen. Auch gibt es eine Vielzahl von Werken, die sich mit der deutschen und US-amerikanischen Rechtskultur im Vergleich differenziert auseinandersetzt; nicht zu vergessen die ungezählten Links im Internet. Tipp für kurzentschlossene USA-Reisende: Zuerst der Besuch eines Night Courts (spät abendliche Gerichtsverhandlung) und danach auf zu einem leckeren Hamburgermahl. . RA Patrick Ruppert, Köln > www.dajv.de Die Deutsch-Amerikanische Juristen-Vereinigung e. V. ist mit 3.000 Mitgliedern aus Deutschland und den USA die größte binationale Juristenvereinigung Deutschlands. ADVOICE 04 /11 9 Thema Geburtsort deutscher Demokratie In Weimar wurde nicht nur Kultur-, sondern auch Rechtsgeschichte geschrieben Sie stehen da auf ihrem Sockel, dicht beieinander, obwohl sie in Wahrheit gar nicht so eng miteinander gewesen sein sollen: Goethe und Schiller vor dem Deutschen Nationaltheater in Weimar. Keine Frage – Weimar und Kultur, das gehört zusammen. 1999 war die thüringische Stadt gar Kulturhauptstadt Europas. Doch in Weimar wurde nicht nur Kultur-, sondern auch Rechtsgeschichte geschrieben. Deutschland schreibt das Jahr 1919, genauer den 6. Februar 1919. Im Deutschen Nationaltheater in Weimar tritt die Nationalversammlung zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Weimar hatte man gewählt, weil es in Berlin wegen der Unruhen zu unsicher war. Und so ging nach dem Ende des Ersten Weltkrieges aus der Novemberrevolution die Weimarer Republik hervor. Schon nach dem Ausbruch der russischen Februarrevolution 1917 war es in Deutschland zu ersten Streiks gekommen. Die sozialen Spannungen im Kaiserreich mit seinen vordemokratischen Strukturen und seiner Reform- unfähigkeit trieben zirka 300.000 Rüstungsarbeiter auf die Straße. Bereits vor der Novemberrevolution war es die letzte Regierung des Deutschen Kaiserreiches unter Prinz Max von Baden, die mit den Oktoberreformen noch die Parlamentarisierung der Reichsverfassung durchführte. Außenpolitisch sollten damit die Siegermächte zu günstigeren Friedensbedingungen bewogen werden. Vor allem die Sozialdemokraten unter Friedrich Ebert übernahmen Regierungsverantwortung in dieser Zeit. Den 5. Oktober 1918 bezeichnete Ebert schließlich als „die Geburt der deutschen Demokratie“. Ausgerufene Republiken Gut einen Monat später, am 9. November, gab Max von Baden die Abdankung des letzten deutschen Kaisers, Wilhelm II., bekannt, mittags 12 Uhr. Gut eine Stunde später übergab er Friedrich Ebert das Reichskanzleramt und trat schließlich selbst zurück. Noch am gleichen Tag, wiederum kaum eine Stunde später, gegen 14 Uhr, rief schließlich Philipp Scheidemann eine demokratische Deutsche Republik aus. So ziemlich parallel zu Scheidemann proklamierte Karl Liebknecht als Sprecher des Spartakusbundes in Berlin die Freie Sozialistische Republik. Der am Folgetag gebildete sechsköpfige Rat der Volksbeauftragten unter dem Vorsitz Friedrich Eberts war sich uneins über die Staatsform – Revolution und Sozialstaat versus Neuwahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung sozusagen. Schließlich sprach sich Mitte Dezember 1918 der Reichsrätekongress in Berlin gegen eine sofortige Sozialisierung und für Wahlen zur Nationalversammlung aus. Die Weihnachtsunruhen, der Spartakusaufstand und die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht prägen Deutschland in dieser Zeit und im Februar 1919 die Weimarer Nationalversammlung mit ihrer Weimarer Verfassung. Seit 1857 lassen die beiden Dichterfürsten Goethe und Schiller mit steinerner Mine die Stürme der Geschichte an sich vorüberzeihen - so auch 1919, als die Weimarer Nationalversammlung die 10 ADVOICE 04 /11 Thema Staatsgewalt liegt beim Volk Hugo Preuß, späterer linksliberaler Reichsinnenminister, zeichnete maßgeblich verantwortlich für den grundlegenden Verfassungsentwurf. Bereits während des Krieges hatte er einen demokratisch überarbeiteten Verfassungsentwurf vorgelegt. Das verschaffte ihm Bekanntheit als überzeugter Demokrat und Gegner des Obrigkeitsstaates. „... die Staatsgewalt liegt beim Volk, – das ist der Leitgedanke der freistaatlichen deutschen Verfassung von Weimar ...“, sagte er in der Begründung seines Entwurfes. Der Preußische Entwurf löste heftige Diskussionen zwischen den verschiedenen politischen Lagern aus. Denn der Entwurf stellte eine tiefe Zäsur zur politischen Ordnung des Kaiserreiches dar. Der wiederum fühlten sich manche politischen Lager aber nach wie vor eng verbunden. Auch wenn die Weimarer Verfassung tatsächlich demokratischer Natur war, empfanden sie nicht wenige als Kompromisslösung. Viele Parteien mit vielen unterschiedlichen Idealen führten zwangsläufig zu Kompromissen anstelle politischer Grundsatzentscheidungen. Das wiederum erschwerte die Identifikation, brachte aber auch Normenvielfalt mit sich. Die Weimarer Republik war geprägt von diesen zahlreichen Parteien. Man spricht auch davon, dass der Staat Weimar eine „Demokratie ohne Demo- Weimarer Verfassung beschließt. Quelle: Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Weimarer_Republik kraten“ gewesen sei. Das klingt drastisch und ist wohl auch nur bedingt richtig. Allerdings zeigt es das Dilemma dieser zahlreichen Parteien, die oft die ideologische Ausrichtung ihrer unmittelbaren Vorgänger aus dem Kaiserreich übernommen hatten. Es gab schlicht und ergreifend keinen Verfassungskonsens, der alle eingebunden hätte – eben das gesamte politische Spektrum von ganz rechts bis ganz links. Bis zu 17 Parteien waren im Reichstag vertreten. Weniger als elf waren es selten. In den 14 Jahren ihres Bestehens waren elf Minderheitenkabinette nur regierungsfähig durch Duldung von Parteien, die nicht zur Regierungskoalition gehörten. Beständigkeit ist etwas anderes. Seit 1930 regierte man gar vor allem mittels Notverordnungen anstelle von Gesetzen. Einführung der Grundrechte Für das damalige Deutsche Reich brachte die Weimarer Reichsverfassung dennoch erstmals eine parlamentarische Demokratie mit in ihrer Verfassung festgeschriebenen liberalen und sozialen Grundrechten. Der auf vier Jahre gewählte Reichstag war gesetzgebendes Organ für die Reichsgesetze. Bei ihm lag auch das Haushaltsrecht. Der Reichstag konnte sowohl den Kanzler als auch Minister durch ein konstruktives Misstrauensvotum absetzen. Der Reichskanzler war sowohl vom Reichspräsidenten als auch vom Reichstag abhängig. Eine herausgehobene und die machtpolitisch potenziell einflussreichste Rolle hatte der Reichspräsident. Zu diesem wurde am 11. Februar 1919 in Weimar Friedrich Ebert gewählt. Für sieben Jahre gewählt, hatte er die Befugnis, im Einvernehmen mit dem Kanzler Notverordnungen zu erlassen, sogar zeitweilig Grundrechte außer Kraft zu setzten. Zu diesen gehörte, dass alle Deutschen vor dem Gesetz gleich sind. Anders als im heutigen Grundgesetz ist Rechtsgleichheit damals noch ein Staatsbürgerrecht, kein Menschenrecht. Heute heißt es in Art. 3 Abs. 1 GG: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Es wurde geregelt, dass weder Adelstitel noch Orden und Ehrenzeichen mehr vom Staat verliehen werden. Die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Recht auf freie Meinung, der Schutz von Ehe und Mutterschaft, Versammlungs- und Wahlfreiheit, Glaubens- und Gewissensfreiheit und der Verzicht auf eine Staatskirche – das alles war Verfassungsinhalt. „Eigentum verpflichtet.“ So stand es schon in Art. 153 Abs. 3. der Verfassung der Weimarer Republik. RAin Anke Schiller-Mönch, Weimar Fotos: Karl_Heinz Laube_pixelio.de / Sascha Mönch ADVOICE 04 /11 11 Beschleunigt das Verstehen. Der Nomos Handkommentar zum BGB. Die Neuauflage 2012 jetzt lieferbar. Der Handkommentar bietet eine hochwertige und übersichtliche Darstellung des BGB. Mit seiner klaren Struktur zeigt er Zusammenhänge auf und vermittelt das Verständnis für eine sachgerechte Problemlösung. Der Verzicht auf kryptische Abkürzungen sowie die praxisorientierte Darstellung und Problem- auswahl führen rasch zum Ergebnis. Durch gründliche und tiefgreifende Aktualisierung über den gesamten Bestand ist das Werk befreit von Altlasten. Ein hervorragendes und effektives Arbeitsmittel für die Praxis, das zudem auch im PreisLeistungsverhältnis kaum zu schlagen ist. Weitere Informationen: nomos-shop.de/13860 Bürgerliches Gesetzbuch Handkommentar Von Prof. Dr. Dr. h.c. Reiner Schulze | Prof. Dr. Heinrich Dörner | Prof. Dr. Ina Ebert | RiOLG Prof. Dr. Thomas Hoeren | Dr. Rainer Kemper | RiOLG Prof. Dr. Ingo Saenger | Prof. Dr. Klaus Schreiber | Prof. Dr. Hans Schulte-Nölke | Prof. Dr. Ansgar Staudinger 7. Auflage 2012, 2.776 S., geb., 59,– € ISBN 978-3-8329-6810-6 Nomos Thema Große Köpfe Film, Musik, Literatur – überall finden sich Juristen Alexander Kluge prägte die deutsche Kulturlandschaft mit Filmen und Büchern und leistete Lobbyarbeit in Sachen Kultur. ALEXANDER KLUGE Filmemacher, Schriftsteller „Unter den bekannten deutschen Autoren ist Alexander Kluge, glaube ich, der unbekannteste.“ So hat es Hans Magnus Enzensberger in der Zeitschrift „Der Spiegel“ 1978 charmant auf den Punkt gebracht. Es ist ein Zitat, das sich festgesetzt hat, wenn es um Alexander Kluge geht, den Rechtsanwalt Dr. jur., Träger des großen Verdienstkreuzes und des Grimme-Preises, Filmemacher, Schriftsteller und Fernsehsendeplatzerfinder – ein Jurist, der die Juristerei zugunsten der Kultur in die zweite Reihe gestellt hat, der sich den juristischen und politischen Möglichkeiten aber immer bewusst war und sie zu nutzen wusste. Kluge ist in der heutigen Wahrnehmung aber vor allem ein Intellektueller, der die bundesdeutsche Kulturlandschaft mit eigenen Büchern und Filmen geprägt hat. Er ist aber auch ein Mensch, der Lobbyarbeit in Sachen Kultur betrieben und dabei einige wesentliche Weichen gestellt hat, die unsere kulturelle Wahrnehmung bis heute prägen dürften. Eine seltene Mischung. Anfang der 1960er Jahre initiiert der 1932 in Halberstadt als Sohn eines Arztes geborene Kluge das Oberhausener Manifest mit, laut Wikipedia „eine politische und ästhetische Unabhängigkeitserklärung junger deutscher Filmemacher“ und Geburtsstunde des neuen deutschen Spielfilms. So wurde Kluge durch preisgekrönte Filme wie „Abschied von gestern“ ein wichtiger Repräsentant des Neuen Deutschen Films und des Autorenfilms. Gelernt hatte er das Filmhandwerk u. a. als Assistent von Regisseur Fritz Lang. GUSTAVE FLAUBERT Nein, gemocht hat er sie nicht, die Rechtswissenschaften. Im Gegenteil. Der französische Schriftsteller Gustave Flaubert, dessen wohl bekanntestes Werk der Roman „Madame Bovary“ (erschienen 1857) ist, hat die Juristerei gehasst. Er hielt sie für seinen Feind, sein persönliches Karthago und verglich sich mit dem römischen Senator Cato, der angeblich jede seiner Reden mit den berühmten Worten beendete: „Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss („Ceterum censeo Carthaginem esse delendam“). In einem Brief schrieb Flaubert im Jahre 1842: „Die Rechtswissenschaften bringen mich um, verblöden und lähmen mich, es ist mir unmöglich, dafür zu arbeiten. Wenn ich drei Stunden meine Nase in das Gesetzbuch gesteckt habe, während derer ich nichts begriffen habe, ist es mir unmöglich, noch weiter fortzufahren: Ich würde sonst Selbstmord begehen (was sehr betrüblich wäre, denn ich berechtige zu den schönsten Hoffnungen). (...) Wie dem auch sei, ich scheiße auf die Rechtswissenschaften. Das ist mein ‚Delenda Carthago’.“ – Auf Französisch klingt das so: „N’importe, merde pour le Droit!“ Irgendwie etwas eleganter. Aber dennoch ist es nicht überraschend, dass Flaubert sein Jurastudium nicht beendete, sondern 1843 abbrach. Und das war auch gut so. Heute glänzt er zusammen mit Stendhal und Balzac als Dreigestirn der französischen Realisten am Literaturhimmel. Ach, was hätte aus uns werden können! * 12.12.1821 in Rouen, † 8.5.1880 in Croisset (bei Rouen) MD BERNHARD SCHLINK Seine juristische Dissertation trägt den Titel „Die Universitätsselbstverwaltung“ und stammt aus dem Jahr 1956. 1958 wird er erst einmal Anwalt. Er verknüpft immer wieder seine juristischen Fachkenntnisse mit seinem Kulturschaffen auf einer politischen Ebene. Er gehört zu den wichtigsten Initiatoren der deutschen Filmförderung und er setzte für das Kino die enge Zusammenarbeit mit dem Fernsehen durch. Als Geschäftsführer der Produktionsfirma DCTP beteiligte er sich in den 90er Jahren am Privatsender Vox und „rettete“ ihn später. DCTP ist vor allem bekannt durch Formate wie Spiegel und Stern TV. TS Schriftsteller Schriftsteller Zwischen all den Pflichtübungen und Klausuren im Studium muss es zunächst gar nicht aufgefallen sein, dass Bernhard Schlink mehr als nur ein „gewöhnlicher“ Hochschullehrer ist. Das im CF Müller Verlag erschiene Werk Staatsrecht II oder der besser unter den Autorennamen bekannte „Pieroth/Schlink“ gilt als eines der Standardlehrbücher in Sachen Grundrechte. Wer in Bonn, Frankfurt/M. oder Berlin das Vergnügen hatte, seinen Vorlesungen zu lauschen, der kann heute stolz behaupten, einem viel geachteten Literaten zugehört zu haben, dessen schriftstellerisches Schaffen sogar Foto: Regina Schmeken Hollywood in seinen Bann zog. Schlinks Roman „Der Vorleser“ aus dem Jahr 1995 wurde mit Starbesetzung (u. a. Kate Winslet, Ralph Fiennes und Bruno Ganz) 2008 verfilmt und zu einem Welterfolg. Der 1944 geborene Jurist, so muss man annehmen, folgte seiner tiefen Leidenschaft, dem Lesen von Kriminalromanen, in die Autorenschaft – beinah logische Konsequenz für ihn, dass dem begeisterten Buchkonsum sein Erstlingswerk folgen musste. 1987 verfasste er gemeinsam mit Walter Popp den Roman „Selbs Justiz“, Buch eins der „Selb-Trilogie“. Es folgten weitere Bücher wie „Die gordische Schleife“ und die Fortsetzung der Selb-Trilogie mit „Selbs Betrug“ und „Selbs Mord“. Schlink wurde in der Literaturszene gefeiert und mit einer Reihe von Auszeichnungen, unter anderem dem FriedrichGlauser-Preis und dem Welt-Literatur-Preis. Schlink gehört heute zu den wichtigen zeitgenössischen deutschen Schriftstellern. PR WASSILY KANDINSKY Maler Kandinsky wurde 1866 in Moskau, als Sohn einer wohlhabenden Teehändlerfamilie geboren. Nach Abschluss des Abiturs entschied er sich im Alter von 19 Jahren für ein Studium der Rechtswissenschaften und Volkswissenschaften an der Lomonossow Universität. 1893 schrieb Kandinsky seine Dissertationsarbeit „Über die Gesetzmäßigkeit der Arbeitslöhne“. Anschließend bekleidete er eine Stelle als Privatdozent und erhielt drei Jahre später, 1896, ein Angebot für einen Lehrstuhl der Rechtswissenschaften der estnischen Kreishauptstadt. Zur Überraschung aller lehnte der begabte Jurist jedoch die Professur ab, da er zuvor einer Ausstellung französischer Impressionisten beiwohnte und dort seine Liebe zur Kunst wiederentdeckte. Kandinsky selbst erklärte sein Handeln mit den Worten: „Begeisterung und Hingabe für die Wissenschaften, die ich geliebt habe, verblassten gegenüber der Kunst, denn sie allein ließ mich Zeit und Raum vergessen." Schließlich siedelte er im gleichen Jahr nach München um und schlug dort seinen neuen Lebensweg ein, der ihn später zu einem der bedeutendsten Künstler des Expressionismus machen sollte. VL * 16.12.1866 in Moskau, † 13.12.1944 in Neuilly-sur-Seine ADVOICE 04 /11 13 Thema Kultur um jeden Preis!? Theater und seine Position am Tropf der öffentlichen Kassen Wer in Deutschland lebt, der mag es kaum bemerken, dass wir uns auch in der Provinz eines reichhaltigen Kulturangebots erfreuen dürfen. Ob Groß- oder Kleinstadt spielt keine Rolle. Kulturbetriebe gibt es in Hülle und Fülle, so dass sich bei klugen Bürgern die Frage geradewegs aufdrängen dürfte, wie es um die Existenz der so zahlreichen Institutionen bestellt ist. Diese wäre dann leicht zu beantworten, wenn es selbstverständlich wäre, dass eine breite Masse der Bevölkerung nicht nur in Kinos, Freizeit- und Tierparks, sondern auch bereitwillig und in Scharen in die Theater- und Orchesterhäuser der Republik strömte. Dann nämlich könnte unschwer festgehalten werden, dass besonders Schauspiel und Musikdarbietungen aller Art wirtschaftlich tragfähig sind. Doch ist dem so? Man muss kein Prophet sein, um die Antwort längst zu kennen. Es verwundert niemanden, dass gerade Schauspielhäuser und Opern massive Unterstützungsleistungen der öffentlichen Hand entgegennehmen und ohne diese auch gar nicht lebensfähig wären. Ein Blick in den Kulturfinanzbericht 2010 macht es plastisch. 3,1 Milliarden Euro wurden im Jahr 2007 für Theater und Musik über öffentliche Haushalte bereitgestellt. Zum Vorjahreszeitraum war das eine Steigerung um 3,5 Prozent. In einer Gesellschaft, in der zwar, formell betrachtet, das Abitur zum angestrebten Standard zu werden scheint (2008 besaßen laut aktuellem Bundesbildungsbericht 45,1 Prozent, also 440.000 Absolventen Studienberechtigung – eine Verdopplung zu 1980), geraten „hohe Kultur und Kunst“ entgegen dem formellen Bildungsproporz ins Hintertreffen. Das klassische Bildungsbürgertum von einst mit seinem erkennbar elitären Anspruch, der im Besonderen die Erhaltung und Belebung von Kultur beinhaltete, geht in einer den wirtschaftlichen Notwendigkeiten folgenden Gemeinschaft auf. Es gibt sogar Stimmen, die den Untergang der Kultur vorhersagen und trotz hoher Schulbildung eine Prekarisierung der kulturellen Verhältnisse befürchten. Wer einmal in einem nicht gefüllten Theater saß, in dem etwa Shakespeares König Lear aufgeführt wurde, könnte diese Sorge um das kulturelle Erbe nachvollziehen. Müsste man also zu dem Schluss gelangen, dass – unterstellt, nur ein geringer Anteil der Bevölkerung nutzt die kulturelle Vielfalt regelmäßig – derart hohe derart hohe Unterstützungsleistungen nicht 14 ADVOICE 04 /11 zu rechtfertigen sind? Gerade vor dem Hintergrund so drängender Probleme wie der Stabilisierung des europäischen Wirtschaftsraumes könnte ein rigoroses Sparverhalten angezeigt sein. Müssten Kulturbetriebe daher nicht umgehend entkoppelt werden von jedweder öffentlicher Alimentation, die letztlich auf den Steuerzahler zurückfällt? Dies hätte unzweifelhaft den Vorzug, dass über Subventionsleistungen entstehende Wettbewerbsverzerrungen entfielen und für alle Kulturbetriebe gleichermaßen der Markt das Steuerungselement wäre – ergo eine Stärkung der in Art. 12 GG gewährleisteten Berufs- und Gewerbeausübungsfreiheit? Wie sieht es eigentlich rechtlich aus? Worauf fußen kulturelle Förderung und Subvention? Hierbei müssen wir uns in Erinnerung rufen, dass es zweierlei von Unterstützungsleistungen gibt, klassische Finanzhilfen und steuerliche Erleichterungen. Finanzhilfen beruhen auf Normsetzung der Exekutiven, auf Haushaltsentscheidungen und auf spezifischen, über den Haushalt hinausgehenden gesetzlichen Regelungen. Steuervergünstigungen folgen grundsätzlich einer gesetzlichen Grundlage. Hinzu kommen die Haushaltsgrundsätze, die dafür sorgen, dass nicht mit dem Füllhorn Kulturunternehmen begütert werden – verankert in unserer Verfassung und den nachrangigen Gesetzen wie dem Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG), der Bundeshaushaltsordnung (BHO), den entsprechenden Landeshaushaltsordnungen (LHO) und dem Sozialgesetzbuch (SGB). Schließlich verlangt europäisches Gemeinschaftsrecht, dass Wettbewerbsbeeinträchtigungen durch den Staat vermieden werden. Alles in allem ist es ein komplexes Spektrum von Normen, deren Beachtung zuweilen jedwede Entwicklung von Kultur lahmlegen kann. So sind Finanzwissenschaftler und vor allen Dingen Juristen rasch die „Spaßbremsen“, weil sie nicht immer die Bedeutung von Kultur verstünden, so heißt es vielerorten. „Ja zur Subvention“ sagt Andreas Erdmann, Chefdramaturg am Schauspiel Frankfurt. Warum insbesondere Theater der besonderen Unterstützung der Allgemeinheit bedürfen, erläutert er im Interview gegenüber AdVoice. Es ist ein leidenschaftliches Plädoyer für den Kulturstandort Deutschland, das der 40-Jährige hält. A: Welche Bedeutung wird heutzutage dem Theater als Vertreter der „hohen Kultur“ beigemessen? E: Theater diskutiert Werte und formuliert sie auch. Die Bedeutung und Wichtigkeit dieser Diskussion liegt darin, dass wir heute erkennen, dass Werte nicht zeitlos sind. Werte veralten, werden umformuliert, verschwinden und werden ersetzt durch andere Werte. Diese neuen Werte und Formulierungen aber brauchen genau den Diskurs, der in vielfältigen Formen von subventionierter Kultur, nämlich in den Künsten, im Theater, auf dem Buchmarkt, in Zeitschriften, in der Wissenschaft stattfindet. All das sind Wertediskurse, die heute nicht mehr streng genommen wirtschaftlich und aus sich selbst heraus gewinnbringend funktionieren, und daher subventioniert werden müssen. A: Was heißt das für die Art des Diskurses? E: Viele von diesen Diskursen finden in experimenteller Form statt. Sie sind darum auch häufig nicht oder nicht mehr rentabel. Das gilt heute aber oft auch schon für ganz traditionelle Träger des Diskurses wie die Printmedien. A: Printmedien allerdings müssen sich tragen. Wenn sie nicht ausreichend Inserenten und Käufer finden, werden sie sich nicht am Markt halten. E: Ja, das ist richtig, deshalb verschwinden auch viele davon. Es gibt eine gesellschaftliche Umstrukturierung gerade auf diesem Sektor in Richtung Internet, wie beispielhaft zu beobachten ist. Inwiefern klassische alte oder archaische Medien wie bildende Kunst, Theater und Tanzmusik in anderen Medien aufgehen können, kann ich jetzt nicht erörtern. Es ist auch nicht so leicht feststellbar wie der Transfer der Zeitschriftenlandschaft in das Internet. In der Produktion und Umformulierung gemeinschaftsbildender, ideeller Werte liegt, so glaube ich, ein großer Teil der Bedeutung von subventionierter Kultur. Und darin liegt auch ihre Notwendigkeit. A: Und wie soll das in der Praxis nachvollziehbar gemacht werden? Wer erhält welche Unterstützung und wie viel? E: Im Einzelfall wird diese Notwendigkeit und auch die Subventionswürdigkeit eines jeden Mediums oder Instituts ständig neu verhandelt, und zwar anhand von komplizierten und individuell abgestimmten Erfolgsparametern, die deshalb ins Gewicht fallen, weil sich der Erfolg vieler Kulturinstitutionen nicht am Einspielergebnis ablesen lässt. Auf diese Verhandlung müssen wir letztlich vertrauen. Wir müssen vertrauen, dass die Art und Thema Weise, wie kulturelle Leistungen eingeschätzt werden, auf Dauer richtig ist und unsere Kultur beschützt und weiter gedeihen lässt. Man darf nicht unterschätzen, dass auch der bettelnde Philosoph in der Tonne durch sein Opfer und die fehlende Wirtschaftlichkeit seines eigenen Tuns einen riesigen Subventionsbeitrag leistet, dem die Gesellschaft wiederum mit ihrem Anteil an der Subvention entgegenkommt. Eine Gesellschaft, die sich nur aus Produktivität und Wachstum definiert, ist kopflos. Werte und Wertediskussionen muss es immer auch jenseits reinen Wirtschaftlichkeitsdenkens geben. A: Welche Ableitungen hieraus ergeben sich für Juristen, die in Theatern, Kulturbetrieben tätig sind oder tätig werden wollen? E: Juristen sind notwendige Mitarbeiter und Beschützer unserer Kultur und ihrer Strukturen. Das höchste Gut, das wir zu verteidigen haben und wofür das Recht uns Mittel zur Verfügung stellt, ist Mundfreiheit, Experimentierfreiheit. Experiment erzeugt aber Konflikte. Und das Gesetz ist nicht nur dazu da, größtmögliche Konfliktfreiheit zu gewährleisteten. Rechtsstreit und Rechtsprechung sind ein wesentlicher Teil des Wertediskurses. Und es ist nicht immer nur ein Skandal, wenn dem Theaterexperiment eine juristische Auseinandersetzung folgt. Wirtschaftlichkeitsdenken und der ganz normale Kampf ums Überleben, der heute schwerer wiegt als noch vor 15 Jahren, domestizieren die kulturelle Auseinandersetzung häufig mehr, als gut für sie ist. Umso mehr gilt es darum, die bestehenden und garantierten Freiräume zu verteidigen. Wir brauchen sie. Das Gespräch führte AdVoice-Redakteur Patrick Ruppert Andreas Erdmann Andreas Erdmann (40) studierte in Hamburg unter Jürgen Flimm klassische Schauspielregie. Später wechselte er ins Fach Dramaturgie. Er arbeitete u. a. am Schauspielhaus Zürich und Bochum, bevor er 2009 Geschäftsführender Dramaturg am Schauspiel Frankfurt wurde. Ab der Spielzeit 2012/13 wird Erdmann Leitender Dramaturg am Burgtheater in Wien. Er ist zudem Autor verschiedener Bühnenwerke und Hörspiele. > www.schauspielfrankfurt.de Andreas Erdmann wird ab der Spielzeit 2012/2013 Chefdramaturg am Burgtheater Wien. Foto: Patrick Ruppert ADVOICE 04 /11 15 Thema Ein Tempel für Iustitia oder: Recht als Inszenierung Der U.S. Supreme Court ist ein Ort voller Symbole und viel Zauber ums Recht Gleißendes Licht verschließt die Augen, zwingt dazu, den Blick abzuwenden. Strahlend weiß, heller noch als das gegenüberliegende Kapitol, erhebt sich die Säulenfront des Supreme Courts der Vereinigten Staaten. Der weiße Marmor reflektiert das Sonnenlicht, insbesondere der helle Boden des Vorplatzes blendet diejenigen, die nicht mit einer Sonnenbrille vorgesorgt haben. Die deutschen Justizpaläste entstanden, als sich die dritte Gewalt im späten 19. Jahrhundert von der Exekutive emanzipiert hatte und mit neu gewonnenem Selbstbewusstsein auftrat. Der Monumentalität der Kaiser- und Königspaläste stellte man Gerichte gegenüber, die wie jene Macht und Machtanspruch verkörperten und dies gegenüber den Bürgern sinnlich erfahrbar zum Ausdruck brachten. Die Gewaltenteilung war auch der Anlass für die Errichtung des Supreme-Court-Gebäudes. Es ist erstaunlich, dass es ein solches bis zum Jahr 1935 nicht gab. Bis zu diesem Zeitpunkt fanden die Verhandlungen des Gerichts in einer Kammer des Kapitols statt. Um die Eigenständigkeit des Su- preme Courts gegenüber dem Parlament zu betonen, erhielt der Architekt Cass Gilbert den Auftrag für ein repräsentatives Gerichtsgebäude. Gilbert baute jedoch keinen Palast, sondern einen griechisch-römischen Tempel. Einen Tempel für Iustitia, die Göttin der Gerechtigkeit. »Einen Tempel für Iustitia, die Göttin der Gerechtigkeit. Hier wird alles zum Symbol.« Hier wird alles zum Symbol. Die zweimal acht korinthischen Säulen der Fassade verweisen sowohl auf die griechische Demokratie als auch auf die Macht des Alten Roms. Allenthalben schöne Symmetrie. Schon immer haben die Menschen das Schöne in Verbindung mit dem Guten und Gerechten gesehen. Der antike Sakralbau, zu dem eine breite Freitreppe hinaufführt, bringt aber auch zum Ausdruck, dass es hier um etwas Erhabenes, Altes und Heiliges geht. Um eines der ältesten Ideale der Menschheit: Die Idee der Gerechtigkeit. Diese ist – das wusste Platon schon – nicht von dieser Welt. Was ist Gerechtigkeit? Wer weiß das im Einzelfall schon so genau? Es verhält sich mit der Gerechtigkeitsidee wie mit allen nichtirdischen, himmlischen Dingen. Es ist leichter, sie zu verehren als zu wissen, was darunter zu verstehen ist. Manche sagen: Gerechtigkeit ist Gleichheit. Das geht zumindest in die richtige Richtung. Über den Säulen des Supreme Courts stehen in riesigen Lettern die berühmten Worte: „Equal Justice Under Law“. Die Frage nach der Gerechtigkeit zu beantworten ist schwierig. Dies verdeutlicht eine große Figur, die sich links der großen Freitreppe befindet. Sie heißt „Contemplation of Justice“ und ist eine Allegorie des Nachdenkens über die Gerechtigkeit. Eine schöne Frau, in sich gekehrt und zurückgelehnt auf einem Thron sitzend. Die linke Hand ruht auf einem Buch. Die rechte Hand hält eine kleine Statue der Iustitia, wie so häufig dargestellt als Frau mit verbundenen Augen, das bekannteste Rechtssymbol überhaupt. Allem Nachdenken zum Trotz. Die Idee der Gerechtigkeit wird immer abstrakt bleiben. In die konkrete Wirklichkeit übersetzt wird sie durch das Recht. So thront folgerichtig gegenüber der Frauenfigur auf Der Supreme Court in Washington strotzt vor Symbolik. Der antike Sakraalbau bringt das Erhabene eines der ältesten Ideale der Menschheit zum Ausdruck: die Idee der Gerechtigkeit. 16 ADVOICE 04 /11 Thema der anderen Seite der Freitreppe eine Männerfigur mit Namen „Authority of Law“, eine Allegorie des Rechts. Die Symmetrie ist gewahrt, das Paar ist vereint. Der muskulöse Mann sitzt in aufrechter Haltung, wachsam der Außenwelt zugewandt. In den Händen hält er eine Gesetzestafel und ein Schwert. Im Idealfall erlässt der Gesetzgeber auf der Grundlage der Gerechtigkeitsidee die Gesetze. An die Stelle eines diffusen Gerechtigkeitsgefühls tritt ein konkreter Rechtssatz, der sich auf den Einzelfall anwenden lässt und notfalls mit dem Schwert, also mit Zwang durchgesetzt werden kann. und spricht die traditionelle Eröffnungsformel, die mit den Worten „God save the United States and this Honorable Court“ endet. Jetzt hat jede Seite genau 30 Minuten Zeit, ihre Argumente vorzutragen. Nach einer Stunde beendet der Vorsitzende die Verhandlung mit der Schlussformel: „The case is submitted“. »Wenn man die Verhandlung vor dem Karlsruher Gericht mit einem evangelischen Gottesdienst vergleicht, so ist diejenige vor dem Supreme Court ein katholisches Hochamt.« Es geht förmlicher zu als beim Bundesverfassungsgericht, aber auch feierlicher. Wenn man die Verhandlung vor dem Karlsruher Gericht mit einem evangelischen Gottesdienst vergleicht, so ist diejenige vor dem Supreme Court ein katholisches Hochamt (gegenwärtig ist der Supreme Court sogar tatsächlich katholisch: Sechs Richter gehören dieser Konfession an, drei sind jüdischen Glaubens und kein einziger ist protestantisch – überraschend in einem Land, dessen Elite sich klassischerweise aus den „White Anglo-Saxon Protestants“ rekrutierte). Das Symbolhafte der Gebäudefassade setzt sich im Gerichtssaal fort. In diesem herrscht wiederum vollendete Symmetrie. Ein quadratischer Raum, eingefasst von 24 Säulen aus italienischem Marmor und einem roten Vorhang, dessen Farbe die Atmosphäre des Raumes bestimmt. Wenn sich der Vorhang für die neun auf Lebenszeit ernannten und mit schwarzen Roben bekleideten Hohepriester des Rechts öffnet, verläuft die Verhandlung nach einem festen, zeremoniellen Muster. Die Richter begrüßen sich gegenseitig per Handschlag und betreten in einer vorgeschriebenen Reihenfolge den Saal. Der Gerichtsdiener klopft zweimal mit dem Hammer Im Rahmen der durch die Tradition festgelegten Formen hat die Verhandlung aber auch ganz profane Züge. Die halbe Stunde, die jede Seite zur Verfügung hat, besteht nicht in erster Linie aus einem Vortrag des Anwalts. Kaum hat dieser zur Rede angesetzt, unterbricht ihn einer der Richter und stellt eine Frage. Für diese Zwischenfragen, die dicht aufeinander folgen und die Verhandlung prägen, gibt es keine Regeln. Jeder Richter kann sich jederzeit einmischen. Oder es bleiben lassen. Richter Clarence Thomas ist beispielsweise dafür bekannt, dass er manchmal jahrelang keine Frage stellt. Während der Anwalt spricht oder Fragen gestellt werden, kippeln die Richter auf ihren Stühlen. Manchmal lehnen sie sich so weit zurück, dass sie fast hinter dem Richterpult verschwinden. Bis sie dann plötzlich wieder auftauchen, um sich in die Diskussion einzuschalten. Würden die Entscheidungen des Supreme Courts auch ohne den ganzen Zauber die gleiche Akzeptanz finden? Ohne Säulen, Roben und Rechtsliturgie? Ohne diese Legitimation durch Ästhetik? Es ist zu hoffen, dass sie letztlich doch nur eine untergeordnete Rolle spielt. Denn Ästhetik kann auch täuschen. Sie kann durch ihre emotionale Wirkung als unmittelbar evident und richtig erscheinen lassen, was gar nicht so eindeutig ist. »Während der Anwalt spricht oder Fragen gestellt werden, kippeln die Richter auf ihren Stühlen.