DAT 2011 - Forum Junge Anwaltschaft
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DAT 2011 - Forum Junge Anwaltschaft
Anwalt der Anwälte G 48742 02/11 FORUM Junge Anwaltschaft im DeutschenAnwaltverein Thema: Sex DAT 2011 BERICHTE UND BILDER Porno 2.0 Verboten: Lesen beim Sex Nur affengeil? Nichtraucher- und Raucherschutz Der Aldi unter den Anwälten forum Junge Anwaltschaft w w w. d a v f o r u m . d e Editorial www.davforum.de Sex geht uns etwas an Mailingliste: Fragen rein, Ideen raus! Sex sells, das ist bekannt! Die Pornoindustrie setzt weltweit Milliarden um. Die Pornoindustrie wirbt breit und unverhohlen, weil wir das dank der 68er-Generation moralisch vertragen können. Schlüpfrige Marken prangen an Produkten und buhlen um die Gunst ihrer meist männlichen Käuferschicht. Wie weit der Werber hierbei allerdings gehen darf, sagt ihm die Rechtsordnung und eine im steten Wandel befindliche Kasuistik in der Rechtsprechung. Wo derlei Grenzen überschritten werden, da sind gerade wir Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gefragt. Unsere These: wo genügend Geld winkt, stehen immer auch Anwälte bereit, die zu allem bereit sind. Das FORUM bietet allen m/w Referendaren, Assessoren und Anwälten bis 40 Jahren s Mailingliste Sex geht uns etwas an. Wir wissen das spätestens seit dem medial breit getretenen Fall Kachelmann. Mehr als ein Jahr lang haben sich Richter, Strafverteidiger, unzählige Medienvertreter und eine oft nur nach Sensation gierende Öffentlichkeit über jedes noch so kleine Detail im Intimleben der Protagonisten hergemacht. Am Ende steht zwar der Freispruch des Moderators, weil er nicht zweifelsfrei der Vergewaltigung seiner damaligen Freundin für schuldig befunden werden konnte. Doch nach der Juristen- und Medienschlacht sucht man echte Gewinner vergebens. Wir Rechtsanwälte tragen für derlei Ergebnisse unter anderem die Verantwortung. s Interessenvertretung s Vergünstigungen s Erfahrungsaustausch s Stammtische Sex ist somit eben nicht nur der Gipfel tiefer Liebesbekundung zu einem Partner. Sex ist Triebkanal, wenn unterdrückt oder verboten nicht selten Grund tief greifender psychischer Störung, die wie-derum Missbrauch Schwächerer und Schutzbefohlener hervorrufen kann. Die katholische Kirche musste sich jüngst einmal mehr wegen einer Vielzahl von erwiesenen Missbrauchsfällen mit der Frage ihrer Glaubwürdigkeit rund um die eigene Sexualmoral beschäftigen. Sie gibt sich geläutert und beteiligt sich an materieller Wiedergutmachung außerhalb der Verjährungsproblematik. Dabei sollte eigentlich ein Leben in Keusch- und Reinheit, im Zölibat, solche Auswüchse von Anfang an verhindern. Mitgliedsbeiträge % 50,– / 25,– p.a. Informationen zur Mitgliedschaft: www.davforum.de Kontakt: info@davforum.de 030 / 72 6152-0 Starthilfe | Fortbildungen | Netzwerk AdVoice Redaktionsteam Volker Loeschner, Berlin Rechtsanwalt Redaktion und Autor Guter Sex schweißt Menschen zusammen, am besten ein Leben lang. Das wünscht sich eine Mehrheit. Wenn es jedoch nichts wird mit der Ewigkeit und die Beziehung bricht, kommt es mitunter zu gravierenden Reaktionen auf Seiten des Verlassenen. Verlustängste, tiefe Kränkung und verletzter Stolz können das „Stalking“, das Nachstellen, beflügeln. Es ist eine Obsession, die krank machen kann und in jedem Fall strafrechtlich relevant ist. Sie ist kein Kavaliersdelikt, wie Strafgerichte Verurteilten immer wieder ins Stammbuch schreiben. Juristen müssen manchmal über Sex und Pornografie nachdenken. Und zwar beruflich, ob sie wollen oder nicht. Nicht hinter vorgehaltener Hand, sondern ganz real, in Schriftsätzen, Urteilen und Mandantengesprächen. Das betrifft nicht nur die Strafverteidiger bei einschlägigen Delikten. Die einen geben im Auftrag Ihrer Mandanten Unterlassungserklärungen wegen Urheberrechtsverstößen in Internettauschbörsen für Sexfilmchen ab. Andere kümmern sich um die Mietminderung für einen Puff. Die Beispiele sind wohl genauso endlos, wie guter Sex sein sollte. AdVoice ging alle jenen, zutiefst menschlichen Fragestellungen nach und stellt den juristischen Zusammenhang her. Die Redaktion war sich einig, dass Aufklärungsarbeit nicht im Sexualkundeunterricht in der weiterführenden Schule endet. Bei der Recherche zum aktuellen Heft stieß AdVoice auf Heiteres, Skurriles, Normales aber auch Erschreckendes. Letztlich war es die gesamte Bandbreite der menschlichen Natur, der wir begegneten. Sie faszinierte und forderte gleichermaßen – ein Stück weit mehr, als es in den vorhergehenden Ausgaben zu spüren war. Der aufmerksame Leser wird das merken. Über Eure Meinungen würden wir uns diesmal besonders freuen. Gute Lektüre des „Sexhefts“ wünscht Euch Euer RA Patrick Ruppert Tobias Sommer, Berlin Rechtsanwalt Chefredakteur Anke Schiller-Mönch, Weimar Rechtsanwältin Redaktion und Autorin Patrick Ruppert, Köln Rechtsanwalt Redaktion und Autor Stefanie Salzmann, Eschwege Journalistin Zentralredaktion Jens Jenau Rechtsanwalt Schloß Holte-Stukenbrock Bücherforum Andrea Vollmer, Berlin Fotografin und Bildredaktion ADVOICE 02 /11 1 Inhalt Inhalt Thema: Sex 4 8 Überall ist Sex Kurzes und Langes Nur affengeil? Sex – nichts als Biochemie? 19 21 DAT in Bildern 50 Frontfrauen bleiben vorn FORUM wählt neuen GfA 32 37 Porno 2.0 Sex per Mauklick 38 Wenn Liebe zum Wahn wird Stalking ist kein Kavaliersdelikt 40 27 Unter Zwang Stalker halten sich für Unschuldsengel 28 Richter lesen Porno Erotische Literatur oder Porno? 24 Ich bin schwul Thomas Mann bis Hape Kerkeling 25 Den Opfern zu wenig zugehört Katholische Kirche und Missbrauch 26 15 Ich lebe unvermählt Fremde Lebensform Zölibat 18 Sex sells Sexmarken 14 48 Bis brother is watching ... 24-Stunden-Überwachung 123 Jahre Schwulenparagraph Ende der Verfolgung 13 29 34 22 12 Statistik Sex und Recht Euer FORUM Jugendschutz oder Zensur Die Prüfung der FSK Eine Frage der Eh(r)e Liebe beim Bund versus Disziplinarrecht 10 Begattet euch! Lesen ist beim Sex verboten Magazin Hinterm Blätterwald Der Promianwalt Simon Bergmann Pro Nichtraucherschutz Kampf dem Kneipenqualm Pro Raucherschutz Jetzt qualmts! Der Aldi unter den Anwälten Rechtsberatung in der Dumpingspirale 51 Der neue GfA 53 Schwäbisches Allerlei Bericht ARGE Transportrecht Bücherforum 58 Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst AnwaltFormulare Arbeitsrecht Fachanwaltshandbuch Handelsund Gesellschaftsrecht Autorenverzeichnis 64 Das letzte Wort Wo ist der Gerichtsbriefkasten? 64 Impressum Kommentare zum SGB VII Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen Termine Der „Gläserne Patient“ Elektronische Gesundheitskarte 54 Geschafft! 4x FORUM in Satzungsversammlung Medizinrecht Kleine Fische, große Sorgen Tierschutz im Aquarium 54 Medien und Anwaltschaft 4. Stuttgarter Anwaltstag Internationales Strafrecht 42 Himmel auf Rührei Deutsche Antwort auf Ally McBeal 55 Anfechtung und Anwaltshonorar Junge Insolvenzrechtler 43 News 56 Fachanwalt und „Zentralabitur“ Stellungnahme 44 Krank – Frist versäumt Fieber kein Wiedereinsetzungsgrund 58 FORUM regional Neue Regionalbeauftragte für Viel Arbeit mit Hartz IV Kanzleigründerbericht 63 Prozesse in Arbeitssachen 53 46 Info + Service Fachanwaltskommentar Erbrecht VwVG VwZG AnwaltKommentar Untersuchungshaft Creifelds Rechtswörterbuch _LG München _LG Berlin DAT 2011 BERICHTE UND BILDER Mehr Informationen ab Seite 48! 2 ADVOICE 02 /11 Fotos Inhaltsverzeichnis v.l.n.r.: S. Maret-Hosemann, Maren Beßler, Bernd Wachtmeister, Matthias Guenter, Jürgen-Schöpe_pixelio.de ADVOICE 02 /11 3 Thema Überall ist Sex Onanierende Richter und Sexsucht bei Parkinson Thema #1 KEINE FÖRDERUNG FÜR PROSTITUIERTE Weil eine Frau, die sich als Prostituierte selbständig machen wollte, von der Bundesagentur für Arbeit keinen Existenzgründerzuschuss erhielt, zog sie gegen diese Entscheidung vor Gericht. Der 29. Senat des Landessozialgerichtes BerlinBrandenburg entschied in seinem Urteil vom 26.5.2010, AZ: L 29 AL 117/10 BER, dass die Agentur für Arbeit rechtens gehandelt habe und der Existenzgründerzuschuss abgelehnt werden durfte. Denn das Bundessozialgericht habe mit seiner Entscheidung vom 6.5.2009 das Vermittlungsverbot von Prostituierten durch die Agentur bestätigt. Wenn man nun andererseits Prostitution als selbstständige Tätigkeit fördern würde, wäre das ein Wertungswiderspruch. Foto: Andrea Vollmer Das Landgericht verurteilte ihn schließlich wegen gemeinschaftlicher Zuhälterei und Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. Foto: Andrea Vollmer Das Ganze stieß auf große Aufmerksamkeit in der lokalen Presse. Der städtische Arbeitgeber des Mannes kündigte ihm verhaltensbedingt. Dagegen wehrte dieser sich durch drei Instanzen – vergeblich. Zwar gab es zu dem Zeitpunkt in den einschlägigen Tarifverträgen nicht mehr die ausdrückliche Regelung, dass sich Angestellte des öffentlichen Dienstes auch außerhalb ihrer Arbeitszeit so verhalten müssen, wie es von ihnen während der Dienstzeit erwartet wird. Trotzdem habe der Kläger seine Pflicht, auf Interessen des Arbeitsgebers Rücksicht zu nehmen, durch sein außergerichtliches, strafbares Verhalten, verletzt. Den Bezug zur dienstlichen Tätigkeit sah das Gericht unter anderem deshalb als gegeben, weil der sich Kläger im Zuge der Ermittlungen darauf berief, dass er bei der Stadt zu wenig verdiene und deshalb diesen Nebenjob ausüben müsse. BAG 28.10.2010, 2 AZR 293/09 asm 4 ADVOICE 02 /11 RICHTER ONANIERT BEI MORDPROZESS In Bristow/USA wurde ein Richter zu vier Jahren Haft und einer Geldstrafe von 40.000 $ verurteilt, weil er während mindestens vier Prozessen mit einer Penispumpe unter seinem Tisch onanierte. Auf den Mitschnitten einer Gerichtsreporterin waren deutlich zischende Geräusche zu hören. Eine Zeugin sagte im Verfahren gegen ihn aus, dass der Jurist während eines Mordprozesses 2003 fast täglich mit einer Penispumpe hantierte. Ein Polizist trat als weiterer Zeuge gegen ihn auf und erklärte, er war Augenzeuge, wie ein Plastikrohr unter der Robe des Richters verschwand. In einer Essenspause fotografierten Beamte die Pumpe unter dem Tisch des Richters. Wie aus den Ermittlungsakten weiter hervorgeht, wurden auch der Teppich, die Roben und der Richterstuhl untersucht und Sperma gefunden. Das Scherzgeschenk zum 50. Geburtstag habe der dreifache Familienvater nach eigenen Angaben gedankenverloren betätigt, er hätte aber nie onanieren wollen. Im Zuge der Ermittlungen ging der 59-Jährige freiwillig in den Ruhestand. vl HERZRISIKO SEX Körperliche Aktivitäten sind nicht jedermanns Sache. In diese Kategorie fällt aber auch Sex. Somit ist bei eher inaktiven Menschen – natürlich nicht nur Juristen – die körperliche Liebe durchaus mit einem nicht unerheblichen, gesundheitlichen Risiko verbunden. Das Herz kann also hier noch aus ganz anderem Sinne Schaden nehmen. Das belegt eine neue Metaanalyse von Dr. Issa Dahabreh und Jessica Paulus aus Boston/USA: Sind sporadische körperliche oder sexuelle Aktivitäten bei Bewegungsmuffeln ein Auslöseimpuls für Herzinfarkt und Herztod? Der Titel der Untersuchung lautet: Association of Episodic Physical and Sexual Activity With Triggering of Acute Cardiac Events. Die wissenschaftliche Auswertung von 14 geeignet erscheinenden Studien ergab folgendes Ergebnis: Kardiale Akutereignisse können bei eher inaktiven Menschen auch durch zu seltenen, gelegentlichen Sex ausgelöst werden und zwar um den Faktor 3,5 erhöht. Aber keine Panik, liebe Bewegungsfaule! Die Zunahme des kardialen Risikos war absolut betrachtet sehr gering. Außerdem gilt: Je regelmäßiger und intensiver die untersuchten Menschen körperlich aktiv waren, desto weniger war von einer Assoziation mit kardialen Ereignissen zu sehen. vl Auch dass mit dem Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (ProstG) diese Tätigkeit nicht mehr sittenwidrig sei, bedeute nicht, dass ein Anspruch auf Förderung bestünde. Der Gesetzgeber habe damit nämlich nicht die Aussage getroffen, dass Prostitution als reguläre Beschäftigung gebilligt und staatlich aktiv zu fördern sein. Vielmehr gebiete es der Schutzgedanke des ProstG, dass der Ausstieg und nicht der Einstieg in die Prostitution gefördert werde. asm Foto: tokamuwi_pixelio.de KEINE ZUHÄLTEREI IM ÖFFENTLICHEN DIENST Fristlos gekündigt hatte eine Stadt ihrem Straßenarbeiter. Der war der Meinung, sein Gehalt sei zu gering, um damit die Familie zu ernähren, und er müsse sich darum etwas hinzuverdienen. Zuhälterei schien ihm das geeignete Mittel zu sein. Gemeinsam mit einem weitern Mann engagierte er eine 18-jährige tschechische Staatsbürgerin, die für ihn „anschaffen“ gehen sollte. Als die beiden die Dame wieder in die Heimat zurückschicken wollten, wehrte sie sich. Daraufhin schlug der zum Zuhälter avancierte Straßenarbeiter die Frau. SCHMERZENSGELD FÜR SEXSUCHT Ein 51-jähriger Franzose bekam vor dem Gericht in Nantes/Frankreich 2011 110.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Der Pharmakonzern muss zusätzlich 11.315 Euro an die Krankenkasse des Franzosen zahlen, berichtete die Nachrichtenagentur AFP. Der Patient wurde nach der Einnahme eines Medikaments gegen Parkinson sex- und spielsüchtig. Er habe die Arznei zwischen 2003 und 2005 eingenommen und daraufhin eine Hypersexualität entwickelt und sich verstärkt dem Glücksspiel hingegeben. Seinen ursprünglichen Forderungen von 450.000 Euro gab das Gericht zwar nicht statt, aber da der Beipackzettel diese Nebenwirkungen nicht aufgeführt habe, wurde ihm immerhin der sechsstellige Betrag zuerkannt. Der fehlende Hinweis auf diese Nebenwirkungen sei ein schwerer Mangel, hatten seine Anwälte argumentiert. Nach Bekanntwerden des Falles meldeten sich dem Bericht nach etliche weitere Patienten, die unter ähnlichen Nebenwirkungen litten. Es bleibt abzuwarten, ob eine entsprechende Klageflut einsetzt. vl „SEX, SEX UND NOCH MAL SEX” Ex-Oxford-Student Sheridan Simove (39) hat ein ganz besonderes Buch veröffentlicht: Außer dem reißerischen Titel „Sex, Sex und noch mal Sex“ gibt es nur 200 völlig leere Seiten. Genau das macht aus diesem Buch einen ganz besonderen Bestseller für die männlichen britischen Studenten, die es als Notizbuch für UniVorlesungen benutzen. Jetzt ist es auch belegt, dass Männer „nur das eine, aber wirklich nur das eine!“ im Sinn haben. Gegenüber der Nachrichtenagentur Ananova erklärte Sheridan, dass die Studenten mit ihren fleißigen Vorlesungs-Mitschriften eigentlich demonstrieren, dass er mit seiner Theorie falsch liegt. Doch das störe ihn nicht im Geringsten. Am Ende von jeder Vorlesung sei alles genauso wie vorher, sagt er. „Ich gehe jede Wette ein, 100 Prozent der Studenten werden dann wieder an Sex denken.“ Denn schließlich ist es der Buchtext, auf den alle Studenten nach dem zuklappen blicken, der die nächsten Gedanken bestimmt. vl ANGEBOT FÜR BEZAHL-SEX EHRVERLETZEND Wegen Beleidigung verurteilt wurde ein Mann, der einer 18-jährigen Geld für sexuelle Dienste bot. (LG Oldenburg, 15.9.2010, Az.: 13 NSs 257/10). Die Revisionsinstanz bestätigte das Urteil (OLG Oldenburg, 6.1.2011, Az.: 1 Ss204/ 10). Der Angeklagte wollte dieses Angebot ebenso straffrei beurteilt haben wie einen Kuss auf den Hals in einer früheren Entscheidung des OLG Oldenburg vom 5.3.2010 (Az.: 1 Ss 23/10). Dass der dort Angeklagte eine Jugendliche am Hals geküsst und am Ohr geleckt hatte, hatte das Gericht als Nötigung, nicht jedoch als Beleidigung eingeschätzt. Denn Beleidigung sei eine Ehrverletzung, „also die Kundgabe einer Herabsetzung, Geringschätzung oder Missachtung eines anderen.“ Dafür reichte der Kuss nicht aus. Wenn aber jemand seinem Gegenüber Geld für sexuelle Handlungen biete, signalisiere er die Einschätzung, sein Gegenüber werde für Geld sexuelle Handlungen vornehmen. Das sei sehr wohl ehrverletzend, erfülle also den Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB. asm ADVOICE 02 /11 5 Thema Thema Foto: Michael Schuster_pixelio.de Überall ist Sex Foto: gnubier_pixelio.de Steuerfahndungsbesuch im Bordell und unsexy BHs VIRTUELLER SEX BEDEUTET REALES GEFÄNGNIS Rechtsanwalt Stephan Mathé äußerte sich gegenüber der Netzeitung zur Problematik von virtuellem Sex in „Second Life“ mittels Avataren (virtuelle Figuren). Da auch Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren diese virtuellen Welten besuchen, darf auch hier pornographisches Material nicht verbreitet werden (§ 184 StGB). Tauchen nun zwei Avatare auf, die Sex miteinander haben, so beziehe sich das Strafgesetzbuch nicht allein auf die Darstellung echter Menschen, sagte Mathé. Auch die Darstellung von Sex zwischen tier- und menschenähnlichen virtuellen Spielfiguren ahnde das Strafrecht (§ 184a StGB), meint der Jurist. „Jeder Second-LifeBesucher sollte sich hüten, derartige Angebote zu besuchen.“ Schon das Herunterladen der Grafikdaten auf den eigenen PC gelte als „Besitzverschaffung“ und könnte strafbar sein. Virtueller Sex mit Avataren in Kindergestalt, wie er in „Second Life“ vollzogen werde, könne mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden. Dies gelte selbst dann, wenn die Figuren von Erwachsenen gesteuert würden. Ausschlaggebend ist die Darstellungsform als Kind. Diese Stellungnahme entstand anlässlich der Meldung, dass die niederländische Staatsanwaltschaft wegen Pornographie in „Second Life“ ermittelt. In einem virtuellen Swinger-Club waren die Wände mit realen pornographischen Fotografien tapeziert. Auch sei der virtuelle Sex zwischen menschlichen Spielfiguren und Tiergestalten sowie zwischen Avataren in Erwachsenen- und Kindergestalt dort möglich gewesen. vl STEUERFAHNDUNG DARF INS BORDELL Auch wenn das „älteste Gewerbe der Welt“ in der Gesellschaft nach wie vor nicht die gleiche Anerkennung und den gleichen Stellenwert wie ein „ehrbares“ Gewerbe hat – vor dem Fiskus sind alle gleich. Ob ehrbar oder nicht – Steuern müssen gezahlt werden. Das ist nicht immer ganz einfach, weil ja keiner so richtig weiß, wer in welchem Umfang im Rotlichtgewerbe arbeitet. Deshalb gibt es das „Düsseldorfer Verfahren“: Der Bordellbesitzer zieht von der Miete eine Pauschale ein und führt sie an das Finanzamt ab. Die Teilnahme an dem Verfahren ist freiwillig. In einem vom Bundesfinanzhof zu entscheidenden Fall (Beschluss vom 22.12. 2006, Az.: VII B 121/06) hatten die Richter die Frage zu klären, ob die Steuerfahndung zur Aufklärung ins Bordell darf, wenn der Besitzer, der vorher am Düsseldorfer Verfahren teilgenommen hat, nun keine Pauschalen mehr abführt. Sie darf, sagten die Richter und zwar in angemessener und zumutbarer Häufigkeit – im Rahmen des Auftrags der Steuerfahndung zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. asm #2 RICHTER BESASS KINDERPORNOS Sein Ruhegeld aberkannt bekommen hat ein Richter, weil er wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften verurteilt worden war. Eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, und eine Geldbuße von 10.000 Euro als Bewährungsauflage lautete das Strafmaß im Strafbefehl. Der dem Strafbefehl zu Grunde liegende Sachverhalt ist bei Weitem kein Kavaliersdelikt: Zugriff auf 909 kinderpornogfische Bilddateien, die Mädchen und Jungen deutlich unter 14 Jahren bei sexuellen Handlungen zeigen; Ausdrucke von 453 derartigen Bilddateien; 512 derartige Dateien gespeichert; 1533 abgespeicherte Bilddateien, in denen die Geschlechtsteile der Kinder in besonders reißerischer Weise vom Fotografen hervorgehoben werden. 48 dieser Dateien hatte der Richter a. D. noch zu Dienstzeiten aus einer Gerichtsakte entnommen. Das für ihn zuständige Dienstgericht in Karlsruhe strich ihm deshalb das Ruhegehalt und gewährte ihm lediglich für die Dauer von 24 Monaten einen Unterhaltsbetrag in Höhe von 60 % des Ruhegehaltes. Die auf das Disziplinarmaß beschränkte Berufung wies das Dienstgericht beim OLG Stuttgart mit Urteil vom 20.10.2009 zurück und bestätigte damit das erstinstanzliche Urteil. Das dem Strafbefehl zu Grunde liegende Verhalten stelle ein schwerwiegendes Verhalten im Sinne der §8 LRiG BW und §95 I S.2 LBW BW dar, das mit der Aberkennung des Ruhegehaltes zu ahnden sei. Die Revison des Richters blieb erfolglos. RiSt(B) 1/09 asm NUR UNSEXY BHS IM BERUF Ein Sicherheitsunternehmen hatte für die Durchführung von Fluggastkontrollen im Auftrag der Bundespolizei am Flughafen Köln-Bonn eine „Gesamtbetriebsvereinbarung Dienst- und Schutzkleidung“ erarbeitet, die Stilvorgaben des Arbeitgebers gingen dem Betriebsrat jedoch zu weit. Man traf sich vor dem Landesarbeitsgericht Köln. So mussten die Richter darüber befinden, ob die Vorgaben des Arbeitgebers einen zu starken Eingriff darstellten. Die Dienstkleidung wurde gestellt. Darunter sollten „BHs/Bustiers oder Unterhemden“ in „weiß oder neutraler Hautfarbe ohne Muster/Beschriftungen/Embleme“ beziehungsweise T-Shirts zwingend getragen werden beziehunsgweise anders farbige Unterwäsche dürfe in keiner Form durchscheinen. Außerdem sollten Strumpfhosen und Strümpfe „in dunkelblau oder schwarz“ angezogen werden. Aus Sicherheitsgründen sollten Fingernägel „einfarbig und in maximaler Länge von einem halben Zentimeter über der Fingerkuppe“ ausfallen. Auch die Wachmänner bekamen Detailregelungen zu spüren. Für Haarkoloraturen waren nur „natürliche wirkende Farben gestattet“; das Tragen von künstlichen Haaren oder „Einflechtungen“ war verboten, wenn es „die Natürlichkeit der Haarpracht beeinträchtigt.“ Die Beschwerde hat jedoch in der Sache nur teilweise Erfolg. Der Arbeitgeber darf den Mitarbeiterinnen nicht vorschreiben, die Fingernägel nur einfarbig zu tragen und auch die Vorgabe gegenüber den Mitarbeitern, bei Haarfärbungen nur natürlich wirkende Farben zu tragen sowie das weitergehende Verbot, künstliche Haare oder Einflechtungen zu tragen, wenn diese die Natürlichkeit der Haarpracht beeinträchtigen, sind unwirksam. Letzteres kann für das Selbstwertgefühl eines unter frühem Haarverlust leidenden Mitarbeiters von erheblicher Bedeutung sein und das Verbot kann in diesem Fall das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters entscheidend tangieren. Zudem liegt hier ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot der §§ 7 Abs. 1, 1 AGG, vor. Die allein männliche Mitarbeiter betreffenden Regelungen stellen eine unmittelbare Geschlechtsdiskriminierung dar, da vergleichbare Regelungen für Mitarbeiterinnen nicht existieren. Die anderen Modetipps hielten der richterlichen Überprüfung stand (Landesarbeitsgericht Köln, Az. 3 TaBV 15/10). vl AUSSEREHELICHER SEX BEGRÜNDET ANFANGSVERDACHT Das OLG Stuttgart (15 UF 109/10) hat am 17.8.2010 festgestellt, dass außerehelicher Geschlechtsverkehr einen Anfangsverdacht für eine Vaterschaftsanfechtung begründen kann. Dies gilt jedenfalls, wenn der außereheliche Sex in der gesetzlichen Empfängniszeit stattgefunden hat. Gemäß §1600d III BGB besteht diese von dem 300. bis zu dem 181. Tage (jeweils inklusive) vor der Geburt des Kindes. Da im vorliegenden Fall die geschiedene Ehefrau selbst gegenüber dem vermeindlichen Kindsvater eine Affäre mit dem Nachbarn in der Empfängniszeit zugegeben hat, war der Sachverhalt entsprechend zu würdigen. Das äußere Erscheinungsbild der Tochter war Anlass für den Vater, einen nicht mit der Mutter abgesprochenen DNSTest in Polen zu veranlassen. Das Ergebnis dieser Probe war eindeutig und führte zur Klageerhebung. Die rechtswidrig genommene Probe konnte im Prozess natürlich nicht verwendet werden (vgl. BGH, FamRZ 2005, 497/499). Aber die eigene Aussage der Mutter wurde ihr zum Verhängnis. Damit bestand ein Anfangsverdacht dafür, dass der Antragsteller nicht der leibliche Vater des Kindes ist. Wie erstaunlich, dass ein Seitensprung mit dem Nachbarn und die anschließende Schwangerschaft erst jetzt durch eine richterliche Entscheidung als Anfangsverdacht eingestuft wird, die eine Anfechtung der Vaterschaft begründet. Das mag mitunter schwer nachzuweisen sein – nicht aber wenn man sich „verplappert“. Wenn die Frau das dann auch noch – wie hier – vor Gericht eingeräumt hat, ist es nur noch schwer wieder aus der Welt zu schaffen. vl JURISTENDEUTSCH IM BETT Dirty Talk ist beim Sex keine Seltenheit mehr, aber wie steht es mit Juristendeutsch beim Sex? Wie reagieren Juristen bzw. Nicht-Juristen auf entsprechende Anmachsprüche, wenn es heiß hergeht? Die Umfrage von planet-liebe.de beschäftigt sich mit folgender Frage: Was denkst Du/Was würdest Du tun, wenn Dein Partner Jurist wäre und Juristendeutsch beim Sex spricht? Das Umfrageergebnis wurde natürlich nach Geschlechtern getrennt ausgewertet. Bei den Frauen gibt es eine eindeutige Positionierung: Keine möchte es und ihr Partner soll wieder normal sprechen. Bei den Männern sieht es gänzlich anders aus. Drei von fünf Männern hätten Spaß daran, anstatt derber Sprüche Juristendeutsch zu hören. Jeweils 20 Prozent ist es egal und die restlichen 20 Prozent halten wie die Frauen die Normalsprache für besser. In den Kommentaren finden sich folgende Statements: Krava (29 Jahre) meint: „Ich mag Juristen, wollte selbst mal einer werden. Ich würde es mit Humor nehmen.“ Benutzer90972 droht seinem Partner: „...Wenn er nicht damit aufhört, könnte man auf Dauer mit Entzug der gegenseitigen Bedürfnisbefriedigung drohen.“ „Wenn’s mir zu bunt wird, antworte ich: Lass uns f... bis wir das Kotzen kriegen“, kündigt BrooklynBridge (26 Jahre) an. Fuchs (26) vermutet: „Ich fände das sehr nervig und es ist nicht auszuschließen, dass es mich gerade deshalb unglaublich anmachen würde ...“ Und juliahottie (24 Jahre) erklärt freimütig: „Ich würde ihm erst mal ’ne Lehrstunde in dirty talk geben.“ Gleichgültig wie unsere Leser zu diesem Thema stehen, Fakt ist: „Essentielle Voraussetzung jeglichen ... ,Unternehmens’ des Beischlafs ist der zumindest äußerliche Kontakt der Geschlechtsteile von Täter und Opfer.“ So jedenfalls for muliert es der österreichische Oberste Gerichtshof. Welche Formulierungen sonst noch Einzug an den Ort der Beiwohnung halten, können nur die Juristen selbst beantworten; aber dies unterliegt der anwaltlichen Schweigepflicht ... vl Foto: S. Hofschlaeger_pixelio.de 6 ADVOICE 02 /11 ADVOICE 02 /11 7 Thema Thema Nur affengeil? Ist unser Sexualverhalten nichts als biochemische Prägung? „Ich sterbe vor Hunger“. Wir reißen die Kühlschranktür auf und vergessen alle guten Vorsätze, die Linie betreffend. Keine Sorge: Hungergefühl überwältigt uns bereits, während wir noch Wochen bis Monate vom Hungertod entfernt sind. Die Evolution hat uns einen Frühalarm, einen unwiderstehlichen Trieb zur Nahrungsaufnahme in die Wiege gelegt. „Ich sterbe vor Lust.“ ist ebenfalls ein heftiger Instinkt, der immerhin den Fortbestand unserer Art sichert. Diesem Trieb werden nicht so leicht mildernde Umstände zugebilligt wie dem Hunger. Gesellschaftliche Regeln setzen in allen Kulturen Grenzen. Allerdings wirken die kulturellen Zügel nur bedingt. In den westlichen Industriestaaten geben 10-25 Prozent aller Frauen an, bereits mindestens einmal Opfer von sexuellen Übergriffen geworden zu sein. Vom Standpunkt unserer Gene aus gesehen erfüllt unser Dasein als Individuum nur einen Zweck: Die geschlechtliche Fortpflanzung und Brutpflege, bis die Staffel von der nächsten Generation übernommen wird. Dazu haben wir ein Orchester von Hormonen im Blut, die per Trieb und Instinkt unser Verhalten steuern. Darüber steht ein kulturelles Regelwerk, das die individuellen Triebe in sozialverträgliche Bahnen lenken soll. Triebstoffe Was wir uns alles auf unsere romantische Ader einbilden. Das Hohelied der unsterblichen Liebe, rosarotes Verliebtsein bei größtmöglichem Ausstoß von Gedichten, Liedern und anderen Pretiosen, lebenslange Treue, aufopfernde Fürsorge für unsere Sprösslinge, liebevoller Umgang mit den Generationen vor und nach uns. Eine menschliche Hochkultur eben. Was sind wir nicht den niederen Tieren überlegen. Nur hält diese Sichtweise einem kurzen Blick in Wikipedia, der modernen Form von Brehms Tierleben, leider nicht stand. Unser Verhalten ist viel mehr biochemisch geprägt als es Bewunderern menschlicher Hochkultur lieb sein kann. Die kulturellen Regeln, die unseren biologischen Verhaltenskodex ergänzen, bleiben durch die Zivilisationsvarianten erstaunlich stabil. Ahnungslos, ob das Weibchen empfängnisbereit ist oder nicht. 8 ADVOICE 02 /11 Foto: Andrea Vollmer Ein Blick in die Tierwelt zeigt uns Parallelen zu allen Spielarten des menschlichen Paarungsverhaltens. Da gibt es die Bergwühlmäuse, die ein wahres Lotterleben führen. Einzelgänger begatten wahllos, was ihnen vor die Flinte kommt, und nach kurzer Brutpflege wenden sich die Weibchen dem nächsten Partner zu. Sehr viel näher an unserer Vorstellung von Liebesglück sind die eng verwandten Präriewühlmäuse! Sie begegnen im zarten Alter der Adoleszenz ihrem Traumpartner, sind per Prägung lebenslang treu an diese(n) gebunden, und ziehen gemeinsam ihre vielfältige Kinderschar auf. Dennoch gibt es keine romantische Droste-Hülsoff im Mauspelz. Dagegen finden sich sehr wohl signifi kante Unterschiede in der Dichte von Oxytocinrezeptoren, den Empfängern für das chemische Signal des Hormons Oxytocin. Die treue Mausvariante hat eine Unzahl dieser Rezeptoren in ihrem Hirn. Dieses Treuehormon regelt beim Menschen die Milchbildung nach der Geburt und wahrschein lich auch die Prägung der engen Bindung der Mutter an ihr Kind. Liebe und Treue sind also vermutlich rein biochemische Phänomene. Untreue aber auch. Die in den meisten menschlichen Kulturkreisen propagierte Monogamie ist keine menschliche Besonderheit. Leider liefern auch hier wieder die herrschsüchtigen Gene schlechte Nachrichten für Romantiker. Die häufig als Beispiel besungenen Singvögel, die ein Leben lang mit einem Partner zusammen brüten, haben noch weit mehr Kuckuckseier im Gelege als ihre zweibeinigen Bewunderer. Diese Eier stammen nicht vom Kuckuck, sondern aus Seitensprüngen des Singvogelweibchens. Beim Menschen beträgt die Häufigkeit von ehelichen Kindern mit biologisch abweichendem Vater nur etwa 10-20 Prozent. Wo stehen wir im Vergleich mit der Treueskala der Wühlmäuse? Untersuchungen an Primaten haben ergeben, dass der Hang zu promiskem Verhalten mit der Hodengröße korreliert. Die Fortpflanzungsstrategie bei Schimpansen, die in Rudeln mit häufig wechselnden Partnern kopulieren, ist einfach: Das Männchen hat sehr große Hoden. Es überschwemmt die Zufallspartnerin geradezu mit männlichem Samen, um die Wahrscheinlichkeit eigenen Nachwuchses gegen die Nebenbuhler zu optimieren. Dagegen haben die gewaltigen Gorillamännchen, die als Einzelgänger wenig Geschlechtspartnerinnen finden, recht winzige Hoden. Kleine Spermamengen reichen hier zum Erfolg. Menschenmännchen? Liegen etwa im Mittelfeld. Goldig und abartig Sind die süüüß! Wer kennt nicht den Entzückensschrei, den niedliche Tierbabys auslösen. Ein Beispiel für unsere Prägung auf das Kindchenschema. Eigentlich soll der menschliche Säugling mit seinen großen Kulleraugen und Stupsnase beschützt und liebkost werden. Unser Brutpflegetrieb springt da auf andere Spezies über. Homosexualität könnte ein ähnliches Beispiel für eine schwache Prägung sein. Die Evolution rechnet sich hier vielleicht einen Vorteil bei der Fortpflanzung aus: Homosexualität ist in der Tierwelt weit verbreitet und homosexuelle Tierpaare sind erfolgreicher bei der Aufzucht von „geliehenem“ Nachwuchs sein als Hetero-Paare. Die Spielarten von Sexualität, die die Evolution hervorgebracht hat, sind in der menschlichen Kultur immer wieder stark eingeschränkt worden. Von martialischer genitaler Verstümmelung bis zur Strafbarkeit sexueller Praktiken und zum Verbot pornographischer Schriften reicht die restriktive Palette menschlicher Kultur. In den modernen Industriestaaten hat sich erst in den letzten Jahrzehnten ein toleranterer Umgang mit Varianten menschlicher Sexualität herausgebildet. Gibt es für die historischen Restriktionen beim Sex biologische Hintergründe? Soll die schwache Prägung durch kulturelle Restriktionen abgesichert werden? Ein interessantes Beispiel ist das Tabu der sexuellen Ausbeutung von Kindern. Vor dem Hintergrund der verheerenden Folgen des Missbrauchs von Kindern für die individuelle Entwicklung ist der Sinn dieser Regel klar. Es fällt aber auf, dass Pädophilie in manchen entwickelten Ländern mit geradezu mittelalterlichen Sanktionen wie Pranger belegt ist und sogar in den Gefängnissen, sonst nicht gerade einem Hort der Hochachtung des gesellschaftlichen Regelwerks, die Kinderschänder auf der niedrigsten Stufe stehen. Ohne die bis heute umstrittene Psychopathologie zu betrachten, könnte man Pädophilie rein verhaltensbiologisch als eine „Fehlprägung“ beschreiben. Das Menschenweibchen schreit seine Lust und Fruchtbarkeit trotz Dekolleté und Minirock nicht mehr heraus, die östrale Phase ist für das Männchen nicht mehr sichtbar. Was könnte der Gewinn dieser Entwicklung sein? Jahrelange Brutpflege erfordert Hilfe vom starken Geschlecht, langfristige Ressourcen, gefühlte ewige Bindung. Da könnte es nützlich sein, wenn Männchen sich auf gut Glück ein wenig abmühen müssen, werben und Geschenke bringen, ahnungslos, ob das Weibchen empfängnisbereit ist oder nicht. Das Verstecken von Überreizen könnte außerdem aggressives männliches Verhalten abmildern und entschärfen. Vielleicht ist ein Echo auf diese biologisch und kulturell verborgenen Reize die meist männliche Lust auf erotische Bilder, von hoher Kunst bis Pornografie, heute der größte Inhaltsanteil des Internets. Biohure und Bioheilige? Keineswegs hat die Evolution erst beim Menschen den Tauschhandel Geschenke und Nahrung gegen sexuelle Gefälligkeit erfunden, betrachte man nur einmal ein Singvogelpärchen beim Nestbau. Aber mit dem Versteck des Östrus, der Paarungsorgane, der weiblichen Lust und mit der Scham wurde ein neues Kapitel aufgeschlagen: Der Tauschhandel im Dienste der Fortpflanzung ist zu neuen Höhen aufgebrochen. Die Hürden für das männliche Werben und Drängen wurden gleichsam höher gelegt. Von der Versorgungsehe bis zur Prostitution zeugt unsere menschliche Kultur von diesem biologischen Wendepunkt. Dass unsere moderne Medizin das Geburtsrisiko für die Mutter auf ein normales Maß reduziert hat, wird diese archaischen Prägungen und Rituale unberührt lassen. Zu tief sind sie in unserer biochemischen Maschinerie verankert. Vier Besonderheiten unterscheiden die menschliche Sexualität von der der Tierwelt: die versteckten Geschlechtsorgane, der verdeckte Eisprung, die extrem lange Brutpflege und der bewusste Zusammenhang zwischen Zeugung und Geburt. Im Savannenrudel der Trockennasenaffen ist die leuchtende Signalfunktion der rot angeschwollenen, unwiderstehlichen Schamlippen der BonoboWeibchen verloren gegangen. Mit dem aufrechten Gang versteckt sich die Grotte der Lust zwischen langen, inzwischen oft bestrumpften Beinen, und einem verlockend gerundeten Gesäß. Zwei runde, pralle Brüste mit großen Brustwarzen mögen zwar die Fernwirkung verstärken. Aber die starken, knallroten Reize des Bonoboweibchens werden ersetzt durch subtilere Verführungen. Und das Versteck des Schoßes geht einher mit passendem Verhalten, kulturell erweitert: Die Scham, die verhüllende Kleidung. Vielfältig spiegeln sie sich in unserem Kultur- und Rechtssystem, vom Verbot unzüchtiger Schriften bis zum Tatbestand der Vergewaltigung. Im Gegensatz zu unseren meisten säugenden Artverwandten entscheidet beim Menschen letztlich das Weibchen, ob und mit welchem Partner es zur Fortpflanzung kommt. Dies ist sogar in den patriarchalischsten Gesellschaften eine anerkannte Regel. Die komplizierte Verhaltensmechanik erforderte männliche Initiative oder sogar Aggressivität, um dem Weibchen die genetische Qualität des Erzeugers zu beweisen und die Durchführung des Fortpflanzungsaktes zu sichern. Ein gewisses Maß an männlicher sexueller Aggressivität ist für den Erfolg der Fortpflanzung unerlässlich und wohl deshalb auch weiblich erwünscht. Eine delikate Balance hat die Evolution bei uns Zweibeinern da hervorgebracht, die unsere Gerichte und Medien bis heute in hohem Maße beschäftigt. Das Risiko beim Sex für das Menschenweibchen ist groß. Das hohe Todesrisiko bei einer Geburt erzwingt geradezu das Versteckspiel des menschlichen Weibchens für eine erfolgreiche Fortpflanzungsstrategie. Dr. Albrecht Lepple, Pontarlier > www.wikipedia.org/wiki/Sexualität ADVOICE 02 /11 9 Thema Weil die Zeit nicht alles heilen kann. Eine Frage der Eh(r)e Liebe beim Bund versus Disziplinarrecht In dem Fall nicht. Denn sie ist nicht mit irgendjemandem verheiratet, und ihre Affäre ist auch nicht irgendwer. Beide haben den gleichen Arbeitgeber – sie sind Kameraden bei der Bundeswehr. Nicht, dass es nicht auch im „normalen Leben“ Probleme geben kann, mit der Frau eines anderen eine Affäre zu haben. Wenn es aber die Frau eines BundeswehrKameraden ist, kann das gravierende Folgen haben. Denn dann tritt das Truppendienstgericht auf den Plan. „Einbruch in die Kameradenehe“ heißt der Vorwurf, der Kürzung der Bezüge, sogar Degradierung nach sich ziehen kann. §12 Satz 2 Soldatengesetz normiert die Verpflichtung zur Kameradschaft, die die Achtung der Würde, der Ehre und der Rechte der Kameraden umfasst. Richtig problematisch wird es, wenn er sich die Frau eines Untergeben ausgesucht hat. Denn der Vorgesetzte hat für seine Untergebenen zu sorgen und ihnen ein gutes Beispiel zu sein. So steht es in §§10 Abs. 3 und 17 Abs.2 Satz 1 SG. So hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 16.4.2002, 2 WD 43, 01; Truppendienstgericht Süd einen solchen Fall zu beurteilen gehabt. Die obersten Richter sahen zwar von einer Dienstgradherabsetzung ab, kürzten das Ruhegehalt aber um 1/10 für die Dauer von drei Jahren. „Ein Soldat, der sexuelle oder sonstige ehewidrige Beziehungen zu der Ehefrau eines Kameraden unterhält, lässt es an der gebotenen Achtung der ehelichen Lebensgemeinschaft seines Kameraden mangeln“, heißt es in der Entscheidung. