Thema: Kultur - Forum Junge Anwaltschaft

Transcription

Thema: Kultur - Forum Junge Anwaltschaft
Anwalt der Anwälte
G 48742
04/11
FORUM Junge Anwaltschaft im DeutschenAnwaltverein
Thema:
Kultur
Man spricht, hört und trinkt deutsch
Tempel für Iustitia – Recht als Inszenierung
Kulturverfall im Rechtswesen
FORUM kämpft für Syndikusanwälte
Die Kunst des NEIN-Sagens
forum Junge Anwaltschaft
w w w. d a v f o r u m . d e
Empfohlen von:
„Wer außer Anwälten kann wissen,
was Anwälten hilft?“
Da eine effiziente Kanzleisoftware besonders leicht zu bedienen und verständlich sein muss, wurden sämtliche Abläufe und Anwendungen
zusammen mit Anwälten und ReNos entwickelt – von der Aktenverwaltung, Organisation über Vergütungsberechnung bis zum Mahnwesen. Durch modernste Softwaretechnik ist Haufe Advolux zudem stets zuverlässig, schnell und wartungsarm. Und der einfache
Einstieg ist besonders für kleine und mittlere Kanzleien geeignet.
www.haufe.de/advolux
Editorial
Kulturbeutel
und Schmecken deutscher Exportgüter herausgefunden. Dabei spielt das Goethe-Institut eine ebenso große Rolle wie die Perlen deutscher Fernsehunterhaltung und ein bekanntes Hefe-Getränk.
Um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede des
deutschen und US-amerikanischen Rechts geht es
im Direktvergleich der beiden Rechtssysteme. Dabei
werden unter anderem folgende Fragen erörtert:
Wie sehen die Verfassungen der beiden Staaten
aus? Was kostet der Becher Kaffee den CoffeeShop-Betreiber im schlimmsten Fall? Und wie war
das doch gleich mit dem Robenzwang?
„Kultur (lateinisch cultura ,Bearbeitung, Pflege,
Ackerbau‘, von colere ,pflegen, verehren, den
Acker bestellen‘) ist im weitesten Sinne alles, was
der Mensch selbst gestaltend hervorbringt, im
Unterschied zu der von ihm nicht geschaffenen
und nicht veränderten Natur. Kulturleistungen
sind alle formenden Umgestaltungen eines
gegebenen Materials, wie in der Technik oder
in der Bildenden Kunst, aber auch geistige Gebilde wie etwa Recht, Moral, Religion, Wirtschaft und Wissenschaft.“
Befragt man die Online-Enzyklopädie Wikipedia
nach dem Begriff „Kultur“, stößt man auf diese
Definition. Für diese Ausgabe der AdVoice haben
junge Kolleginnen und Kollegen für bestimmte
Teilbereiche der (Rechts-)Kultur jeweils eigene Definitionen entwickelt.
Mit der Bedeutung, die die deutsche Kultur im
Ausland hat, hat sich Patrick Ruppert beschäftigt
und dabei Erstaunliches über das Sprechen, Hören
AdVoice
Redaktionsteam
Die Wiege der deutschen Demokratie steht in Weimar, wo im Jahr 1919 die erste demokratische Verfassung Deutschlands errichtet wurde. Anke SchillerMönch berichtet, wie es dazu kam und welche
Überlegungen bei der Konstituierung dieser Verfassung ausschlaggebend waren.
Dass Symbole mitunter auch im Recht eine Rolle
spielen, wird dem angehenden Juristen spätestens
dann klar, wenn er bei Gericht an der Statue der Justitia vorbeikommt. Ein nicht nur für Juristen besonders symbolträchtiger Ort ist der U.S. Supreme Court
in Washington, wie Matthias Dantlgraber weiß.
Das Streiten ist eine der Primärdisziplinen der Anwaltschaft. Untrennbar mit dem Streiten verbunden ist jedoch auch das Erfordernis, sich am Ende
der Streiterei zu einigen, um den Streit belegen zu
können. Das gilt auch im Arbeitsrecht, in dem den
Parteien in einem vorgeschalteten Gütetermin explizit die Möglichkeit zur frühzeitigen Einigung
nahegelegt wird. Über Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft der arbeitsgerichtlichen Einigung berichtet Sebastian Günther.
Es gibt Strafprozesse, die stark medial begleitet werden. Einer dieser Prozesse, der gegen den Wettermoderator Jörg Kachelmann geführte, endete im
Jahr 2011 mit einem Freispruch. Gerade dieser Prozess hat jedoch auch gezeigt, welche Schäden
die mediale Aufbereitung von Strafprozessen der
Rechtskultur zufügen kann. Mit diese Schäden und
anderen Nebenwirkungen des Zusammenspiels
zwischen Medien und Strafrecht hat sich Felix
Westpfahl beschäftigt.
Doch es wird nicht nur über Juristen geschrieben,
im Laufe der Jahrhunderte haben viele Angehörige
dieses Berufsstandes auch selbst zur Feder bzw.
Tastatur gegriffen. Einige von Ihnen stellt Dagmar
Husmann vor.
Im Jahr 2000 hat der CDU-Politiker Friedrich Merz
den Begriff der „deutschen Leitkultur“ geprägt und
damit unter anderem auch für heiße Debatten in
Politik und Gesellschaft über die Integration von in
Deutschland lebenden Ausländern gesorgt. Elke
Dausacker hat diese Diskussion verfolgt und macht
sich Gedanken über ihre Auswirkungen.
Nun ist es wie im wahren Leben: Wie es um die
(Rechts-)Kultur bestellt ist, muss jeder Leser selbst
entscheiden. Entscheidungshilfen sind in dieser
Ausgabe der AdVoice jedenfalls ausreichend vorhanden.
Im Namen des Geschäftsführenden Ausschusses
des FORUM Junge Anwaltschaft wünsche ich allen
Lesern viel Spaß bei der Lektüre und einen guten
Start in ein hoffentlich erfolgreiches Jahr 2012!
Eure RAin Astrid Ackermann
Tobias Sommer, Berlin
Rechtsanwalt
Chefredakteur
Anke Schiller-Mönch, Weimar
Rechtsanwältin
Redaktion und Autorin
Patrick Ruppert, Köln
Rechtsanwalt
Redaktion und Autor
Stefanie Salzmann, Eschwege
Journalistin
Zentralredaktion
Jens Jenau
Rechtsanwalt
Schloß Holte-Stukenbrock
Bücherforum
Andrea Vollmer, Berlin
Fotografin und Bildredaktion
ADVOICE 04 /11
1
Inhalt
Thema: Kultur
Magazin
4
Man spricht, hört und trinkt Deutsch
Deutsche Kultur als Exportschlager
22
Rechtskultur
Was Wissenschaftler interessiert
34
Vorgelesen und genehmigt ...
und Stunden später
7
Kartoffel oder Pasta
Italienische Rechtskultur
24
Eine Frage des Ausdrucks
Recht und Literatur
35
Virtuelle Tupperparty
Social Media und der Datenschutz
8
Burger versus Currywurst
Internationales Recht im Vergleich
26
Vorhang auf für Juristen
Deutsche Gerichtsfilme
36
Die Katzen der Frau Ahafzi
Sozialphänomen animal hoarding
9
Geburtsort deutscher Demokratie
Weimar und die Weimarer Verfassung
28
Alles was Recht ist
Tipps. Bücher, Filme, Ausstellungen
37
Gericht des Monats
Das BVG Leipzig
13
Mehr als Advocaten
Juristen als Künstler
30
Wie war das mit der Leitkultur?
Eine rechtsethische Betrachtung
38
Gegen doppelte Beitragspflicht
Forum setzt sich für Syndikusanwälte ein
14
Kultur um jeden Preis?
Theater am Tropf öffentlicher Kassen
33
Gibt es ein Recht auf Kultur?
Eine Bestandsaufnahme
41
Fortschritt oder Stillstand?
Versicherungskommunikation
16
Ein Tempel für Iustitia
Recht als Inszenierung
43
NEIN als Verhütungsmittel
Die Kunst des Nein-Sagens
18
Kultur der Einigung
Arbeitsrechtliche Schlichtung
44
Um Leben und Tod
Die Patientenverfügung
20
Kulturverfall im Rechtswesen?
Sind die Medien schuld?
46
News
47
Not macht erfinderisch
Selbstgebastelter Notizblock für Anwälte
48
Scheinsozien
Außenauftritte mit Folgen
49
Existenzgründerbericht
Eine Italienerin in München
2
ADVOICE 04 /11
Inhalt
Euer FORUM
50
Vorteile der FORUMs-Mitgliedschaft
51
Medien und Justiz
Herausforderung fürAnwälte
52
Andere Baustellen
5. Forum + 3
Bücherforum
57
Info + Service
Psychiatrische Begutachtung
Handbuch Medizinrecht
63
Autorenverzeichnis
64
Das letzte Wort
Extraterrestrisch
64
Impressum
Opferentschädigungsgesetz
Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht
Verwaltungsgerichtsordnung
Beamtenrecht in der Praxis
53
Arbeitsrecht – Handbuch für die Praxis

Forum an der Themse
Treffen mit internationalen Kollegen
Handbuch des Fachanwaltes Arbeitsrecht
54
Apps und Ups
Regitreffen 2011 in Essen
Der Arbeitsvertrag
Ausländerrecht
54
Regionalbeauftragte gesucht
Marken eintragen und recherchieren
55
FORUM regional
Neue Regionalbeaftragte für
Erman BGB
_LG-Bezirk Heidelberg
_LG-Bezirk Mönchengladbach
_LG-Bezirk Ravensburg
Hartz IV-Paket, Hartz IV-Mandat
Betriebsverfassungsgesetz
Einführung in den praktischen Journalismus
Handbuch des FA Versicherungsrecht
AnwaltFormulare Zwangsvollstreckung
Anwalts-Handbuch Mietrecht
Fotos Inhaltsverzeichnis v.l.n.r.: Markus Kirchgessner / STUDIOCANAL GmbH / Jan von Brockel_pixelio.de / Gerd Altmann_pixelio.de / Wilhelmine Wulff_pixelio.de
ADVOICE 04 /11
3
Thema
Man spricht, hört und trinkt Deutsch
Deutsche Kultur als Exportschlager
Manch einem Rechtsanwalt wird vorgehalten,
dass er die eigene Kultur wenig verstünde. Vor
allen Dingen mangelte es ihm an der notwendigen Außensicht, die aber über die Grenzen
Deutschlands hinaus in einem vereinten Europa
durchaus zweckdienlich ist, ja mandatsfördernd
sein kann. Im Ausland werden „wir Deutschen“
oftmals anders beäugt. Es ist uns nicht einmal
bewusst. Wir betreiben fleißig Nabelschau und
verlieren uns in den Sorgen des Kanzleialltags.
Dabei täte es Not, dem „kulturellen Ich“ auf die
Sprünge zu helfen.
„Am Deutschen Wesen mag die Welt genesen“
entstammt einem Gedicht des Lyrikers Emanuel
Geibel (1815-1884). Es ist eine Sentenz, die nur
vierzig Jahre nach Geibels Tod von den National-
sozialisten aus dem Kontext gerissen wurde, um in
ihre menschenverachtende Ideologie eingebettet
zu werden. Es bedurfte zweier verheerender Weltkriege, damit dem staatlich verordneten Wahnsinn,
von einer breiten Bevölkerungsschicht ursprünglich getragen, ein Ende bereitet werden konnte. Von
Deutschland sollte nach 1945 nichts mehr ausgehen können, was Angst und Schrecken in die Welt
tragen konnte. Wer intensive Gespräche mit der
nunmehr aussterbenden Kriegsgeneration führen
durfte, wird gelegentlich festgestellt haben, dass
diese nicht immer die Tragweite gesellschaftlicher
Fehlentwicklung und eigener Verantwortlichkeit,
die letztlich aber in die Katastrophe münden musste, verstand. Mitunter kreisten die Gedanken dieser
Generation auch nur um „das Gute”, das aus deutschen Landen kam.
In 92 Verbindungsbüros weltweit fördert das deutsche Goetheinstitut unter anderem die deutsche Sprache.
4
ADVOICE 04 /11
„Made in Germany“, lange Zeit Qualitätssiegel für
innovative und mangelarme technische Produkte
aus Deutschland oder „Land der Dichter“ und Denker sind allesamt Prädikate, die mit der Bundesrepublik durchaus positiv weltweit in Verbindung
gebracht wurden und immer noch werden. Doch
darf der Blick ungetrübt auf derlei Auszeichnungen
gerichtet werden, wenn auf deutschem Boden vor
nicht allzu ferner Zeit eines der schlimmsten
Kapitel in der Geschichte der Menschheit verfasst
wurde? Erst neulich wurden wir durch den enttarnten Rechtsterrorismus an längst abgeschlossen
geglaubte Zustände erinnert. Zustände, die eines
westlichen Rechtsstaates nicht würdig sind. Ein
Blick frei von jedweder historischer Eintrübung
dürfte auch (für die nicht für den Holocaust verantwortlichen Generationen) undenkbar sein.
Foto: Goethe-Institut / Michael Friedel
Thema
Zumindest gebietet die geschichtliche Verantwortung einen respektvollen Umgang mit dem schweren historischen Erbe, damit tatsächlich nie wieder
Unrecht von deutschem Boden ausgehen kann.
Dessen eingedenk, dürfen die positiven Errungenschaften der deutschen Kultur im weitesten Sinne
aber gewürdigt werden, die sich international als
echte Exportschlager erfreuen. Es sind Exportschlager, die als solche in unserem Alltag nicht
immer eine Rolle spielen, weil wir sie als selbstverständlich erachten oder gar nicht erst wahrnehmen. Drei Beispiele, die mit Sprechen, Hören
und Trinken zu tun haben, weisen eindrücklich
darauf hin.
Sprechen! Goethe-Institut
Die Deutsche Sprache gehört laut des SIL International (Summer Institute of Linguistics) zu einer
der meist gesprochenen Sprachen der Welt. 90
Millionen Muttersprachler und 28 Millionen Fremdsprachler, verteilt auf 43 Länder, bescheren Deutsch
einen vorderen Rang hinter Chinesisch, Spanisch,
Englisch, Arabisch, Hindi, Bengali, Portugiesisch,
Russisch und Japanisch.
Grund für die starke Verbreitung mögen keineswegs nur die Fernsehserien „Tatort“ oder „Derrick“
sein, wobei Tatort mit einer Exportländerzahl von
rund 40 einen Spitzenplatz einnimmt.
Verantwortlich für die hohe Verbreitung ist unter
anderem das Goethe-Institut, das seit 50 Jahren
weltweit tätige Kulturinstitut der Bundesrepublik
Deutschland. Schwerpunkttätigkeit der in 92 Ländern vertretenen Verbindungsbüros ist die Förderung der deutschen Sprache, die kulturelle Zusammenarbeit, insbesondere auf musischem Gebiet,
und die Vermittlung eines umfassenden Deutschlandbildes. Das Goethe-Institut fördert zudem den
internationalen Diskurs zu Schlüsselthemen, die in
der globalisierten Welt eine besondere Bedeutung
haben. Als juristische, aber wichtige Randnotiz ist
zu erwähnen, dass das Goethe-Institut als gemeinnütziger Verein mit Sitz in München gegründet
wurde. Zwischen der Bundesrepublik und dem
Goethe-Institut regelt ein Rahmenvertrag die kulturfördernden Aufgaben des Instituts, die im Interesse der Bundesrepublik im Ausland wahrgenommen werden. Zuständig hierfür ist das Auswärtige Amt.
Hören! Deutsche Welle
In Zeiten des Kalten Krieges war es einst wichtig,
im innerdeutschen Nachbarschaftsverhältnis unzensierte Nachrichten aus Deutschland West und
aller Welt hinter den eisernen Vorhang zu befördern. Am einfachsten ging das per Radiowelle,
genauer gesagt, per Kurzwelle. Diese, wie hätte
es auch anders sein sollen, wurde regelmäßig
mit eigens installierten Störsendern „beschossen“.
Schließlich war es nicht schicklich, sich beim
Klassenfeind außerhalb der SED-Parteilinie zu
informieren.
Der öffentlich-rechtliche Auslandsrundfunk der
Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Bonn und
dem etwas antiquiert klingenden Namen „Deutsche Welle“ war seit seiner Gründung 1953 aber
mehr als nur „Flurfunk“ von West- nach OstDeutschland. Nach § 4 DWG (Deutsche-WelleGesetz) ging es stets um das Ziel, Deutschland als
europäisch gewachsene Kulturnation und freiheitlich verfassten demokratischen Rechtsstaat
weltweit verständlich zu machen. Dank der Fremdsprachenredaktionen konnten zwischenzeitlich über
30 bedeutsame Sprachen rund um den Globus mit
Rundfunksendungen bedient werden. Wenn man
Reichweitenerhebungen glauben darf, die in regelmäßigen Abständen durchgeführt wurden, so
wurde das Radioprogramm nicht nur von deutschen Auswanderern und Urlaubern international
geschätzt. Manch Konflikt, so sagen Befürworter
des deutschen Auslandsrundfunk, konnte dank
unabhängiger Berichtserstattung aus Deutschland
günstig im Sinne der Bevölkerung beeinflusst
werden.
Trotz der linguistischen Diversität gehört es ähnlich
wie beim Goetheinstitut im besonderen zum Auftrag, die Verbreitung der deutschen Sprache zu fördern. Sehr beliebt sind seit ihrer Einführung daher
die Deutsch-als-Fremdsprache-Kurse, die die Deutsche Welle online anbietet. Zur Erreichung des
Sendeauftrags stellt der Bund Mittel zur Verfügung, die sich aus Steuergeldern finanzieren. Anders als die inländischen öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten erhält die Deutsche Welle nämlich kein Geld aus Rundfunkgebühren, was sie stets
unter erhebliche Sparzwänge brachte. Finanznot
ist auch ein Grund, warum mit Ablauf des 29. Oktobers 2011 letztmalig in Kurzwelle gesendet wurde. Fortan will sich die Deutsche Welle auf ihr
Fernsehangebot DW-TV und das Internet mit DWWorld.de konzentrieren, um sauber recherchierte,
staatlich unabhängige Nachrichten weltweit verfügbar zu halten.
Trinken! Reinheitsgebot
Ob Kanzleiparty oder Oktoberfest, große inländische Feiern profitieren davon, dass „unser Bier“
haltbar und sauber ist, und das nicht nach freiem
Erfindungsgeist der Pharma- und Lebensmittelindustrie. Das „Deutsche Reinheitsgebot“ (DRG)
wabert als Qualitätsetikett in unseren Köpfen und
gibt beim Biergenuss dass gutes Gefühl, dass das
Gebräu ausschließlich aus Gerste, Hopfen und Malz
(„Gott erhalt's“) besteht. Der informierte Jurist weiß
allerdings, dass dank der europäischen Rechtsprechung die strengen Brauereiregeln nur noch für
in Deutschland hergestelltes, sogenanntes untergäriges Bier gelten, das nicht für den Export bestimmt ist. Was sich nach Ende des Mittelalters
bierbrauende Mönche als hohen Standard auf die
Flaggen geschrieben haben, ist mit der Überschwemmung des Einzelhandels mit Biermischgetränken aus „überall“ beinah nur noch Selbstverpflichtung.
Dennoch, und das wissen Kolleginnen und Kollegen
auch, die Lebensmittelrecht zu ihrem Fachgebiet
rechnen, genießt das DRG gerade außerhalb der
Bundesrepublik einen Ruf wie Donnerhall – dies
vielleicht auch deshalb, weil der Donnerhall am
nächsten Morgen nach intensivem Biergenuss
möglicherweise eher ausbleibt als nach dem
Konsum des landesursprünglichen Gerstensafts.
Beispiele findet man allenthalben. Tsingtao etwa,
benannt nach der ostchinesischen Hafenstadt
Quingdao, ist das meistverkaufte Bier Chinas. Die
Brauerei geht auf die Gründung durch deutsche
Braumeister zurück und orientierte sich am DRG.
Selbiges gilt auch für das japanische Sapporo-Bier,
das man hierzulande aus schicken Sushi-Bars
kennt. Übrigens, das DRG ist die älteste noch gültige lebensmittelrechtliche Vorschrift der Welt. Sie
wurde im Jahre 1516 durch die Herzöge Wilhelm
IV. und Ludwig X. von Bayern erlassen und über die
Jahrhunderte konserviert. Aktuell sind die Bestimmungen des DRG vor allen Dingen in den Normen
der Durchführungsverordnung zum vorläufigen
Biergesetz und in der Bierverordnung verklausuliert.
RA Patrick Ruppert, Köln
D
ADVOICE 04 /11
5
Thema
Kartoffel oder Pasta
Die italienische Rechtskultur – oder nur noch „Bunga, Bunga“?
dass sie zufälligerweise wie maßgeschneidert für
die eigene Situation sind. Man stelle sich unsere
Kanzlerin inmitten leicht bekleideter, junger Männer vor. Spätestens jetzt merkt man, wie eng der
Umgang und die Pflege des Rechts auch mit der
Politik des eigenen Landes verbunden sind. Und
genau diese Politik Berlusconis war auch ein Grund
dafür, das immer mehr Italiener auf die Barrikaden
gingen.
Wer nämlich den Blick über die Alpen wagte, fand
zwar nicht mehr einen Cesaren, dem die Trauben
zum Mund gereicht werden, doch aber einen Premier, der sich selbst der Nächste war. Alle für einen
und einer für sich selbst. Und somit nur ein Musketier, dass seine Partner um sich herum zu
vergessen haben schien. Man findet nach wie vor
ein Land, bei dem die Gerichtsverfahren sich so in
die Länge ziehen, dass es einen nicht wundern
würde, wenn die Parteien am Ende gar nicht mehr
wüssten, was sie eigentlich am Anfang des Prozesses vorgetragen haben.
Bilderbuch-Italien.
Foto: Alexander Dreher_pixelio.de
Rechtskultur oder „cultura giuridica“ wie der Italiener sagt. Aber was genau verstehen wir eigentlich darunter? Gibt es innerhalb Europas denn
noch so große Unterschiede? Vor allem, weil wir
doch so viel Wert legen auf all diese Möglichkeiten, die uns ein gemeinsames Europa bietet.
Wir reisen dank Schengen problemlos in andere
Länder und sind uns in vielerlei Hinsicht so
nahe. Aber wäre es bei der ganzen Gemeinsamkeit und Vereinheitlichung nicht auch schön,
sich ein wenig Eigenart bewahren zu können?
Eine berechtigte Frage in Zeiten der Globalisierung, des Euros und eines gemeinsamen Rettungsschirmes.
Haben Italiener und Deutsche eigentlich eine andere Vorstellung vom Recht und seiner individuellen
Anwendung? Hätte man einen Italiener noch vor
Kurzem gefragt, was er unter italienischer Rechtskultur versteht, wäre die Antwort sicher nicht
„Bunga, Bunga“ gewesen. Es geht auch nicht um
die Frage, wie man Gesetze in der Weise erlässt,
Italien, das Land der „dolce vita“, des süßen Lebens,
das geprägt ist von der beschwingten Lebensart
seiner Einwohner, die gutes Essen lieben und dort
leben, wo Deutsche Urlaub machen. Es ist aber
auch ein Land, das geführt wurde von einem Premier, der die Beschwingtheit vielleicht ein wenig
zu wörtlich genommen hat und sein Land auch
nach der 51. Vertrauensfrage innerhalb von vier
Jahren immer noch weiterführen konnte. Allerdings
nicht für lange.
Aber auf der anderen Seite gibt es eben auch immer
mehr, vor allem junge Italiener, die genau dies nicht
mehr ertragen und sich für ihr Land etwas anderes
wünschten. Eben einen anderen Umgang, eine andere Anwendung und Pflege des Rechts, eine andere Rechtskultur.
Sicher, individuelle Vorstellungen können voneinander abweichen. Aber ausgerechnet ein Premier,
der nicht nur die öffentlichen, sondern auch einen
Großteil der privaten Fernsehsender in seiner Person vereint, sollte und kann nun nicht länger die
(Rechts-)Kultur des schönen Italiens prägen. Denn
so wie das Recht die Kultur formt, formt auch die
Kultur eben immer das Recht.
Nicht zuletzt die Vorlesung zur römischen Rechtsgeschichte lässt uns daran erinnern, dass es einen
gemeinsamen Ursprung unserer Rechtsordnungen
gibt. Soweit, so gut.
Mit der Zeit haben sich im Hinblick auf die Anwendung und den individuellen Umgang mit dem
Recht jedoch kleine feine Unterschiede herausgebildet, woraus sich auch Schlüsse auf die eigene
Rechtskultur ziehen lassen.
Wer in der italienischen Rechtsordnung zum Beispiel das deutsche Abstraktionsprinzip zu finden
glaubt, kann lange suchen. Den Italienern reicht
ausschließlich der Konsens zwischen den Parteien,
der beispielsweise die Übertragung eines Rechts
schon dann stattfinden lässt, wenn die Willenserklärungen in rechtmäßiger Weise abgegeben wurden. Das reicht. Ein Zeichen dafür, dass die Dinge
auch funktionieren können, wenn man nicht alles
doppelt und dreifach regelt und absichert.
Zur doppelten Absicherung ein weiteres Beispiel:
In ausbildungstechnischer Hinsicht steht Deutschland, was seine Juristen betrifft, eher allein auf
weiter Flur. Während man sich in Italien von Vornherein entscheiden kann und muss, welchen Berufsweg man später einschlagen möchte, also das
Anwaltswesen der Richterschaft vorzieht oder andersherum, so ist dies in Deutschland ja bekanntermaßen nicht möglich. Schade eigentlich. Oder?
Denn die Qual der Wahl hat man so oder so.
Auch die Umsetzung der einzelnen EU-Richtlinien
lässt trotz einer gemeinsamen Grundlage auch unterschiedliche Umsetzungsmöglichkeiten der Länder
zu. Dies betrifft zum Beispiel den Bereich der Mediation, bei dem Italien einen obligatorischen Ansatz gewählt hat und das „mediare“, also das
Vermitteln zwischen den Parteien, zu einem Muss
in einigen Rechtsgebieten geworden ist. Ein deutscher Ansatz, könnte man denken. Falsch gedacht.
Aber gibt es denn überhaupt richtig oder falsch,
wenn es um Kultur geht? Besser oder schlechter?
Kartoffel oder Pasta? Nicht nur für den Bereich der
Rechtskultur eine Frage, die meines Erachtens nicht
entschieden werden muss.
RAin Maria Knor, Hamburg
Bunga Bunga ...
ist ein Ausdruck für ungewöhnliche Sexualpraktiken. Benutzt wurde er in der Ruby-Affäre
um Silvio Berlusconi.
ADVOICE 04 /11
7
Thema
Burger versus Currywurst
Deutsches und US-amerikanisches Recht im Direktvergleich
Welcher Snack macht das Rennen, weil er den
Gaumen mehr verzückt, das Kauen erleichtert
und länger vorhält? Die (Un-)Kultur des „stopp,
friss und weiter“ hat sich jedenfalls hüben wie
drüben in derart bemerkenswerter Weise fest
etabliert, dass eine klare Antwort nach dem
Sieger schwer fallen dürfte. Der Hamburger
steht für den „fleischgewordenen“ amerikanischen Traum, dass man es überall, also auch in
Deutschland, schaffen kann. Die Currywurst
hingegen ist ursprünglich bieder und weiß nicht
wirklich, woher sie stammt, entweder aus dem
Ruhrpott oder aus Berlin. Dennoch erfreut auch
sie sich vielleicht wegen ihres leicht übertriebenen Kultstatus besonderer Beliebtheit. Doch
nicht alles, was aus Amiland nach Deutschland
schwappt, ist wirklich so heiß begehrt. Das
sehen US-Bürger umgekehrt ähnlich, was deutsche Errungenschaften betrifft. Gerade im Bereich des Rechts gibt man sich gern dies- und
jenseits des Atlantiks überbetont selbstbewusst
und verweist auf die vermeintlich ältere Rechtstradition. Angeben, auch in Fragen der Juristerei,
ist ein Teil der tief verwurzelten, freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten von Amerika.
So richtig wissen wir oftmals nicht, was eigentlich die trennenden Unterschiede im Recht sind.
AdVoice hat sich aufgemacht und ein wenig
Basisarbeit betrieben. Einige wenige Merkmale
von „hier und dort“ seien ausschnitthaft im
Direktvergleich präsentiert.
Verfassung
USA
Libertas in Robe - die römische Göttin der Freiheit.
8
ADVOICE 04 /11
Foto: Gerd Altmann_pixelio.de
Die Amis behaupten stolz, sie hätten die älteste
vom Volk ausgehende föderale Verfassung der Welt.
Das mag man ihnen tatsächlich kaum abstreiten
können, bedenkt man, dass bereits am 17. September 1787 die Staatenrepublik mit ursprünglich 13
Gründungsstaaten samt präsidialer Führung und
Gewaltenteilung proklamiert wurde. Wichtige
Grundprinzipien wie etwa die Habeas Corpus Akte,
die eine willkürliche Verhaftung verhindert, wurden
für alle Bürger verbindlich. „Alle“ bezog sich aber
defacto nicht von Anfang an auf alle in den „Staaten“ lebenden Menschen. Sowohl die Ureinwohner
Nordamerikas, die indianischen Stämme nämlich,
als auch die schwarz-afrikanische Bevölkerung, die
als Leibeigene auf Farmen wie Vieh gehalten wurde, hatten zunächst nichts von der humanistischen
Thema
Grundordnung. Denn trotz offizieller Abschaffung
der Sklaverei mit Inkrafttreten des 13. Zusatzartikels
zur Verfassung vom 18. Dezember 1865 wirkte die
Diskriminierung besonders der Afroamerikaner bis
in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts fort. Die
gerade auf die individuelle Freiheit abzielende Verfassung verbietet es dem Staat in vielerlei Hinsicht
einzuschreiten. Deutlich wird das unter anderem
bei der Meinungsfreiheit, 1. Zusatzartikel zur Verfassung.
Das Recht der freien Rede („freedom of speech“)
ist sehr weitreichend und hätte in anderen westlichen Rechtsstaaten längst Volksverhetzung oder
die Anstiftung zu erheblichen Straftaten zur Folge.
Auch ist das Recht der Selbstverteidigung mittels
Waffengewalt jedermann grundsätzlich gestattet.
BRD
Entgegen ihrem westlichen Verbündeten kann die
jüngere Bundesrepublik nur auf 62 Jahre Verfassungstradition zurückblicken. Nach Ende des zweiten Weltkriegs 1945 lag Deutschland in Schutt und
Asche und musste rasch wieder aufgebaut werden.
In Westdeutschland hatten es die westlichen Alliierten sehr eilig, ein in sich stabiles und weitgehend
selbständiges System zu installieren, um einen
wirksamen Schutz gegen den sich von Osten ausbreitenden Kommunismus zu errichten. Kernsatz
der bundesrepublikanischen Verfassung ist die
Unantastbarkeit der Menschenwürde aus Art. 1 GG,
der in der jüngeren Vergangenheit aber nicht immer von allen Juristen zutreffend ausgelegt wurde.
So hielt es der damalige Staatssekretär der bayerischen Regierung, Peter Gauweiler (CSU), 1987 für
angemessen, an AIDS Erkrankte zwangsweise zu
melden und zur Vermeidung weiterer Ansteckung
sogar einzusperren. Er scheiterte letztlich mit seinem Vorstoß in der Länderkammer. Anders als die
US-Verfassung, betont die deutsche die Verpflichtung zum Sozialstaat, was ein völliges Abgleiten
der Bürger in Hunger und Armut verhindern soll.
Zivilrecht
USA
Schadensersatzsummen in Millionenhöhe etwa
wegen zu heißem Kaffee schießen einem unweigerlich in den Sinn, denkt man an das US-amerikanische Zivilrecht. Astronomische Schadenssummen kommen vor allen Dingen deshalb zustande,
weil in einem „Civil Jury Trial“ – üblich ab einer
Schadenssumme von 20 US-Dollar – juristische
Laien die Schadensbemessung vornehmen. Je nach
Bundesstaat entscheiden zwischen sechs und
zwölf Geschworene gleichberechtigt neben dem
Berufsrichter. Prägend im Zivilrecht ist vor allen
Dingen das Common Law, das nicht kodifizierte
Gewohnheitsrecht. Hiernach beziehen sich die
juristischen Einschätzungen auf eine weit, teilweise
in das 19. Jahrhundert und darüber hinaus zurückreichende Entscheidungstradition.
BRD
Dank der Preußen gilt seit Anfang des 20. Jahrhunderts im Gebiet der heutigen Bundesrepublik
das Bürgerliche Gesetzbuch als die Mutter des
Zivilrechts. Wer sich mit Rechtslinguistik befasst,
wird rasch merken, welche Normen im sich ständig
anpassenden BGB alten oder neueren Ursprungs
sind. Beinah alles ist in Deutschland normiert, was
teilweise unübersichtliche Paragraphenketten hervorruft. Das Richterrecht spielt hierbei eine vergleichsweise untergordnete Rolle. Das universelle
Verständnis über die gesetzliche Systematik entwickelt sich im Laufe einer langen Jurististenausbildung, wie wir wissen. Außenstehende stehen
nicht selten ehrfürchtig vor dieser, weil sie reines
Auswendiglernen von Gesetzen vermuten. Wegen
der Fülle des Stoffs heißt es aber in jedem Fall: „Ein
kluger Jurist weiß, wo es steht.“
Strafrecht
USA
„Living on the death row“, also im Todestrakt leben,
gehört in 34 von 50 US-Bundesstaaten auch heute
noch zum Alltag. Insbesondere einer alten Auslegung der Bibel folgend, soll es den Menschen mit
staatlicher Autorität erlaubt sein, Kapitalverbrecher
nach einem fairen Gerichtsverfahren hinzurichten.
Ein Skandal, wie immer mehr aufgeklärte Bürger
meinen. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten
gilt zwar auch der Grundsatz der Unschuldsvermutung. Straftäter müssen jedoch mittels eigener
Beweisführung ihre Unschuld belegen.
BRD
Die Todesstrafe ist nicht nur in Deutschland, sondern europaweit geächtet, auch wenn manch einer
je nach Bildschlagzeile wieder für ihre Einführung
plädiert. Solange das Gericht nach freier Überzeugung in der Verhandlung nicht zum Ergebnis
gelangt, die Beweise der Anklage reichen zu einer
Verurteilung, ist der Angeklagte freizulassen; abgeleitet aus Art. 6 Abs. 2 EMRK, Art. 103 Abs. 2 GG,
§ 261 StPO.
Robe
USA
Nur Richter sind zum Tragen einer Robe verpflichtet. Staats- und Rechtsanwälte erscheinen bei
Gericht stets ohne.
BRD
Rechtsanwälte müssen eine Robe tragen – oder
etwa doch nicht? Der einstige Robenzwang wurde
zwi-schenzeitlich in einigen Gerichtssprengeln
deutlich gelockert. So ist es in Berlin seit Februar
2009 dank der „Allgemeinen Verfügung über die
Amtstracht der Berliner Rechtspflegeorgane“ jedem
Berufsträger selbst überlassen, ob er die Robe tragen will. Von der Wahlfreiheit ausgenommen bleiben
jedoch weiterhin Richter und Staatsanwälte.
Erfolgsvergütung
USA
Das dürfte allseits bekannt sein, dass amerikanische „law firms“ erfolgsbasiert arbeiten. Von den
eingangs erwähnten hohen Schadensersatzsummen fallen schon einmal zwischen 30 und 50 Prozent als Anwaltshonorar im Falle des Obsiegens an.
Bei Niederlagen heißt es im Gegenzug aber: Vergütungsverzicht. So jedenfalls wird es oftmals frei
mit Mandanten im Vorfeld vereinbart.
BRD
In Deutschland regiert das RVG, das mit Wirkung
vom 1.7.2008 auch Erfolgshonorare erlaubt. Entgegen falschen Medienberichten ist eine Erfolgsvergütung nur dann zulässig, wenn Mandanten
wegen ihrer finanziellen Lage von einer Prozessführung abgehalten würden (§ 4a RVG).
Wer ernstlich eine Vertiefung seiner Kenntnis in der
Rechtsvergleichung über Currywurst-Burger-Niveau
hinaus anstrebt, dem sei die Deutsch-Amerikanische Juristen-Vereinigung e. V. (www.dajv.de) als
eine Informationsquelle empfohlen. Auch gibt es
eine Vielzahl von Werken, die sich mit der deutschen und US-amerikanischen Rechtskultur im
Vergleich differenziert auseinandersetzt; nicht zu
vergessen die ungezählten Links im Internet. Tipp
für kurzentschlossene USA-Reisende: Zuerst der
Besuch eines Night Courts (spät abendliche Gerichtsverhandlung) und danach auf zu einem
leckeren Hamburgermahl.
.
RA Patrick Ruppert, Köln
> www.dajv.de
Die Deutsch-Amerikanische Juristen-Vereinigung e. V. ist mit 3.000 Mitgliedern aus
Deutschland und den USA die größte binationale Juristenvereinigung Deutschlands.
ADVOICE 04 /11
9
Thema
Geburtsort deutscher Demokratie
In Weimar wurde nicht nur Kultur-, sondern auch Rechtsgeschichte geschrieben
Sie stehen da auf ihrem Sockel, dicht beieinander, obwohl sie in Wahrheit gar nicht so eng
miteinander gewesen sein sollen: Goethe und
Schiller vor dem Deutschen Nationaltheater in
Weimar. Keine Frage – Weimar und Kultur, das
gehört zusammen. 1999 war die thüringische
Stadt gar Kulturhauptstadt Europas. Doch in
Weimar wurde nicht nur Kultur-, sondern auch
Rechtsgeschichte geschrieben.
Deutschland schreibt das Jahr 1919, genauer den
6. Februar 1919. Im Deutschen Nationaltheater in
Weimar tritt die Nationalversammlung zu ihrer
ersten Sitzung zusammen. Weimar hatte man
gewählt, weil es in Berlin wegen der Unruhen zu
unsicher war. Und so ging nach dem Ende des
Ersten Weltkrieges aus der Novemberrevolution die
Weimarer Republik hervor. Schon nach dem Ausbruch der russischen Februarrevolution 1917 war
es in Deutschland zu ersten Streiks gekommen. Die
sozialen Spannungen im Kaiserreich mit seinen
vordemokratischen Strukturen und seiner Reform-
unfähigkeit trieben zirka 300.000 Rüstungsarbeiter
auf die Straße. Bereits vor der Novemberrevolution
war es die letzte Regierung des Deutschen Kaiserreiches unter Prinz Max von Baden, die mit den
Oktoberreformen noch die Parlamentarisierung der
Reichsverfassung durchführte. Außenpolitisch sollten damit die Siegermächte zu günstigeren Friedensbedingungen bewogen werden. Vor allem die
Sozialdemokraten unter Friedrich Ebert übernahmen Regierungsverantwortung in dieser Zeit. Den
5. Oktober 1918 bezeichnete Ebert schließlich als
„die Geburt der deutschen Demokratie“.
Ausgerufene Republiken
Gut einen Monat später, am 9. November, gab Max
von Baden die Abdankung des letzten deutschen
Kaisers, Wilhelm II., bekannt, mittags 12 Uhr. Gut
eine Stunde später übergab er Friedrich Ebert das
Reichskanzleramt und trat schließlich selbst zurück. Noch am gleichen Tag, wiederum kaum eine
Stunde später, gegen 14 Uhr, rief schließlich Philipp
Scheidemann eine demokratische Deutsche Republik aus. So ziemlich parallel zu Scheidemann proklamierte Karl Liebknecht als Sprecher des Spartakusbundes in Berlin die Freie Sozialistische Republik.
Der am Folgetag gebildete sechsköpfige Rat der
Volksbeauftragten unter dem Vorsitz Friedrich
Eberts war sich uneins über die Staatsform – Revolution und Sozialstaat versus Neuwahlen zu einer
verfassungsgebenden Versammlung sozusagen.
Schließlich sprach sich Mitte Dezember 1918 der
Reichsrätekongress in Berlin gegen eine sofortige
Sozialisierung und für Wahlen zur Nationalversammlung aus.
Die Weihnachtsunruhen, der Spartakusaufstand
und die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl
Liebknecht prägen Deutschland in dieser Zeit und
im Februar 1919 die Weimarer Nationalversammlung mit ihrer Weimarer Verfassung.
Seit 1857 lassen die beiden Dichterfürsten Goethe und Schiller mit steinerner Mine die Stürme der Geschichte an sich vorüberzeihen - so auch 1919, als die Weimarer Nationalversammlung die
10
ADVOICE 04 /11
Thema
Staatsgewalt liegt beim Volk
Hugo Preuß, späterer linksliberaler Reichsinnenminister, zeichnete maßgeblich verantwortlich für
den grundlegenden Verfassungsentwurf. Bereits
während des Krieges hatte er einen demokratisch
überarbeiteten Verfassungsentwurf vorgelegt. Das
verschaffte ihm Bekanntheit als überzeugter Demokrat und Gegner des Obrigkeitsstaates. „... die
Staatsgewalt liegt beim Volk, – das ist der Leitgedanke der freistaatlichen deutschen Verfassung
von Weimar ...“, sagte er in der Begründung seines
Entwurfes.