« Am Ausgang fällt noch einmal die kleine Figur der blinden Iustitia ins Auge. Sie ist blind, weil vor ihr alle Menschen gleich sind und gleich behandelt werden sollen. Aber führt nicht gerade die formale Gleichbehandlung oft zur materiellen Ungleichheit, also Ungerechtigkeit? Setzt sich dann nicht immer der Stärkere durch? Bedürfen Schwächere nicht eines besonderen Schutzes? Oder ist das dann eine ungerechte Bevorzugung? – Nun, da haben wir es wieder: Was ist Gerechtigkeit? Eine alte Frage. Ass. iur. Matthias Dantlgraber, Berlin Fotos: Fotos: Collection of the Supreme Court of the U.S. ADVOICE 04 /11 17 Thema Die Kultur der Einigung Geschichte und Gegenwart der arbeitsrechtlichen Schlichtung Handschlag statt Züchtigung. Heute lassen sich die meisten Fälle per Gütetermin regeln. Beginnt man seine Tätigkeit als Rechtsanwalt, wird einem bereits nach den ersten Mandaten klar, dass die Einigung zwischen den Parteien einen guten Weg zur Beendigung dieses Rechtsstreits darstellt. Und dies nicht, weil das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) für diesen Weg eine Einigungsgebühr vorsieht. Vielmehr ist i.d.R. die Tatsachenfeststellung sehr aufwendig, so dass die Abkürzung über einen Vergleich allen Beteiligten gelegen kommen dürfte – nicht nur im Arbeitsrecht. In vielen Rechtsbereichen wird also versucht, zunächst die Einigung (oder den Vergleich, die Schlichtung) herbeizuführen. Besonders interessant sind die Streitigkeiten im Arbeitsrecht. 18 ADVOICE 04 /11 Historie Bereits im 16. und 17. Jahrhundert wurden Streitigkeiten zwischen Handwerkern untereinander und zwischen ihnen und ihren Gesellen durch die (nichtstaatliche) Zunftgerichtsbarkeit entschieden. Deren Prinzipien bestanden in der Nichtzulassung von Rechtsanwälten und in dem auf Konsens und Schlichtung angelegten mündlichen und summarischen Verfahren. Die Einigung stand im Vordergrund. Es folgte im 19. Jahrhundert auf Initiative von 23 Berliner Kattundruckerei-Unternehmern die Einrichtung eines staatlichen Fabrikengerichts. Die ordentliche Gerichtsbarkeit mit all seinen Formalien, den Foto: (goenz_com photography berlin)_pixelio.de Prozesskosten und der fehlenden Sachkunde wurde als unpassend empfunden. Der Fabrikenrichter wurde von zwei Fabrikenkommissaren unterstützt, zudem stellten die Fabrikanten Sachverständige zur Verfügung. Auch bei den Verfahren dieser Einrichtung sollte eine gütliche Einigung angestrebt werden, um die Streitigkeiten zügig beenden zu können. Es soll an dieser Stelle jedoch nicht verschwiegen werden, dass zur Disziplinierung von Lehrlingen aus der geringeren Volksklasse eine mäßige körperliche Züchtigung als angmessen erschien. Der Ursprung für die in heutigen arbeitsrechtlichen Streitigkeiten durchzuführende Güteverhandlung liegt beim Verfahren der conseils de prud’hommes. Thema Diese Räte der Gewerbesachverständigen tagten 1806 in Lyon und wurden später auf weitere Städte übertragen. Jede Streitigkeit wurde zunächst vor dem Vergleichsbüro ausgetragen. Erst nach einem fehlgeschlagenen Einigungsversuch kam es zu einer Verhandlung. »Es soll (...) nicht verschwiegen werden, dass zur Disziplinierung von Lehrlingen aus der geringeren Volksklasse eine mäßige körperliche Züchtigung als angemessen erschien.« 1890 dann wurde mit dem Gewerbegerichtsgesetz der Grundstein für die heutige Arbeitsgerichtsbarkeit gelegt. Die deutsche Arbeitsgerichtsbarkeit wurde vereinheitlicht, die Richterbank wurde neben dem Vorsitzenden paritätisch besetzt. Rechtsanwälte waren übrigens bei der Prozessvertretung ausgeschlossen. Für die Angestellten wurde ein Kaufmannsgericht geschaffen, welches dem Gewerbegericht ähnelte. 1926 schuf man das Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), durch welches die Arbeitsgerichte als staatliche Gerichte eingerichtet wurden. Zunächst durften lediglich die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände die Prozessvertretung übernehmen. Die Zeit des Nationalsozialismus führte dann zu einem Rückschritt, da die bisher erstrittenen Errungenschaften (Gerichtsbarkeit ausgerichtet auf eine Schlichtung, paritätische Besetzung der Richterbank) abgeschafft wurde. Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte reduzierte sich mit aller Hässlichkeit Hitler-Deutschlands auf Entlassung und Ausgrenzung der jüdischen und kommunistischen Arbeitnehmer – mithin kein Kapitel der Einigungskultur. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt Westdeutschland eine eigene Arbeitsgerichtsbarkeit im klassischen dreistufigen Aufbau. In der ersten Instanz ist allem vorangeschaltet eine Güteverhandlung Pflicht. Ab dem Jahr 2002 wurde diese Einrichtung von der ordentlichen Gerichtsbarkeit in den Zivilprozessen übernommen. Es hat sich bewährt, durch den Einigungsversuch den Prozess zu beschleunigen – also durch Vergleich zu beenden oder andernfalls durch Hinweise des Gerichts vorzubereiten. Auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist die Durchführung einer Güteverhandlung möglich. Gegenwart und Tipps In den Prozessordnungen wird versucht, die Einigung über die Güteverhandlung zu erreichen. Im Betriebsverfassungsrecht wird für innerbetriebliche Lösungen eine Einigungsstelle eingesetzt. Für Arbeitskämpfe haben einige Tarifvertragsparteien eine Schlichtungsvereinbarung geschlossen, in anderen Bereichen werden Schlichtungsordnungen vereinbart (Handelskammern, kirchliche Einrichtungen). In vielen Bundesländern gibt es Schlichtungsgesetze, die einen Schlichtungsversuch zwingend vorschreiben, bevor man die ordentliche Gerichtsbarkeit anrufen darf – so z. B. in BadenWürttemberg, wo Ansprüche über Forderungen bis zu 750 Euro zunächst vor den Schlichter müssen. Ein Mahnverfahren hebelt diese Pflicht jedoch aus. Die noch relativ moderne Methode der Mediation könnte man als eine Kultivierung der Einigung bezeichnen. Es wird nicht nur eine Einigung versucht, sondern es werden darüber hinaus die richtige Methode und der richtige Mediator gesucht. Grundsätzlich macht der Mediator im Gegensatz zu anderen Verfahren (z. B. Güteverhandlung) keine eigenen Vorschläge und spricht keine Empfehlungen aus. Ein Beispiel: Jimmy Carter wurde 1978 im Rahmen der ägyptisch-israelischen Verhandlungen in Camp David als Mediator eingesetzt. Er wählte eine umstrittene Sonderform der Mediation, die Shuttle-Mediation. Carter verhandelte mit den Parteien in vertraulichen Einzelsitzungen. „Die noch relativ moderne Methode der Mediation könnte man als eine Kultivierung der Einigung bezeichnen.“ Im Alltag des Arbeitsrechtlers lässt sich die überwiegende Anzahl der Fälle durch eine Einigung im Gütetermin beenden. Der diese Verhandlung leitende Kammervorsitzende erörtert die Sachlage zum Zweck der gütlichen Einigung (§ 54 Abs. 1 ArbGG). Dabei ist es möglich und üblich, bei grundsätzlichem Einigungsbestreben die Verhandlung für ein paar Minuten zu unterbrechen, um sich auf dem Gerichtsflur entweder mit seiner Mandantschaft und/oder mit der gegnerischen Partei über letzte Details zu einigen. In der Zwischenzeit verhandelt das Gericht häufig den nächsten Termin (am Gerichtstag wird nicht selten im 15-MinutenTakt terminiert), so dass man sich wieder hinten anstellen muss. Anschließend wird der Vergleich protokolliert und das Verfahren ist beendet – andernfalls setzt der Richter (nach erfolglosem Verhandeln auf dem Flur) den Kammertermin fest und bestimmt die Schriftsatzfristen. Kommt der Vergleich zustande, ist beim Abschluss Vorsicht geboten. Zwar muss in erster Linie die Mandantschaft zufrieden sein. An verschiedenen Stellen wartet jedoch Haftungspotential. Verhandelt man einen Vergleich, in dem das Arbeitsverhältnis vor dem eigentlichen Ende der Kündigungsfrist enden soll, so verhängt die Bundesagentur für Arbeit eine Sperrzeit. Tückisch ist auch die Frei- stellung bis zum Ende der Kündigungsfrist. Erfolgt sie unwiderruflich, kann die Sozialversicherung auf den Gedanken kommen, dass kein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Beim Urlaub ist zu beachten, dass auf ihn nicht verzichtet werden kann. „Insgesamt lässt sich von einem ausgeprägten Einigungsbestreben sprechen.“ Fazit Betrachtet man die geschichtliche Entwicklung, zeigt sich klar, dass sich die Einigung als vorangeschalteter Prozessauftakt durchgesetzt hat. Viele Institutionen in Deutschland wählen den vorrangigen Weg des Einigungsversuchs, um gerichtliche Verfahren zu vermeiden. Insgesamt lässt sich von einem ausgeprägten Einigungsbestreben sprechen. Denn es lohnt sich für die Parteien, sich zu einigen – Kosten und Zeit werden gespart, Nerven geschont. Und die heutige alltägliche Arbeitsrechtspraxis lebt vom „Vergleich“. Häufig erreicht man bei der Gegenseite Gesprächsbereitschaft, bevor man quer durchs Land zur Güteverhandlung fährt. Dann ist eventuell sogar ein Vergleich im schriftlichen Wege möglich (§ 278 Abs. 6 ZPO). Zwar gibt es Fälle, die entschieden werden „müssen“. Das Ausloten von Einigungsmöglichkeiten und der (erfolgreiche) Vergleichsabschluss gehören jedoch in den Werkzeugkasten des Anwalts. RA Sebastian Günther, Berlin Einigung im Arbeitsrecht Einigungen und Schlichtungen sind im Arbeitsrecht häufig anzutreffen. Bis heute hat sich eine Einigungspraxis herausgebildet, die in den Prozessordnungen angelegt ist und oft schnell zu sachgerechten Lösungen führt. Dabei geht es beim Einigen vor allem um die rechtliche Absicherung des Mandanten. Eine herausgehandelte Abfindung nützt nichts, wenn eine Sperrzeit von der Arbeitsagentur verhängt wird und der Mandant eventuell ohne Krankenversicherung dasteht. Der Anwalt sollte sich also über ein paar Fallstricke des Arbeitsrechts informieren. Nach dem Vergleichsschluss sollte er die Vergleichsgebühr auf der Gebührennote nicht vergessen. ADVOICE 04 /11 19 Thema Medien schuld am Kulturverfall des Rechtswesens? Öffentliche Vorverurteilung auch in Deutschland üblich Das Strafverfahren vor dem Landgericht Mannheim gegen den Wettermoderator Jörg Kachelmann endete nach mehr als 40 Verhandlungstagen im Mai 2011 durch Freispruch. Ungeachtet des Urteils war der Fall als öffentliches Spektakel durchaus geeignet, die Rechtskultur und die Person Kachelmann nachhaltig zu beschädigen. Kachelmann und Co In der öffentlichen Wahrnehmung und Darstellung war Jörg Kachelmann wahlweise eine suspekte Gestalt, der alles zuzutrauen ist, oder Opfer eines weiblichen Rachefeldzuges. Dabei war der Wettermoderator weder der erste noch der einzige Prominente, der mit den Mechanismen eines Medienspektakels Bekanntschaft gemacht hat. 2008 wurde Ex-PostChef Klaus Zumwinkel vor laufenden Kameras wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung verhaftet. 2009 gab es bereits im Rahmen des Ermittlungsverfahrens eine Menge an staatlichen Auskünften über den damaligen Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss, dem der Besitz von kinderpornografischem Material vorgeworfen wurde. Im gleichen Jahr wurde die No-Angel-Sängerin Nadja Benaissa vor einem Konzert verhaftet, weil sie trotz bekannter HIVInfektion ungeschützten Sex gehabt haben soll. Alle drei wurden von der Justiz verurteilt. Vorverurteilt waren sie jedoch schon von den Medien und der Öffentlichkeit. Die Strafprozesse schienen umso mehr zur Unterhaltung geeignet, je tiefer der gesellschaftliche Fall des Beschuldigten/ Angeklagten und je intimer die Details, die an die Öffentlichkeit drangen. Begann in den 1990er Jahren die bis zur Peinlichkeit reichende Selbst- und Fremdentblößung damals in nachmittäglichen sogenannten „Talk-Shows“ und kamerabestückten Containern, hat dieses Schauspiel derweil das Umfeld des Justizwesens erreicht. Während Richter in der Hauptverhandlung unter Anwendung der Strafprozessordnung versuchen herauszufinden, was materielle Wahrheit genannt wird, bearbeiten Staatsanwaltschaft und Verteidigung längst noch ein anderes Gebiet außerhalb der Hauptverhandlung. Dabei soll durch den geschickten Umgang mit Informationen der Weg zum Sieg geebnet werden. Das Prozedere, das dazu dient, insbesondere Zeugen und Sachverständigenzeugen unglaubwürdig erscheinen zu lassen, ist dem amerikanischen Strafprozessrecht bekannt, dem deutschen Strafprozessrecht jedoch aus gutem Grund eigentlich fremd. Insofern hätten viele Prozessbeteiligte jene Informationen, die sie heutzutage der Öffentlichkeit preisgeben, vor Jahren noch mit dem Verweis auf ein laufendes Verfahren ganz beharrlich verweigert. Unschuldsvermutung In einer Demokratie muss Justiz transparent sein. Jedoch gibt es rechtsstaatliche Grenzen für die Informationspolitik der Prozessbeteiligten. Eine elementare Grenze ist die Unschuldsvermutung. Ein Verdächtigter gilt so lange als unschuldig, bis er rechtskräftig verurteilt worden ist. Dieser unverrückbare Grundsatz ist nicht nur Basis in einem modernen Rechtsstaat, sondern darüber hinaus eine wichtige kulturelle Errungenschaft. Demgemäß breit ist auch die Normierung der Unschuldsvermutung in unterschiedlichen Rechtsmaterien. So findet sie sich in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, im internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, im Statut des Internationalen JugoslawienTribunals, im Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, im EU- Vertrag und in der Europäischen sowie der Amerikanischen Menschenrechtskonvention. Im Grundgesetz ist die Unschuldsvermutung dogmatisch in der Menschenwürdegarantie und im Rechtsstaatsprinzip einzuordnen. Überdies enthalten manche Landesverfassungen (z. B. Brandenburg, Hessen) eine ausdrückliche Garantie der Unschuldsvermutung. Die Normierung in den jeweiligen Landesverfassungen und die nahe Verbindung mit der Garantie der Menschenwürde aus Art. 1 Absatz 1 Grundgesetz machen Trotz des Freispruchs wollen sich die Tiefs um Jörg Kachelmann nicht verziehen. 20 ADVOICE 04 /11 Thema deutlich, dass die Unschuldsvermutung nicht allein eine strafprozessuale Gewährleistung darstellt. Vielmehr will sie die Person des Tatverdächtigen vor dem sozialethischen Unwerturteil schützen, welches einem richterlichem Schuldspruch innewohnt ( Kühl, FS Müller-Dietz 2001, S.415 m.w.N), sodass die Unschuldsvermutung letztendlich die strafprozessuale Konkretisierung der Menschenwürde ist. Darüber hinaus schützt sie nicht nur den Menschen, der unter Verdacht geraten ist, sondern die Gesellschaft als Ganzes, indem sie nicht mehr kontrollierbare, willkürliche und nicht selten subversive Beschuldigungen zumindest begrenzt oder ggf. verhindert. Dadurch wird die gesellschaftliche Debatte zivilisiert und der soziale Zusammenhalt gestärkt (Boehme-Neßler, StraFo 2010, 456-461). Für die Gesellschaft ist demnach die Unschuldsvermutung von enormer Bedeutung. Rechtspraxis Für die Rechtspraxis bedeutet dies Folgendes: Die Unschuldsvermutung gilt für alle Phasen des Strafverfahrens und nicht nur für die Hauptverhandlung. Das heißt, sie gilt schon dann, wenn Polizei und Staatsanwaltschaft auf Grund eines Anfangsverdacht gegen einen Beschuldigten ermitteln. Wenn zu diesem Zeitpunkt bereits dessen voller Name genannt wird, ist die Unschuldsvermutung gefährdet. Dies ist für sich allein geeignet, das Ansehen der Person zu schädigen. Umso mehr müssen die Beteiligten in dieser Phase des Strafverfahrens sensibel mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit umgehen. Unter dem Schirm der Unschuldsvermutung ist die Unterscheidung zwischen Verdacht und bewiesener Tat immanent. Wer verdächtig ist, gilt im Rahmen der Vermutung noch als unschuldig. Erst wer rechtskräftig verurteilt worden ist, ist ein Täter. Grafik: Andrea Vollmer Dies ist die verfassungsrechtliche Richtschnur für alle Beteiligten des Strafverfahrens, insbesondere im Umgang mit den Medien. Das heißt nicht, dass sie schweigen sollen, sondern vielmehr Folgendes: Sie dürfen Fragen der Öffentlichkeit beantworten und Verdachtsmomente ausbreiten. Dabei muss jedoch von allen Beteiligten mit Nachdruck betont werden, dass es sich um Beschuldigungen und nicht um bewiesene Tatsachen handelt. Die Informationspolitik der Prozessbeteiligten, und hier insbesondere die der Staatsanwaltschaft, darf keiner öffentlichen Vorverurteilung eines Verdächtigten durch die Medien Vorschub leisten. Sie müssen sich vergegenwärtigen, dass die öffentliche Berichterstattung, die im Gegenteil zu den Beteiligten nicht verfassungsrechtlich und prozessrechtlich diszipliniert ist, eine gesellschaftliche Prangerwirkung mit unabsehbaren Folgen haben kann. Beschädigte Rechtskultur Überdies fördert eine forsche mediale Informationspolitik der Prozessbeteiligten die Beschädigung der Rechtskultur, insbesondere dann, wenn die Rechtspraxis den Regeln der Medien mehr zu gehorchen scheint, als denen des Rechts. Im Fall Kachelmann wurde die Praxis eines sachorientierten juristischen Umgangs zu einer voyeuristischen, Wünsche befriedigenden Medienschlacht um Geliebte und deren Glaubwürdigkeit. Die Sachverständigen demontierten sich gegenseitig und es gab befremdlich anmutende Aspekte, wie das Interview-Honorar einer Zeugin. Die oben erwähnte, gesellschaftliche Prangerwirkung wurde auch dadurch deutlich, dass die Staatsanwaltschaft im Fall Kachelmann die Verurteilung eines minderschweren Falls forderte, und zwar nicht, weil die Tat nach Ansicht der Staatsanwaltschaft als minderschwerer Fall einzustufen war, sondern weil Kachelmanns Privatleben durch die Berichterstattung der Medien in der Öffentlichkeit bereits beschädigt sei. Dabei hatte doch gerade die Staatsanwaltschaft mit ihrer offensiven Informationspolitik, ob gewollt oder nicht, solch eine Berichterstattung erst möglich gemacht. Durch die Öffentlichkeitsarbeit wurde die Rechtskultur dahingehend beschädigt, dass die verfassungsrechtlich garantierte Unschuldsvermutung für ein mediales Spektakel geopfert wurde. Ungeachtet rechtlicher Bedenken kann der Fall Kachelmann über die Jurisprudenz hinaus weit reichende Folgen nach sich ziehen. Die Akzeptanz in der Gesellschaft für verfassungsrechtlich verankerte Maximen des „fairen Verfahrens“ schwindet. Dann wäre nicht nur die Unschuldsvermutung als unabdingbarer Bestandteil eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens in Gefahr, sondern die Rechts(Siehe Beitrag Seite 51) kultur in Gänze. RA Felix Westpfahl, Hannover Kachelmann und BILD Das OLG Köln hat in einem Urteil vom 22.11.2011 die Berichterstattung der BILDZeitung über den Fund eines Messers mit DNA als zulässig angesehen. Die Grenzen der Verdachtsberichterstattung seien nicht überschritten worden. AZ: 15 U 61/11, 15 U 62/11 und 15 U 60/11 ADVOICE 04 /11 21 Thema Rechtskultur – Was Wissenschaftler interessiert Literatur wird schon länger erforscht, doch Filme sind das Leitmedium „Jeder weiß, worum es geht, wenn vom Recht die Rede ist,“ so sagt es der Rechtssoziologe Klaus F. Röhl ins seinem Lehrbuch „Allgemeine Rechtslehre“. Aber woher wissen es die Mandanten, Juristen, Richter? Die einen schauen ins Gesetzbuch, die anderen schauen Filme und lesen Bücher. Das Ergebnis: Jeder verfügt über einen anderen Wissensstand. Irritationen und Missverständnisse sind programmiert. Wer Kultur konsumiert, wird dabei oft gleichzeitig über Recht informiert und nimmt zugleich Informationen auf, die mit den professionellen Aussagen kollidieren. Recht in einem weiten Sinne erfasst neben den kodifizierten Normen auch Normen, die in der Gesellschaft faktische Geltung besitzen, vom Rechtsgefühl getragene und als moralisch richtig empfundene Rechtsverstöße. Doch wo wird ein so verstandenes Recht außerhalb der juristischen Professionen sichtbar? Vor allem in Büchern und Filmen, in der Populärkultur also. Doch die Beziehung von Recht und Kultur ist bei näherer Betrachtung vielgestaltig und wechselseitig. Recht reguliert und steuert beispielsweise Kultur, im Fall der FFA (Filmförderanstalt) und des FFG (Filmfördergesetz) sogar mit einer eigenen Bundesbehörde und einem eigenen Gesetz. Jede „Kunst“ setzt sich auf ihre Weise mit Recht auseinander. Einige Künste haben es sogar zu einem eigenen Forschungsgegenstand gebracht, wie zum Beispiel „Recht und Literatur“, ein Forschungsgebiet, das seit Mitte der 1970er Jahre im wissenschaftlichen Blickpunkt steht und auf die der Monographie The Legal Imagination von James Boyd White zurückgeht. Prominent vertreten sind diese Themen auch immer wieder in der NJW, die jährlich eine Ausgabe dem Blick über den kulturellen Tellerrand widmet. Erforscht wird das Recht, wie es in der Literatur beschrieben wird, u. a. von Johann Wolfgang von Goethe, Heinrich von Kleist, Robert Musil, Franz Kafka, Friedrich Dürrenmatt oder Bernhard Schlink. Besonderes Interesse wecken dabei immer wieder die schreibenden Juristen wie etwa Goethe, Kafka oder Schlink. Ein schöner Einstieg sind die Texte von Klaus Kastner zu „Literatur und Recht - eine unendliche Geschichte“ (NJW 2003, S. 609-615) sowie der Sammelband „Produktive Spiegelungen. Recht und Kriminalität in der Literatur, Theater und Film“ von dem Strafrechtler Klaus Lüderssen aus dem (Mehr zu Recht und Literatur auf Seite 24) Jahr 2002. 22 ADVOICE 04 /11 Die Leitmedien unserer Zeit sind Film und Fernsehen. Die Ära des Rechtskinos Doch die Leitmedien unserer Zeit sind Film und Fernsehen. Das spiegelt sich auch in dem lesenswerten Sammelband „Law and Popular Culture“ wider, herausgegeben von dem amerikanischen Juraprofessor Michael Freeman anlässlich einer Tagung im Jahr 2004. Schon bei den einleitenden Themen des Bandes ist das Medium Film ein Schwerpunkt. Peter Robson gibt dort in seinem Text „Law And Film Studies - Autonomy and Theory“ einen Überblick über die verschiedenen Versuche, die beiden Themen Recht und Film theoretisch zu verknüpfen. Francis M. Nevins hat den Beginn der Tonfilmära untersucht und nennt diese Zeit das erste goldene Zeitalter des „Rechtskinos“, findet aber zwischen den späten zwanziger Jahren und 1934 nur ein filmisches Meisterwerk, „Counsellor at law“ von William Wyler. Er stellt die Frage, wie Zensur das „Rechtskino“ beeinflusst oder gar geändert hat und kommt zu dem Ergebnis, dass der Motion Picture Production Code, eine Art moralische Selbstverpflichtung seitens Hollywoods, an die sich bis 1934 nur keiner gehalten hat, diese goldene Ära beendet hat. Ein Fall also, bei dem Rechtskultur vom Recht beeinflusst wurde. Neben den etablierten amerikanischen Autoren zu dem Themenfeld Kultur und Recht wie Nicole Rafter, Michael Asimow oder Paul Bergman sind auch zwei deutsche Forscher, die bereits zu dem Themenfeld gearbeitet haben, präsent. Matthias Kuzina, der in seiner Dissertation „Der amerikanische Gerichtsfilm“ Subgenres des Gerichtsfilms herausgearbeitet hat, sondiert in einer Ideologiekritik das Sonderthema Militärjustiz in amerikanischen Filmen und TV. Stefan Machura, unter anderem Veranstalter einer Tagung zum Thema Thema „Recht im Film“ und Mitherausgeber des gleichnamigen Tagungsbandes (Machura, Stefan and Ulbrich, Stefan (eds., 2002). Figur des Richters (David A. Black) oder ethischen Brüchen in Filmen und ihrer Auswirkung (Steve Greenfield und Guy Osborne) zu spannen. Manderson mit seiner Analyse des Kinderbuchs „Where the wild things are“, ebenfalls in Freemans Sammelband, beweist. Den Grund für die bewegten Bilder als Forschungschwerpunkt der Betrachtung von Recht und Populärkultur liefert der Direktor des „Visual Persuasioin Project“ Richard K. Sherwin in seinem Text „Law s Enchantment: The Cinematic Jurisprudence of Krzysztof Kieslowski“, S. 87-108: „Law lives in Images. We make sense of reality by drawing upon these stories and storytelling modes that are most familiar to us. And these days, television and film are by far the most popular sources of the stories and story forms that we all know.“ (S. 88) Foto: Andrea Vollmer Die Durchsicht des Buches legt mehrere Schlussfolgerungen nahe: Bewegte Bilder, und hier vor allem Filme, haben derzeit bei der Erforschung von Recht in der Populärkultur auf internationaler Ebene eine Vorrangstellung. Der gelegentlich gestellten Frage, was eine die Erforschung der Populärkultur, zum Beispiel auch von Filmen, eigentlich mit Recht und Rechtsforschung zu tun hat, dürfte spätestens mit diesem Band die Legitimation abhanden kommen. Die Fall- und Gesetzesliste samt der Einleitung des Herausgebers, der zu dem Thema der Rechtskultur im engeren Sinn einen Bogen vom alten Testament bis zu Guantanamo schlägt, und ein Inhaltsverzeichnis stehen unter http://www.oup.com /uk/catalogue/?ci=9780199272235 zur Verfügung. Auch hier gibt es viel lesenswerten Lesestoff für Juristen, die über den rechtlichen Tellerrand blicken, das Thema Recht aber nicht aus den Augen lassen wollen. Und ganz nebenbei kann damit vielleicht auch das Verständnis für das Unverständnis über das Recht bei manch einem aus dem Weg geräumt werden, und wenn es nur ein Lesetipp ist, den der Anwalt seinem Mandanten an die Hand gibt, der sich ungerecht behandelt fühlt. RA Tobias Sommer, Berlin Filme als Beweismittel „Recht im Film” (Baden-Baden: Nomens) sowie weitere rechtsfilmische Publikationen (z. B. Law and Film, Oxford: Blackwell 2001) stellen die Frage, warum das Publikum auch Geschichten, die in fremden Rechtsystemen spielen, versteht. Die Antwort passt in eine Überschrift: Es sind die Hauptthemen der Filme wie Gerechtigkeit und deren soziale Kriterien. Ein eigenes Thema sind schriftstellernde Anwälte als ein kulturelles Phänomen. Die bekanntesten Vertreter dieser Zunft, die allesamt die Rechtspraxis kennen und als Anwälte unglücklich gewesen sein sollen, sind Melville Davisson Post, John Grisham, Arthur Train, Erle Stanley Gardner und Scott Turow. Der Sammelband ist damit auch eine Art Bestandsaufnahme der aktuelleren Forschung zum Thema Recht und Kultur. Die Kategorien, die der Herausgeber gefunden hat, sind Musik und Romane, Menschenrechte, Sexualität, Verbrechen und Strafe und eben Film. Unter „Some other cultural Phenomena“ sind Texte zum Phänomen des Franchis-Systems von Rex J. Ahdar und zu Shoping Malls von Malcolm Voyce erfasst. Unter Law, Lawyering and the Popular Cultutre finden sich Versuche, themengeleitete Bogen zum adversarischen Prinzip (Michael Asimow), der Aus einer anderen Perspektive betrachten Forscher Kultur als Beweismittel in Prozessen. Filme können auch Beweismittel in richtigen Verfahren sein, prominentes Beispiel sind die Bilder aus den Konzentrationslagern in den Nürnberger Prozessen. An einer solchen Stelle kann die Kultur das Recht beeinflussen. Der passende Text dazu in dem Sammelband von Freeman: „Image As To Evidence And Mediation: The Experience Of The Nuremberg Trials“ von Christian Delage. Auch „Kinderliteratur und Recht“ kann ein Thema sein, wie Desmond Der Nazi-Plan „Der Nazi-Plan" ist einer der drei Filme, die in den Nürnberger Prozessen als Beweismittel eingesetzt wurden. Dabei handelt es sich um eine im Auftrag des U.S. Counsel for the Prosecution of Axis Criminality unkommentierte Zusammenstellung deutscher Wochenschauen und Filmberichten zwischen 1921 und 1944. ADVOICE 04 /11 23 Thema Eine Frage des Ausdrucks Recht und Literatur ergänzen und brauchen sich Recht und Literatur - wie schafft es ein Artikel mit diesem Titel in die Advoice, die Zeitschrift von Junganwälten für Junganwälte, die sich doch vornehmlich sämtlichen Fragen rund um die Anwaltspraxis verschrieben hat? Erfreulicherweise widmet sich die vorliegende Ausgabe dem Thema Recht und Kultur, bei dem eine Betrachtung des auch für die anwaltliche Praxis letztlich nicht unerheblichen Verhältnisses von Recht und Literatur nicht fehlen sollte. Auf Anhieb muss wohl jeder bei dem Thema zunächst an die berühmten Dichterjuristen aus Vergangenheit und Gegenwart denken, derer sich gerade die Juristen gerne berühmen, erscheint es doch allein aufgrund der Vielzahl erfolgreich schreibender Juristen so, als befähige die Juristerei zu einem geübten Umgang mit Sprache und Text. Von Geheimrat Goethe, als dem wohl berühmtesten Dichter aus der juristischen Zunft, über Heine, Fontane, Kafka, Tucholsky bis zu Schlink und Zeh in unserer Zeit, bedienen sich Juristen allerdings nicht der juristischen, sondern einer literarisch ansprechenden Sprache und landen nicht selten Bestseller. Dabei greifen sie durchaus auch Motive aus dem Bereich des Rechts auf und beweisen ihren juristischen Sachverstand, so beispielhaft Kafka in seinem „Prozess“ oder Schlink im „Vorleser“. Fast schon wie die ausführliche Aufbereitung juristischer Tatbestände erscheinen von Schirachs Bücher „Schuld“ und „Verbrechen“. Manche Dichterjuristen vertreten selbst die Auffassung, die präzisen Strukturen der Juristerei seien der Schriftstellerei förderlich. Der Anspruch literarischer Texte ist allerdings ein völlig anderer als der von Rechtstexten, denn Literatur ist ein vielschichtiges und mehrdeutiges Medium, das nicht wie das Recht ein Höchstmaß an Präzision und Eindeutigkeit erfordert. Während literarische Texte dem Leser eine Vielzahl von Deutungsmöglichkeiten in Bezug auf die behandelten Themen aufzeigen und bewusst zum Nachdenken anregen, sollen Rechtstexte grundsätzlich möglichst eindeutige Lösungen liefern. Nichtsdestotrotz erfordert auch das Recht die Auslegung von Texten, um zu prüfen, ob ein Gesetzestext einen bestimmten Lebenssachverhalt erfasst. In der Rechtspraxis fehlt es eben doch sehr oft an der gewünschten Eindeutigkeit: Die Lösungen sind strittig und bedürfen der Argumentation. Dabei ist Sprache des Juristen Handwerkszeug. Mit der Sprache eines Juristen stehen und fallen seine Erfolgsaussichten. Ein geschliffener Vortrag im Schriftsatz 24 ADVOICE 04 /11 oder in der mündlichen Verhandlung verleiht in jedem Fall dem jeweils vertretenen rechtlichen Standpunkt Nachdruck. Angesichts der Vielzahl der Fälle und der damit einhergehenden Arbeitsüberlastung gelingt es allerdings häufig nicht, dies in der heutigen juristischen Praxis zu berücksichtigen. Andererseits stellt sich die Frage, woher der junge Jurist heute eine möglichst geschliffene und Erfolg versprechende Sprache nehmen soll. In der Regel vermittelt weder das universitäre Studium bis zum ersten Staatsexamen noch der juristische Vorbereitungsdienst vor der zweiten Staatsprüfung konsequent einen geübten Umgang mit Sprache und Text im Allgemeinen, geschweige denn mit belletristischer Literatur im Besonderen. „Die präzisen Strukturen der Juristerei seien der Schriftstellerei förderlich.