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn die Ehe (noch) nicht gescheitert sei, die häusliche Gemeinschaft noch fortbestehe und mindestens ein Ehepartner an der Ehe festhält. Die gesetzliche Zerrüttungsvermutung des §1566 BGB spielt hier bei der Beurteilung eine Rolle. In dem vom BVerwG zu entscheidenden Fall aus dem Jahre 2002 war es schließlich so, dass jedenfalls der Ehemann (und Kamerad) an der Ehe festhalten wollte. Es entlastet den in die Kameradenehe Ein brechenden also nicht, wenn sie ihm signalisiert, sie 10 ADVOICE 02 /11 habe ohnehin schon von ihrem Ehemann Abstand genommen und die Ehe sei am Ende. Verlassen darf er sich darauf nicht. Begründet wird diese Strafbarkeit eines vielleicht verwerflichen, jedoch allzu oft menschlichen Verhaltens mit der Schlagfertigkeit der Truppe. Wenn der Ehemann in den Einsatz zieht, soll er sich darauf verlassen können, dass zu Hause alles gut ist. Wenn er sich dann Gedanken darüber machen muss, ob seine Frau ihm treu ist, schwächt ihn das. Deshalb kann es auch nicht sein, dass ein Kamerad Anlass für eine Affäre der Ehefrau ist. Die Spannungen zwischen den beiden würden eben die Schlagkraft der Truppe schwächen. Brisanter wird das Ganze, wenn der direkte Befehlsgeber die Affäre der Ehefrau ist, wegen seiner besonderen Fürsorgepflicht gegenüber dem Ehemann. Dass es manchmal wirklich Liebe ist, spielt weniger eine Rolle, höchstens beim Strafmaß. Irgendwie klingt das alles logisch, wenn auch ein wenig antiquiert. Man mag sagen, wer sich zur Truppe verpflichtet, weiß dass vorher, und diese Regularien sind eben Teil des „Arbeitsvertrages“, die man in Kauf nimmt – völlig unjuristisch natürlich. Doch gerade in Zeiten, in denen Frauen ein wichtiger Teil dieser Truppe sind, steht diese Regelung in einem anderen Licht. Es bedarf keiner wissenschaftlichen Studien, um zu wissen, dass dort, wo sich Frauen und Männer begegnen, diese auch einander begehren, sich ineinander verlieben können – das ganz normale Leben eben. Ein weiterer Aspekt ist da schon juristischer. Man stelle sich vor, er verliebt sich in eine Kameradin, die die Ehefrau eines Kameraden ist. Dann muss er sich dazu nicht äußern, aber sie. Sie ist nämlich Soldatin und die muss in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit sagen, §13 Abs. 1 SG. Ja, die Wahrheit sagen müssen andere Zeugen auch. Nur sie ist ja in dem Fall an der zu sanktionierenden Handlung beteiligt. Wer mit anderen einen Diebstahl begangen hat, war auch am Diebstahl beteiligt, muss aber nichts sagen, weil er sich nicht selbst belasten muss. Und sie? Sie belastet nicht sich, nur ihn, muss deshalb aussagen – streng genommen alles, bis ins letzte Detail. Damit läuft sein Aussageverweigerungsrecht ins Leere. Oder hat sie auch eine Sanktion zu erwarten, weil sie ja den eigenen Ehemann, der ja auch ihr Kamerad ist, betrogen hat? Das ginge wohl zu weit. Jedenfalls wäre das dann ein Eingriff in die Ehe der beiden – so jedenfalls die Auffassung der Autorin. RAin Anke Schiller-Mönch, Weimar Ende der Soldatenehe. herrlein smilla_pixelio.de § 10 Pflichten des Vorgesetzten (1) Der Vorgesetzte soll in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben. (2) Er hat die Pflicht zur Dienstaufsicht und ist für die Disziplin seiner Untergebenen verantwortlich. (6) Offiziere und Unteroffiziere haben innerhalb und außerhalb des Dienstes bei ihren Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten. § 12 Kameradschaft Der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht wesentlich auf Kameradschaft. Sie verpflichtet alle Soldaten, die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten und ihm in Not und Gefahr beizustehen. Das schließt gegenseitige Anerkennung, Rücksicht und Achtung fremder Anschauungen ein. Was auch kommt. Zählen Sie auf unsere 9HUP|JHQVVFKDGHQ+DIWSÁLFKW § 13 Wahrheit (1) Der Soldat muss in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit sagen. Ob auf Ihre Versicherung hundertprozentig Verlass ist, zeigt sich immer erst, wenn ein Schaden eintritt. Mit HDI-Gerling haben Sie einen verlässlichen Partner an Ihrer 6HLWH3URÀWLHUHQ6LHYRQXQVHUHUODQJMlKULJHQ6FKDGHQHUIDKUXQJGHU([SHUWLVH XQVHUHULQWHUQHQ)DFKMXULVWHQXQGXQVHUHU)LQDQ]VWlUNHDOV7HLOGHV7DODQ[.RQ]HUQV § 17 Verhalten im und außer Dienst (2) Sein Verhalten muss dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Dienst als Soldat erfordert. Außer Dienst hat sich der Soldat außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt. HDI-Gerling Firmen und Privat Versicherung AG Riethorst 2 30659 Hannover Telefon 0511-3031-126 www.hdi-gerling.de Versicherungen 405-W/AFB010.10 Er sieht sie – lange Beine, tolle Figur, dunkle Haare, genau sein Typ Frau. Sie findet ihn auch nicht schlecht. Sie kommen ins Gespräch. Eins führt zum anderen, irgendwie. Am nächsten Morgen das böse Erwachen. Nein, nicht dass sie neben ihm liegt. Sie hat Familie, Kinder sind im Spiel. Trotzdem. Es war schön. Die beiden treffen sich, immer wieder über einen langen Zeitraum. Na und? Ist doch Privatsache. Thema Thema 123 Jahre „Schwulenparagraph“ „Ich bin schwul - und das ist auch gut so!“ Mit Abschaffung des §175 StGB 1994 endete die Strafverfolgung Homosexueller Künstler, Politiker und Militärs – Sechs berühmte Schwule Der „Schwulenparagraph“: Das Gesetz, das gleichgeschlechtliche Liebe zur Straftat machte und Schwule und Lesben zu Verbrechern werden ließ, wurde erst 1994 abgeschafft. Am 1. Januar 1872 wurde aus dem exakt ein Jahr zuvor in Kraft getretenen Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes das Reichsstrafgesetzbuch. § 175 RStGB stellte insbesondere sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe. Insgesamt wurden etwa 140.000 Männer nach den verschiedenen gültigen Fassungen des § 175 verurteilt. Im Volksmund wurden Schwule auch als „175er“ bezeichnet. Die gültige Fassung des § 175 RStGB vom 1.1.1872 bis zum 1.9.1935 lautete: „Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren begangen wird, ist mit Gefängniß zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.“ Handeln stets eine gewisse Stärke und Dauer haben müsse. Auf dieser Grundlage kam es zwischen 1950 und 1969 zu mehr als 100.000 Ermittlungsverfahren und etwa 50.000 rechtskräftigen Verurteilungen. Erst 1969 wird der § 175 StGB gelockert (s.g. 1. BRDReform): Waren beide über 21 Jahre (damals Alter der Volljährigkeit) oder unter 18 Jahre alt, so war der Kontakt straffrei. War einer der Männer über 21, der andere unter 21 Jahre so wurde nur der ältere bestraft. Waren beide zwischen 18 und 21 Jahre alt, so machten sich jedoch beide strafbar. 1972 kam es zu einer 2. Reform. Seitdem waren nur noch homosexuelle Handlungen mit männlichen Jugendlichen unter 18 Jahren (Änderung der Volljährigkeit) strafbar, wogegen das Schutzalter bei lesbischen und heterosexuellen Beziehungen bei 14 Jahren lag. Im Jahr 1935 verschärften die Nationalsozialisten den § 175, indem sie die Höchststrafe im Zuge einer Umdefinition vom Vergehen zum Verbrechen von vier Jahren auf fünf Jahren Gefängnis vornahmen. Unter Strafe gestellt wurde hier bereits der „lüsterne Blick“, der selbstverständlich einer freien Interpretation Tür und Tor öffnete. Eine gegenseitige Berührung war nicht mehr erforderlich. Auf das Vorliegen von „beischlafähnlichen Handlungen“ wurde nicht mehr abgestellt. Ein Kuss, eine leichte Berührung, der bloße Verdacht, eine Kleinigkeit reichte, um im Zuchthaus oder Konzentrationslager zu landen. Allein zwischen 1937 und 1939 wurden fast 100.000 Männer in der geheimen „Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung“ erfasst. Mehr als 100.000 Homosexuelle wurden von den Nazis verschleppt und gefoltert, etwa 15.000, der mit einem rosa Winkel gebranntmarkten Opfer wurden umgebracht. 1949 bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde der § 175 in der Version der NS-Fassung 1935 übernommen: „(1) Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht missbrauchen lässt, wird mit Gefängnis bestraft.“ Alles bis dahin geltende Recht blieb in Kraft „soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht“, § 123 Abs. 1 GG. In einer Reihe von Entscheidungen schloss sich der Bundesgerichtshof (BGH) der Rechtssprechung des Dritten Reiches an, wonach der Tatbestand der Unzucht keine gegenseitige Berührung voraussetzte. Allerdings wurde aus dem Merkmal „treiben“ abgeleitet, dass das 12 ADVOICE 02 /11 Am 11. August 1987 hob das Oberste Gericht der DDR ein Urteil wegen § 151 StGB-DDR mit der Begründung auf, dass „Homosexualität ebenso wie Heterosexualität eine Variante des Sexualverhaltens darstellt.“ Ein Jahr danach strich die Volkskammer der DDR in ihrem 5. Strafrechtsänderungsgesetz den § 151 ersatzlos. Im Zuge der Rechtsangleichung zwischen den beiden deutschen Staaten nach 1990 musste sich der Bundestag entscheiden, ob er den § 175 StGB-BRD streichen oder ihn in der bestehenden Form auf die neuen Bundesländer übertragen wollte. Im Jahr 1994 entschied man sich mit Ablauf der Rechtsangleichungsfrist mit dem 29. Strafrechtsänderungsgesetz vom 31.5.1994 den § 175 StGB zu streichen. Dies geschah auch vor dem Hintergrund der inzwischen eingetretenen gesellschaftlichen Veränderungen. Neu eingefügt wurde der § 182 „Sexueller Missbrauch von Jugendlichen“ mit einem relativen Schutzalter von 16 Jahren, der geschlechtsneutral formuliert wurde und den Verkehr zwischen einem Volljährigen und einer Person unter 16 Jahren unter Strafe stellt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Bestrafung einvernehmlicher homosexueller Handlungen unter Erwachsenen als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) eingestuft ebenso die Festlegung unterschiedlicher strafrechtlicher Schutzaltersgrenzen. Deutschland ratifizierte die Europäische Menschenrechtskonvention am 5.12.1952. 1971 schlägt Rosa von Praunheims Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ wie eine Bombe ein und löst eine kontroverse gesellschaftliche Diskussion aus. Homosexuelle Clubs und Initiativen werden gegründet. Deutschlands Homosexuelle organisieren sich. Bei Gründung der Deutschen Demokratischen Republik 1949 übernahm diese den § 175 in einer entschärften Fassung von 1871. 1968 wurde mit der Schaffung eines eigenen Strafgesetzbuches der Paragraph aufgehoben und § 151 StGB-DDR eingeführt. 123 Jahre mussten vergehen, bevor der „Schwulenparagraph“ entgültig aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wurde. Die Verfolgung, eine Ära der Angst und des Versteckens hat ein Ende. Das Ausmaß der individuellen Unfreiheit steckt noch immer in vielen Köpfen und bestimmt teilweise auch noch heute das Handeln. Strafgesetze sind Spiegelbilder der gesellschaftlichen und politischen Kultur. Der Wertewandel zu mehr sexueller Freiheit zeigt die heutige Auffassung des selbstbestimmten Lebens. Im Strafgesetzbuch werden die Grenzen der Freiheiten bestimmt. Diese Grenzen werden durch die Veränderungen in der Gesellschaft verschoben. Natürlich gibt es keine grenzenlose Freiheit, aber mehr Freiheit ohne Grenzen. Die Ansichten der Menschen müssen sich in ihren Köpfen verändern, eine Gesetzesänderung allein kann einen Wertewandel nicht bewirken. RA Volker Loeschner, Berlin Gustav Gründgens, Schauspieler und Regisseur * 22.12.1899 in Düsseldorf, † 7.10.1963 in Manila Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister Berlin * 1.10.1953 in West-Berlin Der Schauspieler und Regisseur Gustav Gründgens wurde bekannt durch seine Interpretation der Rolle des Mephisto in Goethes Faust I, die er erstmals 1932 spielte. Als Protegé von Hermann Göring wird er erst zum künstlerischen Leiter des Preußischen Staatstheaters ernannt, später wird er Senator der Reichskulturkammer und Intendant des Preußischen Staatstheaters. 1926 heiratet er Erika Mann, die lesbische Tochter Thomas Manns. Die Ehe wird 1929 wieder geschieden. Ab 1933 wird die Ehe für Gründgens zum Mittel für ein unproblematischeres Leben, privat wie beruflich. Um die bisexuelle Schauspielerin Marianne Hoppe und sich selbst vor Nachstellungen der Nazis zu schützen, heiratet das Paar 1936. 1946 werden sie geschieden. Klaus Wowereit wuchs als Jüngster mit zwei Brüdern und zwei Schwestern ohne Vater in einer römisch-katholischen Familie auf. Neben seinen Studentenjobs unterstützte ihn einer seiner Brüder finanziell und er pflegte wiederum später jahrelang seinen nach einem Unfall querschnittsgelähmten Bruder und seine krebskranke Mutter. Er studierte Rechtswissenschaft an der FU Berlin. Danach war Wowereit Regierungsrat zur Anstellung beim Senator für Inneres in Berlin. Wowereit ist seit 1993 mit dem Neurochirurgen Jörn Kubicki (* 1965) liiert, mit dem er seit 2005 in einer gemeinsamen Wohnung lebt. Seit dem 16. Juni 2001 ist er Regierender Bürgermeister von Berlin und seit dem 13. November 2009 stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD. Im Juni 2001 erklärte Klaus Wowereit auf einem Sonderparteitag der SPD öffentlich: „Ich bin schwul – und das ist auch gut so!“ Er war damit der erste deutsche Spitzenpolitiker, der so offen zu seiner Homosexualität stand. Thomas Mann, Schriftsteller * 6.6.1875 in Lübeck, † 12.8.1955 in Zürich Thomas Mann gehört zu den bedeutendsten Erzählern deutscher Sprache im 20. Jahrhundert. Für seinen ersten Roman „Buddenbrooks“ (erschienen 1901) erhielt er 1929 den Nobelpreis für Literatur. Er unterdrückte ein Leben lang seine homosexuellen Neigungen, betrachtete sie als Schwäche und Krankheit. Seine Antwort war Selbstzucht und Triebunterdrückung. So heiratete er 1905 seine Frau Katja, mit ihr hatte er insgesamt sechs Kinder, von denen Erika, Klaus und Golo die drei ältesten sind. Seine posthum veröffentlichen Tagebücher zeigen aber klar, dass Thomas Mann sich vor allen zu jungen Männern hingezogen fühlte. Ganz besonders in „Tod in Venedig“, aber auch in vielen anderen seiner Erzählungen und Romane kann man homoerotische Tendenzen finden. In seinen Tagebüchern bedankte er sich bei seiner Frau für ihre Toleranz und ihr Verständnis. Die Beziehung zu seiner Frau soll trotz der sechs Kinder eher kameradschaftlich gewesen sein. Rosa von Praunheim, Filmregisseur * 15.11.1942 in Riga, Lettland Der als Holger Radtke Geborene gab sich selbst den Künstlernamen Rosa von Praunheim. Mit seinem Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ (1971) gilt er als öffentlicher Wegbereiter und einer der Mitbegründer der politischen Schwulen- und Lesbenbewegung in der Bundesrepublik Deutschland zu Beginn der 1970er. In 30 Jahren drehte von Praunheim über 50 Filme. Neben Homosexualität waren seine Themen „ältere, vitale Frauen“ (z. B. Evelyn Künneke und Lotti Huber) und seit den späten 1980er Jahren die AIDS-Prävention. Er wuchs in Ost-Berlin auf und flüchtete 1953 mit seiner Familie in den Westen. Im Jahr 1969 heiratete er die Schauspielerin Carla Egerer (alias Carla Aulaulu). 1971 ließ sich das Paar scheiden. Er wohnt in Berlin und lebt in einer festen Beziehung mit seinem Mitarbeiter Oliver Sechting. Günter Kießling, Vier-Sterne-General Stellvertretener NATO-Oberbefehlshaber * 20.10.1925 in Frankfurt/O., † 28.8.2009 in Rendsburg Hans-Peter Wilhelm Kerkeling Komiker und Schauspieler * 9.12.1964 in Recklinghausen Der Vier-Sterne-General der Bundeswehr und stellvertretende NATO-Befehlshaber Günter Kießling geriet 1984 mit der sogenannten „Kießling-Affäre“ ins Licht der Öffentlichkeit: Ihm wurde Erpressbarkeit wegen seiner angeblichen Homosexualität vorgeworfen. Kießling versicherte Verteidigungsminister Manfred Wörner (CDU), dass die Vorwürfe jeder Grundlage entbehrten. Dennoch stufte der Verteidigungsminister Kießling als Sicherheitsrisiko ein. Er wurde 1983 vorzeitig aus dem Dienst verabschiedet, nach Entkräftung der Vorwürfe aber 1984 wieder in Dienst genommen. 1984 verließ er die Bundeswehr aus gesundheitlichen Gründen. Der Komiker und Schauspieler Hans-Peter Wilhelm Kerkeling ist als Hape Kerkeling bekannt. Seinen Durchbruch erlangte er 1984/85 mit der Musik- und Ulk-Show Känguru. In der RTL-Talkshow Explosiv – Der heiße Stuhl outete Rosa von Praunheim Kerkeling 1991 als homosexuell. 1989 bis 2000 produzierte Kerkeling zahlreiche TV-Formate und Spielfilme. Mit seinen Kunstfiguren Horst Schlämmer und der Sängerin Uschi Blum trat er in verschiedenen TVShows auf und präsentierte sie 2009 zur Bundestagswahl in seinem Film „Isch kandidiere!“. 2011 trennte sich Kerkeling nach 28 Jahren von seinem Lebensgefährten. Fotos v.l.n.r.: schwulesmuseum, Raymond Angeles Berlin - San Francisco, www.klaus-wowereit.de ADVOICE 02 /11 13 Thema Thema Eine Frage der Verjährung? „Den Opfern zu wenig zugehört“ Die katholischen Kirche und der sexuelle Missbrauch Minderjähriger Es steht außer Zweifel, dass mit den 2010 ruchbar gewordenen sexuellen Missbrauchsfällen eines der düstersten Kapitel der katholischen Kirche aufgeschlagen wurde. An konfessionellen Schulen, Erziehungs- wie Freizeiteinrichtungen und in den Kirchen selbst gab es zahlreiche Meldungen von sexuellen Übergriffen auf Kinder und Jugendliche, verübt von Laien und Klerikern. Zunächst sah es danach aus, als handelte es sich um einige wenige Vorfälle, so auch die erste Reaktion der Kirchenvertreter. Als jedoch immer mehr Opfer bereit waren, nach vielen Jahren des Schweigens an die Öffentlichkeit zu gehen, um über ihr individuell erlittenes Martyrium zu berichten, musste die marginalisierende Darstellung eilig korrigiert werden. Die Meldungen in der Presse über die unsittlichen Verfehlungen der Geistlichen und Ordensleute überschlugen sich. Dementis wirkten wie zwecklos, jeder Priester war in der fälschlichen öffentlichen Wahrnehmung ein potentieller Täter. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hatte alle Mühe und Not, die hoch emotionalisiert geführte Diskussion um die Aufarbeitung der angezeigten Missbrauchs- fälle in geordnete Bahnen zu lenken. Es kam gar zum Eklat zwischen der Katholischen Kirche und der Bundesregierung, als Zollitsch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ultimativ aufforderte, bestimmte im Fernsehen gemachte Äußerungen zurückzunehmen, die den Eindruck erweckt hätten, die Kirche arbeite nicht konstruktiv mit den Justizbehörden im Sinne der Aufklärung zusammen. Vom Sonderweg der Kirche war schnell die Rede. Die eigentlichen Opfer drohten bei diesem Streit völlig in den Hintergrund zu geraten. Entschädigung für Opfer Inzwischen ist ein Jahr vergangen, und die Wogen zwischen dem Ministerium und der Deutschen Bischofskonferenz sind wieder geglättet. Auf ihrer Herbstvollversammlung 2010 räumten die deutschen Bischöfe ein, sie hätten in der Vergangenheit den „Opfern zu wenig zugehört“. In einem selbstkritischen Appell gaben sich die Kirchenoberen geläutert und erklärten sich grundsätzlich bereit, neben der Unterstützung der Behörden bei der Ahndung von Sexualstraftaten einen Entschädi- Sexuelle Übergriffe auf Kinder und Schutzbefohlene sind eines der düstersten Kapitel der katholischen Kirche. gungsbeitrag für vergangenes und größtenteils schon verjährtes Unrecht zu leisten. 5.000 Euro Einmalzahlung sollen die minderjährigen Missbrauchs opfer demnach erhalten. Darüber hinaus könnten bei akutem Bedarf die Kosten der Psychotherapie oder Paarberatung getragen werden. Hinzukämen 500.000 Euro, der in einen „Präventionsfond“ eingezahlt würde, so das Angebot der katholischen Kirche im soge nannten runden Tisch, einem Arbeitskreis, der sich unter anderem aus Vertretern der Kirchen, der Bundesregierung – wie Landesregierungen und Opfer verbänden zusammen setzt. Zu wenig, mahnte etwa die Opfervertretung „eckiger Tisch“ an, die für jeden Geschädigten 80.000 Euro fordert. Die gegenwärtige rechtliche Situation ist uneinheitlich und für die meisten Betroffenen zunächst ungünstig. Sexualdelikte werden, in Erinnerung rufend, in den §§ 174 ff StGB geregelt. Problem hierbei ist, dass die meisten Delikte als Vergehen bestraft werden, die ab der Begehung der Tat binnen drei beziehunsgweise fünf Jahren verjähren. Im Höchstfall – bei besonders schweren Taten – tritt die Verjährung nach spätes tens zehn Jahren ein. Fotos: Karl-Michael Soemer, mk-Helling_pixelio.de Bei den meisten Vorkommnissen, nämlich dort, wo sich die Opfer erst Jahrzehnte später überhaupt melden, ist eine strafrechtliche Ahndung nicht mehr möglich. Opferanwälte müssen diesen Umstand im Blick haben. Bestrebungen, die strafrechtliche Verjährung zu verlängern oder gar vollständig entfallen zu lassen, fanden bisher keine einheitliche Zustimmung. Zivilrechtlich ist die bisherige Situation aus Sicht der Opfer ähnlich problematisch. Grundsätzlich gilt zunächst nach § 195 BGB die dreijährige Verjährungsfrist. Beginn der Frist ist der Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsberechtigte von den begründenden Anspruchsumständen und der Person des Schädigers Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erkennen musste. Jedoch wurde mit der Novelle des Schuldrechts am 26.11.2001 mit dem § 208 BGB dafür gesorgt, dass Ansprüche wegen Verletzung gegen die sexuelle Selbstbestimmung erst dann verjähren können, wenn der oder die Geschädigte das 21. Lebensjahr vollendet hat oder, sofern eine häusliche Gemeinschaft mit dem Schädiger besteht, diese beendet wurde. Das mag auf den ersten Blick betrachtet ein Fortschritt für die Wahrnehmung von Opferinteressen sein. Tatsächlich erweist sich dieses Instrumentarium jedoch auch dann nicht als tauglich, wenn die jeweilige Missbrauchsbiographie viele Jahre später nach der gesetzlichen Verjährungshemmung ans Tageslicht kommt. Auch diesbezüglich ist in der Politik die Heraufsetzung der Verjährungsfrist ein Thema, nämlich auf 30 Jahre für Schadensersatzansprüche aus Missbrauchstaten. Ein Gerichtsurteil sorgte indes inmitten der kontrovers geführten Debatte für Furore. Das Landgericht Osnabrück entschied am 29.12.2010, dass die Verjährung von drei Jahren erst dann zu laufen beginnt, wenn ein durch den Missbrauch traumatisiertes Opfer die Verdrängung der Tat überwunden hätte und sich daran erinnern könnte (LG Osnabrück, Az.: 12 O 2381/10). Es sprach dem heute 36 Jahre alten Kläger gegen seinen ehemaligen Nachbarn (73) ein Schmerzensgeld 20 Jahre nach der Tat zu. Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig und liegt dem OLG Oldenburg zur Entscheidung vor. Käme die Berufung aber zu dem gleichen Ergebnis wie die Vorinstanz, wäre dies eine Sensation und könnte ein Stück weit die „Sicherheit“, in der sich manch Täter wähnt, auflösen. Päpstlicher Erlass Ungeachtet der weltlichen Fallbearbeitung hat der Vatikan reagiert und mit päpstlichem Erlass im Sommer 2010 die kirchenrechtliche Verjährung sexuellen Missbrauchs von zehn auf 20 Jahre hochgesetzt. Außerdem hat Papst Benedikt XVI. festgeschrieben, dass sowohl der Besitz als auch die Verbreitung kinderpornographischen Materials ein 14 ADVOICE 02 /11 Verbrechen darstellt. Hiermit dürften viele der nunmehr sehr alten Täter dennoch ungeschoren davon kommen. Es ist aber als ein Fingerzeig in Richtung eines sich wandelnden Umgangs mit sexuellem Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche zu werten. Anzuwendendes Recht WELTLICH Die innerkirchliche juristische Würdigung bezieht sich auf die Regeln des „Codex Iuris Canonici“ (CIC), die es dem Heiligen Stuhl im Rom ermöglicht, Fehlverhalten der Kleriker (ordinierte Priester) zu sanktionieren. Sexueller Missbrauch Minderjähriger hatte in der Vergangenheit nicht selten zur Folge, dass die Täter kirchenstrafrechtlich versetzt wurden, sofern sichergestellt war, dass im neuen Wirkungskreis keine Wiederholungsgefahr vom Versetzten ausgehen konnte. In gravierenden Fällen konnten geistliche Täter auch mit der Entlassung aus dem Priesteramt rechnen. Letztlich war dies jedoch eine nach weltlichen Regeln schwer durchschaubare Ermessensentscheidung. Das kanonische Recht steht mit seinen besonderen Strafrechtsnormen wie eine Art Disziplinarrest, das dem Beamtenrecht vergleichbar ist, neben den weltlichen Gesetzen. Der antiquiert erscheinende CIC wird durch eine Vielzahl von Auslegungsregeln wie Kommentierungen ergänzt und soll so auf aktuelle Sachverhalte angepasst werden. Die aktualisierten sogenannten „Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker, Ordensangehörige und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ schreiben zudem verpflichtend vor, wie bei Bekanntwerden von entsprechenden Deliktsfällen zu verfahren ist. Inwieweit das komplizierte Regelwerk des Kirchenrechts und die reuigen Absichtsbekundungen der Kirche dazu führen, Missbrauchstäter einer gerechten Strafe zu zuführen, das wird allerdings die Zeit zeigen. Es wäre nicht nur im Sinne aller Opfer. Es wäre auch in Sinne der Angehörigen der Kirche, die auf eine moralisch glaubhafte Einrichtung ihres Glaubens setzen. RA Patrick Ruppert, Köln Sexueller Missbrauch ist kein Thema, das nur die Kirchen betrifft. Alle gesellschaftlichen Bereiche sind tangiert, wie spätestens seit den Vorfällen an der Odenwaldschule und anderen nichtkonfessionellen Bildungseinrichtungen klar geworden sein sollte. Diesem Problemkreis will die Bundesregierung mit einem aktuellen Gesetzesentwurf begegnen. Im Kern sollen die Rechte der Opfer deutlich gestärkt werden. Strafrecht (StGB) § 174 § 176 § 176a § 176b § 182 § 184b § 184c Problem Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen Sexueller Missbrauch von Kindern Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge Sexueller Missbrauch von Jugendlichen Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften Verbreitung, Erwerb und Besitz jugendpornographischer Schriften Verfolgungsverjährung §§ 78ff. Zivilrecht (BGB) § 253 Immaterieller Schaden (Schmerzensgeld) Problem Verjährung §§ 195, 199 (drei Jahre), jedoch Hemmung nach § 208 bei Ansprüchen wegen Verletzung gegen die sexuelle Selbstbestimmung bis 21. Lebensjahr/Beendigung der häuslichen Lebensgemeinschaft mit dem Schuldner KIRCHLICH Codex Iuris Canonici (CIC) = „kanonisches Recht“ von 1983 Kirchenstrafrecht: Canon 1395 § 2 „Ein Kleriker, der sich auf andere Weise gegen das sechste Gebot des Dekalogs verfehlt hat, soll, wenn nämlich er die Straftat mit Gewalt, durch Drohungen, öffentlich oder an einem Minderjährigen unter sechzehn Jahren begangen hat, mit gerechten Strafen belegt werden, gegebenenfalls die Entlassung aus dem Klerikerstand nicht ausgenommen.“ Entschädigungsanspruch: Canon 128 „Jeder, der widerrechtlich durch eine Rechtshandlung oder auch durch eine andere mit Vorsatz oder aus Fahrlässigkeit vorgenommene Handlung einem anderen Schaden zufügt, ist verpflichtet, den Schaden wiedergutzumachen.“ ADVOICE 02 /11 15 Thema Thema „Ich lebe unvermählt“ Die fremde Lebensform Zölibat Zur Person Der Zölibat Dr. Wolfgang Picken (43) ist katholischer Pfarrer im Bad Godesberger Rheinviertel und Dechant von Bad Godesberg. Er studierte neben katholischer Theologie Philosophie, Politik- und Sozialwissenschaften. Er ist Gründer der Bürgerstiftung Rheinviertel, einem bundesweiten Pilotprojekt sozialer Reorganisation. 2010 sprach der promovierte Politologe vor dem Deutschen Juristentag in Berlin. Besondere Schwerpunkte seiner seelsorgerischen Tätigkeit liegen in der Jugendarbeit und der Sterbe- und Trauerbegleitung. Picken gilt als ein ausgemachter Kenner des Vatikans und der Stadt Rom. Seine privaten Interessen gehören der Kunstgeschichte sowie der klassischen Musik. Kirchenjuristen wissen, dass der Zölibat nicht unmittelbar der Bibel zu entnehmen ist. Er ist historisch gewachsen und letztlich auch eine Antwort auf die ausufernde Dekadenz der im Mittelalter regierenden Kirchenfürsten. Im Codex Iuris Canonici, der normierten Rechtsquelle der katholischen Kirche, heißt es im Canon 277, dort unter § 1 wörtlich: „Die Kleriker sind gehalten, vollkommene und immerwährende Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen zu wahren; deshalb sind sie zum Zölibat verpflichtet, der eine besondere Gabe Gottes ist, durch welche die geistlichen Amtsträger leichter mit ungeteiltem Herzen Christus anhangen und sich freier dem Dienst an Gott und den Menschen widmen können.“ Das Gebot ist auch heute noch bindend und im letzten großen Konzil von 1962-1965 bestätigt worden. Die Befreiung (eine Dispens) von der Zölibatsverpflichtung, die nur der Papst erteilen kann, führt rechtlich automatisch zum Verlust des Priesteramts (Canon 291). Dieser Aspekt ist vor allem in der Laientheologiebewegung ständiger Diskussions punkt, da viele Anhänger die Ehe und das Priesteramt für miteinander vereinbar halten. Schützenhilfe erhalten sie mitunter von namhaften Theologen wie Hans Küng, der die Abschaffung des Zölibats fordert. A: Wie findet man sich im Zölibat zurecht? Eine Fastenzeit ist endlich, der Zölibat nicht. P: Diese Lebensform ist nicht statisch, sondern wie alles im Leben in Bewegung. Mal geht es einem extrem gut damit, mal ist es schwierig. In jedem Fall setzt der Zölibat viele Energien frei und schafft Raum für die Beziehung zu Gott. A: Mit welchen Vorurteilen gilt es rund um den Zölibat aufzuräumen? P: Es ist ein Vorurteil, dass nur Menschen mit einer kranken oder defizitären Sexualität den Zölibat wählen. Die sexuelle Fixierung unserer Zeit benutzt die Ehelosigkeit des Priesters als Projektionsfläche ihrer Fantasien. Das hat manchmal schon perverse Züge. A: Der Zölibat wird von einigen Menschen mit den schlimmen Missbrauchsfällen der zurückliegenden Zeit in negativer Weise in Verbindung gebracht. Wie wäre dem glaubhaft zu begegnen? P: Es gibt keine nachweisbare Relation zwischen Zölibat und Missbrauch. Die forensische Statistik weist aus, dass Missbrauch unter Zölibatären nicht häufiger vorkommt als in der Gesamtbevölkerung. Missbrauch ist eine schlimme anthropologische Konstante. A: Könnte es sein, dass der Zölibat möglicherweise auf kurz oder lang entfallen wird? P: Ich denke nicht, dass der Zölibat fällt. Die Kirche braucht nicht weniger Entschiedenheit für Gott, son dern mehr, wenn sie dem Glauben neue Bedeutung verleihen will. > www.kirche-im-rheinviertel.de „Mal geht es einem extrem gut damit, mal ist es schwierig", sagt Dr. Wolfgang Picken über das Leben im Zölibat. Auf alle Fälle setze es viele Energien frei. Es waren die 1970er Jahre, die Eltern und Großeltern in seltsam beblümten Langgewändern raus trieb, um mit lauter Rockmusik, psychedelischen Drogen und freier Liebe der Prüderie des Nachkriegsdeutschlands den Garaus zu machen. Freilich galt dies längst nicht für die breite Mehrheit. Zum einen war Deutschland in Ost und West geteilt, in der früheren DDR durfte derart freiheitlich nicht gedacht und gelebt werden. Zum anderen war es vornehmlich eine studentische Revolte, außerparlamentarisch organisiert und in erster Linie intellektuelle Kreise ansprechend. Aber die gesamte Bevölkerung nahm von den Umbrüchen Notiz und profitierte letztlich langfristig. 40 Jahre später sind die Mitglieder der „Kommune 1“, die sich noch als Ausdruck des progressiven Protests einst haben nackt von hinten ablichten lassen, weit entfernte Geschichte. Inzwischen ist das längst wiedervereinigte Deutschland völlig „durchsexualisiert“. Der Zölibat (aus dem Lateinischen von caelebs, unvermählt leben) ist eines der am wenigsten verstandenen Lebensformen. Über ihn wurde insbesondere in den zurückliegenden Jahren viel gedacht und auch geschrieben. Das Verständnis für ihn ist jedoch damit kaum gewachsen, obgleich nicht nur Geistliche der christlichen Weltkirchen bewusst mit ihm leben. Buddhistische Mönche etwa kennen ebenso die Existenz völliger Keuschheit. Doch gerade aus christlicher Sicht könnte dieser Lebensentwurf, der in der römisch-katholischen Kirche für Priester und Ordensleute verpflichtender Bestandteil ist, ein Irrweg sein, denn immerhin schuf Gott den Menschen als „Mann und Frau“, so die Bibel. Und wie war das mit der Sentenz „seid fruchtbar und mehret Euch“? Der katholische Priester Dr. Wolfgang Picken aus Bonn kennt die Vielzahl von kritischen Fragen zum Zölibat. Gegenüber AdVoice leistet er ein Stück weit Aufklärungsarbeit und erläutert seine Motivation, bewusst zu sagen: „Ich lebe unvermählt.