Der Preußische Entwurf löste heftige Diskussionen
zwischen den verschiedenen politischen Lagern
aus. Denn der Entwurf stellte eine tiefe Zäsur zur
politischen Ordnung des Kaiserreiches dar. Der
wiederum fühlten sich manche politischen Lager
aber nach wie vor eng verbunden. Auch wenn die
Weimarer Verfassung tatsächlich demokratischer
Natur war, empfanden sie nicht wenige als Kompromisslösung. Viele Parteien mit vielen unterschiedlichen Idealen führten zwangsläufig zu
Kompromissen anstelle politischer Grundsatzentscheidungen. Das wiederum erschwerte die Identifikation, brachte aber auch Normenvielfalt mit sich.
Die Weimarer Republik war geprägt von diesen
zahlreichen Parteien. Man spricht auch davon, dass
der Staat Weimar eine „Demokratie ohne Demo-
Weimarer Verfassung beschließt.
Quelle: Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Weimarer_Republik
kraten“ gewesen sei. Das klingt drastisch und ist
wohl auch nur bedingt richtig. Allerdings zeigt es
das Dilemma dieser zahlreichen Parteien, die oft
die ideologische Ausrichtung ihrer unmittelbaren
Vorgänger aus dem Kaiserreich übernommen hatten. Es gab schlicht und ergreifend keinen Verfassungskonsens, der alle eingebunden hätte –
eben das gesamte politische Spektrum von ganz
rechts bis ganz links.
Bis zu 17 Parteien waren im Reichstag vertreten.
Weniger als elf waren es selten.
In den 14 Jahren ihres Bestehens waren elf Minderheitenkabinette nur regierungsfähig durch Duldung von Parteien, die nicht zur Regierungskoalition gehörten. Beständigkeit ist etwas anderes.
Seit 1930 regierte man gar vor allem mittels Notverordnungen anstelle von Gesetzen.
Einführung der Grundrechte
Für das damalige Deutsche Reich brachte die
Weimarer Reichsverfassung dennoch erstmals eine
parlamentarische Demokratie mit in ihrer Verfassung festgeschriebenen liberalen und sozialen
Grundrechten. Der auf vier Jahre gewählte Reichstag war gesetzgebendes Organ für die Reichsgesetze. Bei ihm lag auch das Haushaltsrecht. Der
Reichstag konnte sowohl den Kanzler als auch
Minister durch ein konstruktives Misstrauensvotum absetzen. Der Reichskanzler war sowohl vom
Reichspräsidenten als auch vom Reichstag abhängig. Eine herausgehobene und die machtpolitisch potenziell einflussreichste Rolle hatte der
Reichspräsident. Zu diesem wurde am 11. Februar
1919 in Weimar Friedrich Ebert gewählt. Für sieben
Jahre gewählt, hatte er die Befugnis, im Einvernehmen mit dem Kanzler Notverordnungen zu
erlassen, sogar zeitweilig Grundrechte außer Kraft
zu setzten.
Zu diesen gehörte, dass alle Deutschen vor dem
Gesetz gleich sind. Anders als im heutigen Grundgesetz ist Rechtsgleichheit damals noch ein Staatsbürgerrecht, kein Menschenrecht. Heute heißt es
in Art. 3 Abs. 1 GG: „Alle Menschen sind vor dem
Gesetz gleich.“ Es wurde geregelt, dass weder
Adelstitel noch Orden und Ehrenzeichen mehr vom
Staat verliehen werden. Die Unverletzlichkeit der
Wohnung, das Recht auf freie Meinung, der Schutz
von Ehe und Mutterschaft, Versammlungs- und
Wahlfreiheit, Glaubens- und Gewissensfreiheit und
der Verzicht auf eine Staatskirche – das alles war
Verfassungsinhalt. „Eigentum verpflichtet.“ So
stand es schon in Art. 153 Abs. 3. der Verfassung
der Weimarer Republik.
RAin Anke Schiller-Mönch, Weimar
Fotos: Karl_Heinz Laube_pixelio.de / Sascha Mönch
ADVOICE 04 /11
11
Beschleunigt das Verstehen.
Der Nomos Handkommentar zum BGB.
Die Neuauflage 2012 jetzt lieferbar.
Der Handkommentar bietet eine hochwertige und übersichtliche Darstellung des BGB. Mit seiner klaren Struktur zeigt er
Zusammenhänge auf und vermittelt das Verständnis für eine
sachgerechte Problemlösung. Der Verzicht auf kryptische Abkürzungen sowie die praxisorientierte Darstellung und Problem-
auswahl führen rasch zum Ergebnis. Durch gründliche und
tiefgreifende Aktualisierung über den gesamten Bestand ist
das Werk befreit von Altlasten. Ein hervorragendes und effektives Arbeitsmittel für die Praxis, das zudem auch im PreisLeistungsverhältnis kaum zu schlagen ist.
Weitere Informationen: nomos-shop.de/13860
Bürgerliches Gesetzbuch
Handkommentar
Von Prof. Dr. Dr. h.c. Reiner Schulze | Prof. Dr. Heinrich
Dörner | Prof. Dr. Ina Ebert | RiOLG Prof. Dr. Thomas
Hoeren | Dr. Rainer Kemper | RiOLG Prof. Dr. Ingo
Saenger | Prof. Dr. Klaus Schreiber | Prof. Dr. Hans
Schulte-Nölke | Prof. Dr. Ansgar Staudinger
7. Auflage 2012, 2.776 S., geb., 59,– €
ISBN 978-3-8329-6810-6
Nomos
Thema
Große Köpfe
Film, Musik, Literatur – überall finden sich Juristen
Alexander Kluge prägte die deutsche Kulturlandschaft mit Filmen und Büchern und leistete Lobbyarbeit in Sachen Kultur.
ALEXANDER KLUGE
Filmemacher, Schriftsteller
„Unter den bekannten deutschen Autoren ist Alexander Kluge,
glaube ich, der unbekannteste.“ So hat es Hans Magnus Enzensberger in der Zeitschrift „Der Spiegel“ 1978 charmant auf den
Punkt gebracht. Es ist ein Zitat, das sich festgesetzt hat, wenn es
um Alexander Kluge geht, den Rechtsanwalt Dr. jur., Träger des
großen Verdienstkreuzes und des Grimme-Preises, Filmemacher,
Schriftsteller und Fernsehsendeplatzerfinder – ein Jurist, der die
Juristerei zugunsten der Kultur in die zweite Reihe gestellt hat,
der sich den juristischen und politischen Möglichkeiten aber
immer bewusst war und sie zu nutzen wusste.
Kluge ist in der heutigen Wahrnehmung aber vor allem ein Intellektueller, der die bundesdeutsche Kulturlandschaft mit eigenen
Büchern und Filmen geprägt hat. Er ist aber auch ein Mensch,
der Lobbyarbeit in Sachen Kultur betrieben und dabei einige
wesentliche Weichen gestellt hat, die unsere kulturelle Wahrnehmung bis heute prägen dürften. Eine seltene Mischung.
Anfang der 1960er Jahre initiiert der 1932 in Halberstadt als
Sohn eines Arztes geborene Kluge das Oberhausener Manifest
mit, laut Wikipedia „eine politische und ästhetische Unabhängigkeitserklärung junger deutscher Filmemacher“ und Geburtsstunde des neuen deutschen Spielfilms. So wurde Kluge durch
preisgekrönte Filme wie „Abschied von gestern“ ein wichtiger
Repräsentant des Neuen Deutschen Films und des Autorenfilms.
Gelernt hatte er das Filmhandwerk u. a. als Assistent von
Regisseur Fritz Lang.
GUSTAVE FLAUBERT
Nein, gemocht hat er sie nicht, die Rechtswissenschaften. Im
Gegenteil. Der französische Schriftsteller Gustave Flaubert, dessen
wohl bekanntestes Werk der Roman „Madame Bovary“ (erschienen 1857) ist, hat die Juristerei gehasst. Er hielt sie für seinen
Feind, sein persönliches Karthago und verglich sich mit dem
römischen Senator Cato, der angeblich jede seiner Reden mit den
berühmten Worten beendete: „Im Übrigen bin ich der Meinung,
dass Karthago zerstört werden muss („Ceterum censeo Carthaginem esse delendam“). In einem Brief schrieb Flaubert im Jahre
1842: „Die Rechtswissenschaften bringen mich um, verblöden
und lähmen mich, es ist mir unmöglich, dafür zu arbeiten. Wenn
ich drei Stunden meine Nase in das Gesetzbuch gesteckt habe,
während derer ich nichts begriffen habe, ist es mir unmöglich,
noch weiter fortzufahren: Ich würde sonst Selbstmord begehen
(was sehr betrüblich wäre, denn ich berechtige zu den schönsten
Hoffnungen). (...) Wie dem auch sei, ich scheiße auf die Rechtswissenschaften. Das ist mein ‚Delenda Carthago’.“ – Auf Französisch klingt das so: „N’importe, merde pour le Droit!“ Irgendwie
etwas eleganter. Aber dennoch ist es nicht überraschend, dass
Flaubert sein Jurastudium nicht beendete, sondern 1843 abbrach.
Und das war auch gut so. Heute glänzt er zusammen mit Stendhal und Balzac als Dreigestirn der französischen Realisten am
Literaturhimmel. Ach, was hätte aus uns werden können!
* 12.12.1821 in Rouen, † 8.5.1880 in Croisset (bei Rouen) MD
BERNHARD SCHLINK
Seine juristische Dissertation trägt den Titel „Die Universitätsselbstverwaltung“ und stammt aus dem Jahr 1956. 1958 wird er
erst einmal Anwalt. Er verknüpft immer wieder seine juristischen
Fachkenntnisse mit seinem Kulturschaffen auf einer politischen
Ebene. Er gehört zu den wichtigsten Initiatoren der deutschen
Filmförderung und er setzte für das Kino die enge Zusammenarbeit mit dem Fernsehen durch. Als Geschäftsführer der Produktionsfirma DCTP beteiligte er sich in den 90er Jahren am
Privatsender Vox und „rettete“ ihn später. DCTP ist vor allem
bekannt durch Formate wie Spiegel und Stern TV.
TS
Schriftsteller
Schriftsteller
Zwischen all den Pflichtübungen und Klausuren im Studium muss
es zunächst gar nicht aufgefallen sein, dass Bernhard Schlink mehr
als nur ein „gewöhnlicher“ Hochschullehrer ist. Das im CF Müller
Verlag erschiene Werk Staatsrecht II oder der besser unter den
Autorennamen bekannte „Pieroth/Schlink“ gilt als eines der Standardlehrbücher in Sachen Grundrechte. Wer in Bonn, Frankfurt/M.
oder Berlin das Vergnügen hatte, seinen Vorlesungen zu lauschen,
der kann heute stolz behaupten, einem viel geachteten Literaten
zugehört zu haben, dessen schriftstellerisches Schaffen sogar
Foto: Regina Schmeken
Hollywood in seinen Bann zog. Schlinks Roman „Der Vorleser“ aus
dem Jahr 1995 wurde mit Starbesetzung (u. a. Kate Winslet, Ralph
Fiennes und Bruno Ganz) 2008 verfilmt und zu einem Welterfolg.
Der 1944 geborene Jurist, so muss man annehmen, folgte seiner
tiefen Leidenschaft, dem Lesen von Kriminalromanen, in die Autorenschaft – beinah logische Konsequenz für ihn, dass dem begeisterten Buchkonsum sein Erstlingswerk folgen musste. 1987 verfasste
er gemeinsam mit Walter Popp den Roman „Selbs Justiz“, Buch eins
der „Selb-Trilogie“. Es folgten weitere Bücher wie „Die gordische
Schleife“ und die Fortsetzung der Selb-Trilogie mit „Selbs Betrug“
und „Selbs Mord“. Schlink wurde in der Literaturszene gefeiert und
mit einer Reihe von Auszeichnungen, unter anderem dem FriedrichGlauser-Preis und dem Welt-Literatur-Preis. Schlink gehört heute
zu den wichtigen zeitgenössischen deutschen Schriftstellern. PR
WASSILY KANDINSKY
Maler
Kandinsky wurde 1866 in Moskau, als Sohn einer wohlhabenden
Teehändlerfamilie geboren. Nach Abschluss des Abiturs entschied
er sich im Alter von 19 Jahren für ein Studium der Rechtswissenschaften und Volkswissenschaften an der Lomonossow Universität.
1893 schrieb Kandinsky seine Dissertationsarbeit „Über die Gesetzmäßigkeit der Arbeitslöhne“. Anschließend bekleidete er eine
Stelle als Privatdozent und erhielt drei Jahre später, 1896, ein
Angebot für einen Lehrstuhl der Rechtswissenschaften der estnischen Kreishauptstadt. Zur Überraschung aller lehnte der begabte
Jurist jedoch die Professur ab, da er zuvor einer Ausstellung französischer Impressionisten beiwohnte und dort seine Liebe zur Kunst
wiederentdeckte. Kandinsky selbst erklärte sein Handeln mit den
Worten:
„Begeisterung und Hingabe für die Wissenschaften, die ich geliebt
habe, verblassten gegenüber der Kunst, denn sie allein ließ mich
Zeit und Raum vergessen." Schließlich siedelte er im gleichen Jahr
nach München um und schlug dort seinen neuen Lebensweg ein,
der ihn später zu einem der bedeutendsten Künstler des Expressionismus machen sollte.
VL
* 16.12.1866 in Moskau, † 13.12.1944 in Neuilly-sur-Seine
ADVOICE 04 /11
13
Thema
Kultur um jeden Preis!?
Theater und seine Position am Tropf der öffentlichen Kassen
Wer in Deutschland lebt, der mag es kaum bemerken, dass wir uns auch in der Provinz eines
reichhaltigen Kulturangebots erfreuen dürfen.
Ob Groß- oder Kleinstadt spielt keine Rolle.
Kulturbetriebe gibt es in Hülle und Fülle, so
dass sich bei klugen Bürgern die Frage geradewegs aufdrängen dürfte, wie es um die Existenz
der so zahlreichen Institutionen bestellt ist.
Diese wäre dann leicht zu beantworten, wenn es
selbstverständlich wäre, dass eine breite Masse der
Bevölkerung nicht nur in Kinos, Freizeit- und
Tierparks, sondern auch bereitwillig und in Scharen
in die Theater- und Orchesterhäuser der Republik
strömte. Dann nämlich könnte unschwer festgehalten werden, dass besonders Schauspiel und
Musikdarbietungen aller Art wirtschaftlich tragfähig sind. Doch ist dem so? Man muss kein Prophet sein, um die Antwort längst zu kennen. Es
verwundert niemanden, dass gerade Schauspielhäuser und Opern massive Unterstützungsleistungen der öffentlichen Hand entgegennehmen
und ohne diese auch gar nicht lebensfähig wären.
Ein Blick in den Kulturfinanzbericht 2010 macht es
plastisch. 3,1 Milliarden Euro wurden im Jahr 2007
für Theater und Musik über öffentliche Haushalte
bereitgestellt. Zum Vorjahreszeitraum war das eine
Steigerung um 3,5 Prozent. In einer Gesellschaft,
in der zwar, formell betrachtet, das Abitur zum
angestrebten Standard zu werden scheint (2008
besaßen laut aktuellem Bundesbildungsbericht
45,1 Prozent, also 440.000 Absolventen Studienberechtigung – eine Verdopplung zu 1980), geraten
„hohe Kultur und Kunst“ entgegen dem formellen
Bildungsproporz ins Hintertreffen.
Das klassische Bildungsbürgertum von einst mit
seinem erkennbar elitären Anspruch, der im Besonderen die Erhaltung und Belebung von Kultur
beinhaltete, geht in einer den wirtschaftlichen
Notwendigkeiten folgenden Gemeinschaft auf. Es
gibt sogar Stimmen, die den Untergang der Kultur
vorhersagen und trotz hoher Schulbildung eine
Prekarisierung der kulturellen Verhältnisse befürchten. Wer einmal in einem nicht gefüllten Theater
saß, in dem etwa Shakespeares König Lear aufgeführt wurde, könnte diese Sorge um das kulturelle Erbe nachvollziehen.
Müsste man also zu dem Schluss gelangen, dass –
unterstellt, nur ein geringer Anteil der Bevölkerung
nutzt die kulturelle Vielfalt regelmäßig – derart
hohe derart hohe Unterstützungsleistungen nicht
14
ADVOICE 04 /11
zu rechtfertigen sind? Gerade vor dem Hintergrund
so drängender Probleme wie der Stabilisierung des
europäischen Wirtschaftsraumes könnte ein rigoroses Sparverhalten angezeigt sein. Müssten Kulturbetriebe daher nicht umgehend entkoppelt werden von jedweder öffentlicher Alimentation, die
letztlich auf den Steuerzahler zurückfällt? Dies
hätte unzweifelhaft den Vorzug, dass über Subventionsleistungen entstehende Wettbewerbsverzerrungen entfielen und für alle Kulturbetriebe gleichermaßen der Markt das Steuerungselement wäre
– ergo eine Stärkung der in Art. 12 GG gewährleisteten Berufs- und Gewerbeausübungsfreiheit?
Wie sieht es eigentlich rechtlich aus? Worauf fußen
kulturelle Förderung und Subvention? Hierbei müssen wir uns in Erinnerung rufen, dass es zweierlei
von Unterstützungsleistungen gibt, klassische Finanzhilfen und steuerliche Erleichterungen.
Finanzhilfen beruhen auf Normsetzung der Exekutiven, auf Haushaltsentscheidungen und auf spezifischen, über den Haushalt hinausgehenden gesetzlichen Regelungen. Steuervergünstigungen
folgen grundsätzlich einer gesetzlichen Grundlage.
Hinzu kommen die Haushaltsgrundsätze, die dafür
sorgen, dass nicht mit dem Füllhorn Kulturunternehmen begütert werden – verankert in unserer
Verfassung und den nachrangigen Gesetzen wie
dem Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG), der Bundeshaushaltsordnung (BHO), den entsprechenden
Landeshaushaltsordnungen (LHO) und dem Sozialgesetzbuch (SGB). Schließlich verlangt europäisches Gemeinschaftsrecht, dass Wettbewerbsbeeinträchtigungen durch den Staat vermieden
werden.
Alles in allem ist es ein komplexes Spektrum von
Normen, deren Beachtung zuweilen jedwede Entwicklung von Kultur lahmlegen kann. So sind
Finanzwissenschaftler und vor allen Dingen Juristen rasch die „Spaßbremsen“, weil sie nicht immer
die Bedeutung von Kultur verstünden, so heißt es
vielerorten. „Ja zur Subvention“ sagt Andreas
Erdmann, Chefdramaturg am Schauspiel Frankfurt.
Warum insbesondere Theater der besonderen
Unterstützung der Allgemeinheit bedürfen, erläutert er im Interview gegenüber AdVoice. Es ist
ein leidenschaftliches Plädoyer für den Kulturstandort Deutschland, das der 40-Jährige hält.
A: Welche Bedeutung wird heutzutage dem
Theater als Vertreter der „hohen Kultur“ beigemessen?
E: Theater diskutiert Werte und formuliert sie auch.
Die Bedeutung und Wichtigkeit dieser Diskussion
liegt darin, dass wir heute erkennen, dass Werte
nicht zeitlos sind. Werte veralten, werden umformuliert, verschwinden und werden ersetzt durch andere Werte. Diese neuen Werte und Formulierungen
aber brauchen genau den Diskurs, der in vielfältigen Formen von subventionierter Kultur, nämlich
in den Künsten, im Theater, auf dem Buchmarkt, in
Zeitschriften, in der Wissenschaft stattfindet.
All das sind Wertediskurse, die heute nicht mehr
streng genommen wirtschaftlich und aus sich
selbst heraus gewinnbringend funktionieren, und
daher subventioniert werden müssen.
A: Was heißt das für die Art des Diskurses?
E: Viele von diesen Diskursen finden in experimenteller Form statt. Sie sind darum auch häufig
nicht oder nicht mehr rentabel. Das gilt heute aber
oft auch schon für ganz traditionelle Träger des
Diskurses wie die Printmedien.
A: Printmedien allerdings müssen sich tragen.
Wenn sie nicht ausreichend Inserenten und
Käufer finden, werden sie sich nicht am Markt
halten.
E: Ja, das ist richtig, deshalb verschwinden auch
viele davon. Es gibt eine gesellschaftliche Umstrukturierung gerade auf diesem Sektor in Richtung
Internet, wie beispielhaft zu beobachten ist. Inwiefern klassische alte oder archaische Medien wie
bildende Kunst, Theater und Tanzmusik in anderen
Medien aufgehen können, kann ich jetzt nicht
erörtern. Es ist auch nicht so leicht feststellbar wie
der Transfer der Zeitschriftenlandschaft in das Internet. In der Produktion und Umformulierung
gemeinschaftsbildender, ideeller Werte liegt, so
glaube ich, ein großer Teil der Bedeutung von subventionierter Kultur. Und darin liegt auch ihre
Notwendigkeit.
A: Und wie soll das in der Praxis nachvollziehbar gemacht werden? Wer erhält welche Unterstützung und wie viel?
E: Im Einzelfall wird diese Notwendigkeit und auch
die Subventionswürdigkeit eines jeden Mediums
oder Instituts ständig neu verhandelt, und zwar
anhand von komplizierten und individuell abgestimmten Erfolgsparametern, die deshalb ins Gewicht fallen, weil sich der Erfolg vieler Kulturinstitutionen nicht am Einspielergebnis ablesen
lässt. Auf diese Verhandlung müssen wir letztlich
vertrauen. Wir müssen vertrauen, dass die Art und
Thema
Weise, wie kulturelle Leistungen eingeschätzt werden, auf Dauer richtig ist und unsere Kultur beschützt und weiter gedeihen lässt.
Man darf nicht unterschätzen, dass auch der
bettelnde Philosoph in der Tonne durch sein Opfer
und die fehlende Wirtschaftlichkeit seines eigenen
Tuns einen riesigen Subventionsbeitrag leistet, dem
die Gesellschaft wiederum mit ihrem Anteil an der
Subvention entgegenkommt. Eine Gesellschaft, die
sich nur aus Produktivität und Wachstum definiert,
ist kopflos. Werte und Wertediskussionen muss es
immer auch jenseits reinen Wirtschaftlichkeitsdenkens geben.
A: Welche Ableitungen hieraus ergeben sich für
Juristen, die in Theatern, Kulturbetrieben tätig
sind oder tätig werden wollen?
E: Juristen sind notwendige Mitarbeiter und Beschützer unserer Kultur und ihrer Strukturen. Das
höchste Gut, das wir zu verteidigen haben und
wofür das Recht uns Mittel zur Verfügung stellt,
ist Mundfreiheit, Experimentierfreiheit. Experiment
erzeugt aber Konflikte. Und das Gesetz ist nicht nur
dazu da, größtmögliche Konfliktfreiheit zu gewährleisteten. Rechtsstreit und Rechtsprechung
sind ein wesentlicher Teil des Wertediskurses. Und
es ist nicht immer nur ein Skandal, wenn dem
Theaterexperiment eine juristische Auseinandersetzung folgt. Wirtschaftlichkeitsdenken und der
ganz normale Kampf ums Überleben, der heute
schwerer wiegt als noch vor 15 Jahren, domestizieren die kulturelle Auseinandersetzung häufig
mehr, als gut für sie ist. Umso mehr gilt es darum,
die bestehenden und garantierten Freiräume zu
verteidigen. Wir brauchen sie.
Das Gespräch führte
AdVoice-Redakteur Patrick Ruppert
Andreas Erdmann
Andreas Erdmann (40) studierte in Hamburg
unter Jürgen Flimm klassische Schauspielregie. Später wechselte er ins Fach Dramaturgie. Er arbeitete u. a. am Schauspielhaus
Zürich und Bochum, bevor er 2009 Geschäftsführender Dramaturg am Schauspiel
Frankfurt wurde. Ab der Spielzeit 2012/13
wird Erdmann Leitender Dramaturg am
Burgtheater in Wien. Er ist zudem Autor
verschiedener Bühnenwerke und Hörspiele.
> www.schauspielfrankfurt.de
Andreas Erdmann wird ab der Spielzeit 2012/2013 Chefdramaturg am Burgtheater Wien.
Foto: Patrick Ruppert
ADVOICE 04 /11
15
Thema
Ein Tempel für Iustitia oder: Recht als Inszenierung
Der U.S. Supreme Court ist ein Ort voller Symbole und viel Zauber ums Recht
Gleißendes Licht verschließt die Augen, zwingt
dazu, den Blick abzuwenden. Strahlend weiß,
heller noch als das gegenüberliegende Kapitol,
erhebt sich die Säulenfront des Supreme Courts
der Vereinigten Staaten. Der weiße Marmor reflektiert das Sonnenlicht, insbesondere der helle
Boden des Vorplatzes blendet diejenigen, die
nicht mit einer Sonnenbrille vorgesorgt haben.
Die deutschen Justizpaläste entstanden, als sich die
dritte Gewalt im späten 19. Jahrhundert von der
Exekutive emanzipiert hatte und mit neu gewonnenem Selbstbewusstsein auftrat. Der Monumentalität der Kaiser- und Königspaläste stellte man
Gerichte gegenüber, die wie jene Macht und
Machtanspruch verkörperten und dies gegenüber
den Bürgern sinnlich erfahrbar zum Ausdruck
brachten.
Die Gewaltenteilung war auch der Anlass für die
Errichtung des Supreme-Court-Gebäudes. Es ist
erstaunlich, dass es ein solches bis zum Jahr 1935
nicht gab. Bis zu diesem Zeitpunkt fanden die Verhandlungen des Gerichts in einer Kammer des
Kapitols statt. Um die Eigenständigkeit des Su-
preme Courts gegenüber dem Parlament zu betonen, erhielt der Architekt Cass Gilbert den Auftrag für ein repräsentatives Gerichtsgebäude.
Gilbert baute jedoch keinen Palast, sondern einen
griechisch-römischen Tempel. Einen Tempel für
Iustitia, die Göttin der Gerechtigkeit.
»Einen Tempel für Iustitia, die
Göttin der Gerechtigkeit. Hier wird
alles zum Symbol.«
Hier wird alles zum Symbol. Die zweimal acht korinthischen Säulen der Fassade verweisen sowohl
auf die griechische Demokratie als auch auf die
Macht des Alten Roms. Allenthalben schöne Symmetrie. Schon immer haben die Menschen das
Schöne in Verbindung mit dem Guten und Gerechten gesehen. Der antike Sakralbau, zu dem eine
breite Freitreppe hinaufführt, bringt aber auch zum
Ausdruck, dass es hier um etwas Erhabenes, Altes
und Heiliges geht. Um eines der ältesten Ideale der
Menschheit: Die Idee der Gerechtigkeit. Diese ist –
das wusste Platon schon – nicht von dieser Welt.
Was ist Gerechtigkeit? Wer weiß das im Einzelfall
schon so genau? Es verhält sich mit der Gerechtigkeitsidee wie mit allen nichtirdischen, himmlischen Dingen. Es ist leichter, sie zu verehren als zu
wissen, was darunter zu verstehen ist. Manche
sagen: Gerechtigkeit ist Gleichheit. Das geht zumindest in die richtige Richtung. Über den Säulen
des Supreme Courts stehen in riesigen Lettern die
berühmten Worte: „Equal Justice Under Law“.
Die Frage nach der Gerechtigkeit zu beantworten
ist schwierig. Dies verdeutlicht eine große Figur, die
sich links der großen Freitreppe befindet. Sie heißt
„Contemplation of Justice“ und ist eine Allegorie
des Nachdenkens über die Gerechtigkeit. Eine
schöne Frau, in sich gekehrt und zurückgelehnt auf
einem Thron sitzend. Die linke Hand ruht auf einem
Buch. Die rechte Hand hält eine kleine Statue der
Iustitia, wie so häufig dargestellt als Frau mit
verbundenen Augen, das bekannteste Rechtssymbol überhaupt.
Allem Nachdenken zum Trotz. Die Idee der Gerechtigkeit wird immer abstrakt bleiben. In die konkrete
Wirklichkeit übersetzt wird sie durch das Recht. So
thront folgerichtig gegenüber der Frauenfigur auf
Der Supreme Court in Washington strotzt vor Symbolik. Der antike Sakraalbau bringt das Erhabene eines der ältesten Ideale der Menschheit zum Ausdruck: die Idee der Gerechtigkeit.
16
ADVOICE 04 /11
Thema
der anderen Seite der Freitreppe eine Männerfigur
mit Namen „Authority of Law“, eine Allegorie des
Rechts. Die Symmetrie ist gewahrt, das Paar ist
vereint. Der muskulöse Mann sitzt in aufrechter
Haltung, wachsam der Außenwelt zugewandt. In
den Händen hält er eine Gesetzestafel und ein
Schwert. Im Idealfall erlässt der Gesetzgeber auf der
Grundlage der Gerechtigkeitsidee die Gesetze. An
die Stelle eines diffusen Gerechtigkeitsgefühls tritt
ein konkreter Rechtssatz, der sich auf den Einzelfall
anwenden lässt und notfalls mit dem Schwert, also
mit Zwang durchgesetzt werden kann.
und spricht die traditionelle Eröffnungsformel, die
mit den Worten „God save the United States and
this Honorable Court“ endet. Jetzt hat jede Seite
genau 30 Minuten Zeit, ihre Argumente vorzutragen. Nach einer Stunde beendet der Vorsitzende
die Verhandlung mit der Schlussformel: „The case
is submitted“.
»Wenn man die Verhandlung vor
dem Karlsruher Gericht mit einem
evangelischen Gottesdienst vergleicht,
so ist diejenige vor dem Supreme
Court ein katholisches Hochamt.«
Es geht förmlicher zu als beim Bundesverfassungsgericht, aber auch feierlicher. Wenn man die Verhandlung vor dem Karlsruher Gericht mit einem
evangelischen Gottesdienst vergleicht, so ist diejenige vor dem Supreme Court ein katholisches
Hochamt (gegenwärtig ist der Supreme Court sogar tatsächlich katholisch: Sechs Richter gehören
dieser Konfession an, drei sind jüdischen Glaubens
und kein einziger ist protestantisch – überraschend
in einem Land, dessen Elite sich klassischerweise
aus den „White Anglo-Saxon Protestants“ rekrutierte).
Das Symbolhafte der Gebäudefassade setzt sich im
Gerichtssaal fort. In diesem herrscht wiederum vollendete Symmetrie. Ein quadratischer Raum, eingefasst von 24 Säulen aus italienischem Marmor und
einem roten Vorhang, dessen Farbe die Atmosphäre
des Raumes bestimmt. Wenn sich der Vorhang
für die neun auf Lebenszeit ernannten und mit
schwarzen Roben bekleideten Hohepriester des
Rechts öffnet, verläuft die Verhandlung nach einem
festen, zeremoniellen Muster. Die Richter begrüßen
sich gegenseitig per Handschlag und betreten in
einer vorgeschriebenen Reihenfolge den Saal. Der
Gerichtsdiener klopft zweimal mit dem Hammer
Im Rahmen der durch die Tradition festgelegten
Formen hat die Verhandlung aber auch ganz profane
Züge. Die halbe Stunde, die jede Seite zur Verfügung
hat, besteht nicht in erster Linie aus einem Vortrag
des Anwalts. Kaum hat dieser zur Rede angesetzt,
unterbricht ihn einer der Richter und stellt eine Frage.
Für diese Zwischenfragen, die dicht aufeinander
folgen und die Verhandlung prägen, gibt es keine
Regeln. Jeder Richter kann sich jederzeit einmischen.
Oder es bleiben lassen. Richter Clarence Thomas ist
beispielsweise dafür bekannt, dass er manchmal
jahrelang keine Frage stellt. Während der Anwalt
spricht oder Fragen gestellt werden, kippeln die
Richter auf ihren Stühlen. Manchmal lehnen sie sich
so weit zurück, dass sie fast hinter dem Richterpult
verschwinden. Bis sie dann plötzlich wieder auftauchen, um sich in die Diskussion einzuschalten.
Würden die Entscheidungen des Supreme Courts
auch ohne den ganzen Zauber die gleiche Akzeptanz finden? Ohne Säulen, Roben und Rechtsliturgie? Ohne diese Legitimation durch Ästhetik?
Es ist zu hoffen, dass sie letztlich doch nur eine
untergeordnete Rolle spielt. Denn Ästhetik kann
auch täuschen. Sie kann durch ihre emotionale
Wirkung als unmittelbar evident und richtig erscheinen lassen, was gar nicht so eindeutig ist.
»Während der Anwalt spricht oder
Fragen gestellt werden, kippeln die
Richter auf ihren Stühlen.«
Am Ausgang fällt noch einmal die kleine Figur der
blinden Iustitia ins Auge. Sie ist blind, weil vor ihr
alle Menschen gleich sind und gleich behandelt
werden sollen. Aber führt nicht gerade die formale
Gleichbehandlung oft zur materiellen Ungleichheit,
also Ungerechtigkeit? Setzt sich dann nicht immer
der Stärkere durch? Bedürfen Schwächere nicht
eines besonderen Schutzes? Oder ist das dann eine
ungerechte Bevorzugung? – Nun, da haben wir es
wieder: Was ist Gerechtigkeit? Eine alte Frage.
Ass. iur. Matthias Dantlgraber, Berlin
Fotos: Fotos: Collection of the Supreme Court of the U.S.
ADVOICE 04 /11
17
Thema
Die Kultur der Einigung
Geschichte und Gegenwart der arbeitsrechtlichen Schlichtung
Handschlag statt Züchtigung. Heute lassen sich die meisten Fälle per Gütetermin regeln.
Beginnt man seine Tätigkeit als Rechtsanwalt,
wird einem bereits nach den ersten Mandaten
klar, dass die Einigung zwischen den Parteien
einen guten Weg zur Beendigung dieses Rechtsstreits darstellt. Und dies nicht, weil das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) für diesen Weg
eine Einigungsgebühr vorsieht. Vielmehr ist
i.d.R. die Tatsachenfeststellung sehr aufwendig,
so dass die Abkürzung über einen Vergleich
allen Beteiligten gelegen kommen dürfte –
nicht nur im Arbeitsrecht. In vielen Rechtsbereichen wird also versucht, zunächst die Einigung (oder den Vergleich, die Schlichtung)
herbeizuführen. Besonders interessant sind die
Streitigkeiten im Arbeitsrecht.
18
ADVOICE 04 /11
Historie
Bereits im 16. und 17. Jahrhundert wurden Streitigkeiten zwischen Handwerkern untereinander und
zwischen ihnen und ihren Gesellen durch die (nichtstaatliche) Zunftgerichtsbarkeit entschieden. Deren
Prinzipien bestanden in der Nichtzulassung von
Rechtsanwälten und in dem auf Konsens und Schlichtung angelegten mündlichen und summarischen
Verfahren. Die Einigung stand im Vordergrund.
Es folgte im 19. Jahrhundert auf Initiative von 23
Berliner Kattundruckerei-Unternehmern die Einrichtung eines staatlichen Fabrikengerichts. Die ordentliche Gerichtsbarkeit mit all seinen Formalien, den
Foto: (goenz_com photography berlin)_pixelio.de
Prozesskosten und der fehlenden Sachkunde wurde
als unpassend empfunden. Der Fabrikenrichter wurde
von zwei Fabrikenkommissaren unterstützt, zudem
stellten die Fabrikanten Sachverständige zur Verfügung. Auch bei den Verfahren dieser Einrichtung
sollte eine gütliche Einigung angestrebt werden, um
die Streitigkeiten zügig beenden zu können. Es soll
an dieser Stelle jedoch nicht verschwiegen werden,
dass zur Disziplinierung von Lehrlingen aus der geringeren Volksklasse eine mäßige körperliche Züchtigung als angmessen erschien.
Der Ursprung für die in heutigen arbeitsrechtlichen
Streitigkeiten durchzuführende Güteverhandlung
liegt beim Verfahren der conseils de prud’hommes.
Thema
Diese Räte der Gewerbesachverständigen tagten
1806 in Lyon und wurden später auf weitere Städte
übertragen. Jede Streitigkeit wurde zunächst vor
dem Vergleichsbüro ausgetragen. Erst nach einem
fehlgeschlagenen Einigungsversuch kam es zu
einer Verhandlung.
»Es soll (...) nicht verschwiegen
werden, dass zur Disziplinierung
von Lehrlingen aus der geringeren
Volksklasse eine mäßige
körperliche Züchtigung als
angemessen erschien.«
1890 dann wurde mit dem Gewerbegerichtsgesetz
der Grundstein für die heutige Arbeitsgerichtsbarkeit gelegt. Die deutsche Arbeitsgerichtsbarkeit
wurde vereinheitlicht, die Richterbank wurde neben
dem Vorsitzenden paritätisch besetzt. Rechtsanwälte waren übrigens bei der Prozessvertretung
ausgeschlossen. Für die Angestellten wurde ein
Kaufmannsgericht geschaffen, welches dem Gewerbegericht ähnelte.
1926 schuf man das Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG),
durch welches die Arbeitsgerichte als staatliche
Gerichte eingerichtet wurden. Zunächst durften
lediglich die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände die Prozessvertretung übernehmen.
Die Zeit des Nationalsozialismus führte dann zu
einem Rückschritt, da die bisher erstrittenen Errungenschaften (Gerichtsbarkeit ausgerichtet auf
eine Schlichtung, paritätische Besetzung der Richterbank) abgeschafft wurde. Die Rechtsprechung
der Arbeitsgerichte reduzierte sich mit aller Hässlichkeit Hitler-Deutschlands auf Entlassung und
Ausgrenzung der jüdischen und kommunistischen
Arbeitnehmer – mithin kein Kapitel der Einigungskultur.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt Westdeutschland eine eigene Arbeitsgerichtsbarkeit im klassischen dreistufigen Aufbau. In der ersten Instanz
ist allem vorangeschaltet eine Güteverhandlung
Pflicht. Ab dem Jahr 2002 wurde diese Einrichtung
von der ordentlichen Gerichtsbarkeit in den Zivilprozessen übernommen. Es hat sich bewährt, durch
den Einigungsversuch den Prozess zu beschleunigen – also durch Vergleich zu beenden oder
andernfalls durch Hinweise des Gerichts vorzubereiten. Auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist die Durchführung einer Güteverhandlung möglich.
Gegenwart und Tipps
In den Prozessordnungen wird versucht, die Einigung über die Güteverhandlung zu erreichen. Im
Betriebsverfassungsrecht wird für innerbetriebliche
Lösungen eine Einigungsstelle eingesetzt. Für Arbeitskämpfe haben einige Tarifvertragsparteien
eine Schlichtungsvereinbarung geschlossen, in anderen Bereichen werden Schlichtungsordnungen
vereinbart (Handelskammern, kirchliche Einrichtungen). In vielen Bundesländern gibt es Schlichtungsgesetze, die einen Schlichtungsversuch
zwingend vorschreiben, bevor man die ordentliche
Gerichtsbarkeit anrufen darf – so z. B. in BadenWürttemberg, wo Ansprüche über Forderungen bis
zu 750 Euro zunächst vor den Schlichter müssen.
Ein Mahnverfahren hebelt diese Pflicht jedoch aus.
Die noch relativ moderne Methode der Mediation
könnte man als eine Kultivierung der Einigung
bezeichnen. Es wird nicht nur eine Einigung versucht, sondern es werden darüber hinaus die
richtige Methode und der richtige Mediator gesucht. Grundsätzlich macht der Mediator im Gegensatz zu anderen Verfahren (z. B. Güteverhandlung) keine eigenen Vorschläge und spricht keine
Empfehlungen aus. Ein Beispiel: Jimmy Carter
wurde 1978 im Rahmen der ägyptisch-israelischen
Verhandlungen in Camp David als Mediator
eingesetzt. Er wählte eine umstrittene Sonderform
der Mediation, die Shuttle-Mediation. Carter verhandelte mit den Parteien in vertraulichen Einzelsitzungen.
„Die noch relativ moderne Methode
der Mediation könnte man als
eine Kultivierung der Einigung
bezeichnen.“
Im Alltag des Arbeitsrechtlers lässt sich die überwiegende Anzahl der Fälle durch eine Einigung im
Gütetermin beenden. Der diese Verhandlung leitende Kammervorsitzende erörtert die Sachlage
zum Zweck der gütlichen Einigung (§ 54 Abs. 1
ArbGG). Dabei ist es möglich und üblich, bei grundsätzlichem Einigungsbestreben die Verhandlung
für ein paar Minuten zu unterbrechen, um sich auf
dem Gerichtsflur entweder mit seiner Mandantschaft und/oder mit der gegnerischen Partei über
letzte Details zu einigen. In der Zwischenzeit verhandelt das Gericht häufig den nächsten Termin
(am Gerichtstag wird nicht selten im 15-MinutenTakt terminiert), so dass man sich wieder hinten
anstellen muss. Anschließend wird der Vergleich
protokolliert und das Verfahren ist beendet –
andernfalls setzt der Richter (nach erfolglosem
Verhandeln auf dem Flur) den Kammertermin fest
und bestimmt die Schriftsatzfristen.
Kommt der Vergleich zustande, ist beim Abschluss
Vorsicht geboten. Zwar muss in erster Linie die
Mandantschaft zufrieden sein. An verschiedenen
Stellen wartet jedoch Haftungspotential. Verhandelt man einen Vergleich, in dem das Arbeitsverhältnis vor dem eigentlichen Ende der Kündigungsfrist enden soll, so verhängt die Bundesagentur für
Arbeit eine Sperrzeit. Tückisch ist auch die Frei-
stellung bis zum Ende der Kündigungsfrist. Erfolgt
sie unwiderruflich, kann die Sozialversicherung auf
den Gedanken kommen, dass kein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis vorliegt.
Beim Urlaub ist zu beachten, dass auf ihn nicht
verzichtet werden kann.