“ Im Gegenteil mag es teilweise sogar so wirken, als verkümmere etwaig noch vor Aufnahme des juristischen Studiums vorhandener guter Ausdruck mit der Indoktrination des Gutachtenstils im Jurastudium. Sobald sich nach Erlangen des 1. Staatsexamens endlich wieder mehr Raum für eine freiere, aber nichtsdestotrotz den formalen Vorgaben der Juristerei unterliegenden Sprache öffnet, gelingt es dem vom Gutachtenstil Befreiten oftmals gar nicht mehr, nicht in der bewährten Gutachten-Form zu schreiben. Die reine Auseinandersetzung mit Sprache und Literatur gehört jedenfalls nicht zu den äußerst ökonomisch und effizient angelegten juristischen Staatsprüfungen und wird allenfalls im Rahmen von zusätzlichen Schlüsselqualifikationen an der Universität angeboten. Dabei gerät nicht nur in Vergessenheit, dass ein guter Sprachgebrauch das Handwerkszeug des Juristen ausmacht, sondern auch, dass die juristische Wissenschaft im Ursprung eine Geisteswissenschaft ist. Diesem Gedanken folgend, hat sich, ausgehend vom anglo-amerikanischen Raum, das Law and Literature-Movement als Gegenbewegung zu dem Ansatz von Law and Economics, der das Recht allein in einer ökonomischen Kosten-NutzenRechnung betrachtet, herausgebildet. Ursprünglich in den USA entwickelt, findet das Law and Literature-Movement seit den 1980er Jahren auch in verschiedenen Forschungszentren und -foren in Deutschland Anerkennung, wo bereits seit dem beginnenden 20. Jahrhundert vereinzelt Rechtswissenschaftler die Bedeutung des Verhältnisses von Recht und Literatur für die rechts- und literaturwissenschaftliche Forschung und Praxis erkannt hatten, unter ihnen Gustav Radbruch und Eugen Wohlhaupter. Der Ansatz, Recht und Literatur interdisziplinär zu untersuchen, stößt inzwischen einerseits auf reges Interesse, unterliegt aber andererseits auch der Kritik, zu praxisfern zu sein. Unberücksichtigt bleibt dabei, dass etwa literaturwissenschaftliche Methoden auch in der rechtlichen Praxis Berücksichtigung finden können, so für eine Erweiterung der tradierten vier klassischen juristischen Auslegungsmethoden, die nicht jedem Rechtsproblem gerecht werden. Hierin liegt lediglich ein besonders paradigmatisches Beispiel für den auch praktischen Wert der Betrachtung des Verhältnisses von Recht und Literatur sowie von Rechts- und Literaturwissenschaft. Überdies kann die belletristische Literatur Juristen für ethische, moralische und politische Belange des Rechts sensibilisieren, wie es weder Texte aus der Rechtswissenschaft noch Entscheidungen der Rechtsprechung und schon gar nicht verkürzte Praktiker-Kommentare derart vielschichtig vermögen. Eine entsprechende Sensibilität sowie eine stete Reflexion bestehender Rechtsvorstellungen erachtete bereits Gustav Radbruch für den werdenden Juristen als unerlässlich: „Die großen Zweifler an der Wissenschaft und dem Werte des Rechts, ein Tolstoi, ein Daumier, ein Anatole France sind für den werdenden Juristen unschätzbare Mahner zur Selbstbesinnung. Denn ein guter Jurist kann nur werden, der mit schlechtem Gewissen Jurist ist.” Die Auseinandersetzung mit Literatur und deren Interpretation kann nicht nur dem angehenden, sondern auch dem bereits tätigen Juristen einen sensibilisierten Blick auf das geltende Recht und die gängige Rechtsanwendung eröffnen. Abgesehen davon, dass sich die Beschäftigung mit literarischen Texten in einer ansprechenden und fließenden, nicht zu juristisch abgenutzten Sprache auszahlt, sollte auch in dem viel gepriesenen Blick über den juristischen Tellerrand ein Anreiz für den Praktiker liegen, sich der belletristischen Literatur zuzuwenden. RAin Dagmar Husmann, Hamburg Thema Guter Sprachgebrauch macht auch das Handwerkszeug des Juristen aus. Foto: Franz Patzal_pixelio.de ADVOICE 04 /11 25 Thema Vorhang auf für Juristen Deutsche Gerichtsfilme und das juristische Interesse an Filminhalten Richter haben in Deutschland keine Perücken auf dem Kopf und klopfen auch nicht mit dem Hammer auf ihren Richtertisch, wenn wieder einmal ein Tumult im Saal losgebrochen ist. Auch eine Jury sucht man in deutschen Gerichtssälen vergebens. Deutsche Staatsanwälte und Richter sind Beamte und müssen nicht wie einige ihrer amerikanischen Kollegen bei ihren Entscheidungen immer auch an die nächste Wahl zu ihrem Amt denken. Und die „Wahrheit“ kommt eher selten bei einem Kreuzverhör ans Licht, wo Angeklagte, wahlweise auch Zeugen oder Sachverständige, von Anwälten geschickt in die Enge getrieben, keinen anderen Ausweg mehr sehen, als umfassend zu gestehen. Durch die Präsenz amerikanischer Gerichtsfilme in der deutschen Kino- und Fernsehlandschaft existieren aller Wahrscheinlichkeit nach Fehlvorstellungen über Recht und Justiz bei Mandanten und Jurastudenten. Für letztere ist das in einer empirischen Studie von Stefan Machura belegt. Doch wie sieht die deutsche Tradition von Rechtsinszenierungen im Film aus und hat es einen Nutzen über den Unterhaltungswert hinaus, sich Justizund Gerichtsfilme anzuschauen? Ankläger und Verteidiger „Die Filmdramatik (erwächst) primär aus Gerichtsszenen, die den systembedingten Gegensatz zwischen Ankläger und Verteidiger deutlich erkennen lassen und somit dem adversarischen Prinzip der Prozessführung gerecht werden“, definiert Matthias Kuniza in seinem Buch „Der amerikanische Gerichtsfilm. Justiz, Ideologie, Dramatik.“ (Göttingen 2000, S.11) das Courtroom Drama. Er unterteilt dieses Genre in insgesamt neun Untergattungen wie Anwaltsfilme, Gerichtskomödien, Justizthriller usw. Doch Rechtsdarstellungen finden sich nicht nur in klassischen amerikanischen Gerichtsfilmen wie Billy Wilders Zeugin der Anklage (1957) oder Sidney Lumets Die 12 Geschworenen (1957). Neben einer unüberschaubaren Flut von Kriminalfilmen, die im weitesten Sinne auch Rechtsdarstellungen enthalten und das wissenschaftliche Interesse der Kriminologen wecken dürften, werden oft auch in Filmen ohne Gerichtsverhandlung aus den unterschiedlichsten Gründen Rechtsakteure gezeigt. Viele Produktionen nutzen Stereotypen wie den gutverdienenden Rechtsanwalt (mittleren Alters im Sportwagen) und den Richter oder Staatsanwalt, der selbst einen Fehltritt begeht. So hält in Rosen für den Staatsanwalt (1959) der Staatsanwalt aufgrund seiner politischen Überzeugung einen Haftbefehl zurück, um einem Gesinnungsgenossen damit zur Flucht zu verhelfen. Es scheint, als ob die Fehltritte durch Juristen – die es ja besser wissen müssten – aufgrund der „filmischen Anklage“ schwerer wiegen. Häufiger zu beobachten ist auch ein gewisses Desinteresse von Justizakteuren an den Verhandlungen, was filmisch meist durch ein kurzes „Nickerchen“ umgesetzt wird. Vermittelt wird dabei, dass sich die Juristen in ihren eigenen Veranstaltungen langweilen – obwohl es für die Parteien bzw. Angeklagten meist um erhebliche Entscheidungen geht. So gibt es in Stammheim (1985) eine Szene, in der die Angeklagten im Streit um die Hinzuziehung von Wahlverteidigern den moralischen Sieg davon tragen, weil einer ihrer Pflichtverteidiger eingeschlafen ist. Eine filmwissenschaftliche Annäherung an das Thema Recht im Film allein über Courtroom Dramen ist aus dem juristischen Blickwinkel jedoch zu eng. Entscheidend für das juristische Interesse am Film dürfte also nicht die Genreklassifizierung, sondern vielmehr eine Sachverhaltsdarstellung samt rechtlicher Lösung sein. Reinhard Hauffs Film „Stammheim“ von 1985 beschreibt den Ablauf des bedeutendsten Terroristenprozesses der bundesdeutschen Geschichte gegen vier RAF-Mitglieder, der zwischen 1975 und 26 ADVOICE 04 /11 Thema Recht in der Filmgeschichte Auch in der deutschen Filmgeschichte gibt es eine Fülle von Rechts-, Gerichts- und Justizdarstellungen. Frühe Beispiele sind der justizkritische Film Kuhle Wampe oder wem gehört die Welt (1931), wobei den Darstellungen durch zeitgenössischen Stimmen, wie der Filmprüfstelle und dem Verleih-Sachverständigen, große Realitätsnähe zugesprochen wurde oder M – Eine Stadt sucht einen Mörder (1931) mit der berühmten Verhandlung des Kindermörders vor einem Kriminellengericht. Aus der NS-Zeit sind Filme wie Der Gasmann (1940) oder der Propagandafilm Jud-Süß (1940) in Erinnerung. In den westdeutschen Filmproduktionen nach 1945 hat sich beispielsweise Wolfgang Staudte in seinem Entnazifizierungsfilm Rosen für den Staatsanwalt (1959) und dem Kriminalfilm Der letzte Zeuge (1960) mit Rechtsthemen befasst. Alexander Kluge, Hark Bohm und Norbert Kückelmann dürften in Filmen wie Abschied von Gestern (Kluge, 1965), Vera Brühne (Bohm, 2000), Der kleine Staatsanwalt (Bohm, 1986), Die Sachverständigen (Kückelmann, 1972) oder Porträt eines Richters (Kückelmann, 1997) aufgrund ihres eigenen juristischen Sachverstandes für ein hohes Maß an Authentizität sorgen. Justiz im kulturellen Erbe Neben fiktiven Stoffen regen vor allem Bücher wie Dürrenmatts Justiz (1993) oder Der Campus (1997) und reale Prozesse zu Filmen an. Neben dem schon 1977 in Stuttgart-Stammheim stattfand. erwähnten Stammheim ist Jud Süß – Ein Film als Verbrechen (2001) ein schönes Beispiel für die Auseinandersetzung mit der realen Justiz im kulturellen Erbe. Der Fernsehfilm über das Verfahren gegen Veit Harlan, den Regisseur des Films Jud Süß, stellt im Rahmen des Prozessgeschehens mit teils dokumentarischen Elementen die Frage nach der Schuld des Einzelnen an den Verbrechen der Nationalsozialisten. Fortgesetzt wurde dieser Komplex mit dem Film Jud Süss – Film ohne Gewissen (2010) von Oskar Roehler und mit Tobias Moretti und Moritz Bleibtreu, der sich jedoch mit der Entstehungsgeschichte des indizierten Films Jud Süss auseinandersetzt. In Serien wie Fernsehpitaval (1957-1978), initiiert von dem promovierten Juristen Friedrich Karl Kaul, und Kriminalfälle ohne Beispiel (1967-1975), in denen der Autor Günter Prodöhl nach eigener Aussage die kapitalistischen Gesellschaft kritisch analysieren wollte, sind eine ganze Reihe westdeutscher Prozesse abgebildet. Für die vom Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft der DDR, Peter Przybylski, kommentierte Reihe Der Staatsanwalt hat das Wort (1965-1991) existierte wiederum die Vorgabe, dass die Fallauswahl sich an der Kriminalitätsstatistik zu orientieren habe. Ziel war es, die Massenwirksamkeit des Fernsehens für die Rechtsaufklärung zu nutzen. Mord und Totschlag waren die Ausnahme. Betrug, Diebstahl, Körperverletzungen oder Ehezwist dominierten die Sendungen. Die DDR-Justiz selbst, im Mittelpunkt steht ein karrieristischer Richter, der erst ein viel zu hartes Urteil fällt und nach einem neuen Regierungserlass die Entlassung des Verurteilten fordert, ist in Das Kaninchen bin ich (1964) abgebildet. Der Film ist gleichzeitig ein Beispiel für die ostdeutsche Filmzensur, denn wie eine ganze Reihe weiterer sogenannter Kaninchen-Filme, durfte er in der DDR nicht gezeigt werden. Zu den aus deutscher Sicht interessanten Filmen müssen auch ausländische Produktionen, wie z. B. Judgement at Nuremberg (1961), in der ein amerikanischer Richter über deutsche Richter und ihre Urteile zur Zeit des Nationalsozialismus befinden muss, oder der aus Originaldokumenten hergestellte Film über den in Israel abgehaltenen Eichmannprozess Der Spezialist (1999) gezählt werden. Für die juristische Praxis dürfte neben den filmischen Reflexionen, also der Wahrnehmung und Darstellung des eigenen Berufsstandes sowie den damit verbundenen Erwartungshaltungen die konkret vermittelten Rechtskenntnissen sowie die eher theoretischen Fragen nach Legitimität, Moral, Gerechtigkeit oder Mobilisierung von Recht interessant sein. Aus der amerikanischen Ausbildungspraxis ist der Einsatz von Filmen zur Rhetorikschulung bekannt. Durch ihre Vorbildfunktion und kulturelle Präsenz können sie Berufswünsche entstehen lassen. Wenn der Jurist, der vor der Instanz Gericht auftritt, aus eigener Anschauung ein paar Kenntnisse zu Techniken der Inszenierung hat, kann das keinesfalls schaden. Bewusst sollte ihm sein, dass in Filmen der Inszenierende und nicht das Recht die Regeln bestimmt. Wenn er bei diesem Lernprozess noch unterhalten wird, umso besser. RA Tobias Sommer, Berlin Film-Stills: STUDIOCANAL GmbH ADVOICE 04 /11 27 Thema „Alles was Recht ist“ Tipps für Bücher, Filme und Ausstellungen zum Thema Recht Hörbücher Werner Koczwara Am achten Tag schuf Gott den Rechtsanwalt Beat Gloor StaatSexAmen Ausstellungen Wege – Irrwege – Umwege Historische Ausstellung des Deutschen Bundestages; Deutscher Dom, Berlin Memorium Nürnberger Prozesse Bärenschanzstraße 72, 90429 Nürnberg Rolf Bossi Halbgötter in Schwarz – Deutschlands Justiz am Pranger / Gelesen von Ari Gosch Filme Im Auftrag des Teufels Regie: Taylor Hackford, 1997 Rosen für den Staatsanwalt Regie: Wolfgang Staudte, 1959 In ihren Augen Regie: Juan José Campanella, 2009 @ Bücher Die Rechtskulturen der Antike: Vom Alten Orient bis zum Römischen Reich Internet www.recht-anschaulich. lookingintomedia.com Ferdinand von Schirach Der Fall Collini ! Stephen L. Carter Schachmatt Theaterstücke Friedrich Dürrenmatt Die Panne Boston Legal Edel & Starck Heinrich von Kleist Der zerbrochne Krug 28 ADVOICE 04 /11 Die Anwälte Orte Tafeln an der Nordseite des Reichstags, auf denen die Grundrechte gezeigt werden. Serien Berliner Kammergericht – typische Kulisse in Gerichtsfilmen/-serien, wo auch Freislers Volksgerichtshof tagte. Schwurgerichtssaal des LG Osnabrück: Hier wurde nicht nur verhandelt, sondern auch ein Theaterstück über den Kindermörder Bartsch aufgeführt. Thema ANZEIGE TIPPS Foto: Katharina Wieland Müller_pixelio.de ADVOICE 04 /11 29 Thema Wie war das mit der Leitkultur? Eine rechtsethische Betrachtung Hermannplatz in Berlin-Neukölln - einem Bezirk mit hohem Migrantenanteil und großen sozialen Konflikten. Seit Friedrich Merz im Jahr 2000 den Begriff der „deutschen Leitkultur“ in Verbindung mit der CDU-Forderung nach mehr Integration von Einwanderern bzw. bereits hier lebender Ausländer aufbrachte, flammt das Thema immer wieder auf und löst kontroverse und hitzige Diskussionen in Politik und Gesellschaft aus. Bessere Integration wurde nicht nur in Form des Spracherwerbs, sondern vielmehr auch durch Anerkennung der Werteordnung der „christlich-abendländischen Kultur“ gefordert. Aber was muten wir Migranten damit eigentlich zu? Vorab geschickt: Über Integration und deren Erfolg oder Misserfolg in allen Details zu schreiben, wird in diesem Rahmen nicht möglich sein, da erfolgreiche Integration von vielen unterschiedlichen Einflüssen bestimmt wird. Angefangen von den verschiedenen Völkergruppen über die darin vorhandenen Bevölkerungsschichten bis zu den in der Bundesrepublik geschaffenen Chancen, die wiederum durch regionale Unterschiede geprägt sind. So können die Möglich- 30 ADVOICE 04 /11 keiten einer erfolgreichen Integration etwa in den Ballungsräumen sehr viel breitschichtiger ausgenutzt werden als im ländlichen Bereich. Hinzu kommen viele weitere Faktoren, etwa die Rollenverteilung in den Familien, so dass hier nur ein grober Überblick über die Umsetzung der geforderten Integrationsförderung und deren Erfolg gegeben werden kann. „Für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zu bestimmten Aufenthaltszwecken ist die Teilnahme an einem Integrationskurs Voraussetzung.“ Mit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) am 1.1.2005 wurde gegenüber dem zuvor geltenden Ausländergesetz (AuslG) das Thema „Integration“ gesetzlich festgeschrieben. Die §§ 43 ff. AufenthG legen die Förderung der Integration seitdem gesetzlich nieder. Bundesamt für Migration und Flücht- Foto: Andrea Vollmer linge sowie die örtlichen Ausländerbehörden sind zunächst die hierbei Verpflichteten hinsichtlich Angebots und Durchführung der Integrationskurse. Eine Verpflichtung, an diesen Kursen teilzunehmen, besteht nur bedingt. § 44 AufenthG spricht zunächst von einem Anspruch des Ausländers, der innerhalb von zwei Jahren verjährt. Für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zu bestimmten Aufenthaltszwecken wie Arbeitsaufnahme, bestimmte Formen des Familiennachzuges sowie zur Erteilung aus humanitären Gründen ist die Teilnahme an einem entsprechenden Kurs Voraussetzung. § 44a AufenthG verpflichtet zudem Betroffene, die sich nicht ausreichend in deutscher Sprache verständigen können, zur Teilnahme an einem Integrationskurs. Ziel eines solchen Integrationskurses ist laut § 3 der Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler (IntV) zum einen die erfolgreiche Vermittlung von aus- Thema reichenden Kenntnissen der deutschen Sprache in Form eines insgesamt 600 Stunden umfassenden Basis- bzw. Aufbaukurses. An dessen Ende soll das Bestehen des „Deutschtests für Zuwanderer“ stehen, der die Sprachkompetenzen in den Fertigkeiten Hören, Lesen, Schreiben und Sprechen auf den Stufen A2 bis B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen nachweist (§ 17 IntV). Zum anderen sollen in einem weiteren, 45 Stunden umfassenden Orientierungskurs Kenntnisse zur deutschen Geschichte, Gesellschaft und Kultur vermittelt werden, um auf den Umgang mit deutschen Mitbürgern und Behörden vorzubereiten. „Kosten des Integrationskurses: 645 Euro. Zu tragen durch den Ausländer. Eine solche Summe aufzubringen, stellt für die meisten Migranten eine erhebliche Hürde dar.“ Problematisch ist die Kostentragungsverpflichtung: Gemäß § 9 IntV ist pro Kursstunde 1 Euro zu zahlen, so dass insgesamt 645 Euro an Kosten zusammenkommen. Befreit werden können Ausländer, die Sozialleistungen nach dem SGB II bzw. SGV XII erhalten. Eine solche Summe aufzubringen – selbst bei Zahlung pro Kurseinheit – stellt für die meisten Migranten eine erhebliche Hürde dar. Nicht anspruchsberechtigt sind gemäß § 44 Abs. 2 AufenthG Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die eine schulische Ausbildung aufnehmen oder ihre bisherige Laufbahn an einer Schule der Bundesrepublik fortsetzen. Außerdem gilt dies für Ausländer mit geringem Integrationsbedarf sowie für Ausländer, die bereits über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen, wobei diese Nichtberechtigung nur den Sprachkurs betrifft. Die Teilnahmeberechtigung an den Orientierungskursen bleibt davon unberührt. „Das Konzept ist also da, die Umsetzungsmöglichkeiten sicher auch. Die Praxis sieht häufig leider anders aus.“ Über die Teilnahme am Integrationskurs hinaus bestimmt § 45 AufenthG eine Ergänzung durch weitere Integrationsangebote von Bund und Ländern, insbesondere durch sozialpädagogische und migrationsspezifische Beratungsangebote. Das Bundesinnenministerium wird hier unter Beteiligung der Länder und Kommunen, deren Ausländerbeauftragten sowie des Bundesbeauftragten für Ausländerfragen, ebenso wie der Religionsgemeinschaften, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, der Träger der freien Wohlfahrtspflege sowie sonstiger gesellschaftlicher Interessenverbände zur Ausarbeitung eines Integrationsprogramms verpflichtet (vgl. http:// www.bmi.bund.de/cae/servlet/contentblob/1303978 /publicationFile/96911/integrationsprogramm.pdf vom September 2010). Beauftragt mit der Entwicklung des Integrationsprogramms ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF); es stellt insbesondere die Bereiche der sprachlichen Bildung, der beruflichen Integration und der gesellschaftlichen Integration in den Mittelpunkt der Arbeit. Der Grundsatz dabei: „Voneinander lernen – gemeinsam leben“ Das Konzept ist also da, die Umsetzungsmöglichkeiten sicher auch. Die Praxis sieht häufig leider anders aus. Migranten, die sich seit Jahren in der Bundesrepublik aufhalten, leben zumeist in ihrem eigenen Lebenskreis. Dieser besteht häufig aus der eigenen (größeren) Familie und den Freunden mit gleichem oder ähnlichem Hintergrund. Man ist „unter sich“ und bleibt es auch. Gerade in bildungsschwächeren Familien, teilweise auch bevölkerungsgruppenabhängig, kommt eine Aufklärung über bestehende Angebote zur größeren Integration nicht oder nur wenig an. Man hat schlichtweg keine Kenntnis von Förderungsmöglichkeiten, gerade weil es an sprachlichen oder intellektuellen Fähigkeiten fehlt. Soweit der Anreiz zum Erwerb der deutschen Sprache fehlt, weil sie zum einen Schwierigkeiten bietet, zum anderen aber die Sprachkenntnisse in der Parallelgesellschaft gar nicht benötigt werden, darf es nicht verwundern, dass Sprachkurse nicht wahrgenommen werden – erst recht, wenn über sie nur unzureichend aufgeklärt wird und sie auch einige Kosten mit sich bringen. Außerdem darf nicht verkannt werden, dass nicht nur Migranten mit Aussicht auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in der Bundesrepublik leben. Die Zahl derjenigen, die aufgrund von Abschiebehindernissen nur eine Duldung besitzen, ist groß. Diese Menschen haben gar keinen Anspruch auf Teilnahme an den Integrationskursen. Man verwehrt ihnen von vornherein die Möglichkeit, die Sprache zu erlernen und hierüber den Weg zur Integration zu ebnen, da man an einer Verfestigung des Betroffenen im Zuwanderungsland gar nicht interessiert ist. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob die Möglichkeit einer späteren rechtlichen Verfestigung besteht oder nicht. Freiwillig kümmern sich die wenigsten Migranten darum, die Sprache der neuen Wahlheimat zu erlernen. Die Gründe sind offrensichtlich: Zum einen spricht die Bezugsgruppe zumeist ohnehin dieselbe Sprache – die Muttersprache; zum anderen würde Eigeninitiative voraussetzen, Kontakt zur Umwelt des Zuwanderungslandes aufzunehmen, was wiederum an Sprachbarrieren scheitert; darüber hinaus wird Betroffenen seitens der Behörden immer wieder signalisiert, dass sie hier nicht erwünscht seien. Erfahren die Betroffenen keine Hilfe von deutschen Mitbürgern, die sich ihrer Situation annehmen, oder von anderen Migranten, die bereits gute Erfahrungen mit Sprach- oder Integrationskursen ge- macht haben, wird Eigenititiative – wiederum abhängig von einem gewissen Bildungsniveau – häufig ausbleiben. Der Grund: Angst. Angst vor dem Unbekannten, Angst vor fehlender Akzeptanz. „Man verwehrt ihnen von vornherein die Möglichkeit, die Sprache zu erlernen, da man an einer Verfestigung des Betroffenen im Zuwanderungsland gar nicht interessiert ist.“ In den Genuss einer speziellen Sprachförderung kommen Kinder mit Migrationshintergrund in Kindergärten und Schulen. Die frühkindliche Sprachförderung bei solchen Kindern, die in ihren Familien oft nur ihre Muttersprache hören, soll den Weg in die Schule und zu einer fundierten Bildung erleichtern. Gerade zwischen Kindergärten und Grundschulen erfolgt hier eine enge Zusammenarbeit. Darüber hinaus wird versucht, mehr Lehrer und Lehrerinnen mit Migrationshintergrund in den Schuldienst zu beordern. Haupthindernis dabei: Es gibt vergleichsweise wenige Schüler mit Migrationshintergrund, die überhaupt die Allgemeine Hochschulreife erlangen. Von diesen nehmen wiederum nur wenige ein Lehramtsstudium auf. Ohne Integration keine Sprache und Bildung. Ohne Sprache und Bildung wiederum keine Integration – ein Teufelskreis. „Ohne Integration keine Sprache und Bildung. Ohne Sprache und Bildung keine Integration – ein Teufelskreis.“ Ebenso gelingt die erfolgreiche Integration am Arbeitsmarkt vorwiegend denen, die entweder kein Integrationsprogramm benötigen oder eine gute Bildung aufweisen. Das Gros der Migranten fällt auch hier in der Praxis durchs Raster. Erschwert wird der Arbeitsmarktzugang insbesondere durch § 39 AufenthG. Dieser sieht für alle Migranten, die eine Arbeitserlaubnis beantragen, eine Vorrangprüfung durch die Arbeitsagentur vor. Ausnahmen gelten lediglich für Zuwanderer, die nach § 25 Abs.1 und 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erteilt bekommen, für Migranten, die nach mindestens dreijährigem erlaubten oder geduldeten Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, für Menschen, die nach mindestens einjähriger Tätigkeit bei demselben Arbeitgeber die Beschäftigung dort fortführen möchten, für minderjährig eingereiste Jugendliche mit einer Aufenthaltserlaubnis und deutschem Schulabschluss bzw. abgeschlossener berufsvorbereitender Maßnahme oder bei Aufnahme einer anerkannten Berufsausbildung und für besondere Tätigkeitsbereiche, die spezielle Qualifikationen voraussetzen (vgl. „Inder in der IT-Branche“). Gilt für den Migranten nach der Beschäftigungsverordnung keine solche Ausnahme, ist eine Vorrangprüfung durchzuführen. ADVOICE 04 /11 31 Thema Praktisch bedeutet das, dass der Migrant, wenn er das Stellenangebot eines Arbeitgebers erhält, dort nicht einfach anfangen kann. Zunächst muss er eine Arbeitserlaubnis bei der zuständigen Ausländerbehörde beantragen. Der Vorgang wird daraufhin an die Bundesagentur für Arbeit abgegeben, die das Stellenangebot zunächst dahin überprüft, ob der Migrant zu den gleichen Arbeitsbedingungen beschäftigt werden soll wie ein vergleichbarer deutscher Arbeitnehmer, insbesondere zu dem ortsüblichen Lohn. Ist das der Fall, wird der Arbeitgeber aufgefordert, einen Vermittlungsauftrag zu erteilen, woraufhin einige Wochen lang bevorrechtigte Arbeitslose an ihn vermittelt werden. Dazu gehören Deutsche und Ausländer mit unbeschränkter Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit, insbesondere EU-Bürger. Nur bei ausreichend überzeugender Begründung des Arbeitgebers, dass die jeweils Bevorrechtigten ungeeignet für die Stelle waren, wird die Zustimmung zur Erteilung der Arbeitserlaubnis erteilt und der Vorgang der Ausländerbehörde rückübergeben. „Die meisten Arbeitgeber werden sich auf eine Mehrbelastung sowie die entstehende Zeitverzögerung nicht einlassen.“ Problematisch ist es für den Arbeitgeber vor allem, fundiert zu begründen, weshalb die vermittelten bevorrechtigten Arbeitssuchenden für eine Einstellung nicht in Frage kamen. Häufig kann dieses Problem nur dadurch gelöst werden, dass der Arbeitgeber in Zusammenarbeit mit dem Migranten das Stellenprofil derart detailliert beschreibt und ausarbeitet, dass nur der fragliche Migrant für eine Einstellung in Betracht kommt. Die meisten Arbeitgeber werden sich jedoch auf die dadurch entstehende Mehrbelastung sowie die entstehende Zeitverzögerung nicht einlassen. Gerade bei Tätigkeiten, die keine bestimmte Qualifikation benötigen, wird es nur selten zu einer positiven Vorrangprüfung durch die Arbeitsagentur kommen. Ergebnis ist in den meisten Fällen, dass die Arbeitsaufnahme als Integrationsbaustein frühestens drei Jahre nach Einreise in die Bundesrepublik erfolgen kann – ein Zeitpunkt, zu dem sich – vorwiegend eigenkulturelle – gesellschaftliche Kreise bereits gebildet und eine gewisse Verwurzelung darin vorhanden ist; die Parallelgesellschaft ist bereits gewachsen. Bei der Bildungsförderung soll bei den Migranten eltern angesetzt werden, damit durch diese eine Förderung der Kinder erfolgen kann. Das Integrationsprogramm des BMI räumt ein, dass gerade bei Eltern Hemmungen bestehen, das Angebot wahrzunehmen. Die Praxis zeigt jedoch auch, dass die Beratung zu den bestehenden Angeboten oft ausbleibt, genauso wie das Bemühen, den Migranten ihre Angst zu nehmen – die Angst davor, sich zu öffnen, sich im fremden Land von Bekanntem zu lösen. Die gesellschaftliche Integrationsförderung soll durch Öffnung der Verbände, durch bürgerliches Engagement der Betroffenen in Migrantenorganisationen und deren Einbindung in die „kulturelle, soziale, mediale, bürgerschaftliche, sportliche Infrastruktur“ umgesetzt werden. Das funktioniert, solange der Einzelne bereit ist, sich zu engagieren und sich auf die multikulturelle Gesellschaft und ihr Zusammenwirken einzulassen. Die Existenz der Parallelgesellschaften mit eigenen Gemeinden und Vereinen jedoch lässt ein Öffnen und Aufbrechen der gesellschaftlichen und kulturellen Strukturen oft nicht zu. Sprache und Bildung sind Voraussetzungen für eine erfolgreichen Integration. 