“ Die Werbung lebt es vor und zeigt wie selbstverständlich reichlich Fleisch, wohin man schaut. Aufreger sind hiermit nicht mehr zu erzielen. In solchen Zeiten tritt alternatives Verhalten, ein gänzlich anders ausgerichtetes Leben eher in den Hintergrund. Wo der Sex breit regiert, wirkt es fast wie ein Anachronismus, wenn Menschen dem bewusst abschwören, in Entaltsamkeit, ja Ehelosigkeit leben wollen. A: Ist der Zölibat heute noch zeitgemäß? P: Mehr denn je, denn die Welt braucht heute deutliche Zeichen der Entschiedenheit und Begeisterung für den Glauben an Gott und die Liebe zum Menschen. Unsere Welt mit ihren unendlichen Differenzierungen und Kompromissen sollte froh und dankbar für jeden sein, der konsequent für seine Ideale und Werte lebt. 16 ADVOICE 02 /11 Foto: Patrick Ruppert A: Warum ist ein zölibaterer Lebensentwurf gerade der katholischen Kirche so wichtig? P: Der Priester lebt nach dem Verständnis der Kirche in der besonderen Stellvertretung Christi. Er soll die vorzugsfreie Liebe Gottes vermitteln und in einem besonders intensiven Verhältnis zu Gott stehen. Deshalb liegt es nahe, dass der Priester dieselbe Lebensform wählt, die von Jesus selbst überliefert ist: Die Ehelosigkeit. Das bedeutet ein Leben ohne die spezielle Bindung an eine Person, um ganz offen sein zu können für die Beziehung zu Gott und den Menschen, zu denen der Dienst den Priester sendet. A: In der Bibel wird in der Schöpfungsgeschichte von Mann und Frau gesprochen, was beinhalten könnte, dass der Zölibat gerade nicht im Sinne der Religionsausübung sein kann. P: Die biblische Verwiesenheit von Mann und Frau aufeinander ist grundsätzlicher Natur und zutreffend, aber sie ist keine Handlungsanweisung. Die Leidenschaft für Gott und der Dienst am Evangelium ist unabhängig davon ein eigener Wert und Lebensinhalt. Als solcher hat er im religiösen Kontext von altem und neuem Testament immer eine eigene Bedeutung besessen. Für Gott alles stehen und liegen lassen, ist ein biblisches Ideal, wenn man beispielsweise an die Jünger am See Genezareth denkt. A: Wäre eine umfassende Seelsorge im Ergebnis nicht erfolgreicher, wenn der Priester aus eigener Anschauung die Probleme einer Partnerschaft/Ehe kennt? P: Eigene Anschauung und Erfahrung können für einen Beruf hilfreich sein, sind aber nicht die einzigen Kriterien für eine Qualifikation. Das wissen wir von vielen Berufen! Auch muss ein verheirateter Familienvater nicht automatisch kompetent in Familienund Eheangelegenheiten sein, nur weil er selbst in dieser Situation steht. Die persönliche Situation qualifiziert nicht per se. Ferner muss bedacht werden, dass Familie und priesterlicher Dienst in ihren Ansprüchen vielfach gegeneinander stehen. Die Aufgabe des Priesters verlangt eine Priorisierung auf die Sendung zu den Menschen. Ehe und Familie bedeuten eine Priorisierung auf Frau und Kinder. Die Konkurrenz dieser Ideale kann dauerhaft zur Belastung und Überforderung führen. Die wenigsten können Diener zweier Herren sein! A: Wie lebt sich's im Zölibat? Ist das vergleichbar einer Diät? P: Der Zölibat ist nicht zuerst Verzicht sondern Gewinn. Man kann seine Kräfte und Energien ganz seinem Dienst widmen. Ohne Frage gibt es auch schmerzliche Seiten. Aber wenn man ehrlich ist, gibt es die in jedem Lebensentwurf. Einsamkeit kennen beispielsweise nicht nur Zölibatäre. Das Gespräch führte RA Patrick Ruppert, Köln A: Was ist das Bereichernde des Zölibats? P: Der Zölibat ermöglicht eine „rücksichtslose“ Konsequenz in der Gestaltung der eigenen Berufung, macht verfügbar. Er ist ein wichtiges Zeichen dass, die Begeisterung für den Glauben einen Menschen in Besitz nehmen und ausfüllen kann. Und diese Lebensform sensibilisiert für die vielen Entbehrungen, unter denen das Leben steht. Verzicht üben und damit leben müssen, ist ein Grundthema des Daseins. Das schafft eine große Nähe in der Seelsorge. ADVOICE 02 /11 17 Thema Sex sells: Sexmarken „Recht und Sex“ ist keine Marke Sex sells! Und das muss abgesichert werden. Am besten mit einer eingetragenen Marke. Allein beim Deutschen Patent- und Markenamt sind 183 Sexmarken eingetragen, also Marken, wo Leute Geld ausgegeben haben, um sich den Begriff „SEX“ in irgendeinem Zusammenhang schützen zu lassen. Nur 57 dieser Marken sind jedoch eingetragen, erstaunlich oft also scheitern die Markenanmeldungen oder werden nicht verlängert. 2010 erteilet der Deutsche Werberat acht „öffentliche Rügen" an Unternehmen, deren Werbung sich sexistischer, gewaltverherrlichender oder diskriminierender Inhalte bediente. Sex is... ...LIKE PERSIL da weiß man, was man hat ...LIKE EHRMANN keiner macht mehr an Ein promovierter Jurist hat im Jahr 2008 tatsächlich versucht, die Marken Recht und Sex und Sex und Recht zu sichern, im Register ist jedoch lakonisch vermerkt: Eintragung nicht möglich. Mit dem gleichen Hinweis scheiterten beispielsweise Sex im Kuhstall, eine Sex Apotheke, der vermutlich unglaubliche Planet Power Sex sowie und Sex-ausBerlin. ...LIKE AOL bin ich schon drin? ...LIKE DOUGLAS come in and find out Anrufen sollte man früher mal beim SEX`O`PHON. Geplant war 1998 ein Sex-Branchenbuch, doch die Akten zu diesen Marken sind bereits vernichtet. Erspart bleibt uns auch die Ballermann Sex Band. Eingetragen in das Register und damit markenrechtlich geschützt sind aber neben Future Sex, Tropica Sex und Voodoo Sex eine ganze Reihe von Wort-Bildmarken. Wie die Recherche zeigt, ist auch Sex Sells eine Marke, immerhin eingetragen für Papier, Bekleidungsstücke und Bettwäsche. Thema ...LIKE NOKIA connecting people LSD ...LIKE NIKE just do it ...LIKE PEPSI ask for more RA Tobias Sommer, Berlin ...LIKE SAMSUNG everybody is involved ...LIKE COCA COLA enjoy ...LIKE PRINGLES einmal gepoppt, nie mehr gestoppt ...LIKE AUDI Vorsprung durch Technik …LIKE MCDONALDS ich liebe es 18 ADVOICE 02 /11 Seid fruchtbar und begattet Euch HEUTE Warum Lesen beim ehelichen Beischlaf verboten ist Sex wird schon immer auch rechtlich als wesentlicher Bestandteil einer Ehe angesehen. Das ergibt sich aus §1353 BGB, dessen Verständnis sich seit Einführung des BGB nicht wesentlich verändert hat. Die 4. Auflage des „Palandt“ aus dem Jahre 1941 sagt ganz klar, dass zu den ehelichen Pflichten neben der Pflicht zum Zusammenleben und zur Treue auch die Pflicht zum ehelichen Verkehr und zur Erzeugung von Kindern gehört. (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 4. Auflage, 1941, § 1353 Ziff. 2) »Kinderzeugen dahingegen // Macht Vergnügen und bringt Segen, // Wenns geschieht im Ehebett // Standesamtlich und honett.« Otto Julius Bierbaum Nach der 41. Auflage ist die Ehe „Geschlechtsgemeinschaft und verpflichtet zum ehelichen Verkehr in Zuneigung, nicht in Gleichgültigkeit oder indem Widerwillen zur Schau getragen wird.“ (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 41. Auflage, 1982, § 1353 Ziff. 2) b) Die 69. Auflage beschreibt allgemein die zwischen Ehegatten bestehende Rechtspflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft und zur Verantwortung füreinander. Gleichzeitig wird nach dem Verständnis des Verfassers eine gegenseitige Zuneigung durch die Eheschließung indiziert, welche je nach individuellen Verhältnissen (Alter, Gesundheitszustand, psychische Disposition) nach dem traditionellen Eheverständnis auch die Pflicht zur Geschlechtsgemeinschaft entspricht. (Palandt/Brudermüller, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Auflage, 2010, § 1353 Rn. 2 u. 7) »Hat man also die Pflicht zum ehelichen Beischlaf, dann ist auch eine Pflichtverletzung denkbar.« Wenngleich in der 69. Auflage aus dem Jahre 2010 bereits leise Zweifel anklingen, ob die Pflicht zur Geschlechtsgemeinschaft aufrecht zu erhalten ist, wird diese Auflage, wie auch die 41. Auflage aus dem Jahre 1982 in einer Entscheidung des BGH vom 2.11.1966, Az.: IV ZR 239/65 zitiert. Es ging um die Frage der Zerrüttung einer Ehe. Anno 1966 galt noch das Schuldprinzip. Es reichte also nicht aus, vorzutragen, dass Mann und Frau sich nicht mehr leiden können. Hat man also die Pflicht zum ehelichen Beischlaf, dann ist auch eine Pflichtverletzung denkbar. Der Kläger, der bereits in zwei Instanzen gescheitert war, trug vor, dass die Zerrüttung der Ehe aus der Einstellung seiner Ehefrau zum ehelichen Verkehr entstanden sei. Diese habe ihm erklärt, dass sie beim Geschlechtsverkehr nichts empfinde und dabei imstande sei, Zeitung zu lesen. Der eheliche Verkehr sei eine reine Schweinerei und schwanger wolle sie auch nicht werden. Der Kläger hatte sich dann einer anderen Frau zugewandt. Das Berufungsgericht sah darin einen Ehebruch und den Widerspruch der Ehefrau gegen das Scheidungsbegehren des Ehemannes als begründet an. Der BGH hatte sich nun mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Ehe zu scheiden war, oder eben nicht. Der Bundesgerichtshof verwies die Sache zurück. Aber nicht, ohne zuvor deutlich die Ansicht des erkennenden Senates über den ehelichen Beischlaf zum Ausdruck zu bringen: IN 50 JAHREN »Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt.« BGH / 02.11.1966, Az.: IV ZR 239/65 „Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt. Wenn es ihr infolge ihrer Veranlagung oder aus anderen Gründen, zu denen die Unwissenheit der Eheleute gehören kann, versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen. Denn erfahrungsgemäß vermag sich der Partner, der im ehelichen Verkehr seine natürliche und legitime Befriedigung sucht, auf die Dauer kaum jemals mit der bloßen Triebstillung zu begnügen, ohne davon berührt zu werden, was der andere dabei empfindet.“ Und schon gar nicht, so der BGH, dürfe der Partner, dem es nicht gelingt, Befriedigung im Verkehr zu finden, seine persönlichen Gefühle in verletzender Form aussprechen. Das sei geeignet, die „eheliche Gemeinschaft, zu deren Vollzug in der Regel die ständige Wiederholung der geschlechtlichen Vereinigung gehöre, an ihrer Wurzel zu untergraben.“ Zeichnung: Alexandra Eckert ADVOICE 02 /11 19 Thema Thema Apropos Wurzel, auch in einem Fall, den das Oberlandesgericht Hamm im Jahre 1979 zu entscheiden hatte, war der ausbleibende eheliche Beischlaf die Wurzel allen Übels. Eine Ehefrau hatte um Armenrecht für eine Härtefallscheidung nachgesucht. Die Ehefrau bemängelte, dass normaler Geschlechtsverkehr in der Ehe aufgrund einer bei ihrem Ehemann vorliegenden Phimose praktisch nie möglich gewesen sei. Der Geschlechtsverkehr habe ihr Schmerzen bereitet und sie habe sich deshalb verweigert. Daraufhin sei ihr Ehemann dazu übergegangen, sich selbst zu befriedigen und das Bett zu beschmutzen. Ein weiteres Festhalten an der Ehe sei ihr deshalb nicht mehr zumutbar. »Die Ehefrau bemängelte, dass normaler Geschlechtsverkehr in der Ehe aufgrund einer bei ihrem Ehemann vorliegenden Phimose praktisch nie möglich gewesen sei.« Das Familiengericht hat das Armenrecht verweigert. Das OLG Hamm nahm in seinem Beschluss vom 26.3.1979, Az.: 3 WF 9/79, mit dem zunächst nur über die Gewährung des Armenrechts entschieden wurde, auf die oben zitierte Entscheidung des BGH Bezug und führte aus, dass sich an der Bedeutung der Geschlechtsgemeinschaft für den Vollzug der Ehe auch unter dem zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht nichts geändert habe. Nach Auffassung des OLG Hamm liege ein Scheitern der Ehe aufgrund der Bedeutung der sexuellen Seite der Ehe nahe, wenn die Ausübung des Verkehrs nicht möglich sei und dieser Zustand nicht zu beheben sei. Ein nicht behebbarer Zustand liege auch dann vor, wenn einer der Ehegatten einen zur Behebung erforderlichen medizinischen Eingriff verweigere. »Kein Sex“ sei eher selten ein Thema, wohingegen „zu viel Sex, nämlich mit anderen Personen als dem Ehepartner“ Inhalt einer Vielzahl veröffentlichter Entscheidungen sei.« 24.3.1999 zum Amtsgericht Brühl Az.: 32 F 65/98. 20 Jahre später, 1999, befasste sich das Amtsgericht Brühl mit der Frage der Unterhaltskürzung wegen Verweigerung des Geschlechtsverkehrs. Der NochEhegatte verweigerte den Trennungsunterhalt, weil die Noch-Ehefrau sich geweigert habe, der sexuellen Seite der Ehe nachzugehen. Zeitung besser nach dem Sex lesen. Das kann sonst juristischen Ärger nach sich ziehen. 20 ADVOICE 02 /11 Foto: Andrea Vollmer Die Ehefrau behauptete, sie habe sich nicht verweigert und ehelicher Geschlechtsverkehr habe stattgefunden. Das Amtsgericht hat am 24.3.1999 zum Az.: 32 F 65/98 entschieden, dass der „Beweis, das etwas nicht geschehen sei“ nicht geführt werden könne und die Beweislast für den Nachweis des stattgefundenen Geschlechtsverkehrs der Ehefrau auferlegt, der diese nicht genügt habe. Weiter heißt es: „Die Nichterfüllung einer der Hauptpflichten aus der Pflicht zur eheliche Lebensgemeinschaft wiegt ebenso schwer wie die anderen Gründe, die nach § 1579 BGB zur Versagung des Unterhalts berechtigen.“ Dies sei, so das Amtsgericht, eine selbstverständliche Konsequenz, wofür sich aber in der Literatur kein Beleg finde. „Kein Sex“ sei eher selten ein Thema, wohingegen „zu viel Sex, nämlich mit anderen Personen als dem Ehepartner“ Inhalt einer Vielzahl veröffentlichter Entscheidungen sei. Darüber hinaus führt das Amtsgericht aus, dass nicht nur die Sicherung der wirtschaftlichen Basis der Eheleute die Grundlage für die „Ehe als kultu relle Errungenschaft des Menschen“ sei, sondern auch die Sicherung der Folgen aus der als weithin selbstverständlich praktizierten Geschlechtsgemeinschaft, nämlich der Versorgung und Betreuung der gemeinsamen Kinder aus der Gemeinschaft. Daraus zog das Gericht den Schluss, dass die Verweigerung der Ehefrau die nur äußerlich gelebte Gemeinschaft der Ehegatten derart reduziert habe, dass auch ihr Anspruch auf Unterhalt zu reduzieren sei. Zuvor, am 16.5.1991 hat das Kammergericht zum Aktenzeichen 16 UF 7355/90 entschieden, dass ein einseitiges Fehlverhalten des unterhaltsberechtigten Ehegatten i.S. von § 1579 Nr. 6 BGB nicht vorliege, wenn dieser vier außereheliche geschlechtliche Beziehungen aufgenommen habe, nachdem der Ehepartner ihm 17 Jahre lang sexuelle Kontakte fast vollständig verweigert habe. Weitere 20 Jahre später am 17.11.2009 hat das OLG Oldenburg im Rahmen einer PKH-Beschwerde ausgeführt, dass ein Anspruch der Antragstellerin auf Trennungsunterhalt gem. § 1361 Abs. 1 BGB wegen eines schwerwiegenden, ausschließlich bei ihr liegenden Fehlverhaltens ausgeschlossen sei. Sie habe auf der Internetseite www.poppen.de ihr Profil eingestellt. Dies sei ein schwerwiegendes Verhalten und es handle sich nicht, wie von der Antragstellerin vorgetragen, um einen „völlig normalen Chatroom“, in dem beispielsweise über Autos kommuniziert werde. Der Domain-Name und auch der Einführungstext auf der Startseite sprächen für sich. Der Einführungstext auf der Startseite lautete wie folgt: „Poppen.de–100 % kostenlose Sexkontakte. Interessiert Ihr Euch für Swingerclubs, gemeinsame Saunabesuche oder wollt einfach Euren sexuellen Horizont erweitern? Ihr mögt Rollenspiele, vielleicht sogar bizarre Spielarten, seid Swinger, sucht nach Sexkontakten oder einem Seitensprung? Herzlich willkommen bei der Community für mehr als das konventionelle Miteinander!“ Stürme der gesellschaftlichen und sexuellen Liberalisierung sind über das Land gefegt. Sex ohne Ehe ist inzwischen vollkommen normal, aber eine Ehe ohne Sex kann noch immer problematisch sein. Laut BGH ist darüber hinaus nicht nur kein Sex ein Problem, sondern auch spaßfreier Sex. Es darf bezweifelt werden, ob die Ansicht des damals erkennenden 4. Senats heute noch so vertretbar wäre. Ausdrücklich überholt ist das Urteil jedoch nicht. Deshalb gilt beim ehelichen Beischlaf: „Lächeln und knuddelig aussehen!“ RAin Theresa Nentwig, Arnstadt Statistik: Sex und Recht Marken beim DPMA mit dem Wort „Sex“: 185, davon eingetragen mit der Dienstleistung Rechtsberatung: 1 I So oft haben Deutsche Sex pro Woche: 2 mal. So oft haben sie Lust auf Sex pro Woche: 4-5 mal I Studierende in Berlin, die sich vorstellen können, in der Prostitution zu arbeiten: jeder Dritte I Tatsächlich aktiv im Rotlichtmilieu: jeder 27. Studierende (= 3,7 %), davon in einer festen Beziehung: 52,3 % I Anteil, jener die durch diese Tätigkeit Probleme in der Partnerschaft haben: 60 % I Studierende in Berlin, die sich vorstellen können, Sex für Geld zu haben: jeder Vierte I Anteil der Männer, die beim Sex ans Telefon gehen, wenn es klingelt: 10 % Anteil der Frauen die beim Sex ans Telefon gehen, wenn es klingelt: : 17% I Verfahrenseingänge bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien im Jahr 2010: 1269 I Bislang von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien insgesamt indizierte Werke, wobei auch Filme: 2645, Telemedien: 2482, Printmedien, u. a. Bücher: 529 Zusammengestellt von RA Tobias Sommer, Berlin Quellen: Destatis, Statista, Studie des Studienkolleggs zu Berlin, eigene Recherchen ADVOICE 02 /11 21 Thema Thema Dieser Ausschuss besteht aus fünf Personen: Dazu zählen zunächst zwei Vertreter der Filmwirtschaft und zwei Vertreter der öffentlichen Hand. Letztere repräsentieren die Bundesländer sowie die verschiedenen Lebensbereiche wie Religion, Lehrerschaft usw. Peter Werner vertritt beziehungsweise präsentiert den Freistaat Thüringen. Jugendschutz oder Zensur Die Prüfung der Freiwilligen Selbstkontrolle – FSK „Oft gehe ich dann nach meinen Prüfungen ins Kino und beobachte die Zuschauer. Wenn dann die Kinder gebannt im Kinosessel sitzen und an bestimmten Stellen die Hände vor die Augen nehmen, dann vergleiche ich – lag ich richtig?“ in Deutschland nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden. Also führt für keinen Produzenten, der sein Werk in die Kinos bringen möchte, der Weg vorbei an Wiesbaden und der FSK. Peter Werners Augen funkeln, er sprüht vor Begeisterung. Keine Frage – er liebt seine Arbeit. Der Diplompädagoge prüft und beurteilt Filme unter anderem für die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, die FSK, und das, obwohl er längst im wohlverdienten Ruhestand ist. Doch auf seine Erfahrung und sein Wissen wollte niemand verzichten. So schaut sich Peter Werner regelmäßig in Wiesbaden Filme an und entscheidet mit, ob die Kinder erst ab sechs oder zwölf Jahren in die Kinos dürfen. Über 100.000 Filme geprüft Ganz so freiwillig wie sie klingt, ist sie dann irgendwie doch nicht, die Freiwillige Selbstkontrolle. Denn ohne Prüfsiegel, sprich Altersfreigabe, darf ein Film Die erteilt seit 1949 Altersfreigaben für Filme, seit den 80er Jahren auch für Videos, DVDs und andere Trägermedien, die für die öffentliche Vorführung und Verbreitung vorgesehen sind. Über 100.000 Filme hat die FSK bisher geprüft, Peter Werner hat irgendwann aufgehört zu zählen. 1993 wurde er durch das Thüringer Ministerium für Prüfaufgaben berufen. Doch nur Filme anschauen und bewerten – so war das nicht: „Erst mal musste ich drei Tage auf die Bank“, erinnert er sich und fügt hinzu: „Aber wir wurden von Anfang an integriert, durften unsere Meinung sagen.“ Der pensionierte Lehrer Peter Werner prüft Filme für die FSK. Zentrales Kino dafür ist das Murnau-Filmtheater in Wiesbaden. Zunächst reiste er als Sachverständiger nach Wiesbaden zu den Prüfwochen. Zwischen 10 und 14 Wochen sind das pro Jahr. Die teilen sich in Thüringen insgesamt sechs Prüfer. Als freier Projektmitarbeiter ist Peter Werner gefragt: „Naja, ich habe auch kurzfristig Zeit. Das kommt schon vor, dass ich Donnerstag einen Anruf bekomme: Wir brauchen dich nächste Woche zwei oder drei Tage.“ Dann packt er seinen Koffer und fährt nach Wiesbaden ins Murnau-Filmtheater, das Deutsche Filmhaus. „Wir haben dort beste Bedingungen.“ Peter Werner berichtet von der Murnau-Stiftung, deren Aufgaben, schwelgt in Filmgeschichte, an der er ja irgendwie schon ein wenig mitgewirkt hat mit seinen Entscheidungen. Und dann berichtet er, wie eine solche Entscheidung abläuft: „In der Regel wird ein Film, der in die Kinos kommen soll, dem Arbeitsausschuss vorgelegt“, beginnt er zu berichten. Dem „Fünferausschuss“ vorangestellt ist wie jedem Ausschuss ein Vorsitzender. „Das ist ein ständiger Vertreter der Landesjugendbehörden, der fest bei der FSK angestellt ist und vom federführenden Ministerium in Rheinland-Pfalz berufen wird“, erklärt der Experte. Er selbst ist nicht selten Ausschussvorsitzender, auch als freier Mitarbeiter. Als erfahrener Sachverständiger agiert er dann in Vertretung des Ständigen Vertreters. In seiner Funktion als Ausschussvorsitzender leitet er die Prüfung, verliest den Antrag. „Dann gibt es den Knopfdruck für die Technik, und der Film läuft ab.“ Fokus Gewalt und Sexualität Peter Werner ist in seinem Element. „Wir schauen auf sehr vieles. Jugendschutzrelevante Kriterien wie Gewalt und Sexualität. Das Frauenbild, religiöse Aussagen, politische Tendenzen.“ Foto v. l. n. r.: Sascha Mönch, FSK Je mehr er aufzählt, desto klarer wird, dass das nichts mit „einfach mal Filme schauen“ zu tun hat. Sich auf Erzähltempo, Ton, Kameraführung, Schnitt zu konzentrieren, das alles zu bewerten und einzuordnen – dazu gehört Erfahrung. „Nein, das ist nicht einfach. Aber deshalb sind wir ja auch fünf“, relativiert Werner ein wenig. Und dann, wenn der Film gelaufen ist? Dann gibt der Vorsitzende eine erste Einschätzung ab. Bei einem FSK-6-Film zum Beispiel, das ist oft ein Kinderfilm: „Der muss eine klar verständliche Geschichte haben, darf die Kinder nicht überfordern, keine Angst einflößen. Da spielen die Tongestaltung, aber auch die Lichtgestaltung – hell und dunkel – eine gewichtige Rolle“, weiß Werner. Am Schluss einer Prüfung steht die Entscheidung, die vom Sachverständigen in einem Jugendentscheid festzuhalten ist. Den kann der Antragsteller akzeptieren oder von der nächsten (Berufungs)Instanz, dem Hauptausschuss, überprüfen lassen. Er kann den Film aber auch um bestimmte Szenen kürzen und erneut zur Entscheidung vorlegen. „Die Zeit ist da schon manchmal knapp, wenn der Film fünf oder sechs Wochen vor dem geplanten Filmstart nicht die gewünschte Freigabe bekommt“, weiß Peter Werner um die Gewichtigkeit seiner Arbeit auch für die Filmwirtschaft. Persönliche Distanz finden Wenn ein Film keine Freigabe bekommt, kann das den Produzenten richtig Geld kosten. „Das kommt jede Woche vor. Die Gründe sind verschieden: Gewalt, Pornografie, Verunglimpfung von Religion, Missachtung der Menschenwürde.“ Werner wird nachdenklich: „Es gab Filme, da wachte man nachts auf“, blickt er zurück. „Heute habe ich gelernt, damit umzugehen, eine persönliche Distanz aufzubauen. Aber am Anfang war das schwer“, erzählt er. Solche Filme werden dann der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien in Bonn gemeldet. Dort ist Peter Werner auch Länderbeisitzer. Das Bonner Gremium setzt solche Filme auf den Index. Dann dürfen sie nicht mehr beworben werden. In ganz extremen Fällen reagiert die Staatsanwaltschaft. An dieser Stelle begegnen sich Rechtsgüter auf höchster Ebene, z. B. Kunstfreiheit vs. Jugendschutz. Kinder-Medienkompetenz Zurück zur FSK: Ob Filme, die noch vor 15 Jahren ab 16 freigegeben wurden, heute auch mal ab zwölf freigegeben werden? Nein, da könne man keine generelle Tendenz erkenne. Die Medienkompetenz habe sich aber deutlich verbessert. Kinder und Jugendliche hätten immer stärkeren Zugang zu den Medien. Die Wirkmechanismen seinen anders geworden. Kinder und Jugendliche würden schnell geschnittene Filme besser verkraften. Auch die Wirkmächtigkeit von Gewalthandlungen würde heute ganz anders eingeordnet. Die gestiegene Medienkompetenz habe eine positive Auswirkung auch auf die Verarbeitung von Filmen und Werbespots. Durch die tägliche Übung wirke das Filmgeschehen nicht mehr frontal. Zuschauer können heute viel besser zwischen realer und fiktiver Gewalt unterscheiden. „Wenn wir dann ältere Filme neu prüfen, führt das schon zu einer anderen Betrachtungsweise und auch Einordnung.“ RAin Anke Schiller-Mönch, Weimar 22 ADVOICE 02 /11 ADVOICE 02 /11 23 Thema Thema Big Brother is watching … Porno 2.0 Sexualstraftäter unter 24-Stunden-Überwachung Was man(n und frau) über die Lust per Mausklick wissen sollte Eigentlich haben wir es immer irgendwie geahnt. Porn sells. Die Industrie rund um die anschaubare fleischliche Lust hat in den letzten Jahren sprunghaft zugenommen. Sie hat längst das Internet für sich als multimediale Werbe- und Verkaufsplattform entdeckt. Wer heute noch in die Videothek um die Ecke schleicht, um in der abgegrenzten „Schmuddelecke“ nach einschlägigen Filmen zu suchen, dabei möglicherweise das Risiko eingeht, von den Nachbarn als „Perversling“ gebranntmarkt zu werden, gehört zweifelsohne zum Auslaufmodell, hat selber Schuld. Kommen jetzt alle frei? Foto: Thomas Max Müller_pixelio.de vl Dürfen Schwerverbrecher, die nach ihrer Haftentlassung als rückfallgefährdet gelten, dauerhaft von der Polizei observiert werden? Karl D. wurde wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung von drei minderjährigen Mädchen zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt 20 Jahren verurteilt. Seit März 2009 ist er wieder frei. Er hat seine Haftstrafe abgesessen. Nachträgliche Sicherungsverwahrung war rechtlich nicht möglich. Nun wohnt der 59-Jährige bei seinem Bruder, dessen Ehefrau und Kindern in deren Einfamilienhaus in Heinsberg-Randerath in NordrheinWestfalen mit 1.400 Einwohnern. verlassen zu können. Ein umfassendes soziales Bewegungsfeld wird erstellt. Ist dies alles gerechtfertigt, um die Bevölkerung vor Ort zu schützen? schlug auch vor, die Familie könnte die Polizei telefonisch darüber informieren, wenn sie ohne den vorbestraften Bruder das Wohnhaus verlasse. Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Aachen hat mit Urteil vom 24.1.2011 – Aktenzeichen 6 K 140/10 – entschieden, dass die polizeiliche Dauerüberwachung von Karl D. und damit auch der Familie seines Bruders rechtmäßig ist. Gutachterliche Feststellungen ließen nach wie vor den Schluss zu, dass Karl D. eine Gefahr für die Allgemeinheit sei. Die Kosten für den Einsatz schätzt der Landrat auf mindestens 100.000 Euro monatlich. Seitdem demonstrieren die Anwohner, die NPD und auch Menschen, die der rechten Szene zugeordnet werden, täglich mit Plakaten und verlangen, dass Klaus D. dort wieder auszieht. Die Angst der Eltern vor weiteren Übergriffen ist groß. Aber nicht nur die Demonstranten stehen vor dem Haus: Jetzt steht auch ein Container gegenüber. Darin sitzen mindestens vier Polizei-Beamte, die daraus das Anwesen und seine Bewohner beobachten. Wenn Karl D. einen Fahrradausflug mit seinem Bruder macht, folgen ihnen die Polizisten auf Fahrrädern. Aber auch wenn der Bruder von Karl D. das Haus allein in seinem Auto verlässt, folgen ihm manchmal Polizeifahrzeuge. Offensichtlich vermutet man, dass der observierte Karl D. sich im Kofferraum des Fahrzeugs versteckt hält, um unbemerkt das Haus Klaus D. und seine Verwandten hatten vor dem Verwaltungsgericht Aachen argumentiert, dass die Dauerüberwachung sie in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletze. Die Vorschrift des § 16a Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW), die eine Dauerobservation erlaube, sei zu unbestimmt und zudem unverhältnismäßig. Selbst wenn man diese Vorschrift für anwendbar hielte, lägen die konkreten Voraussetzungen der Norm nicht vor. Karl D. unterziehe sich jetzt einer ambulanten Therapie, so dass von ihm keine Gefährlichkeit im Sinne von § 16a PolG NRW ausgehe. Außerdem hätten mildere Mittel wie z. B. das Anbringen einer elektronischen Fußfessel einer Dauerüberwachung vorgezogen werden müssen. Rechtsanwalt Wolfram Strauch Der Vorsitzende Richter der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Aachen hat in seiner mündlichen Urteilsbegründung ausgeführt, dass die Kammer die Regelung des Polizeigesetzes für anwendbar halte. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Norm könne mit einer verfassungskonformen Auslegung begegnet werden. Ferner sei die Anwendung der Vorschrift im konkreten Fall rechtmäßig erfolgt, da die Gutachten auf eine Gefahr für die Allgemeinheit hinwiesen. Ermessensfehler sieht das Verwaltungsgericht nicht. Zur Dauerüberwachung müssen die Länder spezielle Polizeigesetze erlassen. 24 ADVOICE 02 /11 Eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft kann unter diesem Druck als fast unmöglich angesehen werden. Die Wiedereingliederung gehört jedoch zum Kern des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Dies und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung mögen Zweifel daran begründen, ob eine verfassungskonforme Auslegung der Dauerüberwachung überhaupt bestätigt werden kann. Die Kammer hat die Berufung gegen das Urteil zugelassen. Berufungsinstanz ist das Oberverwaltungsgericht Münster. Berufung ist eingelegt, teilte der Rechtsanwalt mit. Die Rechtmäßigkeit der Observierung bleibt offen. RA Volker Loeschner, Berlin Medialer Sex geht seit geraumer Zeit auch bequem von daheim. Günstig zu erstehenden Computern und flotten Internetverbindungen sei Dank. Bemerkenswert ist das, was Statistiken über Pornographie im www auswerfen. Das US-amerikanische Good Magazine hat sich im Jahre 2007 der erotischen Erbsenzählerei angenommen und Folgendes unter anderem zu Tage gefördert: Zwölf Prozent aller Webseiten waren pornographischer Natur. 25 Prozent aller Suchmaschinenanfragen drehten sich um Pornographie. 35 Prozent aller Downloads hatten mit Porno zu tun. Jede Sekunde sahen 28.258 Internetnutzer Pornos über das Internet. Die stetig steigende Nachfrage nach „frischen“ Sexinhalten sorgte für 266 neue Pornoseiten pro Tag. Und selbstverständlich war und ist „Sex“ das weltweit meistgefragte Suchwort im Cyberspace. Es ist ein Milliardengeschäft, das nicht nur im hollywood-nahen San Fernando Valley realisiert wird. 3.075,64 Dollar wurden weltweit pro Sekunde für Erotikmaterial ausgegeben. Da ist es kein Wunder, dass neben den klassischen Paysites auch Gratisangebote wie Pilze aus dem Boden auf den Internetmarkt schießen. auf, die rechtlich Beflissene rasch auf den Plan rufen. Es beginnt bereits mit dem Zugang zu Youporn, der denkbar simpel nahezu jedermann, ob groß ob klein, offen steht. Denn lediglich ein kurzer Hinweis warnt davor, dass beim Klick auf den Enter-Button eine Seite betreten wird, die Erwachsenenkram zeigt. Geringe Englischkenntnisse reichen aus, um sich Zutritt zu verschaffen. Das ist nicht gerade gelebter Jugendschutz im Internet, dachten sich viele. Und so nahm es nicht Wunder, dass das Portal Youporn 2007 beim Provider Arcor gebannt wurde. Es ist aber nicht nur der mangelnde Schutz minderjähriger Surfer, der Konkurrenzunternehmen und die Behörden umtreibt. Es sind auch die Fragen rund um das „Recht am eigenen Bild“. Man mag gar nicht das Wort Kunsturhebergesetz (KUG) in den Mund nehmen, wenn es um derlei Kategorien geht. Doch auch wenn „Porno“ selten den geltenden Kunstbegriff tangieren dürfte, das benannte Nischengesetz kommt zur Anwendung. § 22 KUG normiert den Persönlichkeitsrechtsschutz, sagt, dass der Abgebildete entscheidet, ob er veröffentlicht werden möchte. Wer sich also auf Youporn, Redtube und ähnlichen Scharfmacher-Internetseiten mit freiem Content umtut, dürfte sich hier schon die Frage stellen, ob die Hobby-Kameramänner (manchmal auch -frauen) die oder den Liebsten stets gefragt haben, bevor das Selbstgedrehte hochgeladen wurde. Die einfache Antwort lautet Nein. Und somit dürfen alle Medienrechtler frohlocken und sich mit passenden Abmahnschreiben bewaffnen, sollten sie von ungewollten Pornostars mandatiert werden. Doch Obacht, die Betreiber solcher Seiten lieben es verschleiert. Selten bekommt man einen Macher vor Gericht oder einen klaren Verantwortlichen. Die Impressumspflicht aus dem Telemediengesetz gilt für deutsche Unternehmen. Youporn und Co. kön nen somit beinahe alles tun und lassen. Die Betreiber von Youporn sind bis heute unbekannt. Ein gewisser Jeffrey Parker aus London wird als juristischer Vertreter genannt. Die eigentlichen Eigentümer jedoch bleiben weiterhin im Hintergrund und sehen dem wilden Treiben von irgendwo zu. Die Inhaberin der Domain ist die Midstream Media International NV mit Unternehmenssitz in Curaçao, was zu den niederländischen Antillen gehört. Anspruchsdurchsetzung gegen Übersee lässt Rechtsanwaltsherzen höher schlagen. Einfach ist gewiss anders! Die Hostserver sollen indes in den Vereinigten Staaten beheimatet sein. Intransparenz gehört hier leider zum Geschäftsmodell. Und last but not least sollte man als Berater im Hinterkopf haben, dass es auch um allerhand Werbung geht, die mit dem Aufruf von Free-Porn-Seiten geht. Pop-Ups sind Standard. Wettbewerbsrechtler werden hierbei an das Verbot von Exit-Pop-Ups erin nern (LG Düsseldorf, Urteil v. 26.3.2003, Az. 2a O 186/02) oder an geringe Erfolgsaussichten, wenn es um das Verbieten von Gewinnzusagebannern geht. Es ist ein Dschungel aus banaler Hinterhoferotik, Halblegalem, Undurchsichtigem und kommerzieller Gier. Das sollte man wissen, wenn man sich Clip für Clip vorwärts klickt. RA Patrick Ruppert, Köln Letzte Warnung auf der Youporn-Startseite. Wer entert, ist drin, egal ob sechs- oder sechzigjährig. Screenshot: Andrea Vollmer Das Videoportal „Youtube“ stand einmal mehr Pate, als die namensverwandte Seite „Youporn“ im Jahre 2006 online ging. Pornos für alle und für umsonst. Die Inhalte liefern in erster Linie die Nutzer selbst. Amateurfilmchen, mehr oder wenig schlampig abgedreht, geben darüber Auskunft, was in heimischen Schlafzimmern Kreatives passiert. Hinzu gesellen sich Videoclips von kommerziellen Anbie tern, die sexhungrige Klicker anlocken und in Abos bringen sollen. So weit, so gut, könnte man meinen, oder: jedem Tierchen sein Plaisierchen. Wäre es so leicht, könnte man das Kapitel „Free Porn“ gleich zuschlagen. Tatsächlich aber taucht eine Reihe von Problemen ADVOICE 02 /11 25 Thema Thema Wenn Liebe zum Wahn wird Unter Zwang Stalking ist kein Kavaliersdelikt Stalker sehen sich als Unschuldsengel Der Begriff Stalking stammt aus dem Englischen, kommt ursprünglich aus der Jagdsprache und beschreibt eine Vielzahl von Handlungen: „heranpirschen“, „verfolgen“ oder „nachstellen“. Daher wird in Deutschland der Begriff Nachstellung benutzt. Im Jahr 2007 wurden in der polizeilichen Kriminalstatistik für Deutschland 11.401 Fälle mit dem Tatvorwurf der Nachstellung gemäß § 238 StGB, der am 31.3.2007 in Kraft trat, erfasst. Die Statistik von 2009 erfasste 200.210 Fälle, rund 85 % der Täter waren dabei Männer, die als Ex-Partner mit einer Art Tunnelblick gegen das Objekt ihrer Begierde vorgingen. Nicht nur Prominenten wird nachgestellt. Nach einer Studie des Zentralinstituts für seelische Gesundheit in Mannheim werden fast zwölf Prozent aller Menschen in Deutschland im Laufe ihres Lebens mindestens einmal gestalkt, davon sind 80 Prozent Frauen. Jeden kann es treffen: Brief-/SMS/E-Mail-/Telefon-Terror, plötzliches Auftauchen im Freundeskreis, vor der Haustür warten, beschatten, auflauern, Einschüchterung und Belästigung, Zwang und Nötigung oder sogar das Eindringen in den Privatraum – all das kann Menschen passieren, die von jemandem gestalkt werden. Das Stalken führt bei den Opfern zu Ängsten, nirgendwo fühlt sich der Betroffene sicher, so wie ein Tier bei einer Hetzjagd. Die physischen und psychischen Auswirkungen sind für Opfer häufig erheblich und führen oft zu schweren Traumata. Um Aussagen über den Verlauf, die Gefährlichkeit und mögliche Interventionsstrategien zu treffen, haben Forscher eine Typologisierung durchgeführt und unterscheiden jetzt fünf verschiedene StalkingTypen: Der zurückgewiesen Stalker (der/die Ex), der intimitätssuchende Stalker (Beziehungssuchender), der inkompetente Verehrer (Sexinteressierter), der ärgergetriebene Stalker (Rechthaber) und den Jagdstalker, der einen sexuellen Übergriff heimlich plant und plötzlich zuschlägt. Stalking entwickelt Suchtcharakter. Das gesamte Denken und Fühlen kreist zwanghaft nur um die eine Person und auch die Täter leiden: 60 % der Stalker sind depressiv, die Hälfte leidet unter Schlafstörungen, 41 % unter Nervosität und 38 % unter Angst, ergab eine Studie der TU Darmstadt. Die einfache Nachstellung wird gemäß § 238 Abs. 4 StGB nur auf Antrag verfolgt. In schwereren Fällen gelten aufgrund des gleichzeitig geänderten § 112 a Abs. 1, Satz 1 StPO geringere Anforderungen an die Untersuchungshaft. Mail-, SMS-, Telefonterror oder ständige Verfolgung führt bei Stalking-Opfern zu Ängsten und dem Gefühl, das Tier bei einer Hetzjagd zu sein. RA Volker Loeschner, Berlin Foto: Martin Schemm_pixelio.de Rechtsanwalt Marek Schauer studierte in Potsdam und an der FU Berlin und sieht seinen Arbeitsschwerpunkt im Bereich Straf- und Sozialrecht. Er ist Mitglied des FORUMs Junge Anwaltschaft Berlin und vertritt regelmäßig Stalking-Täter vor Gericht. In seiner beruflichen Praxis ist ihm noch kein Stalker begegnet, der tatsächlich eine Therapie begonnen hat. A: Die Notwendigkeit des neuen § 238 StGB wurde kontrovers diskutiert, da man der Ansicht war, die bestehenden Gesetze würden ausreichende Möglichkeiten zur Strafverfolgung bieten. Läuft die Stalkingnorm im Strafrecht ins Leere? S: Ins Leere greift die Norm nur aus tatsächlichen Gründen: Die Täter sind mit der strafrechtlich aufgemachten Kalkulation – „Lass es, oder es gibt eine Sanktion!