„Insgesamt lässt sich von einem
ausgeprägten Einigungsbestreben
sprechen.“
Fazit
Betrachtet man die geschichtliche Entwicklung,
zeigt sich klar, dass sich die Einigung als vorangeschalteter Prozessauftakt durchgesetzt hat.
Viele Institutionen in Deutschland wählen den
vorrangigen Weg des Einigungsversuchs, um gerichtliche Verfahren zu vermeiden. Insgesamt lässt
sich von einem ausgeprägten Einigungsbestreben
sprechen.
Denn es lohnt sich für die Parteien, sich zu einigen –
Kosten und Zeit werden gespart, Nerven geschont.
Und die heutige alltägliche Arbeitsrechtspraxis lebt
vom „Vergleich“. Häufig erreicht man bei der
Gegenseite Gesprächsbereitschaft, bevor man quer
durchs Land zur Güteverhandlung fährt. Dann ist
eventuell sogar ein Vergleich im schriftlichen Wege
möglich (§ 278 Abs. 6 ZPO).
Zwar gibt es Fälle, die entschieden werden „müssen“.
Das Ausloten von Einigungsmöglichkeiten und der
(erfolgreiche) Vergleichsabschluss gehören jedoch
in den Werkzeugkasten des Anwalts.
RA Sebastian Günther, Berlin
Einigung im Arbeitsrecht
Einigungen und Schlichtungen sind im Arbeitsrecht häufig anzutreffen. Bis heute hat
sich eine Einigungspraxis herausgebildet, die
in den Prozessordnungen angelegt ist und
oft schnell zu sachgerechten Lösungen führt.
Dabei geht es beim Einigen vor allem um die
rechtliche Absicherung des Mandanten. Eine
herausgehandelte Abfindung nützt nichts,
wenn eine Sperrzeit von der Arbeitsagentur
verhängt wird und der Mandant eventuell
ohne Krankenversicherung dasteht. Der Anwalt sollte sich also über ein paar Fallstricke
des Arbeitsrechts informieren. Nach dem Vergleichsschluss sollte er die Vergleichsgebühr
auf der Gebührennote nicht vergessen.
ADVOICE 04 /11
19
Thema
Medien schuld am Kulturverfall des Rechtswesens?
Öffentliche Vorverurteilung auch in Deutschland üblich
Das Strafverfahren vor dem Landgericht Mannheim gegen den Wettermoderator Jörg Kachelmann endete nach mehr als 40 Verhandlungstagen im Mai 2011 durch Freispruch.
Ungeachtet des Urteils war der Fall als öffentliches Spektakel durchaus geeignet, die Rechtskultur und die Person Kachelmann nachhaltig
zu beschädigen.
Kachelmann und Co
In der öffentlichen Wahrnehmung und Darstellung
war Jörg Kachelmann wahlweise eine suspekte Gestalt, der alles zuzutrauen ist, oder Opfer eines weiblichen Rachefeldzuges. Dabei war der Wettermoderator weder der erste noch der einzige Prominente,
der mit den Mechanismen eines Medienspektakels
Bekanntschaft gemacht hat. 2008 wurde Ex-PostChef Klaus Zumwinkel vor laufenden Kameras wegen
des Vorwurfs der Steuerhinterziehung verhaftet.
2009 gab es bereits im Rahmen des Ermittlungsverfahrens eine Menge an staatlichen Auskünften
über den damaligen Bundestagsabgeordneten Jörg
Tauss, dem der Besitz von kinderpornografischem
Material vorgeworfen wurde. Im gleichen Jahr wurde
die No-Angel-Sängerin Nadja Benaissa vor einem
Konzert verhaftet, weil sie trotz bekannter HIVInfektion ungeschützten Sex gehabt haben soll. Alle
drei wurden von der Justiz verurteilt.
Vorverurteilt waren sie jedoch schon von den
Medien und der Öffentlichkeit. Die Strafprozesse
schienen umso mehr zur Unterhaltung geeignet, je
tiefer der gesellschaftliche Fall des Beschuldigten/
Angeklagten und je intimer die Details, die an die
Öffentlichkeit drangen.
Begann in den 1990er Jahren die bis zur Peinlichkeit reichende Selbst- und Fremdentblößung damals
in nachmittäglichen sogenannten „Talk-Shows“ und
kamerabestückten Containern, hat dieses Schauspiel
derweil das Umfeld des Justizwesens erreicht.
Während Richter in der Hauptverhandlung unter
Anwendung der Strafprozessordnung versuchen
herauszufinden, was materielle Wahrheit genannt
wird, bearbeiten Staatsanwaltschaft und Verteidigung längst noch ein anderes Gebiet außerhalb
der Hauptverhandlung. Dabei soll durch den
geschickten Umgang mit Informationen der Weg
zum Sieg geebnet werden. Das Prozedere, das dazu
dient, insbesondere Zeugen und Sachverständigenzeugen unglaubwürdig erscheinen zu lassen, ist
dem amerikanischen Strafprozessrecht bekannt,
dem deutschen Strafprozessrecht jedoch aus gutem Grund eigentlich fremd. Insofern hätten viele
Prozessbeteiligte jene Informationen, die sie heutzutage der Öffentlichkeit preisgeben, vor Jahren
noch mit dem Verweis auf ein laufendes Verfahren
ganz beharrlich verweigert.
Unschuldsvermutung
In einer Demokratie muss Justiz transparent sein.
Jedoch gibt es rechtsstaatliche Grenzen für die
Informationspolitik der Prozessbeteiligten. Eine
elementare Grenze ist die Unschuldsvermutung.
Ein Verdächtigter gilt so lange als unschuldig, bis er
rechtskräftig verurteilt worden ist. Dieser unverrückbare Grundsatz ist nicht nur Basis in einem
modernen Rechtsstaat, sondern darüber hinaus
eine wichtige kulturelle Errungenschaft. Demgemäß breit ist auch die Normierung der Unschuldsvermutung in unterschiedlichen Rechtsmaterien.
So findet sie sich in der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte der Vereinten Nationen, im internationalen Pakt über bürgerliche und politische
Rechte, im Statut des Internationalen JugoslawienTribunals, im Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, im EU- Vertrag und in der Europäischen
sowie der Amerikanischen Menschenrechtskonvention. Im Grundgesetz ist die Unschuldsvermutung dogmatisch in der Menschenwürdegarantie und im Rechtsstaatsprinzip einzuordnen.
Überdies enthalten manche Landesverfassungen
(z. B. Brandenburg, Hessen) eine ausdrückliche
Garantie der Unschuldsvermutung. Die Normierung in den jeweiligen Landesverfassungen und die
nahe Verbindung mit der Garantie der Menschenwürde aus Art. 1 Absatz 1 Grundgesetz machen
Trotz des Freispruchs wollen sich die Tiefs um Jörg Kachelmann nicht verziehen.
20
ADVOICE 04 /11
Thema
deutlich, dass die Unschuldsvermutung nicht allein
eine strafprozessuale Gewährleistung darstellt.
Vielmehr will sie die Person des Tatverdächtigen
vor dem sozialethischen Unwerturteil schützen,
welches einem richterlichem Schuldspruch innewohnt ( Kühl, FS Müller-Dietz 2001, S.415 m.w.N),
sodass die Unschuldsvermutung letztendlich die
strafprozessuale Konkretisierung der Menschenwürde ist. Darüber hinaus schützt sie nicht nur den
Menschen, der unter Verdacht geraten ist, sondern
die Gesellschaft als Ganzes, indem sie nicht mehr
kontrollierbare, willkürliche und nicht selten subversive Beschuldigungen zumindest begrenzt oder
ggf. verhindert. Dadurch wird die gesellschaftliche
Debatte zivilisiert und der soziale Zusammenhalt
gestärkt (Boehme-Neßler, StraFo 2010, 456-461).
Für die Gesellschaft ist demnach die Unschuldsvermutung von enormer Bedeutung.
Rechtspraxis
Für die Rechtspraxis bedeutet dies Folgendes: Die
Unschuldsvermutung gilt für alle Phasen des Strafverfahrens und nicht nur für die Hauptverhandlung. Das heißt, sie gilt schon dann, wenn Polizei
und Staatsanwaltschaft auf Grund eines Anfangsverdacht gegen einen Beschuldigten ermitteln.
Wenn zu diesem Zeitpunkt bereits dessen voller
Name genannt wird, ist die Unschuldsvermutung
gefährdet. Dies ist für sich allein geeignet, das Ansehen der Person zu schädigen. Umso mehr müssen
die Beteiligten in dieser Phase des Strafverfahrens
sensibel mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit umgehen.
Unter dem Schirm der Unschuldsvermutung ist die
Unterscheidung zwischen Verdacht und bewiesener Tat immanent. Wer verdächtig ist, gilt im
Rahmen der Vermutung noch als unschuldig. Erst
wer rechtskräftig verurteilt worden ist, ist ein Täter.
Grafik: Andrea Vollmer
Dies ist die verfassungsrechtliche Richtschnur für
alle Beteiligten des Strafverfahrens, insbesondere im
Umgang mit den Medien. Das heißt nicht, dass sie
schweigen sollen, sondern vielmehr Folgendes: Sie
dürfen Fragen der Öffentlichkeit beantworten und
Verdachtsmomente ausbreiten. Dabei muss jedoch
von allen Beteiligten mit Nachdruck betont werden,
dass es sich um Beschuldigungen und nicht um
bewiesene Tatsachen handelt. Die Informationspolitik der Prozessbeteiligten, und hier insbesondere
die der Staatsanwaltschaft, darf keiner öffentlichen
Vorverurteilung eines Verdächtigten durch die Medien Vorschub leisten. Sie müssen sich vergegenwärtigen, dass die öffentliche Berichterstattung, die im
Gegenteil zu den Beteiligten nicht verfassungsrechtlich und prozessrechtlich diszipliniert ist, eine
gesellschaftliche Prangerwirkung mit unabsehbaren
Folgen haben kann.
Beschädigte Rechtskultur
Überdies fördert eine forsche mediale Informationspolitik der Prozessbeteiligten die Beschädigung der Rechtskultur, insbesondere dann, wenn
die Rechtspraxis den Regeln der Medien mehr zu
gehorchen scheint, als denen des Rechts. Im Fall
Kachelmann wurde die Praxis eines sachorientierten juristischen Umgangs zu einer voyeuristischen,
Wünsche befriedigenden Medienschlacht um Geliebte und deren Glaubwürdigkeit. Die Sachverständigen demontierten sich gegenseitig und es
gab befremdlich anmutende Aspekte, wie das Interview-Honorar einer Zeugin.
Die oben erwähnte, gesellschaftliche Prangerwirkung wurde auch dadurch deutlich, dass die Staatsanwaltschaft im Fall Kachelmann die Verurteilung
eines minderschweren Falls forderte, und zwar
nicht, weil die Tat nach Ansicht der Staatsanwaltschaft als minderschwerer Fall einzustufen war,
sondern weil Kachelmanns Privatleben durch die
Berichterstattung der Medien in der Öffentlichkeit
bereits beschädigt sei. Dabei hatte doch gerade die
Staatsanwaltschaft mit ihrer offensiven Informationspolitik, ob gewollt oder nicht, solch eine Berichterstattung erst möglich gemacht. Durch die
Öffentlichkeitsarbeit wurde die Rechtskultur dahingehend beschädigt, dass die verfassungsrechtlich
garantierte Unschuldsvermutung für ein mediales
Spektakel geopfert wurde.
Ungeachtet rechtlicher Bedenken kann der Fall
Kachelmann über die Jurisprudenz hinaus weit
reichende Folgen nach sich ziehen. Die Akzeptanz
in der Gesellschaft für verfassungsrechtlich verankerte Maximen des „fairen Verfahrens“ schwindet. Dann wäre nicht nur die Unschuldsvermutung
als unabdingbarer Bestandteil eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens in Gefahr, sondern die Rechts(Siehe Beitrag Seite 51)
kultur in Gänze.
RA Felix Westpfahl, Hannover
Kachelmann und BILD
Das OLG Köln hat in einem Urteil vom
22.11.2011 die Berichterstattung der BILDZeitung über den Fund eines Messers mit
DNA als zulässig angesehen. Die Grenzen
der Verdachtsberichterstattung seien nicht
überschritten worden.
AZ: 15 U 61/11, 15 U 62/11 und 15 U 60/11
ADVOICE 04 /11
21
Thema
Rechtskultur – Was Wissenschaftler interessiert
Literatur wird schon länger erforscht, doch Filme sind das Leitmedium
„Jeder weiß, worum es geht, wenn vom Recht
die Rede ist,“ so sagt es der Rechtssoziologe
Klaus F. Röhl ins seinem Lehrbuch „Allgemeine
Rechtslehre“. Aber woher wissen es die Mandanten, Juristen, Richter? Die einen schauen ins
Gesetzbuch, die anderen schauen Filme und
lesen Bücher. Das Ergebnis: Jeder verfügt über
einen anderen Wissensstand. Irritationen und
Missverständnisse sind programmiert. Wer Kultur konsumiert, wird dabei oft gleichzeitig über
Recht informiert und nimmt zugleich Informationen auf, die mit den professionellen Aussagen kollidieren.
Recht in einem weiten Sinne erfasst neben den
kodifizierten Normen auch Normen, die in der Gesellschaft faktische Geltung besitzen, vom Rechtsgefühl getragene und als moralisch richtig empfundene Rechtsverstöße. Doch wo wird ein so
verstandenes Recht außerhalb der juristischen
Professionen sichtbar? Vor allem in Büchern und
Filmen, in der Populärkultur also.
Doch die Beziehung von Recht und Kultur ist bei
näherer Betrachtung vielgestaltig und wechselseitig. Recht reguliert und steuert beispielsweise
Kultur, im Fall der FFA (Filmförderanstalt) und des
FFG (Filmfördergesetz) sogar mit einer eigenen
Bundesbehörde und einem eigenen Gesetz. Jede
„Kunst“ setzt sich auf ihre Weise mit Recht auseinander. Einige Künste haben es sogar zu einem
eigenen Forschungsgegenstand gebracht, wie zum
Beispiel „Recht und Literatur“, ein Forschungsgebiet, das seit Mitte der 1970er Jahre im wissenschaftlichen Blickpunkt steht und auf die der Monographie The Legal Imagination von James Boyd
White zurückgeht.
Prominent vertreten sind diese Themen auch immer wieder in der NJW, die jährlich eine Ausgabe
dem Blick über den kulturellen Tellerrand widmet.
Erforscht wird das Recht, wie es in der Literatur
beschrieben wird, u. a. von Johann Wolfgang von
Goethe, Heinrich von Kleist, Robert Musil, Franz
Kafka, Friedrich Dürrenmatt oder Bernhard Schlink.
Besonderes Interesse wecken dabei immer wieder
die schreibenden Juristen wie etwa Goethe, Kafka
oder Schlink. Ein schöner Einstieg sind die Texte
von Klaus Kastner zu „Literatur und Recht - eine
unendliche Geschichte“ (NJW 2003, S. 609-615)
sowie der Sammelband „Produktive Spiegelungen.
Recht und Kriminalität in der Literatur, Theater und
Film“ von dem Strafrechtler Klaus Lüderssen aus dem
(Mehr zu Recht und Literatur auf Seite 24)
Jahr 2002.
22
ADVOICE 04 /11
Die Leitmedien unserer Zeit sind Film und Fernsehen.
Die Ära des Rechtskinos
Doch die Leitmedien unserer Zeit sind Film und
Fernsehen. Das spiegelt sich auch in dem lesenswerten Sammelband „Law and Popular Culture“
wider, herausgegeben von dem amerikanischen
Juraprofessor Michael Freeman anlässlich einer
Tagung im Jahr 2004. Schon bei den einleitenden
Themen des Bandes ist das Medium Film ein
Schwerpunkt. Peter Robson gibt dort in seinem
Text „Law And Film Studies - Autonomy and Theory“
einen Überblick über die verschiedenen Versuche,
die beiden Themen Recht und Film theoretisch zu
verknüpfen.
Francis M. Nevins hat den Beginn der Tonfilmära
untersucht und nennt diese Zeit das erste goldene
Zeitalter des „Rechtskinos“, findet aber zwischen
den späten zwanziger Jahren und 1934 nur ein
filmisches Meisterwerk, „Counsellor at law“ von
William Wyler. Er stellt die Frage, wie Zensur das
„Rechtskino“ beeinflusst oder gar geändert hat und
kommt zu dem Ergebnis, dass der Motion Picture
Production Code, eine Art moralische Selbstverpflichtung seitens Hollywoods, an die sich bis 1934
nur keiner gehalten hat, diese goldene Ära beendet
hat. Ein Fall also, bei dem Rechtskultur vom Recht
beeinflusst wurde.
Neben den etablierten amerikanischen Autoren zu
dem Themenfeld Kultur und Recht wie Nicole
Rafter, Michael Asimow oder Paul Bergman sind
auch zwei deutsche Forscher, die bereits zu dem
Themenfeld gearbeitet haben, präsent. Matthias
Kuzina, der in seiner Dissertation „Der amerikanische Gerichtsfilm“ Subgenres des Gerichtsfilms
herausgearbeitet hat, sondiert in einer Ideologiekritik das Sonderthema Militärjustiz in amerikanischen Filmen und TV. Stefan Machura, unter
anderem Veranstalter einer Tagung zum Thema
Thema
„Recht im Film“ und Mitherausgeber des gleichnamigen Tagungsbandes (Machura, Stefan and
Ulbrich, Stefan (eds., 2002).
Figur des Richters (David A. Black) oder ethischen
Brüchen in Filmen und ihrer Auswirkung (Steve
Greenfield und Guy Osborne) zu spannen.
Manderson mit seiner Analyse des Kinderbuchs
„Where the wild things are“, ebenfalls in Freemans
Sammelband, beweist.
Den Grund für die bewegten Bilder als Forschungschwerpunkt der Betrachtung von Recht und Populärkultur liefert der Direktor des „Visual Persuasioin
Project“ Richard K. Sherwin in seinem Text „Law s
Enchantment: The Cinematic Jurisprudence of
Krzysztof Kieslowski“, S. 87-108: „Law lives in Images.
We make sense of reality by drawing upon these
stories and storytelling modes that are most familiar to us. And these days, television and film are by
far the most popular sources of the stories and
story forms that we all know.“ (S. 88)
Foto: Andrea Vollmer
Die Durchsicht des Buches legt mehrere Schlussfolgerungen nahe: Bewegte Bilder, und hier vor
allem Filme, haben derzeit bei der Erforschung von
Recht in der Populärkultur auf internationaler Ebene
eine Vorrangstellung. Der gelegentlich gestellten
Frage, was eine die Erforschung der Populärkultur,
zum Beispiel auch von Filmen, eigentlich mit Recht
und Rechtsforschung zu tun hat, dürfte spätestens
mit diesem Band die Legitimation abhanden kommen. Die Fall- und Gesetzesliste samt der Einleitung
des Herausgebers, der zu dem Thema der Rechtskultur im engeren Sinn einen Bogen vom alten
Testament bis zu Guantanamo schlägt, und ein
Inhaltsverzeichnis stehen unter http://www.oup.com
/uk/catalogue/?ci=9780199272235 zur Verfügung.
Auch hier gibt es viel lesenswerten Lesestoff für
Juristen, die über den rechtlichen Tellerrand blicken,
das Thema Recht aber nicht aus den Augen lassen
wollen. Und ganz nebenbei kann damit vielleicht
auch das Verständnis für das Unverständnis über
das Recht bei manch einem aus dem Weg geräumt
werden, und wenn es nur ein Lesetipp ist, den der
Anwalt seinem Mandanten an die Hand gibt, der
sich ungerecht behandelt fühlt.
RA Tobias Sommer, Berlin
Filme als Beweismittel
„Recht im Film” (Baden-Baden: Nomens) sowie
weitere rechtsfilmische Publikationen (z. B. Law
and Film, Oxford: Blackwell 2001) stellen die Frage,
warum das Publikum auch Geschichten, die in
fremden Rechtsystemen spielen, versteht. Die Antwort passt in eine Überschrift: Es sind die Hauptthemen der Filme wie Gerechtigkeit und deren
soziale Kriterien.
Ein eigenes Thema sind schriftstellernde Anwälte
als ein kulturelles Phänomen. Die bekanntesten
Vertreter dieser Zunft, die allesamt die Rechtspraxis
kennen und als Anwälte unglücklich gewesen sein
sollen, sind Melville Davisson Post, John Grisham,
Arthur Train, Erle Stanley Gardner und Scott Turow.
Der Sammelband ist damit auch eine Art Bestandsaufnahme der aktuelleren Forschung zum Thema
Recht und Kultur. Die Kategorien, die der Herausgeber
gefunden hat, sind Musik und Romane, Menschenrechte, Sexualität, Verbrechen und Strafe und eben
Film. Unter „Some other cultural Phenomena“ sind
Texte zum Phänomen des Franchis-Systems von Rex
J. Ahdar und zu Shoping Malls von Malcolm Voyce
erfasst. Unter Law, Lawyering and the Popular Cultutre finden sich Versuche, themengeleitete Bogen
zum adversarischen Prinzip (Michael Asimow), der
Aus einer anderen Perspektive betrachten Forscher
Kultur als Beweismittel in Prozessen. Filme können
auch Beweismittel in richtigen Verfahren sein, prominentes Beispiel sind die Bilder aus den Konzentrationslagern in den Nürnberger Prozessen. An
einer solchen Stelle kann die Kultur das Recht
beeinflussen. Der passende Text dazu in dem Sammelband von Freeman: „Image As To Evidence
And Mediation: The Experience Of The Nuremberg
Trials“ von Christian Delage. Auch „Kinderliteratur
und Recht“ kann ein Thema sein, wie Desmond
Der Nazi-Plan
„Der Nazi-Plan" ist einer der drei Filme, die
in den Nürnberger Prozessen als Beweismittel eingesetzt wurden. Dabei handelt es
sich um eine im Auftrag des U.S. Counsel
for the Prosecution of Axis Criminality unkommentierte Zusammenstellung deutscher
Wochenschauen und Filmberichten zwischen
1921 und 1944.
ADVOICE 04 /11
23
Thema
Eine Frage des Ausdrucks
Recht und Literatur ergänzen und brauchen sich
Recht und Literatur - wie schafft es ein Artikel
mit diesem Titel in die Advoice, die Zeitschrift
von Junganwälten für Junganwälte, die sich
doch vornehmlich sämtlichen Fragen rund um
die Anwaltspraxis verschrieben hat? Erfreulicherweise widmet sich die vorliegende Ausgabe
dem Thema Recht und Kultur, bei dem eine
Betrachtung des auch für die anwaltliche Praxis
letztlich nicht unerheblichen Verhältnisses von
Recht und Literatur nicht fehlen sollte.
Auf Anhieb muss wohl jeder bei dem Thema zunächst an die berühmten Dichterjuristen aus Vergangenheit und Gegenwart denken, derer sich
gerade die Juristen gerne berühmen, erscheint es
doch allein aufgrund der Vielzahl erfolgreich schreibender Juristen so, als befähige die Juristerei zu
einem geübten Umgang mit Sprache und Text. Von
Geheimrat Goethe, als dem wohl berühmtesten
Dichter aus der juristischen Zunft, über Heine, Fontane, Kafka, Tucholsky bis zu Schlink und Zeh in
unserer Zeit, bedienen sich Juristen allerdings nicht
der juristischen, sondern einer literarisch ansprechenden Sprache und landen nicht selten Bestseller.
Dabei greifen sie durchaus auch Motive aus dem
Bereich des Rechts auf und beweisen ihren juristischen Sachverstand, so beispielhaft Kafka in seinem „Prozess“ oder Schlink im „Vorleser“. Fast
schon wie die ausführliche Aufbereitung juristischer Tatbestände erscheinen von Schirachs Bücher
„Schuld“ und „Verbrechen“. Manche Dichterjuristen
vertreten selbst die Auffassung, die präzisen Strukturen der Juristerei seien der Schriftstellerei förderlich. Der Anspruch literarischer Texte ist allerdings
ein völlig anderer als der von Rechtstexten, denn
Literatur ist ein vielschichtiges und mehrdeutiges
Medium, das nicht wie das Recht ein Höchstmaß
an Präzision und Eindeutigkeit erfordert.
Während literarische Texte dem Leser eine Vielzahl
von Deutungsmöglichkeiten in Bezug auf die behandelten Themen aufzeigen und bewusst zum
Nachdenken anregen, sollen Rechtstexte grundsätzlich möglichst eindeutige Lösungen liefern.
Nichtsdestotrotz erfordert auch das Recht die Auslegung von Texten, um zu prüfen, ob ein Gesetzestext einen bestimmten Lebenssachverhalt erfasst.
In der Rechtspraxis fehlt es eben doch sehr oft an
der gewünschten Eindeutigkeit: Die Lösungen sind
strittig und bedürfen der Argumentation. Dabei ist
Sprache des Juristen Handwerkszeug. Mit der Sprache eines Juristen stehen und fallen seine Erfolgsaussichten. Ein geschliffener Vortrag im Schriftsatz
24
ADVOICE 04 /11
oder in der mündlichen Verhandlung verleiht in jedem Fall dem jeweils vertretenen rechtlichen Standpunkt Nachdruck.
Angesichts der Vielzahl der Fälle und der damit
einhergehenden Arbeitsüberlastung gelingt es
allerdings häufig nicht, dies in der heutigen juristischen Praxis zu berücksichtigen. Andererseits stellt
sich die Frage, woher der junge Jurist heute eine
möglichst geschliffene und Erfolg versprechende
Sprache nehmen soll. In der Regel vermittelt weder
das universitäre Studium bis zum ersten Staatsexamen noch der juristische Vorbereitungsdienst
vor der zweiten Staatsprüfung konsequent einen
geübten Umgang mit Sprache und Text im Allgemeinen, geschweige denn mit belletristischer Literatur im Besonderen.
„Die präzisen Strukturen der
Juristerei seien der Schriftstellerei
förderlich.“
Im Gegenteil mag es teilweise sogar so wirken, als
verkümmere etwaig noch vor Aufnahme des juristischen Studiums vorhandener guter Ausdruck mit
der Indoktrination des Gutachtenstils im Jurastudium. Sobald sich nach Erlangen des 1. Staatsexamens
endlich wieder mehr Raum für eine freiere, aber
nichtsdestotrotz den formalen Vorgaben der Juristerei unterliegenden Sprache öffnet, gelingt es dem
vom Gutachtenstil Befreiten oftmals gar nicht mehr,
nicht in der bewährten Gutachten-Form zu schreiben.
Die reine Auseinandersetzung mit Sprache und Literatur gehört jedenfalls nicht zu den äußerst ökonomisch und effizient angelegten juristischen Staatsprüfungen und wird allenfalls im Rahmen von
zusätzlichen Schlüsselqualifikationen an der Universität angeboten. Dabei gerät nicht nur in Vergessenheit, dass ein guter Sprachgebrauch das Handwerkszeug des Juristen ausmacht, sondern auch, dass die
juristische Wissenschaft im Ursprung eine Geisteswissenschaft ist. Diesem Gedanken folgend, hat sich,
ausgehend vom anglo-amerikanischen Raum, das
Law and Literature-Movement als Gegenbewegung
zu dem Ansatz von Law and Economics, der das
Recht allein in einer ökonomischen Kosten-NutzenRechnung betrachtet, herausgebildet.
Ursprünglich in den USA entwickelt, findet das Law
and Literature-Movement seit den 1980er Jahren auch
in verschiedenen Forschungszentren und -foren in
Deutschland Anerkennung, wo bereits seit dem
beginnenden 20. Jahrhundert vereinzelt Rechtswissenschaftler die Bedeutung des Verhältnisses
von Recht und Literatur für die rechts- und literaturwissenschaftliche Forschung und Praxis erkannt
hatten, unter ihnen Gustav Radbruch und Eugen
Wohlhaupter.
Der Ansatz, Recht und Literatur interdisziplinär zu
untersuchen, stößt inzwischen einerseits auf reges
Interesse, unterliegt aber andererseits auch der
Kritik, zu praxisfern zu sein. Unberücksichtigt bleibt
dabei, dass etwa literaturwissenschaftliche Methoden auch in der rechtlichen Praxis Berücksichtigung finden können, so für eine Erweiterung der
tradierten vier klassischen juristischen Auslegungsmethoden, die nicht jedem Rechtsproblem gerecht
werden. Hierin liegt lediglich ein besonders paradigmatisches Beispiel für den auch praktischen
Wert der Betrachtung des Verhältnisses von Recht
und Literatur sowie von Rechts- und Literaturwissenschaft. Überdies kann die belletristische
Literatur Juristen für ethische, moralische und politische Belange des Rechts sensibilisieren, wie es
weder Texte aus der Rechtswissenschaft noch Entscheidungen der Rechtsprechung und schon gar
nicht verkürzte Praktiker-Kommentare derart vielschichtig vermögen.
Eine entsprechende Sensibilität sowie eine stete
Reflexion bestehender Rechtsvorstellungen erachtete bereits Gustav Radbruch für den werdenden
Juristen als unerlässlich:
„Die großen Zweifler an der Wissenschaft und dem
Werte des Rechts, ein Tolstoi, ein Daumier, ein Anatole France sind für den werdenden Juristen unschätzbare Mahner zur Selbstbesinnung. Denn ein
guter Jurist kann nur werden, der mit schlechtem
Gewissen Jurist ist.”
Die Auseinandersetzung mit Literatur und deren
Interpretation kann nicht nur dem angehenden,
sondern auch dem bereits tätigen Juristen einen
sensibilisierten Blick auf das geltende Recht und
die gängige Rechtsanwendung eröffnen. Abgesehen davon, dass sich die Beschäftigung mit literarischen Texten in einer ansprechenden und fließenden, nicht zu juristisch abgenutzten Sprache
auszahlt, sollte auch in dem viel gepriesenen Blick
über den juristischen Tellerrand ein Anreiz für den
Praktiker liegen, sich der belletristischen Literatur
zuzuwenden.
RAin Dagmar Husmann, Hamburg
Thema
Guter Sprachgebrauch macht auch das Handwerkszeug des Juristen aus.
Foto: Franz Patzal_pixelio.de
ADVOICE 04 /11
25
Thema
Vorhang auf für Juristen
Deutsche Gerichtsfilme und das juristische Interesse an Filminhalten
Richter haben in Deutschland keine Perücken
auf dem Kopf und klopfen auch nicht mit dem
Hammer auf ihren Richtertisch, wenn wieder
einmal ein Tumult im Saal losgebrochen ist. Auch
eine Jury sucht man in deutschen Gerichtssälen
vergebens. Deutsche Staatsanwälte und Richter
sind Beamte und müssen nicht wie einige ihrer
amerikanischen Kollegen bei ihren Entscheidungen immer auch an die nächste Wahl zu
ihrem Amt denken. Und die „Wahrheit“ kommt
eher selten bei einem Kreuzverhör ans Licht, wo
Angeklagte, wahlweise auch Zeugen oder Sachverständige, von Anwälten geschickt in die Enge
getrieben, keinen anderen Ausweg mehr sehen,
als umfassend zu gestehen.
Durch die Präsenz amerikanischer Gerichtsfilme in
der deutschen Kino- und Fernsehlandschaft existieren aller Wahrscheinlichkeit nach Fehlvorstellungen über Recht und Justiz bei Mandanten und
Jurastudenten. Für letztere ist das in einer empirischen Studie von Stefan Machura belegt. Doch
wie sieht die deutsche Tradition von Rechtsinszenierungen im Film aus und hat es einen Nutzen
über den Unterhaltungswert hinaus, sich Justizund Gerichtsfilme anzuschauen?
Ankläger und Verteidiger
„Die Filmdramatik (erwächst) primär aus Gerichtsszenen, die den systembedingten Gegensatz zwischen Ankläger und Verteidiger deutlich erkennen
lassen und somit dem adversarischen Prinzip der
Prozessführung gerecht werden“, definiert Matthias
Kuniza in seinem Buch „Der amerikanische Gerichtsfilm. Justiz, Ideologie, Dramatik.“ (Göttingen 2000,
S.11) das Courtroom Drama. Er unterteilt dieses Genre
in insgesamt neun Untergattungen wie Anwaltsfilme, Gerichtskomödien, Justizthriller usw. Doch
Rechtsdarstellungen finden sich nicht nur in klassischen amerikanischen Gerichtsfilmen wie Billy
Wilders Zeugin der Anklage (1957) oder Sidney
Lumets Die 12 Geschworenen (1957). Neben einer
unüberschaubaren Flut von Kriminalfilmen, die im
weitesten Sinne auch Rechtsdarstellungen enthalten und das wissenschaftliche Interesse der Kriminologen wecken dürften, werden oft auch in Filmen
ohne Gerichtsverhandlung aus den unterschiedlichsten Gründen Rechtsakteure gezeigt. Viele Produktionen nutzen Stereotypen wie den gutverdienenden Rechtsanwalt (mittleren Alters im Sportwagen) und den Richter oder Staatsanwalt, der
selbst einen Fehltritt begeht. So hält in Rosen für
den Staatsanwalt (1959) der Staatsanwalt aufgrund
seiner politischen Überzeugung einen Haftbefehl
zurück, um einem Gesinnungsgenossen damit zur
Flucht zu verhelfen. Es scheint, als ob die Fehltritte
durch Juristen – die es ja besser wissen müssten –
aufgrund der „filmischen Anklage“ schwerer wiegen.
Häufiger zu beobachten ist auch ein gewisses Desinteresse von Justizakteuren an den Verhandlungen,
was filmisch meist durch ein kurzes „Nickerchen“
umgesetzt wird. Vermittelt wird dabei, dass sich die
Juristen in ihren eigenen Veranstaltungen langweilen – obwohl es für die Parteien bzw. Angeklagten
meist um erhebliche Entscheidungen geht. So gibt
es in Stammheim (1985) eine Szene, in der die Angeklagten im Streit um die Hinzuziehung von Wahlverteidigern den moralischen Sieg davon tragen,
weil einer ihrer Pflichtverteidiger eingeschlafen ist.
Eine filmwissenschaftliche Annäherung an das Thema Recht im Film allein über Courtroom Dramen ist
aus dem juristischen Blickwinkel jedoch zu eng.
Entscheidend für das juristische Interesse am Film
dürfte also nicht die Genreklassifizierung, sondern
vielmehr eine Sachverhaltsdarstellung samt rechtlicher Lösung sein.
Reinhard Hauffs Film „Stammheim“ von 1985 beschreibt den Ablauf des bedeutendsten Terroristenprozesses der bundesdeutschen Geschichte gegen vier RAF-Mitglieder, der zwischen 1975 und
26
ADVOICE 04 /11
Thema
Recht in der Filmgeschichte
Auch in der deutschen Filmgeschichte gibt es eine
Fülle von Rechts-, Gerichts- und Justizdarstellungen. Frühe Beispiele sind der justizkritische Film Kuhle
Wampe oder wem gehört die Welt (1931), wobei den
Darstellungen durch zeitgenössischen Stimmen, wie
der Filmprüfstelle und dem Verleih-Sachverständigen, große Realitätsnähe zugesprochen wurde oder
M – Eine Stadt sucht einen Mörder (1931) mit der
berühmten Verhandlung des Kindermörders vor
einem Kriminellengericht. Aus der NS-Zeit sind Filme
wie Der Gasmann (1940) oder der Propagandafilm
Jud-Süß (1940) in Erinnerung.
In den westdeutschen Filmproduktionen nach 1945
hat sich beispielsweise Wolfgang Staudte in seinem
Entnazifizierungsfilm Rosen für den Staatsanwalt
(1959) und dem Kriminalfilm Der letzte Zeuge (1960)
mit Rechtsthemen befasst. Alexander Kluge, Hark
Bohm und Norbert Kückelmann dürften in Filmen
wie Abschied von Gestern (Kluge, 1965), Vera Brühne
(Bohm, 2000), Der kleine Staatsanwalt (Bohm, 1986),
Die Sachverständigen (Kückelmann, 1972) oder
Porträt eines Richters (Kückelmann, 1997) aufgrund
ihres eigenen juristischen Sachverstandes für ein
hohes Maß an Authentizität sorgen.
Justiz im kulturellen Erbe
Neben fiktiven Stoffen regen vor allem Bücher wie
Dürrenmatts Justiz (1993) oder Der Campus (1997)
und reale Prozesse zu Filmen an. Neben dem schon
1977 in Stuttgart-Stammheim stattfand.
erwähnten Stammheim ist Jud Süß – Ein Film als
Verbrechen (2001) ein schönes Beispiel für die Auseinandersetzung mit der realen Justiz im kulturellen
Erbe. Der Fernsehfilm über das Verfahren gegen Veit
Harlan, den Regisseur des Films Jud Süß, stellt im
Rahmen des Prozessgeschehens mit teils dokumentarischen Elementen die Frage nach der Schuld des
Einzelnen an den Verbrechen der Nationalsozialisten. Fortgesetzt wurde dieser Komplex mit dem
Film Jud Süss – Film ohne Gewissen (2010) von Oskar
Roehler und mit Tobias Moretti und Moritz Bleibtreu, der sich jedoch mit der Entstehungsgeschichte
des indizierten Films Jud Süss auseinandersetzt.
In Serien wie Fernsehpitaval (1957-1978), initiiert
von dem promovierten Juristen Friedrich Karl Kaul,
und Kriminalfälle ohne Beispiel (1967-1975), in
denen der Autor Günter Prodöhl nach eigener Aussage die kapitalistischen Gesellschaft kritisch analysieren wollte, sind eine ganze Reihe westdeutscher
Prozesse abgebildet. Für die vom Pressesprecher der
Generalstaatsanwaltschaft der DDR, Peter Przybylski,
kommentierte Reihe Der Staatsanwalt hat das Wort
(1965-1991) existierte wiederum die Vorgabe, dass
die Fallauswahl sich an der Kriminalitätsstatistik zu
orientieren habe. Ziel war es, die Massenwirksamkeit des Fernsehens für die Rechtsaufklärung zu
nutzen. Mord und Totschlag waren die Ausnahme.
Betrug, Diebstahl, Körperverletzungen oder Ehezwist
dominierten die Sendungen. Die DDR-Justiz selbst,
im Mittelpunkt steht ein karrieristischer Richter, der
erst ein viel zu hartes Urteil fällt und nach einem
neuen Regierungserlass die Entlassung des Verurteilten fordert, ist in Das Kaninchen bin ich (1964)
abgebildet. Der Film ist gleichzeitig ein Beispiel für
die ostdeutsche Filmzensur, denn wie eine ganze
Reihe weiterer sogenannter Kaninchen-Filme, durfte
er in der DDR nicht gezeigt werden.
Zu den aus deutscher Sicht interessanten Filmen
müssen auch ausländische Produktionen, wie z. B.
Judgement at Nuremberg (1961), in der ein amerikanischer Richter über deutsche Richter und ihre Urteile zur Zeit des Nationalsozialismus befinden muss,
oder der aus Originaldokumenten hergestellte Film
über den in Israel abgehaltenen Eichmannprozess
Der Spezialist (1999) gezählt werden.
Für die juristische Praxis dürfte neben den filmischen Reflexionen, also der Wahrnehmung und
Darstellung des eigenen Berufsstandes sowie den
damit verbundenen Erwartungshaltungen die konkret vermittelten Rechtskenntnissen sowie die eher
theoretischen Fragen nach Legitimität, Moral, Gerechtigkeit oder Mobilisierung von Recht interessant
sein. Aus der amerikanischen Ausbildungspraxis ist
der Einsatz von Filmen zur Rhetorikschulung bekannt.
Durch ihre Vorbildfunktion und kulturelle Präsenz
können sie Berufswünsche entstehen lassen. Wenn
der Jurist, der vor der Instanz Gericht auftritt, aus
eigener Anschauung ein paar Kenntnisse zu Techniken der Inszenierung hat, kann das keinesfalls
schaden. Bewusst sollte ihm sein, dass in Filmen der
Inszenierende und nicht das Recht die Regeln bestimmt. Wenn er bei diesem Lernprozess noch unterhalten wird, umso besser.
RA Tobias Sommer, Berlin
Film-Stills: STUDIOCANAL GmbH
ADVOICE 04 /11
27
Thema
„Alles was Recht ist“
Tipps für Bücher, Filme und Ausstellungen zum Thema Recht

Hörbücher
Werner Koczwara
Am achten Tag schuf Gott den Rechtsanwalt
Beat Gloor
StaatSexAmen

Ausstellungen
Wege – Irrwege – Umwege
Historische Ausstellung des Deutschen
Bundestages; Deutscher Dom, Berlin
Memorium Nürnberger Prozesse
Bärenschanzstraße 72, 90429 Nürnberg
Rolf Bossi
Halbgötter in Schwarz – Deutschlands Justiz
am Pranger / Gelesen von Ari Gosch


Filme
Im Auftrag des Teufels
Regie: Taylor Hackford, 1997
Rosen für den Staatsanwalt
Regie: Wolfgang Staudte, 1959
In ihren Augen
Regie: Juan José Campanella, 2009
@
Bücher
Die Rechtskulturen der Antike:
Vom Alten Orient bis zum Römischen Reich
Internet
www.recht-anschaulich.
lookingintomedia.com
Ferdinand von Schirach
Der Fall Collini
!
Stephen L. Carter
Schachmatt

Theaterstücke
Friedrich Dürrenmatt
Die Panne

Boston Legal
Edel & Starck
Heinrich von Kleist
Der zerbrochne Krug
28
ADVOICE 04 /11
Die Anwälte

Orte
Tafeln an der Nordseite des Reichstags,
auf denen die Grundrechte gezeigt werden.