32 ADVOICE 04 /11 Fazit Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Integration liegt sicher in Sprache und Bildung und in deren Förderung. Insofern ist eine Notwendigkeit der Orientierung an der „deutschen Leitkultur“ wohl gegeben. Angebote zur Umsetzung sind ebenfalls vorhanden. Soweit aber nur unzureichend darüber aufgeklärt wird, werden diese Angebote häufig nur von denjenigen wahrgenommen, die eine Integration vermutlich auch ohne gesonderte Förderung bewältigen würden, weil das Interesse an und die Einsicht in die Notwendigkeit von Integration vorhanden sind. Diejenigen aber, die aufgrund von Sprach- oder Bildungsdefiziten die Angebote nicht kennen oder nicht für notwendig erachten, erreicht die gewünschte Förderung zumeist nicht, da häufig Angst vor den deutschen Behörden und der deutschen Gesellschaft eine Öffnung verhindert. Zumeist sind das die Mandanten, die um den Erhalt oder die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis kämpfen und sich nur deshalb zum Anwalt wagen, weil es der letzte Strohhalm ist, den sie ergreifen. Die Vertrauensbildung ist hier häufig schwer und damit auch die Zusammenarbeit. Um Sprache und Bildung als Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration fördern zu können, muss daher in vielen Fällen zunächst Vertrauen wachsen. Dieser Aspekt wurde in dem Integrationsprogramm überhaupt nicht berücksichtigt. Die Orientierung an einer „Leitkultur“ alleine reicht nicht, auch wenn sie einen Schlüssel zur erfolgreichen Integration darstellen mag. Ohne Vertrauen in die neue Umwelt aber wird dieser Schlüssel keine einzige Tür öffnen. RAin Elke Dausacker, Netphen Foto: Rainer Sturm_pixelio.de Thema Gibt es ein Recht auf Kultur? Eine Bestandsaufnahme - vom Existenzminimum bis zum Bildungspaket Selbst den Juristen fällt die Definition des Begriffs „Kultur“ schwer. Nach einem expliziten „Recht auf Kultur“ sucht man daher im deutschen Recht vergeblich. Allerdings enthält die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ein Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben. Gemäß § 27 dieses Regelungswerks hat jeder Mensch das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich der Künste zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Wohltaten teilzuhaben. Nun entfalten die Regelungen der im Jahr 1948 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte keine unmittelbare Bindungswirkung für die einzelnen Mitgliedsstaaten. In den Vertragsstaaten gelten jedoch unmittelbar die Regelungen des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der 1966 von der UN-Generalversammlung verabschiedet und 1976 von den teilnehmenden Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde. Dieser Pakt, dem auch die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist, garantiert dem Einzelnen in Art. 15 ein Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben. Keinen Eingang gefunden hat das Recht auf Teilhabe an der kulturellen Gemeinschaft in die Europäische Menschrechtskonvention (EMRK). Grund dafür ist die europäische Tradition, nach der vor allem bürgerliche und politische Rechte als Menschenrechte angesehen werden. Kulturelle und soziale Rechte wurden, dieser Tradition folgend, nicht in den Menschenrechtskatalog der EMRK aufgenommen. Gleiches gilt für das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, in dem der Leser ein „Recht auf Kultur“ ebenfalls vergeblich sucht. Vielmehr wird hier das Recht auf Teilhabe am kulturellen Leben aus Art. 1 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatspostulat des Art. 20 GG abgeleitet, die Einfluss auf das einfache Recht haben. Beispiele hierfür sind vor allem im sozialen Bereich zu finden. So bildet z. B. das Existenzminimum die Grundlage bei der Berechnung des Sozialhilfesatzes. Als Exis tenzminimum wurden dabei zunächst die Mittel bezeichnet, die zur Befriedigung der materiellen Bedürfnisse erforderlich sind. Erfasst waren also nur die Mittel, die ein physisches Überleben sichern sollten. Mittlerweile haben die Sozialgerichte jedoch auch ein sogenanntes soziokulturelles Existenzminimum anerkannt. Danach umfasst das Exis- tenzminimum auch solche Mittel, die bei sparsamer Verwendung zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erforderlich sind. Bei der Berechnung des Satzes für die einer Person zustehenden Sozialleistungen sind daher z. B. auch die Kosten für eine Tageszeitung, einen Rundfunkanschluss sowie einen Zugang zum Internet zu berücksichtigen. Dass allein mit den Mitteln der Sozialhilfe kein Zugang zu kulturellen Einrichtungen gewährleistet sein kann, haben auch viele Städte und Gemeinden erkannt. Dort erhält ein Mensch aus sozial schwachen Verhältnissen unter Vorlage seines entspre chenden Leistungsbescheids besondere Vergünstigungen auf den Eintritt zu Museen und städtischen Einrichtungen sowie auf Theaterkarten. Auch die Leistungen des sogenannten „Bildungspakets“ für Kinder aus sozial schwachen Familien sehen Mittel vor, die den Kindern z. B. die Teilnahme am Vereinsleben oder den Besuch einer Musikschule ermöglichen sollen. Glaubt man der Statistik, ist eine starke Nachfrage nach diesen Leistungen jedoch bislang ausgeblieben. Ein weiteres Beispiel für den Einfluss des Rechts auf Teilhabe am kulturellen Leben findet sich im Sozialgesetzbuch IX, das Regelungen zur Integration behinderter Menschen enthält. Gemäß § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 7 SGB IX werden dabei Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen oder sichern, insbesondere haben behinderte Menschen dabei Anspruch auf Hilfestellungen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben. Diese Hilfen umfassen gemäß § 58 SGB IX vor allem Hilfen zur Förderung der Begegnung und des Umgang mit nichtbehinderten Menschen, Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen, sowie die Bereitstellung von Hilfsmitteln, die der Unterrichtung über das Zeitgeschehen oder über kulturelle Ereignisse dienen, wenn wegen Art oder Schwere der Behinderung anders eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht oder unzureichend möglich ist. In vielen, zumeist öffentlichen, Bereichen gibt es diese Hilfestellungen bereits: So können Menschen mit Behinderung von der Zahlung der Rundfunkgebühren befreit werden; die Internetangebote öffentlicher Stelle müssen barrierefrei gestaltet sein; öffentliche Kultureinrichtungen müssen Zugänge für Rollstuhlfahrer vorhalten; Bücher wer - Hinter den Kulissen. Foto: Henning Hraban Ramm den in Blindenschrift oder als Hörbuch produziert; Theater halten mit einer Induktionsschleife ausgestattete Sitzplätze für Hörbehinderte bereit. Sind die Bemühungen zur Integration behinderter Menschen in das kulturelle Leben im öffentlichen Bereich oftmals sehr ausgeprägt, fehlen sie im privaten Bereich jedoch fast vollständig. Auch hier zeigt sich also, dass allein das Bestehen des Rechts auf eine Leistung noch nicht zu dessen Verwirklichung führt. Um dem Recht jedes Einzel nen auf Teilhabe am kulturellen Leben sicherzustellen, bedarf es daher noch vieler Schritte. RAin Astrid Ackermann, Frankfurt/M. ADVOICE 04 /11 33 Magazin Vorgelesen und genehmigt ... und erst viele Stunden später das Gericht verlassen Landgericht Berlin, Tegeler Weg, September 2011, ein typischer Gerichtssaal. Die Terminsrolle zeigt nur einen Termin. Das ist ungewöhnlich, aber nachvollziehbar, geht es doch „nur“ um eine einstweilige Verfügung in einem Äußerungsstreit. Das wurde bestimmt schnell dazwischengeschoben von der Kammer, die sonst für Arzthaftungsrecht zuständig ist. Nach gefühlten drei Stunden beginnt die Befragung des Büroleiters, die nach gefühlten weiteren drei Stunden immer noch nicht zu Ende ist. Auch hier das gleiche zeitraubende Prozedere von befragen, diktieren, vorspielen, streiten, spulen, ändern, genehmigen. Ein Ende ist noch lange nicht in Sicht, die vorsichtige Anregung zur Vertagung bügelt der Richter kurz ab. Die Gegenseite, Antragsteller in dem Verfahren, steht auf dem Flur. Sie hat einen präsenten Zeugen dabei. Mal sehen, ob der überhaupt vernommen wird. Wir haben unseren Referendar mitgebracht. Das Ganze könnte schnell gehen, denn wir haben Verweisungsantrag zum Arbeitsgericht gestellt. Die ehemalige Mitarbeiterin war nach unserer Auffassung scheinselbständig. Dann ist aber das Arbeitsgericht zuständig für Äußerungen über den ExChef gegenüber Dritten. Zudem kann man bei der Anrufung eines falschen Gerichts auch sehr gut über die Dringlichkeit diskutieren, wenn der Verweisungsantrag erfolgreich ist. Das wäre ebenfalls in unserem Interesse. Auch die Antragsgegnerin darf noch zu Wort kommen, aber erst, nachdem im Büro alle Termine für heute abgesagt und die Familienplanung umorganisiert wurde. Die Zeit ist zu kurz, um zu allen aufgeworfenen Punkten Stellung zu nehmen. Die Befragung des Büroleiters hatte ja schon bis zum Nachmittag gedauert. Irgendwann stürmt der Gerichtsdiener/Wachdienst in den Gerichtssaal, ist verwundert, dass noch jemand da ist und klärt mit dem Richter, wie wir das verwinkelte Gebäude verlassen könnten, da er jetzt abschließen müsse. Zirka 19 Uhr verlassen wir gemeinsam durch die Hintertür das Gericht, der Referendar ist hungrig wie ein Wolf und ich muss am nächsten Tag das Gespött im Büro ertragen. Die Verhandlung beginnt mit dem Hinweis, dass erst einmal die Zuständigkeit geklärt werden müsste. So weit, so vorhersehbar. Statt zu den beanstandeten Äußerungen darf der Antragsteller nun alles über seine Geschäft als Immobilienmakler, wo er „freie Makler“ für sich arbeiten lässt, erzählen. Feste Arbeitszeiten werden gern gesehen, die Software stammt vom ihm, die Antragsgegnerin sollte auch mal Vorträge ausarbeiten. Kern der Tätigkeit ist es, Immobilienexposees zu erstellen und an Kaufinteressenten zu vermitteln, Immobilienverkäufer zu akquirieren und zu betreuen sowie die Besichtigungen durchzuführen. Dafür darf der freie Makler 50 Prozent der Provisionen behalten. Doch diese Provisionen waren nicht in jedem Fall bei den freien Maklern angekommen. Darüber hatte sich die ExMitarbeiterin beim zuständigen Verband beschwert. Der Antragssteller-Ex-Chef, dessen vermeintliche „Machenschaften“ die Ex-Mitarbeiterin aufs Korn genommen hatte, erzählt und erzählt und erzählt, zwischendurch auch mal einen Witz vom Fritzchen, damit es der Richter auch ja richtig versteht. Der Richter diktiert alles sofort und spielt es zur Genehmigung vor. Die Anwälte streiten hin und wieder um eine Formulierung, wie sie nun konkret gefallen ist oder nicht. Gerade im Äußerungsrecht kann es auf die Feinheiten zwischen den Zeilen ankommen. Die Diktatbänder füllen sich und sind bereits mehrfach gewechselt worden. 34 ADVOICE 04 /11 Und was kommt raus bei so einer Mammutsitzung? Eine Verweisung an das Arbeitsgericht, ein 25seitiges Protokoll und eine völlig durcheinandergewirbelte Bürowoche. Dennoch: Der Referendar war begeistert, da er mal eine „richtige mündliche Verhandlung“ erleben durfte und die Mandantin auch. Sie hat ja auch richtig was bekommen für „ihr Geld“. Schade nur, dass es das Geld der Staatskasse ist und PKH-Antrag gestellt ist (über den noch Eingangsportal des Landgerichtes Berlin am Tegeler Weg. nicht einmal entschieden wurde, weil das Sache des zuständigen Gerichts ist). Derzeit liegt die Akte aufgrund der Beschwerde beim Kammergericht. Wir werden berichten. Falls jedes Gericht künftig unangekündigt einen ganzen Tag über die Frage der Zuständigkeit verhandelt, sollten die Anwaltsgebühren verzehnfacht werden. Die Zahl der Richter von gut 20.000 könnte glatt verdoppelt werden. Um es vorwegzunehmen, ja, der Richter hatte eine Unterbrechung gemacht für eine Mittagspause, aber nur kurz, für ein Brötchen hat es gereicht, für ein warmes Essen jedoch nicht. Der Referendar war so nett, in der Zeit Beweise zu kopieren. Doch was macht der Anwalt in einem solchen Fall, wenn er ein Flugticket in der Tasche hat, das Gericht aber nicht fertig wird, aber Anwaltszwang besteht? Lösung bitte an: redaktion@davforum.de RA Tobias Sommer, Berlin Was habt Ihr erlebt bei Gericht, welche Urteile, die die Welt aus den Angeln heben oder die Anwaltschaft bewegen? Schreibt uns zu der Rubrik Gericht des Monats! In jeder Ausgabe küren wir ein „Gericht des Monats“. Foto: Andrea Vollmer Magazin Virtuelle Tupperparty – Gefahr für private Daten Facebook & Co – Social Media und der Datenschutz Am 19. August 2011 kündigte der Landesdatenschutzbeauftragte Dr. Thilo Weichert vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein an, dass vorerst alle Schleswig-Holsteiner, die einen Facebook-Like-Button auf ihrer Website verwenden, mit Abmahnungen und sogar Geldstrafen von bis zu 50.000 Euro rechnen müssen. Viel wird in den Medien über Datenschutz gesprochen, aber die wenigsten Internetnutzer wissen überhaupt, was technisch im Hintergrund abläuft und warum Facebook & Co vor allem für Unternehmenswebseiten so wichtig sind. Die Berliner Internetagentur „celdro media“ wird bei ihrer täglichen Arbeit immer wieder mit der Problematik der Nutzung von Social-Plug-ins (SPI) konfrontiert, so dass sich die beiden Geschäftsführer Sandro Brzinsky und Marcel Metscher freundlicherweise zu einem Interview bereit erklärt haben. A: Was passiert beim Aufruf einer Seite mit einem SPI? cm: Zunächst sei erklärt, dass es sich bei den Facebook & Co-Buttons um Plug-ins handelt. Ein Plug-In ist dabei ein Programm, das über eine definierte Datenschnittstelle in ein anderes Programm eingebunden wird. Beim Aufruf einer Seite mit z. B. einem Facebook-Button wird sofort eine Anfrage an den Facebook-Server in den USA gestellt, wodurch der Like-Button auf der Seite geladen wird. In diesem Moment besteht die Möglichkeit, dass Nutzerinformationen durch Facebook abgerufen und auch gespeichert werden können. Um welche Daten es sich dabei handelt, dazu enthält sich Facebook & Co. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass zumindest die IP-Adresse übermittelt wird. Problematisch ist hierbei, dass auch Daten von Nutzern, welche nicht bei Facebook & Co angemeldet sind, übermittelt und gespeichert werden können. Es sind also alle Nutzer der jeweiligen Seite betroffen. Auf die Datenübermittlung kann der Internetnutzer selbst keinen Einfluss nehmen, es sei denn, er verwendete einen sogenannten Add-Blocker – in Form eines Plug-ins – für seinen Browser. Hierdurch werden die Buttons von Facebook & Co blockiert und somit auch die Datenübertragung. A: Warum ist dann der Aufschrei der Datenschützer so groß, obwohl jeder Internetnutzer die Möglichkeit hat, Add-Blocker zu nutzen? cm: Die obersten Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich, der sogenannte Düsseldorfer Kreis, hat 2009 beschlossen, dass das Telemediengesetz (TMG) von Webseitenbetreibern bei der Erstellung von Nutzungsprofilen zu beachten ist. Hierdurch erklärten die Aufsichtsbehörden, dass sie auch IP-Adressen als personenbezogene Daten ansehen. Der Diensteanbieter darf gemäß § 12 Abs. I TMG personenbezogene Daten nur erheben und verwenden, soweit der Nutzer eingewilligt hat. Die Anforderungen an diese Einwilligung ergibt sich aus § 13 TMG. Durch die Übermittlung der IP-Adresse könnte der jeweilige Webseitenbetreiber als „Störer“ für eine rechtswidrige Datenverarbeitung verantwortlich sein. Störer ist dabei derjenige, welcher eine Rechtsverletzung fördert oder ermöglicht, hier also durch einen Verstoß von zumutbaren Prüfungspflichten. A: Warum ist Social Media für Unternehmenswebseiten so wichtig? cm: Social Media ist vergleichbar mit einer übergroße „Tupperparty“ bei der man seine ganzen „Freunde“ einladen kann. Ein Unternehmen wird hierdurch immer transparenter und es entsteht eine „Mitmach-Politik“, das heißt, Menschen, die Teil eines Sozialen Netzwerkes sind, werden dadurch Teil einer großen Gemeinschaft. Dies stärkt die Marke eines Unternehmens, dessen Bekanntheit und Neukunden können hierdurch gewonnen werden. Mit anderen Worten, Social Media ist Werbung für ein Unternehmen, das dafür keinen Cent ausgeben muss. Der Einflussbereich von Sozialen Netzwerken steigt zudem von Jahr zu Jahr, sodass es für Unternehmen praktisch unumgehbar ist, sich auf diesen Plattformen anzumelden und diese mit ihren Webseiten zu verknüpfen. A: Wie könnte der Konflikt zwischen Webseitenbetreibern und den Datenschützern gelöst werden? cm: Um beide Seiten zufriedenzustellen, besteht unserer Ansicht nach lediglich die Möglichkeit, Buttons zu verwenden, welche bei Aufruf der Internetseite noch keine Funktion entfalten. Das bedeutet, dass zum Zeitpunkt des Seitenaufrufes noch keine Datenübermittlung zu oder von Facebook & Co stattfindet. Hierzu kann ein Image, das heißt ein Button ohne Funktion, auf die Webseite eingebunden werden. Dabei ist aber darauf zu achten, dass für das Image kein Orginal Button nachgeahmt wird, denn dies würde wiederum gegen die Nutzungsbedingungen von Facebook & Co verstoßen. Wenn der Nutzer auf das Image klickt, wird erst der eigentliche Button geladen. Hierdurch kann jeder frei entscheiden, ob er mit der Datenübermittlung einverstanden ist. Nachdem der voll funktionstüchtige Button geladen wurde, kann nunmehr durch einen erneuten Klick zum Beispiel ein „Gefällt mir“ oder „+1“ abgegeben werden. Diese 2-Klick-Lösung sollte nach dem aktuellen Kenntnisstand den Anforderungen des Datenschutzes genügen. Das Gespräch führte RAin Christine Frey, Berlin Info Für die 2-Klick-Lösung hat celdro media ein kostenloses Tutorial auf seiner Internetseite zur Verfügung gestellt: > www.celdro-media.de/neuigkeiten/ datenschutzkonformer-like-button.html Diese 2-Klick-Lösung entbindet den Webseitenbetreiber aber nicht davon, eine entsprechende Datenschutzerklärung auf seiner Internetseite zu haben. Eine solche findet sich auf: > www.anwaltskanzlei-frey.de/facebookbuttons.html. Facebook guckt, wer wo guckt. Foto: Alex. Klaus_pixelio.de ADVOICE 04 /11 35 Magazin Die Katzen der Frau Ahafzi Unheimliche Tierschwemme beim Kleinen Muck – heute: Animal Hoarding Ursache für dieses Bedürfnis, gebraucht zu werden, ist die starke soziale Isolation der Betroffenen. Nach einer aus den USA stammenden Statistik des Hoarding of Animals Research Consortium aus dem Jahr 1999 sind mehr als drei Viertel der Tierhorter weiblichen Geschlechts, fast die Hälfte ist älter als 60 Jahre, fünfzig Prozent leben allein. Drei Fünftel der Betroffenen nehmen ihr Verhalten nicht als Problem wahr. Wie aber findet man heraus, ob wirklich ein Fall der Tierhortung vorliegt? Die Akademie für Tierschutz hat in ihrer „Checkliste für das Vorliegen eines echten Falls von Tierhortung“ drei Kriterien angegeben, deren Vorliegen auf Tierhortung hindeutet: 1. Es wird mehr als die durchschnittliche Zahl an Tieren gehalten (bis ca. drei Hunde, ca. drei bis vier Katzen, ca. fünf Nager usw.). Gefangen. Damit die Tiere nicht weiter leiden müssen, können sie gemäß § 19 Abs. 1 TierSchG eingezogen werden. Außerdem kann das Gericht dem Tierhalter gemäß § 20 Abs. 1 TierSchG zur Vermeidung weiterer Rechtsverstöße die Tierhaltung ganz oder teilweise verbieten. Foto: Deutscher Tierschutzbund e.V. Eigentlich hatte sie es ja nur gut gemeint, die 73-jährige Hamburgerin, die sich immer wieder alter Hunde annahm. Eigentlich. Am Ende lebte sie in ihrem kleinen Einfamilienhaus mit über 50 Hunden zusammen, die Namen aller Tiere kannte sie schon lange nicht mehr auswendig und die Futterkosten überstiegen ihre kleine Rente bei Weitem. Die Probleme häuften sich: Die Tiere waren unterernährt, ihre medizinische Versorgung war schlecht, zwischen Müll und Kot fanden sich Hundekadaver. Der Amtstierarzt musste intervenieren, ein Einsehen für die Situation der Tiere hatte die Dame allerdings nicht. Fälle wie dieser häufen sich in letzter Zeit vor allem in Großstädten. Definiert ist die Tierhortung (neudeutsch auch Animal Hoarding) als psychische Störung, die zum unkontrollierten Halten und Sammeln von lebenden Haustieren führt. Dass die Pflege des einzelnen Tieres dabei auf der Strecke bleibt, liegt auf der Hand. Fragt man die Betroffenen nach ihren Gründen, so geben diese häufig an, sie hätten den Tieren nur helfen wollen. Tatsächlich nehmen Tierhorter häufig alte oder kranke Tiere bei sich auf. Das Horten von Tieren ist also eine Ausprägung des Helfersyndroms; immer mehr Tiere bei sich aufzunehmen, vermittelt den Betroffenen ein Glücksgefühl, das sie sich auf andere Weise schwer oder überhaupt nicht mehr verschaffen können. 36 Verstöße gegen das Tierschutzgesetz stellen eine Ordnungswidrigkeit dar und sind im schlimmsten Fall sogar strafbar. So kann gemäß § 18 Abs. 1 Nr.1 TierSchG mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 Euro belegt werden, wer ohne vernünftigen Grund vorsätzlich oder fahrlässig einem von ihm gehaltenen oder betreuten Wirbeltier erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt. Dauern die Schmerzen und/oder Leiden des Tieres über einen längeren Zeitraum an oder treten sie wiederholt auf, kann der Tierhalter gemäß § 17 Nr. 2b TierSchG sogar zu einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt werden. ADVOICE 04 /11 2. Bezogen auf das Platzangebot leben zu viele Tiere in den Räumlichkeiten oder auf dem Gelände des Tierhalters. 3. Der Tierhalter zeigt trotz überdurchschnittlich hoher Tierzahl und zu geringem Raumangebot keine Einsicht, dass der Tierbestand reduziert werden muss. Dass der Nachbar ein Problem mit dem Horten von Tieren hat, wird oftmals erst dann bemerkt, wenn der von den Tieren verursachte Lärm oder Dreck überhand nimmt. Dann gilt es angemessen zu reagieren, denn das Horten von Tieren verstößt gegen das Tierschutzgesetz. Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss das Tier gemäß § 2 Tierschutzgesetz seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. Er darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass dem Tier Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden. Außerdem muss der Tierhalter über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen. Diese Voraussetzungen erfüllt ein Tiersammler schon auf Grund der Tatsache, dass er Tiere sammelt, nicht mehr. So viel zur Theorie. In der Praxis gestaltet sich die rechtliche Verfolgung des hortenden Tierhalters äußerst schwierig. Tiersammler schotten sich nach außen ab, lassen keinen Blick auf ihren Tierbestand zu. Entsprechend schwierig ist es für die zuständigen Veterinärämter und Amtstierärzte, sich Zutritt zu den Räumlichkeiten des Tierhalters zu verschaffen. Oftmals muss das Betreten der Wohnung oder des Grundstücks von der Staatsanwaltschaft angeordnet werden. Erst dann ist es den Amtstierärzten und Mitarbeitern der Veterinärämter möglich, sich einen Eindruck vom Gesundheitszustand der Tiere zu verschaffen und die geeigneten Maßnahmen zur Behebung der Zustände einzuleiten. Oftmals sind viele erfolglose Gespräche mit dem Tierhalter und die mehrfache Verhängung von Bußgeldern gegen den Tierhalter erforderlich, bevor die Tiere eingezogen werden können. Ein Tierhaltungsverbot kann dabei nur als ultima ratio angeordnet werden, wenn alle milderen Maßnahmen versagt haben. Tiere, die dem Tierhorter entzogen wurden, werden zunächst im Tierheim untergebracht. So geschah es auch den Hunden der Rentnerin im eingangs erwähnten Beispiel, die später trotz ihres Alters an neue Besitzer vermittelt werden konnten. Zwei kleine Hunde durfte die alte Dame allerdings behalten, auf deren Zustand haben die Mitarbeiter des örtlichen Tierschutzvereins seitdem aber ein wachsames Auge. RAin Astrid Ackermann, Frankfurt/M. Magazin Gericht des Monats Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig Die Einsicht nach IFG (Informationsfreiheitsgesetz) in amtliche Informationen können nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass die Unterlagen die Regierungstätigkeit betreffen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Anfang November in zwei Fällen entschieden. In den beiden Fällen ging es um hausinterne Unterlagen zu einem Gesetzgebungsverfahren sowie Stellungnahmen gegenüber dem Petitionsausschuss, ausgerechnet beim Bundesjustizministerium. Der Pressemitteilung des BVwerG ist zu entnehmen, dass die Revisionen der beklagten Bundesrepublik zurückgewiesen wurde. Auch das Bundesjustizministerium gehöre zu den zur Auskunft verpflichteten Behörden. Fotos: BVwerG / André Karwath Eine Unterscheidung zwischen dem Verwaltungsund dem Regierungshandeln eines Ministeriums sei im Gesetz nicht angelegt und auch nach dem Gesetzeszweck nicht gerechtfertigt. Das klingt gerade so, als ob das Ministerium die Möglichkeit gehabt hätte, diese Unterscheidung „im Gesetz anzulegen“. Es komme auch nicht darauf an, so die Richter, dass das Ministerium mit der Abgabe einer Stellungnahme gegenüber dem Petitionsausschuss eine verfassungsrechtliche Verpflichtung erfülle. Auch die im IFG geregelten Versagungsgründe stünden dem Anspruch der Kläger nicht entgegen. Insbesondere könne sich das Ministerium hier nicht auf den Schutz der Vertraulichkeit von Beratungen berufen. LIEBES FORUMSMITGLIED, MACH MIT! Sende uns Dein „Gericht des Monats“, d. h. ein hochauflösendes Foto, dessen Rechte Du besitzt, und eine kurze Geschichte dazu, je bedeutsamer, ungewöhnlicher oder auch skurriler desto besser. { > redaktion@davforum.de ADVOICE 04 /11 37 Magazin Gegen doppelte Beitragspflicht FORUM setzt sich für Befreiung der Syndikusanwälte von DRV-Beitragspflicht ein „Normal“ sind sie nicht – die Syndikusanwälte und -anwältinnen, jedenfalls nicht nach Meinung der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Sind sie deshalb etwas besonderes? Nein – deshalb nicht. Sie sind Rechtsanwälte. Nicht mehr und nicht weniger. Im Detail gibt es heute allerdings – wie bei den „normalen“ Anwälten auch - viele Erscheinungsformen. Da es eine gesetzliche (besondere) Definition nicht gibt, musste der BGH aushelfen. Syndikusanwalt ist, wer als Rechtsanwalt in einem ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnisses seine Arbeitszeit und -kraft einem Auftraggeber (Unternehmen, Verband, etc.) zur Verfügung stellt (so auch BGHZ 141, 69, 71). Tagung der Syndikusanwälte in Berlin. 38 ADVOICE 04 /11 Eine Regelung zur Rentenversicherungspflicht entzweit seit langem die Beteiligten. Die Regelung des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI eröffnet für angestellte Rechtsanwälte bei einem sogenannten „nichtanwaltlichen Arbeitgeber“ die Möglichkeit, nicht in die DRV sondern in ihr Versorgungswerk einzuzahlen, um eine doppelte Beitragslast zu vermeiden. In vielfachen Verfahren und verstärkt seit 2009 wird die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht allerdings durch die DRV sehr restriktiv gehandhabt. Auch langjährig befreite Kollegen berichten, dass seither der Wind ein anderer ist und immer wieder unerklärliche, ablehnende Bescheide mit Standardformulierungen die Betroffenen erreichen. Dabei stellt die DRV teil- weise Kriterien auf, die weder im eigenen Merkblatt stehen, noch sich einer gesetzlichen Grundlage rühmen können. Schließlich versucht sich, unter deutlicher Überschreitung der Prüfungskompetenz, die DRV immer wieder an den Kompetenzen der jeweiligen örtlichen Kammern, indem auch unter Hinweis auf § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO die Versagung der Befreiung begründet wird. Indes bestätigen im Gegenteil gerade die Kammern bei der Anzeige einer weiteren Tätigkeit nach § 56 BRAO die Vereinbarkeit durch ein eigenes Schreiben, in dem auch noch auf die §§ 45, 46 BRAO hingewiesen wird. Betroffen sind mit den Syndikusanwälten wohl gut 15 Prozent der deutschen Anwaltschaft (10-12Prozent: Foto: Andrea Vollmer Magazin Gaier/Wolf/Göcken – Huff, Anwaltliches Berufsrecht, Kommentar 2010, § 46 Rn. 5; Schmucker, STAR: Die Berufssituation von Syndikusanwälten, AnwBl 2003, 65). Mehrere hundert gerichtliche Verfahren laufen, viele Kollegen sind auch aufgrund stereotyper Formulierungen in Ablehnungsbescheiden entmutigt, klagen nicht nach Erhalt des Widerspruchsbescheides oder nehmen Anträge bereits im Verwaltungsverfahren zurück. Voraussetzung für die Befreiung in der DRV ist nach Auffassung der DRV eine „anwaltliche Tätigkeit” im Unternehmen. Und um diese tätigkeitsbezogene Definition (im Gegensatz zum Status „Rechtsanwalt“) dreht sich die Diskussion. Die berufstypische Tätigkeit eines Rechtsanwalts im Unternehmen wird nach dem Merkblatt der DRV zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft der berufsständischen Versorgungswerke (ABV) anhand von vier kumulativ erforderlichen Merkmalen beschrieben: Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung. Der nichtanwaltliche Arbeitgeber eines Rechtsanwalts muss diese Merkmale eines bei ihm anwaltlich tätigen Angestellten konkret beschreiben und entsprechend bescheinigen. Liegen die Voraussetzungen vor, so ist der Rechtsanwalt von der Versicherungspflicht in der DRV zu befreien. Auf keinen Fall darf deshalb eine Phantasieerklärung abgegeben werden unter formelhafter Wiederholung der im Merkblatt genannten Konkretisierungen. Gerade bei der Formulierung der Arbeitgeberbestätigung ist größte Sorgfalt geboten. Was darf die DRV bei Antragstellung verlangen? 1. Arbeitsvertrag 2. aussagekräftige Stellen- und Funktionsbeschreibung des Arbeitgebers, z. B. mit erteilten Vollmachten etwa nach § 54 HGB 3. Nachweis, dass die Tätigkeit mit dem Anwaltsberuf im Einklang steht, meistens nachgewiesen durch eine Bescheinigung der zuständigen Rechtsanwaltskammer Was darf die DRV nicht verlangen? • Stellenausschreibungen, Stellenanzeigen • Organigramme • genaue Zahlen über zugeordnete Mitarbeiter, etc. Nach § 6 SGB VI kommt es alleine auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit im Unternehmen an. Oftmals konkretisiert sich diese erst nach dem Antritt der (neuen) Tätigkeit. Deshalb sind zum Beispiel Stellenanzeigen und –ausschreibungen völlig ungeeignet zur Entscheidung über einen Befreiungsantrag. Die DRV hat zunächst zu prüfen, ob sich aus den oben beschriebenen Unterlagen – insbesondere aus der Tätigkeitsbeschreibung – die Erfüllung der vier Merkmale ergibt. Erst wenn es hier nach individueller Prüfung relevante Zweifel gibt, darf die DRV auf andere Unterlagen und Erwägungen zurückgreifen. Oftmals wird in diese Prüfung von der DRV erst im Widerspruchsverfahren eingegangen, obwohl doch die DRV als Verwaltungsbehörde verpflichtet ist, sich an ihre eigenen Vorgaben zu halten und (schon im Ausgangsverfahren) rechtmäßig zu handeln. Es gibt auch Ablehnungsbescheide und Widerspruchsbescheide, die nahezu ohne jede oder nur mit einer Textbaustein-Begründung auskommen. Diesen Mangel hat das SG Frankfurt (Urt. v. 10.11. 2009 – S 25 KR 121/06) gerügt und weist die DRV auf ihre Amtsermittlungspflicht hin. Immer wiederkehrende Formulierungen befassen sich mit der Frage, ob die Tätigkeit „objektiv nicht zwingend eine Qualifikation als Volljurist voraus“ setze (und wer legt fest, was in diesem Zusammenhang „objektiv“ ist), ob ein Verbandsjurist „typische anwaltliche Tätigkeit“ ausübe, ob eine Tätigkeit von (schon) 39 Stunden pro Woche für einen nichtanwaltlichen Arbeitgeber (darüber hinaus) anwaltliche Tätigkeit ausschließe (vgl. BGH Urt. vom 9.11.2009 – AnwZ (B) 83/08 = BRAK-Mitt. 2010, 29), ob die Einstufung in eine Gehaltsstufe eines Tarifvertrages (bei Versicherungen übrigens bis zu 60.000 Euro jährlich) gegen anwaltliche Tätigkeit spreche oder ein Gehalt vergleichbar einem Richter mit R1 (42.000 Euro) für eine reine Sachbearbeitertätigkeit spreche, ebenso das Vier-AugenPrinzip. Keine der Begründungen ist in pauschaler Anwendung indes tragfähig. Aus den Augen darf nicht verloren werden, dass es sich bei der vorliegenden Fragestellung um eine solche des Selbstverständnisses der freien anwaltlichen Berufsausübung geht. Dem Bedürfnis der Syndikusanwälte nach einer geschlossenen Versicherungsbiografie – wie sie bei selbstständigen und beim anwaltlichen Arbeitgeber angestellten Rechtsanwälten auch bei Kanzleiwechseln selbstverständlich ist – muss zudem Rechnung getragen werden. Die rechtliche und auch die berufspolitische Diskussion dreht sich deshalb neben § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI in erster Linie um § 46 BRAO, der ausdrücklich die Möglichkeit der Tätigkeit des Syndikusanwaltes vorsieht (so auch Huff, AnwBl 2011, 473; Prütting, AnwBl. 2009, 402) und an dem auch nicht die Entscheidung des EuGH „Akzo Nobel“ vom 14.09.2010, C_550/07 P (abrufbar unter http://curia.europa.eu) etwas ändert. Auch wenn der Rechtsstand an sich eindeutig ist, scheint die Anwendung unklar, weshalb seit einiger Zeit über eine in der BRAO klarstellend zu verankernde Definition des Syndikusanwaltes diskutiert wird. Nicht entschieden ist allerdings, ob eine solche Klarstellung allein ausreichend wäre zur umfassenden Re- gelung der die Syndikusanwälte treffenden Rechte und Pflichten in der anwaltlichen Berufsausübung (weitergehend Kleine-Cosack in AnwBl. 6/2011, 467, 472). Schon die Verortung einer solchen Klarstellung sorgt für Schwierigkeiten, da die statusbezogen verfasste BRAO eben keine Struktur aufweist, welche aufgespaltene Regelungen für Teile der Anwaltschaft zuließe. Zu beachten ist der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG. Es dürfen keine höheren Anforderungen an den Syndikusanwalt gestellt werden als an einen Rechtsanwalt, der als Angestellter in einer Rechtsanwaltskanzlei arbeitet oder als selbständiger Rechtsanwalt tätig ist. Dabei ist heute von einem Spektrum von der (außergerichtlichen) Beratung, über Rechtsgestaltung und Prozesstätigkeiten auszugehen. Die Syndikusanwälte gehören dazu. Die logische Folge dieser Vielfalt ist die Aufgabe der kumulativen Anwendung der vier tätigkeitsbezogenen Merkmale. Vielmehr sind sie zur Feststellung anwaltlicher Tätigkeit – und zwar im Ergebnis mit Geltung für alle Rechtsanwälte und unabhängig von der Verortung in der BRAO – alternativ anzuwenden. Übrigens ist die vielfach angesprochene Frage der „anwaltlichen Unabhängigkeit“ keine, die für die Frage der Rentenversicherungspflicht von erheblicher Bedeutung wäre. Ursprünglich bedeutete Unabhängigkeit diese von Staat, zudem wirtschaftlich und im Hinblick auf Weisungen des Auftraggebers (der beim Syndikusanwalt „Arbeitgeber“ heißt) nach § 46 Abs. 1 BRAO. Syndikusanwälte sind ohne Zweifel im Regelfall unabhängig vom Staat, wirtschaftlich besser gestellt als viele selbstständige und beim anwaltlichen Arbeitgeber angestellte Rechtsanwälte sowie bei Weisungen nicht schlechter gestellt als diese. Denn auch der Einzelmandant (unter vielen) kann den Nicht-Syndikus-Rechtsanwalt sehr weitreichend bis zur Grenze des Rechtsbruchs anweisen. Es bleibt die Erkenntnis: Unabhängigkeit ist eine Frage der Persönlichkeit. Da für die Ungleichbehandlung der Syndikusanwälte im Ergebnis keine Grundlage festgestellt werden kann, setzt sich das FORUM Junge Anwaltschaft ausdrücklich ein für die Befreiung der Syndikusanwälte von der Beitragspflicht bei der DRV. Die einheitliche Behandlung der Anwaltschaft auch in dieser Frage gehört zum Selbstverständnis des Berufsstandes. Der Berufsrechtsausschuss befasst sich auch weiterhin mit diesem Thema und wünscht sich deshalb einen regen Austausch (berufsrechts ausschuss@davforum.de) über erfolgreiche und laufende, d. h. bisher nicht mit Erfolg versehene Verfahren. Weiterführende Informationen geben auch die ARGE Syndikusanwälte des DAV und die > Versorgungswerke. RA Frank Röthemeyer, Balingen ADVOICE 04 /11 39 Magazin Fortsetzung von Seite 39. Beispiele für erteilte Befreiungen: LSG Nordrhein-Westfalen, L 4 R 1023/10 (Dienstleistungsunternehmen) Grundlagen: LSG Hessen, Urt. v. 29.10.2009 – L 8 KR 189/08 = AnwBl. 2010, 214 m. Anm. Esser, AnwBl. 