“ – schwer zu erreichen, da sie unter einem psychologisch motivierten Zwang stehen. Daneben sind die Anforderungen der Norm mit „beharrlich“ (in Bezug auf das Verhalten des Täters) und „schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ (in Bezug auf das Verhalten des Opfers) sehr hoch angesetzt. A: Welchen Tatvorwürfen sind die Täter ausgesetzt? Nötigung und Körperverletzung in Tateinheit mit § 238 StGB? S: Stalking-Beschuldigten wird in der Regel nicht vorgeworfen, körperliche Gewalt ausgeübt zu haben. In einigen Fällen kommt Tateinheit mit Beleidigung hinzu: Statt physischer Gewalt wird hier mit verbaler Gewalt gearbeitet. Falls die Täter physische Gewalt ausüben oder diese androhen, zeigen die Opfer gegenüber der Polizei dieses auch an, ohne den Sachverhalt des Stalkings gesondert anzuzei gen. Die Vorgehensweise der Behörden entspricht meist der Anzeige. A: Hat Cyber-Stalking oder Cyber-Mobbing an Bedeutung zugenommen? S: Ja, da immer mehr Menschen das Internet als zweiten Lebensraum nutzen und somit ihre Probleme auch dorthin tragen und versuchen, sie dort zu lösen. Das Internet bietet hier mutmaßlich eine Anonymität, so dass sich der Täter sicher fühlt. Das beobachte ich in der Praxis sehr oft. A: Was raten Sie einer Mandantin, die Opfer ist, als Erstes zu tun? S: Ich rate ihr vor allem, sich nicht auf die strafrechtliche Verfolgung des Täters zu verlassen – aus eigener Erfahrung und gelungenen Verteidigungs- 26 ADVOICE 02 /11 strategien, die ich auch meinen Kollegen unterstelle. Vielmehr rate ich ihr, sich auf das Gewaltschutzgesetz zu berufen und damit gegen den Täter vorzugehen. Hier greift die sogenante Bannmeile, die nach §§ 935 ff ZPO und speziell nach § 1 GewSchG zu beantragen ist. Das Opfer muss glaubhaft machen, dass eine Person vorsätzlich seinen Körper, seine Gesundheit oder seine Freiheit widerrechtlich verletzt hat. In solch einer Situation kann das Gericht anordnen, dass sich der Täter von der Wohnung oder Orten, wo sich das Opfer aufhält, fernhalten muss. Sach lich zuständig sind für das Gewaltschutzgesetz die Familiengerichte. Dem Antragssteller obliegt bei möglicher örtlicher Zuständigkeit mehrerer Familiengerichte nach § 211 FamFG ein Wahlrecht. So kann es sinnvoll sein, das Familiengericht zu wählen, das am Ort der Tat liegt oder auch am Aufenthaltsort des Täters. Der Beschluss des Gerichts erfolgt zügig, meistens binnen einiger Tage oder weniger Wochen, je nach Komplexität des Falles. Ordnungsgeld oder Ordnungshaft werden erst dann verhängt, wenn der Stalker sich nicht an die Bannmeile hält oder das Ordnungsgeld nicht zahlt oder ein solches nicht mehr sachgerecht ist. A: Wie nehmen Sie die Täter wahr? Haben diese ein Schuldbewusstsein und wären offen für eine Therapie? S: Ein Täter sieht in sich selbst einen „Unschuldsengel“, gleichgültig wie drückend die Beweislage ist. In meiner Praxis konnte ich noch nicht beobachten, dass ein Täter auch eine Therapie begonnen hat. A: Gelangt das Problem Stalking erst langsam ins Bewusstsein der Behörden? Welches Verhalten beobachten Sie bei den ermittelnden Behörden? S: Die Behörden nehmen in immer mehr Fällen von Stalking die Ermittlungen auf. Daraus resultiert aber auch gleich das nächste Problem: Das Lesen von 200 SMS zzgl. Mails usw. bindet selbstverständlich erhebliche Ermittlungsressourcen. Zudem haben diese Nachrichten überwiegend strafrechtlich irrelevanten Inhalt und sind privater Natur. Ein Verhalten wird strafrechtlich manchmal erst ab einer gewissen Quantität relevant. Gleichzeitig müssen die überlasteten Ermittelungsbehörden sich mit dieser sehr quälenden Masse der Kommunikation auseinandersetzen. Das klappt nicht vernünftig. > Stalking-Opfer-Webseiten www.deutsche-stalkingopferhilfe.de www.no-stalking.de www.frauen-gegen-gewalt.de www.weisser-ring.de www.polizei-beratung.de > Stalking-Täter-Webseiten Auch für Stalking-Täter werden Hilfen angeboten, sofern Einsicht besteht: www.stop-stalking-berlin.de www.selbsthilfenetz.de www.psychotherapiesuche.de www.beratung-therapie.de A: Wann werden die ermittelnden Behörden tätig, bei zum Beispiel 100 SMS am Tag? S: Es gibt keine bestimmte Anzahl an SMS oder Mails, die den Tatbestand des Stalkings erfüllen. Voraussetzung ist, ob die Selbstbestimmung des Opfers „Ich will nicht mehr belästigt werden“ offen und klar geäußert wurde. Dieses Statement kann das Opfer schon nach zwei oder zehn SMS abgegeben haben. Auch eine Art Prognose ist zu berücksichtigen: Kann dem bisherigen Verhalten des Täters entnommen werden, dass das Stalking nicht aufhören wird? Dagegen fällt die Inhaltskontrolle in den Rahmen der Beleidigungsdelikte. Außerdem ist das Vorliegen von schwerwiegenden Lebensbeeinträchtigungen erforderlich. Hier ist der BGH streng und die Norm entsprechend lasch. Ein Rufnummernwechsel wird nicht als schwerwiegend angesehen. Im Gegensatz dazu ist die Notwendigkeit einer Psychotherapie für das Opfer durchaus als schwerwiegend einzustufen. Zynisch ist das schon, denn die Stalking-Opfer müssen nach dem BGH eine ganze Menge aushalten, bis es zu einer Bestrafung kommt. A: Was macht die Vertretung eines StalkingTäters so schwierig? Unter welchen Umständen würden Sie das Mandat beenden? S: Schwierig ist ein Täter, wenn er auf seinen Rechtsbeistand nicht mehr hört und diesen nur benutzt, um die Ermittlungsbehörden „wegzuzaubern“, damit er weiter stalken kann. Schon beim ersten Anzeichen lege ich in solchen Fällen das Mandat sofort nieder. Das Gespräch führte RA Volker Loeschner, Berlin ADVOICE 02 /11 27 Thema Thema Wenn Robenträger Porno lesen Meisterstück erotischer Literatur oder indexverdächtiger Porno? „Josefine Mutzenbacher“, BVerfGE 83, 130-155, ist eine der grundlegenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Der Pornoroman eines unbekannten Autors, der 1906 unter dem Titel „Josefine Mutzenbacher: Die Lebensgeschichte einer wienerischen Dirne, von ihr selbst erzählt“ erstmals erschien und der inzwischen als Meisterstück der erotischen Literatur gilt, beschäftigte 84 Jahre später sogar Deutschlands ranghöchste Robenträger in Karlsruhe. Rechtlich interessant: Die zahlreichen Nachdrucke und Fortschreibungen wurden urheberrechtlich nie verfolgt. Zu der Entscheidung „Josefine Mutzenbacher“ kam es, weil die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften das Werk in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufgenommen hatte. Dagegen klagte der Rowohlt Verlag, der das Buch, versehen mit einem Glossar zur „Wiener Dirnensprache“, neu verlegt hatte und nun nicht mehr vertreiben konnte. Zahlreiche Richter, Verwaltungsjuristen, Anwälte und Justiziare haben in diesem Verfahren das Buch jedenfalls aus juristischer Perspektive gelesen. Sie mussten beurteilen, ob die Schilderungen Kunst sind und damit grundgesetzlich geschützt, oder ob es sich um jugendgefährdende Inhalte handelt, die zu indizieren sind. Wie so oft, gingen hierbei die Meinungen weit auseinander. Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Indizierung als rechtmäßig bestätigt, das Bundesverfassungsgericht entschied jedoch, dass es an einer Abwägung mit dem Grundrecht der Kunstfreiheit des Artikels 5 GG fehle und hob alle vorhergehenden Entscheidungen auf. Die Bundesprüfstelle ließ jedoch nicht locker, stellte in einem neuen Verfahren die höchstrichterlich geforderte Abwägung an, kam erneut zu dem Ergebnis, dass die Inhalte jugendgefährdend sind und setzte das Buch erneut auf die Liste der jugendgefährdenden Schriften. Die Parteien klagten wiederum durch mehrere Instanzen. Das VG Köln hob die Indizierung auf, doch das OVG Münster entschied wieder zugunsten der Bundesprüfstelle. In dem abschließenden Urteil des OVG Münster heißt es: „Gegen die Einschätzung und Gewichtung der jugendgefährdenden Wirkung des Romans ist nichts zu erinnern. [...] sexueller Kindesmissbrauch wird ausführlich und in einer für pornografische Erzeugnisse üblichen aufreizenden Weise geschildert und [...] einschränkungs- und kritiklos verharmlost und verherrlicht. [...] Die Hauptfigur der Josefine Mutzenbacher agiert dabei im Alter zwischen 7 und 13 Jahren. [...] Hinweise, die dem jugendlichen Leser signalisieren könnten, dass diese Aussagen problematisch und kritisch zu betrachten sein könnten, finden sich an keiner Stelle. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften hat das Buch auf seinen Index gesetzt. Dagegen hatte der Rowohlt-Verlag geklagt. Folgerichtig fehlt etwa jede Andeutung, dass eines der Kinder Schaden erlitten hätte. Die erwachsenen Sexualpartner – bei Licht betrachtet handelt es sich um Kinderschänder – finden zudem ihre Rechtfertigung, nämlich als Opfer triebhafter, genusssüchtiger Kinder [...]. Die Klage wird abgewiesen, Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.” Die Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes wurde von Bundesverwaltungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen. Damit war der Streit beendet. Weitere Rechtsmittel gab es nun nicht mehr. In die Rechtsgeschichte ist der Fall durch die Abwägung zur grundgesetzlich geschützten Kunstfreiheit eingegangen. Kunst und Pornografie können nach Ansicht der Bundesverfassungsrichter Hand in Hand gehen. Das hatten die Richter am höchsten Verwaltgunsgericht noch anders gesehen. Das Bundesverfassungsgericht hatte ausgeführt: „... 1. a) Die indizierte Schrift fällt in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Dabei mag es zweifelhaft sein, ob dies schon deshalb zu bejahen ist, weil sich das Werk als Roman bezeichnet und das Ergebnis einer anerkannten künstlerischen Tätigkeit – der eines Schriftstellers – darstellt. ADVOICE 02 /11 b) Dass der Roman möglicherweise zugleich als Pornographie anzusehen ist, nimmt ihm nicht die Kunsteigenschaft. Die insoweit in BVerfGE 30, 336 (350) anklingenden und in der angegriffenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (S. 14 des Urteilsabdrucks) aufgenommenen Zweifel greifen nicht durch. Kunst und Pornografie schließen sich – wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung zu Henry Millers Opus Pistorum zutreffend erkannt hat (BGH, NJW 1990, S. 3026 [3027]) – nicht aus. Die Kunsteigenschaft beurteilt sich vielmehr nach den in BVerfGE 67, 213 (226 f.) aufgeführten Kriterien. Ihre Anerkennung darf nicht von einer staatlichen Stil-, Niveau- und Inhaltskontrolle oder von einer Beurteilung der Wirkungen des Kunstwerks abhängig gemacht werden (vgl. BVerfGE 75, 369 [377]; 81, 278 [291]). Solche Gesichtspunkte können allenfalls bei der Prüfung der Frage eine Rolle spielen, ob die Kunstfreiheit konkurrierenden Rechtsgütern von Verfassungsrang zu weichen hat.“ Zwar hat das Bundesverfassungsgericht die vorherigen Entscheidungen damit aufgehoben, erlaubt war das Buch damit aber noch lange nicht. Die Verfassungsrichter mussten sich, ob sie sollten oder nicht, die Erlebnisse von Josefine Mutzenbacher zu Gemüte führen, verwenden in ihrem Urteil auch das Wort Pornografie, doch die Entscheidung, ob Kunst oder nicht bzw. Pornografie oder nicht, haben sie nicht gefällt. Damit ging der Streit in die zweite Runde. RA Tobias Sommer, Berlin Foto: Tobias Sommer } 28 Das Werk weist aber die der Kunst eigenen Strukturmerkmale auf: Es ist Ergebnis freier schöpferischer Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Fantasien des Autors in der literarischen Form des Romans zum Ausdruck kommen (vgl. BVerfGE 30, 173 [188 f.]; 67, 213 [226]). Elemente schöpferischer Gestaltung können in der milieubezogenen Schilderung sowie in der Verwendung der wienerischen Vulgärsprache als Stilmittel gesehen werden. Der Roman lässt außerdem eine Reihe von Interpretationen zu, die auf eine künstlerische Absicht schließen lassen. So könnte er etwa als eine Persiflage auf den Entwicklungsroman aufgefasst werden. Ferner ließe sich die Titelheldin als Verkörperung männlicher Sexualphantasien deuten, die als Reaktion auf eine Erziehung gesehen werden, deren Ziel die Unterdrückung des Geschlechtlichen war. Auch parodistische Elemente sind vielfach erkennbar. »Elemente schöpferischer Gestaltung können in der milieubezogenen Schilderung sowie in der Verwendung der wienerischen Vulgärsprache als Stilmittel gesehen werden.« ADVOICE 02 /11 29 Magazin Magazin Die schauen die Mitarbeiter durch, legen sie vorsortiert auf die Schreibtische der Anwälte. Und abends, wenn er mal fernsieht, „dann ist es häufig so, dass wir schon ahnen, welches Mandat uns am nächsten Morgen erreicht“, erzählt Bergmann. Hinterm bunten Blätterwald Simon Bergmann vertritt fast ausschließlich Sportler und Prominente Der wollte übrigens eigentlich eine künstlerische Laufbahn einschlagen; Kunst, Architektur – das war sein Plan. Doch der Vater, kein Unbekannter in der Kunstszene, riet ihm ab. „Lass das. Die gibt’s wie Sand am Meer. Mach doch lieber Jura“, waren die Worte des Vaters, auf die er gehört hat. „Man hat ja immer so Phasen. Da hatte ich zum Glück grade eine, in der ich den Rat meines Vaters schätzte, auf ihn hörte“, erinnert er sich und macht mit der Entscheidung, die er damals getroffen hat, keinen unzufriedenen Eindruck. Doch so war das nicht immer: Bis zum ersten Staatsexamen habe er immer wieder mit seinem Entschluss gehadert. Dann das bestandene Examen, das war ein richtiges Erfolgserlebnis. »Hinten angestellt hat er sich nicht. Er hat sich was getraut.« „Jetzt mach was draus!“, dachte er und entschied sich für Urheberrecht, Medienrecht und Sportrecht. Diese Rechtsgebiete scheinen seine Interessen vernünftig zu verknüpfen. Und irgendwie liegen für ihn Künstler und Anwalt dann doch gar nicht so weit auseinander: „Eine gewisse Selbstdarstellung brauchen beide. Sich immer bescheiden hinten anzustellen, macht auch keinen Sinn.“ In der Kanzlei Schertz Bergmann am Berliner Ku’damm geben sich Prominente aller Couleur die Klinke in die Hand. Nein, einen Fachanwalt habe er bewusst nicht gemacht, er wollte nicht auf Eines fixiert sein. Rechtsanwalt Simon Bergmann, Partner der Kanzlei Schertz Bergmann in Berlin, versteht sich nicht als reinen Medien- und Urheberrechtler. Im Gewerblichen Rechtsschutz, Arbeitsrecht und Sportrecht ist er ebenso zu Hause. Und das schätzen seine Mandanten. »Wenn es in der Zeitung heißt, Herr Lauterbach habe seine Frau schon in der Hochzeitsnacht betrogen – ja, dann müssen Sie mit dem darüber sprechen.« „Das ist ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal unserer Kanzlei. Schauspieler sind Arbeitnehmer. Das ergänzt sich gut“, weiß Bergmann. Und er weiß auch: „Man muss auch seine Grenzen kennen.“ So gibt er zum Beispiel Strafsachen in die Hände eines sachverständigen Kollegen. 30 ADVOICE 02 /11 „Da muss man aber wissen, dass der andere Anwalt auch gut ist“, fügt er hinzu, denn eine schlechte Empfehlung könne genauso gut den Mandanten kosten. Türöffner sei oft das Presserecht. „Da kann man in relativ kurzer Zeit viel für den Mandanten durchsetzen, und der kommt dann oft auch mit anderen Fällen.“ Der Erfolg gibt ihm recht. In der Kanzlei in bester Lage am Berliner Ku’damm geben sich Promis die Klinke in die Hand. Mit Namen ist Bergmann zurückhaltend. Doch ein paar sind auf Grund der öffentlichen Berichterstattung bekannt: Gottschalk, Grönemeyer, di Lorenzo oder Lauterbach. Ein wenig ehrfürchtig wäre ich schon, wenn einer der vier mir gegenüber sitzen würde. So ganz richtig sei das aber nicht, so die Empfehlung des Experten in Sachen Prominenz. Vor Ehrfurcht zu erstarren sei ganz und gar falsch. „Wenn es in der Zeitung heißt, Herr Lauterbach habe seine Frau schon in der Hochzeitsnacht betrogen – ja, dann müssen Sie mit dem darüber sprechen.“ Foto: Andrea Vollmer Eine gewisse Natürlichkeit und der gute Draht zum Mandanten gehöre da dazu. Das Interesse am Mandanten, seinem Leben und schließlich seinen Problemen sei ganz wichtig. Oft ginge es „nur“ darum, einfach mal darüber zu reden. Da müsse nicht immer ein großes juristisches Problem dahinter stehen. „Meine Mandanten wissen, dass nicht immer gleich die Gebührenuhr tickt“, sagt Bergmann. »Und abends, wenn er mal fernsieht, „dann ist es häufig so, dass wir schon ahnen, welches Mandat uns am nächsten Morgen erreicht.“« Wie wichtig das Interesse am Leben des Mandanten ist, zeigt ein Blick ins Bücherregal. Kommentare, dicke Standardwerke – ganz klar. Und daneben: ein bunter Blätterwald. Illustrierte, Magazine, eben alles, worin etwas über die Mandanten der Kanzlei stehen könnte, das sind dann so an die 150 Zeitungen pro Woche. Bergmann denkt und berichtet über den Weg, der ihn dorthin geführt hat, wo er heute ist. Nein, hinten angestellt hat er sich nicht. Er hat sich was getraut, den Bogen dabei aber nicht überspannt. So führte ihn dieser Weg nach dem zweiten Staatsexamen ein halbes Jahr nach Paris und von dort ins Justiziariat der Deutschen Welle. „Ich wollte diese Verknüpfung Medien und Sport“, und genau die hatte er dort. Die weltweiten Senderechte für 40 Sekunden Boris Becker in Wimbledon zu bekommen – bezahlbar(!) zu bekommen. Nein, Scheu darf man da wirklich nicht haben als junger Berufseinsteiger. »Medien und Sport, das gehört zusammen.« „Medien und Sport, das gehört zusammen.“ Bergmann lebt diese Einstellung. Er bewarb sich bei den wenigen Kanzleien, die Sportrecht im Repertoire hatten, bekam aber eine Absage nach der anderen, da niemand der angesprochenen Kollegen Bedarf an einem weiteren Rechtsanwalt hatte. Als endlich ein Angebot kam, lehnte er wiederum ab. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) suchte einen Juristen. „Das war aber Frankfurt“, erinnert sich der gebürtige Berliner. Er wollte einfach nicht weg. Und dann bekam er es doch noch, DAS Berliner Angebot. Ein Eishockey-Verein suchte einen Justiziar mit Aussicht auf den Geschäftsführerposten. Falsche Bescheidenheit wäre hier fehl am Platz gewesen. „Ich wusste, es wird schwierig, aber es bringt mich weiter.“ Eine richtige „Initialzündung“ sei das gewesen und „eine extrem fruchtbare Zeit“, schließlich sitzen auf der Tribüne die VIPs. In der Zeit habe er die Scheu im Umgang mit Prominenten verloren, nicht den Respekt. Claudia Pechstein hat er dort kennengelernt, einer seiner späteren Mandantinnen. Sie fragte, ob sie mal zum Eishockey kommen dürfe. Klar durfte sie. Am Buffet kamen sie ins Gespräch. Die Chemie stimmte. Anderthalb Jahre später war ihm dann das Risiko als Geschäftsführer des Klubs doch zu groß. „Ich hatte schon unruhige Nächte. Keine Halle, die Finanzen – der Verantwortungsdruck ist nicht ohne.“ Bergmann ging zur Hertin Anwaltssozietät in Berlin, nicht aber, ohne Claudia Pechstein seine Visitenkarte zu geben. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das erst juristische Problem kam. Es ging um Werbeflächen auf Pechsteins Rennanzug. Die wollte allein der Verband vermarkten. Claudia Pechstein erinnerte sich an Bergmann und der sich an das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Schließlich gehört Claudia Pechsteins Körper Claudia Pechstein, und über den kann nicht einfach der Verband bestimmen. Es gab einen Vergleich und das wohl einzige Bündnis zwischen den ewigen Rivalinnen Claudia Pechstein und Anni Friesinger – gemeinsam gegen den Verband mit einer guten Einigung. »Schließlich gehört Claudia Pechsteins Körper Claudia Pechstein.« 2005 schließlich wagte Simon Bergmann den Weg in die Selbständigkeit. Gemeinsam mit Dr. Christian Schertz, mit dem er zusammen studierte, gründete er die eigene Kanzlei Schertz Bergmann und weiß: „Das war eine gute Entscheidung.“ Dass sein Kollege derjenige ist, der in der Öffentlichkeit steht, selbst schon mal auf einer Titelseite zu sehen ist, das ist ihm ganz recht. Er sei eher der zweite Mann, der ruhig im Hintergrund agiert. Wenn beide in der Öffentlichkeit stehen wollten, würde das nicht klappen. Man ergänze sich gut in den rechtlichen Kompetenzen. „Wir sitzen oft , so wie wir jetzt hier sitzen, und reden über die Fälle“, schätzt Bergmann die kurzen Wege der kleinen Kanzlei. Klein sieht er dabei als Vorteil: „Hier hat der Mandant nicht -zig Ansprechpartner. Es ist überschaubarer, und vor allem ist eine persönliche Bindung möglich. ‚Man dat annehmen, abrechnen und tschüss’ funktioniert nicht.“ Davon ist er überzeugt. RAin Anke Schiller-Mönch, Weimar Promis vor dem Kadi Kurz vor Andruck dieser AdVoice-Ausgabe fiel es, das Urteil im Prozess des populären Wettermoderators. Der Angeklagte Jörg Kachelmann durfte letztlich als freier Mann das Gerichtsgebäude verlassen. Es war nicht nur ein heftiger juristischer Schlagabtausch zwischen den Organen der Rechtspflege. Es war vor allen Dingen eine Medienschlacht um Meinungsmache und Meinungslenkung. So war es wenig verwunderlich, dass Anklage und Verteidigung die Massenmedien gezielt mit Informationen versorgten, in der Hoffnung, mit einem großen Medieninteresse der Wahrheit in öffentlicher Art und Weise auf die Spur zu kommen. Wenn Personen der Zeitgeschichte derart betroffen sind, schlägt die Stunde der „Promiund „Medienanwälte“. Rechtsanwalt Ralf Höcker (40) aus Köln, der unter anderem das Topmodel Heidi Klum betreut, gehört zum Expertenteam um Kachelmann. Er war und ist verantwortlich für den medienrechtlichen Informationsfluss, versorgt Pressevertreter und droht im Zweifel mit einstweiliger Ver fügung, wenn durch die Berichterstattung das Image seines berühmten Mandanten beschädigt werden könnte. Hierbei geht es um den Schutz der Privatsphäre, die Prominente ohnehin nur sehr eingeschränkt genießen können. Aufgrund eines erheblichen Öffentlichkeitsinteresses, gerade wenn Stars oder Sternchen vor dem Kadi stehen, erscheint es nur als fair, wenn Medienanwälte wie Höcker zusätzlich an der Seite der bekannten Angeklagten stehen. RA Patrick Ruppert, Köln § ADVOICE 02 /11 31 Magazin Magazin A: Warum soll in der Gastronomie nicht mehr geraucht werden? S: Wegen der großen Gesundheitsgefahr, die vom Passivrauchen ausgeht. In Deutschland sterben jährlich über 3.300 Menschen an den Folgen des Passivrauchens. Pro Nichtraucherschutz Ärzte fordern absolutes Rauchverbot 2006/2007 begann der Versuch, die Bevölkerung in Deutschland mit Gesetzesnovellen vor dem Rauchen zu schützen. Nur Verbote alleine genügen allerdings nicht, denn ohne Kontrollen verpufft die abschreckende Wirkung von Bußgeldern. Fehlt es an einem Konsens über den Nichtraucherschutz? Interessiert das Rauchverbot keinen? Rauchen ist laut Weltgesundheitsorganisation die wichtigste vermeidbare Einzelursache von Krankheit und Tod. In Folge des Rauchens sterben in Deutschland jährlich ca. 140.000 Menschen. Johannes Spatz, 68, Arzt und ehemaliger Gesundheitsstadtrat, ist Berlins bekanntester Kämpfer für den Nichtraucherschutz. Für ihn sind die Ausnahmen des Rauchverbots im Nichtraucherschutzgesetz die Regel. Er hält das Gesetz nur für ein Alibi, von dem kein ernstzunehmender Gesundheitsschutz ausgeht. Er will Zigaretten endgültig aus Berlins Gas- Johannes Spatz fordert das absolute Rauchverbot auch für Berlin. tronomie verbannen: Die Volksinitiative „Frische Luft für Berlin“, deren Sprecher Spatz ist, setzt sich für einen konsequenten Nichtraucherschutz in der Gastronomie ein, von dem nicht nur Gäste, sondern vor allem auch Angestellte profitieren. Darüber hinaus fordert sie eine Verbesserung des Nichtraucherschutzes in Gesundheitseinrichtungen und ein Rauchverbot auf Kinderspielplätzen. Kurz nach der Einführung des sogenannten Nichtraucherschutzgesetzes Berlin vom 14. Mai 2009 war Johannes Spatz in Berlins Kneipen unterwegs: Von 27 Gaststätten in der Simon-Dach-Straße im Szene-Bezirk Friedrichshain hielten sich zwölf nicht an die Vorschriften. Er stellte die Vergehen in einer Liste zusammen und meldete diese dem Bezirk. Den Lokalbetreibern drohten Geldstrafen zwischen 200 und 1000 Euro. Insgesamt wurden 98 Gaststätten, 27 Internetcafés und 44 Spielhallen besucht. In mehr als der Hälfte der Lokalitäten wurde geraucht. Dabei hielten sich auch Kinder/Jugendliche dort auf. Foto: Andrea Vollmer Regina Kneiding, Sprecherin der Senatsverwaltung, merkt zu diesem Ergebnis an: „Generell gab es noch nie so viel Nichtraucherschutz wie jetzt in Berlin.“ An den Wochenenden seien Mitarbeiter des Ordnungsschutzes seit Frühjahr 2010 nicht mehr nur bis 22 Uhr, sondern bis 24 Uhr unterwegs, um Gaststätten zu kontrollieren. In der Zeit danach kann auch die Polizei Kontrollen vornehmen. 3.325 Kontrollen wurden 2010 durchgeführt, wie aus der Beantwortung einer kleinen Anfrage von November 2010 im Abgeordnetenhaus hervorgeht. Davon wurde mit 1.540 fast die Hälfte in FriedrichshainKreuzberg durchgeführt, einem von insgesamt zwölf Berliner Bezirken. Die eingenommenen Bußgelder Berlins stiegen jedenfalls von 2008 bis 2010 von rund 28.500 Euro (Juli bis Dezember 2008) auf zuletzt fast 123.000 Euro (Januar bis November 2010) an. Rein rechnerisch ergibt sich somit ein Bußgeld in Höhe von 36,99 Euro je Kontrolle. Johannes Spatz fordert das absolute Rauchverbot, wie es in Bayern besteht und jetzt im Saarland durch den Verfassungsgerichtshof Saarbrücken – Urteil vom 28.3.2011, Az. Lv 3/10, Lv 4/10 und Lv 6/10) – bestätigt wurde, auch für Berlin. Ziel ist ein Nichtraucherschutzgesetz ohne Ausnahmen für die Gastronomie – egal ob es sich um Bars, Cafés oder Restaurants handelt. Am 14. April 2011 wurden dazu 27.000 Unterschriften zusammen mit dem Antrag auf Behandlung der Volksinitiative „Frische Luft für Berlin“ dem Präsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses übergeben. Die AdVoice sprach mit Johannes Spatz über Hoffnungen und Erwartungen. A: Welche politischen Aktivitäten erhoffen Sie sich von dieser Aktion? S: Optimal würde es laufen, wenn ein interfraktioneller Antrag von allen Parteien befürwortet würde, in dem eine rauchfreie Gastronomie ohne Ausnahme, eine Verschärfung des Nichtraucherschutzes in Krankenhäusern und ein Rauchverbot auf Kinderspielplätzen stehen würden. A: Kann ein absolutes Rauchverbot eher akzeptiert werden als eine Regelung mit zahlreichen Ausnahmen? S: Die Ausnahmen führen dazu, dass in der Mehrzahl von Gaststätten, Bars und Diskotheken so wie in Internetcafés und Spielhallen geraucht wird. Verschärfend kommt hinzu, dass die vielen Ausnahmen das Gesetz unkontrollierbar machen. Auch haben wir den Eindruck, dass das Nichtraucherschutzgesetz nach 22 Uhr nahezu vollkommen außer Kraft gesetzt ist. 32 ADVOICE 02 /11 Juristische Gemengelage wichtiger Grundrechte „Das durch Art. 2 II 2 Grundgesetz (GG) gesicherte Interesse am Gesundheitsschutz kann in Konflikt treten mit der von Art. 2 I GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit der Raucher und den nach Maßgabe des Art. 12 I GG geschützten Interessen der Tabak industrie sowie der Gastwirte. Zwischen diesen muss und kann ein verhältnismäßiger Aus gleich gefunden werden. [Quelle: Rossi, Matthias/Lenski, Sophie-Charlotte: Föderale Regelungsbefugnisse für öffentliche Rauchverbote, in: Neue Juristische Wochenschrift 37/2006, S. 2657-2661, 2661] A: Wie sollen denn die Bezirke die Überwachung rauchfreier Zonen auf Spielplätzen sicherstellen? S: Zunächst müsste in dem neuen Nichtraucherschutzgesetz ein klares Rauchverbot auf Kinderspielplätzen verankert werden. Der nächste Schritt wäre, diese Regelung auf den Spielplätzen auszuschildern. Erst an letzter Stelle steht eine gelegentliche Kontrolle durch das Ordnungsamt. A: Wo sollte man rauchen dürfen? Dort wo eine andere Person nicht mitrauchen muss. FCTC-Tabakrahmenübereinkommen A: Wer sollte Zigaretten vertreiben dürfen? S: Tabak enthält mehr als 70 Substanzen, die Krebs erzeugen können. Die Liste der Krankheiten, die vom Rauchen verursacht bzw. verstärkt werden, ist endlos. Auch das Suchtpotential von Nikotin ist sehr hoch und mit dem des Heroins gleichzusetzen. Daher wäre es gut, Tabakprodukte in Apotheken zu verkaufen. A: Welche Sanktionen halten Sie für angemessen, um den Nichtraucherschutz umzusetzen? S: Auf jeden Fall sollte man die bisherige Praxis ändern, durchschnittlich nur 200 Euro zu verlangen, wenn ein Wirt wegen des Rauchens in seiner Gast stätte belangt wird. Auch sollte jeder Bezirk in gleicher Weise vorgehen. Die Unterschiede der Praxis in der Bußgeldvergabe sind nicht durch unterschiedliches Verhalten der Wirte, sondern durch das der Kontrollbehörden zu erklären. A: Nichtraucherschutz ist derzeit im Landesrecht zu regeln. Sehen Sie ein bundeseinheitliches Regelungsbedürfnis? S: Natürlich sollten wir eine bundesweite Regelung haben. Es kann nicht von der länderspezifischen Situation abgeleitet werden, warum wir verschiedene Regelungen haben. Es wäre ein Leichtes, auf Bundesebene § 5 Abs. 2 Arbeitsstättenverordnung zu streichen, der das Rauchen in Gaststätten ermöglicht. A: Warum gibt es im Gegensatz zu fast allen europäischen Ländern in Deutschland so große Defizite bei der Tabakkontrolle?* S: Deutschland ist die Hochburg der Tabaklobby in Europa. Hier wurde seit über 30 Jahren ein dichtes Beziehungsgeflecht zwischen Tabakindustrie, Regierung und Politik entwickelt. Dabei spielten konzertierte Kampagnen eine große Rolle, in denen Wissenschaftler und Ärzte die Interessen der Tabakindustrie vertreten und einzelne Politiker eingespannt werden. Das Gespräch führte RA Volker Loeschner, Berlin Das Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (Framework Convention on Tobacco Control – FCTC) der Weltgesundheitsorganisation ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der bisher von über 160 Staaten ratifiziert wurde. Deutschland erkannte den Vertrag mit dem Gesetz zur Umsetzung des Rahmenübereinkommens vom 19. November 2004 an und hat sich damit verpflichtet, das Rahmenübereinkommen umzusetzen. Ziel des Rahmenübereinkommens ist es, „heutige und zukünftige Generationen vor den verheerenden gesundheitlichen, sozialen und die Umwelt betreffenden Folgen des Tabakkonsums und des Passivrauchens zu schützen.“ In den Leitlinien zu den einzelnen Artikeln des Übereinkommens gibt die Weltgesundheitsorganisation Empfehlungen zur Umsetzung des Rahmenübereinkommens. Artikel 8 des Tabakrahmenübereinkommens der Weltgesundheitsorganisation Schutz vor Passivrauchen (1) Die Vertragsparteien erkennen an, dass wissenschaftliche Untersuchungen eindeutig bewiesen haben, dass Passivrauchen Tod, Krankheit und Invalidität verursacht. (2) Jede Vertragspartei beschließt in Bereichen bestehender innerstaatlicher Zuständigkeit nach innerstaatlichem Recht wirksame gesetzgeberische, vollziehende, administrative und/ oder sonstige Maßnahmen zum Schutz vor Passivrauchen am Arbeitsplatz in geschlossenen Räumen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, an geschlossenen öffentlichen Orten und gegebenenfalls an sonstigen öffentlichen Orten, führt solche Maßnahmen durch und setzt sich auf anderen Zuständigkeitsebenen aktiv für die Annahme und Durchführung solcher Maßnahmen ein. Der Tabakkonsum Jugendlicher und junger Erwachsener sinkt in 2010 Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat im Februar 2011 die aktuellen Zahlen des Tabakkonsums Jugendlicher und junger Erwachsener aus 2010 in Deutschland veröffentlicht. Die Zahl der rauchenden Jugendlichen in Deutschland geht zurück. Nur noch 13 % der Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren greifen zur Zigarette, 1979 waren es noch 30,2 %. Gegenüber dem letzten Höchstwert im Jahr 2001 hat sich der Anteil rauchender Jugendlicher innerhalb von neun Jahren mehr als halbiert. Von den jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren rauchen gegenwärtig 38,2 %. In allen Altersgruppen gibt es mehr Raucher als Raucherinnen. Die Raucherquote bei 22- bis 25-jährigen Männern beträgt 42 %; dem stehen in der entsprechenden Altersgruppe 40,7 % Raucherinnen gegenüber. 2004 waren 44,8 % der Männer in dieser Gruppe Raucher, bei den Frauen ergab sich 2008 ein Wert von 43,8 %. Diese positiven Veränderungen gehen einher mit strukturellen und verhaltenspräventiven Maßnahmen zur Förderung des Nichtrauchens, die in Deutschland in den letzten Jahren verstärkt umgesetzt wurden. Strukturelle Maßnahmen zielen dabei auf eine Veränderung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Rauchens. Sie umfassen z. B. Tabaksteuererhöhungen, die Erschwerung des Zugangs zu Zigarettenautomaten für Jugendliche, Einschränkungen der Werbung für Tabakprodukte, Rauchverbote in öffentlichen Räumen, darunter Gaststätten und insbesondere auch Schulen sowie das Abgabeverbot von Tabakwaren an Jugendliche unter 18 Jahren. ADVOICE 02 /11 33 Magazin Magazin Pro Raucherschutz „Rauch und Sprache“ – Auszug aus „Gebratene Störche“ von Toni Mahoni Nicht mal die Italiener, diese so freien, selbstbestimmten Angeber, haben protestiert! Von heut auf morgen: Espresso ohne Kippe! Kein Problem! Ich steckte mir noch eine an. Rauche ich eben zwei auf einmal. Könnse mir mal, die Herren da oben. Ich stellte eine neue Pfanne auf den Herd. Speck auslassen, zwei Eier drüber, Schrippe, Kaffee – Frühstück. Man muss etwas unternehmen, dachte ich mir. Was für eine Schande, wenn wir diesen Nichtraucherquatsch auch einfach so sang- und klanglos über uns ergehen lassen! Es muss doch schon irgendwo eine Protestgemeinschaft geben! Demonstrationen, Anschläge müssen vorbereitet werden! Ich war stinksauer. Ich musste handeln! Im Netz fand ich, wo auch immer ich suchte, nur das Geseire von Nichtrauchern. Nichtraucherschutz hier, Suchtberatung da, nix weiter. Keine freche Raucherseite, die allen mal in den Hintern tritt. Nix. Nur Gesülze. Ich setzte mich an den Küchentisch und entwarf ein Flugblatt. Darauf ein Herz, statt eines Pfeils durchbohrt von einer brennenden Kippe. Ein Kreis drum herum mit: I love Zigarette. Ab zum Kopierladen, 500 Kopien ziehen. Ich kaufte noch Klebeband und fing sofort an, durch die Cafés zu ziehen. Die meisten öffneten gerade. Ich fragte gar nicht erst, ob ich was kleben dürfe. In jeweils beiden Klos brachte ich die A4große Liebesbotschaft an. Eine sinnvolle Art, den Tag zu nutzen. Früher hatte ich viel rumgehangen und Kunst mit Sinnlosigkeit verwechselt, heute verwechselte ich lieber Tatendrang damit. Der Berliner Toni Mahoni ist nie ohne Zigarette und Kaffee anzutreffen und fordert, dass sich Nichtraucher doch ihre eigenen Kneipen bauen sollen. Ich schnitt mir zarte Scheibchen ab und legte sie in die warme Pfanne. Gerade wurde das Fett glasig und begann, ausgelassen zu brutzeln, da bimmelte das Telefon. Bimmel-Bimmel. Ach! Sehnsüchtig sah ich noch ein paar Sekunden das herrliche Schauspiel an, dann schlurfte ich zum Apparat. »Mahoni hier, wat jibs?«, fragte ich nur halb freundlich. »Dpa, Frau Sowiesomöller hier, Deutsche Presse Agentur, hallo Herr Mahoni, haben Sie zwei Minuten Zeit? Wir wollen von Ihnen ein Statement zur Gesundheitsministerkonferenz, Thema Nichtraucherschutz. In deutschen Gaststätten herrscht mittlerweile ein striktes Rauchverbot, außerhalb Berlins ist es auch in Kneipen nicht mehr möglich zu rauchen, was halten Sie davon?« (...) 34 ADVOICE 02 /11 Ich sagte zu Frau Dingsmöller: »Nüscht halt ick davon. Ick will roochn inna Kneipe und mir nich irgendwelche Sauberlungen ankieken. Gaststätte is mir ejal! Kneipe is schlimm! Wat denken denn diese Hirnis, wozu ’ne Kneipe da is? Is doch keen Krankenhaus. ’ne Kneipe is zum Saufen, Rumsauen, zum Fressen und zum Qualmen da! So sieht dit doch ma aus!