Serien
Berliner Kammergericht – typische Kulisse
in Gerichtsfilmen/-serien, wo auch Freislers
Volksgerichtshof tagte.
Schwurgerichtssaal des LG Osnabrück:
Hier wurde nicht nur verhandelt, sondern
auch ein Theaterstück über den Kindermörder Bartsch aufgeführt.
Thema
ANZEIGE
TIPPS
Foto: Katharina Wieland Müller_pixelio.de
ADVOICE 04 /11
29
Thema
Wie war das mit der Leitkultur?
Eine rechtsethische Betrachtung
Hermannplatz in Berlin-Neukölln - einem Bezirk mit hohem Migrantenanteil und großen sozialen Konflikten.
Seit Friedrich Merz im Jahr 2000 den Begriff
der „deutschen Leitkultur“ in Verbindung mit
der CDU-Forderung nach mehr Integration von
Einwanderern bzw. bereits hier lebender Ausländer aufbrachte, flammt das Thema immer
wieder auf und löst kontroverse und hitzige
Diskussionen in Politik und Gesellschaft aus.
Bessere Integration wurde nicht nur in Form des
Spracherwerbs, sondern vielmehr auch durch
Anerkennung der Werteordnung der „christlich-abendländischen Kultur“ gefordert. Aber
was muten wir Migranten damit eigentlich zu?
Vorab geschickt: Über Integration und deren Erfolg
oder Misserfolg in allen Details zu schreiben, wird in
diesem Rahmen nicht möglich sein, da erfolgreiche
Integration von vielen unterschiedlichen Einflüssen
bestimmt wird. Angefangen von den verschiedenen
Völkergruppen über die darin vorhandenen Bevölkerungsschichten bis zu den in der Bundesrepublik geschaffenen Chancen, die wiederum durch regionale
Unterschiede geprägt sind. So können die Möglich-
30
ADVOICE 04 /11
keiten einer erfolgreichen Integration etwa in den
Ballungsräumen sehr viel breitschichtiger ausgenutzt werden als im ländlichen Bereich. Hinzu kommen viele weitere Faktoren, etwa die Rollenverteilung in den Familien, so dass hier nur ein grober
Überblick über die Umsetzung der geforderten
Integrationsförderung und deren Erfolg gegeben
werden kann.
„Für die Erteilung der
Aufenthaltserlaubnis zu bestimmten
Aufenthaltszwecken ist die Teilnahme
an einem Integrationskurs
Voraussetzung.“
Mit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG)
am 1.1.2005 wurde gegenüber dem zuvor geltenden
Ausländergesetz (AuslG) das Thema „Integration“
gesetzlich festgeschrieben. Die §§ 43 ff. AufenthG
legen die Förderung der Integration seitdem gesetzlich nieder. Bundesamt für Migration und Flücht-
Foto: Andrea Vollmer
linge sowie die örtlichen Ausländerbehörden sind
zunächst die hierbei Verpflichteten hinsichtlich
Angebots und Durchführung der Integrationskurse.
Eine Verpflichtung, an diesen Kursen teilzunehmen,
besteht nur bedingt.
§ 44 AufenthG spricht zunächst von einem Anspruch
des Ausländers, der innerhalb von zwei Jahren
verjährt. Für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis
zu bestimmten Aufenthaltszwecken wie Arbeitsaufnahme, bestimmte Formen des Familiennachzuges
sowie zur Erteilung aus humanitären Gründen ist
die Teilnahme an einem entsprechenden Kurs Voraussetzung. § 44a AufenthG verpflichtet zudem Betroffene, die sich nicht ausreichend in deutscher
Sprache verständigen können, zur Teilnahme an
einem Integrationskurs.
Ziel eines solchen Integrationskurses ist laut § 3 der
Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler (IntV)
zum einen die erfolgreiche Vermittlung von aus-
Thema
reichenden Kenntnissen der deutschen Sprache in
Form eines insgesamt 600 Stunden umfassenden
Basis- bzw. Aufbaukurses. An dessen Ende soll das
Bestehen des „Deutschtests für Zuwanderer“ stehen,
der die Sprachkompetenzen in den Fertigkeiten
Hören, Lesen, Schreiben und Sprechen auf den
Stufen A2 bis B1 des Gemeinsamen Europäischen
Referenzrahmens für Sprachen nachweist (§ 17 IntV).
Zum anderen sollen in einem weiteren, 45 Stunden
umfassenden Orientierungskurs Kenntnisse zur deutschen Geschichte, Gesellschaft und Kultur vermittelt
werden, um auf den Umgang mit deutschen Mitbürgern und Behörden vorzubereiten.
„Kosten des Integrationskurses: 645
Euro. Zu tragen durch den Ausländer.
Eine solche Summe aufzubringen,
stellt für die meisten Migranten eine
erhebliche Hürde dar.“
Problematisch ist die Kostentragungsverpflichtung:
Gemäß § 9 IntV ist pro Kursstunde 1 Euro zu zahlen,
so dass insgesamt 645 Euro an Kosten zusammenkommen. Befreit werden können Ausländer, die
Sozialleistungen nach dem SGB II bzw. SGV XII
erhalten. Eine solche Summe aufzubringen – selbst
bei Zahlung pro Kurseinheit – stellt für die meisten
Migranten eine erhebliche Hürde dar.
Nicht anspruchsberechtigt sind gemäß § 44 Abs. 2
AufenthG Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die eine schulische Ausbildung aufnehmen
oder ihre bisherige Laufbahn an einer Schule der
Bundesrepublik fortsetzen. Außerdem gilt dies für
Ausländer mit geringem Integrationsbedarf sowie
für Ausländer, die bereits über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen, wobei diese
Nichtberechtigung nur den Sprachkurs betrifft. Die
Teilnahmeberechtigung an den Orientierungskursen
bleibt davon unberührt.
„Das Konzept ist also da, die
Umsetzungsmöglichkeiten sicher
auch. Die Praxis sieht häufig leider
anders aus.“
Über die Teilnahme am Integrationskurs hinaus
bestimmt § 45 AufenthG eine Ergänzung durch weitere Integrationsangebote von Bund und Ländern,
insbesondere durch sozialpädagogische und migrationsspezifische Beratungsangebote. Das Bundesinnenministerium wird hier unter Beteiligung der
Länder und Kommunen, deren Ausländerbeauftragten sowie des Bundesbeauftragten für Ausländerfragen, ebenso wie der Religionsgemeinschaften,
Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, der Träger
der freien Wohlfahrtspflege sowie sonstiger gesellschaftlicher Interessenverbände zur Ausarbeitung
eines Integrationsprogramms verpflichtet (vgl. http://
www.bmi.bund.de/cae/servlet/contentblob/1303978
/publicationFile/96911/integrationsprogramm.pdf
vom September 2010). Beauftragt mit der Entwicklung des Integrationsprogramms ist das Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge (BAMF); es stellt insbesondere die Bereiche der sprachlichen Bildung, der
beruflichen Integration und der gesellschaftlichen
Integration in den Mittelpunkt der Arbeit. Der Grundsatz dabei: „Voneinander lernen – gemeinsam leben“
Das Konzept ist also da, die Umsetzungsmöglichkeiten sicher auch. Die Praxis sieht häufig leider
anders aus. Migranten, die sich seit Jahren in der
Bundesrepublik aufhalten, leben zumeist in ihrem
eigenen Lebenskreis. Dieser besteht häufig aus der
eigenen (größeren) Familie und den Freunden mit
gleichem oder ähnlichem Hintergrund. Man ist
„unter sich“ und bleibt es auch. Gerade in bildungsschwächeren Familien, teilweise auch bevölkerungsgruppenabhängig, kommt eine Aufklärung über
bestehende Angebote zur größeren Integration nicht
oder nur wenig an. Man hat schlichtweg keine Kenntnis von Förderungsmöglichkeiten, gerade weil es an
sprachlichen oder intellektuellen Fähigkeiten fehlt.
Soweit der Anreiz zum Erwerb der deutschen Sprache fehlt, weil sie zum einen Schwierigkeiten bietet,
zum anderen aber die Sprachkenntnisse in der
Parallelgesellschaft gar nicht benötigt werden, darf
es nicht verwundern, dass Sprachkurse nicht wahrgenommen werden – erst recht, wenn über sie nur
unzureichend aufgeklärt wird und sie auch einige
Kosten mit sich bringen.
Außerdem darf nicht verkannt werden, dass nicht
nur Migranten mit Aussicht auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis in der Bundesrepublik leben.
Die Zahl derjenigen, die aufgrund von Abschiebehindernissen nur eine Duldung besitzen, ist groß.
Diese Menschen haben gar keinen Anspruch auf
Teilnahme an den Integrationskursen. Man verwehrt ihnen von vornherein die Möglichkeit, die
Sprache zu erlernen und hierüber den Weg zur
Integration zu ebnen, da man an einer Verfestigung
des Betroffenen im Zuwanderungsland gar nicht
interessiert ist. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob
die Möglichkeit einer späteren rechtlichen Verfestigung besteht oder nicht. Freiwillig kümmern
sich die wenigsten Migranten darum, die Sprache
der neuen Wahlheimat zu erlernen.
Die Gründe sind offrensichtlich: Zum einen spricht
die Bezugsgruppe zumeist ohnehin dieselbe Sprache
– die Muttersprache; zum anderen würde Eigeninitiative voraussetzen, Kontakt zur Umwelt des Zuwanderungslandes aufzunehmen, was wiederum
an Sprachbarrieren scheitert; darüber hinaus wird
Betroffenen seitens der Behörden immer wieder
signalisiert, dass sie hier nicht erwünscht seien.
Erfahren die Betroffenen keine Hilfe von deutschen
Mitbürgern, die sich ihrer Situation annehmen, oder
von anderen Migranten, die bereits gute Erfahrungen mit Sprach- oder Integrationskursen ge-
macht haben, wird Eigenititiative – wiederum abhängig von einem gewissen Bildungsniveau – häufig ausbleiben. Der Grund: Angst. Angst vor dem
Unbekannten, Angst vor fehlender Akzeptanz.
„Man verwehrt ihnen von vornherein
die Möglichkeit, die Sprache zu
erlernen, da man an einer Verfestigung
des Betroffenen im Zuwanderungsland
gar nicht interessiert ist.“
In den Genuss einer speziellen Sprachförderung
kommen Kinder mit Migrationshintergrund in Kindergärten und Schulen. Die frühkindliche Sprachförderung bei solchen Kindern, die in ihren Familien oft nur ihre Muttersprache hören, soll den
Weg in die Schule und zu einer fundierten Bildung
erleichtern. Gerade zwischen Kindergärten und
Grundschulen erfolgt hier eine enge Zusammenarbeit. Darüber hinaus wird versucht, mehr Lehrer
und Lehrerinnen mit Migrationshintergrund in den
Schuldienst zu beordern. Haupthindernis dabei: Es
gibt vergleichsweise wenige Schüler mit Migrationshintergrund, die überhaupt die Allgemeine
Hochschulreife erlangen. Von diesen nehmen wiederum nur wenige ein Lehramtsstudium auf. Ohne
Integration keine Sprache und Bildung. Ohne Sprache und Bildung wiederum keine Integration – ein
Teufelskreis.
„Ohne Integration keine Sprache und
Bildung. Ohne Sprache und Bildung
keine Integration – ein Teufelskreis.“
Ebenso gelingt die erfolgreiche Integration am
Arbeitsmarkt vorwiegend denen, die entweder kein
Integrationsprogramm benötigen oder eine gute
Bildung aufweisen. Das Gros der Migranten fällt
auch hier in der Praxis durchs Raster. Erschwert wird
der Arbeitsmarktzugang insbesondere durch § 39
AufenthG. Dieser sieht für alle Migranten, die eine
Arbeitserlaubnis beantragen, eine Vorrangprüfung
durch die Arbeitsagentur vor. Ausnahmen gelten
lediglich für Zuwanderer, die nach § 25 Abs.1 und 2
AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erteilt bekommen, für Migranten, die
nach mindestens dreijährigem erlaubten oder geduldeten Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, für Menschen, die nach mindestens einjähriger Tätigkeit bei demselben Arbeitgeber die
Beschäftigung dort fortführen möchten, für minderjährig eingereiste Jugendliche mit einer Aufenthaltserlaubnis und deutschem Schulabschluss bzw.
abgeschlossener berufsvorbereitender Maßnahme
oder bei Aufnahme einer anerkannten Berufsausbildung und für besondere Tätigkeitsbereiche, die
spezielle Qualifikationen voraussetzen (vgl. „Inder in
der IT-Branche“). Gilt für den Migranten nach der
Beschäftigungsverordnung keine solche Ausnahme,
ist eine Vorrangprüfung durchzuführen.
ADVOICE 04 /11
31
Thema
Praktisch bedeutet das, dass der Migrant, wenn er
das Stellenangebot eines Arbeitgebers erhält, dort
nicht einfach anfangen kann. Zunächst muss er eine
Arbeitserlaubnis bei der zuständigen Ausländerbehörde beantragen. Der Vorgang wird daraufhin an
die Bundesagentur für Arbeit abgegeben, die das
Stellenangebot zunächst dahin überprüft, ob der
Migrant zu den gleichen Arbeitsbedingungen beschäftigt werden soll wie ein vergleichbarer deutscher Arbeitnehmer, insbesondere zu dem ortsüblichen Lohn. Ist das der Fall, wird der Arbeitgeber
aufgefordert, einen Vermittlungsauftrag zu erteilen,
woraufhin einige Wochen lang bevorrechtigte Arbeitslose an ihn vermittelt werden. Dazu gehören
Deutsche und Ausländer mit unbeschränkter Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit, insbesondere EU-Bürger.
Nur bei ausreichend überzeugender Begründung des
Arbeitgebers, dass die jeweils Bevorrechtigten ungeeignet für die Stelle waren, wird die Zustimmung
zur Erteilung der Arbeitserlaubnis erteilt und der
Vorgang der Ausländerbehörde rückübergeben.
„Die meisten Arbeitgeber werden
sich auf eine Mehrbelastung sowie
die entstehende Zeitverzögerung
nicht einlassen.“
Problematisch ist es für den Arbeitgeber vor allem,
fundiert zu begründen, weshalb die vermittelten
bevorrechtigten Arbeitssuchenden für eine Einstellung nicht in Frage kamen. Häufig kann dieses
Problem nur dadurch gelöst werden, dass der
Arbeitgeber in Zusammenarbeit mit dem Migranten
das Stellenprofil derart detailliert beschreibt und
ausarbeitet, dass nur der fragliche Migrant für eine
Einstellung in Betracht kommt.
Die meisten Arbeitgeber werden sich jedoch auf die
dadurch entstehende Mehrbelastung sowie die entstehende Zeitverzögerung nicht einlassen. Gerade
bei Tätigkeiten, die keine bestimmte Qualifikation
benötigen, wird es nur selten zu einer positiven Vorrangprüfung durch die Arbeitsagentur kommen.
Ergebnis ist in den meisten Fällen, dass die Arbeitsaufnahme als Integrationsbaustein frühestens drei
Jahre nach Einreise in die Bundesrepublik erfolgen
kann – ein Zeitpunkt, zu dem sich – vorwiegend eigenkulturelle – gesellschaftliche Kreise bereits gebildet und eine gewisse Verwurzelung darin vorhanden
ist; die Parallelgesellschaft ist bereits gewachsen.
Bei der Bildungsförderung soll bei den Migranten eltern angesetzt werden, damit durch diese eine
Förderung der Kinder erfolgen kann. Das Integrationsprogramm des BMI räumt ein, dass gerade bei
Eltern Hemmungen bestehen, das Angebot wahrzunehmen. Die Praxis zeigt jedoch auch, dass die Beratung zu den bestehenden Angeboten oft ausbleibt,
genauso wie das Bemühen, den Migranten ihre
Angst zu nehmen – die Angst davor, sich zu öffnen,
sich im fremden Land von Bekanntem zu lösen.
Die gesellschaftliche Integrationsförderung soll durch
Öffnung der Verbände, durch bürgerliches Engagement der Betroffenen in Migrantenorganisationen
und deren Einbindung in die „kulturelle, soziale, mediale, bürgerschaftliche, sportliche Infrastruktur“
umgesetzt werden. Das funktioniert, solange der
Einzelne bereit ist, sich zu engagieren und sich auf
die multikulturelle Gesellschaft und ihr Zusammenwirken einzulassen. Die Existenz der Parallelgesellschaften mit eigenen Gemeinden und Vereinen
jedoch lässt ein Öffnen und Aufbrechen der gesellschaftlichen und kulturellen Strukturen oft nicht zu.
Sprache und Bildung sind Voraussetzungen für eine erfolgreichen Integration.
32
ADVOICE 04 /11
Fazit
Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Integration liegt
sicher in Sprache und Bildung und in deren Förderung. Insofern ist eine Notwendigkeit der Orientierung an der „deutschen Leitkultur“ wohl gegeben.
Angebote zur Umsetzung sind ebenfalls vorhanden.
Soweit aber nur unzureichend darüber aufgeklärt
wird, werden diese Angebote häufig nur von denjenigen wahrgenommen, die eine Integration vermutlich auch ohne gesonderte Förderung bewältigen
würden, weil das Interesse an und die Einsicht in
die Notwendigkeit von Integration vorhanden sind.
Diejenigen aber, die aufgrund von Sprach- oder
Bildungsdefiziten die Angebote nicht kennen oder
nicht für notwendig erachten, erreicht die gewünschte Förderung zumeist nicht, da häufig Angst
vor den deutschen Behörden und der deutschen
Gesellschaft eine Öffnung verhindert. Zumeist sind
das die Mandanten, die um den Erhalt oder die
Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis kämpfen
und sich nur deshalb zum Anwalt wagen, weil es der
letzte Strohhalm ist, den sie ergreifen. Die Vertrauensbildung ist hier häufig schwer und damit auch
die Zusammenarbeit. Um Sprache und Bildung als
Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration fördern zu können, muss daher in vielen Fällen zunächst Vertrauen wachsen. Dieser Aspekt wurde in
dem Integrationsprogramm überhaupt nicht berücksichtigt. Die Orientierung an einer „Leitkultur“
alleine reicht nicht, auch wenn sie einen Schlüssel
zur erfolgreichen Integration darstellen mag. Ohne
Vertrauen in die neue Umwelt aber wird dieser
Schlüssel keine einzige Tür öffnen.
RAin Elke Dausacker, Netphen
Foto: Rainer Sturm_pixelio.de
Thema
Gibt es ein Recht auf Kultur?
Eine Bestandsaufnahme - vom Existenzminimum bis zum Bildungspaket
Selbst den Juristen fällt die Definition des Begriffs „Kultur“ schwer. Nach einem expliziten
„Recht auf Kultur“ sucht man daher im deutschen Recht vergeblich. Allerdings enthält die
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ein
Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben.
Gemäß § 27 dieses Regelungswerks hat jeder
Mensch das Recht, am kulturellen Leben der
Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich der Künste
zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Wohltaten teilzuhaben.
Nun entfalten die Regelungen der im Jahr 1948 von
der UN-Generalversammlung verabschiedeten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte keine unmittelbare Bindungswirkung für die einzelnen Mitgliedsstaaten. In den Vertragsstaaten gelten jedoch
unmittelbar die Regelungen des Internationalen
Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Rechte, der 1966 von der UN-Generalversammlung
verabschiedet und 1976 von den teilnehmenden
Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde. Dieser Pakt, dem
auch die Bundesrepublik Deutschland beigetreten
ist, garantiert dem Einzelnen in Art. 15 ein Recht
auf Teilnahme am kulturellen Leben.
Keinen Eingang gefunden hat das Recht auf Teilhabe an der kulturellen Gemeinschaft in die Europäische Menschrechtskonvention (EMRK). Grund
dafür ist die europäische Tradition, nach der vor
allem bürgerliche und politische Rechte als Menschenrechte angesehen werden. Kulturelle und soziale Rechte wurden, dieser Tradition folgend, nicht
in den Menschenrechtskatalog der EMRK aufgenommen.
Gleiches gilt für das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, in dem der Leser ein „Recht auf
Kultur“ ebenfalls vergeblich sucht. Vielmehr wird
hier das Recht auf Teilhabe am kulturellen Leben
aus Art. 1 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatspostulat
des Art. 20 GG abgeleitet, die Einfluss auf das einfache Recht haben. Beispiele hierfür sind vor allem
im sozialen Bereich zu finden.
So bildet z. B. das Existenzminimum die Grundlage
bei der Berechnung des Sozialhilfesatzes. Als Exis tenzminimum wurden dabei zunächst die Mittel
bezeichnet, die zur Befriedigung der materiellen
Bedürfnisse erforderlich sind. Erfasst waren also
nur die Mittel, die ein physisches Überleben sichern
sollten. Mittlerweile haben die Sozialgerichte jedoch
auch ein sogenanntes soziokulturelles Existenzminimum anerkannt. Danach umfasst das Exis-
tenzminimum auch solche Mittel, die bei sparsamer Verwendung zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erforderlich sind. Bei der Berechnung
des Satzes für die einer Person zustehenden Sozialleistungen sind daher z. B. auch die Kosten für
eine Tageszeitung, einen Rundfunkanschluss sowie
einen Zugang zum Internet zu berücksichtigen.
Dass allein mit den Mitteln der Sozialhilfe kein Zugang zu kulturellen Einrichtungen gewährleistet
sein kann, haben auch viele Städte und Gemeinden
erkannt. Dort erhält ein Mensch aus sozial schwachen Verhältnissen unter Vorlage seines entspre chenden Leistungsbescheids besondere Vergünstigungen auf den Eintritt zu Museen und städtischen Einrichtungen sowie auf Theaterkarten.
Auch die Leistungen des sogenannten „Bildungspakets“ für Kinder aus sozial schwachen Familien
sehen Mittel vor, die den Kindern z. B. die Teilnahme
am Vereinsleben oder den Besuch einer Musikschule ermöglichen sollen. Glaubt man der Statistik, ist eine starke Nachfrage nach diesen Leistungen jedoch bislang ausgeblieben.
Ein weiteres Beispiel für den Einfluss des Rechts
auf Teilhabe am kulturellen Leben findet sich im
Sozialgesetzbuch IX, das Regelungen zur Integration behinderter Menschen enthält. Gemäß § 55
Abs. 1, Abs. 2 Nr. 7 SGB IX werden dabei Leistungen
erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen
oder sichern, insbesondere haben behinderte Menschen dabei Anspruch auf Hilfestellungen zur
Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen
Leben. Diese Hilfen umfassen gemäß § 58 SGB IX
vor allem Hilfen zur Förderung der Begegnung und
des Umgang mit nichtbehinderten Menschen, Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder
kulturellen Zwecken dienen, sowie die Bereitstellung von Hilfsmitteln, die der Unterrichtung über
das Zeitgeschehen oder über kulturelle Ereignisse
dienen, wenn wegen Art oder Schwere der Behinderung anders eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht oder unzureichend möglich ist.
In vielen, zumeist öffentlichen, Bereichen gibt es
diese Hilfestellungen bereits: So können Menschen
mit Behinderung von der Zahlung der Rundfunkgebühren befreit werden; die Internetangebote
öffentlicher Stelle müssen barrierefrei gestaltet
sein; öffentliche Kultureinrichtungen müssen Zugänge für Rollstuhlfahrer vorhalten; Bücher wer -
Hinter den Kulissen.
Foto: Henning Hraban Ramm
den in Blindenschrift oder als Hörbuch produziert;
Theater halten mit einer Induktionsschleife ausgestattete Sitzplätze für Hörbehinderte bereit. Sind
die Bemühungen zur Integration behinderter Menschen in das kulturelle Leben im öffentlichen Bereich oftmals sehr ausgeprägt, fehlen sie im privaten Bereich jedoch fast vollständig.
Auch hier zeigt sich also, dass allein das Bestehen
des Rechts auf eine Leistung noch nicht zu dessen
Verwirklichung führt. Um dem Recht jedes Einzel nen auf Teilhabe am kulturellen Leben sicherzustellen, bedarf es daher noch vieler Schritte.
RAin Astrid Ackermann, Frankfurt/M.
ADVOICE 04 /11
33
Magazin
Vorgelesen und genehmigt ...
und erst viele Stunden später das Gericht verlassen
Landgericht Berlin, Tegeler Weg, September 2011,
ein typischer Gerichtssaal. Die Terminsrolle zeigt
nur einen Termin. Das ist ungewöhnlich, aber
nachvollziehbar, geht es doch „nur“ um eine
einstweilige Verfügung in einem Äußerungsstreit. Das wurde bestimmt schnell dazwischengeschoben von der Kammer, die sonst für Arzthaftungsrecht zuständig ist.
Nach gefühlten drei Stunden beginnt die Befragung des Büroleiters, die nach gefühlten weiteren
drei Stunden immer noch nicht zu Ende ist. Auch
hier das gleiche zeitraubende Prozedere von befragen, diktieren, vorspielen, streiten, spulen, ändern, genehmigen. Ein Ende ist noch lange nicht in
Sicht, die vorsichtige Anregung zur Vertagung
bügelt der Richter kurz ab.
Die Gegenseite, Antragsteller in dem Verfahren,
steht auf dem Flur. Sie hat einen präsenten Zeugen dabei. Mal sehen, ob der überhaupt vernommen
wird. Wir haben unseren Referendar mitgebracht.
Das Ganze könnte schnell gehen, denn wir haben
Verweisungsantrag zum Arbeitsgericht gestellt. Die
ehemalige Mitarbeiterin war nach unserer Auffassung scheinselbständig. Dann ist aber das Arbeitsgericht zuständig für Äußerungen über den ExChef gegenüber Dritten. Zudem kann man bei der
Anrufung eines falschen Gerichts auch sehr gut
über die Dringlichkeit diskutieren, wenn der Verweisungsantrag erfolgreich ist. Das wäre ebenfalls
in unserem Interesse.
Auch die Antragsgegnerin darf noch zu Wort kommen, aber erst, nachdem im Büro alle Termine für
heute abgesagt und die Familienplanung umorganisiert wurde. Die Zeit ist zu kurz, um zu allen aufgeworfenen Punkten Stellung zu nehmen. Die Befragung des Büroleiters hatte ja schon bis zum
Nachmittag gedauert. Irgendwann stürmt der Gerichtsdiener/Wachdienst in den Gerichtssaal, ist
verwundert, dass noch jemand da ist und klärt mit
dem Richter, wie wir das verwinkelte Gebäude verlassen könnten, da er jetzt abschließen müsse. Zirka
19 Uhr verlassen wir gemeinsam durch die Hintertür das Gericht, der Referendar ist hungrig wie ein
Wolf und ich muss am nächsten Tag das Gespött
im Büro ertragen.
Die Verhandlung beginnt mit dem Hinweis, dass
erst einmal die Zuständigkeit geklärt werden müsste.
So weit, so vorhersehbar. Statt zu den beanstandeten Äußerungen darf der Antragsteller nun alles
über seine Geschäft als Immobilienmakler, wo er
„freie Makler“ für sich arbeiten lässt, erzählen. Feste
Arbeitszeiten werden gern gesehen, die Software
stammt vom ihm, die Antragsgegnerin sollte auch
mal Vorträge ausarbeiten. Kern der Tätigkeit ist es,
Immobilienexposees zu erstellen und an Kaufinteressenten zu vermitteln, Immobilienverkäufer zu
akquirieren und zu betreuen sowie die Besichtigungen durchzuführen. Dafür darf der freie Makler
50 Prozent der Provisionen behalten. Doch diese
Provisionen waren nicht in jedem Fall bei den freien
Maklern angekommen. Darüber hatte sich die ExMitarbeiterin beim zuständigen Verband beschwert.
Der Antragssteller-Ex-Chef, dessen vermeintliche
„Machenschaften“ die Ex-Mitarbeiterin aufs Korn
genommen hatte, erzählt und erzählt und erzählt,
zwischendurch auch mal einen Witz vom Fritzchen,
damit es der Richter auch ja richtig versteht. Der
Richter diktiert alles sofort und spielt es zur Genehmigung vor. Die Anwälte streiten hin und wieder
um eine Formulierung, wie sie nun konkret gefallen
ist oder nicht. Gerade im Äußerungsrecht kann es
auf die Feinheiten zwischen den Zeilen ankommen.
Die Diktatbänder füllen sich und sind bereits mehrfach gewechselt worden.
34
ADVOICE 04 /11
Und was kommt raus bei so einer Mammutsitzung?
Eine Verweisung an das Arbeitsgericht, ein 25seitiges Protokoll und eine völlig durcheinandergewirbelte Bürowoche. Dennoch: Der Referendar
war begeistert, da er mal eine „richtige mündliche
Verhandlung“ erleben durfte und die Mandantin
auch. Sie hat ja auch richtig was bekommen für
„ihr Geld“. Schade nur, dass es das Geld der Staatskasse ist und PKH-Antrag gestellt ist (über den noch
Eingangsportal des Landgerichtes Berlin am Tegeler Weg.
nicht einmal entschieden wurde, weil das Sache
des zuständigen Gerichts ist). Derzeit liegt die Akte
aufgrund der Beschwerde beim Kammergericht.
Wir werden berichten.
Falls jedes Gericht künftig unangekündigt einen
ganzen Tag über die Frage der Zuständigkeit verhandelt, sollten die Anwaltsgebühren verzehnfacht
werden. Die Zahl der Richter von gut 20.000 könnte glatt verdoppelt werden.
Um es vorwegzunehmen, ja, der Richter hatte eine
Unterbrechung gemacht für eine Mittagspause,
aber nur kurz, für ein Brötchen hat es gereicht, für
ein warmes Essen jedoch nicht. Der Referendar war
so nett, in der Zeit Beweise zu kopieren.
Doch was macht der Anwalt in einem solchen Fall,
wenn er ein Flugticket in der Tasche hat, das Gericht
aber nicht fertig wird, aber Anwaltszwang besteht?
Lösung bitte an: redaktion@davforum.de
RA Tobias Sommer, Berlin
Was habt Ihr erlebt bei Gericht, welche Urteile,
die die Welt aus den Angeln heben oder die
Anwaltschaft bewegen? Schreibt uns zu der
Rubrik Gericht des Monats! In jeder Ausgabe
küren wir ein „Gericht des Monats“.
Foto: Andrea Vollmer
Magazin
Virtuelle Tupperparty – Gefahr für private Daten
Facebook & Co – Social Media und der Datenschutz
Am 19. August 2011 kündigte der Landesdatenschutzbeauftragte Dr. Thilo Weichert vom
Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz
Schleswig-Holstein an, dass vorerst alle Schleswig-Holsteiner, die einen Facebook-Like-Button
auf ihrer Website verwenden, mit Abmahnungen
und sogar Geldstrafen von bis zu 50.000 Euro
rechnen müssen.
Viel wird in den Medien über Datenschutz gesprochen, aber die wenigsten Internetnutzer wissen
überhaupt, was technisch im Hintergrund abläuft
und warum Facebook & Co vor allem für Unternehmenswebseiten so wichtig sind. Die Berliner
Internetagentur „celdro media“ wird bei ihrer täglichen Arbeit immer wieder mit der Problematik der
Nutzung von Social-Plug-ins (SPI) konfrontiert, so
dass sich die beiden Geschäftsführer Sandro Brzinsky
und Marcel Metscher freundlicherweise zu einem
Interview bereit erklärt haben.
A: Was passiert beim Aufruf einer Seite mit
einem SPI?
cm: Zunächst sei erklärt, dass es sich bei den
Facebook & Co-Buttons um Plug-ins handelt. Ein
Plug-In ist dabei ein Programm, das über eine
definierte Datenschnittstelle in ein anderes Programm eingebunden wird. Beim Aufruf einer Seite
mit z. B. einem Facebook-Button wird sofort eine
Anfrage an den Facebook-Server in den USA gestellt, wodurch der Like-Button auf der Seite geladen wird. In diesem Moment besteht die Möglichkeit, dass Nutzerinformationen durch Facebook
abgerufen und auch gespeichert werden können.
Um welche Daten es sich dabei handelt, dazu enthält sich Facebook & Co. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass zumindest die IP-Adresse übermittelt wird. Problematisch ist hierbei, dass auch
Daten von Nutzern, welche nicht bei Facebook &
Co angemeldet sind, übermittelt und gespeichert
werden können. Es sind also alle Nutzer der jeweiligen Seite betroffen. Auf die Datenübermittlung
kann der Internetnutzer selbst keinen Einfluss
nehmen, es sei denn, er verwendete einen sogenannten Add-Blocker – in Form eines Plug-ins –
für seinen Browser. Hierdurch werden die Buttons
von Facebook & Co blockiert und somit auch die
Datenübertragung.
A: Warum ist dann der Aufschrei der Datenschützer so groß, obwohl jeder Internetnutzer
die Möglichkeit hat, Add-Blocker zu nutzen?
cm: Die obersten Aufsichtsbehörden für den
Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich, der
sogenannte Düsseldorfer Kreis, hat 2009 beschlossen, dass das Telemediengesetz (TMG) von Webseitenbetreibern bei der Erstellung von Nutzungsprofilen zu beachten ist. Hierdurch erklärten die
Aufsichtsbehörden, dass sie auch IP-Adressen als
personenbezogene Daten ansehen. Der Diensteanbieter darf gemäß § 12 Abs. I TMG personenbezogene Daten nur erheben und verwenden,
soweit der Nutzer eingewilligt hat. Die Anforderungen an diese Einwilligung ergibt sich aus § 13
TMG. Durch die Übermittlung der IP-Adresse könnte der jeweilige Webseitenbetreiber als „Störer“ für
eine rechtswidrige Datenverarbeitung verantwortlich sein. Störer ist dabei derjenige, welcher eine
Rechtsverletzung fördert oder ermöglicht, hier also
durch einen Verstoß von zumutbaren Prüfungspflichten.
A: Warum ist Social Media für Unternehmenswebseiten so wichtig?
cm: Social Media ist vergleichbar mit einer übergroße „Tupperparty“ bei der man seine ganzen
„Freunde“ einladen kann. Ein Unternehmen wird
hierdurch immer transparenter und es entsteht
eine „Mitmach-Politik“, das heißt, Menschen, die
Teil eines Sozialen Netzwerkes sind, werden dadurch
Teil einer großen Gemeinschaft. Dies stärkt die
Marke eines Unternehmens, dessen Bekanntheit
und Neukunden können hierdurch gewonnen werden. Mit anderen Worten, Social Media ist Werbung für ein Unternehmen, das dafür keinen Cent
ausgeben muss. Der Einflussbereich von Sozialen
Netzwerken steigt zudem von Jahr zu Jahr, sodass
es für Unternehmen praktisch unumgehbar ist, sich
auf diesen Plattformen anzumelden und diese mit
ihren Webseiten zu verknüpfen.
A: Wie könnte der Konflikt zwischen Webseitenbetreibern und den Datenschützern gelöst
werden?
cm: Um beide Seiten zufriedenzustellen, besteht
unserer Ansicht nach lediglich die Möglichkeit, Buttons zu verwenden, welche bei Aufruf der Internetseite noch keine Funktion entfalten. Das bedeutet,
dass zum Zeitpunkt des Seitenaufrufes noch keine
Datenübermittlung zu oder von Facebook & Co
stattfindet. Hierzu kann ein Image, das heißt ein
Button ohne Funktion, auf die Webseite eingebunden werden. Dabei ist aber darauf zu achten, dass
für das Image kein Orginal Button nachgeahmt
wird, denn dies würde wiederum gegen die Nutzungsbedingungen von Facebook & Co verstoßen.
Wenn der Nutzer auf das Image klickt, wird erst der
eigentliche Button geladen. Hierdurch kann jeder
frei entscheiden, ob er mit der Datenübermittlung
einverstanden ist. Nachdem der voll funktionstüchtige Button geladen wurde, kann nunmehr durch
einen erneuten Klick zum Beispiel ein „Gefällt mir“
oder „+1“ abgegeben werden. Diese 2-Klick-Lösung
sollte nach dem aktuellen Kenntnisstand den Anforderungen des Datenschutzes genügen.
Das Gespräch führte
RAin Christine Frey, Berlin
Info
Für die 2-Klick-Lösung hat celdro media ein
kostenloses Tutorial auf seiner Internetseite
zur Verfügung gestellt:
> www.celdro-media.de/neuigkeiten/
datenschutzkonformer-like-button.html
Diese 2-Klick-Lösung entbindet den Webseitenbetreiber aber nicht davon, eine entsprechende Datenschutzerklärung auf seiner
Internetseite zu haben. Eine solche findet
sich auf:
> www.anwaltskanzlei-frey.de/facebookbuttons.html.
Facebook guckt, wer wo guckt.
Foto: Alex. Klaus_pixelio.de
ADVOICE 04 /11
35
Magazin
Die Katzen der Frau Ahafzi
Unheimliche Tierschwemme beim Kleinen Muck – heute: Animal Hoarding
Ursache für dieses Bedürfnis, gebraucht zu werden,
ist die starke soziale Isolation der Betroffenen.
Nach einer aus den USA stammenden Statistik des
Hoarding of Animals Research Consortium aus dem
Jahr 1999 sind mehr als drei Viertel der Tierhorter
weiblichen Geschlechts, fast die Hälfte ist älter als
60 Jahre, fünfzig Prozent leben allein. Drei Fünftel
der Betroffenen nehmen ihr Verhalten nicht als
Problem wahr.
Wie aber findet man heraus, ob wirklich ein Fall der
Tierhortung vorliegt? Die Akademie für Tierschutz
hat in ihrer „Checkliste für das Vorliegen eines echten Falls von Tierhortung“ drei Kriterien angegeben,
deren Vorliegen auf Tierhortung hindeutet:
1. Es wird mehr als die durchschnittliche Zahl an
Tieren gehalten (bis ca. drei Hunde, ca. drei bis
vier Katzen, ca. fünf Nager usw.).
Gefangen.
Damit die Tiere nicht weiter leiden müssen, können
sie gemäß § 19 Abs. 1 TierSchG eingezogen werden.
Außerdem kann das Gericht dem Tierhalter gemäß § 20 Abs. 1 TierSchG zur Vermeidung weiterer
Rechtsverstöße die Tierhaltung ganz oder teilweise
verbieten.
Foto: Deutscher Tierschutzbund e.V.
Eigentlich hatte sie es ja nur gut gemeint, die
73-jährige Hamburgerin, die sich immer wieder
alter Hunde annahm. Eigentlich. Am Ende lebte
sie in ihrem kleinen Einfamilienhaus mit über 50
Hunden zusammen, die Namen aller Tiere kannte sie schon lange nicht mehr auswendig und
die Futterkosten überstiegen ihre kleine Rente
bei Weitem. Die Probleme häuften sich: Die
Tiere waren unterernährt, ihre medizinische Versorgung war schlecht, zwischen Müll und Kot
fanden sich Hundekadaver. Der Amtstierarzt
musste intervenieren, ein Einsehen für die Situation der Tiere hatte die Dame allerdings nicht.
Fälle wie dieser häufen sich in letzter Zeit vor allem
in Großstädten. Definiert ist die Tierhortung (neudeutsch auch Animal Hoarding) als psychische Störung, die zum unkontrollierten Halten und Sammeln
von lebenden Haustieren führt. Dass die Pflege des
einzelnen Tieres dabei auf der Strecke bleibt, liegt
auf der Hand.
Fragt man die Betroffenen nach ihren Gründen, so
geben diese häufig an, sie hätten den Tieren nur
helfen wollen. Tatsächlich nehmen Tierhorter häufig alte oder kranke Tiere bei sich auf. Das Horten
von Tieren ist also eine Ausprägung des Helfersyndroms; immer mehr Tiere bei sich aufzunehmen,
vermittelt den Betroffenen ein Glücksgefühl, das
sie sich auf andere Weise schwer oder überhaupt
nicht mehr verschaffen können.
36
Verstöße gegen das Tierschutzgesetz stellen eine
Ordnungswidrigkeit dar und sind im schlimmsten
Fall sogar strafbar. So kann gemäß § 18 Abs. 1 Nr.1
TierSchG mit einem Bußgeld von bis zu 25.000
Euro belegt werden, wer ohne vernünftigen Grund
vorsätzlich oder fahrlässig einem von ihm gehaltenen oder betreuten Wirbeltier erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt. Dauern die
Schmerzen und/oder Leiden des Tieres über einen
längeren Zeitraum an oder treten sie wiederholt
auf, kann der Tierhalter gemäß § 17 Nr. 2b TierSchG
sogar zu einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt werden.
ADVOICE 04 /11
2. Bezogen auf das Platzangebot leben zu viele
Tiere in den Räumlichkeiten oder auf dem Gelände des Tierhalters.
3. Der Tierhalter zeigt trotz überdurchschnittlich
hoher Tierzahl und zu geringem Raumangebot
keine Einsicht, dass der Tierbestand reduziert
werden muss.
Dass der Nachbar ein Problem mit dem Horten von
Tieren hat, wird oftmals erst dann bemerkt, wenn
der von den Tieren verursachte Lärm oder Dreck
überhand nimmt. Dann gilt es angemessen zu reagieren, denn das Horten von Tieren verstößt gegen
das Tierschutzgesetz.
Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss
das Tier gemäß § 2 Tierschutzgesetz seiner Art und
seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen
ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. Er darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass
dem Tier Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder
Schäden zugefügt werden. Außerdem muss der
Tierhalter über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen. Diese Voraussetzungen erfüllt ein
Tiersammler schon auf Grund der Tatsache, dass er
Tiere sammelt, nicht mehr.