2010, 215 LSG Nordrhein-Westfalen, L 3 R 715/11 (Forderungsmanagement Energieversorger) LSG Bayern, L 1 R 705/11 und L 19 R 706/11 (Arbeitsrechtler in Personalabteilung) SG Köln, Urt. v. 29.4.2011 – S 6 R 218/10 (Schadenssachbearbeiter Heilwesen) LSG Bayern, L 19 R 368/11 (Anwältin Verbraucherzentrale) SG München, Urt. v. 28.4.2011 – S 30 R 148/11 LSG Bayern, L1 R 701/11 (Schadenssachbearbeiterin) SG Düsseldorf, Urt. v. 2.11.2010 – S 52 R 230/09 m. Anm. Huff, ASR 2011, Heft 2/2011 Auch hier hat die DRV Berufung eingelegt (Az. L 4 R 1023/10). Gehalt in Höhe eines Richtergehalts R 1 (ca. 42.000 Euro) spreche für eine reine Sachbearbeitertätigkeit. SG Frankfurt, Urt. v. 10.11.2009 – S 25 KR 121/06 (Compliance-Managerin) LSG Nordrhein-Westfalen, L 14 R 705/10 (Assistent eines Intendanten) SG München, Urt. v. 28.4.2011 – S 30 R 1451/10 („Unverzichtbar wird bleiben eine Gesamtwürdigung ohne thematische Überbewertung irgendeines Ausschlusskriteriums“) SG Nürnberg, Urt. v. 7.4.2011 – S 18 R 1358/10 Bei den vier letztgenannten Entscheidungen stellten die Richter zwar auch auf die vier Merkmale ab, vertraten aber auch die Ansicht, dass im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes zu prüfen sei, ob es sich allgemein um eine anwaltliche Tätigkeit handele. Dabei sei das Gesamtbild entscheidend. Berufungen laufen. SG Würzburg, Urt. v. 15.6.2011, S 14 R 4075/10 (Arbeitsrechtler in der Personalabteilung) LSG Nordrhein-Westfalen, L 8 R 68/11 und L 14 R574/11 (Anwälte in Versicherungen) Die Deutsche Rentenversicherung hält Syndikusanwälte für etwas Besonderes. 40 ADVOICE 04 /11 SG München, Urt. v. 23.8.2011, S 12 R 1574/10 (Spezialistin Vertragsstrukturierung Advisory Real Estate) SG Köln, Urt. v. 29.9.2011, S 31 R 696/10 (Referentin im Bereich Steuern in Steuerabteilung) SG Düsseldorf, Urt. v. 16.8.2011, S 52 R 554/11 (Geschäftsführer) SG Nürnberg, Urt. v. 22.3.2011, S 18 R 868/10 (Verbraucherzentrale) SG München, Urt. v. 30.9.2011, S 12 R 370/11 (Leiter Abteilung Berufshaftpflichtversicherung, weltweit) Beispiele für nicht erteilte Befreiungen: LSG Baden-Württemberg, L 13 R 3049/11 (Steuerbereich Verkehrskonzern) LSG Baden-Württemberg, L 11 R 2182/11 (Compliance) SG Duisburg, Urt. v. 19.9.2011, S 31 KR 526/10 (Bank, Bereich Verwertung von Immobiliarsicherheiten) Foto: Thomas Max Muller_pixelio.de Magazin Fortschritt oder Stillstand? Versicherungskommunikation beim E-Justice-Forum 2011 Seit 2003 finden an der Humboldt-Universität zu Berlin die Xinnovations statt. Die Xinnovations sind eine Konferenz für netzbasierte Informationssysteme, die Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung in verschiedenen Anwendungsfeldern zum Dialog über die fortschreitende Digitalisierung der gesellschaftlichen Abläufe zusammenführt. Das E-Justice-Forum fand in diesem Jahr unter dem Titel „Fortschritt oder Stillstand? – Anwaltschaft und Justiz im Zeitalter digitalen Wandels“ am 20. September im Senatssaal der Humboldt Universität zu Berlin statt. Der Veranstalter konnte mit der Hilfe der Hauptsponsoren die Anmeldungen im Vergleich zum vergangenen Jahr fast verdoppeln. Durch eine gezieltere Ansprache konnte besonders das Interesse der Anwaltschaft an der Konferenz deutlich gesteigert werden. Im Fokus stand in diesem Jahr die elektronische Versicherungs- und Justizkommunikation, das mobile anwaltliche Arbeiten und die Organisation der elektronischen Kanzlei. Nach Grußworten des Veranstalters, der Rechtsanwaltskammer Berlin und des Berliner Anwaltsvereins, zeigten Rechtsanwalt GeorgFriedrich Klusemann, Vorstand der Berliner Jurasoft AG (Schwestergesellschaft der ra-micro Software GmbH), und Oliver von Ameln von der adesso AG, wie weit der Wandel in der Kommunikation mit den Rechtsschutzversicherern bereits fortgeschritten ist. Der Vortrag provozierte mit dem Titel „Elektronische Versicherungskommunikation – Fluch oder Segen?“. Die beiden Referenten zeigten, dass es bereits möglich ist, mit vielen Versicherern über die in ramicro7 integrierte ra e vs-Schnittstelle vollelektronisch zu kommunizieren. „Durch die bei Nutzung des ra e vs-Systems stark verkürzten Reaktionszeiten sind Sie als Anwalt erstmals in der Lage, eine valide, rechtssichere Deckungszusage für den konkreten Fall bereits vor einem etwaigen Mandantentermin einzuholen“, stellte Georg-Friedrich Klusemann klar. Auf der anderen Seite erläuterten Klusemann und von Ameln den Teilnehmern auch die strukturellen Probleme, die – überwiegend wegen der Architektur der großen Versicherer – zukünftig noch überwunden werden müssen. Die anschließende Diskussion mit den Teilnehmern zeigte das große Interesse an der elektronischen Versicherungskommunikation. Gemeinsam kam man zu dem Ergebnis, dass die digitale Kommunikation mit Rechtsschutzversicherern ein „Segen“ und nicht etwa ein „Fluch“ sei. Referenten an der Berliner Humbold-Uni. Auch die Kommunikation mit den Gerichten spielt in vielen Kanzleien eine große Rolle. Diesem Thema widmeten sich Rechtsanwältin Andrea Brandenburg, Leiterin Software-Entwicklung bei der ramicro Software GmbH, und Rechtsanwalt Lutz Krüger. Zunächst wurde den Teilnehmern der Versand von Dokumenten aus dem ra-micro-DMS (Dokumenten-Management-System) über den EGVPClient an ein Gericht demonstriert. Da der digitale Wandel in der elektronischen Justizkommunikation noch nicht in allen Bundesländern bzw. in allen Justizverwaltungen gleichermaßen angekommen ist, nutzten die Referenten das Forum nach ihrem Vortrag zu einer Diskussion mit Anwälten und Vertretern der Justiz über die bestehenden Probleme und mögliche Lösungen. Ein weiterer Fokus des E-Justice-Forums lag auf dem mobilen Arbeiten mit Touch-Applikationen für Anwälte. Rechtsanwalt Oliver Doogs, Entwicklungsleiter bei der Jurasoft AG, präsentierte, wie einfach der Anwalt seine elektronische Akte mit dem iPad synchronisieren kann. Dabei wurde ein Dokument aus dem ra-micro-DMS (Dokumenten-Management-System) ohne eine Kabelverbindung innerhalb von wenigen Sekunden mit dem mobilen Tablet synchronisiert. Oliver Doogs demonstrierte den Zuhörern, dass der Anwalt mit der innovativen JuraTouch-App nicht nur die wichtigsten und relevantesten Gesetze und seine elektronische Akte mobil immer dabei hat. Die App bietet auch einen direkten und kostenlosen Zugang zu der professionellen Rechtssprechungsdatenbank des Deubner Verlags in Köln. Dass das mobile Arbeiten eine wa- Foto: W. Schmidt chsende Bedeutung im Kanzleialltag erlangt, war im Teilnehmerkreis unschwer zu erkennen: Fast jeder Teilnehmer hielt während des Forums selbst ein Smartphone oder ein Tablet in den Händen. Elektronische Kommunikation und auch mobiles Arbeiten sind aber nur möglich, wenn die Kanzlei elektronisch organisiert ist. Dass der digitale Wandel in der Kanzleiorganisation bereits weit fortgeschritten ist, zeigte Ulrike George vom Landesverband der Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellten in ihrem Vortrag. Mit zahlreichen Argumenten überzeugte sie auch skeptische Teilnehmer von den Vorteilen des Führens einer elektronischen Handakte und zeigte sich als Anhängerin des sogenannten papierlosen Büros. Besonders die konsequente Nutzung des ra-micro-DMS vereinfache die Kanzleiorganisation und spare im Ergebnis viel Zeit. „So haben die Kolleginnen und Kollegen dann auch die Zeit, dem Chef weitere Aufgaben abzunehmen.“ Der digitale Wandel in der Anwaltskanzlei sollte also nicht als Gefahr, sondern als Chance für einen effizienteren und damit angenehmeren Arbeitsalltag verstanden werden. Allerdings müssen noch einige „Barrieren in den Köpfen“, abgebaut werden, wie es Ministerialrat im Justizministerium BadenWürttemberg, Holger Radke ausdrückte, damit die Digitalisierung in der Anwaltschaft und Justiz vollständig Einzug erhält. Das E-Justice-Forum wird dabei auch in Zukunft einen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels leisten. Dipl.-Jur. Michaela Helmrich ADVOICE 04 /11 41 Magazin Tipp für Anwälte KLEINANZEIGE Vorgestellt von RA Tobias Sommer In Regionalzügen ist es oft sinnvoll und auch für kleines Geld möglich, 1. Klasse zu reisen. Korrespondenzgemeinschaft für junge Rechtsanwälte sucht bundesweit Mitglieder. Der Vorteil: Man hat mehr Platz, oft vor allem aber die nötige Ruhe, um noch etwas zu arbeiten oder Fachtexte zu lesen. 5,50 Euro kostet eine Tageskarte Upgrade 1. Klasse beispielsweise im Bundesland Brandenburg. Den Tipp gab mir ein junger FORUMsKollege auf dem Büroflur, als ich etwas gestresst zu einer Inhouseschulung aufbrach, mit der Ansage, er sei letztens von Berlin nach Cottbus zu einem Termin gefahren. Der Zug war rappelvoll, in der 1. Klasse saßen nur vier Leute, alles Juristen. Infos + Anmeldung unter: Habt Ihr weitere Tipps, die das Anwaltsleben leichter machen? Nicht immer kommt man selbst drauf. > www.korrespondenzgemeinschaft.de Let it rail! Foto: Erich Westendarp_pixelio.de ANZEIGE 42 ADVOICE 04 /11 Magazin NEIN als orales Verhütungsmittel Nein zu sagen, ist eine Kunst, die man lernen kann Schon immer galten Ja-Sager als schwach, mit wenig Durchsetzungsvermögen ausgestattet und manchmal sogar als gefährliche Mitläufer. Nein zu sagen, setzt Mut und persönliches Standing voraus. Aber gerade in Zeiten, wo Teamgeist und Kooperation erwartet werden, muss man die Kunst des Nein-Sagens beherrschen. Ablehnen, ohne andere zu verletzen oder vor den Kopf zu stoßen. Zur Nein-Sager-Kunst gehören sowohl schlüssige Argumente als auch eine passende Körpersprache. Wie es geht, darüber hat AdVoice mit der Erfurter Kommunikationsmanagerin Barbara Topp gesprochen. A: Warum fällt es vielen Menschen so schwer, „nein“ zu sagen? T: Es ist auffällig, dass die Zahl der Menschen, denen es schwer fällt, „nein“ zu sagen angewachsen ist. Viele Menschen glauben, dass sie andere vor den Kopf stoßen, dass es die Harmonie stört, dass das Miteinander leidet, wenn man Nein sagt. Kooperatives Miteinander wird im Arbeitsleben heute groß geschrieben und da bleibt das Nein eben häufiger auf der Strecke, weil man im Team gut miteinander auskommen möchte. Besonders bei Selbständigen steht hinter dem Nein die Angst, die Kunden laufen weg und die Aufträge bleiben aus. A: Haben wir vielleicht unberechtigterweise Angst oder Respekt vorm „Nein-sagen“? T: Ja, es ist meistens eine unberechtigte Angst, denn wenn ich das Nein gut begründen kann, ist beim anderen auch Verständnis dafür da. Wir müssen eine überzeugende Argumentation haben, die der andere akzeptieren kann. Wichtig ist, sich bewusst zu machen: Was erhoffe ich mir, wenn ich „ja" sage? Dahinter steht das gute Gefühl, das ich habe, wenn mich ein anderer um Rat fragt. Ich fühle mich wichtig, ich habe das Gefühl, gebraucht zu werden. Wer auf solche Gefühle aus ist, dem wird es immer schwer fallen, Nein zu sagen. Eine wichtige Rolle spielen die inneren Antreiber. Wer es anderen recht machen will und die Harmonie erhalten möchte, wer alles perfekt erledigen möchte, wer glaubt, stark sein zu müssen und keine Schwäche zeigen zu dürfen, wer sehr ehrgeizig ist und der Beste sein möchte und wer auf die Schnelle Kompromisse schließen will, der tappt häufig in die Falle des Nicht-Nein-Sagens. Deshalb muss man hinter die eigenen Kulissen blicken und seine inneren Antreibermuster erkennen, um die richtigen Schritte gehen zu können. A: Wie sage ich z. B. einem neuen Mandanten, dass ich sein Mandat nicht annehmen kann, ohne ihn zu verletzen und vor allem, ohne ihn ein negatives Licht zu rücken? T: Bleiben Sie freundlich, aber bestimmt. Es braucht eine eindeutige Begründung. Die ist natürlich von Fall zu Fall unterschiedlich. Kann ich das Mandat nicht annehmen, weil es nicht mein Spezialgebiet ist und ich den Mandanten nicht optimal vertreten kann? Oder bin ich bereits überlastet und habe deshalb keine ausreichende Kapazität mehr? Das bedeutet für den Mandanten, dass ich nicht ausreichend Zeit für seinen Fall zur Verfügung habe. Erklären Sie die Nachteile für den Mandanten, wenn Sie seinem Wunsch nachgeben. Sprechen Sie die Immer hinter die eigene Kulisse schauen. eigenen Grenzen offen und deutlich an. Überlegen Sie genau, wie viel Energie Sie ein zusätzliches Mandat kostet wird und was das für die Arbeit, aber auch das Privatleben bedeutet. Jedes Nein zu einem anderen kann ein Ja zu sich selbst sein. A: Wie bringe ich denn einem Mandanten bei, dass die Argumentation/Strategie, die er sich für seinen Fall selbst ausgedacht – im besten Fall ergoogelt - hat, nicht die beste ist – schließlich ist das doch auch eine Art „nein“ zu sagen. T: Das sollte einem fachlich kompetenten Anwalt nicht schwer fallen. Das überzeugendste Argument ist sicherlich, dass Sie das Wissen und die Erfahrungen haben. Jeder Fall ist einzigartig und sollte auch so betrachtet werden. Und wenn der Mandant das nicht akzeptieren will, dann sagen Sie Nein zu diesem Mandat und bleiben sich selbst dabei treu. A: Gibt es No-goes beim Nein-Sagen? T: Auf keinen Fall sollten Sie vage und diplomatisch Nein sagen. Das Wort eigentlich ist grundsätzlich zu vermeiden, denn eigentlich heißt für den anderen schon ja. Geben Sie keine umständlichen Erklärungen, das wirkt immer wie Ausreden.Vermeiden Sie wegzuschauen, sondern sehen Sie den anderen direkt an und blicken Sie ihm in die Augen. Warten Sie nicht, bis der andere Sie fragt, sondern ergreifen Sie die Initiative. Das Gespräch führte AdVoice-Redakteurin Anke Schiller-Mönch Foto: Andrea Vollmer „TOPP“-TIPPS 1. Formulieren Sie ein klares und deutliches Nein. 2. Fordern Sie Zeit, wenn Sie sich nicht sofort entscheiden können. 3. Haben Sie Verständnis für das Anliegen des anderen. 4. Bieten Sie Wahlmöglichkeiten an. 5. Auch Ihr Körper muss „nein“ sagen, d. h. Sie müssen innerlich überzeugt sein. 6. Sagen Sie nicht nur, was Sie nicht wollen, sondern auch, was Sie genau wollen. 7. Machen Sie Übereinstimmungen deutlich. ADVOICE 04 /11 43 Magazin Um Leben oder Tod – Zur Patientenverfügung Wer darf über die Auslegung der Verfügung entscheiden? Nur gerichtlich bestellte Betreuer dürfen die Entscheidung über Leben und Tod treffen. Eine 76-jährige Frau liegt nach einem Schlaganfall seit mehreren Tagen bewusstlos auf der Intensivstation. Ihr Sohn bittet den behandelnden Arzt darum, die künstliche Beatmung einzustellen. Er beruft sich auf eine schriftliche Patientenverfügung, die seine Mutter zwei Jahre zuvor verfasst hat. Darin erklärt sie, dass sie keine lebenserhaltende Therapie möchte, wenn bei ihr eine schwere und irreversible Hirnschädigung festgestellt würde. Die Tochter möchte dagegen, dass alles Menschenmögliche getan wird, um das Leben der Mutter zu retten. Wer entscheidet nun, wie die Behandlung weiter geht? Der Arzt? Der Sohn? Die Tochter? Die Patientin? Die Antwort auf diese Frage überrascht: Der Vorsorgebevollmächtigte bzw. der Betreuer entscheidet. Beide sind rechtlich gleichgestellt, wenn es hier um Leben oder Tod geht. Sind weder Sohn noch Tochter oder Ehemann Vorsorgebevollmächtigte bzw. Betreuer, ist der Arzt in der Pflicht: Er muss über eine einstweilige Verfügung bei Gericht einen gesetzlichen Betreuer bestellen lassen, damit dieser über die Auslegung der Patientenverfügung entscheiden kann. 44 ADVOICE 04 /11 Nach § 1901a BGB prüft der Betreuer oder ein Vorsorgebevollmächtigter, ob die Festlegungen der Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation im Falle der Nichteinwilligungsfähigkeit des Patienten zutreffen. Es handelt sich bei einer Patientenverfügung um den antizipierten eindeutigen Willen zum Einsatz medizinischer Maßnahmen im Zustand der Nichteinwilligungsfähigkeit. Sollte also kein Vorsorgebevollmächtigter diese Prüfung vornehmen können, so hat der Bundesgerichtshof entschieden (Urteil vom 25.6.2010 – 2 StR 454/09), dass aktuell sehr enge Verfahrensregeln zu beachten sind. Wenn ein Patient keinen Betreuer/Vorsorgebevollmächtigten bestimmt hat, ist der Arzt verpflichtet, beim Betreuungsgericht durch eine einstweilige Verfügung einen Betreuer zu bestellen, der die Situation entsprechend prüft. Das bedeutet, die Patientin muss so lange am Leben erhalten werden, bis der bestellte Betreuer u. U. im Gespräch mit den Angehörigen, aber vor allem unter wortgetreuer Berücksichtigung der Patientenverfügung eine Entscheidung trifft. Gibt es zwischen dem Betreuer bzw. Vorsorgebevollmächtigten und dem Arzt einen Konsens in der Vorgehensweise, soll Foto: Mario Heinemann_pixelio.de nach dem Willen des Gesetzgebers das Gericht nicht als Entscheidungsinstanz angerufen werden (vgl. § 1901 b Abs. 1 Satz 2 BGB). Keinesfalls kann der Arzt oder ein Komitee auf eine Patientenverfügung allein und die Worte von Angehörigen bauen, da sich sonst alle in diesem Prozess Beteiligten einer fahrlässigen Tötung, wenn nicht der vorsätzlichen Tötung, strafbar machen. Ein Angehöriger ist keinesfalls dazu berufen, eine Patientenverfügung auszulegen, es sei denn, er ist Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigter. Die Stellung als Ehepartner oder Angehöriger hat keinerlei rechtliche Bedeutung für die Auslegung der Patientenverfügung. Hier lauert ein enormes Strafbarkeitsrisiko für die Beteiligten, wenn die Entscheidung nicht durch einen Vorsorgebevollmächtigten oder durch den gesetzlichen Betreuer getroffen wird. Nur in der Situation zwischen Arzt und einem Betreuer/Vorsorgebevollmächtigten ist eine Übereinkunft/ein Konsens möglich (§ 1901 b Abs. 1 Satz 2 BGB). In allen anderen Fällen darf also der Arzt nicht im Gespräch mit irgendwelchen Angehörigen Entscheidungen treffen, auch wenn sie noch so gut gemeint sind. Magazin Vorsorgevollmachten Wichtigste Tipps zur Patientenverfügung Hilfreiche Tipps zur Patientenverfügung Patientenverfügung = Ich bestimme mich selbst in medizinischen Behandlungsfragen. Jeder kann eine Patientenverfügung verfassen, der in der Lage ist, die Tragweite der inhaltlichen Festlegungen zu verstehen (in der Regel Erwachsene). Ein Patient muss jedem ärztlichen Eingriff (auch lebensverlängernden bzw. lebenserhaltenden Maßnahme) zustimmen. Vorsorgevollmacht = Wer soll medizinische und rechtliche Fragen für mich regeln und durchsetzen? Betreuungsverfügung = Wenn das Gericht jemanden mit der Regelung meiner Angelegenheiten betraut. Organverfügung/Organspende = Spende im Falle des Hirntodes von Organen/ Geweben zur Transplantation. Der behandelnde Arzt Über die Indikation („Heildienlichkeit“) entscheidet allein der sog. „behandelnde Arzt“. Natürlich kann ein Patient mehrere behandelnde Ärzte haben. Auf jeden Fall ist auch der Hausarzt als „behandelnder Arzt“ zu betrachten. Mit der Indikation kann die Notwendigkeit von Behandlung, aber auch das Vorhandensein von Behandlungsalternativen festgestellt werden. Es obliegt allein dem Betreuer oder dem Vorsorgebevollmächtigten, die Patientenverfügung auszulegen. Das bestimmt das Gesetz in § 1901 a Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Patient legt mit seiner Vorsorgevollmacht oder seiner Betreuungsverfügung die Person fest, die seine Patientenverfügung auslegen soll. Als ärztliche Aufgabe ist lediglich eine Stellungnahme in Bezug auf die mögliche Weiterbehandlung – also die medizinische Indikation – vorgesehen (§ 1901 b Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine Patientenverfügung ist bindend und kann nicht durch einen Arzt oder ein Komitee ausgelegt werden. Der Betreuer bzw. Vorsorgebevollmächtigte hat die rechtliche Pflicht, die Patientenverfügung 1:1 umzusetzen (§ 1901 a Abs. 1 Satz 2 BGB). Das ist Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts des Patienten. Trifft die Patientenverfügung zu, so hat der Betreuer bzw. Vorsorgebevollmächtigte also kein Recht zur Interpretation. Er prüft lediglich die Übereinstimmung der Situation mit der Patientenverfügung. Letztendlich prüft der Arzt, ob die Situation des Patienten und eine Prognose der medizinischen Einschätzung weitere ärztliche Maßnahmen erforderlich macht (§ 1901 b Abs. 1 Satz 1 BGB). Der typische Eine Patientenverfügung ist schriftlich abzufassen. Sie kann jederzeit formlos widerrufen werden – also z. B. schriftlich und auch mündlich durch Gestik. Praktischerweise sollte ein Hinweis auf den Ort der Patientenverfügung z. B. auf einem Aufkleber im Portemonnaie angebracht werden. Ein Eintrag in das bundesweite Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer (www.zvr-online.de) ist gebührenpflichtig persönlich (nach Registrierung), durch einen Rechtsanwalt oder Notar möglich. Dort können im Bedarfsfalle alle Krankenhäuser und Befugten Zugriff erhalten. Wenn der Patient im Krankenhaus stationär aufgenommen/eingeliefert wird, sollte er auf seine Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Organverfügung hinweisen. Am besten gibt er bei Aufnahme eine Kopie davon mit seinen Behandlungsunterlagen ab. Fall ist, dass der Arzt z. B. ein Koma feststellt, welches in der Patientenverfügung genannt ist und dies auch als dauerhaft beschreibt. Sieht der Arzt nur eine vorübergehende Einschränkung des Bewusstseins, so liegt aus seiner Sicht kein Koma vor. In der Folge wird der Arzt das „Abschalten“ der Beatmungsmaschine verweigern, weil die Patientin voraussichtlich in wenigen Stunden/Tagen wieder das Bewusstsein erlangt. Ist die Behandlungssituation unklar, kann also ein Dissens zwischen der Einschätzung durch den Arzt und der Auslegung der Patientenverfügung durch den Betreuer/Vorsorgebevollmächtigten auftreten. Der Arzt hat hier quasi ein Veto-Recht! Er ist nicht verpflichtet, sofort die Patientenverfügung anzuwenden. Selbst wenn sich später herausstellt, dass ein Koma vorgelegen hat, musste der Arzt hier nicht vollstrecken. Die Situation muss im Fall eines Dissenses vor Gericht geklärt werden. Die Patientin muss am Leben erhalten werden, so lange, bis das Gericht entschieden hat. Der Dissens kann nur gelöst werden, wenn einer von beiden – Arzt oder Betreuer – das Betreuungsgericht anruft. In diesem Fall entscheidet das Betreuungsgericht über die Auslegung der Patientenverfügung. Wer eine Verfügung trifft, muss im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte sein. Die Einsetzung einer Vertrauensperson sollte nicht stillschweigend erfolgen. Die gewünschte Person sollte vorher gefragt werden. Es ist sinnvoll, aber nicht gesetzlich vorgeschrieben, die Patientenverfügung regelmäßig zu bestätigen, damit erkennbar ist, dass es sich wirklich noch um den aktuellen Willen des Patienten handelt. Dies kann durch einen entsprechenden Zusatz mit Datumsangabe und eigenhändiger Unterschrift geschehen. Es ist hilfreich, die schriftliche Dokumentation der frei getroffenen Patientenverfügung mit Hilfe eines oder mehrerer Zeugen bestätigen zu lassen. Dem Arzt als Zeugen kommt eine besondere Bedeutung zu, da er auch die medizinische Tragweite der Festlegungen in der Patientenverfügung erläutern kann. Ähnliches gilt für einen Rechtsanwalt in Bezug auf die juristische Tragweite. Für den Fall, dass keine Patientenverfügung vorliegt, hat der Betreuer/Bevollmächtigte den mutmaßlichen Willen des Patienten auszulegen und daran alle Behandlungsoptionen zu messen (§ 1901 a Abs. 2 Satz 1 BGB). In diesem Rahmen kann eine nicht konkret zutreffende oder unvollständige Patientenverfügung Bedeutung erlangen. Existiert ein Konsens zwischen Arzt und Betreuer, ist die Einschaltung des Betreuungsgerichts auch hier nicht erforderlich. Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten. RA Volker Loeschner, Berlin Formulare > www.bundesaerztekammer.de ADVOICE 04 /11 45 Magazin NEWS Zusammengestellt von RA Patrick Ruppert Ersatzanspruch bei überlangen Prozessen Im September verabschiedete der Bundestag das Gesetz zum Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsund Ermittlungsverfahren. Nach den Anforderungen des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) konnte nun die gesetzliche Lücke geschlossen werden, dass gerichtliche Verfahren sich für Betroffene über Gebühr sanktionslos in die Länge ziehen. Nach dem Willen der neuen Regelung muss zunächst das Gericht auf die Verzögerung hingewiesen, gerügt werden. Sollte hierauf keine Veränderung eintreten, ist in einem zweiten Schritt eine Entschädigungsklage statthaft. Hiermit verbunden sind eine Kompensation für materiell, aber auch immateriell erlittene Schäden. Schließlich kann in einem solchen Entschädigungsrechtsstreit der Antragende von den Kosten eines solchen Rechtsstreits vollends auf Staatskosten befreit werden. Termine 2012 13.6.2012, DAT für Einsteiger, München Für Berufseinsteiger und Erstteilnehmer 14.6.-16.6. 2012, DAT 2012, München 30.11./1.12.2012, Start in den Anwaltsberuf, Stuttgart Anmeldung unter 030 / 726153-182 sowie zahlreiche regionale Stammtische vor Ort. www.davforum.de/vorort GmbH & Co. KG keine erlaubte Rechtsform Abmahnsystem beschränken Rechtsanwälte dürfen ihre Partnerschaft nicht unter die Rechtsform einer GmbH & Co. KG stellen. Der Bundesgerichtshof urteilte mit Entscheidung vom 18.7.2011 (Az. AnwZ (Brfg) 18/10), dass der Zweck einer KG immer auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet sei. Die Ausübung des Berufs des Rechtsanwalts sei im Schwerpunkt ein solches nicht. Die Richter verwiesen in ihrer Argumentation auf eine jüngere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, welches eine klare Trennung zwischen freien und gewerblichen Berufen erneut herausstellte (BverfGE 120, 1, 31 ff.). Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) plant ein Gesetz gegen den Missbrauch von Abmahnungen im Online-Handel. Im Interview gegenüber der Süddeutschen Zeitung sagte sie: „Vor allem Kleinunternehmer, die auf der eigenen Internetseite oder über Plattformen wie Ebay oder Amazon Handel treiben, geraten durch überzogene Abmahnkosten schnell in finanzielle Bedrängnis.“ Massenabmahnungen sind für einige Rechtsanwaltskanzleien ein lukratives Geschäft. Laut Statistik des „Vereins zur Hilfe und Unterstützung gegen den Abmahnwahn e. V.“ hätten im Bereich der Verletzung von Urheberrechten im Internet spezialisierte „Abmahnkanzleien“ Forderungen in einer Gesamthöhe von 412.459.335,- Euro bei den Anspruchsgegnern geltend gemacht. Die Top 5 dieser Branche sind die Kanzleien Waldorf Frommer, Baumgarten Brandt, Urmann & Collegen, Nümann & Lang und die Rechtsanwälte Rasch. Rechtsanwälte und Richter gegen Stuttgart 21 Mit einer Strafanzeige haben sich am 20.9.2011 Rechtsanwälte und Richter der Gruppe „Juristen zu Stuttgart 21“ an die Spitze der Bahnhofsneubaugegner in Stuttgart gesetzt. Die Anzeigenden befürchten, dass die 2009 Verantwortlichen der Deutschen Bahn AG die Stadt Stuttgart und das Land bewusst mit einer falschen Kostenkalkulation getäuscht hätten. Ursprünglich hatte es seitens der Bahn geheißen, das Bauprojekt verschlänge 3,076 Milliarden Euro, ohne dass mit einer Verteuerung von über einer Milliarde gerechnet werden müsste. Recherchen, so Rechtsanwalt Bernard Ludwig vom Aktionsbündnis, hätten jedoch ergeben, „dass die Bahn schon damals mit einer Kostensteigerung von über einer Milliarde Euro“ gerechnet habe. Die Angaben wären daher falsch gewesen. 46 ADVOICE 04 /11 2.3./3.3.2012, Start in den Anwaltsberuf, Timmendorfer Strand Anmeldung unter 030 / 726153-182 Verfassungsrechte bei Trojanereinsätzen Die unbedingte Beachtung der Verfassungsgrundsätze mahnt die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) bei der Verwendung von Trojanern im Internet an. Die von Behördenseite eingesetzte Schadsoftware soll helfen, schwere Kriminalität aufzudecken und dürfe nur dann zulässigerweise genutzt werden, „wenn konkrete Gefahren für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen“, so der Präsident der BRAK Axel C. Filges. „Die Ermittlungsbehörden müssen daher bei der Überwachung von Telefonaten, die mittels eines Computers über das Internet geführt werden, besonders auf die Einhaltung der gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen achten.