« Ein bisschen wütend wurde ich schon. Ich hatte bisher extra alle Artikel zum Thema gemieden, weil sich mein Blutdruck sofort verdoppelte, wenn ich die empörten Gesichter irgendwelcher Weicheimuttis gesehen hatte, die mir vorschreiben wollten, was ich in einer Kneipe mache und was nicht. »Nichtraucher sollen sich ihre eigenen Kneipen bauen!«, sagte ich noch und: »Wenn Se dit wirklich Foto: T. Mahoni durchbekommen, dann jibtit richtee Ärger! Aba richtee! Und zwar nich mit pipapo Nichtrauchermethoden, nich mit Anwalt Demokratiejelaber! Denn jibtit ma ’n paar vorn Latz, jibtit dann, könnse jerne schreiben!« Ich atmete durch. Die konnte ja nichts dafür, die Frau Dingsmöller. Aber trotzdem. Der Speck roch verbrannt. Sofort schmiss ich das Telefon weg und machte mich verärgert daran, die Pfanne zu schrubben. Erst mal eine rauchen. Dass es mal so weit kommen würde! In der Kneipe nicht rauchen. Als das in Irland losging, dachte ich schon, da würde gleich ein Bürgerkrieg losbrechen, aber nichts! Gar nichts! Die Iren saufen jetzt, ohne zu rauchen, und alle sagen, sie finden es gar nicht schlecht. Zum Heulen. Jetzt wird zurückdiskriminiert. Ich verklebte alle Zettel in Friedrichshain City, auch auf dem Klo vom Nichtraucher-Biorestaurant. Wieder zu Hause, war es bereits Nachmittag geworden, Peggy fragte mich nach meinem Befinden. »Jut, jut! Ick war gerade in allen Kneipen Friedrichshains. Raucherschutz betreiben.« Peggy raspelte eine Möhre. »Haste Rauchbomben geworfen?« Peggy war gleich wieder herrlich pragmatisch. »Nee, nur Zettel verklebt uff den Klos.« Ich zeigte ihr mein Zigarettenherz. »Ach, Toni, das ist doch albern! Was willst du denn damit bewegen?« Peggy schüttelte ihr Haupt. »Nix will ick bewegen. Ick mach mir Luft. Ick ärger die Nichtraucher!«, sagte ich und ärgerte mich über Peggy, die Nichtraucherin. »Na ja, mir isses wurst.« Peggy drückte eine Zitrone über den Möhrenraspeln aus und kostete. »Mit meinem Vater sollteste dich zusammensetzen. Da könnt ihr schön über Nichtraucher herziehn und euch dabei die Lungen teeren!« (...) Am nächsten Morgen klingelte das Telefon Sturm und zwang mich aus dem Bett. »Mahoni«, murmelte ich und sah mich als zerknittertes Wrack im Spiegel. »Maschke hier! Herr Mahoni, ich gratuliere Ihnen zu dem gelungenen Interview im Tagesspiegel! Erfrischende Ansichten geben Sie zum Besten! Vielleicht ist es mal an der Zeit, dass Sie uns besuchen kommen! Sagen wir etwa heut am Abend. Bringen Sie meine Tochter mit und dann können wir uns beide einmal gepflegt unterhalten! Was denken Sie?« »Ja«, sagte ich nur. »Gut, dann erwarte ich euch gegen acht zum Abendbrot. Einen guten Tag!« »Tschüs!« (...) Ich verließ die Wohnung, um Besorgungen zu machen, und kaufte mir den Tagesspiegel. Berlinteil Überschrift: »Mahoni: Kneipen sind zum Rumsauen da!« Na super! Es war natürlich ein verdammter Nichtraucherartikel und Mahoni war das dumme, uneinsichtige Raucherschwein. Dennoch, meine Meinung stand klar und deutlich in der Zeitung, »Nichtraucher sollen sich ihre eigenen Kneipen bauen!« Super Arbeit! Dass ein Haufen Kinder raucht, dass ein Haufen Lungen schwarz ist und dass die Regierung einen Haufen Kohle für Krebsbehandlungen ausgeben musste, stand ebenfalls drin. Aber das war nichts Neues. Neu war die militante Sprache der Raucher. Jetzt qualmt’s! (...) Hab jeroocht und hab jeredet Wat ooch is, ick komm und seh dit Schreib it uff und tret it breiter Mach viel Qualm um jar nüscht weiter »Nö, ick bleib beim Bier, danke!« »Gut. Die Frauen mögen sich nicht verstoßen fühlen und sind jederzeit im Kabuff willkommen!«, rief er Peggy und ihrer Mutter zu. Damit gingen wir durch den langen Flur, der von oben bis unten mit Literatur vollgestopft war, ins Rauchzimmer. Es war ein Traum von einem Zimmer. Und es schien tatsächlich ausschließlich dieser einen, wunderbaren Beschäftigung zu dienen: Rauchen. Herzstück war natürlich der Rauchertisch, ein flaches, quadratisches Tischlein aus edlem Holz, ein Schachbrett eingelassen und eine Glasplatte darüber. Darauf der große Kristallaschenbecher. Um den Tisch standen zwei einladende Klubsessel aus weichem Leder, in denen wir sogleich Platz nahmen. Ein Bücherregal zeigte uns die schönen Rücken seiner leinengebundenen Bewohner. »Etwas Musik«, sprach Herr Maschke und knipste mit einer Fernbedienung den Klassiksender an. Hinter ihm an der Wand prangte ein Pfeifenregal, mit unzähligen Piepen bestückt. Darunter, auf einem Wandtisch, zwei große Messingschalen, auf denen weitere Pfeifen in einem wilden Haufen lagen. Herr Maschke griff sich daraus gezielt einige Stücke heraus und wählte sich dann zwei bestimmte. Er legte sie vor sich auf den Tisch und begann damit, sie zu säubern. »Das sind die Pfeifen, denen ich derzeit den Vorzug gebe«, sagte er mit einer Kopfbewegung gegen die Messingschalen. (...) »Auf die Rehabilitation des Genusses, Herr Mahoni!« Wir stießen an, mit Wein und Bier, mit Pfeife und Kippe. Ein feiner Moment. Ich nutzte ihn, um ihn noch zu verfeinern: »Bitte nennen Sie mich doch jetzt einfach Toni. Oder Mahoni ohne Herr. Dit irritiert mich voll.« Herr Maschke nickte. Er trug ein dunkles, weinrotes Hemd mit schwarzer Krawatte, seine Brille hatte er auf den Kopf geschoben, ein Finger tippte auf die Sessellehne zum Takt der Musik. »Also Toni. Der Etikette halber müsstest du mich jedoch noch ein Weilchen siezen, junger Mann. Der Ältere bietet dem Jüngeren das Du an – das ist die Regel. Aber wir können ganz feierlich schon mal das Doktor und das Professor ablegen, dann ist uns beiden geholfen. Nicht wahr?« »Ja. Herr Maschke, so machen wir dit!« »Wie kam es denn zu diesem Interview im Tagesspiegel? Ich las, dass die Meldung von der dpa stammte.« Herr Maschke saß zurückgelehnt im Sessel und hatte nun augenscheinlich unser Gespräch eröffnet. »Ja. dpa hatte anjerufen und mich ausgequetscht. Ick hab immer mal so Filmchen jemacht und ins Internet jestellt, da is quasi nix weiter zu sehen als mein Gesicht und wat ick denn so erzähle. Dabei hab ick natürlich immer jeroocht, weil ick sowieso immer rooche und denn ham se mich quasi als Hardcoreraucher hingestellt. Denn hab ick noch so ’n Lied jemacht, dit lief ooch ab und an im Radio, dit heißt Zigarette und handelt ooch davon. So war dit allet!« »Aha!« Herr Maschke nickte. »Dem entnehme ich, dass du dich viel in der sogenannten Öffentlichkeit bewegst?« »Na ja. Mal so, mal so. Nich dass ick ’ne Sendung habe oder wat. Nur so sporadisch eben.« Ich trank ein Schlückchen und fühlte mich irgendwie nicht recht verstanden. Offensichtlich kamen aus meinem Mund nur zerhackte Fetzen, während sich mein Gegenüber gewählt und exakt ausdrückte. Da Herr Maschke jedoch keinerlei Anstalten machte, mich zu verbessern, oder gar nachzufragen, schien das erst einmal in Ordnung zu gehen. »Weißt du, normalerweise lehne ich die ganze Diskussion über das Rauchen schlichtweg ab, da sie – so wie sie momentan geführt wird – natürlich alle möglichen Argumente für die Seite der Nichtraucher rekrutiert. Es ist ja ein regelrechter Fitness- und Gesundheitswahn ausgebrochen, der medial zu einem sich selbst versorgenden System aufgeblasen wurde. Eine Maschine, die immer neue Feindbilder schafft und endlos weiterwächst.« Ich nickte ein paarmal, ob der schlauen Worte, und drehte mir lauschend eine neue Zigarette. »Dass das Rauchen nicht die Gesundheit fördert, ist seit je her bekannt, ebenso wie man weiß, dass ein gesundes Leben in der Regel Krankheiten vorbeugt. An den Argumenten hat sich seit Jahrzehnten nicht das Geringste verändert, also muss sich der Umgang mit diesen Argumenten verändert haben. > ADVOICE 02 /11 35 Magazin Mir ist in dieser Diskussion zu wenig Platz für die wesentlichen Schlagworte, die das Rauchen überhaupt erst zu einer sinnvollen Handlung machen und nicht zu einer vermeintlichen Sucht. Und hierbei spreche ich von den drei wichtigen Werten: Hochgenuss, Tradition und Selbstbestimmung!« Herr Maschke zog mit seiner Pfeife exakte Linien durch die Luft. Danach musste er erst mal neu anfeuern. Er paffte und ließ ein paar hübsche Wölkchen aufsteigen. Mein Kopf war angenehm leer angesichts der guten und richtigen Worte. Herr Maschke räusperte. »Und nun hat dein Artikel einen wirklich interessanten und neuen Aspekt eingebracht, wobei es, nebenher gesagt, absolut egal ist, dass es sich um einen raucherfeindlichen Bericht handelt. Es geht um die Vorstellung, dass Kneipen ausschließlich von Rauchern erbaut und betrieben wurden und dass nun mit dem Gesetz quasi eine Enteignung stattfindet. Und Enteignung bedeutet Bevormundung, Zwang und Beschneidung der Freiheit! Nun ist ja nicht das Argument an sich das Überzeugende, da sich in Wahrheit natürlich Raucher wie Nichtraucher vom Wirt angezogen fühlen. Das Schwerwiegende an der Aussage ist der Witz. Magazin Es ist einfach ein guter Witz. Er macht sich über beide Parteien scheinbar gleichermaßen lustig, hinterlässt jedoch Sympathie für die Raucher und wirft ein schales Licht auf die Nichtraucher. Zur Folge hat das, dass der Artikel, egal welche Lesart man ansetzt, ein Erfolg für die Freiheit des Rauchgenusses ist, und zwar in massenwirksamer Weise.« »Jenau!«, rief ich, fasziniert, was man in meinen kleinen Wutausbruch am Telefon alles hineininterpretieren konnte. »Weiterhin schleicht sich die Vorstellung ein, Nicht raucher seien außerstande, sich selber Kneipen zu bauen. Man sieht vor dem inneren Auge unbeholfene Leute auf einer riesigen Baustelle verzweifeln. Mütter mit Kinderwagen, Büroangestellte und Akademiker versuchen, einen Balken aufzurichten. Ein lustiges Bild. Demgegenüber erkennt man, dass die rauchende Fraktion regelrecht gebraucht wird. Handwerker und Bauarbeiter, flink und rauchend, springen ein und errichten das Haus. Die Folge ist eine Kompetenzverschiebung zugunsten der Raucher. Also alles in allem ein kleines Meisterwerk, dieses Interview!« Herr Maschke richtete sich lächelnd auf und klopfte seine Pfeife aus. »Das Faszinierende ist natürlich, dass diese Aussage von dir stammt. Ich gehe einmal davon aus, dass du diese kleine Suggestivfolge nicht konstruiert hast. Angenommen also, es ist ein instinktiv suggestivstarkes Stück, dann herzlichen Glückwunsch, dann hast du gute Instinkte, junger Mann!« } Roman „Gebratene Störche“ von Toni Mahoni, erschienen im Galinai Verlag Berlin www.davforum.de Die Stimme junger Anwälte Das FORUM bietet allen m/w Referendaren, Assessoren und Anwälten bis 40 Jahren • Interessenvertretung • Mailingliste • Vergünstigungen • Stammtische • Erfahrungsaustausch Mitgliedsbeiträge € 50,– / 25,– p.a. Informationen zur Mitgliedschaft: www.davforum.de Der Aldi unter den Anwälten Rechtsberatung in der Dumpingspirale Junge Kolleginnen und Kollegen machen sich vor dem Start in die Selbständigkeit darüber nicht immer vertiefte Gedanken: die Konkurrenz. Die Flut der auf den Markt drängenden Juristen ist so groß, dass der erkennbare Verdrängungswettbewerb längst in Niederungen der Discountdienstleistungen abgerutscht ist. Vorbei sind die Goldgräberzeiten, in denen es lediglich ausreichte, ein Schild an die Tür zu nageln, man sei niedergelassener Rechtsanwalt. Jeder junge Anwalt sollte sich bei der Gründung des eigenen Büros im Klaren darüber sein, dass es reichlich Mitbewerber gibt. Mitunter fallen einige Berufsträger in Sachen Dumpingspirale auf, indem sie Mitstreiter und die verantwortlichen Rechtsanwaltskammern durch ihr Werben auf den Plan rufen. Nicht alles, was zu gefallen scheint, ist berufsrechtlich erlaubt, ist wettbewerbsrechtlich lauter. Zwar gilt auch mit der Öffnung des Rechtsberatungsmarktes eine fortschreitende Liberalisierung, hiermit einhergehend auch die Öffnung der starren an das RVG gekoppelten Honorare. Doch die Grenze, so gebietet es das Standesrecht, ist dann überschrit ten, wenn die Bewerbung der „Günstig-Kanzlei“ das Sachlichkeitsgebot des § 43 BRAO übersteigt. Das bekannteste Beispiel aus der jüngeren Geschichte lieferte Rechtsanwalt Dr. Welf Haeger mit seinem Internetportal „Anwaltsdiscounter.de“. Er bewarb seine Rechtsberatung unter einem „Einheitspreis“ von 36 Euro pro Stunde. Die Rechtsanwaltskammer in Hamm schaltete sich daraufhin ein und leitete unter dem 11.8.2010 gegen Haeger ein aufsichtsrechtliches Verfahren ein, weil dieser mit der Gestal tung seiner Internetseite und seiner Preisangabe den irreführenden Eindruck erwecke, die Anwaltsgebühren lägen zur freien Disposition. Inzwischen, so ließ Haeger selbst auf seiner Homepage vermelden, hatte der Vorstand der Kammer ihm die Zulassung widerrufen – der Grund jedoch: Vermögensverfall. Haeger, der im Privatfernsehen eher zu zweifelhaftem Ruhm u. a. in „Das Supertalent“ kam, steht nicht allein mit seiner Idee der Verbilligung von Anwaltsdienstleistung. Prominenteste Vertreter sind inzwischen diverse Telefonhotlines, die zum Teil mit regelrechten Kampfpreisen um die Gunst potentieller Mandanten buhlen. Unter „beratungsflat.de“ soll es die „günstige Alternative zum Anwaltsbesuch für nur 4,58 Euro“ geben. „frag-einen-anwalt.de“ wirbt mit einem Durchschnittspreis von 35 Euro und „Antworten in unter einer Stunde“. „office-24-7.pblo.de“ schließlich verspricht ab einer Grundgebühr pro Monat von 9,95 Euro mit dem „Basic“-Tarif kleinen Büros, Selbständigen und Existenzgründern Rechtsberatung rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Dass bei vielen dieser Angebote noch weitere Kosten wie Minutengebühren und Extraauslagen pro Anruf hinzutreten, wird selten auf den ersten Blick deutlich. Ausgeklügelte Preissysteme, vergleichbar mit Handytarifen machen die Übersichtlichkeit für Mandanten schwierig. Mit den ursprünglichen Vorstellungen des RVG hat dies nichts zu tun. So manch einem mag das Nackenhaar zu Berge stehen bei einem Blick auf die entsprechenden Homepages, die mit hübschen Blondinen im Call-Center-Look Vertrauen suggerieren wollen. Wo bleibt dort die seriöse Individualberatung, die auch ihren Wert trägt und bewusst auf vordergründiges Anlocken über den Preis verzichtet? Zerstören gar Discounter und Beratungshotlines die freie Advokatur? Dass „billig-billig“ kein Garant für einträgliche Geschäfte ist, musste die Discountkette Juraxx erleben. Rechtsanwalt Eugen Boss startete 2003 die Idee, ein breites Günstig-Filialnetz von Kanzleien über die Bundesrepublik zu spinnen. Für bereits ab zehn Euro konnten Ratsuchende seinerzeit etwa in Berlin, Köln, Lübeck, Frankfurt am Main, München und Würzburg rasche Antworten auf ihre Rechtsfragen erhalten – Beratung im Schnellimbissverfahren. In den 34 Büros arbeiteten insgesamt 150 Junganwälte als Partner, die dem Gründer zunächst ein Darlehen in Höhe von 50.000 Euro gewähren mussten. Das erschien den Berufsanfängern zukunftsträchtiger, als ein eigenes Büro zu eröffnen. Dass die Geschäftsidee wegen zu unterschiedlicher Vorstellungen der Sozien, den zu schwankenden Einnahmen an den Standorten, aber auch wegen erheblicher Vorwürfe, die die Qualität der Beratung betrafen, nicht tragfähig war, ahnten viele der jungen Partneranwälte zunächst nicht. 2007 war der Traum der Billigkette mit ihrer Insolvenz jedoch ausgeträumt. Zu der Zeit war es ein Novum, dass eine überörtliche Sozietät insolvent wurde. Die einstigen Partner dürften in dem noch nicht abgeschlossenen Verfahren wohl nicht mehr ihre fünfstellige Einlage zurückbekommen. Beim Blitzstart als Sozius fehlt naturgemäß der realistische Blick auf die Kostenseite einer Partnerschaft. Was den Preis für Dienstleistungen betrifft, sollte stets daran gedacht werden, dass ein zementierter Ruf als „Billigheimer“ stets nachteilig ist. Auch Mandanten wissen Kompetenz zu schätzen und lassen sich das auch etwas kosten. Wer versucht, Kolleginnen und Kollegen deutlich und werbewirksam zu unterbieten, der zieht nicht nur den Ärger der Konkurrenz auf sich, der riskiert unter Umständen auch ein Kammerverfahren, wie das Beispiel von Dr. Haeger zeigt. Wer in Sorge vor drohender Beschäftigungslosigkeit für Versicherungen und Internethotlines Telefonberatung als Selbständiger macht, sollte stets im Hinterkopf behalten, dass außerhalb dieser Systeme andere Preise zu anderen Beratungskonditionen abgefragt werden bzw. müssen. Wer das in seine Entscheidungen aufnimmt, wird weder sich noch den Konkurrenten das Wasser abgraben. RA Patrick Ruppert, Köln Billig – kein Garant für Geschäfte. Foto: Gabi Schoenemann Welche Lehren sind hieraus zu ziehen? Zunächst hilft nach dem zweiten Staatsexamen sich die grundsätzliche Frage zu stellen, ob eine Anstellung oder die Selbstständigkeit in Betracht kommt. Bei der Selbständigkeit sollte nicht voreilig Geld in eine vermeintlich verlockende Partnerschaft investiert werden. Erst einige Jahre Berufserfahrung helfen, Verdienstentwicklungen besser abzuschätzen. Kontakt: info@davforum.de | 030 / 72 6152-0 Starthilfe | Fortbildungen | Netzwerk ADVOICE 02 /11 37 Magazin Magazin Der „Gläserne Patient“ Elektronische Gesundheitskarte – Schweigepflichtentbindung statt Datenschutz? Im derzeit größten technischen Infrastrukturprojekt in Deutschland werden 80 Millionen gesetzlich und privat Versicherte ab Oktober 2011 nach und nach mit der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) ausgestattet. Der Bund hat am 1.1.2011 die Krankenkassen per Gesetz zur Einführung „verdonnert“. Im Gesetzestext des GKV-Finanzierungsgesetzes heißt es: „Bei Krankenkassen, die bis zum 31.12.2011 nicht an mindestens zehn Prozent ihrer Versicherten elektronisch Gesundheitskarten nach § 291 a SGB V ausgegeben haben, reduzieren sich abweichend von Absatz 4 Satz 2 die Verwaltungsausgaben im Jahr 2012 gegenüber dem Jahr 2010 um zwei Prozent.“ „Rund 127.000 niedergelassene Ärzte, 65.000 Zahnärzte, 21.000 Apotheker, 2.200 Kliniken sowie fast 250 gesetzliche und private Krankenversicherer sollen vernetzt werden.“, so informiert die AOK auf ihrer Webseite. Die eGK ersetzt dann die bisherige Versichertenkarte der Krankenkassen. Mit diesem Austausch sind erhebliche Eingriffe in persönliche Patientendaten verbunden. Ärzte und Experten warnen noch immer vor Sicherheitslücken bei der Datensicherheit und sprechen schon jetzt von einem „Gläsernen Patienten“. Was ist noch geheim? Die ärztliche Schweigepflicht betrifft nicht nur Diagnosen sondern bereits die Tatsache des Arztbesuches selbst. Das Arztgeheimnis ermöglicht eine Weitergabe von Informationen nur mit Offenbarungsbe fugnis. Diese Offenbarungsbefugnis kann in einer Schweigepflichtentbindungserklärung durch den Patienten selbst oder in einer gesetzlich eröffneten Befugnis oder aus einer sachgerechten Interessenabwägung im Einzel(not)fall folgen. Wer als Patient Leistungen einer gesetzlichen Krankenkasse in Anspruch nimmt, muss sich jedoch damit abfinden, dass er damit konkludent zum Ausdruck bringt, mit der Weitergabe aller für die Feststellung der Leistungspflicht der Krankenkasse erforderlichen Tatsachen, zu denen etwa auch die entsprechende Diagnose seiner Erkrankung zählt, einverstanden zu sein (vergleiche § 60 SGB I). Im Hinblick auf die Einführung der eGK (elektronische Patienten-Chip-Karte mit Lichtbild) stellt sich allerdings die Frage, wie diese bisher schon schwierige Abstufung zwischen einem unbedingt notwendigen Datentransfer und einer weitergehenden Datenübertragung zu handhaben ist. 80 Millionen Versicherte sollen ab Oktober diesen Jahres mit der elektronischen Gesundheitskarte ausgestattet werden. Damit einher geht die Frage, wer in Zukunft die Verfügungsrechte über die Gesundheitskarte besitzt und damit über ihre Verwendung entscheiden kann. Diese Verfügungsbefugnis könnte sowohl an das Eigentum (§ 903 Satz 1 BGB) oder an das informationelle Selbstbestimmungsrecht (Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 1 GG) anknüpfen. Als gesetzlich Krankenversicherter nimmt der Patient auf Kosten der Krankenkasse Leistungen in Anspruch. In diesem Fall gibt es keine Möglichkeit der Speicherung, Übermittlung und Verarbeitung von Leistungsabrechnungsdaten zu widersprechen. Form, Inhalt, Übermittlung und Aufbewahrung der Abrechnungsunterlagen/Vordrucke werden durch die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen vereinbart (§ 295 Absatz 3 SGB V). Der Umfang dieser konkludenten Zustimmungspflicht dürfte mit eGK-Einführung weiter zunehmen. MKT-Terminal, also keinen E-Card-fähigen-Kartenleser, in der Praxis stehen hat, kann die neue Karte nicht einlesen und muss, wenn er mit der KV die Leistungen abrechnen will, auf ein Ersatzverfahren zurückgreifen. Nach § 291 Absatz 2 SGB V müssen die neuen elektronischen Gesundheitskarten über ein Lichtbild des Versicherten verfügen. Stellt der Versicherte seiner Krankenkasse kein Lichtbild zur Verfügung, darf die Krankenkasse laut Gesetz keine eGK ausstellen. Allerdings kann der Arzt die Behandlung verweigern beziehungsweise eine Privatrechnung ausstellen, wenn man keine gültige Versichertenkarte vorweisen kann. Im Wesentlichen soll die neue eGK über mehrere Funktionen verfügen, die im Chip in unterschiedlichen Bereichen abgelegt sind. Verpflichtend ist die Nutzung der Funktionen Stammdaten (Name, Geburtsdatum, Versicherungsstatus). Derzeit noch als freiwillige Funktion geplant ist das elektronische Rezept (anstelle des Papierrezeptes, das Rezept wird vom Arzt auf die Karte geschrieben und von der Apotheke ausgelesen) und die elektronische Patientenakte. Patienten und Ärzten soll die Möglichkeit gegeben werden, Befunde und andere medizinische Informationen zu speichern und „in die Hände des Patienten“ zu geben. Neue Kartenleser Nach den Bestimmungen werden die Versicherten ihre alten Karten bei Erhalt der neuen abgeben müssen. Jeder Arzt, der ab Oktober 2011 kein neues Zu diesem Zweck werden die elektronischen Akten vom Arzt verschlüsselt (mit dem kryptographischen Schlüssel aus der Patientenkarte) und auf den Servern der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH (gematik) gespeichert. Wenn der Patient die Daten abrufen möchte, werden die verschlüsselten Daten wieder vom Server geholt und erst in der Arztpraxis oder einem speziellen Terminal mit der Versichertenkarte wieder entschlüsselt. Die Formulierung, dass der Patient seine Daten in Händen hält, ist irreführend und falsch, denn welcher Patient hat schon ein MKT-Lesegerät und die entsprechende Computersoftware zu Hause auf seinem Computer, sofern er einen besitzt. Ein Verfahren, in dem der Patient die alleinige Hoheit über den kryptographischen Schlüssel hätte, wäre aus medizinrechtlicher Sicht datenschutzfreundlicher. Es scheint absolut illusorisch, dass Zusatzfunktionen jetzt in den Test kommen, denn dafür fehlt die Zeit. Primär wird mit der Ausgabe der elektronischen Gesundheitskarte der größte Praxistest der Funktionalität an Millionen von gesetzlich Krankenversicherten erfolgen. identifizieren. Der Versicherte muss ihnen dafür aber die Erlaubnis erteilt haben. Arztbriefe, Befunde oder Laborwerte bleiben ohne Freigabe durch den Versicherten elektronisch verschlüsselt. Zum Schutz vor Missbrauch werden zusätzlich die letzten 50 Zugriffe auf Daten und Verordnungen gespeichert, so dass jederzeit kontrolliert werden kann, wer wann mit den Daten zu tun hatte. jeweilig unerwünschten Einträge bearbeiten lassen? Die Umsetzbarkeit nicht nur dieses Details wird noch Jahre der Entwicklung erforderlich machen. Angeblich soll 2013 jeder Patient die eGK in Benutzung haben. But the roll out goes on … RA Volker Loeschner, Berlin Fazit Interessant ist die Frage, wer konkret mit den Daten in welchem Umfang arbeiten kann. Angedacht ist jeder Facharztgruppe einen eigenen Schlüssel und somit eine Zugriffsmöglichkeit auf die gespeicherten Daten der jeweiligen eGK einzuräumen. Denkbar ist dann eher nicht, dass ein Orthopäde auf die Diagnosen des Neurologen Zugriff hat. Auf der anderen Seite ist die Einholung einer Zweitmeinung durch einen weiteren Arzt dieser Fachrichtung unter Umständen nicht mehr unvoreingenommen/unparteiisch möglich, da dieser mit dem gleichen Schlüssel Zugriff auf die bereits gespeicherten Diagnosen seines Fach-Kollegen hat und auf „kopieren und einfügen“ gehen kann. Außerdem ist unklar, wie eine Trennung nach Facharztgruppen funktionieren kann: Wenn z. B. der Orthopäde einen geschwollenen Fuß sieht, kann er gar nicht wissen, dass der Gefäßchirurg bereits eine Beinvenenthrombose diagnostiziert hat. Ferner müsste dann bei freiwilliger Teilnahme am Hausarztmodell wenigstens der Hausarzt Zugriff auf alle Diagnosen der einzelnen Facharztgruppen haben. Allerdings ist auch weiterhin im Gespräch, dass jeder Arzt auf den ersten Blick die Diagnosen und Verordnungen aller Ärzte sieht, die der Patient besucht hat. Dann kennt der Orthopäde die Diagnose Syphilis des Gynäkologen. § 291a Sozialgesetzbuch V, Elektronische Gesundheitskarte Absatz 1: „Die Krankenversichertenkarte (...) wird bis spätestens zum 1. Januar 2006 zur Verbesserung von Wirtschaftlichkeit, Qualität und Transparenz der Behandlung (...) zu einer elektronischen Gesundheitskarte erweitert.“ Im Sozialgesetzbuch steht immer noch, dass die neue Karte Anfang 2006 eingeführt wird. Vor allem durch technische Probleme, aber auch durch politische Diskussionen hat sich die Karte bereits um mehr als vier Jahre verspätet. Ein weiterer Grund für die Verspätung ist, dass der Zeitbedarf für die Einführung der neuen Technik unterschätzt wurde. Bekomme ich als Patient die Möglichkeit, Auskunft über alle Zugreifenden zu erhalten und vor allem: Wie schaffe ich es, eine fehlerhafte Eintragung wieder löschen zu lassen (z. B. bei Patientenverwechslung)? Es erscheint notwendig, hier eine ausdrückliche schriftliche Schweigepflichtentbindungserklärung vom Patienten abzufordern, was eine dezidierte Aufklärung über die Datenverwendung voraussetzt. Der Prozess sollte keinesfalls über eine konkludente Schweigepflichtentbindungserklärung gelöst werden. Der Gesetzgeber hat in § 291a Absatz 3 Satz 4 SGB V geregelt, dass die Einwilligung bei der ersten Verwendung der Karte auf dieser zu dokumentieren ist. Also: Der kranke Patient mit Schmerzen und Leidensdruck sucht einen Arzt auf und muss entscheiden, ob er seine Zustimmung zur Nutzung gibt oder nicht behandelt wird. Wer ist zugriffsberechtigt? Laut Aussage der AOK werden zum Beispiel nur Angehörige der Heilberufe, das sind beispielsweise Haus- oder Krankenhausärzte, medizinische Daten sehen dürfen, wenn sie sich mit einem „Ausweis“ 38 ADVOICE 02 /11 Richtig ist, dass der Patient rechtlich jederzeit über seine Daten verfügen kann. Soll der Orthopäde alle „unerwünschten“ Einträge aller anderen Fachärzte löschen/sperren können oder muss der Patient jeden Facharzt einzeln aufsuchen und durch diesen die Fotos v.l.n.r.: gematik GmbH; Uta Herbert, Matthias Balzer_pixelio.de ADVOICE 02 /11 39 Magazin Magazin Kleine Fische, große Sorgen Immer exotischere Haustiere erfordern neue Schutzbestimmungen auch weitere überregionale Vereine und Verbände, ein Totalverbot von Tierbörsen für den falschen Ansatz. Der illegale Handel würde sich nur verstärken und den Handel über das Internet unkontrollierbar machen. Das Verbot träfe den überregionalen Verband Deutscher Vereine für Aquarien- und Terrarienkunde e. V. (VDA), der sein hundertjähriges Bestehen feiert, hart, denn viele seiner Mitglieder bieten eigene Fisch-Nachzuchten auf Tierbörsen an. Vor allem auch nicht-organisierte Aquarianer und Terrarianer nutzen Tierbörsen, um dort den Kontakt zu Gleichgesinnten finden und ein beratendes Gespräch zu suchen. Eine deutliche Tendenz ist erkennbar, für Börsenveranstalter nicht nur eine allgemeine Sachkunde nach § 2 Tierschutzgesetz (TierSchG) zu fordern. In zahlreichen Fällen wurde bereits ein Nachweis der Sachkunde nach § 11 TierSchG gefordert, der eine dreitägige Schulung mit anschließender Prüfung erforderlich macht (www.sachkundenachweis.de). Aquarianer Florian Lahrmann beim Angeltrip in Bolivien. Das Europäische Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren von 1987 gibt folgende Definition von Heimtieren (Council of Europe 1987, Art. 1): „Der Ausdruck Heimtier bezeichnet ein Tier, das der Mensch in seinem Haushalt zu seiner eigenen Freude und als Gefährten hält oder das für diesen Zweck bestimmt ist.“ Waren es früher noch Meerschweinchen und Wellensittiche, die neben Hund und Katze typische Haustiere waren, wird es jetzt zunehmend exotischer: Vogelspinne, Kaiman und Würge- oder Giftschlange müssen es heute schon sein, damit man mit seinem Haustier auch „Staat“ machen kann. Statt Goldfisch oder Stichling aus heimischen Gewässern findet sich heute Clownfisch Nemo samt Anemone im Salzwasseraquarium mit High-TechAusstattung. Der Ausbruch einer Kobra aus ihrem Terrarium führt zu einem Großeinsatz von Feuerwehr und THW. Das Mehrfamilienhaus wird geräumt und die betreffende Wohnung Zentimeter für Zentimeter abgesucht, bis das Tier gefunden wird. Ein Afrikaner, der einer Kobra in ihrer natürlichen Umgebung begegnet, reagiert weitaus gelassener und schiebt sie mit einem Stock zur Seite. 40 ADVOICE 02 /11 Foto: privat Momentan gibt es Bestrebungen, den Import von wild lebenden und somit auch von vivaristisch interessanten Tierarten zu reglementieren. Grund dafür ist die Tatsache, dass immer mehr Arten wohl auch auf Grund von veränderten klimatischen Bedingungen es schaffen oder schaffen könnten, sich in unseren Breiten zu etablieren und dann keine natürlichen Fressfeinde hätten. Die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN plant zum Ende des Jahres 2011 ein neues Tierschutzgesetz einzubringen, welches erweiterte Forderungen in Bezug auf die Sachkunde für das Züchten von nichtdomestizierten Wirbeltieren, dazu gehören fast alle Aquarienfische, beinhaltet. Mitte Dezember 2010 luden der Deutsche Tierschutzbund und Pro-Wildlife zur Pressekonferenz in Berlin ein. Sie legten ein Positionspapier vor, in dem sie ein Verbot jeglicher Tierbörsen fordern, weil die Leitlinien für Tierbörsen des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz teilweise mangelhaft umgesetzt wurden, wie sie in zahlreichen Besuchen des vorangegangenen Jahres feststellen mussten. Der Bundesverband für fachgerechten Natur- und Artenschutz e. V. (BNA) hält, wie Nachdem der Tierschutz als Staatsziel im Artikel 20a GG verankert wurde, erfolgte die kontinuierliche Erweiterung des TierSchG. Für aufmerksame Mitbürger ergibt sich häufig die eine oder andere Frage aus ganz alltäglich entstehenden Situationen. Rechtsanwalt Florian Lahrmann, Justiziar des VDA und Mitglied im Forum Junge Anwaltschaft Berlin, stellt sich hier interessanten Fragen rund ums liebe Tier. A: Wie kommt ein Rechtsanwalt dazu, Justiziar eines Aquaristikverbandes zu werden und welche Aufgaben hat dieser? L: Eigentlich bin ich Fachanwalt für Familienrecht. Aber ich bin schon seit meiner Kindheit begeisterter Hobby-Aquarianer. Schon als Jugendlicher war ich im Vorstand des Aquarienvereins meiner Heimatstadt aktiv. Als Justiziar des Verbands ist es meine Aufgabe, die Mitglieder juristisch zu beraten. Die Anfragen, die dabei an mich gerichtet werden, haben aber weit überwiegend gar nichts mit Tierschutzrecht, sondern mit Vereinsrecht zu tun. Etwa zu Themen wie der Eintragung des Vereins in das Vereinsregister, Vorstandswahlen, Gemeinnützigkeit. Natürlich kommen aber auch Anfragen von Mitgliedern, die Probleme mit Behörden oder Amtsveterinären haben. Eingebunden in die Leitung des Verbandes beschäftige ich mich auch mit der Natur- und Tierschutzproblematik intensiv, aber mehr auf einer politischen Ebene. Es ist sehr wichtig, den Aquarianern und Terrarianern eine Stimme zu geben. A: Warum engagierst Du Dich für die Belange von Aquarianern und Terrarianern? L: Noch vor wenigen Jahren galt dieses Hobby, überhaupt die Beschäftigung mit der Natur und mit Tieren, als sinnvolle Freizeitgestaltung mit naturwissenschaftlichem Bildungspotenzial. Heute stehen wir zunehmend in der Kritik, die leider oft mehr ideologisch als sachlich geprägt ist. Dabei wächst eine Generation von Kindern heran, die einen Frosch nicht von einer Kröte unterscheiden kann, die noch nie Kaulquappen gekeschert und zuhause die Metamorphose beobachtet hat. Wie sollen die einen Bezug zur Natur bekommen und lernen, dass sie erhaltenswert ist? A: Der VDA bemüht sich um die Anerkennung als Naturschutzverband. Welche Hürden sind hier zu nehmen? L: Das für die Anerkennung zuständige Umweltbundesamt verleiht diese Anerkennung auf Antrag an Vereinigungen, die vorwiegend die Ziele des Umweltschutzes fördern und die weiteren Anerkennungsvoraussetzungen des § 3 Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/ 35/EG (UmwRG) erfüllen. Voraussetzung ist z. B., dass der Verein bereits seit mindestens drei Jahren in diesem Bereich aktiv ist und eine Gemeinnützigkeit nachweisen kann. Unsere Vereine entfalten ein breites Spektrum an Naturschutzaktivitäten, dazu gehören u. a. Arterhaltungs-Zuchtprogramme, die Pflege von Biotopen, das Unterhalten von didaktisch wertvollen Ausstellungen. A: Wie erkenne ich, ob eine Tierbörse die Bestimmungen des Tierschutzes einhält? Macht es einen Unterschied, ob dort Tiere getauscht werden oder professionelle Händler Tiere anbieten? L: Börsen sind ein Refugium der privaten Züchter und Liebhaber, professionelle Händler haben dort nichts zu suchen. Missstände, wie sie jetzt bei einigen Terraristik-Börsen von zwei Tierschutzorganisationen aufgegriffen und angeprangert wurden, bekämpfen wir. Daher tritt der VDA für eine Zertifizierung von Tierbörsen ein, die ein standardisiertes Gütesiegel erhalten sollen. Wer sich an die ausgearbeiteten Vorgaben hält, kann es beantragen. Der Börsenbesucher kann dann sicher sein, dass auf der zertifizierten Börse tierschutzgerecht ausgestellt und gehandelt wird. Gegenwärtig existiert bereits eine VDA-Börsenordnung, die das gewährleistet und an die sich unsere Vereine als Veranstalter halten müssen. Wir sprechen uns strikt gegen ein generelles Tierbörsenverbot aus. Nur auf Börsen haben private Züchter die Möglichkeit, mit ihren Nachzuchten auch ihr Wissen und ihre Erfahrung an Interessierte weiterzugeben, die ihre Tiere tauschen oder kaufen. Der Zoofachhandel kann so etwas nicht leisten. Der Zoofachverkäufer kann seinen Kunden zwar gut allgemein beraten, aber er hat niemals ein so spezialisiertes Fachwissen über die vom ihm verkauften Tiere. Natürlich kann ein Züchter, der diese zuhause – oft unter Einsatz von unglaublich viel Zeit, Liebe und Mitteln – selbst züchtet, praxisnahe Tipps und Antworten auf ganz anderer Ebene geben. A: Was behandelt die Börsenordnung des VDA? L: In der Börsenordnung des VDA sind viele Selbstverständlichkeiten geregelt: Es dürfen nur selbst gezüchtete Tiere oder schon gebrauchtes Zubehör angeboten werden. Die Anbieter müssen die erforderlichen Kenntnisse über die tier- und artenschutzrechtlichen Bestimmungen besitzen. Ebenso sind konkrete Bestimmungen zum Tierschutz, insbesondere zur Mindestgröße und Ausstattung der Verkaufsbecken festgelegt. Natürlich darf die Abgabe von Tieren nur in geeigneten Behältnissen erfolgen. A: Der VDA bietet Schulungen für den allge meinen und den qualifizierten Sachkundennachweis nach § 11 des Tierschutzgesetzes an. Was lernt man in einer solchen Schulung? L: Die Schulungen nach § 2 sind für private Heimtierhalter gedacht, die Schulungen nach § 11 sind für Gewerbetreibende. Es wird durch die Schulung Grundlagenwissen für die Fachbereiche „Süßwasser“, „Meerwasser“ oder „Terraristik“ erworben und in der abschließenden Prüfung das Gelernte