So viel zur Theorie. In der Praxis gestaltet sich die
rechtliche Verfolgung des hortenden Tierhalters
äußerst schwierig. Tiersammler schotten sich nach
außen ab, lassen keinen Blick auf ihren Tierbestand
zu. Entsprechend schwierig ist es für die zuständigen Veterinärämter und Amtstierärzte, sich Zutritt zu den Räumlichkeiten des Tierhalters zu
verschaffen. Oftmals muss das Betreten der Wohnung oder des Grundstücks von der Staatsanwaltschaft angeordnet werden. Erst dann ist es den
Amtstierärzten und Mitarbeitern der Veterinärämter möglich, sich einen Eindruck vom Gesundheitszustand der Tiere zu verschaffen und die geeigneten Maßnahmen zur Behebung der Zustände
einzuleiten. Oftmals sind viele erfolglose Gespräche
mit dem Tierhalter und die mehrfache Verhängung
von Bußgeldern gegen den Tierhalter erforderlich,
bevor die Tiere eingezogen werden können. Ein
Tierhaltungsverbot kann dabei nur als ultima ratio
angeordnet werden, wenn alle milderen Maßnahmen versagt haben.
Tiere, die dem Tierhorter entzogen wurden, werden
zunächst im Tierheim untergebracht. So geschah
es auch den Hunden der Rentnerin im eingangs
erwähnten Beispiel, die später trotz ihres Alters an
neue Besitzer vermittelt werden konnten. Zwei
kleine Hunde durfte die alte Dame allerdings behalten, auf deren Zustand haben die Mitarbeiter
des örtlichen Tierschutzvereins seitdem aber ein
wachsames Auge.
RAin Astrid Ackermann, Frankfurt/M.
Magazin
Gericht des Monats
Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig
Die Einsicht nach IFG (Informationsfreiheitsgesetz) in amtliche Informationen können nicht
mit der Begründung abgelehnt werden, dass die
Unterlagen die Regierungstätigkeit betreffen.
Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Anfang November in zwei Fällen entschieden.
In den beiden Fällen ging es um hausinterne
Unterlagen zu einem Gesetzgebungsverfahren
sowie Stellungnahmen gegenüber dem Petitionsausschuss, ausgerechnet beim Bundesjustizministerium.
Der Pressemitteilung des BVwerG ist zu entnehmen, dass die Revisionen der beklagten
Bundesrepublik zurückgewiesen wurde. Auch
das Bundesjustizministerium gehöre zu den zur
Auskunft verpflichteten Behörden.
Fotos: BVwerG / André Karwath
Eine Unterscheidung zwischen dem Verwaltungsund dem Regierungshandeln eines Ministeriums sei im Gesetz nicht angelegt und auch
nach dem Gesetzeszweck nicht gerechtfertigt.
Das klingt gerade so, als ob das Ministerium die
Möglichkeit gehabt hätte, diese Unterscheidung
„im Gesetz anzulegen“. Es komme auch nicht
darauf an, so die Richter, dass das Ministerium
mit der Abgabe einer Stellungnahme gegenüber
dem Petitionsausschuss eine verfassungsrechtliche Verpflichtung erfülle. Auch die im IFG geregelten Versagungsgründe stünden dem Anspruch der Kläger nicht entgegen. Insbesondere
könne sich das Ministerium hier nicht auf den
Schutz der Vertraulichkeit von Beratungen berufen.
LIEBES
FORUMSMITGLIED,
MACH MIT!
Sende uns Dein „Gericht des
Monats“, d. h. ein hochauflösendes Foto, dessen Rechte Du besitzt, und eine kurze
Geschichte dazu, je bedeutsamer, ungewöhnlicher oder
auch skurriler desto besser.
{
> redaktion@davforum.de
ADVOICE 04 /11
37
Magazin
Gegen doppelte Beitragspflicht
FORUM setzt sich für Befreiung der Syndikusanwälte von DRV-Beitragspflicht ein
„Normal“ sind sie nicht – die Syndikusanwälte
und -anwältinnen, jedenfalls nicht nach Meinung der Deutschen Rentenversicherung (DRV).
Sind sie deshalb etwas besonderes? Nein – deshalb nicht. Sie sind Rechtsanwälte. Nicht mehr
und nicht weniger. Im Detail gibt es heute allerdings – wie bei den „normalen“ Anwälten auch
- viele Erscheinungsformen. Da es eine gesetzliche (besondere) Definition nicht gibt, musste
der BGH aushelfen. Syndikusanwalt ist, wer als
Rechtsanwalt in einem ständigen Dienst- oder
ähnlichen Beschäftigungsverhältnisses seine
Arbeitszeit und -kraft einem Auftraggeber (Unternehmen, Verband, etc.) zur Verfügung stellt
(so auch BGHZ 141, 69, 71).
Tagung der Syndikusanwälte in Berlin.
38
ADVOICE 04 /11
Eine Regelung zur Rentenversicherungspflicht entzweit seit langem die Beteiligten. Die Regelung des
§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI eröffnet für angestellte
Rechtsanwälte bei einem sogenannten „nichtanwaltlichen Arbeitgeber“ die Möglichkeit, nicht in
die DRV sondern in ihr Versorgungswerk einzuzahlen, um eine doppelte Beitragslast zu vermeiden. In vielfachen Verfahren und verstärkt seit 2009
wird die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht allerdings durch die DRV sehr
restriktiv gehandhabt. Auch langjährig befreite
Kollegen berichten, dass seither der Wind ein anderer ist und immer wieder unerklärliche, ablehnende Bescheide mit Standardformulierungen die
Betroffenen erreichen. Dabei stellt die DRV teil-
weise Kriterien auf, die weder im eigenen Merkblatt
stehen, noch sich einer gesetzlichen Grundlage
rühmen können. Schließlich versucht sich, unter
deutlicher Überschreitung der Prüfungskompetenz,
die DRV immer wieder an den Kompetenzen der
jeweiligen örtlichen Kammern, indem auch unter
Hinweis auf § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO die Versagung
der Befreiung begründet wird. Indes bestätigen im
Gegenteil gerade die Kammern bei der Anzeige
einer weiteren Tätigkeit nach § 56 BRAO die Vereinbarkeit durch ein eigenes Schreiben, in dem auch
noch auf die §§ 45, 46 BRAO hingewiesen wird.
Betroffen sind mit den Syndikusanwälten wohl gut
15 Prozent der deutschen Anwaltschaft (10-12Prozent:
Foto: Andrea Vollmer
Magazin
Gaier/Wolf/Göcken – Huff, Anwaltliches Berufsrecht,
Kommentar 2010, § 46 Rn. 5; Schmucker, STAR: Die
Berufssituation von Syndikusanwälten, AnwBl 2003,
65). Mehrere hundert gerichtliche Verfahren laufen,
viele Kollegen sind auch aufgrund stereotyper Formulierungen in Ablehnungsbescheiden entmutigt,
klagen nicht nach Erhalt des Widerspruchsbescheides oder nehmen Anträge bereits im Verwaltungsverfahren zurück.
Voraussetzung für die Befreiung in der DRV ist nach
Auffassung der DRV eine „anwaltliche Tätigkeit” im
Unternehmen. Und um diese tätigkeitsbezogene
Definition (im Gegensatz zum Status „Rechtsanwalt“) dreht sich die Diskussion.
Die berufstypische Tätigkeit eines Rechtsanwalts im
Unternehmen wird nach dem Merkblatt der DRV
zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft der berufsständischen Versorgungswerke (ABV) anhand von
vier kumulativ erforderlichen Merkmalen beschrieben:
Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung. Der nichtanwaltliche
Arbeitgeber eines Rechtsanwalts muss diese Merkmale eines bei ihm anwaltlich tätigen Angestellten
konkret beschreiben und entsprechend bescheinigen. Liegen die Voraussetzungen vor, so ist der
Rechtsanwalt von der Versicherungspflicht in der
DRV zu befreien. Auf keinen Fall darf deshalb eine
Phantasieerklärung abgegeben werden unter formelhafter Wiederholung der im Merkblatt genannten
Konkretisierungen. Gerade bei der Formulierung der
Arbeitgeberbestätigung ist größte Sorgfalt geboten.
Was darf die DRV bei Antragstellung verlangen?
1. Arbeitsvertrag
2. aussagekräftige Stellen- und Funktionsbeschreibung des Arbeitgebers, z. B. mit erteilten Vollmachten etwa nach § 54 HGB
3. Nachweis, dass die Tätigkeit mit dem Anwaltsberuf im Einklang steht, meistens nachgewiesen durch eine Bescheinigung der zuständigen
Rechtsanwaltskammer
Was darf die DRV nicht verlangen?
•
Stellenausschreibungen, Stellenanzeigen
•
Organigramme
•
genaue Zahlen über zugeordnete Mitarbeiter, etc.
Nach § 6 SGB VI kommt es alleine auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit im Unternehmen an. Oftmals konkretisiert sich diese erst nach dem Antritt
der (neuen) Tätigkeit. Deshalb sind zum Beispiel
Stellenanzeigen und –ausschreibungen völlig ungeeignet zur Entscheidung über einen Befreiungsantrag. Die DRV hat zunächst zu prüfen, ob sich
aus den oben beschriebenen Unterlagen – insbesondere aus der Tätigkeitsbeschreibung – die Erfüllung der vier Merkmale ergibt. Erst wenn es hier
nach individueller Prüfung relevante Zweifel gibt,
darf die DRV auf andere Unterlagen und Erwägungen zurückgreifen. Oftmals wird in diese Prüfung von der DRV erst im Widerspruchsverfahren
eingegangen, obwohl doch die DRV als Verwaltungsbehörde verpflichtet ist, sich an ihre eigenen
Vorgaben zu halten und (schon im Ausgangsverfahren) rechtmäßig zu handeln.
Es gibt auch Ablehnungsbescheide und Widerspruchsbescheide, die nahezu ohne jede oder nur
mit einer Textbaustein-Begründung auskommen.
Diesen Mangel hat das SG Frankfurt (Urt. v. 10.11.
2009 – S 25 KR 121/06) gerügt und weist die DRV
auf ihre Amtsermittlungspflicht hin.
Immer wiederkehrende Formulierungen befassen
sich mit der Frage, ob die Tätigkeit „objektiv nicht
zwingend eine Qualifikation als Volljurist voraus“
setze (und wer legt fest, was in diesem Zusammenhang „objektiv“ ist), ob ein Verbandsjurist
„typische anwaltliche Tätigkeit“ ausübe, ob eine
Tätigkeit von (schon) 39 Stunden pro Woche für
einen nichtanwaltlichen Arbeitgeber (darüber hinaus) anwaltliche Tätigkeit ausschließe (vgl. BGH
Urt. vom 9.11.2009 – AnwZ (B) 83/08 = BRAK-Mitt.
2010, 29), ob die Einstufung in eine Gehaltsstufe
eines Tarifvertrages (bei Versicherungen übrigens
bis zu 60.000 Euro jährlich) gegen anwaltliche Tätigkeit spreche oder ein Gehalt vergleichbar einem
Richter mit R1 (42.000 Euro) für eine reine Sachbearbeitertätigkeit spreche, ebenso das Vier-AugenPrinzip. Keine der Begründungen ist in pauschaler
Anwendung indes tragfähig.
Aus den Augen darf nicht verloren werden, dass es
sich bei der vorliegenden Fragestellung um eine
solche des Selbstverständnisses der freien anwaltlichen Berufsausübung geht. Dem Bedürfnis der
Syndikusanwälte nach einer geschlossenen Versicherungsbiografie – wie sie bei selbstständigen und
beim anwaltlichen Arbeitgeber angestellten Rechtsanwälten auch bei Kanzleiwechseln selbstverständlich ist – muss zudem Rechnung getragen werden.
Die rechtliche und auch die berufspolitische Diskussion dreht sich deshalb neben § 6 Abs. 1 Nr. 1
SGB VI in erster Linie um § 46 BRAO, der ausdrücklich die Möglichkeit der Tätigkeit des Syndikusanwaltes vorsieht (so auch Huff, AnwBl 2011,
473; Prütting, AnwBl. 2009, 402) und an dem auch
nicht die Entscheidung des EuGH „Akzo Nobel“
vom 14.09.2010, C_550/07 P (abrufbar unter
http://curia.europa.eu) etwas ändert. Auch wenn
der Rechtsstand an sich eindeutig ist, scheint die
Anwendung unklar, weshalb seit einiger Zeit über
eine in der BRAO klarstellend zu verankernde Definition des Syndikusanwaltes diskutiert wird. Nicht
entschieden ist allerdings, ob eine solche Klarstellung allein ausreichend wäre zur umfassenden Re-
gelung der die Syndikusanwälte treffenden Rechte
und Pflichten in der anwaltlichen Berufsausübung
(weitergehend Kleine-Cosack in AnwBl. 6/2011,
467, 472). Schon die Verortung einer solchen Klarstellung sorgt für Schwierigkeiten, da die statusbezogen verfasste BRAO eben keine Struktur aufweist, welche aufgespaltene Regelungen für Teile
der Anwaltschaft zuließe.
Zu beachten ist der Gleichbehandlungsgrundsatz
des Art. 3 GG. Es dürfen keine höheren Anforderungen an den Syndikusanwalt gestellt werden als
an einen Rechtsanwalt, der als Angestellter in einer
Rechtsanwaltskanzlei arbeitet oder als selbständiger Rechtsanwalt tätig ist. Dabei ist heute von
einem Spektrum von der (außergerichtlichen) Beratung, über Rechtsgestaltung und Prozesstätigkeiten auszugehen. Die Syndikusanwälte gehören
dazu. Die logische Folge dieser Vielfalt ist die Aufgabe der kumulativen Anwendung der vier tätigkeitsbezogenen Merkmale. Vielmehr sind sie zur
Feststellung anwaltlicher Tätigkeit – und zwar im
Ergebnis mit Geltung für alle Rechtsanwälte und
unabhängig von der Verortung in der BRAO – alternativ anzuwenden.
Übrigens ist die vielfach angesprochene Frage der
„anwaltlichen Unabhängigkeit“ keine, die für die
Frage der Rentenversicherungspflicht von erheblicher Bedeutung wäre. Ursprünglich bedeutete
Unabhängigkeit diese von Staat, zudem wirtschaftlich und im Hinblick auf Weisungen des Auftraggebers (der beim Syndikusanwalt „Arbeitgeber“ heißt)
nach § 46 Abs. 1 BRAO. Syndikusanwälte sind ohne
Zweifel im Regelfall unabhängig vom Staat, wirtschaftlich besser gestellt als viele selbstständige
und beim anwaltlichen Arbeitgeber angestellte
Rechtsanwälte sowie bei Weisungen nicht schlechter gestellt als diese. Denn auch der Einzelmandant
(unter vielen) kann den Nicht-Syndikus-Rechtsanwalt sehr weitreichend bis zur Grenze des Rechtsbruchs anweisen. Es bleibt die Erkenntnis: Unabhängigkeit ist eine Frage der Persönlichkeit.
Da für die Ungleichbehandlung der Syndikusanwälte
im Ergebnis keine Grundlage festgestellt werden
kann, setzt sich das FORUM Junge Anwaltschaft
ausdrücklich ein für die Befreiung der Syndikusanwälte von der Beitragspflicht bei der DRV. Die einheitliche Behandlung der Anwaltschaft auch in
dieser Frage gehört zum Selbstverständnis des
Berufsstandes. Der Berufsrechtsausschuss befasst
sich auch weiterhin mit diesem Thema und wünscht
sich deshalb einen regen Austausch (berufsrechts
ausschuss@davforum.de) über erfolgreiche und
laufende, d. h. bisher nicht mit Erfolg versehene
Verfahren. Weiterführende Informationen geben
auch die ARGE Syndikusanwälte des DAV und die
>
Versorgungswerke.
RA Frank Röthemeyer, Balingen
ADVOICE 04 /11
39
Magazin
Fortsetzung von Seite 39.
Beispiele für erteilte Befreiungen:
LSG Nordrhein-Westfalen, L 4 R 1023/10
(Dienstleistungsunternehmen)
Grundlagen: LSG Hessen, Urt. v. 29.10.2009 –
L 8 KR 189/08 = AnwBl. 2010, 214 m. Anm.
Esser, AnwBl. 2010, 215
LSG Nordrhein-Westfalen, L 3 R 715/11
(Forderungsmanagement Energieversorger)
LSG Bayern, L 1 R 705/11 und L 19 R 706/11
(Arbeitsrechtler in Personalabteilung)
SG Köln, Urt. v. 29.4.2011 – S 6 R 218/10
(Schadenssachbearbeiter Heilwesen)
LSG Bayern, L 19 R 368/11 (Anwältin Verbraucherzentrale)
SG München, Urt. v. 28.4.2011 – S 30 R 148/11
LSG Bayern, L1 R 701/11 (Schadenssachbearbeiterin)
SG Düsseldorf, Urt. v. 2.11.2010 – S 52 R
230/09 m. Anm. Huff, ASR 2011, Heft 2/2011
Auch hier hat die DRV Berufung eingelegt
(Az. L 4 R 1023/10). Gehalt in Höhe eines
Richtergehalts R 1 (ca. 42.000 Euro) spreche
für eine reine Sachbearbeitertätigkeit.
SG Frankfurt, Urt. v. 10.11.2009 – S 25 KR 121/06
(Compliance-Managerin)
LSG Nordrhein-Westfalen, L 14 R 705/10
(Assistent eines Intendanten)
SG München, Urt. v. 28.4.2011 – S 30 R 1451/10
(„Unverzichtbar wird bleiben eine Gesamtwürdigung ohne thematische Überbewertung irgendeines Ausschlusskriteriums“)
SG Nürnberg, Urt. v. 7.4.2011 – S 18 R
1358/10 Bei den vier letztgenannten Entscheidungen stellten die Richter zwar auch
auf die vier Merkmale ab, vertraten aber auch
die Ansicht, dass im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes zu prüfen sei, ob es
sich allgemein um eine anwaltliche Tätigkeit
handele. Dabei sei das Gesamtbild entscheidend. Berufungen laufen.
SG Würzburg, Urt. v. 15.6.2011, S 14 R 4075/10
(Arbeitsrechtler in der Personalabteilung)
LSG Nordrhein-Westfalen, L 8 R 68/11 und
L 14 R574/11 (Anwälte in Versicherungen)
Die Deutsche Rentenversicherung hält Syndikusanwälte für etwas Besonderes.
40
ADVOICE 04 /11
SG München, Urt. v. 23.8.2011, S 12 R 1574/10
(Spezialistin Vertragsstrukturierung Advisory
Real Estate)
SG Köln, Urt. v. 29.9.2011, S 31 R 696/10
(Referentin im Bereich Steuern in Steuerabteilung)
SG Düsseldorf, Urt. v. 16.8.2011, S 52 R 554/11
(Geschäftsführer)
SG Nürnberg, Urt. v. 22.3.2011, S 18 R 868/10
(Verbraucherzentrale)
SG München, Urt. v. 30.9.2011, S 12 R 370/11
(Leiter Abteilung Berufshaftpflichtversicherung, weltweit)
Beispiele für nicht erteilte Befreiungen:
LSG Baden-Württemberg, L 13 R 3049/11
(Steuerbereich Verkehrskonzern)
LSG Baden-Württemberg, L 11 R 2182/11
(Compliance)
SG Duisburg, Urt. v. 19.9.2011, S 31 KR 526/10
(Bank, Bereich Verwertung von Immobiliarsicherheiten)
Foto: Thomas Max Muller_pixelio.de
Magazin
Fortschritt oder Stillstand?
Versicherungskommunikation beim E-Justice-Forum 2011
Seit 2003 finden an der Humboldt-Universität
zu Berlin die Xinnovations statt. Die Xinnovations sind eine Konferenz für netzbasierte
Informationssysteme, die Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung in verschiedenen
Anwendungsfeldern zum Dialog über die fortschreitende Digitalisierung der gesellschaftlichen Abläufe zusammenführt.
Das E-Justice-Forum fand in diesem Jahr unter dem
Titel „Fortschritt oder Stillstand? – Anwaltschaft
und Justiz im Zeitalter digitalen Wandels“ am 20.
September im Senatssaal der Humboldt Universität
zu Berlin statt. Der Veranstalter konnte mit der
Hilfe der Hauptsponsoren die Anmeldungen im
Vergleich zum vergangenen Jahr fast verdoppeln.
Durch eine gezieltere Ansprache konnte besonders
das Interesse der Anwaltschaft an der Konferenz
deutlich gesteigert werden.
Im Fokus stand in diesem Jahr die elektronische Versicherungs- und Justizkommunikation, das mobile
anwaltliche Arbeiten und die Organisation der elektronischen Kanzlei. Nach Grußworten des Veranstalters, der Rechtsanwaltskammer Berlin und des
Berliner Anwaltsvereins, zeigten Rechtsanwalt GeorgFriedrich Klusemann, Vorstand der Berliner Jurasoft
AG (Schwestergesellschaft der ra-micro Software
GmbH), und Oliver von Ameln von der adesso AG,
wie weit der Wandel in der Kommunikation mit den
Rechtsschutzversicherern bereits fortgeschritten ist.
Der Vortrag provozierte mit dem Titel „Elektronische
Versicherungskommunikation – Fluch oder Segen?“.
Die beiden Referenten zeigten, dass es bereits
möglich ist, mit vielen Versicherern über die in ramicro7 integrierte ra e vs-Schnittstelle vollelektronisch zu kommunizieren. „Durch die bei Nutzung
des ra e vs-Systems stark verkürzten Reaktionszeiten sind Sie als Anwalt erstmals in der Lage, eine
valide, rechtssichere Deckungszusage für den konkreten Fall bereits vor einem etwaigen Mandantentermin einzuholen“, stellte Georg-Friedrich
Klusemann klar. Auf der anderen Seite erläuterten
Klusemann und von Ameln den Teilnehmern auch
die strukturellen Probleme, die – überwiegend
wegen der Architektur der großen Versicherer –
zukünftig noch überwunden werden müssen. Die
anschließende Diskussion mit den Teilnehmern
zeigte das große Interesse an der elektronischen
Versicherungskommunikation. Gemeinsam kam
man zu dem Ergebnis, dass die digitale Kommunikation mit Rechtsschutzversicherern ein „Segen“
und nicht etwa ein „Fluch“ sei.
Referenten an der Berliner Humbold-Uni.
Auch die Kommunikation mit den Gerichten spielt
in vielen Kanzleien eine große Rolle. Diesem Thema
widmeten sich Rechtsanwältin Andrea Brandenburg, Leiterin Software-Entwicklung bei der ramicro Software GmbH, und Rechtsanwalt Lutz
Krüger. Zunächst wurde den Teilnehmern der Versand von Dokumenten aus dem ra-micro-DMS (Dokumenten-Management-System) über den EGVPClient an ein Gericht demonstriert. Da der digitale
Wandel in der elektronischen Justizkommunikation
noch nicht in allen Bundesländern bzw. in allen
Justizverwaltungen gleichermaßen angekommen
ist, nutzten die Referenten das Forum nach ihrem
Vortrag zu einer Diskussion mit Anwälten und Vertretern der Justiz über die bestehenden Probleme
und mögliche Lösungen.
Ein weiterer Fokus des E-Justice-Forums lag auf
dem mobilen Arbeiten mit Touch-Applikationen für
Anwälte. Rechtsanwalt Oliver Doogs, Entwicklungsleiter bei der Jurasoft AG, präsentierte, wie einfach
der Anwalt seine elektronische Akte mit dem iPad
synchronisieren kann. Dabei wurde ein Dokument
aus dem ra-micro-DMS (Dokumenten-Management-System) ohne eine Kabelverbindung innerhalb
von wenigen Sekunden mit dem mobilen Tablet
synchronisiert. Oliver Doogs demonstrierte den
Zuhörern, dass der Anwalt mit der innovativen
JuraTouch-App nicht nur die wichtigsten und relevantesten Gesetze und seine elektronische Akte
mobil immer dabei hat. Die App bietet auch einen
direkten und kostenlosen Zugang zu der professionellen Rechtssprechungsdatenbank des Deubner
Verlags in Köln. Dass das mobile Arbeiten eine wa-
Foto: W. Schmidt
chsende Bedeutung im Kanzleialltag erlangt, war
im Teilnehmerkreis unschwer zu erkennen: Fast
jeder Teilnehmer hielt während des Forums selbst
ein Smartphone oder ein Tablet in den Händen.
Elektronische Kommunikation und auch mobiles
Arbeiten sind aber nur möglich, wenn die Kanzlei
elektronisch organisiert ist. Dass der digitale Wandel
in der Kanzleiorganisation bereits weit fortgeschritten ist, zeigte Ulrike George vom Landesverband
der Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellten
in ihrem Vortrag. Mit zahlreichen Argumenten
überzeugte sie auch skeptische Teilnehmer von den
Vorteilen des Führens einer elektronischen Handakte und zeigte sich als Anhängerin des sogenannten papierlosen Büros. Besonders die konsequente
Nutzung des ra-micro-DMS vereinfache die Kanzleiorganisation und spare im Ergebnis viel Zeit. „So
haben die Kolleginnen und Kollegen dann auch die
Zeit, dem Chef weitere Aufgaben abzunehmen.“
Der digitale Wandel in der Anwaltskanzlei sollte
also nicht als Gefahr, sondern als Chance für einen
effizienteren und damit angenehmeren Arbeitsalltag verstanden werden. Allerdings müssen noch
einige „Barrieren in den Köpfen“, abgebaut werden,
wie es Ministerialrat im Justizministerium BadenWürttemberg, Holger Radke ausdrückte, damit die
Digitalisierung in der Anwaltschaft und Justiz vollständig Einzug erhält. Das E-Justice-Forum wird
dabei auch in Zukunft einen Beitrag zur Erreichung
dieses Ziels leisten.
Dipl.-Jur. Michaela Helmrich
ADVOICE 04 /11
41
Magazin
Tipp für Anwälte
KLEINANZEIGE
Vorgestellt von RA Tobias Sommer
In Regionalzügen ist es oft sinnvoll und auch für
kleines Geld möglich, 1. Klasse zu reisen.
Korrespondenzgemeinschaft für
junge Rechtsanwälte
sucht bundesweit
Mitglieder.
Der Vorteil: Man hat mehr Platz, oft vor allem aber
die nötige Ruhe, um noch etwas zu arbeiten oder
Fachtexte zu lesen. 5,50 Euro kostet eine Tageskarte
Upgrade 1. Klasse beispielsweise im Bundesland
Brandenburg. Den Tipp gab mir ein junger FORUMsKollege auf dem Büroflur, als ich etwas gestresst
zu einer Inhouseschulung aufbrach, mit der Ansage, er sei letztens von Berlin nach Cottbus zu
einem Termin gefahren. Der Zug war rappelvoll, in
der 1. Klasse saßen nur vier Leute, alles Juristen.
Infos + Anmeldung unter:
Habt Ihr weitere Tipps, die das Anwaltsleben
leichter machen? Nicht immer kommt man
selbst drauf.
> www.korrespondenzgemeinschaft.de
Let it rail!
Foto: Erich Westendarp_pixelio.de
ANZEIGE
42
ADVOICE 04 /11
Magazin
NEIN als orales Verhütungsmittel
Nein zu sagen, ist eine Kunst, die man lernen kann
Schon immer galten Ja-Sager als schwach, mit
wenig Durchsetzungsvermögen ausgestattet und
manchmal sogar als gefährliche Mitläufer. Nein
zu sagen, setzt Mut und persönliches Standing
voraus. Aber gerade in Zeiten, wo Teamgeist
und Kooperation erwartet werden, muss man
die Kunst des Nein-Sagens beherrschen. Ablehnen, ohne andere zu verletzen oder vor den
Kopf zu stoßen. Zur Nein-Sager-Kunst gehören
sowohl schlüssige Argumente als auch eine
passende Körpersprache. Wie es geht, darüber
hat AdVoice mit der Erfurter Kommunikationsmanagerin Barbara Topp gesprochen.
A: Warum fällt es vielen Menschen so schwer,
„nein“ zu sagen?
T: Es ist auffällig, dass die Zahl der Menschen, denen es schwer fällt, „nein“ zu sagen angewachsen
ist. Viele Menschen glauben, dass sie andere vor
den Kopf stoßen, dass es die Harmonie stört, dass
das Miteinander leidet, wenn man Nein sagt. Kooperatives Miteinander wird im Arbeitsleben heute
groß geschrieben und da bleibt das Nein eben
häufiger auf der Strecke, weil man im Team gut
miteinander auskommen möchte. Besonders bei
Selbständigen steht hinter dem Nein die Angst, die
Kunden laufen weg und die Aufträge bleiben aus.
A: Haben wir vielleicht unberechtigterweise
Angst oder Respekt vorm „Nein-sagen“?
T: Ja, es ist meistens eine unberechtigte Angst,
denn wenn ich das Nein gut begründen kann, ist
beim anderen auch Verständnis dafür da. Wir müssen eine überzeugende Argumentation haben, die
der andere akzeptieren kann. Wichtig ist, sich bewusst zu machen: Was erhoffe ich mir, wenn ich
„ja" sage? Dahinter steht das gute Gefühl, das ich
habe, wenn mich ein anderer um Rat fragt. Ich
fühle mich wichtig, ich habe das Gefühl, gebraucht
zu werden. Wer auf solche Gefühle aus ist, dem
wird es immer schwer fallen, Nein zu sagen. Eine
wichtige Rolle spielen die inneren Antreiber. Wer
es anderen recht machen will und die Harmonie
erhalten möchte, wer alles perfekt erledigen möchte,
wer glaubt, stark sein zu müssen und keine Schwäche zeigen zu dürfen, wer sehr ehrgeizig ist und
der Beste sein möchte und wer auf die Schnelle
Kompromisse schließen will, der tappt häufig in die
Falle des Nicht-Nein-Sagens. Deshalb muss man
hinter die eigenen Kulissen blicken und seine inneren Antreibermuster erkennen, um die richtigen
Schritte gehen zu können.
A: Wie sage ich z. B. einem neuen Mandanten,
dass ich sein Mandat nicht annehmen kann,
ohne ihn zu verletzen und vor allem, ohne ihn
ein negatives Licht zu rücken?
T: Bleiben Sie freundlich, aber bestimmt. Es braucht
eine eindeutige Begründung. Die ist natürlich von
Fall zu Fall unterschiedlich. Kann ich das Mandat
nicht annehmen, weil es nicht mein Spezialgebiet
ist und ich den Mandanten nicht optimal vertreten
kann? Oder bin ich bereits überlastet und habe deshalb keine ausreichende Kapazität mehr? Das bedeutet für den Mandanten, dass ich nicht ausreichend Zeit für seinen Fall zur Verfügung habe.
Erklären Sie die Nachteile für den Mandanten, wenn
Sie seinem Wunsch nachgeben. Sprechen Sie die
Immer hinter die eigene Kulisse schauen.
eigenen Grenzen offen und deutlich an. Überlegen
Sie genau, wie viel Energie Sie ein zusätzliches
Mandat kostet wird und was das für die Arbeit,
aber auch das Privatleben bedeutet. Jedes Nein zu
einem anderen kann ein Ja zu sich selbst sein.
A: Wie bringe ich denn einem Mandanten bei,
dass die Argumentation/Strategie, die er sich für
seinen Fall selbst ausgedacht – im besten Fall
ergoogelt - hat, nicht die beste ist – schließlich
ist das doch auch eine Art „nein“ zu sagen.
T: Das sollte einem fachlich kompetenten Anwalt
nicht schwer fallen. Das überzeugendste Argument
ist sicherlich, dass Sie das Wissen und die Erfahrungen haben. Jeder Fall ist einzigartig und sollte
auch so betrachtet werden. Und wenn der Mandant das nicht akzeptieren will, dann sagen Sie
Nein zu diesem Mandat und bleiben sich selbst
dabei treu.
A: Gibt es No-goes beim Nein-Sagen?
T: Auf keinen Fall sollten Sie vage und diplomatisch
Nein sagen. Das Wort eigentlich ist grundsätzlich
zu vermeiden, denn eigentlich heißt für den anderen schon ja. Geben Sie keine umständlichen Erklärungen, das wirkt immer wie Ausreden.Vermeiden
Sie wegzuschauen, sondern sehen Sie den anderen
direkt an und blicken Sie ihm in die Augen. Warten
Sie nicht, bis der andere Sie fragt, sondern ergreifen
Sie die Initiative.
Das Gespräch führte
AdVoice-Redakteurin Anke Schiller-Mönch
Foto: Andrea Vollmer
„TOPP“-TIPPS
1. Formulieren Sie ein klares
und deutliches Nein.
2. Fordern Sie Zeit, wenn Sie sich
nicht sofort entscheiden können.
3. Haben Sie Verständnis für das
Anliegen des anderen.
4. Bieten Sie Wahlmöglichkeiten an.
5. Auch Ihr Körper muss „nein“ sagen, d. h.
Sie müssen innerlich überzeugt sein.
6. Sagen Sie nicht nur, was Sie nicht wollen,
sondern auch, was Sie genau wollen.
7. Machen Sie Übereinstimmungen deutlich.
ADVOICE 04 /11
43
Magazin
Um Leben oder Tod – Zur Patientenverfügung
Wer darf über die Auslegung der Verfügung entscheiden?
Nur gerichtlich bestellte Betreuer dürfen die Entscheidung über Leben und Tod treffen.
Eine 76-jährige Frau liegt nach einem Schlaganfall seit mehreren Tagen bewusstlos auf der
Intensivstation. Ihr Sohn bittet den behandelnden Arzt darum, die künstliche Beatmung einzustellen. Er beruft sich auf eine schriftliche
Patientenverfügung, die seine Mutter zwei Jahre
zuvor verfasst hat. Darin erklärt sie, dass sie
keine lebenserhaltende Therapie möchte, wenn
bei ihr eine schwere und irreversible Hirnschädigung festgestellt würde. Die Tochter möchte
dagegen, dass alles Menschenmögliche getan
wird, um das Leben der Mutter zu retten.
Wer entscheidet nun, wie die Behandlung weiter
geht? Der Arzt? Der Sohn? Die Tochter? Die Patientin? Die Antwort auf diese Frage überrascht: Der
Vorsorgebevollmächtigte bzw. der Betreuer entscheidet. Beide sind rechtlich gleichgestellt, wenn
es hier um Leben oder Tod geht. Sind weder Sohn
noch Tochter oder Ehemann Vorsorgebevollmächtigte bzw. Betreuer, ist der Arzt in der Pflicht: Er
muss über eine einstweilige Verfügung bei Gericht
einen gesetzlichen Betreuer bestellen lassen, damit
dieser über die Auslegung der Patientenverfügung
entscheiden kann.
44
ADVOICE 04 /11
Nach § 1901a BGB prüft der Betreuer oder ein
Vorsorgebevollmächtigter, ob die Festlegungen der
Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und
Behandlungssituation im Falle der Nichteinwilligungsfähigkeit des Patienten zutreffen. Es handelt
sich bei einer Patientenverfügung um den antizipierten eindeutigen Willen zum Einsatz medizinischer Maßnahmen im Zustand der Nichteinwilligungsfähigkeit. Sollte also kein Vorsorgebevollmächtigter diese Prüfung vornehmen können, so
hat der Bundesgerichtshof entschieden (Urteil vom
25.6.2010 – 2 StR 454/09), dass aktuell sehr enge
Verfahrensregeln zu beachten sind. Wenn ein Patient
keinen Betreuer/Vorsorgebevollmächtigten bestimmt
hat, ist der Arzt verpflichtet, beim Betreuungsgericht
durch eine einstweilige Verfügung einen Betreuer zu
bestellen, der die Situation entsprechend prüft.
Das bedeutet, die Patientin muss so lange am Leben
erhalten werden, bis der bestellte Betreuer u. U. im
Gespräch mit den Angehörigen, aber vor allem unter
wortgetreuer Berücksichtigung der Patientenverfügung eine Entscheidung trifft. Gibt es zwischen
dem Betreuer bzw. Vorsorgebevollmächtigten und
dem Arzt einen Konsens in der Vorgehensweise, soll
Foto: Mario Heinemann_pixelio.de
nach dem Willen des Gesetzgebers das Gericht nicht
als Entscheidungsinstanz angerufen werden (vgl. §
1901 b Abs. 1 Satz 2 BGB).
Keinesfalls kann der Arzt oder ein Komitee auf eine
Patientenverfügung allein und die Worte von Angehörigen bauen, da sich sonst alle in diesem Prozess
Beteiligten einer fahrlässigen Tötung, wenn nicht
der vorsätzlichen Tötung, strafbar machen. Ein Angehöriger ist keinesfalls dazu berufen, eine Patientenverfügung auszulegen, es sei denn, er ist Betreuer
oder Vorsorgebevollmächtigter. Die Stellung als Ehepartner oder Angehöriger hat keinerlei rechtliche Bedeutung für die Auslegung der Patientenverfügung.
Hier lauert ein enormes Strafbarkeitsrisiko für die
Beteiligten, wenn die Entscheidung nicht durch einen
Vorsorgebevollmächtigten oder durch den gesetzlichen Betreuer getroffen wird. Nur in der Situation
zwischen Arzt und einem Betreuer/Vorsorgebevollmächtigten ist eine Übereinkunft/ein Konsens möglich (§ 1901 b Abs. 1 Satz 2 BGB). In allen anderen
Fällen darf also der Arzt nicht im Gespräch mit irgendwelchen Angehörigen Entscheidungen treffen,
auch wenn sie noch so gut gemeint sind.
Magazin
Vorsorgevollmachten
Wichtigste Tipps zur Patientenverfügung
Hilfreiche Tipps zur Patientenverfügung
Patientenverfügung =
Ich bestimme mich selbst in medizinischen
Behandlungsfragen.
Jeder kann eine Patientenverfügung verfassen, der in der Lage ist, die Tragweite der inhaltlichen Festlegungen zu verstehen (in der
Regel Erwachsene).
Ein Patient muss jedem ärztlichen Eingriff
(auch lebensverlängernden bzw. lebenserhaltenden Maßnahme) zustimmen.
Vorsorgevollmacht =
Wer soll medizinische und rechtliche Fragen
für mich regeln und durchsetzen?
Betreuungsverfügung =
Wenn das Gericht jemanden mit der Regelung meiner Angelegenheiten betraut.
Organverfügung/Organspende =
Spende im Falle des Hirntodes von Organen/
Geweben zur Transplantation.
Der behandelnde Arzt
Über die Indikation („Heildienlichkeit“) entscheidet allein der sog. „behandelnde Arzt“.
Natürlich kann ein Patient mehrere behandelnde Ärzte haben. Auf jeden Fall ist auch
der Hausarzt als „behandelnder Arzt“ zu betrachten. Mit der Indikation kann die Notwendigkeit von Behandlung, aber auch das
Vorhandensein von Behandlungsalternativen
festgestellt werden.
Es obliegt allein dem Betreuer oder dem Vorsorgebevollmächtigten, die Patientenverfügung auszulegen. Das bestimmt das Gesetz in § 1901 a Abs. 1
Satz 1 BGB. Der Patient legt mit seiner Vorsorgevollmacht oder seiner Betreuungsverfügung die
Person fest, die seine Patientenverfügung auslegen
soll. Als ärztliche Aufgabe ist lediglich eine Stellungnahme in Bezug auf die mögliche Weiterbehandlung
– also die medizinische Indikation – vorgesehen (§
1901 b Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine Patientenverfügung
ist bindend und kann nicht durch einen Arzt oder
ein Komitee ausgelegt werden. Der Betreuer bzw.
Vorsorgebevollmächtigte hat die rechtliche Pflicht,
die Patientenverfügung 1:1 umzusetzen (§ 1901 a
Abs. 1 Satz 2 BGB). Das ist Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts des Patienten. Trifft die Patientenverfügung zu, so hat der Betreuer bzw. Vorsorgebevollmächtigte also kein Recht zur Interpretation.
Er prüft lediglich die Übereinstimmung der Situation mit der Patientenverfügung.
Letztendlich prüft der Arzt, ob die Situation des Patienten und eine Prognose der medizinischen Einschätzung weitere ärztliche Maßnahmen erforderlich macht (§ 1901 b Abs. 1 Satz 1 BGB). Der typische
Eine Patientenverfügung ist schriftlich abzufassen. Sie kann jederzeit formlos widerrufen
werden – also z. B. schriftlich und auch mündlich durch Gestik.
Praktischerweise sollte ein Hinweis auf den
Ort der Patientenverfügung z. B. auf einem
Aufkleber im Portemonnaie angebracht werden. Ein Eintrag in das bundesweite Zentrale
Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer
(www.zvr-online.de) ist gebührenpflichtig persönlich (nach Registrierung), durch einen
Rechtsanwalt oder Notar möglich. Dort können im Bedarfsfalle alle Krankenhäuser und
Befugten Zugriff erhalten.
Wenn der Patient im Krankenhaus stationär
aufgenommen/eingeliefert wird, sollte er auf
seine Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht
und Organverfügung hinweisen. Am besten
gibt er bei Aufnahme eine Kopie davon mit
seinen Behandlungsunterlagen ab.
Fall ist, dass der Arzt z. B. ein Koma feststellt, welches in der Patientenverfügung genannt ist und
dies auch als dauerhaft beschreibt. Sieht der Arzt
nur eine vorübergehende Einschränkung des Bewusstseins, so liegt aus seiner Sicht kein Koma vor.