“ Filges fordert wie die Bundesjustizministerin ein Sicherungselement, das gewährleistet, dass mit dem Computerprogramm gesetzliche Grenzen nicht überschritten werden. Facebook und Co. Abmahnfalle Wer soziale Netzwerke im Internet zu eigenen Marketingzwecken nutzt, der muss alle erforderlichen Impressumsangaben im Sinne des § 5 Telemediengesetz in seinem Profil aufführen. Zulässig ist unter Umständen auch ein Verweis deswegen auf die Unternehmenswebseite. Dann aber muss deutlich werden, auf welche Telemedien sich das Impressum bezieht und wer für das Telemedium des Facebook-Auftrittes verantwortlich ist. Dies entschied das Landgericht Aschaffenburg mit Urteil vom 19.8.2011 (Az. 2 HK O 54/11). Auch Rechtsanwälte, die Facebook & Co. als Akquiseplattform verstehen, sollten wie sonstige Gewerbtreibende vorsorglich an die Angabe aller Pflichtangaben denken, wollen sie nicht Gefahr laufen, von Kollegen abgemahnt zu werden. > redaktion@davforum.de Magazin Not macht erfinderisch Selbst gebastelt: Der Gesprächsnotizblock für Anwälte Das Büro der Zukunft mag papierlos sein, meine Kanzlei in der Gegenwart ist es nicht. Dabei bin ich kein Fortschrittsverweigerer, mag Technik und schätze die Vorzüge elektronischer Dokumente und Aktenführung schon aus Gründen der Bequemlichkeit und der Datensicherung. Daher wurde hier vom ersten Tag an jedes eingehende Schreiben gescannt, das Diktatsystem ist ebenfalls ein digitales. Trotzdem möchte ich nicht auf handschriftliche Notizen verzichten, sei es im persönlichen Beratungsgespräch, während der telefonischen Mandatsanbahnung oder als Gedächtnisstütze bzw. zur internen Kommunikation, wenn ein Mitarbeiter ans Telefon geht. Ich bin nicht der Einzige. Büroausstatter haben deshalb Gesprächsnotizblöcke im Sortiment. Kläglicher Block-Markt Als beklagenswert empfand ich vor allem das Angebot der auf dem Markt verfügbaren Gesprächsnotizblöcke. Im Laufe der Zeit habe ich diverse Modelle im Einsatz gehabt und bin mit den erhältlichen Produkten nie richtig warm geworden. Vereinfacht lässt sich sagen: Sie haben zu wenig Platz für Notizen, sind nicht am typischen Gesprächsablauf orientiert und sehen übel aus. Etwas ausführlicher: An einem Modell, das sogar speziell für Anwälte gefertigt wird, gefiel mir die Reduzierung des Blocks auf das Wesentliche. Es störte – neben leicht antiquierter Gestaltung – jedoch, dass die Zettel wegen Mit dem eigenen Block hatte das Elend endlich ein Ende. ihrer geringen Größe nur für sehr kurze Telefonnotizen geeignet sind. Hinzu kommt: Mir ist nur ein Händler bekannt, der das Modell im Programm hat. Drei weitere Gesprächsnotizblöcke in DIN A5 sind für meine Begriffe zumindest nicht anwaltstauglich: Mal ist kostbare Fläche mit Werbung verschwendet, begleitet von einer marktschreierischen Farbgebung und extrakleinen Kästchen zum Ankreuzen der Rahmenbedingungen des Gesprächs und Kardinalfehlern wie einem rund drei Zentimeter breiten Namensfeld (bei meiner Handschrift wird es immer dann problematisch, wenn jemand anruft, dessen Name länger ist als Müller). Ein anderer Block ist hinnehmbar strukturiert und hat genug Platz für Notizen, die Überschrift ist allerdings in einem Comic-Font gehalten, der für einen Anwalt indiskutabel ist (solange man sich nicht wegen eines Schwerpunkts im Familienrecht als kinderfreundlich präsentieren und dieses Konzept bis zu den internen Arbeitsmitteln durchziehen möchte). Zu Block Nr. 3 will ich kein Wort mehr verlieren, den meint der Hersteller schon nicht ernst (feat. Linienhöhe 6 Millimeter und der für meine Begriffe mehr als fragwürdigen Idee, die Uhrzeit auf einer stilisierten Uhr einzuzeichnen). Zu meinem typischen Gesprächsablauf passte auch keiner der Gesprächsnotizblöcke. Ich pflege eingangs den Namen des Gesprächspartners und das Thema zu notieren, dann aber zur Sache zu kommen, bevor das Gespräch mit der Fixierung der Kontaktdaten endet (soweit erforderlich). Lösung: Selber machen Diese Bestandsaufnahme habe ich mir nicht wegen einer Lust am Lamentieren abgerungen. Vielmehr will ich um Verständnis werben, warum ich mir unlängst meine eigenen Gesprächsnotizblöcke habe herstellen lassen. Damit hat das Elend mit den für meine Bedürfnisse unzulänglichen Produkten aus dem Handel ein Ende und ich erfreue mich an einem Block, der auf das Wesentliche reduziert ist und so bei möglichst geringer Verwirrung möglichst viel Platz für Notizen lässt sowie eine Struktur aufweist, die sich an meinen Arbeits- und Gesprächsabläufen orientiert. Das ist also die über 3.000 Zeichen lange Geschichte eines Bürogegenstands, dem ein sehr hoher zweistelliger Prozentsatz der Mandanten exakt keine Aufmerksamkeit schenkt (in Teil 2 der BürobedarfsSerie könnte ich dann über meinen Posteingangsstempel berichten, der dieses Schicksal teilt). Hilfe, ein Nerd – Dieser Blick hinter die Kulissen der Kanzlei mag mich als einen Bürbedarfsnerd enttarnt haben. Aber als einen mit seinem eigenen Gesprächsnotizblock. RA Jens-Christof Niemeyer, Spenge Foto: Stefanie Salzmann NACHTRAG Als ich diesen Text im Oktober auf meine Kanzlei-Website stellte, ahnte ich nicht, welch hohen Stellenwert derartige Detailaspekte der Büroorganisation im Kollegenkreis haben. Offenbar gibt es da draußen zahlreiche weitere Bürobedarfsnerds. Ein Kollege faxte noch am Abend des Erscheinungstags stolz eine Seite des von ihm verwendeten Kanzleinotizblocks. Eine weitere Kollegin, die allerdings die Vorzüge des Formats A5, eines Rückdeckels und der Leimung eines Blocks abweichend bewertet, rechnete in ihrem Blog vor, wie viel Geld sich sparen lässt, wenn man Notizformulare per Laserdrucker selber herstellt. Über weitere Anregungen oder Hinweise auf Gesprächskreise für Betroffene freue ich mich per E-Mail. > kanzlei@anwaltniemeyer.de ADVOICE 04 /11 47 Magazin Drum prüfe, wer sich ewig bindet … Auftritte angestellter Berufsträger wie Scheinsozien können böse Folgen haben Mit Urteil vom 21.7.2011-IV ZR 42/10 versagte der BGH einer angestellten Rechtsanwältin den Versicherungsschutz aus ihrer Berufshaftpflichtversicherung. Diese trat nach außen hin als Scheinsozia auf und wurde von einem ehemaligen Mandanten wegen Veruntreuung von Mandantengeldern durch zwei Sozien der Rechtsanwaltssozietät in Anspruch genommen. Mit dieser Entscheidung bestätigt der BGH abermals die Unwägbarkeiten, wenn angestellte Berufsträger wie Sozien nach außen hin in Erscheinung treten. Die möglichen Folgen eines Außenauftritts versucht der Autor nachfolgend näher zu erläutern. Sachverhalt Die Rechtsanwältin war von August 2000 bis Juli 2005 in der Kanzlei angestellt, trat jedoch gleichwohl nach außen hin als Gesellschafterin in Erscheinung. Rechtsanwälte, die in einer Sozietät nach außen hin ohne gesonderte Kennzeichnung ihres Angestelltenstatus auftreten, haften gesamtschuldnerisch für die Fehler und den dadurch verursachten Schaden ihrer Sozien. Die damit verbundene Gefahr wird von Berufsanfängern wie auch angestellten Rechtsanwälten oft unterschätzt, denn der Versicherungsschutz aus der Berufshaftpflichtversicherung ist an dieser Stelle nicht deckungskongruent. Die fehlende Deckungskongruenz machte sich auch hier bemerkbar, denn die beiden Sozien der Kanzlei veruntreuten Mandantengelder, die ein ehemaliger Mandant in Höhe von 111.044,11 EUR wiederum von der Scheinsozia erstattet wünschte. Die Versicherungsnehmerin meldete die Inanspruchnahme ihrer Berufshaftpflichtversicherung, die jedoch aus verschiedenen Gründen eine Eintrittspflicht ablehnte. Zum Versicherungsumfang Die Ausschlusstatbestände, auf die sich auch im vorliegenden Fall der Berufshaftpflichtversicherer bezog, sind in der Regel in § 4 AVB normiert. Sie bilden die gesetzlichen Vorgaben aus § 51 Absatz 3 BRAO ab, wonach ausgeschlossen sind: 1. Ersatzansprüche wegen wissentlicher Pflichtverletzung 48 ADVOICE 04 /11 2. Ersatzansprüche aus Tätigkeiten über in anderen Staaten eingerichtete oder unterhaltene Kanzleien oder Büros 3. Ersatzansprüche aus Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Beratung und Beschäftigung mit außereuropäischem Recht 4. Ersatzansprüche aus Tätigkeiten des Rechtsanwalts vor außereuropäischen Gerichten Die Konsequenz dieser Entscheidung hätte dazu geführt, dass der veruntreuende Rechtsanwalt keinen Versicherungsschutz besäße, allerdings der Berufshaftpflichtversicherer des angestellten Scheinsozius eintrittspflichtig wäre. Der BGH sah die Zurechnungsklausel des § 12 AVB nicht als überraschende Klausel gem. § 305c Absatz 1 BGB bzw. § 307 Absatz 2 Nr. 1 und 2 BGB an und gab auch im Folgenden dem Berufshaftpflichtversicherer recht. Damit bleibt es nach wie vor bei der Schiller’schen Warnung: 5. Ersatzansprüche wegen Veruntreuung durch Personal, Angehörige oder Sozien des Rechtsanwalts Die Ausschlusstatbestände begrenzen den Umfang des Versicherungsvertrages, der gem. § 51 Absatz 2 Satz 1 BRAO Deckung für Pflichtverletzungen gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gewähren muss. Die gesetzlichen Vorgaben beziehen sich auf die Tätigkeit eines Einzelanwalts, nicht aber auf die von anwaltlichen Zusammenschlüssen. Um der Haftungslage zusammengeschlossener Berufsangehöriger Rechnung zu tragen, erweitert § 12 AVB die Deckung, indem der Versicherungsfall des einen Sozius als der Versicherungsfall aller Sozien angesehen wird. Die Erweiterung gilt allerdings auch für die Ausschlusstatbestände, sodass ein Ausschlussgrund nach § 4 AVB des einen Sozius auch zulasten aller Sozien greift. Zur Rechtsprechung Das OLG München als Vorinstanz hatte in seinem Urteil vom 8.8.2008 – Az 25 U 5188/07 die Regelung der Zurechnung eines Ausschlussgrundes des einen Sozius zulasten aller Sozien gem. § 305c Absatz 1 BGB als versteckte Klausel und damit nicht als Bestandteil des Versicherungsvertrages angesehen. Ferner sei die Zurechnungsklausel inhaltlich unangemessen, da sie von dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweiche. Des Weiteren sah das Gericht in dem in § 51 Absatz 3 Nr. 5 AVB normierten Ausschluss eine Regelung, die nur die echten Sozien, nicht aber die Scheinsozien erfasse. „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, Ob sich das Herz zum Herzen findet! Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.“ Konsequenzen Häufig wird von den Berufsanfängern wie auch von angestellten Rechtsanwälten gefordert, sich auf den Briefkopf oder das Kanzleischild wie ein echter Sozius setzen zu lassen. Vielfach ist dies auch reizvoll, wenn nach außen hin die Zugehörigkeit zu einer Sozietät oder einem sonstigen Zusammenschluss dokumentiert werden kann. Aber das damit verbundene Haftungsrisiko ist und bleibt enorm. Oft ist nicht überschaubar, woran und wie die Sozien arbeiten bzw. was aus diesem Umfeld für Risiken kommen können. Gesellschaftsrechtliche Einwirkungsmöglichkeiten fehlen aufgrund des Angestelltenstatus. Die Rechtsscheingrundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht greifen selbst bei Altverbindlichkeiten. Auch für in der Zukunft liegende Verpflichtungen kann eine Übernahmepflicht bestehen. In Fachzeitschriften wird immer wieder über entsprechende Fälle berichtet, wobei in diesem Kontext stets bedacht werden sollte, dass die Berufshaftpflichtversicherung nur einen Teil des Haftungsrisikos abdecken kann. Ass. Jur. Steffen Eube HDI-Gerling, Hannover Urteil OLG München AZ 25 U 5188/07 Magazin München, die nördlichste Stadt Italiens? Bericht einer Existenzgründung mit Sehnsucht nach dem Süden Häufig schon wurde mir die Frage gestellt: „Was hat Sie denn nach München gebracht?“ Die genaue Antwort kenne ich selbst auch nicht. Jedenfalls bin ich mit großer Begeisterung seit März 2007 als Avvocato (italienische Rechtsanwältin) in München tätig. Ich entdeckte München zum ersten Mal 2001, als ich ein Stipendium für ein Praktikum als Studentin der Universität Bologna erhielt. Damals musste ich nach Italien zurückkehren, um mein Jurastudium, das Referendariat und das zweite Staatexamen zu absolvieren. In meinem Heimatland arbeitete ich fünf Jahre lang in italienischen Kanzleien, die in Bereichen des Wirtschafts-, Vertrags- und internationalen Rechts tätig sind und absolvierte dazu einen Master in „International Commerce“ an der Universität Padua. 2006 sandte ich meinen Lebenslauf nach München und wurde daraufhin zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Die richtige Stelle fand sich dann nach kurzer Zeit und ich fing an in einer Münchener Kanzlei zu arbeiten. Dort betreue ich die deutschen Mandanten im italienischen Recht und unterstütze zusammen mit deutschen Kollegen italienische Mandanten im deutschen Recht. und auch fast unmöglich, den Richter anzurufen, weil es zweideutig erscheinen könnte. Die Gerichtsgebühren werden ferner nicht überwiesen, sondern durch den Kauf von Marken in Tabakwarengeschäften bezahlt. Ich habe das staunende Gesicht eines deutschen Anwalts vor Augen, der sich an einem gewöhnlichen Vormittag in einem italienischen Gericht befindet und sieht, wie Flure, Geschäftsstellen und Verhandlungssäle von Anwälten, Anwalts-Praktikanten und Sekretärinnen überfüllt und laut sind. Als ich 2008 einen Master an der LMU München im deutschen Recht besuchte, fiel mir auf, dass das Jurastudium in Deutschland anders als in Italien strukturiert ist. Während die Prüfungen in Italien im Schwerpunkt theoretisch und mündlich sind, beschäftigen sich die deutschen Studenten schon ab dem ersten Tag ihres Studiums mit der Bearbeitung praktischer Fälle und dem Verfassen von Klausuren. Ich war anfangs sehr überrascht zu sehen, wie die deutschen Juristen die Prüfungsschemata lernen und die Fälle als mathematische Probleme bearbeiten und lösen. Als Italienerin war ich dies nicht gewöhnt und fand es sogar lästig, weil ich den Eindruck hatte, ich könnte mich nicht frei ausdrücken. In der Folgezeit verstand ich jedoch, dass es von großem Vorteil für das Justizwesen ist, dass alle in der Praxis tätigen Juristen dieses System, die Methodik und eben auch die Strukturen und Formalien beherrschen und vor allem anwenden. Ich kann heute aus der Praxis bezeugen, dass der Anwaltsberuf auch aus operativer Sicht in Italien und Deutschland sehr unterschiedlich ist. Vor allem sind die deutsche Justiz und die Verwaltung effizienter als in Italien und die Gerichtsverfahren zügiger gestaltet. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Situation der italienischen Gerichtsverfahren in Zukunft verbessern wird, da Reformen zur effizienteren Gestaltung der Verfahren in Justiz und Verwaltung in Italien durchgeführt wurden. Dennoch vermisse ich auch heute noch die phantasievolle Weise, in der italienische Kollege in ihren Schriftsätzen mit viel Persönlichkeit die italienische Sprache verwenden sowie die Leidenschaft, mit der italienische Rechtsanwälte ihre Anwaltstätigkeit ausüben. „Die Gerichtsgebühren werden ferner nicht überwiesen, sondern durch den Kauf von Marken in Tabakwarengeschäften bezahlt.“ „Dennoch vermisse ich auch heute noch (...)die Leidenschaft, mit der italienische Rechtsanwälte ihre Anwaltstätigkeit ausüben.“ Deutsche Kollegen staunen immer, wenn ich ihnen erzähle, dass die Schriftsätze in meiner Heimat nicht per Fax gesendet werden dürfen, sondern persönlich bei der Geschäftsstelle des Gerichts hinterlegt werden müssen, und dass die Schreiben an die Verwaltung per Einschreiben mit Rückschein gesendet werden müssen, damit der Empfangsnachweis gesichert ist. Außerdem ist es nicht einfach, italienische Behörden telefonisch zu erreichen Im August stellte ich nach mehr als drei Jahren meiner Tätigkeit in Deutschland den Antrag zur Zulassung als deutsche Rechtsanwältin bei der Rechtsanwaltskammer München. Womöglich kann ich in einigen Monaten auch den Titel der deutschen Rechtsanwältin führen. Natürlich bin ich mir bewusst, dass ich nie eine echte Mitbewerberin der deutschen Anwälte sein kann. Obwohl wir vom europäischen Recht immer mehr geprägt sind und Markenkauf. Foto: Andrea Vollmer uns immer häufiger mit internationalem Recht beschäftigen, bin ich der Auffassung, dass die Unterschiede der einzelnen Länder und der nationalen Rechtsordnungen nach wie vor sehr stark sind und dass eine eingehende Kenntnis der nationalen Gesetze und der Rechtordnung, die perfekte Beherrschung der Rechtssprache und das Verständnis der Mentalität des eigenen Heimatlandes in unserem Beruf noch zu wichtig sind. Deshalb halte ich es nach wie vor für unerlässlich, vor allem im Interesse des Mandanten auch für unabdingbar, einen im betreffenden Land ausgebildeten und tätigen Anwalt zu beauftragen bzw. bei ihm Rechtsrat eingeholt zu haben. Es ist nicht immer einfach, innerhalb zweier Rechtsordnungen und Länder zu arbeiten, die trotz der geografischen Nähe in ihrer Mentalität und Struktur so unterschiedlich sind, aber es ist faszinierend, Vermittlerin zwischen diesen beiden Ländern zu sein, die ich aus verschiedenen Gründen sehr liebe und bewundere. Avvocato Alessandra Pesca, München ADVOICE 04 /11 49 FORUM Junge Anwaltschaft im DAV Das FORUM ist: Die Stimme der jungen Anwälte. Eine der größten Arbeitsgemeinschaften innerhalb des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Das FORUM bietet: Fortbildungen. Netzwerke. Lobby. Starthilfe. Antworten und Hilfe für den Berufsstart und die ersten Berufsjahre. Eine Mitgliedschaft zahlt sich aus: Vorteile für alle Anwälte, Assessoren und Referendare bis 40 Jahre (Diese Vorteile bietet nur das FORUM Junge Anwaltschaft.) Kostenlos: Anwaltsmagazin AdVoice Mit Schwerpunktthemen, Erfahrungsberichten Unterhaltsames und Wissenswertes aus der Anwaltschaft, Mitgliederinformationen und natürlich viel Service: Checklisten, Fachanwaltssteckbriefe, Steuerinfos, Tipps zur Haftungsvermeidung u. v. m. Vertretung der Interessen der jungen Anwaltschaft in der Berufspolitik und der anwaltlichen Selbstverwaltung Teilnahme an der Mailingliste, fachliche Unterstützung durch Kollegen, Antworten auf fast jede Frage des Anwaltsalltags, Terminvertretungen, Fällen von Kollegen VORTEILE für alle, die (noch) nicht im DAV sind günstige Konditionen für die Berufshaftpflichtversicherung Mit HDI-Gerling besteht ein Abkommen mit hohem Sparpotenzial exklusiv für FORUMsmitglieder Fortbildung: eigene Seminare und günstigere Konditionen bei anderen Anbietern z. B. Mitglieder-Rabatt teilweise bis zu 50 Prozent bei der Deutschen AnwaltsAkademie Netzwerk und Erfahrungsaustausch national Regelmäßige Stammtische in den allen LG-Bezirken. Kontakte zu örtlichen und überörtlichen jungen Kolleginnen und Kollegen. Regionalbeauftragte als Ansprechpartner, die Euch gern vor Ort weiterhelfen. Netzwerk international Länderbeauftragte als Ansprechpartner bei grenzüberschreitenden Rechtsproblemen. Kontakte zu internationalen Organisationen junger Anwälte und Mitgliedschaft in der European Young Lawyers Bar Association. Vergünstigte Teilnahme bei Veranstaltungen, z. B. beim Deutschen Anwaltstag und Anwaltstagen der Länder Kostenlos: 11x jährlich das Anwaltsblatt günstige Konditionen des DAV (http://anwaltverein.de/leistungen/rabatte) · Auto & Verkehr: z. B. Sonderboni beim Autokauf, vergünstigte Mietewagen · Hotels: Mitgliederrabatte des DAV in vielen Hotels · Fortbildung/Webdienste: z. B. juris DAV · Kommunikation: Rahmenabkommen für Mobilfunk-Rabatte · Versicherungen: z. B. bei der Krankenversicherung und Altersversorgung Rahmenabkommen für kostenlose Kreditkarten NJW-Abo-Ermäßigung um 22 Euro jährlich (Referendare erhalten vom Verlag weitere Ermäßigungen) VORAUSSETZUNGEN für eine Mitgliedschaft: Anwältin/Anwalt unter 40 Jahren, Referendare und Assessoren Jährlicher Mitgliedsbeitrag 50 Euro Ermäßigungen auf 25 Euro: 1. bei Eintritt ab Juli eines Jahres 2. für Mitglieder eines dem DAV angeschlossenen Anwaltvereins Beitritt online: www.davforum.de/anmeldung Euer FORUM Medien und Justiz Verantwortung der Medien und Herausforderung für Anwälte „In vielen Verfahren betrifft es die Interessen unserer Mandanten, ob und in welcher Weise über ein Gerichtsverfahren in den Medien berichtet wird“, so Rechtsanwalt und Notar Christian Reinicke, Vorsitzende des Rechtsanwaltsund Notarvereins Hannover e. V. in seiner Begrüßung zur Festveranstaltung zum 180-jährigen Bestehen des Anwaltsvereins Hannover. Der Festredner, der renommierte Autor und Rechtsanwalt Prof. Dr. Ralf Höcker, LL.M., wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Kommunikation und Recht im Internet (DIKRI), Köln, ging in seinem Vortrag der Frage nach, welche Verantwortung die Medien haben und welche Herausforderungen sich für die Anwaltschaft in der Praxis stellen. Als „Medienanwalt“ im Fall des TVWettermoderators Jörg Kachelmann gab er Einblicke in die anwaltliche Praxis. Im Anschluss des Vortrages war die Thematik Gegenstand der von Rechtsanwalt Mattias Waldraff geleiten Podiumsdiskussion mit Herrn Dr. Mauersberg (Chefredakteur a .D. der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung) und Herrn Fischer (Nds. Landesmedienanstalt). Verdachtsberichterstattung Verdachtsberichterstattung ist ein Privileg der Medien. Den Medien wird das Recht zur Mitwirkung an der öffentlichen Meinungsbildung im Grundgesetz (Art. 5 I 2 GG) gewährt, wobei in den einzelnen Landespressegesetzen die öffentliche Aufgabe der Presse spezifiziert wird. Zum Beispiel nach § 3 LPrG NRW - Öffentliche Aufgabe der Presse: „Die Presse erfüllt eine öffentliche Aufgabe insbesondere dadurch, dass sie Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder auf andere Weise an der Meinungsbildung mitwirkt.“ Die Medien dürfen daher grundsätzlich auch über den Verdacht einer Straftat bzw. unbewiesene Vorwürfe berichten, wenn daran ein besonderes öffentliches Informationsinteresse besteht. Rechtsanwalt Höcker verdeutlichte, dass zahlreiche Affären und Skandale von erheblicher öffentlicher Bedeutung nur durch investigativen Journalismus aufgedeckt und aufgearbeitet werden konnten. Über die Zulässigkeit von Namensnennung und identifizierbarer Berichterstattung bei der Verdachts- und Gerichtsberichtserstattung hat die Rechtsprechung bereits mehrfach entschieden, z.B. BGH NJW 77, 1288 „Abgeordnetenbestechung“, BGH NJW 2000, 1036 „Korruptionsverdacht“, BGH 2006, 2009 „Autobahnraser“ und BGH NJW 1997, 1148 „Stern-TV“. Die Grenzen der Zulässigkeit im Bereich von Ermittlungsverfahren ziehen die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Verdachtsberichterstattung (vgl. nur BGH NJW 2000, 1036). • Verbot unwahrer Behauptungen • Verbot von Beleidigungen • Verbot vorverurteilender Berichte Prof. Dr. Höcker hob hier folgende von den Medien zu berücksichtigende Aspekte hervor: • Verbot der Schilderung intimer Details • Lahmlegung der Bildberichterstattung 1. Vorliegen einer die Öffentlichkeit berührenden Angelegenheit von gravierendem Gewicht (Informationsbedürfnis der Allgemeinheit) 2. Vorliegen eines Mindestbestandes an Beweistatsachen 3. Anforderungen an journalistische Sorgfaltspflicht sind abhängig vom Ausmaß der Rufbeeinträchtigung. Regelmäßig: Einholung einer Stellungnahme des Betroffenen erforderlich 4. Keine Vorverurteilung des Betroffenen Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gilt: „Unzulässig ist eine auf Sensationen ausgehende, bewusst einseitige oder verfälschende Darstellung; vielmehr müssen auch die zur Verteidigung des Beschuldigten vorgetragenen Tatsachen und Argumente berücksichtigt werden.“ (BGH NJW 2000, 1036). Herausforderungen Wie können Anwälte diesen Herausforderungen begegnen? Zum einen kann der Anwalt auf eine drohende negative Berichterstattung über seinen Mandanten in den Medien durch präventive Aufklärungsarbeit einwirken oder im Fall der Berichterstattung mit entsprechenden Rechtsmitteln reagieren, u. a. Geltendmachung von Unterlassungs-, Gegendarstellungs-, Widerrufs- und Geldentschädigungsansprüchen. Diese Ansprüche können gegenüber der Presse und den Bloggern im Internet sowie deren Informanten geltend gemacht werden. Im Zeitrahmen der Verdachtsberichtserstattung in den Medien im Fall Kachelmann wurden von der Rechtsvertretung des Wettermoderators rund 90 einstweilige Verfügungen beantragt. Einige Urteile geben den Medien Handlungsgrenzen für die Zukunft. So wurde der BILD „… verboten, ohne Zustimmung des Verfügungsklägers die unter (…) veröffentlichten Lichtbilder (…), die den Verfügungskläger beim Hofgang in der JVA M. zeigen, zu verbreiten oder öffentlich zur Schau zu stellen.“ (Urteil v. 16.6.2010, AZ 28 O 318/10, BeckRS 2010, 16987). Dem FOCUS wurde es untersagt, „… die Schuldund Straffrage betreffende Einzelheiten aus der bei der Staatsanwaltschaft M. geführten Ermittlungsakte zum Strafverfahren gegen den Verfügungskläger wegen des Verdachts der Vergewaltigung hinsichtlich des Tat- und Nachtatgeschehens sowie der rechtsmedizinischen Untersuchung der mutmaßlichen Geschädigten zu veröffentlichen, so wie nachstehend in der einstweiligen Verfügung wiedergegeben und in FOCUS vom … geschehen.“ (LG Köln, Urteil v. 12.5.2010, AZ 28 O 175/10, (BeckRS 2010, 15242). RA Marc Y. Wandersleben, Hannover 180 Jahre Anwaltsverein Hannover. Foto: Carsten Schick Als strategische Ziele nannte Rechtsanwalt Dr. Höcker folgende Punkte: • Trockenlegung des Informationsflusses an Journalisten • Verbot der Verwertung der Ermittlungsakte in der Presse ADVOICE 04 /11 51 Euer FORUM Ganz andere Baustellen 5. Forum Start in den Anwaltsberuf +3 in Darmstadt „Ich bin drin, was nun?!?“ – eine Frage, die sich viele Anwälte stellen, die die Phase des Berufsstarts und der Kanzleigründung erfolgreich hinter sich gelassen haben. Stehen in den allerersten Jahren der Berufstätigkeit noch hauptsächlich Fragen zum Aufbau der eigenen Existenz im Vordergrund, hat der erfolgreiche Existenzgründer nach zwei bis drei Jahren ganz andere Probleme. Plötzlich geht es nicht mehr in erster Linie darum, möglichst viele Mandate zu akquirieren, sondern um das Halten und den Ausbau bereits bestehender Geschäftsbeziehungen. War es zunächst wichtig gewesen, überhaupt Mandanten in die Kanzlei zu locken, sollen nun einzelne Beratungsangebote gezielt beworben und ausgebaut werden. Auch die Sichtweise auf die von den Mandanten vorgebrachten Probleme verändert sich mitunter im Laufe der Zeit: Ist es wirklich notwendig, jeden Fall vor Gericht auszutragen? Oder könnte man bestimmte Streitigkeiten nicht auch außergerichtlich und unter Mitwirkung der Parteien auflösen? Und schließlich: Muss ich in Zeiten der laufenden Geschäfte und hohen Honorarnoten wirklich noch die zeit- und vielfach auch arbeitsintensiven Beratungshilfe-Mandate annehmen, die an mich herangetragen werden? Um diese und andere Fragen zu klären, fanden sich am 28. und 29. Oktober 2011 rund sechzig junge Kolleginnen und Kollegen aus dem gesamten Bundesgebiet zur Veranstaltung „Forum Start in den Anwaltsberuf +3“ in Darmstadt ein. Angeboten wurden dabei Workshops zu den Themen „Mandanten gewinnen und halten“, „Medienarbeit für Anwälte“ und „Erfolgreiches Verhandeln mit Mitteln der Mediation“. Am Abend des ersten Tages trafen sich die Teilnehmer dann im Plenum, um mit dem früheren Präsidenten des Deutschen Anwaltvereins, Rechtsanwalt Dr. Michael Streck, Fragen zur beruflichen Ethik zu diskutieren. Insgesamt eine ausgewogene Veranstaltung, bei der viele Fragen junger Kolleginnen und Kollegen mit mehr als drei Jahren Berufserfahrung erörtert und von den Teilnehmern diskutiert werden konnten. RAin Astrid Ackermann, Frankfurt/M. Mit AdVoice und Stammtisch begeistert FORUM auf Info- und Kontaktbörse der Allianz Stuttgart Auf der Info- und Kontaktbörse der Allianz Stuttgart am 20.Oktober 2011 war das Junge FORUM mit seiner Regionalbeauftragten Gabriele Knöpfle aus Stuttgart vertreten. Es waren viele interessierte Referendare vor Ort. Neben Informationsveranstaltungen gab es viele Informations-Stände. Die FORUMs-Regionalbeauftragte wurde von vielen Referendaren angesprochen und konnte ausführlich Werbung für das Junge Forum machen. Über den Tisch gingen dabei verschiedene Ausgaben der AdVoice und Informationsbroschüren des Jungen FORUMs. Die Möglichkeit des Austausches beim monatlichen Stammtisch begeisterte die Referendare besonders. RAin Gabriele Knöpfle, Ludwigsburg > stuttgart@davforum.de ??? 52 ADVOICE 04 /11 Foto: Hemmler Euer FORUM FORUM auf internationalem Parkett In London trafen Mitglieder des FORUMs junge Kollegen aus aller Welt Vom 29. September bis zum 2. Oktober war das FORUM zu Besuch in London. An diesem Wochenende fand zum wiederholten Male das International Weekend (IW) 2011 statt. Veranstaltet wird dieser alljährliche Event von der London Young Lawyers Group, vergleichbar mit einer regionalen FORUMs Gruppe, dem Young Barristers Committee, die Organisation der jungen Barrister und von den European Young Bar Association (EYBA), mit der Unterstützung der Law Society of England and Wales und des Bar Councils of England and Wales. Das FORUM war diesmal mit Mitgliedern des GFA, Silke Waterschek und Linda Schwarzer sowie durch den Sprecher für Internationales, Urs Breitsprecher, vertreten. Am ersten Abend fand im St. Kathrine Docks das Get-together statt. Man traf sich mit Junganwältinnen und Junganwälten aus den unterschiedlichsten Ländern, so waren neben Anwälten aus England und Wales, Schottland, Nordirland und der Republik Irland auch Vertreter von Junganwälten aus Holland, Belgien, Frankreich, Dänemark, Norwegen, Spanien, Portugal, Italien. Litauen, Hong-Kong, China, Ghana, Bahamas, den USA und Kanada vertreten. Am nächsten Tag traf man sich in den Räumen der Law Society, wo zunächst eine Begrüßung durch die Vizevorsitzende der Law Society, aber auch durch den Präsidenten der American Bar Association, Wm. T. (Bill) Robison III, welcher anlässlich des „Opening of the Legal Year“ in London war, statt. Nach den Einführungsreden und Kennenlern-Spielen (MingleBingo) erklärte Nicholas Green QC (ein senior Barrister, auch Silk genannt), ehemaliger Vorsitzender des Bar Councils, die zum 1. Oktober 2011 eingeführten Regelungen der „Alternative Business Structure“, welche den englischen Anwaltsmarkt revolutionieren. Demnach können unter anderem, ähnlich wie bereits in Australien, Nicht-Anwälte sich direkt oder indirekt an Anwaltskanzleien beteiligen. England und Australien sind derzeit die einzigen Länder, in denen dies rechtlich möglich ist. Einige sehen hierein erhebliche Chancen, auf der anderen Seite überwiegen jedoch (noch) die Bedenken, da bereits große englische Supermarktketten (Co-Op und Tesco) angekündigt haben, entsprechende „Kanzleien“ zu gründen und diese Dienstleistungen in ihren Filialen feilzubieten. Hierauf folgte eine ausgiebige Diskussion, wie die Sichtweise in anderen Ländern sei. Nicolas Green erwähnte hierbei, dass er auf verschiedenen Veranstaltungen gehört habe, dass der Rest Die Tower-Bridge in London. Europas, aber auch die USA zwar skeptisch seien, das „Experiment“ aber genauestens beobachten und dann eventuell selber vergleichbare Regelungen einführen wollen, da hierdurch Geld gespart werden könne. Dies könnte zu einem noch größeren Honorardruck auch in Deutschland führen. Am Nachmittag folgten dann Führungen durch die beiden Gerichte High Court of Justice (zivilrechtliche Gerichte) und dem Old Bailey (strafrechtliches Gericht). Im Old Bailey wurden einem auch die Zellen gezeigt, aus welchen seit Jahrhunderten bis noch in den 60er Jahren die Verurteilten zu ihrer Hinrichtung schritten oder zum Tower oder Hyde Park zur Hinrichtung kutschiert worden sind. Anschließend gab es noch einem Besuch in der Temple Church (der Da Vinci Code ließ grüßen) und Führungen durch die vier alten Barrister Chambers Gray s Inn, Lincoln s Inn, Middle Temple und Inner Temple. Am Abend vergnügte man sich noch nach einem Empfang im Gray s Inn bei einem Pub Quiz. Am nächsten Morgen standen Seminare zu Soft Skills an. Zunächst sprach James M. Durant III, ein US Navy Judge Advocate General (Militäranwalt) und künftiger Präsident der American Bar Association Führungsqualität (Leadership). Er erklärte anhand von anschaulichen Geschichten, dass es auf den Charakter ankommt, auf Weisheit und Gerechtigkeit. Er zitierte hier den ehemaligen amerikanischen Präsidenten John Quincy Adams: „If your actions inspire others to dream more, learn more, do more and become more, you are a leader.