unter Beweis gestellt. A: Sollte jeder Tierhalter eine Schulung für einen allgemeinen Sachkundenachweis ablegen um sein Tier artgerecht halten zu können? Wann ist ein Sachkundenachweis sinnvoll? L: Es gibt Tierhalter, die nie einen solchen Lehrgang besucht haben, sich aber seit Jahrzehnten mit Tie ren beschäftigen und mehr Wissen als jeder Sachkundeprüfer haben. Natürlich kann man sich das entsprechende Wissen über die Tiere, die man halten möchte, auch ohne Sachkundeprüfung selbst aneignen. Die alte Kulturtechnik des Lesens ist hier oft sehr hilfreich. Ich bin grundsätzlich eher für die Eigenverantwortung des Menschen. Wichtiger als eine bestandene Prüfung ist, dass jeder, der die Verantwortung für ein Tier übernimmt, das Tier auch artgerecht halten kann. Ein Sachkundenachweis hilft dabei, das nötige Wissen zu erwerben, deshalb sind solche Nachweise sinnvoll. Der VDA betreibt Information und Aufklärung nicht nur bei diesen Sachkundelehrgängen, sondern auch tagtäglich in unserer deutschlandweiten Vereinensarbeit. Wer Probleme mit seinem Aquarium hat und erfahren möchte, wie es richtig geht, der bekommt bei uns Hilfe. Das ist ganz konkreter Tierschutz. A: Welche Aufgaben nimmt der VDA noch im Tierschutzbereich wahr? L: Der VDA engagiert sich besonders gegen Qualzuchten. Das sind Tiere, die aufgrund züchterischer Veränderung nicht mehr artgerecht leben können. Nackthunde sind ein bekanntes Beispiel. Ähnliches gibt es auch bei Fischen, z. B. Blasenaugen oder extreme Schleierschwänze bei Goldfischen oder deformierte Wirbelsäulen bei Papageienbuntbarschen. Das gleiche gilt auch für Fische, die mittels transplantierter Algengenen leuchten oder künstliche Farbmuster eintätowiert bekommen haben. Der Gesetzgeber hat Qualzuchten zwar verboten, bezüglich der Fische aber nicht festgelegt, welche Züchtungen konkret unter das Gesetz fallen. Wir bemühen uns um eine genaue Festlegung, damit das Verbot greifen kann und solche Horrorgeschöpfe aus den Zooläden verschwinden. A: Wie steht der VDA zu dem geplanten Gesetz der Grünen, das eine Ausbreitung von nicht einheimischen Arten verhindern will? L: Invasive Arten sind tatsächlich ein riesiges Problem. Das würde aber nicht ansatzweise dadurch gelöst, dass die für die Heimtiertierhaltung erlaubten Arten auf ein Mindestmaß beschränkt werden. So werden Aquarianer zu Unrecht zum Sündenbock gemacht. Ein Beispiel: Der Europäische Edelkrebs ist fast ausgestorben, obwohl noch vor wenigen Jahrhunderten unsere Flüsse so voll von den Tieren waren, dass sie die größte Eiweißquelle für die arme Bevölkerung gebildet haben. Er wurde fast vollkommen verdrängt durch nordamerikanische Krebsarten, die hier eingeschleppt wurden und eine für den Edelkrebs tödliche Seuche mitbrachten. Diese Seuche breitete sich aber schon ab 1860 aus – da gab es noch keine Aquaristik. Das Gespräch führte RA Volker Loeschner, Berlin § 2 Tierschutzgesetz (TierSchG) Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, 1. muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, 2. darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden, 3. muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen. ADVOICE 02 /11 41 Magazin Magazin Witzig, sexy, frech NEWS Die deutsche Ally McBeal – Auszug aus „Himmel auf Rührei“ von Birthe Mayer Zusammengestellt von RA Patrick Ruppert Der Roman beginnt viel zu früh und mit Kopfschmerzen: Katharina Beck, Rechtsanwältin in München, jung, attraktiv und erfolgreich, überlebt – wenn auch ziemlich verkatert – die Hochzeit eines befreundeten Paares trotz all der Peinlichkeiten, die eine solche Feier für begleiterlose Frauen in ihrem Alter so bietet. Es gelingt ihr, sich erfolgreich vor dem Brautstraußwerfen zu drücken, nicht aber vor der Frage, ob es wohl auch für sie den einen Mann gibt. Dieser Frage nachzugehen, erweist sich als kompliziert und amüsant zugleich. Denn das Leben der Anwältin aus Leidenschaft ist alles andere als langweilig: es ist eine turbulente Mischung aus Kanzleiwahnsinn und Männerzirkus. „MAN KÖNNTE DAS ALLES AUCH EIN BISSCHEN BUDDHISTISCH SEHEN“ Wir erwischen gerade noch den letzten Platz. Das kleine Lokal in dem Hinterhof nahe der Staatsanwaltschaft ist wie immer rappelvoll. Überall um uns herum sitzen Juristen, oder sagen wir, die Trefferquote beträgt zumindest 99%. Man erkennt sie meistens schon am Aussehen. Leider. Ein Großteil von ihnen trägt eine Brille. (Wie ich eigentlich auch, aber dann bin ich auf Kontaktlinsen umgestiegen.) Das kommt davon, weil man immer so viel Kleingedrucktes lesen muss, ernsthaft! Ich weiß nicht, warum, aber sämtliche Fachzeitschriften und Gesetzestexte sind Schriftgröße 9. Höchstens. Und die Klausurangaben, die man in der Uni und später in den Staatsexamina vorgelegt bekommt (und das sind nicht wenige), sind grundsätzlich im Schreibmaschinenschriftbild mit einfachem Zeilenabstand. Einen durchschnittlichen Juristen, der in irgendeiner Form am Gericht tätig ist, erkennt man ferner daran, dass er oft eine ausgesprochen langweilige Frisur hat und sich schlecht kleidet. Man kann hier noch differenzieren zwischen Staatsbeamteten – Richter und Staatsanwälte – und Anwälten. Bei den Anwälten gibt es den klassischen Einzelanwalt, der vornehmlich vor dem Amtsgericht auftritt und hier, vor allem, wenn es sich schon um ein etwas älteres Exemplar handelt, gerne auch mal mit grünlich schillernder speckiger Robe oder kariertem Sakko in Kombination mit einer ausgeleierten Cordhose aufschlägt. Das passt dann hervorragend zu den älteren Richtermodellen, deren Kleiderauswahl zwar glücklicherweise größtenteils durch ihre Robe verhüllt ist, aber nicht die weißen Tennissocken in den Birkenstocklatschen verdeckt. Anders hingegen Anwälte aus Großkanzleien, die vornehmlich in der Beratung tätig sind und Gerichte lediglich noch aus ihrer Referendarszeit kennen. Birthe Mayers Romanheldin geht der Frage nach, ob es in ihrem Leben den einen Mann für sie gibt. Die wiederum tragen nur Anzüge aus feinsten Stöffchen, oftmals maßgeschneidert (wenn es sich um Seniorpartner handelt), dicke Seidenkrawatten, teure Manschettenknöpfe und steif gebügelte Hemden mit eingesticktem Namenskürzel – selbstverständlich aus der Reinigung, denn für so profane Dinge wie Haushalt oder Wäsche bleibt bei den Arbeitszeiten eh kein Raum. Die weibliche Variante des Juristen ist nicht viel besser: je nach Kategorie variiert es zwischen wallenden Röcken, Modeschmuck und Ökostrickjacken (Amtsgericht) oder Kostümchen in gedeckten Farben, Pumps und der obligatorischen Perlenkette (Großkanzlei). Christine und ich konnten diese Art von Frauen schon an der Uni nicht leiden. Das waren dann die, die mit den spießigen Typen aus der schlagenden Verbindung zusammen waren, bei deren Anblick es uns schon würgte. Selbstverständlich sind wir die lebenden Beispiele dafür, dass jede Regel eine Ausnahme besitzt. Das schönste Kompliment, das man mir machen kann, ist denn auch: Du siehst gar nicht wie eine Rechtsanwältin aus! Der entscheidende Punkt ist allerdings die innere Einstellung. Auch ich trage gezwungenermaßen manchmal ein klassisches graues Kostüm samt hellrosa Bluse oder einen dunkelblauen Hosenanzug – es ist schließlich genau wie die Robe Arbeitkleidung. Foto: privat } Roman „Himmel auf Rührei“, Birthe Mayer, Edition Löwenherz Die Autorin ist in München aufgewachsen, liebt jedoch Hamburg und die Nordsee. Nach ihrem Jurastudium arbeitete sie sechs Jahre als Prozessanwältin. Heute ist sie bei einem großen Prozessfinanzierer. Vom eigenen Buch träumte sie lange, bis sie 2006 die Geschichte von „Himmel auf Rührei“ auf einem Zettel skizzierte, den sie 2009 als Roman niederschrieb. Jetzt ist sie da die deutsche Ally McBeal. 42 ADVOICE 02 /11 Niederlage im Contergan-Prozess Rechtsanwalt Otmar Korte (49) aus Norderstedt ist eines von geschätzt 5.000 Opfern, die an den Aus wirkungen des Arzneimittels Contergan leiden. Das Medikament mit dem Wirkstoff Thalidomid der Chemie-Grünenthal GmbH wurde Ende der 1950er Jahre Müttern zur Schmerzlinderung während der Schwangerschaft verschrieben und verursachte unter anderem bei den Neugeborenen schwere Missbildungen. 50 Jahre danach musste Korte nun in eigener Sache vor dem Landgericht Bonn eine Niederlage hinnehmen. Er hatte die Bundesregierung wegen angeblicher Mitschuld auf einen symbolischen Schadensersatz in Höhe von 5.001 Euro verklagt. Die Richter befanden, dass der Anspruch verjährt sei. Zudem bestünden keinerlei Amtshaftungsansprüche gegenüber dem Bund. (LG Bonn, Urteil vom 13.4.2011, Az.: 1 O 211/10) Verschwiegensheit der Anwälte höherwertig Das Kammergericht Berlin hat die Verschwiegenheitspflicht der Rechtsanwälte als höherwertiger gegenüber dem Datenschutz eingestuft. Nach dem Leitsatz ist ein Rechtsanwalt wegen § 38 Abs. 3 Satz 2 BDSG im Hinblick auf § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht verpflichtet, dem Datenschutzbeauftragten mandatsbezogene Informationen zu geben, die seiner Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Die Vorschrift des § 38 Abs. 3 Satz 1 BDSG enthalte keine dem § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BDSG entsprechende Bestimmung, nach der sich auch bei nichtöffentlichen Stellen die Kontrollbefugnis des Datenschutzbeauftragten auf diejenigen personenbezogenen Daten erstreckt, die der beruflichen Geheimhaltung unterliegen, entschieden die Richter. (KG Berlin, Beschluss vom 20.8.2010, Az.: 1 Ws (B) 51/07) „Abmahnanwalt“ gibt auf Der wegen der Durchsetzung zahlreicher dubioser Forderungen im Bundesgebiet bekannt gewordene Rechtsanwalt Olaf Tank gibt auf und schloss Anfang des Jahres seine Kanzlei in Osnabrück. Tank war bereits im vergangenen Jahr vor dem Amtsgericht Marburg auf Schadensersatz verklagt worden. Das Gericht warf dem Juristen vor, dass er an einer Tat teilgenommen hätte, die von der Rechtsordnung nicht gedeckt gewesen war. Darüber hätte sich Tank bei vernünftigem Ermessen im Klaren sein müssen. Tanks Mandantin war die Content Service Ltd., die potentielle Kunden über das Internet in Abonnements verwickelte. Es wird gemutmaßt, dass eine hohe Rückforderungslast auf den Rechtsanwalt zukommen könnte, die einen geordneten Kanzleibetrieb künftig unmöglich macht. (Quelle: Osnabrücker Zeitung) Erledigungsgebühr verdient Im Ordnungswidrigkeitsverfahren verdient ein Rechtsanwalt nach Nr. 5115 VV RVG eine zusätzliche Gebühr, wenn sich durch seine Mitwirkung das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erledigt. Höchstrichterlich war bisher nicht geklärt, wie weit die Mitwirkung zur Gebührenauslösung gehen musste. Der BGH hat nun entschieden: „Für die Mitwirkung an der Erledigung des Verfahrens kann es genügen, wenn der Verteidiger seinem Mandanten rät, zu dem erhobenen Vorwurf zu schweigen, und dies der Verwaltungsbehörde mitteilt.“ Die Erfordernisse sind somit eher gering. Allerdings solle das dann nicht gelten, so die Richter in Karlsruhe, wenn unabhängig der Einlassung des Betroffenen offenkundig sei, dass dieser die ihm vorgeworfene Ordnungswidrigkeit nicht begangen haben könne. (BGH, Urteil vom 20.1.2011, Az.: IX ZR 123/10) Anwaltshaftung verjährt Erhebt ein Rechtsanwalt hinsichtlich eines verjährten Anspruchs pflichtwidrig eine aussichtslose Klage, so liegt in der Einlegung eines Rechtsmittels gegen ein die Klage abweisendes Urteil keine einen neuen Schadensersatzanspruch auslösende Pflichtwidrigkeit, sondern lediglich ein auf der ursprünglichen rechtlichen Fehleinschätzung beruhendes weiteres Versäumnis, das – in unverjährter Zeit – die Anknüpfung für eine Sekundärhaftung bilden kann, so der Bundesgerichtshof. Mögliche Schadensersatzansprüche der klagenden Immobiliengesellschaft gegen die betroffene Rechtsanwaltskanzlei wegen Falschberatung waren jedoch längst verjährt. In dem vorliegenden Fall begann die dreijährige Verjährungsfrist bereits mit einem durch die beklagte Anwaltskanzlei eingereichten, nicht erfolgversprechendem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gegen einen Schuldner der Klägerin zu laufen. Das war am 5.7.2000. Im streitigen Verfahren wies das zuständige Landgericht am 26.2.2004 die Forderung zurück. Auch die Berufung dagegen blieb ohne Erfolg – Abweisung am 17.3.2005. Tatsächlich war ein eventueller primärer Schadensersatzanspruch am 7.7.2003 verjährt, ein sekundärer am 7.7.2006, deutlich vor der Klagezu stellung am 11.12.2006 an die in Regress genommene Rechtsanwaltskanzlei. (BGH, Urteil vom 3.2.2011, Az.: IX ZR 105/10) Amt zahlt PKV für Anwalt Ein selbständig tätiger und privat Krankenversicherter kann von dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übernahme seiner Beiträge zur privaten Krankenversicherung in voller Höhe verlangen. Dies entschied das Bundessozialgericht. In dem zu entscheidenden Fall hat der seit Beendigung seiner Referendarzeit als selbständiger Rechtsanwalt tätige sowie privat krankenversicherte Kläger einen Beitrag für seine private Krankenversicherung in Höhe von 207,39 Euro monatlich zu tragen. Auf seinen erneuten Antrag vom Januar 2009 bewilligte der Beklagte ihm SGB II-Leistungen nur unter Berücksichtigung eines Zuschusses zur privaten Krankenversicherung in Höhe von 129,54 Euro monatlich. Nun bejahte das Bundessozialgericht die Übernahme der Beiträge zur privaten Krankenversicherung in voller Höhe durch den Grundsicherungsträger. Die schriftlich niedergelegten Motive enthielten Hinweise auf einen „bezahlbaren Basistarif“. Schließlich sei das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum betroffen, weshalb die Lücke zu schließen sei. Der Empfänger von ALG II, der in der GKV freiwillig versichert sei, zahle keinen Eigenanteil an Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung. Für die im Basistarif versicherten ALG II Empfänger müssen dies analog gelten. (Bundessozialgericht, Urteil vom 18.1.2011 – Az.: B 4 AS 108/10 R) Anwaltsdiscounter verliert Zulassung Dr. Welf Haeger, Betreiber des Internetportals „anwaltsdiscounter.de“ hat seine Rechtsanwaltszulassung verloren. Die Rechtsanwaltskammer Hamm hat mit Verfügung vom 11.3.2011 den Widerruf ausgesprochen. Als Grund nannte sie Vermögensverfall. Haeger, der sich zu Unrecht gegängelt fühlt, will nun gegen den Entzug gerichtlich vorgehen. Zudem hat er nach dem Vorbild von Wikileaks eine Internetseite eingerichtet, auf der er die Öffentlichkeit über den Gang des gesamten Verfahrens auf dem Laufenden halten will. Abgelegt hat er unter anderem sämtliche Schriftdokumente des Kammerverfahrens. Haeger war im Vorfeld wegen seines radikalen Einheitspreissystems für Rechtsberatung, „36 Euro pro Stunde netto für alles“, ins Gerede gekommen. > Gebt uns Eure News! Teilt uns mit, wenn Ihr etwas Neues aus der Jurawelt erfahrt. ADVOICE 02 /11 43 Magazin Krank geworden – Frist versäumt Fieber kein genereller Wiedereinsetzungsgrund Die Erkrankung eines Rechtsanwalts kann unter Umständen zu einem Haftungsproblem führen, denn auch für diesen Fall hat der Anwalt Sorge zu tragen, dass keine Fristen versäumt und anstehende Termine wahrgenommen werden. Als Teil der Vorsorge ist die Führung des Fristenkalenders anzusehen. Er soll nicht nur das Gedächtnis des Anwalts entlasten, sondern auch einem Vertreter die Bearbeitung fristgebundener Angelegenheiten ermöglichen (St. Rspr. des BGH u. a. VersR 1975, 1005, NJW-RR 2001, 1577 zitiert in Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, 4. Aufl., 2005, XIII, § 58, Rn. 51). Die Sorgfaltspflicht geht allerdings noch weiter. So ist z. B. der Anwalt gehalten, seine Abwesenheit zu regeln, die nicht nur voraussehbare Abwesenheitszeiten, wie z. B. Urlaub, sondern auch den Fall plötzlich auftretender Ereignisse erfasst (Borgmann, a. a. O., Rn. 67). Auch bei einer länger andauernden Erkrankung muss für den Fall plötzlicher Verschlechterung Vorsorge getroffen sein (Feiber in Münchener Kommentar zur ZPO, 1992, § 233, Rn. 37). Widerlegbarkeit Auf die sich abzeichnende vorhersehbare oder chronische Erkrankung kann rechtzeitig reagiert werden. Das Büropersonal weiß, an wen es sich als Vertreter zu wenden hat. Falls kein Personal vorhanden ist, spricht der Anwalt die Zeit seiner Abwesenheit direkt mit dem Vertreter ab. Ein in diesen Fällen gleichwohl entstehendes Fristversäumnis stellt regelmäßig einen unwiderlegbaren Haftungsgrund und damit einen Anwaltsregress dar. Fälle plötzlich auftretender Erkrankungen werden auch an der Abwesenheitsregelung gemessen. Ein hieraus resultierendes Fristversäumnis kann ebenfalls zu einer schuldhaften Pflichtverletzung des Anwaltsvertrages führen. Allerdings hat der Rechtsanwalt die Möglichkeit, die Vermutung des Verschuldens seines Handelns zu widerlegen und nach den Regeln über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Folgen seines Versäumnisses unmittelbar zu beseitigen. Beides – also die Möglichkeit, das Verschulden der Pflichtverletzung zu widerlegen, wie auch die Frage, wann kein Verschulden und damit die Voraussetzung für die Gewährung der Wiedereinsetzung vorliegen – unterliegt demselben Maßstab (Borgmann, a. a. O., XIII, § 56, Rn. 6). 44 ADVOICE 02 /11 Verschuldensmaßstab Nur wenn die Krankheit so plötzlich auftrat, dass es dem Rechtsanwalt unmöglich war, seinen Vertreter zu unterrichten, kann die Wiedereinsetzung berechtigt sein. Die Frage ist für jeden Einzelfall gesondert zu prüfen und soll anhand nachfolgender Krankheitsbilder exemplarisch beantwortet werden. a) Psychische Erkrankungen Jede akute schwere Erkrankung, die plötzlich eintritt und zur Denk- und Handlungsunfähigkeit führt, kann für die Dauer einen Grund für die Gewähr der Wiedereinsetzung darstellen (Feiber, a. a. O.). Psychische Erkrankungen werden dabei seltener als Einsetzungsgrund vorgetragen. Eine seelische Erregung, die es einer Partei unmöglich machte, eine Frist einzuhalten, wurde beispielsweise vom BGH mit Beschluss vom 23.1.1985 – Az.: IVb ZB 55/84 anerkannt. In diesem Kontext steht auch eine Entscheidung des BGH vom 5.6.1981 – Az.: I ZB 5/81 zugunsten eines Rechtsanwalts, der durch den unerwartet schnellen Tod seiner Mutter und der wenige Tage später erfolgten Geburt seines dritten Kindes einer besonderen seelischen Belastung ausgesetzt war. Die persönliche Situation war durch die Betreuung der erst drei und sechs Jahre alten Kinder zusätzlich belastet. Negativ hat sich der BGH am 10.11.1982 – Az.: IVb ZB 162/82 zur vorübergehend nervösen Erschöpfung geäußert und diese nicht als Einsetzungsgrund akzeptiert. b) Physische Erkrankungen Mit Beschluss vom 10.1.1973 – Az.: IV ZB 92/72 hat der BGH festgestellt, dass von einem Anwalt, der plötzlich mit hohem Fieber das Bett hüten musste, nicht verlangt werden kann, dass er die ablaufenden Fristen im Gedächtnis behält, noch dass er sachgerechte Maßnahmen zu ihrer Wahrung trifft. Diese Entscheidung stellt jedoch keinen Freibrief für alle fiebrigen Erkrankungen dar. Beispielsweise lehnte am 28.8.2008 das BVerwG mit Az.: 6 B 22/08 das Wiedereinsetzungsgesuch einer Rechtsanwäl tin, die wegen eines fiebrigen grippalen Infektes eine Frist versäumte, ab. Das Wiedereinsetzungsgesuch wurde abgelehnt, da nicht dargelegt wer den konnte, warum die Abwesenheitsregelung nicht griff. Einem seit Jahren an schweren Herzrhythmusstörungen leidenden Rechtsanwalt wurde vom OVG Lüneburg mit Beschluss vom 23.4.2010 – Az.: 8 PA 63/10 ebenfalls keine Wiedereinsetzung gewährt. Dieser erlitt, obwohl er einige Zeit beschwerdefrei war, überraschend und in einer bis dahin unbekannten bedrohlichen Art Herzrhythmusstörungen, die ihn so irritierten und verängstigten, dass ihm die geistige Schaffenskraft zur Fertigung eines Schriftstücks fehlte. Auch hier mangelte es an der Darlegung organisatorischer Vorkehrungen. In einem aktuellen Fall setzte sich das OVG Lüneburg mit Beschluss vom 20.4.2011 – Az.: 11 LA 57/11 mit der Erkrankung eines Rechtsanwalts auseinander, der eine Gerichtsverhandlung nicht wahrgenommen hatte. Auf einer vorangegangenen Sitzung verspürte dieser eine leichte Übelkeit, die sich auf der Fahrt zum anstehenden Termin einhergehend mit massiven Kreislaufbeschwerden verstärkte. Der Anwalt brach die Fahrt ab und verbrachte den Rest des Tages zu Hause im Bett. Am nächsten Tag ging es ihm wieder gut. Der nach Abbruch der Fahrt unterrichtete Sozius beantragte vor Beginn noch die Aufhebung des Termins, was das VG jedoch ablehnte. Das OVG glaubte aber dem Rechtsanwalt, der sein Wiedereinsetzungsgesuch ohne Vorlage eines ärztlichen Attestes glaubhaft gemacht hatte, und gab seinem Antrag statt. Mit Beschluss vom 5.4.2011 – Az.: VIII ZB 81/10 gewährte der BGH einem aus dem Urlaub erkrankt zurückkommenden Einzelanwalt Wiedereinsetzung. Dieser begab sich unmittelbar nach seiner Urlaubsrückkehr wegen einer Magen-Darm-Grippe, begleitet von starken Schwindelattacken in ärztliche Behandlung. Die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit und der Umfang des zu bearbeitenden Prozessstoffes ließen eine Bearbeitung durch den Vertreter nicht zu. Erschwerend kam hinzu, dass die Mitarbeiterin des erkrankten Rechtsanwalts wegen einer Armverletzung in ihrer Schreibfähigkeit stark eingeschränkt war. Fazit Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine plötzlich auftretende Erkrankung die Gewährung der Wiedereinsetzung rechtfertigen kann. Jedoch muss der Rechtsanwalt in seinem Einsetzungsge such nicht nur nähere Angaben zur Art und Schwere der Krankheit machen, sondern auch darlegen, welche Vorsorgemaßnahmen er für den Fall einer plötzlichen Abwesenheit getroffen hat und warum diese nicht gegriffen haben. Steffen Eube, HDI-Gerling, Hannover Magazin Magazin Viel Arbeit mit Hartz IV Corinna Unger spezialisierte sich erfolgreich auf Sozialrecht und Hartz IV Kann ein Mensch mit 364 Euro Regelleistung überleben? Und wie finanziert eine Rechtsanwältin ihr Dasein, trägt die Kosten der Kanzlei, zahlt Steuern, stellt ihre Alterssicherung und die Krankenversicherung sicher, wenn sie Hartz IVMandate ganz überwiegend mit Beratungs- und Prozesskostenhilfe betreut? Dass es funktioniert, haben zahlreiche Leistungsempfänger und ich als Sozialrechtsanwältin aus Thüringen bewiesen. Seit Mai 2007 betreibe ich als Einzelanwältin eine auf das Grundsicherungsrecht spezialisierte Kanzlei. Nach erfolgreichem Bestehen des 2. Staatsexamens hatte ich das Glück, für zwei Jahre lang als Sachbearbeiterin in einer Arge SGB II in der Widerspruchstelle eine befristete Anstellung gefunden zu haben. Leider (oder inzwischen zum Glück) wurde diese Stelle nach Ablauf der Befristung nicht weiter verlängert, sodass ich als junge Mutter vor der Wahl stand, meine eigenen Akte von den ehemaligen Kollegen bearbeiten zu lassen oder das erworbene Wissen sinnvoll einzusetzen. Hartz IV von Anfang an Also entschied ich mich zu einem mutigen Schritt: Die Gründung der Kanzlei Corinna Unger. Dabei stand von Anfang an fest, dass es sich bei dieser Kanzlei um eine auf das Sozialrecht – und insbesondere das Hartz IV – ausgerichteten Kanzlei handeln soll. Diese Entscheidung gleich zu Beginn der Gründung war außerordentlich wichtig, da das gesamte Marketingkonzept und auch die sonst noch zu berücksichtigenden Dinge hierauf auszurichten waren. Zunächst habe ich einen Businessplan erstellt und errechnet, welche finanziellen Mittel zur Eröffnung dieser „Hartz IV-Kanzlei“ notwendig sein würden. Das waren gar keine so großen Kosten, so dass eine Fremdfinanzierung nicht notwendig war. Wichtig war auch die Auseinandersetzung mit Konkurrenten, wobei ich feststellen konnte, dass es nur eine geringe Anzahl Fachanwälte für Sozialrecht in Gera gibt, und ich aus meiner Behördentätigkeit ja wusste, wie viele der ortsansässigen Anwälte wirklich über fundiertes Wissen verfügen. Als junge Mutter vor die Wahl gestellt: Hartz IV oder eigene Kanzlei. Foto: sonne-lacht-blende-8 Büro mit Ikea-Möbeln Als Nächstes mussten geeignete Büroräume gesucht und angemietet werden, wobei auch hierbei wiederum auf die zu erwartenden Mandanten Rücksicht zu nehmen war. Dies sind in einer Kanzlei für Sozialrecht vor allem Leistungsempfänger ohne umfangreiche finanzielle Möglichkeiten, weshalb sich meine Kanzleiräume unmittelbar im Stadtzentrum an einem Hauptschnittpunkt der öffentlichen Verkehrsmittel befinden. Die Büroräume wurden so gewählt, dass der Mandant ohne „Scheu“ den Weg zum Anwalt findet, das heißt die Büroräume befinden sich nicht in einer pompösen Villa, sondern in einem normalen Bürogebäude und sind auch nicht mit Parkett und rustikaler Einrichtung, sondern „mit Möbeln eines schwedischen Einrichtungshauses“ ausgestattet. Es mussten vor Eröffnung der Kanzlei viele unterschiedliche, kostenauslösende Entscheidungen wie zum Beispiel zur Kranken- und Berufshaftpflichtversicherung getroffen werden. Hier empfiehlt es sich besonders, Preise und Angebote sorgfältig zu vergleichen. Grundsätzlich sollte man sich aber immer fragen: Was benötige ich für den Start in die Selbstständigkeit wirklich? Gleich zu Beginn habe ich mich für die Arbeit mit einer Anwaltssoftware entschieden und bin darüber mehr als froh. Ohne dieses Programm und insbesondere sein Vorhandensein vom ersten Tag an, wäre der Arbeitsalltag nicht zu meistern gewesen. Dazu kamen so profane Dinge wie die Auswahl eines Telefonanbieters, schließlich muss das Internet einwandfrei funktionieren und die Wahl einer Bank für den Geschäftsverkehr. Flyer an Brennpunkten Eine weitere wichtige, wenn nicht die wichtigste Säule für den Kanzleierfolg überhaupt, ist die Bekanntmachung beziehungsweise der Wiedererkennungswert. Die entscheidende Werbemaßnahme wurde daher an einem Sonntag vor Eröffnung der Kanzlei durchgeführt. Ich ließ 30.000 ganz einfache, aber einprägsame Flyer im Postkartenformat mit einer der kostenlosen Tageszeitungen in den „sozialen Brennpunkten der Stadt“ verteilen. Hierauf war nur der Hinweis enthalten, dass es jetzt in Gera eine Anwaltskanzlei gibt, die sich mit Hartz IV beschäftigt und, dass es die Möglichkeit der Beantragung von Beratungs- und Prozesskostenhilfe gibt. 46 ADVOICE 02 /11 Und diese Werbung war der Beginn eines Mandantenandrangs, welcher bis heute anhält. Inzwischen befinde ich mich im vierten Kanzleijahr. Ich führe eine Vielzahl von Widerspruchsverfahren und Klageverfahren durch und kann diese in der ganz überwiegenden Anzahl erfolgreich für meine Mandanten zu Ende führen. Tag durch die angestellten Rechtsanwaltsfachangestellten geschrieben und versendet werden können. Es gibt eine Vielzahl von selbst entworfenen Textbausteinen, die nur auf den jeweiligen Sachverhalt angepasst werden müssen. Aufgaben delegieren Laut meiner Statistik wurden im letzten Jahr 65 Prozent aller Einnahmen auf dem Gebiet des SGB II durch die Behörde, also die Gegenseite, gezahlt, der Rest über PKH, RSV, die Mandanten selbst und Beratungshilfe. Das bedeutet, dass der ganz überwiegende Anteil der in Rechnung gestellten Gebühren zwar sicher ist, aber oft ein halbes Jahr vergeht, bis die Staatskasse die Zahlung anweist. Auch diese Besonderheiten sollten bei einer Kanzleigründung bedacht werden. Es wurden bislang zirka 2200 Mandate bearbeitet, wobei es mir natürlich leicht fällt, bereits auf den ersten Blick die Rechtswidrigkeit eines Bescheides zu erkennen. Bei Vorsprachen von Mandanten werden daher fast ausschließlich, bereits im Beisein des Mandaten, die entsprechenden Schriftsätze diktiert, so dass diese überwiegend noch am selben Am Anfang ist es mir ziemlich schwer gefallen, anfallende Aufgaben zu delegieren. Doch wenn man sich überlegt, wie viel wert eine Anwaltsstunde ist, sollte man so viel anfallende Arbeit wie möglich weiterleiten. Kostenrechnungen, Wiedervorlagen oder Buchhaltung sind Dinge, mit denen sich ein Anwalt nicht beschäftigen muss. Sofern zuverlässiges Personal vorhanden ist, können diese Sachen durch Refas erledigt werden und brauchen nur stichprobenartig kontrolliert zu werden. Mandanten erziehen Und ganz wichtig für eine funktionierende Kanzlei ist die Erziehung der Mandanten. Es ist nicht Aufgabe des Anwalts, Beratungshilfeanträge oder PKH-Anträge auszufüllen und zu kontrollieren. Es werden immer wieder unausgefüllte Anträge einfach eingereicht und sollen dann durch die Kanzlei vervollständigt werden: Nein, dies lässt die Zeit eines Anwalts nicht zu. Dies muss man den Mandanten klar machen und konsequent sein. Zwischenzeitlich habe ich den Fachanwaltslehrgang Sozialrecht besucht und warte nun auf die Verleihung des Titels. Entscheidend für den Erfolg der Kanzlei war also ganz eindeutig die Spezialisierung, die sich konsequent in allem widerspiegelt. Und die steigenden Umsatz- und Gewinnzahlen zeigen ja schließlich deutlich, dass das Kanzleikonzept außerordentlich erfolgreich ist. Fazit Es gibt auch heute noch einige Rechtsgebiete, in denen auch Berufseinsteiger erfolgreich arbeiten können. Wichtigster Punkt sollte jedoch immer eine entsprechende Spezialisierung und Vermarktung sein. RAin Corinna Unger, Gera ADVOICE 02 /11 47 DAT 2011 Impressionen Impressionen DAT 2011 Fotos: Andrea Vollmer Das Palais des Congrès im französischen Strasbourg war Veranstaltungsort des diesjährigen DATs. Das Palais de Congrès in der europäischen Zone von Strasbourg bietet Architektur aus Glas im Grünen. Traditionell: das Treffen der Regionalbeauftragten des FORUMs Junge Anwaltschaft auf dem DAT. Europa weht über allem. Hier die europäischen Flaggen vor dem Palais de l'Europe. Flaute am juris-Stand? Mal sehen, was weiter unten los ist? Das Palais des Droits de l'Homme beherbergt den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Das idyllische Viertel Petit France am Ill im Herzen von Strasbourg. Ein letztes Mal zusammen. Der bisherige GfA des FORUMs. Im Bild Manfred Aranowski, Rita Schulz-Hillenbrand, Linda Schwarzer, Silke Waterschek und Helge Heiner. Deutscher Anwaltstag auf französischen Boden. Das Gebäude des Europarates. Strasbourg gilt auch als Hauptstadt Europas. Kurze Pause und Zeit für Gespräche. Die Regionalbeauftragten des FORUMs vor der Sitzung. Anwaltschaft im Spiegel. In der komfortablen Lounge im Palais des Congrès konnte man sich zwischendurch vom Tagungsstress erholen. 24, 25, 26 ... Auszählung der Stimmzettel zur Wahl des neuen GfA. Das Palais de l'Europe ist Sitz des Europarates. Dort werden parlamentarische Versammlungen des Rates abgehalten. Abstimmung auf der Mitgliederversammlung des FORUMs. Im Palais des Congrès. Trotz der langen Anreise war die Mitgliederversammlung des FORUMs gut besucht. Palais de l'Europe in Strasbourg. Redebeitrag mit Szenenapplaus. Hartmut Kilger, ehemaliger Präsident des DAV, auf der Mitgliederversammlung. Gebäude des Europäischen Parlaments. Kongressstimmung auf dem DAT. Frank Röthemeyer (re.) im Gespräch. 48 ADVOICE 02 /11 ADVOICE 02 /11 49 Euer FORUM Euer FORUM Frontfrauen bleiben vorn Die, die die Geschäfte führen FORUM wählt neuen GfA – Waterschek und Schwarzer bleiben Vorsitzende Auf dem DAT hat die Mitgliederversammlung einen neuen GfA gewählt Zuvor berichtete die Vorsitzende über die wichtigsten Ereignisse der vergangenen beiden Jahre. Hier ist zunächst das gelungene 15-jährige Jubiläum des FORUM zu erwähnen, das Anfang Juni 2010 unter anderem im Hotel „Ellington“ in Berlin stattfand und den Teilnehmern neben hervorragenden Vorträgen auch eine erstklassige RundumVersorgung, vor allem aber eine „standesgemäße“ Party am Abend bot. Es folgten sodann Berichte zu den Projekten „Ab in die Vorstände“, Zusammenarbeit mit anderen Arbeitsgemeinschaften des DAV sowie ein zusammenfassender Bericht hinsichtlich der DAV-Vorstandswahlen vom 1. Juni 2011 und den Bemühungen des FORUM, einige Änderungen in der DAV-Satzung vorzunehmen. Hände hoch! Foto: Andrea Vollmer Am 3. Juni 2011 fand im Rahmen des Deutschen Anwaltstages (DAT) in Straßburg die jährliche Mitgliederversammlung des FORUM Junge Anwaltschaft statt. Neben dem umfassenden Bericht der Vorsitzenden des Geschäftsführenden Ausschusses (GfA), Rechtsanwältin Silke Waterschek, standen die diesjährigen Wahlen des GfA im Mittelpunkt der Tagesordnung. Mit 42 wahlberechtigten Mitgliedern und einigen Gästen, darunter der ehemalige DAVPräsident Hartmut Kilger und der ehemalige Regionalbeauftragte des LG-Bezirks Offenburg Malte Dedden, war die Versammlung außerordentlich gut besucht. Während Silke Waterschek, Linda Schwarzer und Helge Heiner noch einmal kandidierten, traten Carolin Ott, Wolfram Schlosser und Tobias Sommer leider nicht mehr für den GfA an. Sie wurden mit Lob und Dank für das Geleistete von der Vorsitzenden gebührend verab schiedet. Jürgen-Schöpe_pixelio.de Foto: 50 ADVOICE 02 /11 Bekanntermaßen wurden zwei der drei Änderungsanträge des FORUM Junge Anwaltschaft in der entsprechenden Versammlung am 12. November 2010 abgelehnt, da die erforderliche, satzungsändernde 2/3-Mehrheit nicht erreicht wurde. Trotzdem erfreute sich das FORUM an großem Zuspruch für die Änderungswünsche, war die einfache Mehrheit doch immer gegeben. Dennoch, ein gewisses „Geschmäckle“ bleibt, denn obwohl die Änderungsvorschläge des FORUM noch im Sommer 2010 unterstützt wurden und Zuspruch aus „höheren Sphären“ erfolgte, wurde diese Unterstützung im November dann unerwartet und ohne Vorwarnung versagt. Doch die Message, die nicht nur vom GfA, sondern auch von den Regionalbeauftragten an die FORUM-Mitglieder transportiert wird ist ein klares „Wir geben nicht auf, jetzt erst recht!