In der Folge wird der Arzt das „Abschalten“ der
Beatmungsmaschine verweigern, weil die Patientin
voraussichtlich in wenigen Stunden/Tagen wieder
das Bewusstsein erlangt. Ist die Behandlungssituation unklar, kann also ein Dissens zwischen der
Einschätzung durch den Arzt und der Auslegung
der Patientenverfügung durch den Betreuer/Vorsorgebevollmächtigten auftreten. Der Arzt hat hier
quasi ein Veto-Recht! Er ist nicht verpflichtet, sofort die Patientenverfügung anzuwenden. Selbst
wenn sich später herausstellt, dass ein Koma vorgelegen hat, musste der Arzt hier nicht vollstrecken. Die Situation muss im Fall eines Dissenses vor
Gericht geklärt werden. Die Patientin muss am
Leben erhalten werden, so lange, bis das Gericht
entschieden hat. Der Dissens kann nur gelöst werden, wenn einer von beiden – Arzt oder Betreuer –
das Betreuungsgericht anruft. In diesem Fall entscheidet das Betreuungsgericht über die Auslegung
der Patientenverfügung.
Wer eine Verfügung trifft, muss im Vollbesitz
seiner geistigen Kräfte sein.
Die Einsetzung einer Vertrauensperson sollte
nicht stillschweigend erfolgen. Die gewünschte Person sollte vorher gefragt werden.
Es ist sinnvoll, aber nicht gesetzlich vorgeschrieben, die Patientenverfügung regelmäßig
zu bestätigen, damit erkennbar ist, dass es
sich wirklich noch um den aktuellen Willen
des Patienten handelt. Dies kann durch einen
entsprechenden Zusatz mit Datumsangabe
und eigenhändiger Unterschrift geschehen.
Es ist hilfreich, die schriftliche Dokumentation der frei getroffenen Patientenverfügung
mit Hilfe eines oder mehrerer Zeugen bestätigen zu lassen. Dem Arzt als Zeugen kommt
eine besondere Bedeutung zu, da er auch die
medizinische Tragweite der Festlegungen in
der Patientenverfügung erläutern kann. Ähnliches gilt für einen Rechtsanwalt in Bezug
auf die juristische Tragweite.
Für den Fall, dass keine Patientenverfügung vorliegt,
hat der Betreuer/Bevollmächtigte den mutmaßlichen Willen des Patienten auszulegen und daran
alle Behandlungsoptionen zu messen (§ 1901 a Abs.
2 Satz 1 BGB). In diesem Rahmen kann eine nicht
konkret zutreffende oder unvollständige Patientenverfügung Bedeutung erlangen. Existiert ein Konsens zwischen Arzt und Betreuer, ist die Einschaltung des Betreuungsgerichts auch hier nicht erforderlich. Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere mündliche oder
schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse
Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten.
RA Volker Loeschner, Berlin
Formulare
> www.bundesaerztekammer.de
ADVOICE 04 /11
45
Magazin
NEWS
Zusammengestellt von RA Patrick Ruppert
Ersatzanspruch bei überlangen Prozessen
Im September verabschiedete der Bundestag das
Gesetz zum Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsund Ermittlungsverfahren. Nach den Anforderungen
des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) konnte nun die
gesetzliche Lücke geschlossen werden, dass gerichtliche Verfahren sich für Betroffene über Gebühr sanktionslos in die Länge ziehen. Nach dem
Willen der neuen Regelung muss zunächst das
Gericht auf die Verzögerung hingewiesen, gerügt
werden. Sollte hierauf keine Veränderung eintreten,
ist in einem zweiten Schritt eine Entschädigungsklage statthaft. Hiermit verbunden sind eine Kompensation für materiell, aber auch immateriell erlittene Schäden. Schließlich kann in einem solchen
Entschädigungsrechtsstreit der Antragende von
den Kosten eines solchen Rechtsstreits vollends auf
Staatskosten befreit werden.
Termine 2012
13.6.2012, DAT für Einsteiger, München
Für Berufseinsteiger und Erstteilnehmer
14.6.-16.6. 2012, DAT 2012, München
30.11./1.12.2012, Start in den Anwaltsberuf,
Stuttgart
Anmeldung unter 030 / 726153-182
sowie zahlreiche regionale Stammtische vor Ort.
www.davforum.de/vorort
GmbH & Co. KG keine erlaubte Rechtsform
Abmahnsystem beschränken
Rechtsanwälte dürfen ihre Partnerschaft nicht unter die Rechtsform einer GmbH & Co. KG stellen.
Der Bundesgerichtshof urteilte mit Entscheidung
vom 18.7.2011 (Az. AnwZ (Brfg) 18/10), dass der
Zweck einer KG immer auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet sei. Die Ausübung des Berufs des Rechtsanwalts sei im Schwerpunkt ein
solches nicht. Die Richter verwiesen in ihrer Argumentation auf eine jüngere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, welches eine klare Trennung
zwischen freien und gewerblichen Berufen erneut
herausstellte (BverfGE 120, 1, 31 ff.).
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) plant ein Gesetz gegen den Missbrauch von Abmahnungen im Online-Handel. Im
Interview gegenüber der Süddeutschen Zeitung
sagte sie: „Vor allem Kleinunternehmer, die auf der
eigenen Internetseite oder über Plattformen wie
Ebay oder Amazon Handel treiben, geraten durch
überzogene Abmahnkosten schnell in finanzielle
Bedrängnis.“ Massenabmahnungen sind für einige
Rechtsanwaltskanzleien ein lukratives Geschäft.
Laut Statistik des „Vereins zur Hilfe und Unterstützung gegen den Abmahnwahn e. V.“ hätten im Bereich der Verletzung von Urheberrechten im Internet
spezialisierte „Abmahnkanzleien“ Forderungen in
einer Gesamthöhe von 412.459.335,- Euro bei den
Anspruchsgegnern geltend gemacht. Die Top 5
dieser Branche sind die Kanzleien Waldorf Frommer,
Baumgarten Brandt, Urmann & Collegen, Nümann
& Lang und die Rechtsanwälte Rasch.
Rechtsanwälte und Richter gegen Stuttgart 21
Mit einer Strafanzeige haben sich am 20.9.2011
Rechtsanwälte und Richter der Gruppe „Juristen zu
Stuttgart 21“ an die Spitze der Bahnhofsneubaugegner in Stuttgart gesetzt. Die Anzeigenden befürchten, dass die 2009 Verantwortlichen der Deutschen Bahn AG die Stadt Stuttgart und das Land
bewusst mit einer falschen Kostenkalkulation getäuscht hätten. Ursprünglich hatte es seitens der
Bahn geheißen, das Bauprojekt verschlänge 3,076
Milliarden Euro, ohne dass mit einer Verteuerung
von über einer Milliarde gerechnet werden müsste.
Recherchen, so Rechtsanwalt Bernard Ludwig vom
Aktionsbündnis, hätten jedoch ergeben, „dass die
Bahn schon damals mit einer Kostensteigerung
von über einer Milliarde Euro“ gerechnet habe. Die
Angaben wären daher falsch gewesen.
46
ADVOICE 04 /11
2.3./3.3.2012, Start in den Anwaltsberuf,
Timmendorfer Strand
Anmeldung unter 030 / 726153-182
Verfassungsrechte bei Trojanereinsätzen
Die unbedingte Beachtung der Verfassungsgrundsätze mahnt die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK)
bei der Verwendung von Trojanern im Internet an.
Die von Behördenseite eingesetzte Schadsoftware
soll helfen, schwere Kriminalität aufzudecken und
dürfe nur dann zulässigerweise genutzt werden,
„wenn konkrete Gefahren für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen“, so der Präsident der
BRAK Axel C. Filges. „Die Ermittlungsbehörden
müssen daher bei der Überwachung von Telefonaten, die mittels eines Computers über das Internet
geführt werden, besonders auf die Einhaltung der
gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen achten.“
Filges fordert wie die Bundesjustizministerin ein
Sicherungselement, das gewährleistet, dass mit
dem Computerprogramm gesetzliche Grenzen nicht
überschritten werden.
Facebook und Co. Abmahnfalle
Wer soziale Netzwerke im Internet zu eigenen Marketingzwecken nutzt, der muss alle erforderlichen
Impressumsangaben im Sinne des § 5 Telemediengesetz in seinem Profil aufführen. Zulässig ist unter
Umständen auch ein Verweis deswegen auf die
Unternehmenswebseite. Dann aber muss deutlich
werden, auf welche Telemedien sich das Impressum bezieht und wer für das Telemedium des
Facebook-Auftrittes verantwortlich ist. Dies entschied das Landgericht Aschaffenburg mit Urteil
vom 19.8.2011 (Az. 2 HK O 54/11). Auch Rechtsanwälte, die Facebook & Co. als Akquiseplattform
verstehen, sollten wie sonstige Gewerbtreibende
vorsorglich an die Angabe aller Pflichtangaben
denken, wollen sie nicht Gefahr laufen, von Kollegen abgemahnt zu werden.
> redaktion@davforum.de
Magazin
Not macht erfinderisch
Selbst gebastelt: Der Gesprächsnotizblock für Anwälte
Das Büro der Zukunft mag papierlos sein, meine
Kanzlei in der Gegenwart ist es nicht. Dabei bin
ich kein Fortschrittsverweigerer, mag Technik
und schätze die Vorzüge elektronischer Dokumente und Aktenführung schon aus Gründen der
Bequemlichkeit und der Datensicherung. Daher
wurde hier vom ersten Tag an jedes eingehende
Schreiben gescannt, das Diktatsystem ist ebenfalls ein digitales. Trotzdem möchte ich nicht auf
handschriftliche Notizen verzichten, sei es im
persönlichen Beratungsgespräch, während der
telefonischen Mandatsanbahnung oder als Gedächtnisstütze bzw. zur internen Kommunikation, wenn ein Mitarbeiter ans Telefon geht. Ich
bin nicht der Einzige. Büroausstatter haben deshalb Gesprächsnotizblöcke im Sortiment.
Kläglicher Block-Markt
Als beklagenswert empfand ich vor allem das Angebot der auf dem Markt verfügbaren Gesprächsnotizblöcke. Im Laufe der Zeit habe ich diverse Modelle
im Einsatz gehabt und bin mit den erhältlichen
Produkten nie richtig warm geworden. Vereinfacht
lässt sich sagen: Sie haben zu wenig Platz für
Notizen, sind nicht am typischen Gesprächsablauf
orientiert und sehen übel aus. Etwas ausführlicher:
An einem Modell, das sogar speziell für Anwälte
gefertigt wird, gefiel mir die Reduzierung des Blocks
auf das Wesentliche. Es störte – neben leicht antiquierter Gestaltung – jedoch, dass die Zettel wegen
Mit dem eigenen Block hatte das Elend endlich ein Ende.
ihrer geringen Größe nur für sehr kurze Telefonnotizen geeignet sind. Hinzu kommt: Mir ist nur ein
Händler bekannt, der das Modell im Programm hat.
Drei weitere Gesprächsnotizblöcke in DIN A5 sind
für meine Begriffe zumindest nicht anwaltstauglich:
Mal ist kostbare Fläche mit Werbung verschwendet,
begleitet von einer marktschreierischen Farbgebung
und extrakleinen Kästchen zum Ankreuzen der Rahmenbedingungen des Gesprächs und Kardinalfehlern wie einem rund drei Zentimeter breiten Namensfeld (bei meiner Handschrift wird es immer
dann problematisch, wenn jemand anruft, dessen
Name länger ist als Müller).
Ein anderer Block ist hinnehmbar strukturiert und
hat genug Platz für Notizen, die Überschrift ist allerdings in einem Comic-Font gehalten, der für einen
Anwalt indiskutabel ist (solange man sich nicht wegen eines Schwerpunkts im Familienrecht als kinderfreundlich präsentieren und dieses Konzept bis zu
den internen Arbeitsmitteln durchziehen möchte).
Zu Block Nr. 3 will ich kein Wort mehr verlieren, den
meint der Hersteller schon nicht ernst (feat. Linienhöhe 6 Millimeter und der für meine Begriffe mehr
als fragwürdigen Idee, die Uhrzeit auf einer stilisierten Uhr einzuzeichnen).
Zu meinem typischen Gesprächsablauf passte auch
keiner der Gesprächsnotizblöcke. Ich pflege eingangs
den Namen des Gesprächspartners und das Thema
zu notieren, dann aber zur Sache zu kommen, bevor
das Gespräch mit der Fixierung der Kontaktdaten
endet (soweit erforderlich).
Lösung: Selber machen
Diese Bestandsaufnahme habe ich mir nicht wegen
einer Lust am Lamentieren abgerungen. Vielmehr will
ich um Verständnis werben, warum ich mir unlängst
meine eigenen Gesprächsnotizblöcke habe herstellen lassen. Damit hat das Elend mit den für meine Bedürfnisse unzulänglichen Produkten aus dem Handel
ein Ende und ich erfreue mich an einem Block, der
auf das Wesentliche reduziert ist und so bei möglichst geringer Verwirrung möglichst viel Platz für
Notizen lässt sowie eine Struktur aufweist, die sich
an meinen Arbeits- und Gesprächsabläufen orientiert.
Das ist also die über 3.000 Zeichen lange Geschichte
eines Bürogegenstands, dem ein sehr hoher zweistelliger Prozentsatz der Mandanten exakt keine
Aufmerksamkeit schenkt (in Teil 2 der BürobedarfsSerie könnte ich dann über meinen Posteingangsstempel berichten, der dieses Schicksal teilt).
Hilfe, ein Nerd – Dieser Blick hinter die Kulissen der
Kanzlei mag mich als einen Bürbedarfsnerd enttarnt
haben. Aber als einen mit seinem eigenen Gesprächsnotizblock.
RA Jens-Christof Niemeyer, Spenge
Foto: Stefanie Salzmann
NACHTRAG
Als ich diesen Text im Oktober auf meine Kanzlei-Website
stellte, ahnte ich nicht, welch hohen Stellenwert derartige
Detailaspekte der Büroorganisation im Kollegenkreis haben.
Offenbar gibt es da draußen zahlreiche weitere Bürobedarfsnerds. Ein Kollege faxte noch am Abend des Erscheinungstags stolz eine Seite des von ihm verwendeten
Kanzleinotizblocks. Eine weitere Kollegin, die allerdings
die Vorzüge des Formats A5, eines Rückdeckels und der
Leimung eines Blocks abweichend bewertet, rechnete in
ihrem Blog vor, wie viel Geld sich sparen lässt, wenn man
Notizformulare per Laserdrucker selber herstellt. Über
weitere Anregungen oder Hinweise auf Gesprächskreise
für Betroffene freue ich mich per E-Mail.
> kanzlei@anwaltniemeyer.de
ADVOICE 04 /11
47
Magazin
Drum prüfe, wer sich ewig bindet …
Auftritte angestellter Berufsträger wie Scheinsozien können böse Folgen haben
Mit Urteil vom 21.7.2011-IV ZR 42/10 versagte
der BGH einer angestellten Rechtsanwältin den
Versicherungsschutz aus ihrer Berufshaftpflichtversicherung. Diese trat nach außen hin als
Scheinsozia auf und wurde von einem ehemaligen Mandanten wegen Veruntreuung von Mandantengeldern durch zwei Sozien der Rechtsanwaltssozietät in Anspruch genommen.
Mit dieser Entscheidung bestätigt der BGH abermals die Unwägbarkeiten, wenn angestellte Berufsträger wie Sozien nach außen hin in Erscheinung
treten. Die möglichen Folgen eines Außenauftritts
versucht der Autor nachfolgend näher zu erläutern.
Sachverhalt
Die Rechtsanwältin war von August 2000 bis Juli
2005 in der Kanzlei angestellt, trat jedoch gleichwohl nach außen hin als Gesellschafterin in Erscheinung. Rechtsanwälte, die in einer Sozietät
nach außen hin ohne gesonderte Kennzeichnung
ihres Angestelltenstatus auftreten, haften gesamtschuldnerisch für die Fehler und den dadurch
verursachten Schaden ihrer Sozien. Die damit
verbundene Gefahr wird von Berufsanfängern wie
auch angestellten Rechtsanwälten oft unterschätzt,
denn der Versicherungsschutz aus der Berufshaftpflichtversicherung ist an dieser Stelle nicht
deckungskongruent.
Die fehlende Deckungskongruenz machte sich
auch hier bemerkbar, denn die beiden Sozien der
Kanzlei veruntreuten Mandantengelder, die ein
ehemaliger Mandant in Höhe von 111.044,11 EUR
wiederum von der Scheinsozia erstattet wünschte.
Die Versicherungsnehmerin meldete die Inanspruchnahme ihrer Berufshaftpflichtversicherung, die
jedoch aus verschiedenen Gründen eine Eintrittspflicht ablehnte.
Zum Versicherungsumfang
Die Ausschlusstatbestände, auf die sich auch im
vorliegenden Fall der Berufshaftpflichtversicherer
bezog, sind in der Regel in § 4 AVB normiert. Sie
bilden die gesetzlichen Vorgaben aus § 51 Absatz 3
BRAO ab, wonach ausgeschlossen sind:
1. Ersatzansprüche wegen wissentlicher
Pflichtverletzung
48
ADVOICE 04 /11
2. Ersatzansprüche aus Tätigkeiten über
in anderen Staaten eingerichtete oder
unterhaltene Kanzleien oder Büros
3. Ersatzansprüche aus Tätigkeiten im
Zusammenhang mit der Beratung und
Beschäftigung mit außereuropäischem Recht
4. Ersatzansprüche aus Tätigkeiten des Rechtsanwalts vor außereuropäischen Gerichten
Die Konsequenz dieser Entscheidung hätte dazu
geführt, dass der veruntreuende Rechtsanwalt keinen Versicherungsschutz besäße, allerdings der
Berufshaftpflichtversicherer des angestellten Scheinsozius eintrittspflichtig wäre.
Der BGH sah die Zurechnungsklausel des § 12 AVB
nicht als überraschende Klausel gem. § 305c Absatz
1 BGB bzw. § 307 Absatz 2 Nr. 1 und 2 BGB an und
gab auch im Folgenden dem Berufshaftpflichtversicherer recht.
Damit bleibt es nach wie vor bei der Schiller’schen
Warnung:
5. Ersatzansprüche wegen Veruntreuung
durch Personal, Angehörige oder Sozien
des Rechtsanwalts
Die Ausschlusstatbestände begrenzen den Umfang
des Versicherungsvertrages, der gem. § 51 Absatz 2
Satz 1 BRAO Deckung für Pflichtverletzungen gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gewähren muss. Die gesetzlichen
Vorgaben beziehen sich auf die Tätigkeit eines
Einzelanwalts, nicht aber auf die von anwaltlichen
Zusammenschlüssen.
Um der Haftungslage zusammengeschlossener Berufsangehöriger Rechnung zu tragen, erweitert
§ 12 AVB die Deckung, indem der Versicherungsfall
des einen Sozius als der Versicherungsfall aller
Sozien angesehen wird. Die Erweiterung gilt allerdings auch für die Ausschlusstatbestände, sodass
ein Ausschlussgrund nach § 4 AVB des einen Sozius
auch zulasten aller Sozien greift.
Zur Rechtsprechung
Das OLG München als Vorinstanz hatte in seinem
Urteil vom 8.8.2008 – Az 25 U 5188/07 die Regelung der Zurechnung eines Ausschlussgrundes des
einen Sozius zulasten aller Sozien gem. § 305c
Absatz 1 BGB als versteckte Klausel und damit
nicht als Bestandteil des Versicherungsvertrages
angesehen. Ferner sei die Zurechnungsklausel inhaltlich unangemessen, da sie von dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweiche. Des
Weiteren sah das Gericht in dem in § 51 Absatz 3
Nr. 5 AVB normierten Ausschluss eine Regelung,
die nur die echten Sozien, nicht aber die Scheinsozien erfasse.
„Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
Ob sich das Herz zum Herzen findet!
Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.“
Konsequenzen
Häufig wird von den Berufsanfängern wie auch
von angestellten Rechtsanwälten gefordert, sich
auf den Briefkopf oder das Kanzleischild wie ein
echter Sozius setzen zu lassen. Vielfach ist dies auch
reizvoll, wenn nach außen hin die Zugehörigkeit zu
einer Sozietät oder einem sonstigen Zusammenschluss dokumentiert werden kann. Aber das damit
verbundene Haftungsrisiko ist und bleibt enorm.
Oft ist nicht überschaubar, woran und wie die
Sozien arbeiten bzw. was aus diesem Umfeld für
Risiken kommen können. Gesellschaftsrechtliche
Einwirkungsmöglichkeiten fehlen aufgrund des
Angestelltenstatus. Die Rechtsscheingrundsätze
der Anscheins- und Duldungsvollmacht greifen
selbst bei Altverbindlichkeiten. Auch für in der Zukunft liegende Verpflichtungen kann eine Übernahmepflicht bestehen. In Fachzeitschriften wird
immer wieder über entsprechende Fälle berichtet,
wobei in diesem Kontext stets bedacht werden
sollte, dass die Berufshaftpflichtversicherung nur
einen Teil des Haftungsrisikos abdecken kann.
Ass. Jur. Steffen Eube
HDI-Gerling, Hannover
Urteil
OLG München AZ 25 U 5188/07
Magazin
München, die nördlichste Stadt Italiens?
Bericht einer Existenzgründung mit Sehnsucht nach dem Süden
Häufig schon wurde mir die Frage gestellt:
„Was hat Sie denn nach München gebracht?“
Die genaue Antwort kenne ich selbst auch nicht.
Jedenfalls bin ich mit großer Begeisterung seit
März 2007 als Avvocato (italienische Rechtsanwältin) in München tätig.
Ich entdeckte München zum ersten Mal 2001, als
ich ein Stipendium für ein Praktikum als Studentin
der Universität Bologna erhielt. Damals musste ich
nach Italien zurückkehren, um mein Jurastudium,
das Referendariat und das zweite Staatexamen zu
absolvieren. In meinem Heimatland arbeitete ich
fünf Jahre lang in italienischen Kanzleien, die in
Bereichen des Wirtschafts-, Vertrags- und internationalen Rechts tätig sind und absolvierte dazu
einen Master in „International Commerce“ an der
Universität Padua.
2006 sandte ich meinen Lebenslauf nach München
und wurde daraufhin zu Vorstellungsgesprächen
eingeladen. Die richtige Stelle fand sich dann nach
kurzer Zeit und ich fing an in einer Münchener
Kanzlei zu arbeiten. Dort betreue ich die deutschen
Mandanten im italienischen Recht und unterstütze
zusammen mit deutschen Kollegen italienische
Mandanten im deutschen Recht.
und auch fast unmöglich, den Richter anzurufen,
weil es zweideutig erscheinen könnte. Die Gerichtsgebühren werden ferner nicht überwiesen, sondern
durch den Kauf von Marken in Tabakwarengeschäften bezahlt. Ich habe das staunende Gesicht
eines deutschen Anwalts vor Augen, der sich an
einem gewöhnlichen Vormittag in einem italienischen Gericht befindet und sieht, wie Flure, Geschäftsstellen und Verhandlungssäle von Anwälten,
Anwalts-Praktikanten und Sekretärinnen überfüllt
und laut sind.
Als ich 2008 einen Master an der LMU München im
deutschen Recht besuchte, fiel mir auf, dass das
Jurastudium in Deutschland anders als in Italien
strukturiert ist. Während die Prüfungen in Italien im
Schwerpunkt theoretisch und mündlich sind, beschäftigen sich die deutschen Studenten schon ab
dem ersten Tag ihres Studiums mit der Bearbeitung
praktischer Fälle und dem Verfassen von Klausuren.
Ich war anfangs sehr überrascht zu sehen, wie die
deutschen Juristen die Prüfungsschemata lernen und
die Fälle als mathematische Probleme bearbeiten
und lösen. Als Italienerin war ich dies nicht gewöhnt
und fand es sogar lästig, weil ich den Eindruck hatte,
ich könnte mich nicht frei ausdrücken. In der Folgezeit verstand ich jedoch, dass es von großem Vorteil
für das Justizwesen ist, dass alle in der Praxis tätigen
Juristen dieses System, die Methodik und eben auch
die Strukturen und Formalien beherrschen und vor
allem anwenden.
Ich kann heute aus der Praxis bezeugen, dass der
Anwaltsberuf auch aus operativer Sicht in Italien
und Deutschland sehr unterschiedlich ist. Vor allem
sind die deutsche Justiz und die Verwaltung effizienter als in Italien und die Gerichtsverfahren
zügiger gestaltet. Es bleibt zu hoffen, dass sich die
Situation der italienischen Gerichtsverfahren in
Zukunft verbessern wird, da Reformen zur effizienteren Gestaltung der Verfahren in Justiz und Verwaltung in Italien durchgeführt wurden.
Dennoch vermisse ich auch heute noch die phantasievolle Weise, in der italienische Kollege in ihren
Schriftsätzen mit viel Persönlichkeit die italienische
Sprache verwenden sowie die Leidenschaft, mit der
italienische Rechtsanwälte ihre Anwaltstätigkeit
ausüben.
„Die Gerichtsgebühren werden ferner
nicht überwiesen, sondern durch den
Kauf von Marken in Tabakwarengeschäften bezahlt.“
„Dennoch vermisse ich auch heute
noch (...)die Leidenschaft, mit der
italienische Rechtsanwälte ihre
Anwaltstätigkeit ausüben.“
Deutsche Kollegen staunen immer, wenn ich ihnen
erzähle, dass die Schriftsätze in meiner Heimat
nicht per Fax gesendet werden dürfen, sondern
persönlich bei der Geschäftsstelle des Gerichts
hinterlegt werden müssen, und dass die Schreiben
an die Verwaltung per Einschreiben mit Rückschein
gesendet werden müssen, damit der Empfangsnachweis gesichert ist. Außerdem ist es nicht einfach, italienische Behörden telefonisch zu erreichen
Im August stellte ich nach mehr als drei Jahren
meiner Tätigkeit in Deutschland den Antrag zur Zulassung als deutsche Rechtsanwältin bei der Rechtsanwaltskammer München. Womöglich kann ich in
einigen Monaten auch den Titel der deutschen
Rechtsanwältin führen. Natürlich bin ich mir bewusst, dass ich nie eine echte Mitbewerberin der
deutschen Anwälte sein kann. Obwohl wir vom
europäischen Recht immer mehr geprägt sind und
Markenkauf.
Foto: Andrea Vollmer
uns immer häufiger mit internationalem Recht
beschäftigen, bin ich der Auffassung, dass die Unterschiede der einzelnen Länder und der nationalen
Rechtsordnungen nach wie vor sehr stark sind und
dass eine eingehende Kenntnis der nationalen Gesetze und der Rechtordnung, die perfekte Beherrschung der Rechtssprache und das Verständnis der
Mentalität des eigenen Heimatlandes in unserem
Beruf noch zu wichtig sind. Deshalb halte ich es nach
wie vor für unerlässlich, vor allem im Interesse des
Mandanten auch für unabdingbar, einen im betreffenden Land ausgebildeten und tätigen Anwalt zu
beauftragen bzw. bei ihm Rechtsrat eingeholt zu
haben.
Es ist nicht immer einfach, innerhalb zweier Rechtsordnungen und Länder zu arbeiten, die trotz der
geografischen Nähe in ihrer Mentalität und Struktur so unterschiedlich sind, aber es ist faszinierend,
Vermittlerin zwischen diesen beiden Ländern zu
sein, die ich aus verschiedenen Gründen sehr liebe
und bewundere.
Avvocato Alessandra Pesca, München
ADVOICE 04 /11
49
FORUM
Junge
Anwaltschaft
im DAV
Das FORUM ist:
Die Stimme der jungen Anwälte.
Eine der größten Arbeitsgemeinschaften
innerhalb des Deutschen Anwaltvereins
(DAV).
Das FORUM bietet:
Fortbildungen. Netzwerke.
Lobby. Starthilfe.
Antworten und Hilfe
für den Berufsstart und die ersten
Berufsjahre.
Eine Mitgliedschaft zahlt sich aus:
Vorteile für alle Anwälte, Assessoren
und Referendare bis 40 Jahre
(Diese Vorteile bietet nur das FORUM
Junge Anwaltschaft.)
Kostenlos:
Anwaltsmagazin AdVoice
Mit Schwerpunktthemen,
Erfahrungsberichten
Unterhaltsames und Wissenswertes aus
der Anwaltschaft, Mitgliederinformationen
und natürlich viel Service: Checklisten,
Fachanwaltssteckbriefe, Steuerinfos, Tipps
zur Haftungsvermeidung u. v. m.
Vertretung der Interessen
der jungen Anwaltschaft in der
Berufspolitik und der anwaltlichen
Selbstverwaltung
Teilnahme an der Mailingliste,
fachliche Unterstützung durch Kollegen,
Antworten auf fast jede Frage des
Anwaltsalltags, Terminvertretungen,
Fällen von Kollegen
VORTEILE
für alle, die (noch) nicht im DAV sind
günstige Konditionen für die
Berufshaftpflichtversicherung
Mit HDI-Gerling besteht ein Abkommen
mit hohem Sparpotenzial exklusiv für
FORUMsmitglieder
Fortbildung:
eigene Seminare und günstigere
Konditionen bei anderen Anbietern
z. B. Mitglieder-Rabatt teilweise bis zu
50 Prozent bei der Deutschen
AnwaltsAkademie
Netzwerk und Erfahrungsaustausch
national
Regelmäßige Stammtische in den allen
LG-Bezirken. Kontakte zu örtlichen und
überörtlichen jungen Kolleginnen und
Kollegen. Regionalbeauftragte als
Ansprechpartner, die Euch gern vor
Ort weiterhelfen.
Netzwerk international
Länderbeauftragte als Ansprechpartner bei
grenzüberschreitenden Rechtsproblemen.
Kontakte zu internationalen
Organisationen junger Anwälte und
Mitgliedschaft in der European Young
Lawyers Bar Association.
Vergünstigte Teilnahme
bei Veranstaltungen, z. B. beim Deutschen
Anwaltstag und Anwaltstagen der Länder
Kostenlos: 11x jährlich das Anwaltsblatt
günstige Konditionen des DAV
(http://anwaltverein.de/leistungen/rabatte)
· Auto & Verkehr: z. B. Sonderboni beim
Autokauf, vergünstigte Mietewagen
· Hotels: Mitgliederrabatte des
DAV in vielen Hotels
· Fortbildung/Webdienste: z. B. juris DAV
· Kommunikation: Rahmenabkommen
für Mobilfunk-Rabatte
· Versicherungen: z. B. bei der
Krankenversicherung und
Altersversorgung
Rahmenabkommen für kostenlose
Kreditkarten
NJW-Abo-Ermäßigung um 22 Euro
jährlich (Referendare erhalten vom Verlag
weitere Ermäßigungen)
VORAUSSETZUNGEN
für eine Mitgliedschaft:
Anwältin/Anwalt unter 40 Jahren,
Referendare und Assessoren
Jährlicher Mitgliedsbeitrag 50 Euro
Ermäßigungen auf 25 Euro:
1. bei Eintritt ab Juli eines Jahres
2. für Mitglieder eines dem DAV
angeschlossenen Anwaltvereins
Beitritt online: www.davforum.de/anmeldung
Euer FORUM
Medien und Justiz
Verantwortung der Medien und Herausforderung für Anwälte
„In vielen Verfahren betrifft es die Interessen
unserer Mandanten, ob und in welcher Weise
über ein Gerichtsverfahren in den Medien berichtet wird“, so Rechtsanwalt und Notar Christian Reinicke, Vorsitzende des Rechtsanwaltsund Notarvereins Hannover e. V. in seiner Begrüßung zur Festveranstaltung zum 180-jährigen
Bestehen des Anwaltsvereins Hannover.
Der Festredner, der renommierte Autor und Rechtsanwalt Prof. Dr. Ralf Höcker, LL.M., wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Kommunikation und Recht im Internet (DIKRI), Köln,
ging in seinem Vortrag der Frage nach, welche Verantwortung die Medien haben und welche Herausforderungen sich für die Anwaltschaft in der
Praxis stellen. Als „Medienanwalt“ im Fall des TVWettermoderators Jörg Kachelmann gab er Einblicke in die anwaltliche Praxis. Im Anschluss des
Vortrages war die Thematik Gegenstand der von
Rechtsanwalt Mattias Waldraff geleiten Podiumsdiskussion mit Herrn Dr. Mauersberg (Chefredakteur a .D. der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung)
und Herrn Fischer (Nds. Landesmedienanstalt).
Verdachtsberichterstattung
Verdachtsberichterstattung ist ein Privileg der Medien. Den Medien wird das Recht zur Mitwirkung
an der öffentlichen Meinungsbildung im Grundgesetz (Art. 5 I 2 GG) gewährt, wobei in den einzelnen Landespressegesetzen die öffentliche Aufgabe der Presse spezifiziert wird. Zum Beispiel nach
§ 3 LPrG NRW - Öffentliche Aufgabe der Presse:
„Die Presse erfüllt eine öffentliche Aufgabe insbesondere dadurch, dass sie Nachrichten beschafft
und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder auf
andere Weise an der Meinungsbildung mitwirkt.“
Die Medien dürfen daher grundsätzlich auch über
den Verdacht einer Straftat bzw. unbewiesene
Vorwürfe berichten, wenn daran ein besonderes
öffentliches Informationsinteresse besteht. Rechtsanwalt Höcker verdeutlichte, dass zahlreiche Affären und Skandale von erheblicher öffentlicher
Bedeutung nur durch investigativen Journalismus
aufgedeckt und aufgearbeitet werden konnten.
Über die Zulässigkeit von Namensnennung und
identifizierbarer Berichterstattung bei der Verdachts- und Gerichtsberichtserstattung hat die
Rechtsprechung bereits mehrfach entschieden, z.B.
BGH NJW 77, 1288 „Abgeordnetenbestechung“,
BGH NJW 2000, 1036 „Korruptionsverdacht“, BGH
2006, 2009 „Autobahnraser“ und BGH NJW 1997,
1148 „Stern-TV“. Die Grenzen der Zulässigkeit im
Bereich von Ermittlungsverfahren ziehen die von
der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der
Verdachtsberichterstattung (vgl. nur BGH NJW
2000, 1036).
•
Verbot unwahrer Behauptungen
•
Verbot von Beleidigungen
•
Verbot vorverurteilender Berichte
Prof. Dr. Höcker hob hier folgende von den Medien
zu berücksichtigende Aspekte hervor:
•
Verbot der Schilderung intimer Details
•
Lahmlegung der Bildberichterstattung
1. Vorliegen einer die Öffentlichkeit berührenden
Angelegenheit von gravierendem Gewicht
(Informationsbedürfnis der Allgemeinheit)
2. Vorliegen eines Mindestbestandes an
Beweistatsachen
3. Anforderungen an journalistische Sorgfaltspflicht sind abhängig vom Ausmaß der Rufbeeinträchtigung. Regelmäßig: Einholung einer
Stellungnahme des Betroffenen erforderlich
4. Keine Vorverurteilung des Betroffenen
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gilt:
„Unzulässig ist eine auf Sensationen ausgehende,
bewusst einseitige oder verfälschende Darstellung; vielmehr müssen auch die zur Verteidigung
des Beschuldigten vorgetragenen Tatsachen und
Argumente berücksichtigt werden.“ (BGH NJW
2000, 1036).
Herausforderungen
Wie können Anwälte diesen Herausforderungen
begegnen? Zum einen kann der Anwalt auf eine
drohende negative Berichterstattung über seinen
Mandanten in den Medien durch präventive Aufklärungsarbeit einwirken oder im Fall der Berichterstattung mit entsprechenden Rechtsmitteln reagieren, u. a. Geltendmachung von Unterlassungs-,
Gegendarstellungs-, Widerrufs- und Geldentschädigungsansprüchen. Diese Ansprüche können gegenüber der Presse und den Bloggern im Internet
sowie deren Informanten geltend gemacht werden.
Im Zeitrahmen der Verdachtsberichtserstattung in
den Medien im Fall Kachelmann wurden von der
Rechtsvertretung des Wettermoderators rund 90
einstweilige Verfügungen beantragt. Einige Urteile
geben den Medien Handlungsgrenzen für die Zukunft. So wurde der BILD „… verboten, ohne Zustimmung des Verfügungsklägers die unter (…)
veröffentlichten Lichtbilder (…), die den Verfügungskläger beim Hofgang in der JVA M. zeigen,
zu verbreiten oder öffentlich zur Schau zu stellen.“
(Urteil v. 16.6.2010, AZ 28 O 318/10, BeckRS 2010,
16987).
Dem FOCUS wurde es untersagt, „… die Schuldund Straffrage betreffende Einzelheiten aus der bei
der Staatsanwaltschaft M. geführten Ermittlungsakte zum Strafverfahren gegen den Verfügungskläger wegen des Verdachts der Vergewaltigung
hinsichtlich des Tat- und Nachtatgeschehens sowie
der rechtsmedizinischen Untersuchung der mutmaßlichen Geschädigten zu veröffentlichen, so wie
nachstehend in der einstweiligen Verfügung wiedergegeben und in FOCUS vom … geschehen.“ (LG
Köln, Urteil v. 12.5.2010, AZ 28 O 175/10, (BeckRS
2010, 15242).
RA Marc Y. Wandersleben, Hannover
180 Jahre Anwaltsverein Hannover.
Foto: Carsten Schick
Als strategische Ziele nannte Rechtsanwalt Dr.
Höcker folgende Punkte:
•
Trockenlegung des Informationsflusses
an Journalisten
•
Verbot der Verwertung der Ermittlungsakte
in der Presse
ADVOICE 04 /11
51
Euer FORUM
Ganz andere Baustellen
5. Forum Start in den Anwaltsberuf +3 in Darmstadt
„Ich bin drin, was nun?!?“ – eine Frage, die sich
viele Anwälte stellen, die die Phase des Berufsstarts und der Kanzleigründung erfolgreich hinter sich gelassen haben. Stehen in den allerersten
Jahren der Berufstätigkeit noch hauptsächlich
Fragen zum Aufbau der eigenen Existenz im Vordergrund, hat der erfolgreiche Existenzgründer
nach zwei bis drei Jahren ganz andere Probleme.
Plötzlich geht es nicht mehr in erster Linie darum,
möglichst viele Mandate zu akquirieren, sondern
um das Halten und den Ausbau bereits bestehender Geschäftsbeziehungen. War es zunächst wichtig gewesen, überhaupt Mandanten in die Kanzlei
zu locken, sollen nun einzelne Beratungsangebote
gezielt beworben und ausgebaut werden. Auch die
Sichtweise auf die von den Mandanten vorgebrachten Probleme verändert sich mitunter im Laufe der
Zeit: Ist es wirklich notwendig, jeden Fall vor Gericht auszutragen? Oder könnte man bestimmte
Streitigkeiten nicht auch außergerichtlich und unter
Mitwirkung der Parteien auflösen? Und schließlich:
Muss ich in Zeiten der laufenden Geschäfte und
hohen Honorarnoten wirklich noch die zeit- und vielfach auch arbeitsintensiven Beratungshilfe-Mandate annehmen, die an mich herangetragen werden?
Um diese und andere Fragen zu klären, fanden sich
am 28. und 29. Oktober 2011 rund sechzig junge
Kolleginnen und Kollegen aus dem gesamten Bundesgebiet zur Veranstaltung „Forum Start in den
Anwaltsberuf +3“ in Darmstadt ein. Angeboten
wurden dabei Workshops zu den Themen „Mandanten gewinnen und halten“, „Medienarbeit für Anwälte“ und „Erfolgreiches Verhandeln mit Mitteln
der Mediation“. Am Abend des ersten Tages trafen
sich die Teilnehmer dann im Plenum, um mit dem
früheren Präsidenten des Deutschen Anwaltvereins, Rechtsanwalt Dr. Michael Streck, Fragen zur
beruflichen Ethik zu diskutieren.
Insgesamt eine ausgewogene Veranstaltung, bei
der viele Fragen junger Kolleginnen und Kollegen
mit mehr als drei Jahren Berufserfahrung erörtert
und von den Teilnehmern diskutiert werden konnten.
RAin Astrid Ackermann, Frankfurt/M.
Mit AdVoice und Stammtisch begeistert
FORUM auf Info- und Kontaktbörse der Allianz Stuttgart
Auf der Info- und Kontaktbörse der Allianz Stuttgart am 20.Oktober 2011 war das Junge FORUM
mit seiner Regionalbeauftragten Gabriele Knöpfle
aus Stuttgart vertreten. Es waren viele interessierte
Referendare vor Ort. Neben Informationsveranstaltungen gab es viele Informations-Stände. Die
FORUMs-Regionalbeauftragte wurde von vielen
Referendaren angesprochen und konnte ausführlich Werbung für das Junge Forum machen. Über
den Tisch gingen dabei verschiedene Ausgaben der
AdVoice und Informationsbroschüren des Jungen
FORUMs. Die Möglichkeit des Austausches beim
monatlichen Stammtisch begeisterte die Referendare besonders.
RAin Gabriele Knöpfle, Ludwigsburg
> stuttgart@davforum.de
???
52
ADVOICE 04 /11
Foto: Hemmler
Euer FORUM
FORUM auf internationalem Parkett
In London trafen Mitglieder des FORUMs junge Kollegen aus aller Welt
Vom 29. September bis zum 2. Oktober war das
FORUM zu Besuch in London. An diesem Wochenende fand zum wiederholten Male das International Weekend (IW) 2011 statt. Veranstaltet
wird dieser alljährliche Event von der London
Young Lawyers Group, vergleichbar mit einer regionalen FORUMs Gruppe, dem Young Barristers Committee, die Organisation der jungen
Barrister und von den European Young Bar Association (EYBA), mit der Unterstützung der Law
Society of England and Wales und des Bar Councils of England and Wales.