“ Foto: Heike_pixelio.de Bei einem weiteren Seminar zu Soft Skills ging es um Kommunikation. Hier wurde anhand von Studien und praktischen Übungen gezeigt, dass zur Verständigung es nur zu sieben Prozent auf den Wortlaut ankommt, aber zu 38 Prozent auf die Stimme und zu 55 Prozent auf die Körpersprache. Dies wurde anhand von Übungen dargelegt. Am Nachmittag erfolgten dann Kurse bezüglich des neuen englischen Antikorruptionsgesetzes, den UK Bribery Act 2010, welcher weltweite Geltung hat, und somit auch für deutsche Unternehmen gilt. Auch ein Seminar über „Social Networks“, und die hiermit verbundenen Neuerungen für Anwälte fand statt. Der krönende Abschluss der Veranstaltung war ein Black-Tie-Dinner, bei welchem auch alle Redner anwesend waren, sodass genügend Zeit zum Networking und für vertiefende Gespräche gegeben war. Es war eine sehr gelungene Veranstaltung, bei welcher man viele junge Kollegen aus allen Herren Länder kennenlernen konnte. Spannend war zu sehen, dass es vielleicht gewisse Unterschiede in den einzelnen Jurisdiktionen gibt, aber wir alle dieselben Probleme haben und vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Im Nachhinein kam es bei unseren ausländischen Freunden sehr gut an, dass Deutschland auf dieser Veranstaltung erstmals zahlenmäßig stark vertreten war. Daher danke ich Silke und Linda für ihre Unterstützung. RA Urs Breitsprecher, Düsseldorf ADVOICE 04 /11 53 Euer FORUM Apps und Ups Regionalbeauftragte des FORUMs Junge Anwaltschaft trafen sich 2011 in Essen Alljährlich finden sich die engagierten Regionalbeauftragten des FORUMs zusammen, um die neuesten Entwicklungen und Geschehnisse – auch und insbesondere im Bereich des anwaltlichen Berufsrechts – zu diskutieren und die weiteren Aktivitäten des FORUM Junge Anwaltschaft abzustimmen. So sind auch dieses Jahr, am 28. und 29. Oktober 2011 in Essen, die „Regios“ zahlreich erschienen, mit bester Laune und viel Vorfreude auf die Dinge, die da kommen würden ausgestattet und sogleich mit Getränken, frischem Obst und den ersten „Schnittchen“ versorgt. Nachdem so das leibliche Wohl hergestellt war, ging es mit „geistiger Nahrung“ weiter. In den Räumlichkeiten der Soldan GmbH, die uns sehr gastfreundlich empfangen hat, konnten wir Oliver Schwartz von Soldan lauschen, der uns Einzelheiten zum Internetportal „Marktplatz Recht“ anschaulich erklärt und besonders bei den Technik-Freaks für große Begeisterung gesorgt hat. Eine App mit aktuellen News aus der FORUMs-Arbeit? Geht das, und wenn ja: wie? Können wir den Mitgliedern durch die Regionalbeauftragten quasi taufrisch auf die iPhones berichten? Wer kann diese App installieren und wie wird eine FORUMs-Mitgliedschaft im Rahmen einer solchen Service-Leistung überprüft? Alles Fragen, die man vor Ort gern noch weiter vertieft hätte. Wenngleich das aufgrund der umfangreichen Tagesordnung nicht möglich war, so haben sich aber Helge Heiner und Frank Röthemeyer vom Geschäftsführenden Ausschuss des FORUMs sofort an Oliver Schwartz’ Fersen geheftet, um die Vorstellungen und Fragen der RBs weiter zu erfahren, was in diesem Bereich umgesetzt werden kann. Der Vorsitzende des Berufsrechtsausschusses des DAV, Herr Hartung, erklärte den Anwesenden sodann in einem kurzweiligen Vortrag, was das Verbot des Fremdbesitzes an Kanzleien in der Praxis tatsächlich bedeutet, mit wem eigentlich inter-professionell zusammengearbeitet werden darf und mit wem nicht, warum die Verschwiegenheit im Hinblick auf die Einbindung von externen Dienstleistern insbesondere im technischen Bereich so heiß diskutiert wird und wie sich der Berufsrechtsausschuss des DAV überhaupt zusammensetzt, woher die diskutierten Themen in den Ausschuss kommen etc. Erstaunlich, wie kurzweilig solch’ vermeintlich trockenen Themen aufgearbeitet werden können! Die Anwesenden fanden das auch und haben die Chance ausgiebig genutzt, den Referenten mit Fragen zu löchern und über die einzelnen Punkte zu diskutieren. Abends konnten wir uns – ebenfalls auf Einladung der Soldan GmbH – mit deren Geschäftsführer, Herrn Dreske, nicht nur eine Vorstellung im GOP Varieté in Essen ansehen, sondern wir haben auch im Anschluss daran die Nacht zum Tag gemacht. Für die Teilnehmer des RB-Treffens waren einige Tische in einem nahegelegenen Club reserviert, sodass von diesem überaus netten Angebot natürlich rege Gebrauch gemacht wurde. Insgesamt ein gelungenes RB-Treffen – sowohl inhaltlich, als auch „Drumherum“. Bleibt zu hoffen, dass wir Euch alle auf dem nächsten RB-Treffen, das voraussichtlich im Frühjahr 2012 stattfinden wird, in alter Frische wiedersehen ... RAin Silke Waterschek, Heilbronn Regionalbeauftragte gesucht! Regionalbeauftragte gesucht! An alle FORUMskolleginnen und -kollegen in den LG-Bezirken Amberg, Bad Kreuznach, Baden-Baden, Bochum, Bückeburg, Coburg, Cottbus, Hof, Limburg, Magdeburg, Memmingen, Mosbach, Mühlhausen, Münster, Passau, Stendal, Stuttgart, Weiden und Zwickau. In diesen Bezirken ist die interessante Position des Regionalbeauftragten nicht oder nur kommissarisch besetzt. Als engagierte FORUMs-Mitglieder könnt ihr diese Lücken schließen. Der Regionalbeauftragte ist der Ansprechpartner des FORUM Junge Anwaltschaft vor Ort und organisiert in erster Linie den monatlichen Stammtisch zur Vernetzung der Mitglieder im eigenen Landgerichtsbezirk. Als RB bist Du auch die Schnittstelle zwischen dem Geschäftsführenden Ausschuss und den Mitgliedern vor Ort und stehst in Kontakt mit den anderen RBs im Bundesgebiet. Das FORUM lebt von der Vernetzung aller Mitglieder und der Regionalbeauftragte ist ein wichtiges Bindeglied vor Ort. Der Job macht Spaß und bringt jede Menge Kontakte mit sich. Eine Übersicht aller Regionalbeauftragten findet Ihr im Internet unter: 54 ADVOICE 04 /11 > www.davforum.de/469/ Euer FORUM Regionalbeauftragte stellen sich vor Regionalbeauftragter RA Klaus Hornung für den LG-Bezirk Heidelberg Foto:Pierroa_pixelio.de Klaus Hornung ist also mein Name. Ich wurde vor gut 34 Jahren in Weinheim geboren, habe dort mein Abitur gemacht und danach ab 1998 in Heidelberg meine juristische Ausbildung, einschließlich des Referendariats, durchlaufen. Direkt im Anschluss daran, das war dann 2006, habe ich mir die Zulassung als Anwalt besorgt und mich mit zwei Kollegen in der Mannheimer Oststadt als PartG niedergelassen. In dieser Zusammensetzung bin ich heute noch tätig, und habe auch erstmal nicht vor, daran etwas zu ändern. Inzwischen haben wir uns auf das Recht des Geistigen Eigentums, IT- und Internetrecht, sowie die Medien- und Werbewirtschaft spezialisiert. Mein persönlicher Schwerpunkt ist der Gewerbliche Rechtsschutz (insb. Marken- und Urheberrecht), und seit ein paar Monaten darf ich mich auch mit dem entsprechenden Fachanwaltstitel schmücken. Von daher bin ich auch Mitglied (und Regionalgruppenleiter Rhein-Neckar) der AGEM – Arbeitsgemeinschaft Geistiges Eigentum und Medien des DAV. Regionalbeauftragter RA Markus Heuer für den Landgerichtsbezirk Mönchengladbach Foto: heinz dahlmanns_pixelio.de Der LG-Bezirk Mönchengladbach beschränkt sich nicht auf das Stadtgebiet der kreisfreien Stadt Mönchengladbach. Vielmehr beinhaltet dieser auch Amtsgerichte aus den benachbarten Kreisen. Die Stadt Mönchengladbach wurde früher neben Krefeld auch das rheinische Manchester genannt. Dabei ist die Bezeichnung nach dem Niedergang der rheinischen Textilindustrie durchaus nicht nur Folklore, denn die in vorgenannten Städten beheimatete Hochschule Niederrhein ist Kompetenzzentrum der hiesigen Textilingenieure. Darüber hinaus gibt es nach wie vor Maschinenbaubetriebe, die auf höchstem Niveau Spezial- und Sondermaschinen zur Textilherstellung produzieren. Dennoch sind Stadt und Umland durchaus bemüht, auch neue Industrien anzusiedeln. Im Süden der Stadt wurde zur Jahrtausendwende eines der ersten interkommunalen Gewerbegebiete ausgewiesen, an dessen Fuße auf dem Gebiet der Gemeinde Jüchen sich auch meine Kanzlei im Dorf Holz befindet. Dieser Ort wurde im Zuge der Braunkohleförderung NEU In Heidelberg habe ich von Holger Prätorius einen gut besuchten Stammtisch übernommen und werde diesen ohne große Neuerungen weiterführen. Zur Anwerbung neuer Mitglieder möchte ich mich etwas intensiver um die Referendare am Landgericht kümmern. Insgesamt steht das Netzwerk soweit (Landgericht, örtlicher Anwaltsverein, auch bei unseren engen Nachbarn in Mannheim), und ich habe bislang ein gutes Gefühl für die zukünftige Zusammenarbeit. hornung@ghi-rechtsanwaelte.de Garzweiler II neu errichtet. Der Tagbau ist auch ein Kennzeichen dieses Landgerichtsbezirks. Am vorgenannten Standort biete ich Rechtsberatung mit den Schwerpunkten Schadens- und Versicherungsrecht an. Als neuer Regionalbeauftragter danke ich zunächst meinem Vorgänger für sein Engagement und wünsche viel Erfolg für seine Kanzlei. Auf die nunmehr regelmäßig stattfindenden Stammtische freue ich mich sehr. Wir werden dort interessante Gespräche führen und wertvolle Kontakte knüpfen können. Für Tipps und Unterstützung bin ich dankbar. moenchengladbach@davforum.de ADVOICE 04 /11 55 Euer FORUM NEU Regionalbeauftragte stellen sich vor Regionalbeauftragter RA Boris Koch für den LG-Bezirk Ravensburg Ich bin seit Januar 2010 Mitglied im FORUM. Nun habe ich das Amt des Regionalbeauftragten übernommen. Als neuer Regionalbeauftragter möchte ich meine Person kurz umreißen. Ich bin 30 Jahre und seit Januar 2010 als Rechtsanwalt bei der RAK Tübingen zugelassen. Als freier Mitarbeiter bin ich in der Anwaltskanzlei Rechtsanwälte Schmid & Kollegen, Laupheim, tätig. Ich habe den Fachanwaltslehrgang Fachanwalt für Verkehrsrecht erfolgreich absolviert. Im Übrigen liegen meine Tätigkeitsschwerpunkte im Straf-, Vertrags- und Mietrecht. Der Landgerichtsbezirk Ravensburg erstreckt sich räumlich von Laupheim im Norden bis zum Bodensee im Süden und von Scheer im Westen bis Isny im Allgäu. Im Bezirk gibt es momentan keinen monatlich stattfindenden Stammtisch zum Austausch unter Kolleginnen und Kollegen. Dies möchte ich gerne ändern, um den Kolleginnen und Kollegen einen gegenseitigen Austausch im LG-Bezirk zu ermöglichen. Natürlich sollen sich auch die Referendarinnen und Referendare im Bezirk angespro- Foto: Gerhard Giebener_pixelio.de chen fühlen. Durch den Stammtisch soll ein reger Austausch untereinander erreicht und den jungen Kolleginnen und Kollegen ein erfolgreicher Start in den Anwaltsberuf ermöglicht werden. Für Fragen und Anregungen stehe ich als Regionalbeauftragter gerne zur Verfügung. Ich werde einen gesonderten E-Mail-Verteiler einrichten, um so ein Netzwerk zum Meinungsaustausch aufzubauen. ravensburg@davforum.de ANZEIGE www.davforum.de w Mailingliste: Fragen rein, Ideen raus! Das FORUM bietet allen m/w Referendaren, Assessoren und Anwälten bis 40 Jahren s Mailingliste s Interessenvertretung s Erfahrungsaustausch s Stammtische s Vergünstigungen Informationen zur Mitgliedschaft: www.davforum.de Kontakt: info@davforum.de | 030 / 72 6152-0 Starthilfe | Fortbildungen | Netzwerk 56 ADVOICE 04 /11 Bücher-FORUM Psychiatrische Begutachtung Handbuch Medizinrecht Opferentschädigungsgesetz OEG Foerster/Dreßing (Hrsg.), 5. Aufl. 2009, 968 S., 255,00 EUR, Elsevier Verlag Ratzel/Luxenburger (Hrsg.), 2. Aufl. 2011, 1.872 S., 139,00 EUR, Deutscher AnwaltVerlag Kunz/Zellner/Gelhausen/Weiner, 5. Aufl. 2010, 374 S., 70,00 EUR, Verlag C.H. Beck Das Handbuch beinhaltet die Begutachtung im Strafrecht, Zivilrecht und Sozialrecht, die kinder- und jugendpsychiatrische Begutachtung sowie die Begutachtung spezieller Fragestellungen zu beamtenrechtlichen Aspekten, zur Fahreignung, zur persönlichen Eignung nach dem Waffengesetz, zu Stalking, zur Glaubhaftigkeit, zu Suizidhandlungen, zu den Unterbringungsgesetzen und zu ausländer- und asylrechtlichen Fragen. Die Inhaltsübersicht des Handbuch Medizinrecht verrät, wie weit heute das Medizinrecht zu fassen ist. Auch das ist ein Indiz für dessen Dynamik und Schnelllebigkeit durch die gesetzgeberischen Aktivitäten, besonders im Bereich des Gesundheitswesens oder der Schnittstellen zum Sozialversicherungsrecht. Das Opferentschädigungsrecht ist von der Anzahl der Paragraphen her ein recht überschaubares Gebiet. Es handelt sich hierbei allerdings um eine Rechtsmaterie, die schwierig ist und die nur wenige Praktiker gut beherrschen. Die Darstellung der Anforderungen an das psychiatrische Gutachten machen dieses medizinische Standardwerk für den im Straf-, Sozial- und Familienrecht tätigen Rechtsanwalt besonders interessant: Der Jurist erfährt im ersten Teil genau den Ablauf der forensisch-psychiatrischen Untersuchung. Erläutert wird das standardgemäße Vorgehen vom Aktenstudium über das gutachterliche Gespräch und Auswertung fremdanamnestischer Unterlagen, die Erhebung des psychischen Befundes durch Verhaltensbeobachtung, Auswertung der psychischen Funktionen, Erfassung der Persönlichkeitsstruktur bis zur körperlichen, apparativen und testpsychologischen Untersuchung. Fachvokabular, Klassifikationssysteme der psychiatrischen Erkrankungen, Simulation und Umgang mit Verweigerung des Probanden, Amnesie, Leugnung und Geständnis erhalten genügend Raum. Ausführlich werden Fehlermöglichkeiten dargestellt und Vorschläge zu deren Vermeidung gemacht. Dadurch gewinnt der Anwalt wichtige Erkenntnisse, um ein Gutachten angreifen zu können. Auch die Haftung des Gutachters bleibt nicht außen vor. In den Teilen zu den einzelnen Rechtsgebieten werden die rechtlichen Grundlagen inklusive prozessualer Voraussetzungen der Gutachtertätigkeit ausführlich erläutert. Es folgt die umfassende Darstellung der zur Begutachtung relevanten Krankheitsbilder bezüglich Diagnostik, Symptomatik, Verlauf und Therapiemöglichkeit, Kriminalität und Schuldfähigkeit auf dem aktuellen Stand der Forschung und mit Literaturhinweisen. Die einzelnen Kapitel sind in Anlehnung an die ICD-10 Schlüssel nach Krankheitsbildern gegliedert. Auch die rechtsmedizinischen Ansätze zur Befundinterpretation und Bewertung werden gut nachvollziehbar erläutert. Merksätze fassen die ausführlichen Darstellungen präzise und gut zusammen. Fazit: Den Autoren gelingt der Spagat zwischen rechtlicher und medizinischer Darstellung hervorragend. Das Buch lässt in der juristischen Arbeit mit psychiatrischen Befunderhebungen und Begutachtungen in sämtlichen Rechtsgebieten und Erkrankungen keine Fragen offen. RAin Ines Müller-Baumgarten, Bielefeld Die Herausgeber versammeln ein hochkarätiges 30-köpfiges Autorenteam aus Anwälten, Richtern, Verwaltungsjuristen und einem Steuerberater um sich. Ziel ist es, neben einem Begleiter auf dem Weg zum Fachanwalt dem Medizinrechtler eine an den praktischen Bedürfnissen orientierte Aufbereitung der Entscheidungs- und Argumentationshilfen für die Mandats- und Beratungsarbeit zu bieten. In den 40 Paragraphen trifft der Leser auf Kapitel vom medizinrechtlichen Mandat über das Berufsrecht der Gesundheitsberufe, zum Vertragsarztrecht, zum Behandlungsvertrag, zum Arzthaftungs- und Arztstrafrecht, zum Arbeitsrecht der Klinikärzte, zu Ambulanten Pflegediensten bis zum Steuerrecht. Schwerpunkte sind die praktisch wichtigen Gebiete des Vertragsarztrechts, des Arzthaftungsrechts sowie das Berufs- und Steuerrecht. In der gebotenen Kürze sind Randgebiete wie das Transplantationswesen, Transfusionswesen oder die Biomedizinische Forschung berücksichtigt. Das Werk ist benutzerfreundlich gestaltet. Den Kapiteln geht eine detaillierte Gliederung nebst Hinweisen auf weiterführende Literatur voraus. An geeigneter Stelle stößt der Leser auf Beispiele, Praxistipps, wichtige Hinweise und Übersichten zur Veranschaulichung und Verhaltensrichtlinien. Ausgezeichnet ist – neben den Ausführungen zum Vertragsarztrecht und dem neuen Kapitel zu den Ambulanten Pflegediensten – das in der Praxis wichtige Arzthaftungsrecht. Im Abschnitt zur Haftung wegen eines Behandlungsfehlers sind ausgehend von den Grundlagen einzelne Fallgruppen und besondere Fälle, die Kausalität und die Beweislast dargestellt. In klarer Sprache vermittelt Kaiser Umfang, Inhalt, Form, Zeitpunkt, die verschiedenen Adressaten und die Beweislast der ärztlichen Aufklärungsund Dokumentationspflicht, bevor Ausführungen zur Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht, zur Verjährung, zum selbständigen Beweisverfahren und der Passivlegitimation das Kapitel beenden. Fazit: Zweifelsfrei wird die Neuauflage des Handbuch Medizinrecht in der Praxis anerkannt sein. Dieses profunde Nachschlagewerk mit gut lesbarer Aufbereitung des diffizilen Themas ist allen mit dem Medizinrecht befassten juristischen Berufsgruppen zu empfehlen. In dem vorliegenden Buch werden zuerst die §§ 1-11 OEG kommentiert. Danach werden die Leistungen in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes ausführlich erläutert. Im Anhang werden weitere Vorschriften wie z. B. das Europäische Übereinkommen über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten und die Richtlinie 2004/80/EG des Rates der EU vom 24. April 2004 zur Entschädigung der Opfer von Straftaten aufgelistet. Es findet eine sehr gute Erklärung durch praktische Beispiele statt. Ein besonderes Augemerk legen die Autoren auf die Beweislast. Es werden insbesondere die Themen Stalking, Mobbing, Sexualstraftaten, Einbruchdiebstahl, Schockschäden und Verletzungen durch unbekannte Täter dargestellt. Besonders positiv fällt auch die Praxisnähe der Kommentierung auf. Hilfreich sind die Kontaktdaten der wichtigsten Behörden in den Zuständigkeitsvorschriften, geordnet nach Bundesländern. Auch die Härteregelungen des OEG und die Renten im Sinne des BVG werden dem Leser anschaulich durch Berechnungsbeispiele nahe gebracht. Eine große Erleichterung ist die Einleitung in das Thema der Leistungen des BVG. Hier werden mögliche Fragen des Mandanten gestellt und durch einen Verweis auf die Fundstellen die Antworten gegeben. Dem gesamten Kommentar merkt man an, dass es sich bei den Autoren ausnahmslos um versierte Praktiker handelt. Das von Dr. Eduard Kunz, Leitender Ministerialrat a. D., und Gerhard Zellner, Oberregierungsrat a. D., begründete Werk wird von Dr. Reinhard Gelhausen, Präsident des Niedersächsischen Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie a. D. und Vorsitzender der Kommission Soziales Entschädigungsrecht/Schwerbehindertenrecht beim Deutschen Sozialgerichtstag, sowie von Dr. Bernhard Weiner, Professor an der Polizeiakademie Niedersachsen, fortgeführt. Fazit: Das Buch ist sehr praxisnah. Durch die in Fettdruck gehaltenen Schlagwörter sind die gesuchten Textstellen schnell zu finden. Der Kommentar ist sowohl für Fortgeschrittene als auch für Anfänger, die sich der schwierigen Materie annähern möchten, sehr gut geeignet. RAin Christina Worm, Essen RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock ADVOICE 04 /11 57 Bücher-FORUM Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht Hoffmann-Becking/Rawert (Hrsg.), 10. Aufl. 2010, 2.360 S., mit CD-ROM, 108,00 EUR, Verlag C. H. Beck Das Formularbuch aus dem Beck-Verlag bietet zahlreiche Mustertexte aus den Bereichen Zivilrecht, Handelsrecht und Gesellschaftsrecht. Teilweise sind auch Muster in englischer Sprache enthalten, so beispielsweise zum Unternehmenskauf, im Kaufrecht, bei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und im Immobilienrecht. Bei Verträgen, die einen weiten Spielraum an zulässigen Regelungen enthalten, beispielsweise beim Unternehmenskauf, werden sowohl käuferfreundliche als auch verkäuferfreundliche Formulierungen dargestellt. Der Aufbau des Werkes orientiert sich an der Gesetzessystematik: BGB-AT, Schuldrecht-AT, Schuldrecht-BT, Sachenrecht, Familienrecht, Erbrecht, Handelsrecht, Personengesellschaftsrecht, GmbHRecht, Aktienrecht, Umwandlungsrecht und Schiedsverfahren bzw. Alternative Streitbeilegung. Innerhalb dieser Bereiche erfolgen zur leichteren Auffindbarkeit weitere Untergliederungen, beispielsweise im Mietrecht nach Wohnraummiete, Gewerberaummiete und Pacht. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird teilweise auf die Formulierungen in vorangegangenen Mustertexten verwiesen, was die Übersichtlichkeit erhöht. Im Anschluss an jedes Muster wird in den ausführlichen Anmerkungen auf die entsprechende Rechtslage mit und ohne die vorgeschlagene Regelung sowie auf mögliche alternative Regelungen eingegangen. Verweise auf die maßgeblichen Gesetzesstellen und die entsprechende Rechtsprechung ermöglichen einen tieferen Einstieg in die Materie. Alle Mustertexte – ohne die Anmerkungen – sind auch auf der beiliegenden CD-ROM enthalten und lassen sich durch nur einen Klick ausdrucken oder in ein Textverarbeitungsprogramm exportieren. Die Muster sind dadurch ohne Aufwand zu übernehmen und müssen nur noch an den jeweiligen Einzelfall angepasst werden. Das Formularbuch enthält trotz Stand September 2009 bereits die wesentlichen Neuerungen der letzten Zeit, beispielsweise die Änderungen im Familienrecht durch Einführung des FamFG oder das MoMiG im Gesellschaftsrecht. Unter den Autoren finden sich bekannte Namen wie Schaub im Arbeitsrecht und Dr. Risse im Bereich Alternative Streitbeilegung. Fazit: Für Rechtsanwälte, die sich nicht nur auf ein Rechtsgebiet spezialisiert haben, bietet das Formularbuch Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht eine gute Grundlage für die Vertragsgestaltung im Zivilrecht. Für seltenere Vertragskonstruktionen muss allerdings auf speziellere Formularbücher zurückgegriffen werden. RAin Tanja Fuß, MPA, Stuttgart 58 ADVOICE 04 /11 VwGO Beamtenrecht in der Praxis Kopp/Schenke, 17. Aufl. 2011, 1.946 S., 62,00 EUR, Verlag C. H. Beck Helmut Schnellenbach, 7. Aufl. 2011, 412 S., 52,00 EUR, Verlag C. H. Beck Dieses Buch ist eigentlich allen schon einmal unter die Finger gekommen und darf als Standard bezeichnet werden. Gerade deshalb soll es rezensiert werden. Zudem erfasst die Neuauflage u. a. das Urteil des BVerwG zum Konkurrentenschutz vom 4.11.2010 sowie die Änderungen des § 67 VwGO zur Frage der Vertretung vor Gericht. Daneben beinhaltet sie die noch als Regierungsentwurf bestehenden Regelungen zur Mediation (§ 173 VwGO; § 168 VwGO iVm. ZPO), wobei die Entwürfe innerhalb der jeweiligen Kommentierung kursiv hervorgehoben werden und die Mediation in § 1 Rz. 33–46 sehr ausführlich dargestellt wird. Nach der Förderalismusreform I wurde die Gesetzgebungskompetenz grundlegend neu geordnet. Das BRRG ist außer Kraft getreten und der Bund hat nur noch die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz. Der Autor berücksichtigt dementsprechend die neuen Regelungen des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (BeamtStG) mit den Auswirkungen für Landes- und Kommunalbeamte; BBesG; BBesoldG; BeamtVG und – soweit vorhanden – die Änderungen in den Ländergesetzen. Da einige Länder spezielle, zum Teil recht verwirrende Regelungen zum Vorverfahren getroffen haben, wird im Rahmen des § 68 VwGO auf die Landesgesetzliche hingewiesen. Gerade dies zu wissen, ist für den Rechtsanwalt sehr von Vorteil. Bedauerlicherweise weist der Kommentar hier einige Fehler auf bzw. haben sich die Regeln zwischenzeitlich wieder geändert. So nennt er noch § 6 AGVwGO NRW, (gemeint ist § 110 JustG NRW gültig ab 1.1.2011). Selbiges gilt für § 16 HessAGVwGO (gemeint ist wohl § 16a HessAGVwGO – gültig vom 31.12.2010-31.12.2015), § 6a BWAGVwGO (gemeint ist wohl § 15 BWAGVwGO – gültig ab 1.4.2011) und § 6 LSAAGVwGO (gemeint ist wohl § 8a LSAAGVwGO). Umfangreich gehen aber die Autoren beim § 42 VwGO auf die Entscheidung des BVerwG – 2 C 16.09 zur Ämterstabilität ein. Im Rahmen von Meinungsstreitigkeiten wird mittels Fettdruck auf die jeweilige andere Auffassung verwiesen, was sehr zu begrüßen ist. Vielleicht etwas ungewohnt erscheint es, wenn die jeweiligen Gerichte nur abgekürzt genannt werden. Dies dürfte sich aber nicht nur für „eingefleischte“ Verwaltungsrechtler kaum als große Hürde erweisen, da die Mehrzahl der Abkürzungen mindestens aus dem Palandt bekannt sein dürfte. Auch dieser Kommentar enthält den für Rechtsanwälte so wichtigen Streitwertkatalog 2004. Fazit: „Der“ Kopp/Schenke ist Standard, wiewohl er (auch manchmal weiterhin) Mindermeinung vertritt. Vor Gesetzesänderungen ist aber auch er nicht gefeit. Die Neuauflage ist etwa für Mai 2012 vorgesehen und sowohl die Autoren als auch der Verlag wurden bereits auf die oben aufgeführten Änderungen hingewiesen. RA Dirk Hofrichter, Strausberg Das Buch untergliedert sich in 14 Kapitel, welche unter anderem von der Einstellung, Versetzung, über Nebentätigkeiten, Beurteilungen, Dienstunfall bis hin zur Entlassung und Rückforderung von Bezügen alles behandeln, was für dieses Rechtsgebiet relevant ist. Ganz dem Titel verpflichtet, wird am Ende eines jeden Kapitels umfangreich das Verfahrens- und Prozessrecht dargestellt. Trotz des Hinweises, dass das Buch keinen Anspruch auf vollumfängliche Darstellung habe, kommt es dieser durchaus nahe und dennoch liest es sich überaus flüssig. Ein kleiner Wehrmutstropfen bleibt – leider (!): Das Buch berücksichtigt die Literatur und die Rechtsprechung bis Dezember 2010. Es wird auf das für diesen Bereich relevante Urteil des BVerwG – 2 C 16.09 vom 4.11.2010 über den Grundsatz der Ämterstabilität hingewiesen. Jedoch basieren die Hinweise nur auf der Pressemitteilung des BVerwG, da die Urteilsgründe bei Manuskriptlegung noch nicht vorlagen. Es hätte dem Buch wirklich den letzten Schliff gegeben, wenn diese abgewartet worden wären, um sie entsprechend einzuarbeiten. Fazit: Trotz des kleinen Wehrmutstropfens ist es sowohl für den Einsteiger als auch den Fortgeschrittenen in diesem Metier ein sehr empfehlenswertes Buch. Dem Autor gelingt es, nicht nur in das „Nebengebiet“ Beamtenrecht einzuführen, sondern auch, dieses sehr verständlich darzustellen. Rechtsanwalt Dirk Hofrichter, Strausberg Bücher-FORUM Arbeitsrecht - Handbuch für die Praxis Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht Der Arbeitsvertrag Kittner/Zwanziger/Deinert (Hrsg.), 6. Aufl. 2011, 2.828 S., mit CD-ROM, 129,00 EUR, Bund-Verlag Dörner/Luczak/Wildschütz (Hrsg.), 9. Aufl. 2011, 3.525 S., 149,00 EUR, Luchterhand Verlag Ulrich Preis (Hrsg.), 4. Aufl. 2011, 1.964 S., 149,00 EUR, Verlag Dr. Otto Schmidt Seit Kurzem ist die Neuauflage des Werkes „Arbeitsrecht – Handbuch für die Praxis” erhältlich. Mit Stand Januar 2011 ist es geprägt von der Einarbeitung der neuesten Rechtsprechung und den gesetzlichen Neuerungen. Neben den Entscheidungen zur Tarifeinheit und OT-Mitgliedschaft, zum Widerspruchsrecht beim Betriebsübergang und zur Kündigung wegen Bagatelldelikten sind z. B. die Neuerungen zu Kurzarbeitergeld, Datenschutzrecht oder zur Großelternzeit integriert. Das Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht bietet eine systematische, umfassende und praxisgerechte Aufbereitung und Darstellung des gesamten Arbeitsrechts. Thematisch ist das Handbuch in die Bereiche Grundlagen des Arbeitsrechts, Individualarbeitsrecht, Kollektives Arbeitsrecht und Arbeitsgerichtsverfahren gegliedert. Insbesondere die in dieser Untergliederung zu findenden Themenbereiche Inhalt des Arbeitsverhältnisses, Beendigung des Arbeitsverhältnisses und das Urteils- und Beschlussverfahren werden sehr intensiv und praxisnah – jeweils aus Sicht des Arbeitergeber- und des Arbeitnehmervertreters – behandelt. Enthalten sind neben vielfältigen Mustertexten, Checklisten und Rechenbespielen als Ergänzung zur Vorauflage nun auch die Themenbereiche Europäisches Arbeitsrecht, Arbeitnehmerentsendegesetz, Problematiken des Zuwanderungsrechts sowie ein Kapitel zur arbeitsrechtlichen Vertragsgestaltung. Dass „Der Arbeitsvertrag“ bereits in vierter Auflage vorliegt, dokumentiert die Bedeutung präzise formulierter Arbeitsvertragsklauseln. Dies zeigt sich umso mehr in der Tatsache, dass das BAG permanent einzelne Klauseln anhand der AGB-rechtlichen Klauselkontrolle nach §§ 305 ff. BGB zu prüfen hat. Die neuen Entscheidungen sind integriert und verschiedene Musterempfehlungen waren an die BAG-Rechtsprechung anzupassen oder zu erneuern, so z. B.: ergänzende Empfehlung zu Direktionsrecht und Tätigkeitsbeschreibung, Vorbehalte und Teilbefristungen oder die Anpassung der Freistellungsklauseln an die Rechtsprechung des BSG. Der Autorenkreis, bestehend aus Anwälten, Richtern und Professoren, fokussiert das Werk wissenschaftlich fundiert auf die in der täglichen Beratung wichtigen Bereiche des Arbeitsrechts samt Schnittstellen zum SGB. Die problemorientierte Darstellung anhand der Beratungs- und Prozesspraxis, die gelungene Schwerpunktsetzung, die klare Sprache und Struktur erleichtern dem Anwender, sich in die schwierigen Themen einzuarbeiten. Inhaltlich überzeugt das siebenteilige Handbuch. Teil 1 zeigt die Grundlagen des Arbeitsrechts, während sich Teil 2 der Begründung und dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit Ausführungen etwa zur Anbahnung, zur Arbeitsleistung, den Leistungsstörungen und der Betrieblichen Altersversorgung widmet. Teil 3 beleuchtet das in der Anwaltspraxis wichtigste Thema der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit den Themen Kündigung, Abmahnung und den sozial- und steuerrechtlichen Folgen. Teil 4 stellt übergreifende Fragen dar. Die Thematik rund um den Betriebsübergang ist hier verortet. Die Autoren analysieren genau die Rechtsprechung des EuGH und BAG und klären, was den Betriebsübergang ausmacht. Sie grenzen Betriebsstillegung und -übergang ab – bis hin zu Gefahren und sozialrechtlichen Konsequenzen eines arbeitnehmerseitigen Widerspruchs. Teil 5 zeigt Ausführungen zu besonderen Arbeits- und Beschäftigungsverhältnissen oder Branchen und Berufen. Auch das überstaatliche Arbeitsrecht ist nicht ausgespart (Teil 6), bevor Zwanziger in einer lesenwerten Darstellung das Arbeitsgerichtsverfahren von den Grundlagen der Rechtsdurchsetzung über den Zugang zur Arbeitsgerichtsbarkeit, den Schwerpunkten des Verfahrens erster Instanz, den Prozessvergleich und den Kosten bis zum einstweiligen Rechtsschutz erläutert. Das Stichwortverzeichnis, der nicht überfrachtete Fußnotenapparat, die Hervorhebungen und Tabellen erhöhen neben den Musterverträgen, Formularen und Checklisten auf der CD-ROM den Nutzen des Handbuchs. Fazit: Mit seinem Informationsfundus unverzichtbar für die Arbeitnehmervertretung! Die zwölf Bearbeiter des Handbuchs des Fachanwalts Arbeitsrecht sind allesamt Experten aus Wissenschaft und Praxis. Sie schaffen es, neben einer sorgfältigen Auswertung der instanzgerichtlichen Rechtssprechung unter Einarbeitung aktueller Entscheidungen, wie beispielsweise zum Grundsatz der Tarifeinheit, zum Kündigungsrecht (zum Beispiel Kücükdeveci Urteil, „Emmely“) und zum AGG sowie vielfältiger praxistauglicher Ausführungen zur anwaltlichen Strategie, sogar – sollte dies für das Verständnis einer Norm einmal unverzichtbar sein – dem Leser diesbezüglich auch rechtspolitische Hintergrundinformationen zur Verfügung zu stellen. Für den fachanwaltlich tätigen Praktiker bietet das Handbuch nicht nur umfassende Beiträge zur Strategie und Taktik im Kündigungsschutz- und Einigungsstellenverfahren, sondern ist durch seinen übersichtlichen Aufbau und umfassenden Inhalt ein wertvoller Begleiter. Über den enthaltenden Zugangscode ist zudem der Zugriff auf eine Onlineversion des Werkes sowie auf die gesamte zitierte Rechtsprechung möglich. Fazit: Das Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht ist tatsächlich ein Handbuch im wörtlichen Sinne und hält, nicht nur für den Fachanwalt für Arbeitsrecht, die Antworten auf die vielfältigen arbeitsrechtlichen Fragen im anwaltlichen Alltag parat. RA Dominik Nowak, Bochum Ziel des Teams um Ulrich Preis – bestehend aus drei Professoren, einer Anwältin und einem Richter – ist es ausweislich des Vorworts, auf die präzise arbeitsrechtliche Würdigung besonderer Vertragsgestaltungen hinzuwirken und bei einer rechtswirksamen, klaren und fairen Vertragsgestaltung zu helfen. Inhaltlich brilliert das dreiteilige Werk. Teil I widmet sich den methodischen Grundlagen der Vertragsgestaltung über die praktische Vertragsgestaltung und deren Grenzen bis zu den einhergehenden sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Fragen. Des Handbuchs Kern bildet Teil II mit dem umfangreichen lexikonartigen Kommentar der Vertragstypen und -klauseln aus über 60 Regelungsbereichen. Darin stößt der Leser etwa auf Klauseln zu Abtretungsverboten und Löhnpfändung, Arbeitszeit, Dienstwagen, Entgeltfortzahlung, Freistellung, Haftung des Arbeitnehmers, Kündigungsvereinbarungen, Salvatorische Klauseln, Verschwiegenheitspflichten, Wettbewerbsverbote und Zurückbehaltungsrechten. Das Herausarbeiten der materiellen Wirksamkeit der Klauseln vor dem Hintergrund zwingenden Gesetzesrechts und der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307-309 BGB ist der Schwerpunkt der Kommentierung. Äußerst nützlich ist neben der Erläuterung der Vor- und Nachteile der Klauseln die Darstellung geeigneter, weniger geeigneter oder unzulässiger Klausen und die Beantwortung sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Fragen. Abschließend verfügt Teil III über einen großen Fundus detaillierter Vertragsmuster verschiedener Branchen (mit und ohne Tarifbezug) und Arbeitnehmergruppen. Fazit: Das Buch ist für die Gestaltung von Arbeitsverträgen oder deren Überprüfung aufgrund der Aufbereitung des Themas in der Praxis unverzichtbar. Die einzigartige Präsentation der Vor- und Nachteile von über 500 Vertragstypen und -klausen mit der Empfehlung rechtssicherer Formulierungen sucht ihresgleichen. RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock ADVOICE 04 /11 59 Bücher-FORUM Ausländerrecht Marken eintragen und recherchieren Erman BGB Günter Renner, 9. Aufl. 2011, 2.325 S., 138,00 EUR, Verlag C.H. Beck Robert Kazemi, 1. Aufl. 2010, 132 S., 34,00 EUR, Deutscher AnwaltVerlag Westermann/Grunewald/Reinmer (Hrsg.) 13. Aufl. 2011, 6.983 S., in 2 Bänden, 348,00 EUR, Verlag Dr. Otto Schmidt „Das Standardwerk wieder neu“, so preist der Verlag diesen bewährten Kommentar zum Ausländerrecht kurz und bündig im Online-Shop an. Ist es also unnötig, weitere Worte über dieses Werk zu verlieren? Im Wettkampf der Dienstleister und Produkte sind nicht zuletzt Marken ein wichtiger Faktor. Das Deutsche Marken- und Patentamt verwaltet derzeit knapp 800.000 Markeneintragungen. Hierzu gehören Wortmarken, Bildmarken, Duftmarken oder Tastmarken. In diesem Marken-Dschungel besteht bei Unternehmern das Bedürfnis, eine geeignete Marke zu finden und diese rechtlich schützen zu lassen. Seit September 2011 ist die nunmehr 13. Auflage des Erman im Buchhandel erhältlich. Die neue Auflage berücksichtigt den Gesetzesstand am 1.7.2011. Die Autorenschaft des Erman setzt sich aus insgesamt 52 Professoren, Anwälten und Richtern zusammen. Neben den Vorschriften des BGB werden auf den insgesamt 6.983 Seiten auch die wichtigsten Nebengesetze kommentiert, wie zum Beispiel AGG, UKlaG, ProdHaftG, LPartG, WEG und das zum April 2009 neu geschaffene Gesetz über den Versorgungsausgleich (VersAusglG). Keineswegs, denn der „Renner“ beruht in der Neuauflage auf der Über- und Neubearbeitung der Kommentierung des 2005 verstorbenen Autors Günter Renner durch Prof. Dr. Jan Bergmann (RiVGH B-W), Dr. Klaus Dienelt (RiVG Darmstadt) und Sybille Röseler (Leiterin des Rechtsreferats bei der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung). Das Werk umfasst Kommentierungen des AufenthG, FreizügG/EU, Art. 16a GG und AsylVerfG sowie von arbeits- und sozialrechtlichen Normen mit Bezug zum Ausländerrecht. Die Gliederung spiegelt die Schwerpunktsetzung wider: Der erste Teil widmet sich auf annähernd 1.400 Seiten der Kommentierung des AufenthG. Der neu bearbeitete zweite Teil befasst sich auf knapp 200 Seiten mit dem FreizügG/EU und zeigt die Auswirkungen der Unionsbürgerrichtlinie auf das nationale Ausländerrecht auf. Es schließt sich im dritten Teil auf 40 Seiten die Erläuterung des Art. 16a GG an. Der vierte Teil beschäftigt sich auf etwa 450 Seiten mit dem AsylVerfG. Es folgt im fünften Teil eine Textsammlung mit wichtigen europäischen Verordnungen, Richtlinien und anderem. Das „look and feel“ folgt den üblichen Standards Beck’scher Kommentare, nachdem in der Neuauflage begrüßenswerter Weise eine Umstellung des gesamten Kommentars auf Fußnoten erfolgte. Dem Nutzer des Werks werden im Übrigen einige knappe Benutzungshinweise, eine funktionale Inhaltsübersicht, ein Abkürzungsverzeichnis sowie ein hilfreiches Sachverzeichnis an die Hand gegeben. Inhaltlich merkt man den Kommentierungen des neuen Autorenteams an, dass diese sich dem „ausländerrechtlichen Erbe“ von Günter Renner, seinem liberalen Geist und kritisch-prüfendem Blick, verpflichtet fühlen und den Kommentar nach seinen Vorgaben fortschreiben. Fazit: Den drei Bearbeitern des von Renner geprägten Standardkommentars zum Ausländerrecht ist es gelungen, das inhaltlich hohe Niveau des Werks zu halten und den Gebrauchswert durch vorsichtige Änderungen im Lektorat zu erhöhen. Dieser Standardkommentar ist daher für jeden Anwalt, der Sachverhalte mit Berührung zum Ausländerrecht bearbeitet, ein unentbehrliches Hilfsmittel. Das Werk von Robert Kazemi widmet sich dem aus Anwaltssicht besonders relevante Thema der Markeneintragung und -recherche. Auf 132 Seiten werden die relevanten Probleme kompakt und praxisnah erläutert. Es umfasst vier Kapitel sowie einen Anhang. Im ersten Kapitel geht der Autor auf zwei kompakten Seiten auf die Rechtsquellen im Markenrecht, die Markenverordnung und die Gemeinschaftsmarkenverordnung sowie die Richtlinien zu den Verfahren in Markenangelegenheiten ein. Im zweiten Kapitel klärt Kazemi über die Erscheinungsformen von Marken und ihre begriffliche Bedeutung auf. Gerade für Anfänger in der Materie sind die Erläuterungen über Dachmarken, Eventmarken oder Kombinationsmarken hilfreich. Die Ausführungen im dritten und vierten Kapitel sind das eigentliche Herzstück des Buches. Im dritten Kapitel erläutert Kazemi die Kennzeichenarten und Funktion der Marke. Für das Leseverständnis sind dabei die zahlreichen Abbildungen praktisch. Gerade beim Thema Hörmarken erleichtern die jeweiligen Notenauszüge, Frequenztabellen der Jingles oder dreidimensionalen Marken mit Produktbezug erleichtert eine Bilddarstellung das Textverständnis erheblich. Im vierten Kapitel widmet sich der Verfasser dem Weg zur Registermarke. Er beginnt dabei mit den notwendigen Überlegungen des Anwalts vor dem Gang zum Markenamt und der Fragen „Wer will die Marke schützen?