“. Die DAV-Vorstandswahl hat zu großer Verwunderung bei den FORUMs-Mitgliedern geführt. Von drei kandidierenden FORUMs-Mitgliedern wurde nicht eins in den Vorstand gewählt, was vor allem in Bezug auf Axel Thönneßen fassungsloses Kopfschütteln bei den Mitgliedern hervorrief. Als Ehrenmitglied des FORUM Junge Anwaltschaft war er persönlich in der Mitgliederversammlung anwesend und berichtete über den Verlauf der Wahl aus seiner Sicht. Hierbei äußerte er seinen ganz per- sönlichen Eindruck, dass es einen gewissen „Gegenwind“ gegen das FORUM gibt und die kandidierenden Mitglieder möglicherweise ganz bewusst nicht in den Vorstand gewählt wurden. Noch bevor Axel Thönneßen seinen Platz im Auditorium unter großem Applaus wieder einnehmen konnte, meldete sich Hartmut Kilger zu Wort. Foto: Andrea Vollmer Dieser verneinte die Vermutung von Axel Thönneßen. Es habe in den letzten Jahren viele Gruppierungen gegeben, die nicht in den DAV-Vorstand gewählt wurden und daraufhin eine ablehnende Haltung des DAV vermutet hätten. So hätten sich nach der Wende beispielsweise die Kollegen aus den neuen Bundesländern beklagt, wenn keins ihrer Mitglieder in den Vorstand gewählt wurde. Ebenso habe es eine Zeit gegeben, wo keine Frau gewählt wurde, worüber sich dann die Frauen echauffiert hätten. Dass in diesem Jahr kein FORUMs-Mitglied gewählt wurde, habe ganz sicher nichts mit dem FORUM zu tun. Axel Thönneßen, der zuvor bereits Vorstandsmitglied war und noch sehr aktiv im FORUM mitarbeitet, teilte diese Ansicht nicht. Die Sprecherin der im Dezember 2008 gegründeten Arbeitsgruppe „Junge Insolvenzrechtler“, Rechtsanwältin Ilka Spriestersbach, Regionalbeauftragte LG Koblenz, berichtete über die Fortschritte und Aktivitäten der vom FORUM Junge Anwaltschaft und der ARGE Insolvenzrecht und Sanierung gemeinsam gegründeten Gruppe. Neben den zweimal im Jahr stattfindenden Tagesseminaren wird derzeit eine Workshop-Reihe ins Leben gerufen, die regional angeboten und spezielle Fachfragen behandeln wird. Besonders interessant: Für die sogenannten „Juniormitglieder“ der ARGE Insolvenzrecht und Sanierung wird die Teilnahmegebühr des nächsten Deutschen Insolvenzrechtstages erheblich reduziert. Details hierzu werden noch erarbeitet und gesondert bekannt gemacht. Die ARGE Verkehrsrecht bietet inzwischen ebenfalls eine Vergünstigung des Mitgliedsbeitrags für FORUMMitglieder an. Auch hier gibt es eine sogenannte „Juniormitgliedschaft“. Der Jahresbeitrag beträgt 50 Euro. Nach dem Bericht des Kassenwarts und der Kassenprüfer sowie deren Neuwahl wurde die Sitzung geschlossen. Wir dürfen gespannt sein auf die Ereignisse, die bis zur nächsten Mitgliederversammlung in München 2012 noch eintreten werden. RAin Ilka Spriestersbach, Koblenz Viele bekannte, aber auch einige neue Gesichter im Geschäftsführenden Ausschuss des FORUMs Junge Anwaltschaft. Auf der Mitgliederversammlung des FORUMs auf dem DAT in Strasbourgh wurde er für zwei Jahre neu gewählt. RA Christoph Triltsch (Kasse), RAin Linda Schwarzer (RB-Betreuung), RA Frank Röthemeyer (Berufsrecht), RAin Silke Waterschek (Vorsitzende), RA Helge Heiner (Kooperationen) und RAin Astrid Ackermann (Seminare und Fortbildungen) – (v. l. n. r.) Ausgeschieden sind RA Tobias Sommer, RA Carolin Ott und RA Wolfram Schlosser. !!!!!!!!! Zu den weiteren gewählten Kandidaten gehörten Dr. Christoph Triltsch, Regionalbeauftragter LG Kiel, Astrid Ackermann, Regionalbeauftragte LG Frankfurt/Main und Frank Röthemeyer, Regionalbeauftragter LG Hechingen und Vorsitzender des Berufsrechtsausschusses der FORUM Junge Anwaltschaft. Vorsitzende bleibt Silke Waterschek. Linda Schwarzer ist stellvertretende Vorsitzende und führt das Ressort „Regionalbeauftragte“ ebenfalls weiter. Gestatten? ! Vorstellung der neuen GFA-Mitglieder Dr. Christoph Triltsch ist seit Anfang 2006 als selbständiger Rechtsanwalt in Lübeck tätig. Seit 2008 ist er Regionalbeauftragter des FORUMs für den Landgerichtsbezirk Kiel. Im neuen Geschäftsführenden Ausschuss wird er insbesondere für die Kasse zuständig sein und sich wie bisher auch im Ausschuss Berufsrecht des FORUM Junge Anwaltschaft engagieren. Astrid Ackermann ist seit 2007 als Rechtsanwältin zugelassen, betreibt in Frankfurt am Main eine Kanzlei im Medien- und IT-Recht und ist dort auch Regionalbeauftragte. Im Geschäftsführenden Ausschuss wird sie für das Ressort „Seminare & Fortbildungen“ zuständig sein. Außerdem fällt der Relaunch der Homepage des FORUMs in ihren Aufgabenbereich. Frank Röthemeyer ist seit 2004 Rechtsanwalt in Balingen und für das FORUM Regionalbeauftragter für den LG-Bezirk Hechingen. Seit Anfang 2011 ist er Vorsitzender des Berufsrechtsausschusses des FJA. Im GfA will er sich besonders für die berufsrechtlichen Themen einsetzen, die aktuell diskutiert werden und von großer Bedeutung für junge AnwältInnen sind. ✗ Der Geschäftsführende Ausschuss des FORUMs Junge Anwaltschaft wird jeweils für zwei Jahre gewählt. Kandidieren kann jeder, der Mitglied im FORUM Junge Anwaltschaft ist. ADVOICE 02 /11 51 Euer FORUM Das FORUM ist: Die Stimme der jungen Anwälte. Eine der größten Arbeitsgemeinschaften innerhalb des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Das FORUM bietet: Fortbildungen. Netzwerke. Lobby. Starthilfe. Antworten und Hilfe für den Berufsstart und die ersten Berufsjahre. Kostenlos: Anwaltsmagazin AdVoice Mit Schwerpunktthemen, Erfahrungsberichten Unterhaltsames und Wissenswertes aus der Anwaltschaft, Mitgliederinformationen und natürlich viel Service: Checklisten, Fachanwaltssteckbriefe, Steuerinfos, Tipps zur Haftungsvermeidung u. v. m. Teilnahme an der Mailingliste, fachliche Unterstützung durch Kollegen, Antworten auf fast jede Frage des Anwaltsalltags, Terminvertretungen, Fällen von Kollegen günstige Konditionen für die Berufshaftpflichtversicherung Mit HDI-Gerling besteht ein Abkommen mit hohem Sparpotenzial exklusiv für FORUMsmitglieder Fortbildung: eigene Seminare und günstigere Konditionen bei anderen Anbietern z. B. Mitglieder-Rabatt teilweise bis zu 50 Prozent bei der Deutschen AnwaltsAkademie Netzwerk und Erfahrungsaustausch national Regelmäßige Stammtische in den allen LG-Bezirken. Kontakte zu örtlichen und überörtlichen jungen Kolleginnen und Kollegen. Regionalbeauftragte als Ansprechpartner, die Euch gern vor Ort weiterhelfen. Netzwerk international Länderbeauftragte als Ansprechpartner bei grenzüberschreitenden Rechtsproblemen. Kontakte zu internationalen Organisationen junger Anwälte und Mitgliedschaft in der European Young Lawyers Bar Association. Schwäbisches Allerlei Eine Mitgliedschaft zahlt sich aus: Vorteile für alle Anwälte, Assessoren und Referendare bis 40 Jahre (Diese Vorteile bietet nur das FORUM Junge Anwaltschaft.) Vertretung der Interessen der jungen Anwaltschaft in der Berufspolitik und der anwaltlichen Selbstverwaltung Vergünstigte Teilnahme bei Veranstaltungen, z. B. beim Deutschen Anwaltstag und Anwaltstagen der Länder VORTEILE für alle, die (noch) nicht im DAV sind Kostenlos: 11x jährlich das Anwaltsblatt günstige Konditionen des DAV (http://anwaltverein.de/leistungen/rabatte) · Auto & Verkehr: z. B. Sonderboni beim Autokauf, vergünstigte Mietewagen · Hotels: Mitgliederrabatte des DAV in vielen Hotels · Fortbildung/Webdienste: z. B. juris DAV · Kommunikation: Rahmenabkommen für Mobilfunk-Rabatte · Versicherungen: z. B. bei der Krankenversicherung und Altersversorgung Rahmenabkommen für kostenlose Kreditkarten NJW-Abo-Ermäßigung um 22 Euro jährlich (Referendare erhalten vom Verlag weitere Ermäßigungen) VORAUSSETZUNGEN für eine Mitgliedschaft: Anwältin/Anwalt unter 40 Jahren, Referendare und Assessoren Jährlicher Mitgliedsbeitrag 50 Euro Ermäßigungen auf 25 Euro: 1. bei Eintritt ab Juli eines Jahres 2. für Mitglieder eines dem DAV angeschlossenen Anwaltvereins Beitritt online: www.davforum.de/anmeldung Tagungsbericht ARGE Transport- und Speditionsrecht Zum zweiten Mal fand am 6./7. April 2011 die Jahrestagung der ARGE Transport- und Speditionsrecht im DAV als Mehrtagesveranstaltung statt. Nach der Auftaktveranstaltung, welche im Jahre 2010 standesgemäß auf einem Schiff im Hamburger Hafen tagte (vgl. AdVoice 2/2010, S. 56) trat in diesem Jahr die Allianz-Versicherungs-AG in Stuttgart als Gastgeber auf. Aufgrund der ständig wachsenden, internationalen Warenströme sowie der immer stärker globalisierten Wirtschaft handelt es sich beim Transport- und Speditionsrecht um einen Bereich, welcher international ausgebildete Juristen anspricht, die den Blick über den Tellerrand nicht scheuen und gerne auch mit grenzüberschreitendem Bezug tätig sind. Gleichwohl handelt es sich bei dieser Fachanwaltschaft um eine eher kleine Fachanwaltschaft, deren Zahl in den letzten Jahren konstant geblieben ist. Aktuell sind zirka gut 500 Rechtsanwälte in Deutschland mit diesem Schwerpunkt tätig. Bunt gemischt wie das Abendessen am ersten Tag, welches nach Einschätzung einheimischer Schwaben ein Potpourri der Schwäbischen Küche darbot, war auch das Programm der Veranstaltung. Angefangen bei den Folgen des Handels- und Beförderungsembargos gegen den Iran ging es über „das Windhundprinzip“ bei konkurrierenden Verfahren in Europa, welches sich mit der unterschiedlichen Rechtsprechung deutscher und niederländischer Gerichte befasste, weiter über einen Vortrag zu den „möglichen Fallstricken einer Streitverkündung“ und die neuere, transportrechtliche Rechtssprechung des OLG Düsseldorf schließlich zum Verwerfungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO. Die interessanten Vorträge, welche zeigen, wie facettenreich die Fachanwaltschaft Transport- und Speditionsrecht ist, waren eingebettet in teilweise lebhafte Diskussionen mit dem Auditorium. ➩ FORUM Junge Anwaltschaft im DAV Termine 12. August 2011 Die Gesamtzahl der Teilnehmer belief sich in diesem Jahr auf 62. Der Preis der Veranstaltung lag mit 190 Euro für Mitglieder der ARGE Transport- und Speditionsrecht im DAV beziehungsweise EUR 250 Euro für Nichtmitglieder im unteren bis mittleren Rahmen dessen, was man vergleichbar bezahlt. Einen Rabatt für Mitglieder des Forums gab es (noch) nicht. Leider war trotz eines recht langen Arbeitstages (Start neun Uhr morgens, Ende 16 Uhr nachmittags) die Zahl der zu erzielenden Fortbildungsstunden für den Erhalt der Fachanwaltschaft auf sechs beschränkt, so dass auch diesmal der Besuch der Veranstaltung nicht ausreichend war, um die Fortbildungspflicht von zehn Stunden jährlich in vollen Umfang zu erfüllen. Die Veranstalter kündigten jedoch an, diesen „Mangel“ im nächsten Jahr beheben zu wollen. In Frankfurt ist, in Zusammenarbeit mit der Fraport AG, eine Zwei-Tages-Veranstaltung geplant, welche der Fortbildungspflicht für Fachanwälte in vollem Umfang genügen würde. Voraussichtliches Datum hierfür ist der 18./19.4.2012. Warnemünde Warnemünder Anwaltstag Landesanwaltstag Mecklenburg-Vorpommern Thema: Gebührenrecht Teilnahmegebühren: DAV-Mitglieder 99 € Mitglieder FORUM Junge Anwaltschaft 79 € Referendare 49 € 26./27. August 2011 Dessau-Roßlau 10. Landesanwaltstag Sachsen-Anhalt 28./29. Oktober 2011 Darmstadt FORUM + 3 Carsten Vyvers, Frankfurt/M. Transport- und Speditionsrecht: Blick über den Tellerrand auf internationale Warenströme. Foto: Marvin Siefke_pixelio.de Anmeldung über: DeutscheAnwaltAkademie Tel.: 030/726153-181 ritter@anwaltakademie.de www.anwaltakademie.de 11./12. November 2011 Gelsenkirchen Berufseinsteigerforum „Start in den Anwaltsberuf“ Anmeldung über: DeutscheAnwaltAkademie Tel.: 030/726153-181 ritter@anwaltakademie.de www.anwaltakademie.de ADVOICE 02 /11 53 Euer FORUM Euer FORUM Vier sind drin Anfechtung und Anwaltshonorar FORUMs-Mitglieder in der Satzungsversammlung Ein Seminarbericht der Arbeitsgruppe Junge Insolvenzrechtler In nahezu allen Kammerbezirken liegen zwischenzeitlich die Ergebnisse für die Wahlen zur Satzungsversammlung vor. Zeit also für die Wahlnachlese, vor allem für die Bezirke, in denen das FORUM eigene Kandidaten unterstützt hat. Um es gleich vorwegzunehmen: leider hat es nicht für alle Kandidaten gereicht, was wir sehr bedauern, zumal in den meisten Fällen nur wenige Stimmen gefehlt haben. Hier hat sich die Reduzierung der Delegiertenzahl um die Hälfte schmerzhaft bemerkbar gemacht. Wären genauso viele Delegierte gewählt worden wie beim letzten Mal, dann wären wohl alle FORUMs Kandidaten erfolgreich gewesen. So hat es aber nicht geklappt im Kammerbezirk Hamm, im Kammerbezirk Stuttgart und im Kammerbezirk Schleswig-Holstein. Im Kammerbezirk Köln hat es eine der beiden Kandidatinnen geschafft, die andere aber leider nicht. Wir gratulieren herzlich zur Wahl Regina Rick, München / Linda Schwarzer, Köln / Stefan Paul, Dresden / Sabine Geistler, Freiburg und freuen uns auf eine produktive und enge Zusammenarbeit. Wir würden uns natürlich freuen, wenn die Erfolge unserer Kandidaten andere Mitglieder dazu motivieren könnten, ihrerseits bei Wahlen ihres Anwaltvereins oder ihrer Kammer anzutreten, wobei das FORUM unter dem Motto „Ab in die Vorstände“ hierzu nach Kräften Unterstützung anbietet. Auch wäre es schön, die jetzt nicht gewählten Kandidaten bei anderer Gelegenheit wieder mit ebensoviel Elan und Engagement anzutreffen. RAin Carolin Ott, Landshut Regina Rick Stefan Paul Linda Schwarzer Sabine Geistler Medien und Anwaltschaft Die Arbeitsgruppe Junge Insolvenzrechtler, die als gemeinsame „Tochtergruppe“ des FORUMs Junge Anwaltschaft und der Arbeitsgemeinschaft Insolvenz und Sanierung im DAV gebildet wurde, hatte Anfang Mai zu ihrer 6. Veranstaltung nach München geladen. Thema waren die Grundlagen der Insolvenzanfechtung, die vom Referenten, Herrn Prof. Dr. Michael Huber, Präsident des Landgerichts Passau, sehr eingängig und ansprechend aufbereitet wurden. Aufbauend auf einer Checkliste zur Prüfung von Anfechtungsansprüchen behandelte Prof. Huber die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung und die gängigsten Anfechtungstatbestände. Mit vielen Skizzen und Anekdoten schaffte es der Referent, die Teilnehmer den ganzen Tag durch die äußerst praxisrelevante, aber stellenweise doch unübersichtliche Thematik zu geleiten. Bemerkenswert war, dass Prof. Huber immer Wert darauf legte, Tipps für die tägliche Arbeit zu geben, z. B. indem er für Insolvenzverwalter Methoden zum Aufspüren von anfechtbaren Handlungen aufzeigte. Diskutiert wurde auch über eine Gefahr, die Anwälten generell bei der Insolvenz eines (früheren) Mandanten droht, wenn der Anwalt oder die An wältin Forderungen des Mandanten eingetrieben hat, aber nicht bezahlt wurde. Hat ein Drittschuldner des Mandanten an den Anwalt auf der Grund lage von dessen Geldempfangsvollmacht gezahlt, liegt die Überlegung nahe, mit den Honoraransprüchen gegen den Auszahlungsanspruch des Mandanten aufzurechnen. Diese Aufrechnung ist jedoch unzulässig und unwirksam, wenn innerhalb von drei Monaten nach der Aufrechnung ein Insolvenzantrag über das Vermögen des Mandanten gestellt wird. Die Befriedigung des Anwalts war im geschilderten Fall inkongruent und anfechtbar nach § 131 InsO, da er regelmäßig nach dem Mandatsvertrag keinen Anspruch auf Befriedigung durch Aufrechnung, sondern nur einen Zahlungsanspruch gegen den Mandanten hat. Der Insolvenzverwalter muss die Zahlung jedoch nicht gesondert anfechten, sondern kann einfach die Auskehr der Mandantengel- der verlangen, da dieser Anspruch nicht durch die unzulässige Aufrechnung erloschen ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Der Anwalt kann seine Honorarforderung dagegen nur zur Insolvenztabelle anmelden (§§ 87, 174 ff. InsO) und erhält im besten Falle eine geringe Quote ausgezahlt. Anfechtungsfest kann daher vom Anwalt nur dann aufgerechnet werden, wenn ihm vom Mandanten die einzutreibende Forderung bereits im Mandatsvertrag zur Sicherung der Honoraransprüche abgetreten wurde. Die nächste Veranstaltung der Arbeitsgruppe Junge Insolvenzrechtler wird Anfang Dezember diesen Jahres stattfinden. Ort und Thema wird der Beirat rechtzeitig bekannt geben. Außerdem setzt die Arbeitsgruppe im Herbst ihre Workshopreihe fort, in der in regionalen, halbtägigen Veranstaltungen über praktische Fragen in der Insolvenz diskutiert wird. Dr. Claudia Cymutta, Mannheim Auf dem 4. Stuttgarter Anwaltstag wurde um gegenseitiges Verständnis geworben Woher kommt das Honorar, wenn auch noch der Mandant insolvent ist? Der 4. Stuttgarter Anwaltstag am 28. März war sicher ein Höhepunkt im Jahreskalender der Stuttgarter Anwaltschaft. Nach der Begrüßung folgten Fortbildungen im Bereich Mietrecht, Arbeitsrecht, Familienrecht und Verkehrsrecht, die in jeweils drei auf die Forbildungspflicht anrechenbaren Fortbildungsstunden einen Einblick in die aktuelle Rechtsprechungsentwicklung in den jeweiligen Fachgebieten gaben. Die Referenten konnten sich durchweg blicken lassen: Herr Borth kennt sich mit der Handhabung der Familienrechtsrechtsprechung bestens aus. Er hat die Bundesgesetzgebung dadurch beeinflusst und wusste interessante Fallgestaltungen zu erzählen. Mit Feingefühl für die Geschichten, die hinter dem Rechtsfall stecken, vermittelt er auch „Softskills“. Im Verkehrsrecht gab es einen Überblick über die derzeit aktuellen Brennpunkte. Für Mietrecht und Arbeitsrecht standen in den Tagungsunterlagen die Skripte für die Vorträge ebenfalls allen Anwaltstagsbesuchern zur Verfügung. 54 ADVOICE 02 /11 Einer der Höhepunkte war auch der Vortrag von Bernhard Töppert, der als Journalist aus Funk und Fernsehen bekannt ist. Dieser ging auf verschiedene Aspekte der Zusammenarbeit und Wechselwirkung von Medien und Anwaltschaft ein. Mit aktuellen Fällen und Videoeinspielungen illustrierte er seine Botschaft. Dabei ging es ihm darum, das gegenseitige Verständnis und die Sensibilität für die Belange der Medien und der Anwaltschaft zu fördern. Dies ist sicherlich bei der noch immer oftmals bestehenden Unsicherheit der Anwaltschaft gegenüber den Medien gut gelungen. In den Vortragspausen war eine umfassende Verpflegung mit Kaffee und Mittagessen gewährleistet. Die Besucherdichte war recht gut dafür, dass der Anwaltstag an einem Montag stattfand. Der Vorteil eines regionalen Anwaltstages ist in jedem Fall, dass man bekannte Gesichter wiedersieht und Gespräche sich schnell durch Gemeinsamkeiten entwickeln. Der Stand des Anwaltvereins Stuttgart und des FORUMs Junge Anwaltschaft stand den ganzen Anwaltstag zur Verfügung. Sehr gerne wurde die Zeitschrift AdVoice mitgenommen. Auch ältere Kollegen interessierten sich dafür und versprachen, bei ihren jüngeren Kollegen für die Arbeitsgemeinschaft der jungen Anwälte zu werben. Vor allem die Werbemittel waren sehr beliebt. Es ergaben sich nette Gespräche mit Kollegen, die sich auch für den Stammtisch des FORUMs interessierten und tatsächlich auch zum April-Stammtisch kamen. In zwei Jahren wird dann der 5. Stuttgarter Anwaltstag stattfinden. Ein herzliches Dankeschön an den Anwaltsverein Stuttgart, der die hervorragende Organisation übernommen hat und dem FORUM Junge Anwaltschaft immer hilfreich zur Seite steht. RAin Gabriele Knöpfle, Stuttgart Nicht nur wer lesen, sondern auch wer schreiben kann, ist klar im Vorteil. Berichtet uns über Veranstaltungen, an denen ihr teilgenommen oder aktiv mitgewirkt habt. > www.adcoiceredaktion@davforum.de Foto: duxschulz_pixelio.de Profit maximieren Mitglieder des FORUMs Junge Anwaltschaft, die sich mehr oder weniger mit dem Insolvenzrecht befassen und Mitglied in einem örtlichen Anwaltsverein sind, können bei Eintritt in die Arbeitsgemeinschaft Insolvenz und Sanierung doppelt profitieren: Sie können für fünf Jahre die Juniormitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft Insolvenz und Sanierung beantragen, mit der der Jahresbeitrag auf 10 Euro ermäßigt wird. Außerdem können sie Mitglied in der Arbeitsgruppe Junge Insolvenzrechtler werden und an deren Veranstaltungen zu einem vergünstigten Beitrag teilnehmen. ADVOICE 02 /11 55 Euer FORUM Euer FORUM unter den Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen allgemein als auch unter den Fachanwälten und Fachanwältinnen im Besonderen begründen könnten. Bevor in dieser Hinsicht belastbare Feststellungen nicht getroffen sind, ist nach Auffassung des FORUM Junge Anwaltschaft Handlungsbedarf durch nichts begründet. Fachanwalt und „Zentralabitur“ Stellungnahme zum Entwurf der Satzungsversammlung tenzen und damit einhergehend auf die Erschwerung des Zuganges zu den Fachanwaltschaften für junge Kolleginnen und Kollegen darstellen. Das FORUM Junge Anwaltschaft im DAV sieht sich deshalb veranlasst, die in der immer noch aktuellen Diskussion wesentlichen Gesichtspunkte der Ablehnung sowohl der Übertragung der Prüfungskompetenz als auch der Einführung eines „Zentralabiturs“ aus Sicht gerade der direkt davon betroffenen Jungen Anwältinnen und Anwälte darzustellen. Das bisherige System der Nachweise besonderer Kenntnisse im entsprechenden Fachgebiet gem. § 43c BRAO in Verbindung mit der Fachanwaltsordnung wird grundsätzlich als gut und im Kern nicht als korrekturbedürftig angesehen. Insbesondere wird das Konzept eines „Zentralabiturs“ mit alleiniger Prüfungskompetenz der Rechtsanwaltskammern abgelehnt. Der Gesetzgeber wird aufgefordert, den durch die 4. Satzungsversammlung angestrebten Änderungen des § 43 c BRAO auch weiterhin nicht nachzugeben. Das FORUM lehnt ein inhaltliches Prüfungsrecht der RAK bei Fachanwaltstiteln ab. Der Geschäftsführende Ausschuss des FORUM Junge Anwaltschaft hat einen Ausschuss Berufsrecht des FORUM Junge Anwaltschaft eingerichtet. Dieser hat zum Thema Fachanwalt und „Zentralabitur“ und zum entsprechenden Entwurf der Satzungsversammlung die nachfolgende Stellungnahme verfasst, die innerhalb des DAV verteilt wurde. Die Stellungnahme ist auch abrufbar unter www.davforum.de. Das FORUM Junge Anwaltschaft im DAV begrüßt die aktuelle Mitteilung des Bundesjustizministeriums vom 3.5.2011 an den Präsidenten der Bun desrechtsanwaltskammer, wonach der Vorschlag der 4. Satzungsversammlung, den Rechtsanwaltskammern ein inhaltliches Prüfungsrecht bei der Entscheidung über die Verleihung von Fachanwaltstiteln einzuräumen, abgelehnt wird. 56 ADVOICE 02 /11 Foto: Thomas Siepmann_pixelio.de Die Justizministerin begründet ihre Entscheidung damit, dass noch erhebliche Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Anwaltschaft darüber bestünden, ob und wie die Regelungen in der BRAO über die Fachanwaltschaften geändert werden sollten. Das derzeitige Bestreben der Kammern dient augenscheinlich und vordringlich dem Zweck, den Kammern ein Prüfungsmonopol zu übertragen. Es besteht die Befürchtung, dass mit dieser Alleinstellung eine „closed-shop“-Situation mit erheblicher Zugangsbeschränkung besonders für Berufseinsteiger entstehen könnte. Gerade in kleinen Bundesländern und Kammerbezirken würden sich die Ausschussmitglieder der Rechtsanwaltskammern dem Vorwurf ausgesetzt sehen, wachsende Konkurrenz verhindern zu wollen. 1.) Dem ist insoweit zuzustimmen, denn auch das FORUM Junge Anwaltschaft als ein nicht unerheblich großer Teil der Anwaltschaft missbilligt ein inhaltliches Prüfungsrecht von Kollegen, welches diese gegenüber ihren eigenen künftigen Mitbewerbern auf dem Anwaltsmarkt ausüben könnten, ganz ausdrücklich. Das FORUM Junge Anwaltschaft hat aus der aktuellen Diskussion um das „Zentralabitur“ und die Übertragung der Prüfungskompetenz die Notwendigkeit der Qualitätssicherung im Hinblick auf die Anforderungen beim Erwerb eines Fachanwaltstitels – und das Recht, die Fachanwaltsbezeichnung weiter zu führen – als wesentliches Interesse der Anwaltschaft verstanden. Gerade für junge Kollegen und Kolleginnen ist die Möglichkeit des Nachweises einer Qualifizierung von dauerhaftem Interesse. Allerdings dürfte die Entscheidung der Justizministerin noch nicht das Ende des Bemühens vieler Kammern auf Übertragung der begehrten Kompe- Es ist allerdings vorab festzuhalten, dass es nach aktueller Kenntnis keine empirischen Feststellungen gibt, die überhaupt einen Qualitätsverfall sowohl Eine Abgrenzung der schon tätigen „alten“ Fachanwälte und Fachanwältinnen zu „neuen“ Fachanwälten und Fachanwältinnen erscheint ohnehin nicht wünschenswert und tatsächlich kaum durchführbar. Eine Aberkennung der nach ursprünglicher Fachanwaltsordnung verliehenen Titel kommt nicht in Betracht, auch eine Kennzeichnung oder Nachschulung würde allenfalls zu einem ZweiKlassen-System und der Verwässerung der Fachanwaltstitel insgesamt führen. Dem falschen Rückschluss, dass „alte“ Fachanwälte und Fachanwältinnen weniger qualifiziert seien als die dann „neuen“ Fachanwälte und Fachanwältinnen muss mit einer klaren Absage an das vorgeschlagene Konzept der Satzungsversammlung entgegen getreten werden. Schließlich sollten rechtsuchende Bürger Sicherheit bei der Wahl eine Rechtsanwaltes/einer Rechtsanwältin durch die Fachanwaltsbezeichnung finden. Eine Untergliederung und Titel unterschiedlicher Art würden nur verwirren und eher vor einem rechtzeitigen Gang zum Anwalt/zur Anwältin abhalten. Ebenso falsch ist die Vorstellung, dass jüngere Kollegen und Kolleginnen aufgrund der fortschreitenden Spezialisierung eine umfangreichere Fach anwaltsausbildung benötigen. Im Gegenteil fallen gerade die oft als „Berufseinsteiger“ und „wenig erfahren“ bezeichneten Kollegen und Kolleginnen durch eine unterdurchschnittliche Zahl von Haftungsfällen bei den Versicherern auf. Zudem sollte der vorbereitende Fachanwaltslehrgang nicht in erster Linie Kandidaten und Kandidatinnen hervorbringen, welche besonders gut geeignet sind an drei vorbestimmten Tagen Klausuren zu schreiben, sondern insbesondere Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen, welche bestmöglich die Interessen ihrer (zukünftigen) Mandanten und Mandantinnen zu vertreten wissen. Jeder Referent und jede Referentin – zumeist erfahrene Kollegen und Kolleginnen – kann aus eigener praktischer Erfahrung besondere Hinweise geben, welche bei der Angleichung auf einen ge meinsamen (kleinsten?) Nenner verloren gingen. Die angestrebte Gleichheit der Schwierigkeitsanforderungen bei der Wissensvermittlung und theoretischen Prüfung könnte konsequent ohnehin nur durch einen von bislang keiner Seite gewünschten Multiple-Choice-Test erreicht werden. Eine gewisse Freiheit in der Wissensvermittlung erscheint deshalb im Umkehrschluss zwingend. Rücksicht zu nehmen wäre aus Sicht des FORUM Junge Anwaltschaft auch auf die terminlichen Be dürfnisse erkrankter Kollegen und Kolleginnen sowie auf den hohen Anteil der Kolleginnen, die Mutter sind. Mit nur zwei jährlichen Klausurblöcken als zentrale Prüfungen wären faire Chancen un realistisch und im Ergebnis eine durch nichts gerechtfertigte und abzulehnende Ungleichbehandlung. Schlussendlich sieht das FORUM Junge Anwaltschaft die Gefahr deutlich steigender Kosten der Kandidaten sowohl wegen der zentralen Prüfungen als auch aller Rechtsanwälte durch steigende Kammerbeiträge. Es erscheint nicht plausibel, vor allem im Hinblick auf Raummieten, Personal kosten, Kosten für die Erstellung von Klausuren und Korrekturen die bisher nicht angefallenen Positionen ohne Beitragssteigerung bewältigen zu können. Die Entscheidung über den Erwerb eines Fachanwaltstitels noch mehr als bisher von finan zieller und nicht geistiger Leistungsfähigkeit abhängig zu machen, widerspricht genau dem Ziel der Sicherung der Qualität anwaltlicher Dienstleistungen. Aus Sicht des FORUM Junge Anwaltschaft gibt es somit keinen vernünftigen Grund, das bestehende System in der grundsätzlichen Konstruktion zu verändern. 2.) Mit dem Ziel „Qualitätssicherung statt Zugangsbeschränkung“ plädiert das FORUM Junge Anwaltschaft für die grundsätzliche Beibehaltung des bisherigen Systems bei moderaten Anpassungen in einzelnen Aspekten. Der Schwerpunkt ist dabei eher zu setzen bei den Vorschriften über den langfristigen Erhalt der Fachanwaltsbezeichnung, nicht beim Erwerb. Insoweit wären allerdings weitergehende Studien über den zu einzelnen Fachanwaltschaften bestehenden konkreten Bedarf im Vorfeld anzustreben. Die von der Satzungsversammlung in ihrem bisherigen Entwurf angestrebte Heraufsetzung der Fortbildungsverpflichtung von 10 auf maximal 15 Stunden je Kalenderjahr würde im Sinne der Sicherung einer weiterhin hohen Qualität nach Erwerb des Fachanwaltstitels grundsätzlich unterstützt, wobei auf weitere als bisher bestehende Sanktionen zu verzichten ist und andererseits der Zugang zur Fachanwaltschaft flexibilisiert werden sollte. Der verantwortungsbewusste Fachanwalt wird die Anzahl an Weiterbildungsstunden jährlich absolvieren, die ihm notwendig erscheint, um die aktuellen Gegebenheiten seines Fachgebiets fundiert seinen Mandanten und Mandantinnen, Gericht und Gegner vermitteln zu können. Fortbildungsunwillige wird man jedoch weder über die gesteigerte Anzahl von weiteren Weiterbildungsstunden noch durch etwaige Sanktionen erreichen. Ansatzpunkt kann – sofern man den Rechtsanwalt und die Rechtsanwältin auch als Dienstleistungsunternehmen versteht – nach Auffassung des FORUM Junge Anwaltschaft nur der (potentielle) Mandant/die Mandantin sein. Dieser muss zukünftig (und kann es bereits heute durch die Fortbildungsbescheinigung des DAV) in der Lage sein, durch die transparente Dokumentation der Fortbildung die jeweilige Qualifikation des Fachanwalts und der Fachanwältin erkennen zu können. Im Vergleich mit anderen freien Berufen, wie z. B. Steuerberatern, wäre der solchermaßen dokumentierte Fortbildungsaufwand auch in heraufgesetztem Umfang vertretbar. Auch die Möglichkeit, eine nicht bestandene Klausur oder ein Defizit in der nachzuweisenden Fallzahl durch ein freiwilliges Fachgespräch kompensieren zu können, wird als grundsätzlich sinnvoll erachtet. Gewünscht wäre aus Sicht des FORUM Junge Anwaltschaft in diesem Falle die Aufwertung des fakultativen Fachgespräches durch eine höhere Wertung mit bis zu 25 % im Verhältnis und/oder als Kompensation zu den zu erbringenden theoretischen und praktischen Nachweisen. Gerade der Praxiskompetenz als wesentlicher Teil der Qualifikation würde hierdurch ein höherer Stellenwert eingeräumt. Die Flexibilisierung des maßgeblichen Bewertungszeitraumes und die Anpassung der nachzuweisenden Fallzahlen je nach Besonderheit des jeweiligen Fachgebietes wäre insoweit weiterführender als eine Umgestaltung des gesamten Systems. Nicht die Menge der Fälle sondern die Qualität der Bearbeitung macht den Fachanwalt und die Fachanwältin wesentlich aus. Des Weiteren befürwortet das FORUM Junge Anwaltschaft die Qualifizierung und Zertifizierung der Anbieter sowohl der Fachanwaltslehrgänge als auch der (Pflicht-)Fortbildungsveranstaltungen. Ob die Satzungsversammlung hierzu Vorgaben machen kann, wird allerdings mit Skepsis gesehen. Praktikabler dürfte die Beauftragung eines externen Institutes sein. Der mit einer Qualifizierung und Zertifizierung der Anbieter verbundenen Sicherung der hohen Standards beim Erwerb der theore tischen Kenntnisse und bei den laufenden Fortbildungen sollte – unabhängig von der Frage der Prüfungskompetenz und der Einführung eines zentralen Klausurexamens – aus Sicht des FORUM Junge Anwaltschaft im Rahmen der Reformpläne eine zeitlich vorrangige und deutlich hervorgehobene Bedeutung zukommen. 23. Mai 2011 Mitglieder des Ausschusses: Frank Röthemeyer, Balingen (Vorsitzender) Dr. Christoph Triltsch, Lübeck Juliane Ernst, Gera Monique Köster, Rostock ADVOICE 02 /11 57 Euer FORUM Regionalbeauftragte stellen sich vor Regionalbeauftragter RA Markus Groll für den LG-Bezirk München Nach sieben Jahren beherzten Einsatzes für das FORUM hat Sirka Huber das Amt des Regionalbeauftragten für die LG-Bezirke München I und II abgegeben. Ich freue mich, seit 1. April dieses jahres in ihre Fußstapfen treten zu dürfen. Ich bin 33 Jahre alt, wurde in Starnberg geboren und ging dort zur Schule. Nach meinem Zivildienst in Russland studierte ich in München, wo ich auch mein Referendariat absolvierte. Danach verwirklichte ich meinen Studientraum und bin seit 2008 selbständiger Anwalt für Immobilienrecht in München. Foto: Michaela Schöllhorn_pixelio.de Als neue Regionalbeauftragte für den LG-Bezirk Berlin habe ich ab Mai 2011 die Nachfolge von Karsten U. Bartels angetreten. Anlässlich dessen möchte ich mich kurz vorstellen: Ich bin seit Februar 2010 in Berlin als Rechtsanwältin zugelassen. Schwerpunkt meiner anwaltlichen Tätigkeit bei RöverBrönner ist die steuerund gesellschaftsrechtliche Gestaltungsberatung. In meiner Funktion als Regionalbeauftragte liegt mir insbesondere die Fortführung des monatlichen Stammtischs am Herzen, der jeden 3. Montag im Monat um 19.30 Uhr im Restaurant „Cum Laude“ der Humboldt-Universität zu Berlin, Universitätsstraße 4, stattfindet. 