Das FORUM war diesmal mit Mitgliedern des GFA,
Silke Waterschek und Linda Schwarzer sowie durch
den Sprecher für Internationales, Urs Breitsprecher,
vertreten.
Am ersten Abend fand im St. Kathrine Docks das
Get-together statt. Man traf sich mit Junganwältinnen und Junganwälten aus den unterschiedlichsten Ländern, so waren neben Anwälten aus England
und Wales, Schottland, Nordirland und der Republik
Irland auch Vertreter von Junganwälten aus Holland,
Belgien, Frankreich, Dänemark, Norwegen, Spanien,
Portugal, Italien. Litauen, Hong-Kong, China, Ghana,
Bahamas, den USA und Kanada vertreten.
Am nächsten Tag traf man sich in den Räumen der
Law Society, wo zunächst eine Begrüßung durch die
Vizevorsitzende der Law Society, aber auch durch
den Präsidenten der American Bar Association, Wm.
T. (Bill) Robison III, welcher anlässlich des „Opening
of the Legal Year“ in London war, statt. Nach den
Einführungsreden und Kennenlern-Spielen (MingleBingo) erklärte Nicholas Green QC (ein senior Barrister, auch Silk genannt), ehemaliger Vorsitzender
des Bar Councils, die zum 1. Oktober 2011 eingeführten Regelungen der „Alternative Business Structure“,
welche den englischen Anwaltsmarkt revolutionieren. Demnach können unter anderem, ähnlich
wie bereits in Australien, Nicht-Anwälte sich direkt
oder indirekt an Anwaltskanzleien beteiligen. England und Australien sind derzeit die einzigen Länder,
in denen dies rechtlich möglich ist. Einige sehen
hierein erhebliche Chancen, auf der anderen Seite
überwiegen jedoch (noch) die Bedenken, da bereits
große englische Supermarktketten (Co-Op und Tesco)
angekündigt haben, entsprechende „Kanzleien“ zu
gründen und diese Dienstleistungen in ihren Filialen
feilzubieten. Hierauf folgte eine ausgiebige Diskussion, wie die Sichtweise in anderen Ländern sei. Nicolas Green erwähnte hierbei, dass er auf verschiedenen Veranstaltungen gehört habe, dass der Rest
Die Tower-Bridge in London.
Europas, aber auch die USA zwar skeptisch seien, das
„Experiment“ aber genauestens beobachten und dann
eventuell selber vergleichbare Regelungen einführen
wollen, da hierdurch Geld gespart werden könne.
Dies könnte zu einem noch größeren Honorardruck
auch in Deutschland führen.
Am Nachmittag folgten dann Führungen durch die
beiden Gerichte High Court of Justice (zivilrechtliche
Gerichte) und dem Old Bailey (strafrechtliches Gericht). Im Old Bailey wurden einem auch die Zellen
gezeigt, aus welchen seit Jahrhunderten bis noch in
den 60er Jahren die Verurteilten zu ihrer Hinrichtung
schritten oder zum Tower oder Hyde Park zur Hinrichtung kutschiert worden sind. Anschließend gab
es noch einem Besuch in der Temple Church (der
Da Vinci Code ließ grüßen) und Führungen durch die
vier alten Barrister Chambers Gray s Inn, Lincoln s
Inn, Middle Temple und Inner Temple. Am Abend
vergnügte man sich noch nach einem Empfang im
Gray s Inn bei einem Pub Quiz.
Am nächsten Morgen standen Seminare zu Soft
Skills an. Zunächst sprach James M. Durant III, ein
US Navy Judge Advocate General (Militäranwalt)
und künftiger Präsident der American Bar Association Führungsqualität (Leadership). Er erklärte anhand von anschaulichen Geschichten, dass es auf
den Charakter ankommt, auf Weisheit und Gerechtigkeit. Er zitierte hier den ehemaligen amerikanischen Präsidenten John Quincy Adams: „If your
actions inspire others to dream more, learn more,
do more and become more, you are a leader.“
Foto: Heike_pixelio.de
Bei einem weiteren Seminar zu Soft Skills ging es
um Kommunikation. Hier wurde anhand von Studien und praktischen Übungen gezeigt, dass zur Verständigung es nur zu sieben Prozent auf den Wortlaut ankommt, aber zu 38 Prozent auf die Stimme
und zu 55 Prozent auf die Körpersprache. Dies wurde
anhand von Übungen dargelegt. Am Nachmittag
erfolgten dann Kurse bezüglich des neuen englischen Antikorruptionsgesetzes, den UK Bribery Act
2010, welcher weltweite Geltung hat, und somit
auch für deutsche Unternehmen gilt. Auch ein Seminar über „Social Networks“, und die hiermit verbundenen Neuerungen für Anwälte fand statt.
Der krönende Abschluss der Veranstaltung war ein
Black-Tie-Dinner, bei welchem auch alle Redner anwesend waren, sodass genügend Zeit zum Networking und für vertiefende Gespräche gegeben war.
Es war eine sehr gelungene Veranstaltung, bei welcher man viele junge Kollegen aus allen Herren
Länder kennenlernen konnte. Spannend war zu sehen, dass es vielleicht gewisse Unterschiede in den
einzelnen Jurisdiktionen gibt, aber wir alle dieselben Probleme haben und vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Im Nachhinein kam es bei
unseren ausländischen Freunden sehr gut an, dass
Deutschland auf dieser Veranstaltung erstmals
zahlenmäßig stark vertreten war. Daher danke ich
Silke und Linda für ihre Unterstützung.
RA Urs Breitsprecher, Düsseldorf
ADVOICE 04 /11
53
Euer FORUM
Apps und Ups
Regionalbeauftragte des FORUMs Junge Anwaltschaft trafen sich 2011 in Essen
Alljährlich finden sich die engagierten Regionalbeauftragten des FORUMs zusammen, um die
neuesten Entwicklungen und Geschehnisse –
auch und insbesondere im Bereich des anwaltlichen Berufsrechts – zu diskutieren und die weiteren Aktivitäten des FORUM Junge Anwaltschaft
abzustimmen. So sind auch dieses Jahr, am 28.
und 29. Oktober 2011 in Essen, die „Regios“ zahlreich erschienen, mit bester Laune und viel Vorfreude auf die Dinge, die da kommen würden
ausgestattet und sogleich mit Getränken, frischem
Obst und den ersten „Schnittchen“ versorgt.
Nachdem so das leibliche Wohl hergestellt war, ging
es mit „geistiger Nahrung“ weiter. In den Räumlichkeiten der Soldan GmbH, die uns sehr gastfreundlich
empfangen hat, konnten wir Oliver Schwartz von
Soldan lauschen, der uns Einzelheiten zum Internetportal „Marktplatz Recht“ anschaulich erklärt und
besonders bei den Technik-Freaks für große Begeisterung gesorgt hat. Eine App mit aktuellen News aus
der FORUMs-Arbeit? Geht das, und wenn ja: wie?
Können wir den Mitgliedern durch die Regionalbeauftragten quasi taufrisch auf die iPhones berichten?
Wer kann diese App installieren und wie wird eine
FORUMs-Mitgliedschaft im Rahmen einer solchen
Service-Leistung überprüft? Alles Fragen, die man
vor Ort gern noch weiter vertieft hätte. Wenngleich
das aufgrund der umfangreichen Tagesordnung
nicht möglich war, so haben sich aber Helge Heiner
und Frank Röthemeyer vom Geschäftsführenden
Ausschuss des FORUMs sofort an Oliver Schwartz’
Fersen geheftet, um die Vorstellungen und Fragen
der RBs weiter zu erfahren, was in diesem Bereich
umgesetzt werden kann.
Der Vorsitzende des Berufsrechtsausschusses des
DAV, Herr Hartung, erklärte den Anwesenden sodann in einem kurzweiligen Vortrag, was das Verbot des Fremdbesitzes an Kanzleien in der Praxis
tatsächlich bedeutet, mit wem eigentlich inter-professionell zusammengearbeitet werden darf und mit
wem nicht, warum die Verschwiegenheit im Hinblick
auf die Einbindung von externen Dienstleistern insbesondere im technischen Bereich so heiß diskutiert
wird und wie sich der Berufsrechtsausschuss des
DAV überhaupt zusammensetzt, woher die diskutierten Themen in den Ausschuss kommen etc.
Erstaunlich, wie kurzweilig solch’ vermeintlich trockenen Themen aufgearbeitet werden können! Die
Anwesenden fanden das auch und haben die Chance ausgiebig genutzt, den Referenten mit Fragen
zu löchern und über die einzelnen Punkte zu diskutieren.
Abends konnten wir uns – ebenfalls auf Einladung
der Soldan GmbH – mit deren Geschäftsführer,
Herrn Dreske, nicht nur eine Vorstellung im GOP
Varieté in Essen ansehen, sondern wir haben auch
im Anschluss daran die Nacht zum Tag gemacht.
Für die Teilnehmer des RB-Treffens waren einige
Tische in einem nahegelegenen Club reserviert, sodass von diesem überaus netten Angebot natürlich
rege Gebrauch gemacht wurde. Insgesamt ein gelungenes RB-Treffen – sowohl inhaltlich, als auch
„Drumherum“.
Bleibt zu hoffen, dass wir Euch alle auf dem nächsten RB-Treffen, das voraussichtlich im Frühjahr 2012
stattfinden wird, in alter Frische wiedersehen ...
RAin Silke Waterschek, Heilbronn
Regionalbeauftragte gesucht!
Regionalbeauftragte gesucht! An alle FORUMskolleginnen und -kollegen in den LG-Bezirken
Amberg, Bad Kreuznach, Baden-Baden,
Bochum, Bückeburg, Coburg, Cottbus, Hof, Limburg, Magdeburg,
Memmingen, Mosbach, Mühlhausen, Münster, Passau, Stendal,
Stuttgart, Weiden und Zwickau.
In diesen Bezirken ist die interessante Position des Regionalbeauftragten nicht oder nur kommissarisch besetzt. Als engagierte FORUMs-Mitglieder könnt ihr
diese Lücken schließen. Der Regionalbeauftragte ist der Ansprechpartner des FORUM Junge Anwaltschaft vor Ort und organisiert in erster Linie den monatlichen Stammtisch zur Vernetzung der Mitglieder im eigenen Landgerichtsbezirk. Als RB bist Du auch die Schnittstelle zwischen dem Geschäftsführenden
Ausschuss und den Mitgliedern vor Ort und stehst in Kontakt mit den anderen RBs im Bundesgebiet. Das FORUM lebt von der Vernetzung aller Mitglieder
und der Regionalbeauftragte ist ein wichtiges Bindeglied vor Ort. Der Job macht Spaß und bringt jede Menge Kontakte mit sich.
Eine Übersicht aller Regionalbeauftragten findet Ihr im Internet unter:
54
ADVOICE 04 /11
> www.davforum.de/469/
Euer FORUM
Regionalbeauftragte
stellen sich vor
Regionalbeauftragter RA Klaus Hornung
für den LG-Bezirk Heidelberg
Foto:Pierroa_pixelio.de
Klaus Hornung ist also mein Name. Ich wurde vor
gut 34 Jahren in Weinheim geboren, habe dort mein
Abitur gemacht und danach ab 1998 in Heidelberg
meine juristische Ausbildung, einschließlich des
Referendariats, durchlaufen. Direkt im Anschluss
daran, das war dann 2006, habe ich mir die Zulassung als Anwalt besorgt und mich mit zwei Kollegen
in der Mannheimer Oststadt als PartG niedergelassen. In dieser Zusammensetzung bin ich heute
noch tätig, und habe auch erstmal nicht vor, daran
etwas zu ändern. Inzwischen haben wir uns auf das
Recht des Geistigen Eigentums, IT- und Internetrecht, sowie die Medien- und Werbewirtschaft
spezialisiert. Mein persönlicher Schwerpunkt ist
der Gewerbliche Rechtsschutz (insb. Marken- und
Urheberrecht), und seit ein paar Monaten darf ich
mich auch mit dem entsprechenden Fachanwaltstitel schmücken. Von daher bin ich auch Mitglied
(und Regionalgruppenleiter Rhein-Neckar) der
AGEM – Arbeitsgemeinschaft Geistiges Eigentum
und Medien des DAV.
Regionalbeauftragter RA Markus Heuer
für den Landgerichtsbezirk Mönchengladbach
Foto: heinz dahlmanns_pixelio.de
Der LG-Bezirk Mönchengladbach beschränkt sich
nicht auf das Stadtgebiet der kreisfreien Stadt
Mönchengladbach. Vielmehr beinhaltet dieser auch
Amtsgerichte aus den benachbarten Kreisen. Die
Stadt Mönchengladbach wurde früher neben
Krefeld auch das rheinische Manchester genannt.
Dabei ist die Bezeichnung nach dem Niedergang
der rheinischen Textilindustrie durchaus nicht nur
Folklore, denn die in vorgenannten Städten beheimatete Hochschule Niederrhein ist Kompetenzzentrum der hiesigen Textilingenieure. Darüber
hinaus gibt es nach wie vor Maschinenbaubetriebe,
die auf höchstem Niveau Spezial- und Sondermaschinen zur Textilherstellung produzieren. Dennoch
sind Stadt und Umland durchaus bemüht, auch
neue Industrien anzusiedeln. Im Süden der Stadt
wurde zur Jahrtausendwende eines der ersten interkommunalen Gewerbegebiete ausgewiesen, an
dessen Fuße auf dem Gebiet der Gemeinde Jüchen
sich auch meine Kanzlei im Dorf Holz befindet.
Dieser Ort wurde im Zuge der Braunkohleförderung
NEU
In Heidelberg habe ich von Holger Prätorius einen
gut besuchten Stammtisch übernommen und werde
diesen ohne große Neuerungen weiterführen. Zur
Anwerbung neuer Mitglieder möchte ich mich
etwas intensiver um die Referendare am Landgericht kümmern. Insgesamt steht das Netzwerk soweit (Landgericht, örtlicher Anwaltsverein, auch
bei unseren engen Nachbarn in Mannheim), und
ich habe bislang ein gutes Gefühl für die zukünftige Zusammenarbeit.
hornung@ghi-rechtsanwaelte.de
Garzweiler II neu errichtet. Der Tagbau ist auch ein
Kennzeichen dieses Landgerichtsbezirks. Am vorgenannten Standort biete ich Rechtsberatung mit
den Schwerpunkten Schadens- und Versicherungsrecht an. Als neuer Regionalbeauftragter danke ich
zunächst meinem Vorgänger für sein Engagement
und wünsche viel Erfolg für seine Kanzlei. Auf die
nunmehr regelmäßig stattfindenden Stammtische
freue ich mich sehr. Wir werden dort interessante
Gespräche führen und wertvolle Kontakte knüpfen
können. Für Tipps und Unterstützung bin ich dankbar.
moenchengladbach@davforum.de
ADVOICE 04 /11
55
Euer FORUM
NEU
Regionalbeauftragte
stellen sich vor
Regionalbeauftragter RA Boris Koch
für den LG-Bezirk Ravensburg
Ich bin seit Januar 2010 Mitglied im FORUM. Nun
habe ich das Amt des Regionalbeauftragten übernommen. Als neuer Regionalbeauftragter möchte
ich meine Person kurz umreißen. Ich bin 30 Jahre
und seit Januar 2010 als Rechtsanwalt bei der RAK
Tübingen zugelassen. Als freier Mitarbeiter bin ich
in der Anwaltskanzlei Rechtsanwälte Schmid & Kollegen, Laupheim, tätig. Ich habe den Fachanwaltslehrgang Fachanwalt für Verkehrsrecht erfolgreich
absolviert. Im Übrigen liegen meine Tätigkeitsschwerpunkte im Straf-, Vertrags- und Mietrecht.
Der Landgerichtsbezirk Ravensburg erstreckt sich
räumlich von Laupheim im Norden bis zum Bodensee im Süden und von Scheer im Westen bis Isny
im Allgäu. Im Bezirk gibt es momentan keinen
monatlich stattfindenden Stammtisch zum Austausch unter Kolleginnen und Kollegen. Dies möchte
ich gerne ändern, um den Kolleginnen und Kollegen
einen gegenseitigen Austausch im LG-Bezirk zu
ermöglichen. Natürlich sollen sich auch die Referendarinnen und Referendare im Bezirk angespro-
Foto: Gerhard Giebener_pixelio.de
chen fühlen. Durch den Stammtisch soll ein reger
Austausch untereinander erreicht und den jungen
Kolleginnen und Kollegen ein erfolgreicher Start in
den Anwaltsberuf ermöglicht werden. Für Fragen
und Anregungen stehe ich als Regionalbeauftragter gerne zur Verfügung. Ich werde einen gesonderten E-Mail-Verteiler einrichten, um so ein Netzwerk
zum Meinungsaustausch aufzubauen.
ravensburg@davforum.de
ANZEIGE
www.davforum.de
w
Mailingliste:
Fragen rein, Ideen raus!
Das FORUM bietet allen m/w Referendaren, Assessoren
und Anwälten bis 40 Jahren
s Mailingliste
s Interessenvertretung
s Erfahrungsaustausch
s Stammtische
s Vergünstigungen
Informationen zur Mitgliedschaft: www.davforum.de
Kontakt: info@davforum.de | 030 / 72 6152-0
Starthilfe | Fortbildungen | Netzwerk
56
ADVOICE 04 /11
Bücher-FORUM
Psychiatrische Begutachtung
Handbuch Medizinrecht
Opferentschädigungsgesetz OEG
Foerster/Dreßing (Hrsg.),
5. Aufl. 2009, 968 S., 255,00 EUR,
Elsevier Verlag
Ratzel/Luxenburger (Hrsg.),
2. Aufl. 2011, 1.872 S., 139,00 EUR,
Deutscher AnwaltVerlag
Kunz/Zellner/Gelhausen/Weiner,
5. Aufl. 2010, 374 S., 70,00 EUR,
Verlag C.H. Beck
Das Handbuch beinhaltet die Begutachtung im Strafrecht, Zivilrecht und Sozialrecht, die kinder- und jugendpsychiatrische Begutachtung sowie die Begutachtung spezieller Fragestellungen
zu beamtenrechtlichen Aspekten, zur Fahreignung, zur persönlichen Eignung nach dem Waffengesetz, zu Stalking, zur Glaubhaftigkeit, zu Suizidhandlungen, zu den Unterbringungsgesetzen
und zu ausländer- und asylrechtlichen Fragen.
Die Inhaltsübersicht des Handbuch Medizinrecht verrät, wie weit
heute das Medizinrecht zu fassen ist. Auch das ist ein Indiz für
dessen Dynamik und Schnelllebigkeit durch die gesetzgeberischen
Aktivitäten, besonders im Bereich des Gesundheitswesens oder
der Schnittstellen zum Sozialversicherungsrecht.
Das Opferentschädigungsrecht ist von der Anzahl der Paragraphen her ein recht überschaubares Gebiet. Es handelt sich hierbei
allerdings um eine Rechtsmaterie, die schwierig ist und die nur
wenige Praktiker gut beherrschen.
Die Darstellung der Anforderungen an das psychiatrische Gutachten machen dieses medizinische Standardwerk für den im
Straf-, Sozial- und Familienrecht tätigen Rechtsanwalt besonders
interessant: Der Jurist erfährt im ersten Teil genau den Ablauf der
forensisch-psychiatrischen Untersuchung. Erläutert wird das
standardgemäße Vorgehen vom Aktenstudium über das gutachterliche Gespräch und Auswertung fremdanamnestischer
Unterlagen, die Erhebung des psychischen Befundes durch
Verhaltensbeobachtung, Auswertung der psychischen Funktionen,
Erfassung der Persönlichkeitsstruktur bis zur körperlichen,
apparativen und testpsychologischen Untersuchung. Fachvokabular, Klassifikationssysteme der psychiatrischen Erkrankungen,
Simulation und Umgang mit Verweigerung des Probanden,
Amnesie, Leugnung und Geständnis erhalten genügend Raum.
Ausführlich werden Fehlermöglichkeiten dargestellt und Vorschläge zu deren Vermeidung gemacht. Dadurch gewinnt der
Anwalt wichtige Erkenntnisse, um ein Gutachten angreifen zu
können. Auch die Haftung des Gutachters bleibt nicht außen vor.
In den Teilen zu den einzelnen Rechtsgebieten werden die
rechtlichen Grundlagen inklusive prozessualer Voraussetzungen
der Gutachtertätigkeit ausführlich erläutert. Es folgt die umfassende Darstellung der zur Begutachtung relevanten Krankheitsbilder bezüglich Diagnostik, Symptomatik, Verlauf und
Therapiemöglichkeit, Kriminalität und Schuldfähigkeit auf dem
aktuellen Stand der Forschung und mit Literaturhinweisen. Die
einzelnen Kapitel sind in Anlehnung an die ICD-10 Schlüssel nach
Krankheitsbildern gegliedert. Auch die rechtsmedizinischen
Ansätze zur Befundinterpretation und Bewertung werden gut
nachvollziehbar erläutert. Merksätze fassen die ausführlichen
Darstellungen präzise und gut zusammen.
Fazit: Den Autoren gelingt der Spagat zwischen rechtlicher
und medizinischer Darstellung hervorragend. Das Buch lässt
in der juristischen Arbeit mit psychiatrischen Befunderhebungen und Begutachtungen in sämtlichen Rechtsgebieten
und Erkrankungen keine Fragen offen.
RAin Ines Müller-Baumgarten, Bielefeld
Die Herausgeber versammeln ein hochkarätiges 30-köpfiges
Autorenteam aus Anwälten, Richtern, Verwaltungsjuristen und
einem Steuerberater um sich. Ziel ist es, neben einem Begleiter
auf dem Weg zum Fachanwalt dem Medizinrechtler eine an den
praktischen Bedürfnissen orientierte Aufbereitung der Entscheidungs- und Argumentationshilfen für die Mandats- und Beratungsarbeit zu bieten.
In den 40 Paragraphen trifft der Leser auf Kapitel vom medizinrechtlichen Mandat über das Berufsrecht der Gesundheitsberufe,
zum Vertragsarztrecht, zum Behandlungsvertrag, zum Arzthaftungs- und Arztstrafrecht, zum Arbeitsrecht der Klinikärzte,
zu Ambulanten Pflegediensten bis zum Steuerrecht. Schwerpunkte sind die praktisch wichtigen Gebiete des Vertragsarztrechts,
des Arzthaftungsrechts sowie das Berufs- und Steuerrecht. In der
gebotenen Kürze sind Randgebiete wie das Transplantationswesen, Transfusionswesen oder die Biomedizinische Forschung berücksichtigt.
Das Werk ist benutzerfreundlich gestaltet. Den Kapiteln geht eine
detaillierte Gliederung nebst Hinweisen auf weiterführende
Literatur voraus. An geeigneter Stelle stößt der Leser auf Beispiele,
Praxistipps, wichtige Hinweise und Übersichten zur Veranschaulichung und Verhaltensrichtlinien.
Ausgezeichnet ist – neben den Ausführungen zum Vertragsarztrecht und dem neuen Kapitel zu den Ambulanten Pflegediensten – das in der Praxis wichtige Arzthaftungsrecht. Im Abschnitt
zur Haftung wegen eines Behandlungsfehlers sind ausgehend
von den Grundlagen einzelne Fallgruppen und besondere Fälle,
die Kausalität und die Beweislast dargestellt. In klarer Sprache
vermittelt Kaiser Umfang, Inhalt, Form, Zeitpunkt, die verschiedenen Adressaten und die Beweislast der ärztlichen Aufklärungsund Dokumentationspflicht, bevor Ausführungen zur Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht, zur Verjährung, zum selbständigen Beweisverfahren und der Passivlegitimation das Kapitel
beenden.
Fazit: Zweifelsfrei wird die Neuauflage des Handbuch Medizinrecht in der Praxis anerkannt sein. Dieses profunde
Nachschlagewerk mit gut lesbarer Aufbereitung des diffizilen
Themas ist allen mit dem Medizinrecht befassten juristischen
Berufsgruppen zu empfehlen.
In dem vorliegenden Buch werden zuerst die §§ 1-11 OEG kommentiert. Danach werden die Leistungen in entsprechender
Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes ausführlich erläutert. Im Anhang werden weitere Vorschriften wie z. B. das
Europäische Übereinkommen über die Entschädigung für Opfer
von Gewalttaten und die Richtlinie 2004/80/EG des Rates der EU
vom 24. April 2004 zur Entschädigung der Opfer von Straftaten
aufgelistet.
Es findet eine sehr gute Erklärung durch praktische Beispiele statt.
Ein besonderes Augemerk legen die Autoren auf die Beweislast. Es
werden insbesondere die Themen Stalking, Mobbing, Sexualstraftaten, Einbruchdiebstahl, Schockschäden und Verletzungen
durch unbekannte Täter dargestellt.
Besonders positiv fällt auch die Praxisnähe der Kommentierung
auf. Hilfreich sind die Kontaktdaten der wichtigsten Behörden in
den Zuständigkeitsvorschriften, geordnet nach Bundesländern.
Auch die Härteregelungen des OEG und die Renten im Sinne des
BVG werden dem Leser anschaulich durch Berechnungsbeispiele
nahe gebracht. Eine große Erleichterung ist die Einleitung in das
Thema der Leistungen des BVG. Hier werden mögliche Fragen des
Mandanten gestellt und durch einen Verweis auf die Fundstellen
die Antworten gegeben.
Dem gesamten Kommentar merkt man an, dass es sich bei den
Autoren ausnahmslos um versierte Praktiker handelt. Das von Dr.
Eduard Kunz, Leitender Ministerialrat a. D., und Gerhard Zellner,
Oberregierungsrat a. D., begründete Werk wird von Dr. Reinhard
Gelhausen, Präsident des Niedersächsischen Landesamtes für
Soziales, Jugend und Familie a. D. und Vorsitzender der Kommission Soziales Entschädigungsrecht/Schwerbehindertenrecht
beim Deutschen Sozialgerichtstag, sowie von Dr. Bernhard Weiner,
Professor an der Polizeiakademie Niedersachsen, fortgeführt.
Fazit: Das Buch ist sehr praxisnah. Durch die in Fettdruck
gehaltenen Schlagwörter sind die gesuchten Textstellen
schnell zu finden. Der Kommentar ist sowohl für Fortgeschrittene als auch für Anfänger, die sich der schwierigen
Materie annähern möchten, sehr gut geeignet.
RAin Christina Worm, Essen
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
ADVOICE 04 /11
57
Bücher-FORUM
Beck’sches Formularbuch Bürgerliches,
Handels- und Wirtschaftsrecht
Hoffmann-Becking/Rawert (Hrsg.),
10. Aufl. 2010, 2.360 S., mit CD-ROM, 108,00 EUR,
Verlag C. H. Beck
Das Formularbuch aus dem Beck-Verlag bietet zahlreiche Mustertexte aus den Bereichen Zivilrecht, Handelsrecht und Gesellschaftsrecht. Teilweise sind auch Muster in englischer Sprache
enthalten, so beispielsweise zum Unternehmenskauf, im Kaufrecht, bei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und im
Immobilienrecht. Bei Verträgen, die einen weiten Spielraum an
zulässigen Regelungen enthalten, beispielsweise beim Unternehmenskauf, werden sowohl käuferfreundliche als auch verkäuferfreundliche Formulierungen dargestellt.
Der Aufbau des Werkes orientiert sich an der Gesetzessystematik:
BGB-AT, Schuldrecht-AT, Schuldrecht-BT, Sachenrecht, Familienrecht, Erbrecht, Handelsrecht, Personengesellschaftsrecht, GmbHRecht, Aktienrecht, Umwandlungsrecht und Schiedsverfahren
bzw. Alternative Streitbeilegung. Innerhalb dieser Bereiche erfolgen zur leichteren Auffindbarkeit weitere Untergliederungen,
beispielsweise im Mietrecht nach Wohnraummiete, Gewerberaummiete und Pacht. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird
teilweise auf die Formulierungen in vorangegangenen Mustertexten verwiesen, was die Übersichtlichkeit erhöht.
Im Anschluss an jedes Muster wird in den ausführlichen Anmerkungen auf die entsprechende Rechtslage mit und ohne die vorgeschlagene Regelung sowie auf mögliche alternative Regelungen eingegangen. Verweise auf die maßgeblichen Gesetzesstellen
und die entsprechende Rechtsprechung ermöglichen einen tieferen Einstieg in die Materie.
Alle Mustertexte – ohne die Anmerkungen – sind auch auf der
beiliegenden CD-ROM enthalten und lassen sich durch nur einen
Klick ausdrucken oder in ein Textverarbeitungsprogramm exportieren. Die Muster sind dadurch ohne Aufwand zu übernehmen
und müssen nur noch an den jeweiligen Einzelfall angepasst
werden.
Das Formularbuch enthält trotz Stand September 2009 bereits
die wesentlichen Neuerungen der letzten Zeit, beispielsweise die
Änderungen im Familienrecht durch Einführung des FamFG oder
das MoMiG im Gesellschaftsrecht.
Unter den Autoren finden sich bekannte Namen wie Schaub im
Arbeitsrecht und Dr. Risse im Bereich Alternative Streitbeilegung.
Fazit: Für Rechtsanwälte, die sich nicht nur auf ein Rechtsgebiet spezialisiert haben, bietet das Formularbuch Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht eine gute Grundlage
für die Vertragsgestaltung im Zivilrecht. Für seltenere Vertragskonstruktionen muss allerdings auf speziellere Formularbücher zurückgegriffen werden.
RAin Tanja Fuß, MPA, Stuttgart
58
ADVOICE 04 /11
VwGO
Beamtenrecht in der Praxis
Kopp/Schenke,
17. Aufl. 2011, 1.946 S., 62,00 EUR,
Verlag C. H. Beck
Helmut Schnellenbach,
7. Aufl. 2011, 412 S., 52,00 EUR,
Verlag C. H. Beck
Dieses Buch ist eigentlich allen schon einmal unter die Finger
gekommen und darf als Standard bezeichnet werden. Gerade
deshalb soll es rezensiert werden. Zudem erfasst die Neuauflage
u. a. das Urteil des BVerwG zum Konkurrentenschutz vom
4.11.2010 sowie die Änderungen des § 67 VwGO zur Frage der
Vertretung vor Gericht. Daneben beinhaltet sie die noch als
Regierungsentwurf bestehenden Regelungen zur Mediation
(§ 173 VwGO; § 168 VwGO iVm. ZPO), wobei die Entwürfe
innerhalb der jeweiligen Kommentierung kursiv hervorgehoben
werden und die Mediation in § 1 Rz. 33–46 sehr ausführlich
dargestellt wird.
Nach der Förderalismusreform I wurde die Gesetzgebungskompetenz grundlegend neu geordnet. Das BRRG ist außer Kraft
getreten und der Bund hat nur noch die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz. Der Autor berücksichtigt dementsprechend
die neuen Regelungen des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (BeamtStG)
mit den Auswirkungen für Landes- und Kommunalbeamte;
BBesG; BBesoldG; BeamtVG und – soweit vorhanden – die Änderungen in den Ländergesetzen.
Da einige Länder spezielle, zum Teil recht verwirrende Regelungen
zum Vorverfahren getroffen haben, wird im Rahmen des § 68
VwGO auf die Landesgesetzliche hingewiesen. Gerade dies zu
wissen, ist für den Rechtsanwalt sehr von Vorteil. Bedauerlicherweise weist der Kommentar hier einige Fehler auf bzw. haben sich
die Regeln zwischenzeitlich wieder geändert. So nennt er noch
§ 6 AGVwGO NRW, (gemeint ist § 110 JustG NRW gültig ab
1.1.2011). Selbiges gilt für § 16 HessAGVwGO (gemeint ist wohl §
16a HessAGVwGO – gültig vom 31.12.2010-31.12.2015), § 6a
BWAGVwGO (gemeint ist wohl § 15 BWAGVwGO – gültig ab
1.4.2011) und § 6 LSAAGVwGO (gemeint ist wohl § 8a LSAAGVwGO).
Umfangreich gehen aber die Autoren beim § 42 VwGO auf die
Entscheidung des BVerwG – 2 C 16.09 zur Ämterstabilität ein.
Im Rahmen von Meinungsstreitigkeiten wird mittels Fettdruck
auf die jeweilige andere Auffassung verwiesen, was sehr zu
begrüßen ist. Vielleicht etwas ungewohnt erscheint es, wenn die
jeweiligen Gerichte nur abgekürzt genannt werden. Dies dürfte
sich aber nicht nur für „eingefleischte“ Verwaltungsrechtler kaum
als große Hürde erweisen, da die Mehrzahl der Abkürzungen
mindestens aus dem Palandt bekannt sein dürfte. Auch dieser
Kommentar enthält den für Rechtsanwälte so wichtigen
Streitwertkatalog 2004.
Fazit: „Der“ Kopp/Schenke ist Standard, wiewohl er (auch
manchmal weiterhin) Mindermeinung vertritt. Vor Gesetzesänderungen ist aber auch er nicht gefeit. Die Neuauflage ist
etwa für Mai 2012 vorgesehen und sowohl die Autoren als
auch der Verlag wurden bereits auf die oben aufgeführten
Änderungen hingewiesen.
RA Dirk Hofrichter, Strausberg
Das Buch untergliedert sich in 14 Kapitel, welche unter anderem
von der Einstellung, Versetzung, über Nebentätigkeiten, Beurteilungen, Dienstunfall bis hin zur Entlassung und Rückforderung
von Bezügen alles behandeln, was für dieses Rechtsgebiet
relevant ist. Ganz dem Titel verpflichtet, wird am Ende eines jeden
Kapitels umfangreich das Verfahrens- und Prozessrecht dargestellt. Trotz des Hinweises, dass das Buch keinen Anspruch auf
vollumfängliche Darstellung habe, kommt es dieser durchaus
nahe und dennoch liest es sich überaus flüssig.
Ein kleiner Wehrmutstropfen bleibt – leider (!): Das Buch berücksichtigt die Literatur und die Rechtsprechung bis Dezember 2010.
Es wird auf das für diesen Bereich relevante Urteil des BVerwG –
2 C 16.09 vom 4.11.2010 über den Grundsatz der Ämterstabilität
hingewiesen. Jedoch basieren die Hinweise nur auf der Pressemitteilung des BVerwG, da die Urteilsgründe bei Manuskriptlegung noch nicht vorlagen. Es hätte dem Buch wirklich den
letzten Schliff gegeben, wenn diese abgewartet worden wären,
um sie entsprechend einzuarbeiten.
Fazit: Trotz des kleinen Wehrmutstropfens ist es sowohl für
den Einsteiger als auch den Fortgeschrittenen in diesem
Metier ein sehr empfehlenswertes Buch. Dem Autor gelingt
es, nicht nur in das „Nebengebiet“ Beamtenrecht einzuführen,
sondern auch, dieses sehr verständlich darzustellen.
Rechtsanwalt Dirk Hofrichter, Strausberg
Bücher-FORUM
Arbeitsrecht - Handbuch für die Praxis
Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht
Der Arbeitsvertrag
Kittner/Zwanziger/Deinert (Hrsg.),
6. Aufl. 2011, 2.828 S., mit CD-ROM, 129,00 EUR,
Bund-Verlag
Dörner/Luczak/Wildschütz (Hrsg.),
9. Aufl. 2011, 3.525 S., 149,00 EUR,
Luchterhand Verlag
Ulrich Preis (Hrsg.),
4. Aufl. 2011, 1.964 S., 149,00 EUR,
Verlag Dr. Otto Schmidt
Seit Kurzem ist die Neuauflage des Werkes „Arbeitsrecht – Handbuch für die Praxis” erhältlich. Mit Stand Januar 2011 ist es geprägt von der Einarbeitung der neuesten Rechtsprechung und
den gesetzlichen Neuerungen. Neben den Entscheidungen zur
Tarifeinheit und OT-Mitgliedschaft, zum Widerspruchsrecht beim
Betriebsübergang und zur Kündigung wegen Bagatelldelikten
sind z. B. die Neuerungen zu Kurzarbeitergeld, Datenschutzrecht
oder zur Großelternzeit integriert.
Das Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht bietet eine systematische, umfassende und praxisgerechte Aufbereitung und
Darstellung des gesamten Arbeitsrechts. Thematisch ist das
Handbuch in die Bereiche Grundlagen des Arbeitsrechts, Individualarbeitsrecht, Kollektives Arbeitsrecht und Arbeitsgerichtsverfahren gegliedert. Insbesondere die in dieser Untergliederung
zu findenden Themenbereiche Inhalt des Arbeitsverhältnisses,
Beendigung des Arbeitsverhältnisses und das Urteils- und Beschlussverfahren werden sehr intensiv und praxisnah – jeweils
aus Sicht des Arbeitergeber- und des Arbeitnehmervertreters –
behandelt. Enthalten sind neben vielfältigen Mustertexten, Checklisten und Rechenbespielen als Ergänzung zur Vorauflage nun
auch die Themenbereiche Europäisches Arbeitsrecht, Arbeitnehmerentsendegesetz, Problematiken des Zuwanderungsrechts
sowie ein Kapitel zur arbeitsrechtlichen Vertragsgestaltung.
Dass „Der Arbeitsvertrag“ bereits in vierter Auflage vorliegt,
dokumentiert die Bedeutung präzise formulierter Arbeitsvertragsklauseln. Dies zeigt sich umso mehr in der Tatsache, dass das BAG
permanent einzelne Klauseln anhand der AGB-rechtlichen Klauselkontrolle nach §§ 305 ff. BGB zu prüfen hat. Die neuen Entscheidungen sind integriert und verschiedene Musterempfehlungen waren an die BAG-Rechtsprechung anzupassen oder zu
erneuern, so z. B.: ergänzende Empfehlung zu Direktionsrecht und
Tätigkeitsbeschreibung, Vorbehalte und Teilbefristungen oder die
Anpassung der Freistellungsklauseln an die Rechtsprechung des
BSG.
Der Autorenkreis, bestehend aus Anwälten, Richtern und Professoren, fokussiert das Werk wissenschaftlich fundiert auf die in
der täglichen Beratung wichtigen Bereiche des Arbeitsrechts samt
Schnittstellen zum SGB.
Die problemorientierte Darstellung anhand der Beratungs- und
Prozesspraxis, die gelungene Schwerpunktsetzung, die klare
Sprache und Struktur erleichtern dem Anwender, sich in die
schwierigen Themen einzuarbeiten.
Inhaltlich überzeugt das siebenteilige Handbuch. Teil 1 zeigt die
Grundlagen des Arbeitsrechts, während sich Teil 2 der Begründung und dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit Ausführungen
etwa zur Anbahnung, zur Arbeitsleistung, den Leistungsstörungen
und der Betrieblichen Altersversorgung widmet. Teil 3 beleuchtet
das in der Anwaltspraxis wichtigste Thema der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses mit den Themen Kündigung, Abmahnung
und den sozial- und steuerrechtlichen Folgen. Teil 4 stellt übergreifende Fragen dar. Die Thematik rund um den Betriebsübergang ist hier verortet. Die Autoren analysieren genau die
Rechtsprechung des EuGH und BAG und klären, was den
Betriebsübergang ausmacht. Sie grenzen Betriebsstillegung und
-übergang ab – bis hin zu Gefahren und sozialrechtlichen
Konsequenzen eines arbeitnehmerseitigen Widerspruchs. Teil 5
zeigt Ausführungen zu besonderen Arbeits- und Beschäftigungsverhältnissen oder Branchen und Berufen. Auch das überstaatliche Arbeitsrecht ist nicht ausgespart (Teil 6), bevor
Zwanziger in einer lesenwerten Darstellung das Arbeitsgerichtsverfahren von den Grundlagen der Rechtsdurchsetzung über den
Zugang zur Arbeitsgerichtsbarkeit, den Schwerpunkten des
Verfahrens erster Instanz, den Prozessvergleich und den Kosten
bis zum einstweiligen Rechtsschutz erläutert.
Das Stichwortverzeichnis, der nicht überfrachtete Fußnotenapparat, die Hervorhebungen und Tabellen erhöhen neben den
Musterverträgen, Formularen und Checklisten auf der CD-ROM
den Nutzen des Handbuchs.
Fazit: Mit seinem Informationsfundus unverzichtbar für die
Arbeitnehmervertretung!
Die zwölf Bearbeiter des Handbuchs des Fachanwalts Arbeitsrecht
sind allesamt Experten aus Wissenschaft und Praxis. Sie schaffen
es, neben einer sorgfältigen Auswertung der instanzgerichtlichen
Rechtssprechung unter Einarbeitung aktueller Entscheidungen,
wie beispielsweise zum Grundsatz der Tarifeinheit, zum Kündigungsrecht (zum Beispiel Kücükdeveci Urteil, „Emmely“) und zum
AGG sowie vielfältiger praxistauglicher Ausführungen zur anwaltlichen Strategie, sogar – sollte dies für das Verständnis einer Norm
einmal unverzichtbar sein – dem Leser diesbezüglich auch rechtspolitische Hintergrundinformationen zur Verfügung zu stellen.
Für den fachanwaltlich tätigen Praktiker bietet das Handbuch
nicht nur umfassende Beiträge zur Strategie und Taktik im Kündigungsschutz- und Einigungsstellenverfahren, sondern ist durch
seinen übersichtlichen Aufbau und umfassenden Inhalt ein
wertvoller Begleiter.