“ und „Was soll die Marke schützen?“. Im Weiteren stellt er die absoluten und relativen Schutzhindernisse sehr umfassend dar. Der Ablauf des Eintragungsverfahrens wird zum Schluss des Kapitels sehr anschaulich beschrieben. Das Buch endet mit einem Anhang, der dem Praktiker wertvolle Tipps an die Hand gibt: Verhaltensweisen nach erfolgreicher Markeneintragung, Recherchemöglichkeiten und eine Checkliste Markeneintragung. Fazit: Das Buch von Robert Kazemi ist ein für Anwälte sehr guter Ersteinstieg in die Materie. Es handelt das Markenrecht nicht nur aus theoretischer Sicht ab, sondern erläutert aus Sicht des beratenden Anwalts die Vorgehensweise bei Recherche und Eintragung der Marke. 60 ADVOICE 04 /11 In Band 2 werden die §§ 759 bis 2385 sowie die o. g. Nebengesetze nebst der dazugehörigen Verordnungen kommentiert. Hervorzuheben ist in diesem Band die Einleitung zum Buch 4 (Familienrecht) des BGB, da umfangreich die Systematik des Familienrechts im BGB unter Bezugnahme auf das GG und internationales Recht (u. a. EMRK, Grundrechte-Charta) erläutert wird. Die Kommentierung jeder einzelnen Norm wird stets durch umfassende Erläuterungen zum Zweck bzw. zur Bedeutung eingeleitet. Dies ermöglicht dem Leser ein gutes Verständnis der Grundstruktur der jeweiligen Norm, bevor auf die Details eingegangen wird. Durch die Bezugnahme und Erläuterung der auf die jeweilige Norm betreffenden Grundrechte wird dem Anwalt bei der Erstellung von Schriftsätzen ferner ein gutes Grundgerüst für seine Argumentation an die Hand gegeben. Fazit: Der Erman ist ein gelungenes Werk. Es besitzt gegenüber den preiswerteren Kommentaren einen echten Mehrwert, da aufgrund der umfangreichen und praxisgerechten Darstellung oftmals ein weitergehendes Nachschlagen in anderen Fachbüchern oder Aufsätzen in Fachzeitschriften entbehrlich wird. RA Martin Bretzler, Hann. Münden RA Florian Wörtz, Mediator, Stuttgart RA Jens David Runge-Yu, Freiburg im Breisgau In Band 1 werden die §§ 1 bis 758 BGB und das UKlaG kommentiert. Im Bereich des BGB wurden hier insbesondere Neuerungen im Vereinsrecht, im Verbraucherschutzrecht, im Mietrecht und im Reisevertragsrecht bearbeitet. Hervorzuheben ist in Band 1 aber insbesondere die Kommentierung zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht, welche umfangreich und trotzdem prägnant ausfällt. Im Bereich des Arbeitsrechts wurde bei § 626 BGB gut die Rechtslage bei Bagatellkündigungen („Emmely“-Entscheidung des BAG) eingearbeitet. Die fast 100-seitige Kommentierung des § 611 BGB stellt eine gründliche und systematische Darstellung des Individualarbeitsrechts dar. Bücher-FORUM Betriebsverfassungsgesetz Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier (Hrsg.), 25. Aufl. 2010, 2.173 S., 72,00 EUR, Verlag C.H. Beck Hartz IV-Paket: Das neue Grundsicherungsrecht Groth/Luik/Siebel-Huffmann, 1. Aufl. 2011, 224 S. Das Hartz-IV-Mandat Einführung in den praktischen Journalismus Walther von La Roche, 18. Aufl. 2010, 327 S., 17,95 EUR, Econ Verlag Ludwig Zimmermann, 2. Aufl. 2011, 316 S. zusammen: 59,00 EUR, Nomos Verlag Der Fitting liegt mittlerweile in der 25. Auflage 2010 vor und berücksichtigt bereits die neuen Beteiligungsrechte für Betriebsräte und Wirtschaftsausschüsse bei Unternehmenskäufen durch Finanzinvestoren sowie die Erweiterung des Arbeitnehmerbegriffs um Beamte, Soldaten und Angestellte des öffentlichen Dienstes. Die 25. Auflage belegt, dass dieses Werk ein echter Klassiker ist. Der Fitting behandelt das komplette BetrVG, von der Wahl des Betriebsrates über Verfahrensvorschriften, Rechte und Pflichten des Betriebsrates bis zu Sondervorschriften für Tendenzbetriebe. Der Mitbestimmungsteil nimmt naturgemäß den größten Umfang ein. Zu Beginn des Handkommentars ist der Gesetzestext des BetrVG komplett abgedruckt. Im Anschluss werden auf über 2.000 Seiten die einzelnen Paragraphen kommentiert, wobei nach dem Text des jeweiligen Paragraphen und der Inhaltsübersicht die eigentliche Kommentierung folgt. Die Wahlordnung 2001 sowie das europäische Betriebsrätegesetz werden im Anhang erläutert. Nach der eigentlichen Kommentierung listet ein Fundstellennachweis die zitierten Fundstellen in der AP (Arbeitsrechtliche Praxis) ab 1972 chronologisch auf und verweist auf weitere Fundstellen. Damit ist garantiert, dass man die weiterführende Literatur unabhängig von den zur Verfügung stehenden Materialien schnell findet. Der Text liest sich sehr flüssig. Ein Grund dafür ist, dass der Fitting, obwohl ein Kurzkommentar, auf zu viele Abkürzungen verzichtet. Außerdem sind die Sätze relativ kurz gehalten, auf Schachtelsätze wird weitgehend verzichtet. Regelmäßig wird innerhalb des Textes auf andere Paragraphen und weiterführende Literatur verwiesen. An geeigneter Stelle wird die Kommentierung durch Beispiele veranschaulicht, so z. B. bei der Wahl des Betriebsrates nach dem d’Hondtschen Höchstzahlverfahren. Unter den Herausgebern befinden sich mit Ingrid Schmidt als Präsidentin und Wolfgang Linsenmaier als Vorsitzendem Richter des BAG namhafte Juristen. Fazit: Der Fitting ist zu Recht „der“ Kommentar in der Praxis, wenn es um das Betriebsverfassungsrecht geht. Er ist kompakt und vollständig zugleich, juristisch anspruchsvoll und gut zu lesen und das zu einem moderaten Preis. Wer auf dem Gebiet des kollektiven Arbeitsrechts tätig ist, kann auf dieses Werk kaum verzichten. RAin Tanja Fuß, MPA, Stuttgart Die als Sozialrichter an das BMAS abgeordneten Autoren des Buches „Das neue Grundsicherungsrecht“ begleiteten das Gesetzgebungsverfahren. Sie liefern einen zuverlässigen Überblick über die Neuerungen und geben erste Praxishinweise. In den ersten beiden Teilen werden anhand des jeweiligen BVerfG-Urteils die Änderungen der Gesetzgebung erläutert. Im dritten Teil werden weitere Änderungen aufgeführt: Elterngeld ist anrechenbares Einkommen. Die Bezugszeit des Alg II gilt als Anrechnungszeit, nicht als Beitragszeit in der Rentenversicherung. Leistungsbezieher, die zuvor von der Rentenversicherungspflicht befreit waren, erhalten keinen Zuschuss für berufsständische Versorgungswerke oder Alterssicherung der Landwirte. Zusatzbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung werden in Ausnahmefällen übernommen. Kosten für eine private Krankenversicherung werden maximal bis zu einem Betrag von 287,50 Euro übernommen (Basistarif). Auch die Gesetzestexte sind als Anhang beigefügt. Wegen des umfassenden, verständlichen und gut strukturierten Einblicks in die neue Gesetzeslage samt den Hintergründen kann sich der sozialrechtliche Praktiker gut und schnell auch während des Arbeitsalltags in die Materie einarbeiten. Mit der zweiten Auflage des Werks „Das Hartz-IV-Mandat“ hat Zimmermann in kürzester Zeit ein hervorragendes Buch in sehr guter Qualität mit anschaulichen Beispielen für die Praxis auf dem neuesten Stand der Rechtsprechung und Gesetzgebung vorgelegt. Er zeigt alle Eventualitäten der anwaltlichen Praxis in allen Verfahrensabschnitten samt Problemen und Abrechnungsfragen auf. Im Abschnitt Verwaltungsverfahren erklärt er ausführlich das System der Abrechnung und den Anspruch auf Kostenerstattung des Mandanten nach § 63 SBG X sowie die in der Praxis auftretenden Probleme bei der Gewährung von Beratungshilfe. Insbesondere weist er darauf hin, dass gem. § 9 S. 2 BerHG der Anspruch des § 63 SGB X auf den Rechtsanwalt übergeht. Ungeklärt ist, ob der Anwalt bei der Geltendmachung des Anspruchs in eigenem Namen zu dem von Gerichtsgebühren befreiten Personenkreis gehört. Zimmermann vertritt die Auffassung, dass analog zum Erstattungsanspruch der Staatskasse auch Gebührenfreiheit für den übergegangenen Anspruch des Anwalts gelten muss. Aufgrund vor Jahren gemachter negativer Erfahrungen macht die Rezensentin Kostenerstattungsansprüche stets im Auftrag des Mandanten geltend. Als Anhang sind Schriftsatzmuster samt Erläuterungen angefügt. Das Werk „Einführung in den praktischen Journalismus“ beschreibt, wie man als Journalist arbeitet und wie man Journalist wird. Es beinhaltet zunächst die Tätigkeiten und Arbeitsfelder eines Journalisten. Der Autor geht der Frage nach, wie der Journalist zu seiner Story kommt und führt in die verschiedenen journalistischen Darstellungsformen (Nachricht, Bericht, Reportage, Feature, Interview, Umfrage, Korrespondentenbericht, analysierender Beitrag, Kommentar, Glosse und Rezension) ein. Darüber hinaus beschreibt er die Wege des zukünftigen Journalisten in eine Redaktion. Ein weiterer wesentlicher Teil des Werks ist die Darstellung der verschiedenen Ausbildungswege des zukünftigen Journalisten. Hinsichtlich des Verfassens einer Mitteilung gibt der Autor dem zukünftigen Journalisten unter anderem die Ratschläge nur das in seiner Mitteilung zu bringen, was er selbst verstanden hat, anschaulich und genau zu berichten, Namen zu nennen, die Vorgeschichte zu erzählen, Zusammenhänge aufzuzeigen, mit Fremdwörtern zu geizen und schließlich Behörden-Deutsch zu vermeiden. Den meinungsäußernden Kommentator weist der Autor auf die größte Gefahr für einen jeden Kommentator hin, die darin besteht, an seinem Publikum vorbei zu kommentieren. Der Autor rät davon ab, Beiträge lediglich auf Verdacht für irgendeine Redaktion zu schreiben. Den Beitrag schreibt man in Absprache und in im engen Kontakt mit der Redaktion. Er hält die Lokalzeitung für die beste Möglichkeit, einen Beitrag anzubieten. Diese hat den Vorteil des ständigen großen Themenbedarfs und ist am leichtesten zu erreichen. Autor des Buches ist Walter La Roche, der lange Jahre Ausbildungsbeauftragter und Hörfunk-Nachrichtenchef des Bayerischen Rundfunks sowie Dozent für praktischen Journalismus an Journalistenschulen und Universitäten war. Der Autor verstarb nach der Fertigstellung der 18. Auflage. Gabriele Hooffacker und Klaus Maier führen sein Buch in seinem Sinne fort. Fazit: Zahlreiche Beispiele und Ratschläge machen das Buch zu einer lesenswerten Einführung für jeden Anwalt, der sich auf das Gebiet der Pressearbeit begeben möchte. RAin Inés Kraus, Mainz-Kostheim Fazit: Auch der nur wenig im SGB II tätige Rechtsanwalt findet in diesem Werk das zur erfolgreichen Mandatsführung notwendige Wissen. RAin Ines Müller-Baumgarten, Bielefeld ADVOICE 04 /11 61 Bücher-FORUM Handbuch des Fachanwalts Versicherungsrecht AnwaltFormulare Zwangsvollstreckung Anwalts-Handbuch Mietrecht Halm/Engelbrecht/Krahe (Hrsg.) 4. Aufl. 2011, 2.688 S., 139,00 EUR Luchterhand Verlag Frank-Michael Goebel (Hrsg.), 4. Aufl. 2011, 1.632 S., 119,00 EUR, Deutscher AnwaltVerlag Klaus Lützenkirchen (Hrsg.), 4. Aufl. 2010, 2.864 S., 129,00 EUR, Verlag Dr. Otto Schmidt Das Handbuch des Fachanwalts Versicherungsrecht beinhaltet den gesamten Stoff, der nach der Fachanwaltsordnung im Bereich Versicherungsrecht vorgeschrieben ist. Aufgrund der Vielfältigkeit der zu versichernden Risiken existieren im Versicherungsrecht auch vielfältige Rechtsprobleme. Als Autoren des Handbuchs wirken 43 namhafte Professoren, Rechtsanwälte und Versicherungsjuristen, die über ein fundiertes Wissen in der jeweilig bearbeiteten Versicherungssparte verfügen. In 38 Kapiteln stellen die Bearbeiter sämtliche wichtigen Bereiche des Versicherungsrechts umfassend dar. Neue Gesetzesvorhaben und einige Gesetzesänderungen veranlassten das Autorenteam um Frank-Michael Goebel – alles versierte und erfahrene Richter, Anwälte und Rechtspfleger –, die AnwaltFormulare Zwangsvollstreckungsrecht komplett zu überarbeiten und zu aktualisieren. Alle Neuheiten sind berücksichtigt, z. B. die Reform der Kontopfändung, der Sachaufklärung und des Verbraucherinsolvenzrechts, die Erhöhung der Pfändungsfreibeträge sowie verschiedene EU-Verordnungen. Der Lützenkirchen ist kein typischer Kommentar, sondern ein Anwaltshandbuch, das aus der Mandatsperspektive geschrieben und für den anwaltlichen Praktiker bestimmt ist. Es ist daher auch nicht nach den gesetzlichen Regelungen aufgebaut, sondern orientiert sich an anwaltlichen Bedürfnissen. Im ersten Kapitel des Werks wird dabei einleitend das Allgemeine Versicherungsvertragsrecht dargestellt. Diese Einleitung ermöglicht dem nicht umfassend im Versicherungsrecht vorgebildeten Rechtsanwalt einen Einstieg in die Materie. Im zweiten Kapitel werden die Besonderheiten der Prozessführung im versicherungsrechtlichen Mandat dargestellt. Im dritten Kapitel wird dann das Ombudsmannverfahren erläutert. In den weiteren Kapiteln werden neben „Klassikern“ wie der Kaskoversicherung, Krankenversicherung oder Privathaftpflichtversicherung auch eher unbekannte Versicherungen wie die Reisgepäckversicherung dargestellt. Für jeden Rechtsanwalt ist daneben aber auch die Darstellung der Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte im 27. Kapitel lesenswert. Inhaltlich überzeugt das Buch mit höchster Aktualität und einer umfassenden Darstellung des anwaltsrelevanten Versicherungsrechts. Sämtliche Versicherungsarten werden detailliert dargestellt. Anspruchsgrundlagen mit sämtlichen Tatbestandsvoraussetzungen werden ebenso wie Haftungsausschlüsse ausführlich abgehandelt. Die Bearbeiter betrachten dabei die jeweilige Versicherungsart stets vor dem Hintergrund der anwaltlichen Praxis. Zahlreiche Beispiele, Checklisten und Muster, wie beispielsweise eine Deckungsklage gegenüber der Rechtsschutzversicherung, erleichtern dem Praktiker die Mandatsbearbeitung. Fazit: Das Handbuch des Fachanwalts Versicherungsrecht ist dazu geeignet, nahezu jede Frage aus dem Bereich des Versicherungsrechts zu beantworten. Die Darstellung von Versicherungsarten wie beispielsweise Arzthaftpflicht, Kaskoversicherung, Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung oder Rechtsschutzversicherung sind für jeden Rechtsanwalt und nicht nur für den Fachanwalt Versicherungsrecht wertvoll. RA Martin Bretzler, Hann. Münden Die Bedeutung des Zwangsvollstreckungsrechts zeigt sich für die Anwaltschaft bereits darin, dass der Mandant erst dann seinen Anwalt als erfolgreich betrachten wird, wenn er für seine titulierte Forderung Geld sieht. Um das zu erreichen, ist – auch nach dem Gesetzeswillen – schnell zu handeln. Diesem Ziel, den titulierten Anspruch zu verwirklichen, dient das Werk. Jedoch gilt es dabei ausdrücklich auch, den berechtigten Schuldnerschutz zu wahren. Der Aufbau der in 15 Paragraphen gegliederten Formularsammlung ist durchdacht. Sie umfasst z. B. die Grundfragen der Zwangsvollstreckung und des Forderungsmanagements, das ABC der Forderungspfändung, die Zwangsvollstreckung zur Herausgabe von Sachen bis zu den Rechtsbehelfen und den Kosten. Der detaillierten Gliederung und dem Literaturverzeichnis folgen die umfassenden, aber praxisorientierten Erläuterungen der einzelnen Vollstreckungsarten nach ihrem gewöhnlichen Verlauf. Im letzten Kapitel eines jeden Paragraphen findet der Leser die praxiserprobten Musterformulare. Wichtig ist den Autoren, über den gewöhnlichen Verlauf der Zwangsvollstreckung den Blick auf haftungsträchtige Fehler zu lenken und alternative Vollstreckungsmöglichkeiten zu zeigen. Dabei haben sie das gesamte Werk mit vielen Checklisten, Tabellen, Tipps, Hinweisen und fett gedruckten Schlagwörtern im Text bereichert. Mut zeigen die Autoren dadurch, dass mögliche Auswirkungen weiterer Gesetzesvorhaben schon in der Neuauflage mit taktischen Hinweisen berücksichtigt sind, z. B. für die Reform der Restschuldbefreiung oder die zweite Stufe der Reform der Kontopfändung zum 1.1.2012. Die über 400 Formularmuster auf der CD-ROM lassen sich leicht in die eigene Textverarbeitung übernehmen. Fazit: Die AnwaltFormulare Zwangsvollstreckungsrecht überzeugen für die Praxis mit dem Konzept, die Muster mit den Erläuterungen zu verknüpfen. Herausragend sind die Erläuterungen zur Informationsbeschaffung über den Schuldner bei der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung und das ABC der Forderungspfändung. RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock 62 ADVOICE 04 /11 Untergliedert ist das Werk sowohl in sachbezogene Abschnitte wie „Änderungen und Ergänzungen des Mietvertrages“ oder „Miete“ als auch in anwaltsspezifische Abschnitte wie „Gestaltungsberatung bei Mietverträgen“, „Allgemeine Fragen der Abwicklung mietrechtlicher Mandate“, „Rechtsanwaltsvergütung“ oder „Besondere Probleme des Mietprozesses“. Viele Abschnitte enthalten Tipps zu typischen Beratungssituationen, Vorüberlegungen zu Beratung und Umgang mit Mandanten, zum Umgang mit Rechtsschutzversicherungen sowie prozessuale Hinweise. Immer wieder finden sich Musterformulierungen zu einzelnen Vertragsklauseln und Schreiben sowie zahlreiche Beispiele. Oft werden verschiedene Möglichkeiten der Vorgehensweise dargestellt, Risiken und Chancen der Varianten erörtert und praktische Tipps gegeben. Umfassend kommentierte Checklisten sind ebenso wichtige Hilfen wie alphabetisch sortierte Tabellen zur Rechtsprechung. Soweit höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht vorliegt, werden Stellungnahmen von BGH-Senatsmitgliedern dargestellt, die Anhaltspunkte geben, wie eine BGHEntscheidung möglicherweise ausfallen würde. Die Kapitel zu Schönheitsreparaturen und Betriebskosten wurden aufgrund der vielen neuen Entscheidungen des BGH, die zum Teil auch zu gravierenden Änderungen der Rechtslage geführt haben, völlig neu geschrieben. Zudem wurde ein Abschnitt über die Pfändung in Mietforderungen eingefügt. Mit zahlreichen Tipps zu Vertragsverhandlungen oder zu Vorgehensweisen auf Mieter- bzw. Vermieterseite wird gerade dem Mietrechtsneuling der Einstieg in die mietrechtliche Beratung und Vertretung erleichtert. Fazit: Der Lützenkirchen ist ein echter Praktiker. Im Gegensatz zu anderen Kommentaren stellt er nicht nur die Rechtslage dar, sondern achtet stets auf deren Bedeutung für die praktische Arbeit und gibt zahlreiche Hilfestellungen. Zusammen mit einem klassischen Mietrechtskommentar ist damit sowohl der Mietrechtsneuling als auch der erfahrene Mietrechtspraktiker bestens ausgerüstet. Zwar ist das über 2.800 Seiten starke Werk nicht gerade billig, doch dafür bekommt man ein hervorragendes Handbuch für die Praxis an die Hand. RAin Tanja Fuß, MPA, Stuttgart Autorenverzeichnis Maria Knor ist Rechtsanwältin in Hamburg und vornehmlich im Bereich des deutschen Arbeitsrechts und italienischen Zivilrechts tätig. Ihr Schwerpunkt liegt dabei im italienischen Immobilienrecht. www.rosepartner.de Christine Frey ist selbständige Rechtsanwältin in Berlin mit Schwerpunkten im Strafrecht, Verkehrsrecht und allgemeines Zivilrecht. www.anwaltskanzlei-frey.de Jens-Christof Niemeyer ist Einzelanwalt aus Spenge und aus Überzeugung. Mit Vorliebe bearbeitet er Mandate aus dem Bereich der sogenannten Neuen Medien, deren Existenz sich bis nach Ostwestfalen herumgesprochen hat. kanzlei@anwaltniemeyer.de Frank Röthemeyer ist seit 2004 Anwalt in Balingen in allgemein ausgerichteter Kanzlei mit einem Kollegen Fachanwalt für Verkehrsrecht, auch Schwerpunkt der Tätigkeit RB für den LG-Bezirk Hechingen. kanzlei@karle-roethemeyer.de Alessandra Pesca ist eine im Bereich des deutsch-italienischen Rechts tätige italienische Rechtsanwältin (Avvocato). Sie hat einen Master im internationalen Wirtschaft und einen LL.M. im deutschen Recht erworben. pesca@ra-italien.eu Steffen Eube ist angestellter Jurist bei HDI-Gerling Firmen und Privat Versicherung AG und dort im Zentralen Underwriting Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung tätig. Steffen.Eube@hdi-gerling.de Felix Westpfahl arbeitet als selbstständiger Rechtsanwalt in Hannover. Tätigkeitsschwerpunkte sind das Strafrecht und Medizinrecht. Er ist zudem nebenamtlicher Dozent an der Hochschule für kommunale Verwaltung in Niedersachen. www.kanzlei-westpfahl.de Marc Y. Wandersleben ist Wirtschaftsjurist, Rechtsanwalt und Mediator. Er ist Partner der Kanzlei Brennecke & Partner und Geschäftsführer am Standort Hannover. Zudem ist er Regionalbeauftragter des FORUMs für den LG-Bezirk Hannover. wandersleben@brennecke-partner.de Dagmar Husmann ist Rechtsanwältin für Arbeitsrecht, Medien- und Urheberrecht sowie allgemeines Zivilrecht bei der Sozietät Groenewold Rechtsanwälte in Hamburg. Sie arbeitet an ihrer Dissertation im Bereich „Recht und Literatur“. www.groenewold-rae.de Gabriele Knöpfle ist seit 2005 Anwältin und in Stuttgart als Fachanwältin für Verkehrsrecht tätig. Sie studierte in Augsburg und Lund/Schweden und ist für das FORUM Junge Anwaltschaft Regionalbeauftragte für den Landgerichtsbezirk Stuttgart. info@ra36.de Elke Dausacker ist seit 2008 selbständige Rechtsanwältin in Netphen. Schwerpunkte ihrer anwaltlichen Tätigkeit liegen auf den Gebieten Verkehrsrecht, Miet- und WEG-Recht sowie Aufenthalts- und Asylrecht. www.anwalt-dausacker.de Urs Breitsprecher ist Anwalt in einer Düsseldorfer Partnerkanzlei und Fachanwalt für Handelsund Gesellschaftsrecht mit Spezialisierung für Wirtschafts- und Steuerrecht. Im FORUM ist er für internationale Fragen zuständig. urs@kb-legal.de Volker Loeschner ist selbständiger Rechtsanwalt in Berlin mit eigner Kanzlei für Zahn- und Medizinrecht. ra-loeschner@zahn-medizinrecht.de Silke Waterschek ist in eigener Kanzlei in Heilbronn als Anwältin und Mediatorin mit den Schwerpunkten Familien-, Straf- und Vertragsrecht tätig. Sie ist Rb für den LG Bezirk Heilbronn und Vorsitzende des GfA des FORUM Junge Anwaltschaft. info@kanzlei-waterschek.de Matthias Dantlgraber studierte Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität in Berlin. Bis August 2011 war er Rechtsreferendar im Bezirk des Berliner Kammergerichts. Seine Wahlstation absolvierte er an der Deutschen Botschaft in Washington. Matthias.Dantlgraber@web.de Sebastian Günter ist seit 2007 Rechtsanwalt und seit diesem Jahr tätig in der Kanzlei Dreissiger in Berlin. Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. kanzlei@s-guenther.de Astrid Ackermann ist Rechtsanwältin, betreibt in Frankfurt/Main eine Kanzlei im Medienund IT-Recht und ist dort auch Regionalbeauftragte. Sie ist Mitglied des GfA des FORUMs und für Seminare/Fortbildung sowie die AdVoice zuständig. kanzlei@anwaltsbuero-ackermann.de Tobias Sommer ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht sowie Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz in der Kanzlei 24 IP Law Group. Er war als freier Journalist tätig und ist seit 2006 Chefredakteur der AdVoice. rechtsanwalt@RAsommer.de ADVOICE 04 /11 63 Service Extraterrestrisch Bundesregierung auf der Suche nach der Dritten Art Auf der Suche nach fremden Kulturen dringt das allseits bekannte Raumschiff Enterprise seit einer Vielzahl von Jahren auf heimischen Bildschirmen „… in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.“ vor. Wohl nicht nur die Enterprise, auch die Bundesregierung scheint Interesse an unbekannten Kulturen im All zu haben. Nun klagte ein Berliner Verwaltungsfachangestellter auf Einsicht in ein Papier des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, welches belegen soll, dass sich auch der deutsche Staat mit der Ufo-Forschung befasst. Die deutschen X-Akten quasi, deren Inhalt für alle Bürger von erheblichem Interesse sind, denn wer will schon unvorbereitet und womöglich noch im Schlafanzug eine Begegnung mit der Dritten Art erleben? Dem Begehren gab das Berliner Verwaltungsgericht nun statt, denn „Der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen nach dem Informationsfreiheitsgesetz gilt auch für Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages.“ Der Auffassung des Deutschen Bundestages, der das Informationsbedürfnis des Berliners mit der Begründung abgewehrt hat, „... das IFG sei auf den Deutschen Bundestag nur anwendbar, soweit er öffent- lichrechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehme ...“ und die Zuarbeit der Wissenschaftlichen Dienste sei „der Mandatsausübung der Abgeordneten zuzurechnen und daher als Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten vom Informationszugang ausgenommen.“ Dieser Argumentation ist das Verwaltungsgericht nicht gefolgt, es hat der Klage stattgegeben. Wenngleich das Urteil wohl noch nicht rechtskräftig ist, bleibt es also weiter spannend. Werden wir nun endlich erfahren, ob und wenn ja – welche – außerirdischen Kulturen uns bei der täglichen Mandatsbearbeitung über die Schulter schauen? Bei der Gelegenheit könnten wir uns auch schon vorbereitend mit der Frage auseinandersetzen, wer im Fall der Fälle eigentlich die deutsche Anwaltschaft gegenüber den Fremden aus unerreichbar fernen Galaxien repräsentieren soll und welches Recht im Zweifel anzuwenden ist. Impressum: Redaktion: Stefanie Salzmann, RAin Anke Schiller-Mönch, RA Patrick Ruppert, RA Volker Loeschner / Bildredaktion: Andrea Vollmer / Bücherforum: RA Jens Jenau / V.i.S.d.P.: RA Tobias Sommer (Chefredakteur) Anschrift wie Herausgeber Fotos S. 2: Stephan Eichler, Stefan Höderath Herausgeber: Geschäftsführender Ausschuss des FORUMs Junge Anwaltschaft im DAV, Berlin Littenstraße 11, 10179 Berlin, Tel. 030/7261520 Erscheinungsweise: vierteljährlich (März / Juni / September / Dezember) Es gilt die Anzeigenpreisliste 1/2012 Anzeigen: sales friendly Verlagsdienstleistungen, Bettina Roos Siegburger Str. 123, 53229 Bonn Tel. 0228/97898-10, Fax: 0228/97898-20 E-Mail: roos@sales-friendly.de Bezugspreis: 48,00 Euro (inkl. MwSt.) zzgl. Versandkosten für 4 Ausgaben / Einzelheft: 14,50 Euro / Für Mitglieder des FORUMs Junge Anwaltschaft im Deutschen Anwaltverein ist der Bezug der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag enthalten. ISSN 1437-3084 Nur, damit wir nicht völlig auf dem falschen Fuß erwischt werden, wenn auf dem Kanzleiparkplatz ein Ufo landet und der potentielle Neumandant um eine Erstberatung übernatürlicher Art bittet ... RAin Silke Waterschek, Heilbronn Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 1.12.2011 - VG 2 K 91.11 Layout / Satz: gudman design weimar, www.gudman.de Lektorat: Nora Döring, BILDART Druck: Liebeskind Druck, Apolda Artikel und Beiträge sind Meinungsäußerungen der Autoren und geben nicht immer die Meinung der Redaktion bzw. des Deutschen Anwaltvereins und seiner Gremien wieder. Redaktionsschluss: Heft 1/2012, 4.2.2012 Wer will schon unvorbereitet und im Pyjama einem Außerirdischen begegnen. Foto: Pii23_pixelio.de ADVOICE 01/12 Sport Golf, fand schon Mark Twain, ist ein schöner Spaziergang, der einem verdorben wird. Und ist Golf denn überhaupt die Juristensportart schlechthin? Laufen Advokaten nicht vielleicht lieber? Oder klettern sie? Und wenn ja, wohin? Die nächste AdVoice will sich mit solch drängenden Fragen beschäftigen und sie nach Möglichkeit beantworten. Außerdem geht’s um Sportrecht, Sportwetten, Sportverletzungen, Juristensportclubs und natürlich die entscheidende Frage an alle Strafrechtler: „Ist Sport Mord“? Wir hoffen auf Euer sportliches Mitschreiben unter: > advoiceredaktion@davforum.de 64 ADVOICE 04 /11 www.davforum.de Die Stimme junger Anwälte Das FORUM bietet allen m/w Referendaren, Assessoren und Anwälten bis 40 Jahren • Interessenvertretung • Vergünstigungen • Erfahrungsaustausch • Mailingliste • Stammtische Mitgliedsbeiträge € 50,– / 25,– p.a. Informationen zur Mitgliedschaft: www.davforum.de Kontakt: info@davforum.de | 030 / 72 6152-0 Starthilfe | Fortbildungen | Netzwerk » Ich habe mich für ra-micro entschieden, weil ich Prozesse lieber gewinne, als mich in ihnen zu verlieren » RA A Han anss Joac Joac Jo achim him K hi Kü üpp üp pper e KÜ K ÜP PP PER ER Re Rech cht hts tsa tsa an nwä wälte ltte, e, Weerm We rmellsk skir irch chen hen en Eine von bisher 513 neuen ra-micro Kanzleien im Jahr 2011. www.ra-micro.de