58 ADVOICE 02 /11 NEU Unser Stammtisch, zu dem ich herzlich einlade, findet jeden ersten Mittwoch im Monat um 19.30 Uhr beim Marktwirt in der Heiliggeiststraße 2 in München (am Viktualienmarkt) statt. Bei meiner Existenzgründung konnte ich auf zahlreiche der vielen und großartigen Hilfestellungen des FORUMs zurückgreifen. Ich freue mich, durch mein Engagement als RB ein wenig zurückgeben zu dürfen. muenchen@davforum.de Mein Ziel ist es, noch mehr Kollegen für das FORUM zu begeistern und den Stammtisch als Plattform für den fachlichen und persönlichen Austausch, auch für Referendare und Assessoren, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst AnwaltFormulare Arbeitsrecht Prozesse in Arbeitssachen Axel Groeger (Hrsg.), 1. Aufl. 2010, 1.512 S., 99,00 EUR, Verlag Dr. Otto Schmidt Stefan Lunk (Hrsg.), 1. Aufl. 2011, 1.630 S., mit CD-ROM, 129,00 EUR, Deutscher AnwaltVerlag Frank Lansnicker (Hrsg.), 2. Aufl. 2011, 1.008 S., 98,00 EUR, Nomos Verlag Charakteristisch für das Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst sind die erheblichen Unterschiede gegenüber dem allgemeinen Arbeitsrecht. Hier sei an die unübersichtlichen Tarifvertragswerke (z. B. TVöD, TV-L) erinnert. Aber auch das Haushaltsrecht, der verfassungsrechtliche Grundsatz des gleichen Zugangs zu jedem öffentlichen Amt oder die massive Umstrukturierungsmaßnahmen der letzten Jahre erschweren den Zugang zum Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst. Anfang 2011 erschienen die AnwaltFormulare Arbeitsrecht. Sie sind dem sich wandelnden Anforderungsprofil vom früheren Forensiker zum nunmehr stärker gestaltenden Anwalt geschuldet. Eine Entwicklung, die nicht nur für Groß- und Mittelkanzleien sondern eher für die gesamte Anwaltschaft gilt. Insbesondere für Berufseinsteiger ist die Vertragsgestaltung einerseits herausfordernd aber auch haftungsträchtig. Das folgt nicht nur aus der Tatsache, dass unsere Gesellschaft die komplizierten und umfangreicheren Sachverhalte in immer komplexeren Vertragswerken regelt. Das von einem 9-köpfigen Autorenteam – bis auf einen LAGRichter alles Fachanwälte für Arbeitsrecht – auf den aktuellen Stand von Gesetzgebung und Rechtsprechung gebrachte Handbuch „Prozesse in Arbeitssachen“ tritt mit dem Anspruch an, dem Anwalt ein Werkzeug an die Hand zu geben, mit dessen Hilfe er einen arbeitsrechtlichen Rechtsstreit schnell und erfolgreich im Sinne des Mandanten (außer-)gerichtlich abschließend regeln kann. Axel Groeger und sein 16-köpfiges Autorenteam mit Spezialisten aus Anwaltschaft, Justiz und Wissenschaft haben den Anspruch, ein Handbuch zu erstellen, das eine praxisorientierte Aufbereitung des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst und Hilfestellungen anbieten soll, um Probleme zu erkennen und zu lösen. In meiner Freizeit engagiere ich mich als ehrenamtlicher Mitarbeiter der Rechtsanwaltskammer München bei der Erstellung von Gebührengutachten und spiele Trompete in der Blaskapelle Bernried und im Bundesjuristenorchester. Seit dreieinhalb Jahren bin ich nun begeistertes Mitglied im FORUM. Regionalbeauftragte RAin Jana Mähl für den LG-Bezirk Berlin Foto: Rolf Handke_pixelio.de Bücher-FORUM Beginnend mit dem Grundlagenteil, orientiert sich das Werk primär am Verlauf eines Arbeitsverhältnisses, von dessen Begründung über die Durchführung bis zur Beendigung. Dem Teilzeit- und befristeten Arbeitsverhältnis sind eigene Teile gewidmet. Breiten Raum geben die Autoren wichtigen Themen des öffentlichen Dienstes wie der Ein-/Um- und Rückgruppierung, sozialversicherungsrechtlichen Besonderheiten, dem Personalvertretungsrecht, der Restrukturierung, den Sparten- und berufsgruppenspezifischen Regelungen sowie den Besonderheiten des kirchlichen Dienstes. auszubauen. Dazu werde ich auch weiterhin Referenten einladen, die sowohl über ihre beruflichen Erfahrungen als auch über aktuelle und grundlegende anwaltliche Themen sprechen. j.maehl@roeverbroenner.de Eingängig und verständlich bereitet die Autorin Schlewing die schwierigen Eingruppierungsgrundsätze auf. Dies gilt ebenfalls für die Ausführungen zu den Sparten- und berufsgruppenspezifischen Regelungen im öffentlichen Dienst. Darin arbeitet der Autor Vogel etwa für die Krankenhäuser fundiert und mit Blick für das Wesentliche die facettenreichen tariflichen Regelungen und arbeitsrechtlichen Probleme heraus. Die im Fließtext fettgedruckten Schlagwörter erleichtern die gezielte Suche. Hilfreich sind die Checklisten, optisch hervorgehobenen Formulierungsmuster, Hinweise, Schaubilder und Berechnungsbeispiele. Der Fußnotenapparat zitiert neuere Rechtsprechung. Das detaillierte Stichwortverzeichnis rundet das Werk ab. Fazit: Den Autoren gelingt ein fundiertes Handbuch für den schnellen Zugriff. Es beschränkt sich auf das Wesentliche, ohne die wissenschaftliche Gründlichkeit zu vernachlässigen. Es dient einerseits der Einarbeitung. Andererseits ist der erfahrene Anwalt dankbar für das profunde Nachschlagewerk. Ohne Zweifel hat das Handbuch „Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst“ das Zeug zum Standardwerk und besetzt eine Nische in der Arbeitsrechtsliteratur. Unter der Herausgeberschaft von Rechtsanwalt Prof. Dr. Stefan Lunk besteht das Autorenteam aus ausschließlich im Arbeitsrecht tätigen Praktikern aus der Anwaltschaft, Unternehmensjuristen, Richtern und Hochschullehrern. Das Charakteristikum des Werks: Die Vertragsmuster und Schriftsatzformulare sind eingebettet in vielfältige praxisrelevante Hinweise und rechtliche Grundlagen, Praxistipps (nicht nur zur Haftungsvermeidung), Checklisten, Literatur- und Rechtsprechungshinweisen. Aufgeteilt ist das Formularbuch in drei Paragrafen, denen je eine ausführliche Gliederung vorausgeht. Der Schwerpunkt ist §1 zum Individualarbeitsrecht. Der Aufbau folgt dem Ablauf des Arbeitsverhältnisses von der Anbahnung über den Arbeitsvertrag bis zu dessen Beendigung und Abwicklung. Darin besonders hervorzuheben sind die Kapitel der Arbeitsvertragsklauseln, in dem ca. 140 Klauseln mit prägnanten Erläuterungen und diversen Formulierungsvorschlägen vorgestellt sind, und zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. § 2 widmet sich dem Kollektivarbeitsrecht mit umfangreichen Ausführungen und Mustern zum Betriebsverfassungsrecht, zum Betriebsübergang und zum Arbeitsrecht in der Insolvenz. Das Prozessrecht mit detaillierten Erläuterungen des wichtigen Kündigungsschutzprozesses, Anträge im Beschlussverfahren und der einstweilige Rechtsschutz sind in § 3 verortet. Unter taktischen Aspekten ist dieser Teil für den nicht immer im Arbeitsrecht tätigen Anwalt wichtig. Die 483 Muster und Schriftsatzbeispiele sind auf der beigefügten CD-ROM abrufbar und in die eigene Textverarbeitung einzuarbeiten. Fazit: Die AnwaltFormulare Arbeitsrecht sind ein außergewöhnlich gelungenes Werk und für eine hochwertige arbeitsrechtliche Beratung unabdingbar. Das Konzept, die Muster mit den praxisnahen Erläuterungen und rechtlichen Grundlagen zu verknüpfen, überzeugt sehr. Hiermit wird ein echter Mehrwert für die effektive Mandatsarbeit erzielt. In 10 Kapiteln stellt das übersichtlich gegliederte Handbuch die typischen arbeitsrechtlichen Konfliktfelder dar, dabei zunächst dem Gang des Mandats folgend. Am Anfang stehen Mandatierung und vorgerichtliche Vertretung (§ 1). Sodann steht u. a. das arbeitsrechtliche Urteils- und Beschlussverfahren im Fokus (§ 2). Hieran schließen sich Ausführungen zum äußerst praxisrelevanten Vergleich (§ 3) und ein kurzer Überblick zur Zwangsvollstreckung (§ 4) an. Die Folgekapitel befassen sich mit materiellrechtlichen Darstellungen zum Arbeitsverhältnis, chronologisch von der Anbahnung (§ 5) über Rechte und Pflichten (§ 6) bis hin zu Änderung und Beendigung (§ 7), ergänzt um die Themen Befristung (§ 8), Betriebsübergang (§ 9) und betriebliche Altersversorgung (§ 10). Die materiell- und prozessrechtlichen Ausführungen, die auch Fragen der Darlegungs- und Beweislast sowie sozial- und steuerrechtliche Aspekte integrieren, sind praxisnah aufbereitet und orientieren sich folgerichtig konsequent an der Rechtsprechung des BAG, bzw. ergänzend der Instanzgerichte. Von besonderem Wert sind die zahlreichen Praktikerhinweise der Autoren, die den Nutzer des Werks mit konkreten Handlungsoptionen inner- und außerhalb des Prozesses vertraut und ihn insbesondere auf haftungsrelevante Fallstricke bei der Bearbeitung des Mandats aufmerksam machen. Daneben unterstützen zahlreiche Musteranträge und -texte, Checklisten sowie themenbezogene Hinweise auf weiterführende Literatur und auf nützliche Webseiten die praktische Verwertung des im Handbuch dargestellten Inhalts. Fazit: Das Konzept, die materiellrechtlichen Fragen typischer arbeitsrechtlicher Problemfelder an prozessualen Konstellationen abzuhandeln und dem Nutzer des Werks Praktikerhinweise bezüglich der sich vor-, inner- und nachprozessual ergebenden Chancen und Risiken an die Hand zu geben, ist eine rundherum gelungene Synthese. Die Arbeit mit dem Handbuch ist kenntnisfördernd und gewinnbringend, das Werk somit einer Kaufempfehlung wert. RA Jens David Runge-Yu, Freiburg i. Br. RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock ADVOICE 02 /11 59 Bücher-FORUM Fachanwaltshandbuch Handels- und Gesellschaftsrecht Thomas Wachter (Hrsg.), 2. Aufl. 2010, 3.621 S., mit CD-ROM, 178,00 EUR, ZAP Verlag (LexisNexis) Das Fachanwaltshandbuch Handels- und Gesellschaftsrecht von Thomas Wachter gliedert sich in die drei Bereiche Handelsrecht, Gesellschaftsrecht und berufsrechtliche Aspekte, wobei der mittlere naturgemäß aufgrund des umfangreicheren Stoffes der mit Abstand größte ist. Im ersten Teil behandelt das Buch auf rund 430 Seiten alle relevanten handelsrechtlichen Themen, wie etwa den Kaufmannsbegriff, die Prokura, die Firma, das Handelsgeschäft und das Handelsvertreterrecht. Der dritte Teil informiert auf rund 50 Seiten über die Voraussetzungen und das Verfahren zur Erlangung des Fachanwaltstitels. Dazwischen befasst sich der umfangreiche mittlere Teil zunächst mit den verschiedenen Gesellschaftsformen und widmet sich dann einzelnen konkreten rechtlichen Sachverhalten (z. B. Umstrukturierung, Unternehmenskauf, Nachfolge). Aber auch Bezüge zu anderen Rechtsgebieten wie dem Familienrecht (z. B. Unternehmensbewertung, Ehevertrag, Regelungen zum Zugewinnausgleich) und dem Bilanz- und Steuerrecht werden hergestellt. Das Buch bietet eine schnelle Orientierung und liest sich flüssig. Die Sätze sind bewusst kurz gehalten, Schachtelsätze werden vermieden. Fachbegriffe werden zunächst umschrieben und anschließend in Klammern genannt. Eingeschobene Kästchen enthalten Hinweise für die Praxis und an entsprechenden Stellen werden – grau hinterlegt und unter Verweis auf die beiliegende CD – Formulierungsbeispiele gebracht. Angenehm ist auch, dass jeweils die maßgebenden Gesetzesparagraphen genannt und – wo sinnvoll – Querverweise (z. B. zur Kaufmannseigenschaft) oder Verweise zu benachbarten Rechtsgebieten (z. B. Notwendigkeit familienrechtlicher Genehmigungen) gemacht werden. Die zahlreichen Hinweise, Checklisten, Tabellen und zusätzliche Randthemen wie z. B. Beurkundungen und Finanzierungen bieten eine echte Hilfe. Fazit: Das Fachanwaltshandbuch Handels- und Gesellschaftsrecht des Münchner Notars Thomas Wachter liegt nun in 2. Auflage vor und überzeugt als „junges“ Buch durch seine Aktualität und seine z. T. namhaften Autoren wie Dr. Heribert Heckschen. Zahlreiche Gesetzesänderungen der letzten Zeit (z. B. MoMiG, ARUG, BilMoG) konnten berücksichtigt werden, so dass die Informationen auf dem aktuellen Stand von Gesetz und Rechtsprechung sind. Auf Grund seiner Klarheit, seiner inhaltlichen Breite und der vielen Praxistipps ist es nicht nur für angehende Fachanwälte, sondern auch für er fahrene Praktiker ein empfehlenswertes Nachschlagewerk und rechtfertigt den Preis von 178,00 €. Kommentar zum SGB VII Eichenhofer/Wenner (Hrsg.), 1. Aufl. 2011, 1.124 S., 119,00 EUR, Luchterhand Verlag Der seit Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs bestehende, von Georg Wannagat begründete und bislang als Loseblattwerk erscheinende Kommentar zum Recht der gesetzlichen Unfallversicherung erscheint nun erstmals in gebundener Form. Die Herausgeber und der Verlag tragen damit den heutigen Informationsbedürfnissen sowie den Erwartungen der Praxis Rechnung. Kostenbelastung durch etwaige Ergänzungslieferungen sowie die Bindung von Arbeitskraft durch die Einordnung dieser gehören damit der Vergangenheit an und verschaffen dem „Eichenhofer/ Wenner“ einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Kasseler „Loseblattkonkurrenz“. Der Kommentar selbst berücksichtigt das Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz sowie die aktuellen Änderungen durch das Dritte Gesetz zur Änderung des SGB IV. Die Kommentierung der einzelnen Normen des SGB VII ist sehr übersichtlich gehalten, in der Regel steht der Kommentierung der jeweiligen Norm eine Inhaltsübersicht voran. Die Erläuterungen überzeugen besonders auch durch ihre leichte Verständlichkeit und gute Lesbarkeit, die es dem Anwender ermöglichen, sich schnell und zielsicher innerhalb der Kommentierung zu bewegen und die gesuchten Informationen zu finden. Die materiellrechtlichen Erläuterungen zu den einzelnen Normen sind insgesamt sehr gut gelungen. Besonders positiv sind die Ausführungen zu § 8 hervorzuheben. Der anwaltliche Praktiker, der mit der Geltendmachung von Rechten aus einem Arbeitsunfall mandatiert ist, findet hier das Wesentliche kompakt erläutert. Alle regelmäßig wiederkehrenden Fragen rund um den Arbeitsunfall werden zuverlässig beantwortet. Der Rechtsanwalt findet so eine überaus effektive Arbeitshilfe für den täglichen Einsatz. Einziger kleiner Kritikpunkt ist das Fehlen der Berufskrankheiten-Verordnung. Der Abdruck der BKV wäre für den täglichen Einsatz wünschenswert gewesen, da dies die Arbeit in Zusammenhang mit einem Berufskrankheitenmandat insoweit erleichtert hätte, als man nicht ein weiteres Werk in die Mandatsbearbeitung einbinden müsste. Fazit: Insgesamt ist der „Eichenhofer/Wenner“ jedoch ein sehr gelungener Kommentar zum SGB VII und stellt eine echte Alternative zum Kasseler Kommentar dar. Wer dann noch ein gebundenes Werk einem Loseblattwerk vorzieht, wird im „Eichenhofer/Wenner“ ein hervorragendes Werkzeug für die tägliche Arbeit finden. Bücher-FORUM Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen Fachanwaltskommentar Erbrecht Medizinrecht VwVG VwZG Andreas Frieser (Hrsg.), 3. Aufl. 2011, 2.166 S., 144,00 EUR, Luchterhand Verlag Andreas Spickhoff (Hrsg.) 1. Aufl. 2011, 2.554 S., 178,00 EUR, Verlag C.H. Beck Gerhard Sadler, 7. Aufl. 2010, 694 S., 69,95 EUR, Verlag C.F. Müller Auf knapp 300 Seiten gibt Gerrit Langenfeld dem Leser einen roten Faden in die Hand, um unter anderem Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen erfolgreich zu überprüfen, zu beurteilen sowie zu entwerfen. Das Kompaktwerk Fachanwaltskommentar Erbrecht beinhaltet die Kommentierung aller erbrechtlich relevanten Vorschriften. So kommentieren die Autoren nicht nur das 5. Buch des BGB, sondern auch die erbrechtlichen Schnittstellen im BGB, im BeurkG, im HGB, in der HöfeO, im GrdstVG, in der InsO, in der ZPO, im FamFG, im RVG und im ErbStG. Das Werk beginnt mit den Grundlagen der Vertragsgestaltung, hier insbesondere mit den Besonderheiten des Ehevertrages und der Scheidungsfolgenvereinbarung. Auch dem im Familienrecht nicht schwerpunktmäßig tätigen Anwalt wird durch diese Erläuterungen der Einstieg ins Familienrecht erleichtert, zumal ergänzende Lektüre nicht notwendig ist. Im Anschluss werden die für die Praxis sehr wichtigen Teilgebiete des Familienrechtes erörtert. Neben Vereinbarungen zum Güterrecht führt der Autor die wichtigsten Gestaltungen zum nachehelichen Unterhalt, dem Versorgungsausgleichsanspruch auf. Bei keinem Kapitel fehlen hier die sehr hilfreichen Ausführungen und Kommentare, um die Folgen und Auswirkungen jeder Vereinbarung erfassen zu können. Die Vorauflage des Kommentars wurde im Hinblick auf die am 1.1.2010 in Kraft getretene Erbschaftsreform überarbeitet. Nach Inhaltsverzeichnis und Abkürzungsverzeichnis folgt eine Übersicht über die Erbrechtsreform 2010. So wird der Leser darauf hingewiesen, dass für erb- und familienrechtliche Ansprüche statt der bisher 30-jährigen Verjährungsfrist nunmehr auch die Regelverjährung von drei Jahren gilt. Ferner erfolgt ein Hinweis auf die Einführung der zeitabhängigen Abschmelzung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs in § 2325 II 1 BGB. Mit jedem Jahr, das zwischen dem Schenkungsvollzug und dem Erbfall verstreicht, mindert sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch um 1/10. In der Reihe Beck’sche Kurzkommentare ist Anfang 2011 der Kommentar Medizinrecht erschienen. Das Medizinrecht ist noch ein recht neues aber äußerst zukunftsträchtiges Rechtsgebiet mit einem kontinuierlich steigenden Beratungsbedarf. Dieser wachsende Beratungsbedarf rührt sicher aus dem permanenten medizinischen Fortschritt mit den damit einhergehenden besseren medizinischen Möglichkeiten sowie der demografischen Entwicklung her. Der Kommentar widmet sich zwei (Bundes-)Gesetzen, welche für die meisten Rechtsanwälte wohl eher Randerscheinungen sein werden, für die Verwaltung und die Ihnen gegenüberstehenden Rechtsanwälte und die damit befassten Richter aber von maßgeblicher Bedeutung sind: Das Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) und das Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG). Die Neuauflage wurde notwendig, um die zwischenzeitlich erlassenen Gesetzesänderungen und europarechtlichen Vorgaben sowie die neueste Rechtsprechung einzuarbeiten. Gerrit Langenfeld, 6. Aufl. 2011, 298 S., mit CD-ROM, 49,50 EUR, Verlag C.H. Beck Neben der Bezugnahme auf die aktuelle Rechtsprechung erläutert und führt der Autor die wichtigsten Formulierungen auf, welche dem Leser die Umsetzung im konkreten Fall – nicht zuletzt durch die beigefügte CD-ROM – erleichtern. In der Neuauflage wurden neben der Reform des familiengerichtlichen Verfahrens, der Reform des Versorgungsausgleichs und den Änderungen beim Zugewinnausgleich ebenfalls die Änderungen der Hausratsverordnung berücksichtigt. Im Anschluss an die jeweiligen Gesetzestexte folgen diverse Literaturhinweise und allgemeine Ausführungen, bevor die jeweilige Vorschrift in jedweder Hinsicht kommentiert wird. Fazit: Gerade im Bereich der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen ist es wichtig, den Mandanten umfassend über die Folgen und Auswirkungen der familienrechtlichen Regelungen zu beraten. Gerade im Hinblick auf Vereinbarungen im modifizierten Zugewinnausgleich gelingt dem Autor der Spagat zwischen hilfreichen Erläuterungen und Kommentierungen und den wichtigsten Formulierungen für die Umsetzung. Obwohl das Werk an einzelnen Stellen manche Punkte aufgrund der Fülle nur oberflächlich behandeln kann, bleibt es dennoch unentbehrlich als Arbeitshilfe für diejenigen, die sich mit Eheverträgen und Scheidungsvereinbarungen auseinanderzusetzen haben. Sowohl für den Berufsanfänger, als auch für den im Familienrecht langjährig tätigen Rechtsanwalt bietet das Werk eine gute Lektüre, um den Mandanten im Rahmen der Vertragsgestaltung zu beraten. Die Autoren des Kommentars sind auf dem Gebiet des Erbrechts erfahrene Praktiker und Wissenschaftler. Neben Fachanwälten für Erb-, Familien- und Steuerrecht und Notaren haben auch Richter, Rechtspfleger und Professoren an diesem umfassenden Kommentar zum Erbrecht mitgewirkt. RA Tobias Rist, Stuttgart RA Mathias Klose, Regensburg Das Werk enthält neben umfassenden Kommentierungen verschiedene Praxis- und Gestaltungshinweise, Musterformulierungen und Abrechnungsbeispiele. So enthält es auch ein umfassendes Muster einer Vorsorgevollmacht. Fazit: Die Kommentierung aller relevanten Vorschriften des Rechtsgebiets Erbrecht in nur einem Band stellt ein gelungenes und überschaubares, täglich einsetzbares Informationsund Nachschlagewerk für den auf dem Gebiet des Erbrechts tätigen Anwalt dar. RAin Inés Kraus, Mainz-Kostheim Ausweislich des Vorworts will der Kommentar dem medizinrechtlichen Praktiker helfen, das facettenreiche Rechtsgebiet zu erschließen, das in unterschiedlichsten Gesetzen kodifiziert ist. Das Autorenteam um den Herausgeber Andreas Spickhoff, bestehend aus Rechtsanwälten, Professoren, Richtern und Verwaltungsjuristen, steht aufgrund seiner langjährigen Erfahrung und wissenschaftlichen Reputation für eine hohe Bearbeitungsqualität. Das Werk überzeugt mit höchster Aktualität. Bei einem Stand von September 2010 ist das Gesetz zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24.7.2010 ebenso wie die Entscheidung des BGH zur Sterbehilfe bereits eingearbeitet. Es gelang sogar, schon einen Ausblick auf das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung – AMNoG zu geben. Die über 40 wichtigsten Regelungsbereiche/Gesetze des Medizinrechts sind vollständig oder in Auszügen in alphabetischer Reihenfolge kommentiert, etwa das Vertragsarztrecht, die zivilund strafrechtliche Arzthaftung, das Kranken- und Pflegeversicherungsrecht, das Grundgesetz, das Berufs- und Vergütungs recht, das Krankenhausrecht und das Medizinprodukte- und Apothekenrecht. Die Besonderheiten des zivil-, straf- und sozialrechtlichen Verfahrensrechts sind in eigenen Abschnitten verortet. Ein 54-seitiges Stichwortverzeichnis rundet den Kommentar ab. Fazit: In einem einzigen – umfangreichen – Band gelingt es dem Autorenteam, das weit verästelte Medizinrecht wissenschaftlich zu durchdringen, dabei aber die Praxis keinesfalls zu vernachlässigen. Mit dem klaren Aufbau bei den Kommentierungen und eindeutiger sprachlicher Darstellung eignet sich das Werk sowohl zur Einarbeitung als auch als Nachschlagewerk für die tägliche Beratung und Mandatsbearbeitung. Insbesondere Anwälten mit medizin-, gesundheitsoder sozialrechtlicher Ausrichtung und anderen mit dem Medizinrecht befassten Juristen ist die Arbeit mit dem neuen Kommentar sehr zu empfehlen. Sofern die Länder nicht auf das VwVG und das VwZG verweisen, sondern eigenständige Gesetze erlassen haben, differieren die einzelnen Landesgesetze untereinander bzw. gegenüber dem kommentierten VwVG allenfalls marginal, sodass im Falle des Handelns einer Landesbehörde die Ausführungen Sadlers ohne weiteres übernommen werden können. Weichen die landesgesetzlichen Regelungen ab, weist der Autor ausdrücklich darauf hin und gibt auch weitere Hinweise. Am Ende der Kommentierung zur jeweiligen Norm nennt der Autor die entsprechende Landesregelung, sodass das Suchen nach dieser dem Nutzer abgenommen wird. Die für Juristen so wichtigen Schlagworte werden jeweils fett gedruckt hervorgehoben. Dies erleichtert die schnelle Suche nach ihnen ungemein. Viele Absätze gewährleisten eine klare und übersichtliche Struktur und vereinfachen das Lesen erheblich. Weiterhin positiv sticht die zum Teil sehr umfangreiche Auflistung der Fundstellen insbesondere der Rechtsprechung aber auch der Literatur hervor. Wünschenswert wäre es jedoch, wenn die Darstellung der Fundstellen einheitlich erfolgen würde. Mal werden die Fundsstellen hintereinander, mal untereinander aufgelistet. Aber dies schmälert keinesfalls den positiven Eindruck dieses Buchs. Weiterhin befinden sich im Anhang unter anderem sechzig Muster mit Hinweisen, wie die jeweilige Behörde den Bescheid über die Zwangsmaßnahme in den verschiedensten Konstellationen aufzubauen hat. Insofern ist dieser Anhang auch für den Rechtsanwalt wertvoll, um sich dort einen Überblick nach möglichen Fehlern innerhalb des Bescheides verschaffen zu können. Fazit: Man merkt dem Buch sehr wohl an, dass es von einem Praktiker stammt und sich an Praktiker richtet. Wer sich mit der Materie näher befassen will oder muss, dem sei dieses Buch wärmstens ans Herz gelegt. Die gebotene Leistung wird dem Preis außerordentlich gerecht. RA Dirk Hofrichter, Strausberg RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock RAin Tanja Fuß, MPA, Stuttgart 60 ADVOICE 02 /11 ADVOICE 02 /11 61 Bücher-FORUM Autorenverzeichnis Internationales Strafrecht AnwaltKommentar Untersuchungshaft Creifelds Rechtswörterbuch Sabine Gless, 1. Aufl. 2010, 327 S., 54,00 EUR, Helbing & Lichtenhahn Verlag Stefan König (Hrsg.), 1. Aufl. 2011, 583 S., mit CD-ROM, 109,00 EUR, Deutscher AnwaltVerlag 20. Aufl. 2011, 1.500 S., 46,00 EUR, Verlag C.H. Beck Strafrechtsfälle mit grenzüberschreitenden Bezügen stellen in der Regel besondere rechtliche Herausforderungen dar. Die mit solchen Fällen einhergehenden Fragen erscheinen gerade jungen Juristen oft fremd und verwirrend. Es geht dabei um grundsätzliche Probleme wie: „Welches Recht ist anwendbar?“, „Wer übernimmt die Strafverfolgung?“ und „Inwieweit besteht eine Pflicht der nationalen Behörden zum Tätigwerden?“ Seit Jahresbeginn ist der AnwaltKommentar Untersuchungshaft erhältlich. Ein Schwerpunkt der Neuerungen in der Strafprozessordnung betraf den Vollzug der U-Haft. Nach der Föderalismusreform ist dieser in dem verfahrensbezogenen Regelungsbereich (StPO) und bezüglich des Vollzugs der U-Haft durch die LandesUntersuchungshaftvollzugsgesetze geregelt. Deutsch – Juristen, Juristen – Deutsch: In die Reihe der populären kleinen Übersetzungshilfen nicht nur für Fremdsprachen, sondern auch anderer Arten von Gegenpolen aus dem LangenscheidtVerlag würde auch der altbewährte Creifelds passen, um sowohl Nicht-Juristen als auch Juristen die mitunter komplizierte juristische Sprachwelt zu erläutern. Das Werk kommentiert das gesamte Untersuchungshaftrecht, das sich bezüglich der Landes-Untersuchungshaftvollzugsgesetze an dem Musterentwurf für ein Untersuchungshaftvollzugsgesetz (ME UVollzG) anlehnt. Diesem – von 12 Ländern erarbeiteten Entwurf – folgt der größte Teil der Länderkodifikationen mit geringen Abweichungen. Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Niedersachen und Nordrhein-Westfalen scherten aus und legten eigene in Aufbau und Systematik abweichende Gesetze vor. Diese Landesgesetze sind in dem Kommentar an entsprechender Stelle im Kontext der Vorschriften des ME UVollzG erläutert. Der Creifelds sorgt auf 1.500 Seiten in nunmehr 20. Auflage für den notwendigen Durchblick. Angefangen von A wie Abänderungsklage bis zu Z wie Zwölftafelgesetz und darüber hinaus auch mit einem Anhang mit fünfzehn Schaubildern oder Beispielen. Man erfährt nicht nur die Bedeutung von Begriffen wie Plagiat, Handelsbrief oder Forstrügesachen, sondern erhält auch jeweils eine teilweise ausführliche Umschreibung. So findet sich unter dem Stichwort „Form(-erfordernisse, -vorschriften)“ eine mehr seitige Erklärung, der es auch an Rechtsprechungsnachweisen zum Thema Oberschrift bei Bank-Überweisungsformularen nicht mangelt. Das Lehrbuch von Sabine Gless eignet sich hervorragend für einen ersten Einstieg in die Materie sowie zur Auffrischung bestehender Grundkenntnisse. Es erfordert vom Leser gerade kein besonderes Vorwissen im Internationalen Strafrecht und bietet einen grundsätzlichen Überblick über diesen immer bedeutender werdenden Bereich des Rechts. Ziel des Buches ist es, die notwendigen Überlegungen in Zusammenhang mit Strafrechtsfällen mit Auslandsbezug zu strukturieren. Das Buch ist keine Fallsammlung und kein Übungsbuch. Es geht gerade nicht darum, einzelne Fallbeispiele detailliert zu lösen. Vielmehr soll der Leser ein Gespür dafür entwickeln, wo die generellen Problemfelder und Herausforderungen für die Beteiligten liegen. Dabei folgt das Lehrbuch in seiner Systematik der traditionellen Einteilung des Internationalen Strafrechts. In klarer Sprache fin den sich Ausführungen zum Strafanwendungsrecht („Besteht ein Strafverfolgungsanspruch eines Staates?“), zur Rechtshilfe in Strafsachen („Bedarf es zur Durchsetzung eines Strafverfolgungsanspruches einer Unterstützung durch andere Staaten?“) und zum Europäischen Strafrecht („Verlangen übergeordnete europäische Rechtsvorgaben ein bestimmtes Vorgehen?“). In einem großen Abschnitt zum Völkerstrafrecht wird darüber hinaus ein Überblick über die Entwicklung und den derzeitigen Stand im einschlägigen Völkerrecht gegeben. Hierbei geht es im Wesentlichen um die Frage: „Besteht ein internationaler Strafanspruch?“ Die Autoren um Herausgeber Stefan König entstammen der Anwaltschaft, der Justizvollzugsverwaltung, der Richterschaft und Wissenschaft. Der AnwaltKommentar Untersuchungshaft verfolgt zweierlei Ziele. Zunächst soll er eine an der Praxis orientierte – konzentrierte – Kommentierung bieten. Des Weiteren soll auf die sich erst langsam entwickelnde Rechtsprechung zum Untersuchungshaftvollzug eingewirkt werden und Ansätze für bisher ungelöste Fragen geboten werden. Diese sind von einer liberalen Auslegung der auch nach einer Inhaftierung dem Verdächtigten verbleibenden Freiheitsrechte geleitet. Insofern wundert es nicht, dass die Autoren recht kritische Anmerkungen zu verschiedenen Neuregelungen des Untersuchungshaftrechts einfließen lassen. Kommentiert sind die Vorschriften des ME UvollzG und die maßgeblichen StPO-Normen (§§ 112-130, 140, 141 und 147148a). Den Erläuterungen ist der Gesetzestext mit einer Gliederung vorangestellt. Allgemeine Hinweise folgen, bevor der Regelungsgehalt der Norm beleuchtet wird. Innerhalb der Kom mentierungen zum ME UvollzG schließen sich Ausführungen zu anderen Landesgesetzen mit abweichenden Regelungen an. Eine Synopse der abweichenden Ländergesetze und das Stichwortverzeichnis runden das Werk ab. Die beigefügte CD-ROM umfasst die bis zum 01.11.2010 verabschiedeten Landesgesetze zur U-Haft. Fazit: Die Autorin war von 1997 bis 2005 als Referentin am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Recht, Sachgebiet Europa, Länderreferat Schweiz, tätig. Seit 2005 ist sie Professorin für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Basel. Folglich weist das Buch an verschiedenen Stellen einen besonderen schweizerischen Bezug auf. Ein eigenes Kapitel ist zum Beispiel der Zusammenarbeit der Schweiz mit der EU und ihren Mitgliedstaaten gewidmet. Gerade der internationale Teil des Lehrbuchs ist allerdings auch für deutsche Leser ausgezeichnet zu verwenden. Fazit: Dem Spezialisten wie auch dem Junganwalt, der nicht immer als Strafverteidiger auftritt, ist die Nutzung des neuen AnwaltKommentars Untersuchungshaft im Interesse seiner Mandanten zu raten. RAin Angela Hubert, Schwäbisch Gmünd RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock 62 ADVOICE 02 /11 Der Creifelds fehlt wahrscheinlich in keiner Uni-Bibliothek einer juristischen Fakultät und dürfte den meisten Juristen auch als zuverlässiger Wegbegleiter durch den Begriffs-Dschungel in so mancher Hausarbeit gedient haben. Er eignet sich auch hervorragend für alle rechtsinteressierten Laien, da er auf eine verständliche, aber dennoch umfassende und korrekte Umschreibung setzt. 12.000 Stichworte lassen kaum eine Frage übrig. Fraglich ist aber dennoch, ob sich die Autoren einen Gefallen damit getan haben, einzelne Stichwörter zu „verstecken“. So findet sich beispielsweise der Vertrag von Lissabon weder unter „V“ noch unter „L“, sondern unter dem Stichwort Europäische Integration. Wer dies findet, darf sich glücklich schätzen. Im Anhang finden sich noch insgesamt 15 Übersichten – teils als Schaubilder, teils als Tabellen gestaltet. Diese veranschaulichen beispielsweise den Rechtsmittelzug von sechs verschiedenen Gerichtsbarkeiten und dürften sich eher an juristische Laien richten. Fazit: Bei 12.000 Stichwörtern deckt der Creifelds auch zahlreiche Begriffe ab, die einem Juristen nicht auf Anhieb geläufig sein dürften. Als Nachschlagewerk ist er ein zuverlässiger Begleiter. Wie andere Lexika dürfte der Creifelds künftig Schwierigkeiten haben, sich gegen Wikipedia oder andere Online-Lexika zu behaupten. Dr. med. Albrecht Lepple-Wienhues ist Privatdozent für Physiologie an der Universität Tübingen und Accountmanager bei einem führenden schweizer Medizingeräteentwickler. Er lebt im Jura in Frankreich. Patrick Ruppert ist seit 2002 Rechtsanwalt in Köln. Er hat sich auf medienund urheberrechtliche Fragestellungen spezialisiert. Neben dem Anwaltsberuf arbeitet er als freier Journalist und Autor. Er war vor Gründung seiner Kanzlei u. a. für die Deutsche Welle und den Deutschlandfunk tätig. www.lawyal.de Tobias Sommer ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht sowie Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz. Nach dem Jurastudium war er als freier Journalist für Tageszeitungen und das Fernsehen tätig. Seit 2006 ist er Chefredakteur der AdVoice. rechtsanwalt@RAsommer.de Corinna Unger ist seit 2007 selbstständige Rechtsanwältin in Gera mit dem Schwerpunkt Sozialrecht, insbesondere SGB II. Zudem ist sie Sozius der Kanzlei Unger, Wipper & Kollegen in Jena. www.ra-unger.eu Anke Schiller-Mönch, Anwältin mit eigener Kanzlei in Kromsdorf bei Weimar. Ihre Schwerpunkte sind Medien- und Urheberrecht sowie Sportrecht. Sie arbeitet zudem als freie Journalistin und berät Sportvereine und Unternehmen zum Thema Öffentlichkeitsarbeit. kanzlei.schiller-moench@arcor.de Toni Mahoni ist Frontmann der Toni-Mahoni-Band und schaffte es mit seinen Video-Blogs bis in die Tagesschau. Markenzeichen: rauchige Stimme, Tasse Kaffee, selbstgedrehte Zigarette. Er ist 1976 geboren und in BerlinKöpenick aufgewachsen. Sein Buch ist sein erster Ausflug in die Literatur. www.tonimahoni.com Theresa Nentwig ist in Arnstadt selbständige Rechtsanwältin mit Schwerpunkten im Familien-, Arbeits- und Arzthaftungsrecht. Zudem ist sie Vorstandsmitglied im Erfurter Anwaltverein und Regionalbeauftragte des FORUM für den LG Bezirk Erfurt. Kanzlei@nentwig-eckert.de Dr. Claudia R. Cymutta arbeitet als selbstständige Rechtsanwältin, Dozentin und Autorin in Mannheim. Ihre Schwerpunkte sind das Insolvenzrecht, Urheberrecht und die Beratung von Existenzgründern. Sie ist Mitglied im Beirat der Arbeitsgruppe Junge Insolvenzrechtler. info@kanzlei-cymutta.de Gabriele Knöpfle ist seit 2005 Anwältin und in Stuttgart als Fachanwältin für Verkehrsrecht tätig. Sie studierte in Augsburg und Lund/Schweden und ist für das FORUM Junge Anwaltschaft Regionalbeauftragte für den Landgerichtsbezirk Stuttgart. info@ra36.de Steffen Eube ist angestellter Jurist bei HDI-Gerling Firmen und Privat Versicherung AG und dort im Zentralen Underwriting VermögensschadenHaftpflichtversicherung tätig. Steffen.Eube@hdi-gerling.de Carsten Vyvers hat parallel zu seinem Studium eine Ausbildung als Speditionskaufmann absolviert. Er ist als Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht in einer Kanzlei in Frankfurt/M. beschäftigt. Er berät Unternehmen der Transport-, Speditions- und Logistikbranche. Carsten.Vyvers@arneckesiebold.de Ilka Spriestersbach ist seit 2005 zugelassene Rechtsanwältin in Koblenz und seit 2008 in eigener Kanzlei tätig. Ihre Schwerpunkte sind Mietrecht, Insolvenzrecht, Pferderecht und allgemeines Zivilrecht. Sie ist RB für den LG-Bezirk Koblenz und Mitglied in der ARGE Insolvenzrecht und Sanierung. info@kanzlei-spriestersbach.de RA Florian Wörtz, Stuttgart Volker Loeschner ist in eigener Kanzlei für Zahn- und Medizinrecht in Berlin im Arzthaftungs- und Versicherungsrecht tätig. Er berät Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Entwicklung des ersten Patientenrechtegesetzes, referiert und veröffentlicht in der Tagespresse und online. www.zahn-medizinrecht.de Schreibt für AdVoice! Eure Beiträge schickt bitte an: > redaktion@davforum.de ADVOICE 02 /11 63 Service Wo ist der Gerichtsbriefkasten? ADVOICE 03/11 Erlebt von RA Tobias Sommer, Berlin Das Ziel: Einwurf eines fristwahrenden Mahnbescheidantrags beim Zentralen Mahngericht Berlin, dem Amtsgericht Wedding, Adresse Schönstedter Str. 5. Laut Internet ist dies auch der Standort des Briefkastens. Problem 1: An der Adresse Schönstedter Str. 5 steht ein Briefkasten mit dem deutlichen Hinweis Kein Einwurf bitte. (Foto 1) Problem 2: Am Mahngericht an der Adresse Schönstedter Str. 5 ist kein anderer Briefkasten zu finden. Gedanke: Bei verschuldeten Verspätungen könnte die Frist nicht gewahrt sein. Problem 4: Was gilt beim Einwurf eines fristwahrenden Briefes in den falschen Briefkasten beim richtigen Gericht? Kann diese Frage überhaupt vor Ort gelöst werden? Gedanke: Aufgeben gilt nicht, noch mal bei der Schönstedter Str. 5 gucken. Gedanke: Mal beim AG Wedding gucken, Adresse: Brunnenplatz 1. Schließlich ist das AG Wedding ja das Zentrale Mahngericht. Wer lange genug sucht, der findet auch die Erklärung für den fehlenden Briefkasten an der richtigen Adresse und die Lösung für alle Probleme, und zwar gut getarnt von innen an eine der verschlossenen Türen geklebt. (Foto 3) Problem 3: Deutlicher Hinwies am Briefkasten des AG Wedding (Foto 2). Was genau bedeutet „schnellere Erstbearbeitung“? Kann ich den Brief fristwahrend hier einwerfen? Das Fazit: Auch beim Einwurf fristwahrender Schreiben in einen Gerichtsbriefkasten sollte eine Zeitreserve eingeplant werden. Entfernung zwischen den beiden Adresse: 100 Meter. Mich frisst die Frist Haareraufend wird jeder Anwalt zuweilen stöhnen: Mich frisst die Frist! Mit der Psychologie des Fristendrucks, mit praktischen Tipps zum Fristenkalender, Art und Gattung von Fristen, Wiedereinsetzungsmöglichkeiten und Geschichten aus dem Leben eines Fristenjägers und Vielem mehr aus der unerschöpflichen Fristenvielfalt wird AdVoice sich in seiner SeptemberAusgabe auseinandersetzen. Über Themenvorschläge freut sich die Redaktion unter: AUF DER EINEN SEITE GÜNSTIG. AUF DER ANDEREN EXKLUSIV. DIE PRIVATE GRUPPENVERSICHERUNG FÜR RECHTSANWÄLTE. en! att Wart t s n e t r a Durchst e n Sie Ihr fo r m ! Gestalte dheitsre n u s e G eigene > advoiceredaktion@davforum.de Gestalten Sie als Rechtsanwalt ihre eigene Gesundheitsreform! Redaktionsschluss: Heft 2/2011 (Juni-Ausgabe), 22. Juli 2011 Impressum: Redaktion: Stefanie Salzmann, RAin Anke Schiller-Mönch, RA Patrick Ruppert, RA Volker Loeschner / Bildredaktion: Andrea Vollmer / Bücherforum: RA Jens Jenau / V.i.S.d.P.: RA Tobias Sommer (Chefredakteur) Anschrift wie Herausgeber Fotos S. 2: Stephan Eichler, Stefan Höderath Herausgeber: Geschäftsführender Ausschuss des FORUMs Junge Anwaltschaft im DAV, Berlin Littenstraße 11, 10179 Berlin, Tel. 030/7261520 Erscheinungsweise: vierteljährlich (März / Juni / September / Dezember) Es gilt die Anzeigenpreisliste 1/2011 1 2 Anzeigen: sales friendly Verlagsdienstleistungen, Bettina Roos Siegburger Str. 123, 53229 Bonn Tel. 0228/97898-10, Fax: 0228/97898-20 E-Mail: roos@sales-friendly.de Bezugspreis: 48,00 Euro (inkl. MwSt.) zzgl. Versandkosten für 4 Ausgaben / Einzelheft: 14,50 Euro / Für Mitglieder des FORUMs Junge Anwaltschaft im Deutschen Anwaltverein ist der Bezug der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag enthalten. ISSN 1437-3084 Mit der Gesundheitsreform 2011 sind einige nachteilige Neuregelungen für gesetzlich Versicherte verbunden, z. B. höhere Beiträge und Einschränkungen bei den Wahltarifen. Gute Neuigkeiten gibt es für freiwillig versicherte Angestellte: die Bedingungen für einen Wechsel in die Private werden deutlich erleichtert. Die DKV setzt mit einzigartigen Produkten immer wieder Maßstäbe und bietet Ihnen als Nr. 1 unter den privaten Krankenversicherungen ein herausragendes Rundum-Paket an Sicherheit, Service- und Behandlungsqualität Informieren Sie sich jetzt über Ihre Möglichkeiten in die Private zu wechseln oder die Lücken des gesetzlichen Krankenversicherungsschutzes durch wirkungsvolle Zusatztarife zu schließen. Der Gruppenversicherungsvertrag für Rechtsanwälte bietet Ihnen und Ihrer Familie dafür günstige Konditionen: BEITRAGSNACHLÄSSE ANNAHMEGARANTIE UND KEINE WARTEZEITEN. Ja, ich möchte mehr über die geplante Gesundheitsreform und das Angebot der DKV für Rechtsanwälte wissen. Einfach ausschneiden und faxen: 02 21 / 5 78 21 15 Oder per Post an: DKV AG, R2GU, 50594 Köln, Telefon 02 21 / 5 78 45 85, www.dkv.com/rechtsanwaelte, rechtsanwalt@dkv.com Name Straße, PLZ, Ort Geburtsdatum E-Mail Telefon privat Telefon beruflich Layout / Satz: gudman design weimar, www.gudman.de Lektorat: Nora Döring, BILDART angestellt selbstständig AV-0211 Druck: Liebeskind Druck, Apolda 3 64 ADVOICE 02 /11 Artikel und Beiträge sind Meinungsäußerungen der Autoren und geben nicht immer die Meinung der Redaktion bzw. des Deutschen Anwaltvereins und seiner Gremien wieder. Ich vertrau der DKV » Ich habe mich für ra-micro entschieden, weil ich der festen Überzeugung bin, dass ein guter Anwalt auch ein guter Manager sein sollte » K nz Ka nzle leii Eh Ehrllic i h, h Gri rimm mma a Eine von 69 neuen ra-micro Kanzleien im Monat März 2011. www.ra-micro.de