Über den enthaltenden Zugangscode ist zudem der Zugriff auf
eine Onlineversion des Werkes sowie auf die gesamte zitierte
Rechtsprechung möglich.
Fazit: Das Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht ist tatsächlich ein Handbuch im wörtlichen Sinne und hält, nicht
nur für den Fachanwalt für Arbeitsrecht, die Antworten auf
die vielfältigen arbeitsrechtlichen Fragen im anwaltlichen
Alltag parat.
RA Dominik Nowak, Bochum
Ziel des Teams um Ulrich Preis – bestehend aus drei Professoren,
einer Anwältin und einem Richter – ist es ausweislich des Vorworts, auf die präzise arbeitsrechtliche Würdigung besonderer
Vertragsgestaltungen hinzuwirken und bei einer rechtswirksamen,
klaren und fairen Vertragsgestaltung zu helfen.
Inhaltlich brilliert das dreiteilige Werk. Teil I widmet sich den
methodischen Grundlagen der Vertragsgestaltung über die
praktische Vertragsgestaltung und deren Grenzen bis zu den
einhergehenden sozialversicherungs- und steuerrechtlichen
Fragen. Des Handbuchs Kern bildet Teil II mit dem umfangreichen
lexikonartigen Kommentar der Vertragstypen und -klauseln aus
über 60 Regelungsbereichen. Darin stößt der Leser etwa auf
Klauseln zu Abtretungsverboten und Löhnpfändung, Arbeitszeit,
Dienstwagen, Entgeltfortzahlung, Freistellung, Haftung des Arbeitnehmers, Kündigungsvereinbarungen, Salvatorische Klauseln,
Verschwiegenheitspflichten, Wettbewerbsverbote und Zurückbehaltungsrechten. Das Herausarbeiten der materiellen Wirksamkeit der Klauseln vor dem Hintergrund zwingenden Gesetzesrechts und der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307-309 BGB ist der
Schwerpunkt der Kommentierung. Äußerst nützlich ist neben der
Erläuterung der Vor- und Nachteile der Klauseln die Darstellung
geeigneter, weniger geeigneter oder unzulässiger Klausen und die
Beantwortung sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Fragen.
Abschließend verfügt Teil III über einen großen Fundus detaillierter Vertragsmuster verschiedener Branchen (mit und ohne
Tarifbezug) und Arbeitnehmergruppen.
Fazit: Das Buch ist für die Gestaltung von Arbeitsverträgen
oder deren Überprüfung aufgrund der Aufbereitung des
Themas in der Praxis unverzichtbar. Die einzigartige Präsentation der Vor- und Nachteile von über 500 Vertragstypen
und -klausen mit der Empfehlung rechtssicherer Formulierungen sucht ihresgleichen.
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
ADVOICE 04 /11
59
Bücher-FORUM
Ausländerrecht
Marken eintragen und recherchieren
Erman BGB
Günter Renner,
9. Aufl. 2011, 2.325 S., 138,00 EUR,
Verlag C.H. Beck
Robert Kazemi,
1. Aufl. 2010, 132 S., 34,00 EUR,
Deutscher AnwaltVerlag
Westermann/Grunewald/Reinmer (Hrsg.)
13. Aufl. 2011, 6.983 S., in 2 Bänden, 348,00 EUR,
Verlag Dr. Otto Schmidt
„Das Standardwerk wieder neu“, so preist der Verlag diesen
bewährten Kommentar zum Ausländerrecht kurz und bündig im
Online-Shop an. Ist es also unnötig, weitere Worte über dieses
Werk zu verlieren?
Im Wettkampf der Dienstleister und Produkte sind nicht zuletzt
Marken ein wichtiger Faktor. Das Deutsche Marken- und
Patentamt verwaltet derzeit knapp 800.000 Markeneintragungen.
Hierzu gehören Wortmarken, Bildmarken, Duftmarken oder
Tastmarken. In diesem Marken-Dschungel besteht bei Unternehmern das Bedürfnis, eine geeignete Marke zu finden und diese
rechtlich schützen zu lassen.
Seit September 2011 ist die nunmehr 13. Auflage des Erman im
Buchhandel erhältlich. Die neue Auflage berücksichtigt den
Gesetzesstand am 1.7.2011. Die Autorenschaft des Erman setzt
sich aus insgesamt 52 Professoren, Anwälten und Richtern
zusammen. Neben den Vorschriften des BGB werden auf den
insgesamt 6.983 Seiten auch die wichtigsten Nebengesetze
kommentiert, wie zum Beispiel AGG, UKlaG, ProdHaftG, LPartG,
WEG und das zum April 2009 neu geschaffene Gesetz über den
Versorgungsausgleich (VersAusglG).
Keineswegs, denn der „Renner“ beruht in der Neuauflage auf der
Über- und Neubearbeitung der Kommentierung des 2005 verstorbenen Autors Günter Renner durch Prof. Dr. Jan Bergmann
(RiVGH B-W), Dr. Klaus Dienelt (RiVG Darmstadt) und Sybille
Röseler (Leiterin des Rechtsreferats bei der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung).
Das Werk umfasst Kommentierungen des AufenthG, FreizügG/EU,
Art. 16a GG und AsylVerfG sowie von arbeits- und sozialrechtlichen Normen mit Bezug zum Ausländerrecht. Die Gliederung
spiegelt die Schwerpunktsetzung wider: Der erste Teil widmet sich
auf annähernd 1.400 Seiten der Kommentierung des AufenthG.
Der neu bearbeitete zweite Teil befasst sich auf knapp 200 Seiten
mit dem FreizügG/EU und zeigt die Auswirkungen der Unionsbürgerrichtlinie auf das nationale Ausländerrecht auf. Es schließt
sich im dritten Teil auf 40 Seiten die Erläuterung des Art. 16a GG
an. Der vierte Teil beschäftigt sich auf etwa 450 Seiten mit dem
AsylVerfG. Es folgt im fünften Teil eine Textsammlung mit wichtigen europäischen Verordnungen, Richtlinien und anderem.
Das „look and feel“ folgt den üblichen Standards Beck’scher
Kommentare, nachdem in der Neuauflage begrüßenswerter Weise
eine Umstellung des gesamten Kommentars auf Fußnoten erfolgte. Dem Nutzer des Werks werden im Übrigen einige knappe
Benutzungshinweise, eine funktionale Inhaltsübersicht, ein Abkürzungsverzeichnis sowie ein hilfreiches Sachverzeichnis an die
Hand gegeben.
Inhaltlich merkt man den Kommentierungen des neuen Autorenteams an, dass diese sich dem „ausländerrechtlichen Erbe“ von
Günter Renner, seinem liberalen Geist und kritisch-prüfendem
Blick, verpflichtet fühlen und den Kommentar nach seinen Vorgaben fortschreiben.
Fazit: Den drei Bearbeitern des von Renner geprägten Standardkommentars zum Ausländerrecht ist es gelungen, das
inhaltlich hohe Niveau des Werks zu halten und den Gebrauchswert durch vorsichtige Änderungen im Lektorat zu
erhöhen. Dieser Standardkommentar ist daher für jeden Anwalt, der Sachverhalte mit Berührung zum Ausländerrecht
bearbeitet, ein unentbehrliches Hilfsmittel.
Das Werk von Robert Kazemi widmet sich dem aus Anwaltssicht
besonders relevante Thema der Markeneintragung und -recherche. Auf 132 Seiten werden die relevanten Probleme kompakt und
praxisnah erläutert. Es umfasst vier Kapitel sowie einen Anhang.
Im ersten Kapitel geht der Autor auf zwei kompakten Seiten auf
die Rechtsquellen im Markenrecht, die Markenverordnung und
die Gemeinschaftsmarkenverordnung sowie die Richtlinien zu
den Verfahren in Markenangelegenheiten ein. Im zweiten Kapitel
klärt Kazemi über die Erscheinungsformen von Marken und ihre
begriffliche Bedeutung auf. Gerade für Anfänger in der Materie
sind die Erläuterungen über Dachmarken, Eventmarken oder
Kombinationsmarken hilfreich. Die Ausführungen im dritten und
vierten Kapitel sind das eigentliche Herzstück des Buches. Im
dritten Kapitel erläutert Kazemi die Kennzeichenarten und
Funktion der Marke. Für das Leseverständnis sind dabei die zahlreichen Abbildungen praktisch. Gerade beim Thema Hörmarken
erleichtern die jeweiligen Notenauszüge, Frequenztabellen der
Jingles oder dreidimensionalen Marken mit Produktbezug erleichtert eine Bilddarstellung das Textverständnis erheblich. Im
vierten Kapitel widmet sich der Verfasser dem Weg zur Registermarke. Er beginnt dabei mit den notwendigen Überlegungen des
Anwalts vor dem Gang zum Markenamt und der Fragen „Wer will
die Marke schützen?“ und „Was soll die Marke schützen?“. Im
Weiteren stellt er die absoluten und relativen Schutzhindernisse
sehr umfassend dar. Der Ablauf des Eintragungsverfahrens wird
zum Schluss des Kapitels sehr anschaulich beschrieben.
Das Buch endet mit einem Anhang, der dem Praktiker wertvolle
Tipps an die Hand gibt: Verhaltensweisen nach erfolgreicher
Markeneintragung, Recherchemöglichkeiten und eine Checkliste
Markeneintragung.
Fazit: Das Buch von Robert Kazemi ist ein für Anwälte sehr
guter Ersteinstieg in die Materie. Es handelt das Markenrecht
nicht nur aus theoretischer Sicht ab, sondern erläutert aus
Sicht des beratenden Anwalts die Vorgehensweise bei Recherche und Eintragung der Marke.
60
ADVOICE 04 /11
In Band 2 werden die §§ 759 bis 2385 sowie die o. g. Nebengesetze
nebst der dazugehörigen Verordnungen kommentiert. Hervorzuheben ist in diesem Band die Einleitung zum Buch 4 (Familienrecht) des BGB, da umfangreich die Systematik des Familienrechts
im BGB unter Bezugnahme auf das GG und internationales Recht
(u. a. EMRK, Grundrechte-Charta) erläutert wird.
Die Kommentierung jeder einzelnen Norm wird stets durch umfassende Erläuterungen zum Zweck bzw. zur Bedeutung eingeleitet. Dies ermöglicht dem Leser ein gutes Verständnis der Grundstruktur der jeweiligen Norm, bevor auf die Details eingegangen
wird. Durch die Bezugnahme und Erläuterung der auf die jeweilige Norm betreffenden Grundrechte wird dem Anwalt bei der
Erstellung von Schriftsätzen ferner ein gutes Grundgerüst für
seine Argumentation an die Hand gegeben.
Fazit: Der Erman ist ein gelungenes Werk. Es besitzt gegenüber den preiswerteren Kommentaren einen echten Mehrwert, da aufgrund der umfangreichen und praxisgerechten
Darstellung oftmals ein weitergehendes Nachschlagen in
anderen Fachbüchern oder Aufsätzen in Fachzeitschriften
entbehrlich wird.
RA Martin Bretzler, Hann. Münden
RA Florian Wörtz, Mediator, Stuttgart
RA Jens David Runge-Yu, Freiburg im Breisgau
In Band 1 werden die §§ 1 bis 758 BGB und das UKlaG kommentiert. Im Bereich des BGB wurden hier insbesondere Neuerungen
im Vereinsrecht, im Verbraucherschutzrecht, im Mietrecht und im
Reisevertragsrecht bearbeitet. Hervorzuheben ist in Band 1 aber
insbesondere die Kommentierung zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht, welche umfangreich und trotzdem prägnant ausfällt.
Im Bereich des Arbeitsrechts wurde bei § 626 BGB gut die
Rechtslage bei Bagatellkündigungen („Emmely“-Entscheidung des
BAG) eingearbeitet. Die fast 100-seitige Kommentierung des § 611
BGB stellt eine gründliche und systematische Darstellung des
Individualarbeitsrechts dar.
Bücher-FORUM
Betriebsverfassungsgesetz
Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier (Hrsg.),
25. Aufl. 2010, 2.173 S., 72,00 EUR,
Verlag C.H. Beck
Hartz IV-Paket:
Das neue Grundsicherungsrecht
Groth/Luik/Siebel-Huffmann, 1. Aufl. 2011, 224 S.
Das Hartz-IV-Mandat
Einführung in den praktischen Journalismus
Walther von La Roche,
18. Aufl. 2010, 327 S., 17,95 EUR,
Econ Verlag
Ludwig Zimmermann, 2. Aufl. 2011, 316 S.
zusammen: 59,00 EUR, Nomos Verlag
Der Fitting liegt mittlerweile in der 25. Auflage 2010 vor und
berücksichtigt bereits die neuen Beteiligungsrechte für Betriebsräte und Wirtschaftsausschüsse bei Unternehmenskäufen durch
Finanzinvestoren sowie die Erweiterung des Arbeitnehmerbegriffs
um Beamte, Soldaten und Angestellte des öffentlichen Dienstes.
Die 25. Auflage belegt, dass dieses Werk ein echter Klassiker ist.
Der Fitting behandelt das komplette BetrVG, von der Wahl des
Betriebsrates über Verfahrensvorschriften, Rechte und Pflichten
des Betriebsrates bis zu Sondervorschriften für Tendenzbetriebe.
Der Mitbestimmungsteil nimmt naturgemäß den größten
Umfang ein.
Zu Beginn des Handkommentars ist der Gesetzestext des BetrVG
komplett abgedruckt. Im Anschluss werden auf über 2.000 Seiten
die einzelnen Paragraphen kommentiert, wobei nach dem Text
des jeweiligen Paragraphen und der Inhaltsübersicht die eigentliche Kommentierung folgt. Die Wahlordnung 2001 sowie das
europäische Betriebsrätegesetz werden im Anhang erläutert.
Nach der eigentlichen Kommentierung listet ein Fundstellennachweis die zitierten Fundstellen in der AP (Arbeitsrechtliche
Praxis) ab 1972 chronologisch auf und verweist auf weitere
Fundstellen. Damit ist garantiert, dass man die weiterführende
Literatur unabhängig von den zur Verfügung stehenden Materialien schnell findet.
Der Text liest sich sehr flüssig. Ein Grund dafür ist, dass der Fitting,
obwohl ein Kurzkommentar, auf zu viele Abkürzungen verzichtet.
Außerdem sind die Sätze relativ kurz gehalten, auf Schachtelsätze
wird weitgehend verzichtet. Regelmäßig wird innerhalb des Textes
auf andere Paragraphen und weiterführende Literatur verwiesen.
An geeigneter Stelle wird die Kommentierung durch Beispiele
veranschaulicht, so z. B. bei der Wahl des Betriebsrates nach dem
d’Hondtschen Höchstzahlverfahren.
Unter den Herausgebern befinden sich mit Ingrid Schmidt als
Präsidentin und Wolfgang Linsenmaier als Vorsitzendem Richter
des BAG namhafte Juristen.
Fazit: Der Fitting ist zu Recht „der“ Kommentar in der Praxis,
wenn es um das Betriebsverfassungsrecht geht. Er ist kompakt und vollständig zugleich, juristisch anspruchsvoll und
gut zu lesen und das zu einem moderaten Preis. Wer auf dem
Gebiet des kollektiven Arbeitsrechts tätig ist, kann auf dieses
Werk kaum verzichten.
RAin Tanja Fuß, MPA, Stuttgart
Die als Sozialrichter an das BMAS abgeordneten Autoren des
Buches „Das neue Grundsicherungsrecht“ begleiteten das Gesetzgebungsverfahren. Sie liefern einen zuverlässigen Überblick über
die Neuerungen und geben erste Praxishinweise. In den ersten
beiden Teilen werden anhand des jeweiligen BVerfG-Urteils die
Änderungen der Gesetzgebung erläutert. Im dritten Teil werden
weitere Änderungen aufgeführt: Elterngeld ist anrechenbares
Einkommen. Die Bezugszeit des Alg II gilt als Anrechnungszeit,
nicht als Beitragszeit in der Rentenversicherung. Leistungsbezieher, die zuvor von der Rentenversicherungspflicht befreit
waren, erhalten keinen Zuschuss für berufsständische Versorgungswerke oder Alterssicherung der Landwirte. Zusatzbeiträge
zur gesetzlichen Krankenversicherung werden in Ausnahmefällen
übernommen. Kosten für eine private Krankenversicherung
werden maximal bis zu einem Betrag von 287,50 Euro übernommen (Basistarif). Auch die Gesetzestexte sind als Anhang beigefügt.
Wegen des umfassenden, verständlichen und gut strukturierten
Einblicks in die neue Gesetzeslage samt den Hintergründen kann
sich der sozialrechtliche Praktiker gut und schnell auch während
des Arbeitsalltags in die Materie einarbeiten.
Mit der zweiten Auflage des Werks „Das Hartz-IV-Mandat“ hat
Zimmermann in kürzester Zeit ein hervorragendes Buch in sehr
guter Qualität mit anschaulichen Beispielen für die Praxis auf dem
neuesten Stand der Rechtsprechung und Gesetzgebung vorgelegt. Er zeigt alle Eventualitäten der anwaltlichen Praxis in allen
Verfahrensabschnitten samt Problemen und Abrechnungsfragen
auf. Im Abschnitt Verwaltungsverfahren erklärt er ausführlich das
System der Abrechnung und den Anspruch auf Kostenerstattung
des Mandanten nach § 63 SBG X sowie die in der Praxis
auftretenden Probleme bei der Gewährung von Beratungshilfe.
Insbesondere weist er darauf hin, dass gem. § 9 S. 2 BerHG der
Anspruch des § 63 SGB X auf den Rechtsanwalt übergeht.
Ungeklärt ist, ob der Anwalt bei der Geltendmachung des Anspruchs in eigenem Namen zu dem von Gerichtsgebühren befreiten Personenkreis gehört. Zimmermann vertritt die Auffassung,
dass analog zum Erstattungsanspruch der Staatskasse auch
Gebührenfreiheit für den übergegangenen Anspruch des Anwalts
gelten muss. Aufgrund vor Jahren gemachter negativer Erfahrungen macht die Rezensentin Kostenerstattungsansprüche stets
im Auftrag des Mandanten geltend. Als Anhang sind Schriftsatzmuster samt Erläuterungen angefügt.
Das Werk „Einführung in den praktischen Journalismus“ beschreibt,
wie man als Journalist arbeitet und wie man Journalist wird. Es
beinhaltet zunächst die Tätigkeiten und Arbeitsfelder eines
Journalisten. Der Autor geht der Frage nach, wie der Journalist
zu seiner Story kommt und führt in die verschiedenen journalistischen Darstellungsformen (Nachricht, Bericht, Reportage,
Feature, Interview, Umfrage, Korrespondentenbericht, analysierender Beitrag, Kommentar, Glosse und Rezension) ein. Darüber
hinaus beschreibt er die Wege des zukünftigen Journalisten in
eine Redaktion. Ein weiterer wesentlicher Teil des Werks ist die
Darstellung der verschiedenen Ausbildungswege des zukünftigen
Journalisten.
Hinsichtlich des Verfassens einer Mitteilung gibt der Autor dem
zukünftigen Journalisten unter anderem die Ratschläge nur das
in seiner Mitteilung zu bringen, was er selbst verstanden hat, anschaulich und genau zu berichten, Namen zu nennen, die Vorgeschichte zu erzählen, Zusammenhänge aufzuzeigen, mit
Fremdwörtern zu geizen und schließlich Behörden-Deutsch zu
vermeiden.
Den meinungsäußernden Kommentator weist der Autor auf die
größte Gefahr für einen jeden Kommentator hin, die darin besteht, an seinem Publikum vorbei zu kommentieren.
Der Autor rät davon ab, Beiträge lediglich auf Verdacht für
irgendeine Redaktion zu schreiben. Den Beitrag schreibt man in
Absprache und in im engen Kontakt mit der Redaktion. Er hält die
Lokalzeitung für die beste Möglichkeit, einen Beitrag anzubieten.
Diese hat den Vorteil des ständigen großen Themenbedarfs und
ist am leichtesten zu erreichen.
Autor des Buches ist Walter La Roche, der lange Jahre Ausbildungsbeauftragter und Hörfunk-Nachrichtenchef des Bayerischen Rundfunks sowie Dozent für praktischen Journalismus an
Journalistenschulen und Universitäten war. Der Autor verstarb
nach der Fertigstellung der 18. Auflage. Gabriele Hooffacker und
Klaus Maier führen sein Buch in seinem Sinne fort.
Fazit: Zahlreiche Beispiele und Ratschläge machen das Buch
zu einer lesenswerten Einführung für jeden Anwalt, der sich
auf das Gebiet der Pressearbeit begeben möchte.
RAin Inés Kraus, Mainz-Kostheim
Fazit: Auch der nur wenig im SGB II tätige Rechtsanwalt
findet in diesem Werk das zur erfolgreichen Mandatsführung
notwendige Wissen.
RAin Ines Müller-Baumgarten, Bielefeld
ADVOICE 04 /11
61
Bücher-FORUM
Handbuch des Fachanwalts Versicherungsrecht
AnwaltFormulare Zwangsvollstreckung
Anwalts-Handbuch Mietrecht
Halm/Engelbrecht/Krahe (Hrsg.)
4. Aufl. 2011, 2.688 S., 139,00 EUR
Luchterhand Verlag
Frank-Michael Goebel (Hrsg.),
4. Aufl. 2011, 1.632 S., 119,00 EUR,
Deutscher AnwaltVerlag
Klaus Lützenkirchen (Hrsg.),
4. Aufl. 2010, 2.864 S., 129,00 EUR,
Verlag Dr. Otto Schmidt
Das Handbuch des Fachanwalts Versicherungsrecht beinhaltet
den gesamten Stoff, der nach der Fachanwaltsordnung im
Bereich Versicherungsrecht vorgeschrieben ist. Aufgrund der
Vielfältigkeit der zu versichernden Risiken existieren im Versicherungsrecht auch vielfältige Rechtsprobleme. Als Autoren des
Handbuchs wirken 43 namhafte Professoren, Rechtsanwälte und
Versicherungsjuristen, die über ein fundiertes Wissen in der jeweilig bearbeiteten Versicherungssparte verfügen. In 38 Kapiteln
stellen die Bearbeiter sämtliche wichtigen Bereiche des Versicherungsrechts umfassend dar.
Neue Gesetzesvorhaben und einige Gesetzesänderungen veranlassten das Autorenteam um Frank-Michael Goebel – alles
versierte und erfahrene Richter, Anwälte und Rechtspfleger –, die
AnwaltFormulare Zwangsvollstreckungsrecht komplett zu überarbeiten und zu aktualisieren. Alle Neuheiten sind berücksichtigt,
z. B. die Reform der Kontopfändung, der Sachaufklärung und des
Verbraucherinsolvenzrechts, die Erhöhung der Pfändungsfreibeträge sowie verschiedene EU-Verordnungen.
Der Lützenkirchen ist kein typischer Kommentar, sondern ein
Anwaltshandbuch, das aus der Mandatsperspektive geschrieben
und für den anwaltlichen Praktiker bestimmt ist. Es ist daher auch
nicht nach den gesetzlichen Regelungen aufgebaut, sondern
orientiert sich an anwaltlichen Bedürfnissen.
Im ersten Kapitel des Werks wird dabei einleitend das Allgemeine
Versicherungsvertragsrecht dargestellt. Diese Einleitung ermöglicht dem nicht umfassend im Versicherungsrecht vorgebildeten
Rechtsanwalt einen Einstieg in die Materie. Im zweiten Kapitel
werden die Besonderheiten der Prozessführung im versicherungsrechtlichen Mandat dargestellt. Im dritten Kapitel wird dann
das Ombudsmannverfahren erläutert. In den weiteren Kapiteln
werden neben „Klassikern“ wie der Kaskoversicherung, Krankenversicherung oder Privathaftpflichtversicherung auch eher
unbekannte Versicherungen wie die Reisgepäckversicherung dargestellt. Für jeden Rechtsanwalt ist daneben aber auch die
Darstellung der Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte
im 27. Kapitel lesenswert.
Inhaltlich überzeugt das Buch mit höchster Aktualität und einer
umfassenden Darstellung des anwaltsrelevanten Versicherungsrechts. Sämtliche Versicherungsarten werden detailliert dargestellt. Anspruchsgrundlagen mit sämtlichen Tatbestandsvoraussetzungen werden ebenso wie Haftungsausschlüsse ausführlich abgehandelt. Die Bearbeiter betrachten dabei die jeweilige Versicherungsart stets vor dem Hintergrund der
anwaltlichen Praxis. Zahlreiche Beispiele, Checklisten und Muster,
wie beispielsweise eine Deckungsklage gegenüber der Rechtsschutzversicherung, erleichtern dem Praktiker die Mandatsbearbeitung.
Fazit: Das Handbuch des Fachanwalts Versicherungsrecht ist
dazu geeignet, nahezu jede Frage aus dem Bereich des
Versicherungsrechts zu beantworten. Die Darstellung von
Versicherungsarten wie beispielsweise Arzthaftpflicht, Kaskoversicherung, Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung oder
Rechtsschutzversicherung sind für jeden Rechtsanwalt und
nicht nur für den Fachanwalt Versicherungsrecht wertvoll.
RA Martin Bretzler, Hann. Münden
Die Bedeutung des Zwangsvollstreckungsrechts zeigt sich für die
Anwaltschaft bereits darin, dass der Mandant erst dann seinen
Anwalt als erfolgreich betrachten wird, wenn er für seine titulierte
Forderung Geld sieht. Um das zu erreichen, ist – auch nach dem
Gesetzeswillen – schnell zu handeln. Diesem Ziel, den titulierten
Anspruch zu verwirklichen, dient das Werk. Jedoch gilt es dabei
ausdrücklich auch, den berechtigten Schuldnerschutz zu wahren.
Der Aufbau der in 15 Paragraphen gegliederten Formularsammlung ist durchdacht. Sie umfasst z. B. die Grundfragen der Zwangsvollstreckung und des Forderungsmanagements, das ABC der
Forderungspfändung, die Zwangsvollstreckung zur Herausgabe
von Sachen bis zu den Rechtsbehelfen und den Kosten. Der
detaillierten Gliederung und dem Literaturverzeichnis folgen die
umfassenden, aber praxisorientierten Erläuterungen der einzelnen
Vollstreckungsarten nach ihrem gewöhnlichen Verlauf. Im letzten
Kapitel eines jeden Paragraphen findet der Leser die praxiserprobten Musterformulare. Wichtig ist den Autoren, über den
gewöhnlichen Verlauf der Zwangsvollstreckung den Blick auf
haftungsträchtige Fehler zu lenken und alternative Vollstreckungsmöglichkeiten zu zeigen. Dabei haben sie das gesamte
Werk mit vielen Checklisten, Tabellen, Tipps, Hinweisen und fett
gedruckten Schlagwörtern im Text bereichert.
Mut zeigen die Autoren dadurch, dass mögliche Auswirkungen
weiterer Gesetzesvorhaben schon in der Neuauflage mit taktischen Hinweisen berücksichtigt sind, z. B. für die Reform der
Restschuldbefreiung oder die zweite Stufe der Reform der Kontopfändung zum 1.1.2012.
Die über 400 Formularmuster auf der CD-ROM lassen sich leicht
in die eigene Textverarbeitung übernehmen.
Fazit: Die AnwaltFormulare Zwangsvollstreckungsrecht überzeugen für die Praxis mit dem Konzept, die Muster mit den
Erläuterungen zu verknüpfen. Herausragend sind die Erläuterungen zur Informationsbeschaffung über den Schuldner
bei der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung und das ABC
der Forderungspfändung.
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
62
ADVOICE 04 /11
Untergliedert ist das Werk sowohl in sachbezogene Abschnitte
wie „Änderungen und Ergänzungen des Mietvertrages“ oder
„Miete“ als auch in anwaltsspezifische Abschnitte wie „Gestaltungsberatung bei Mietverträgen“, „Allgemeine Fragen der
Abwicklung mietrechtlicher Mandate“, „Rechtsanwaltsvergütung“
oder „Besondere Probleme des Mietprozesses“. Viele Abschnitte
enthalten Tipps zu typischen Beratungssituationen, Vorüberlegungen zu Beratung und Umgang mit Mandanten, zum Umgang
mit Rechtsschutzversicherungen sowie prozessuale Hinweise.
Immer wieder finden sich Musterformulierungen zu einzelnen
Vertragsklauseln und Schreiben sowie zahlreiche Beispiele. Oft
werden verschiedene Möglichkeiten der Vorgehensweise dargestellt, Risiken und Chancen der Varianten erörtert und praktische Tipps gegeben. Umfassend kommentierte Checklisten sind
ebenso wichtige Hilfen wie alphabetisch sortierte Tabellen zur
Rechtsprechung. Soweit höchstrichterliche Rechtsprechung noch
nicht vorliegt, werden Stellungnahmen von BGH-Senatsmitgliedern dargestellt, die Anhaltspunkte geben, wie eine BGHEntscheidung möglicherweise ausfallen würde.
Die Kapitel zu Schönheitsreparaturen und Betriebskosten wurden
aufgrund der vielen neuen Entscheidungen des BGH, die zum Teil
auch zu gravierenden Änderungen der Rechtslage geführt haben,
völlig neu geschrieben. Zudem wurde ein Abschnitt über die
Pfändung in Mietforderungen eingefügt.
Mit zahlreichen Tipps zu Vertragsverhandlungen oder zu Vorgehensweisen auf Mieter- bzw. Vermieterseite wird gerade dem
Mietrechtsneuling der Einstieg in die mietrechtliche Beratung und
Vertretung erleichtert.
Fazit: Der Lützenkirchen ist ein echter Praktiker. Im Gegensatz
zu anderen Kommentaren stellt er nicht nur die Rechtslage
dar, sondern achtet stets auf deren Bedeutung für die praktische Arbeit und gibt zahlreiche Hilfestellungen. Zusammen
mit einem klassischen Mietrechtskommentar ist damit sowohl der Mietrechtsneuling als auch der erfahrene Mietrechtspraktiker bestens ausgerüstet. Zwar ist das über 2.800
Seiten starke Werk nicht gerade billig, doch dafür bekommt
man ein hervorragendes Handbuch für die Praxis an die Hand.
RAin Tanja Fuß, MPA, Stuttgart
Autorenverzeichnis
Maria Knor
ist Rechtsanwältin in Hamburg und vornehmlich im Bereich des deutschen
Arbeitsrechts und italienischen Zivilrechts tätig. Ihr Schwerpunkt liegt
dabei im italienischen Immobilienrecht.
www.rosepartner.de
Christine Frey
ist selbständige Rechtsanwältin in Berlin mit Schwerpunkten im Strafrecht, Verkehrsrecht und allgemeines Zivilrecht.
www.anwaltskanzlei-frey.de
Jens-Christof Niemeyer
ist Einzelanwalt aus Spenge und aus Überzeugung. Mit Vorliebe bearbeitet
er Mandate aus dem Bereich der sogenannten Neuen Medien, deren
Existenz sich bis nach Ostwestfalen herumgesprochen hat.
kanzlei@anwaltniemeyer.de
Frank Röthemeyer
ist seit 2004 Anwalt in Balingen in allgemein ausgerichteter Kanzlei mit
einem Kollegen Fachanwalt für Verkehrsrecht, auch Schwerpunkt der Tätigkeit RB für den LG-Bezirk Hechingen.
kanzlei@karle-roethemeyer.de
Alessandra Pesca
ist eine im Bereich des deutsch-italienischen Rechts tätige italienische
Rechtsanwältin (Avvocato). Sie hat einen Master im internationalen Wirtschaft und einen LL.M. im deutschen Recht erworben.
pesca@ra-italien.eu
Steffen Eube
ist angestellter Jurist bei HDI-Gerling Firmen und Privat Versicherung AG
und dort im Zentralen Underwriting Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung tätig.
Steffen.Eube@hdi-gerling.de
Felix Westpfahl
arbeitet als selbstständiger Rechtsanwalt in Hannover. Tätigkeitsschwerpunkte sind das Strafrecht und Medizinrecht. Er ist zudem nebenamtlicher
Dozent an der Hochschule für kommunale Verwaltung in Niedersachen.
www.kanzlei-westpfahl.de
Marc Y. Wandersleben
ist Wirtschaftsjurist, Rechtsanwalt und Mediator. Er ist Partner der Kanzlei
Brennecke & Partner und Geschäftsführer am Standort Hannover. Zudem
ist er Regionalbeauftragter des FORUMs für den LG-Bezirk Hannover.
wandersleben@brennecke-partner.de
Dagmar Husmann
ist Rechtsanwältin für Arbeitsrecht, Medien- und Urheberrecht sowie allgemeines Zivilrecht bei der Sozietät Groenewold Rechtsanwälte in Hamburg.
Sie arbeitet an ihrer Dissertation im Bereich „Recht und Literatur“.
www.groenewold-rae.de
Gabriele Knöpfle
ist seit 2005 Anwältin und in Stuttgart als Fachanwältin für Verkehrsrecht
tätig. Sie studierte in Augsburg und Lund/Schweden und ist für das FORUM
Junge Anwaltschaft Regionalbeauftragte für den Landgerichtsbezirk Stuttgart.
info@ra36.de
Elke Dausacker
ist seit 2008 selbständige Rechtsanwältin in Netphen. Schwerpunkte ihrer
anwaltlichen Tätigkeit liegen auf den Gebieten Verkehrsrecht, Miet- und
WEG-Recht sowie Aufenthalts- und Asylrecht.
www.anwalt-dausacker.de
Urs Breitsprecher
ist Anwalt in einer Düsseldorfer Partnerkanzlei und Fachanwalt für Handelsund Gesellschaftsrecht mit Spezialisierung für Wirtschafts- und Steuerrecht.
Im FORUM ist er für internationale Fragen zuständig.
urs@kb-legal.de
Volker Loeschner
ist selbständiger Rechtsanwalt in Berlin mit eigner Kanzlei für Zahn- und
Medizinrecht.
ra-loeschner@zahn-medizinrecht.de
Silke Waterschek
ist in eigener Kanzlei in Heilbronn als Anwältin und Mediatorin mit den Schwerpunkten Familien-, Straf- und Vertragsrecht tätig. Sie ist Rb für den LG Bezirk
Heilbronn und Vorsitzende des GfA des FORUM Junge Anwaltschaft.
info@kanzlei-waterschek.de
Matthias Dantlgraber
studierte Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität in Berlin. Bis
August 2011 war er Rechtsreferendar im Bezirk des Berliner Kammergerichts.
Seine Wahlstation absolvierte er an der Deutschen Botschaft in Washington.
Matthias.Dantlgraber@web.de
Sebastian Günter
ist seit 2007 Rechtsanwalt und seit diesem Jahr tätig in der Kanzlei Dreissiger in Berlin. Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht.
kanzlei@s-guenther.de
Astrid Ackermann
ist Rechtsanwältin, betreibt in Frankfurt/Main eine Kanzlei im Medienund IT-Recht und ist dort auch Regionalbeauftragte. Sie ist Mitglied des GfA
des FORUMs und für Seminare/Fortbildung sowie die AdVoice zuständig.
kanzlei@anwaltsbuero-ackermann.de
Tobias Sommer
ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht sowie
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz in der Kanzlei 24 IP Law Group.
Er war als freier Journalist tätig und ist seit 2006 Chefredakteur der AdVoice.
rechtsanwalt@RAsommer.de
ADVOICE 04 /11
63
Service
Extraterrestrisch
Bundesregierung auf der Suche nach der Dritten Art
Auf der Suche nach fremden Kulturen dringt das
allseits bekannte Raumschiff Enterprise seit einer
Vielzahl von Jahren auf heimischen Bildschirmen
„… in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.“ vor. Wohl nicht nur die Enterprise,
auch die Bundesregierung scheint Interesse an
unbekannten Kulturen im All zu haben.
Nun klagte ein Berliner Verwaltungsfachangestellter
auf Einsicht in ein Papier des Wissenschaftlichen
Dienstes des Deutschen Bundestages, welches belegen soll, dass sich auch der deutsche Staat mit der
Ufo-Forschung befasst. Die deutschen X-Akten quasi,
deren Inhalt für alle Bürger von erheblichem Interesse sind, denn wer will schon unvorbereitet und womöglich noch im Schlafanzug eine Begegnung mit
der Dritten Art erleben?
Dem Begehren gab das Berliner Verwaltungsgericht
nun statt, denn „Der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen nach dem Informationsfreiheitsgesetz gilt auch für Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages.“
Der Auffassung des Deutschen Bundestages, der das
Informationsbedürfnis des Berliners mit der Begründung abgewehrt hat, „... das IFG sei auf den Deutschen Bundestag nur anwendbar, soweit er öffent-
lichrechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehme ...“
und die Zuarbeit der Wissenschaftlichen Dienste sei
„der Mandatsausübung der Abgeordneten zuzurechnen und daher als Wahrnehmung parlamentarischer
Angelegenheiten vom Informationszugang ausgenommen.“ Dieser Argumentation ist das Verwaltungsgericht nicht gefolgt, es hat der Klage stattgegeben.
Wenngleich das Urteil wohl noch nicht rechtskräftig
ist, bleibt es also weiter spannend. Werden wir nun
endlich erfahren, ob und wenn ja – welche – außerirdischen Kulturen uns bei der täglichen Mandatsbearbeitung über die Schulter schauen?
Bei der Gelegenheit könnten wir uns auch schon
vorbereitend mit der Frage auseinandersetzen, wer
im Fall der Fälle eigentlich die deutsche Anwaltschaft
gegenüber den Fremden aus unerreichbar fernen
Galaxien repräsentieren soll und welches Recht im
Zweifel anzuwenden ist.
Impressum:
Redaktion: Stefanie Salzmann, RAin Anke Schiller-Mönch, RA
Patrick Ruppert, RA Volker Loeschner / Bildredaktion: Andrea
Vollmer / Bücherforum: RA Jens Jenau / V.i.S.d.P.: RA Tobias
Sommer (Chefredakteur) Anschrift wie Herausgeber
Fotos S. 2: Stephan Eichler, Stefan Höderath
Herausgeber: Geschäftsführender Ausschuss
des FORUMs Junge Anwaltschaft im DAV, Berlin
Littenstraße 11, 10179 Berlin,
Tel. 030/7261520
Erscheinungsweise:
vierteljährlich (März / Juni / September / Dezember)
Es gilt die Anzeigenpreisliste 1/2012
Anzeigen:
sales friendly Verlagsdienstleistungen, Bettina Roos
Siegburger Str. 123, 53229 Bonn
Tel. 0228/97898-10, Fax: 0228/97898-20
E-Mail: roos@sales-friendly.de
Bezugspreis:
48,00 Euro (inkl. MwSt.) zzgl. Versandkosten
für 4 Ausgaben / Einzelheft: 14,50 Euro / Für Mitglieder des
FORUMs Junge Anwaltschaft im Deutschen Anwaltverein
ist der Bezug der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag enthalten.
ISSN 1437-3084
Nur, damit wir nicht völlig auf dem falschen Fuß
erwischt werden, wenn auf dem Kanzleiparkplatz ein
Ufo landet und der potentielle Neumandant um eine
Erstberatung übernatürlicher Art bittet ...
RAin Silke Waterschek, Heilbronn
Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 1.12.2011 - VG 2 K 91.11
Layout / Satz: gudman design weimar, www.gudman.de
Lektorat: Nora Döring, BILDART
Druck: Liebeskind Druck, Apolda
Artikel und Beiträge sind Meinungsäußerungen der Autoren
und geben nicht immer die Meinung der Redaktion bzw. des
Deutschen Anwaltvereins und seiner Gremien wieder.
Redaktionsschluss: Heft 1/2012, 4.2.2012
Wer will schon unvorbereitet und im Pyjama einem Außerirdischen begegnen.
Foto: Pii23_pixelio.de
ADVOICE 01/12
Sport
Golf, fand schon Mark Twain, ist ein schöner Spaziergang, der einem verdorben wird.
Und ist Golf denn überhaupt die Juristensportart schlechthin? Laufen Advokaten
nicht vielleicht lieber? Oder klettern sie? Und
wenn ja, wohin? Die nächste AdVoice will sich
mit solch drängenden Fragen beschäftigen
und sie nach Möglichkeit beantworten.
Außerdem geht’s um Sportrecht, Sportwetten, Sportverletzungen, Juristensportclubs
und natürlich die entscheidende Frage an
alle Strafrechtler: „Ist Sport Mord“? Wir hoffen auf Euer sportliches Mitschreiben unter:
> advoiceredaktion@davforum.de
64
ADVOICE 04 /11
www.davforum.de
Die Stimme
junger Anwälte
Das FORUM bietet allen
m/w Referendaren,
Assessoren und Anwälten
bis 40 Jahren
• Interessenvertretung
• Vergünstigungen
• Erfahrungsaustausch
• Mailingliste
• Stammtische
Mitgliedsbeiträge € 50,– / 25,– p.a.
Informationen zur Mitgliedschaft: www.davforum.de
Kontakt: info@davforum.de | 030 / 72 6152-0
Starthilfe | Fortbildungen | Netzwerk
» Ich habe mich
für ra-micro
entschieden,
weil ich Prozesse
lieber gewinne,
als mich in ihnen
zu verlieren »
RA
A Han
anss Joac
Joac
Jo
achim
him K
hi
Kü
üpp
üp
pper
e
KÜ
K
ÜP
PP
PER
ER Re
Rech
cht
hts
tsa
tsa
an
nwä
wälte
ltte,
e,
Weerm
We
rmellsk
skir
irch
chen
hen
en
Eine von bisher 513 neuen ra-micro
Kanzleien im Jahr 2011.
www.ra-micro.de