Ist der Flächentarifvertrag für den Einzelhandel noch zu retten?
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Ist der Flächentarifvertrag für den Einzelhandel noch zu retten?
Ist der Flächentarifvertrag für den Einzelhandel noch zu retten? Rahmenbedingungen und Konturen einer Entgeltstrukturreform Peter Kalkowski1 (November 2008) 1 Peter Kalkowski, Jg. 1952, Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen, Friedländer Weg 31, 37085 Göttingen. E-Mail: Peter.Kalkowski@sofi.uni-goettingen.de. Das Paper ist im Rahmen eines Projekts entstanden, das von 2002 bis Mitte 2006 von der Hans Böckler Stiftung und der Bertelsmann Stiftung und von Mitte 2006 bis Mitte 2008 allein von der Hans Böckler Stiftung gefördert wurde. 1 Ist der Flächentarifvertrag für den Einzelhandel noch zu retten? Rahmenbedingungen und Konturen einer Entgeltstrukturreform Zusammenfassung - Seit mehreren Jahren arbeiten die Tarifparteien des Einzelhandels an einer Reform der kollektivvertraglichen Entgeltregelungen, die den veränderten Arbeitsanforderungen in der Branche Rechnung tragen und den Flächentarifvertrag stärken soll. Der Aufsatz beschreibt Anlass und Rahmenbedingungen des Reformvorhabens, dessen Organisation, Arbeitsweise und die inhaltlichen Auseinandersetzungen um die Ausgestaltung des geplanten neuen Entgeltsystems. Für die fachliche Unterstützung und zur Überwindung der verfestigten Kommunikationsbarrieren zwischen den Tarifparteien und den daraus resultierenden tarifpolitischen Innovationsblockaden wurde ein Projekt namens „Innovative Tarifpolitik“ aufgesetzt. Der Aufsatz diskutiert, was das Projekt bisher zu leisten vermochte und welche Hindernisse der praktischen Umsetzung der Tarifreform entgegen stehen. Gegenwärtig ist ungewiss, ob die Entgeltbedingungen im Einzelhandel trotz der Bemühungen darum in nächster Zeit überhaupt noch per Flächtarifvertrag reguliert werden. Abstract - Since several years the collective bargaining parties of the German retail industry are concerned with a reform of the collective-contractual payment regulations. The reform should take into account the branch-specific changes of work requirements and also strengthen the collective wage agreement between the employers' association and the trade union. The article describes the causes and the basic conditions of the proposed reform, its organisation, its mode of operation and the contending claims of both parties. The project "Innovative Wage Policy" was formed to serve as a technical support. It was also drawn up to overcome the communication barriers between the trade union and employers' associations and the resulting innovation blockades. The article discusses the performance of the project and the obstacles that hinder the practical realization of the wage reform. In spite of all efforts, it is currently uncertain, whether in the next future the pay conditions in the retail industry will be regulated by collective agreements between the employers' association and the trade union. Key words: Retail Industry, Collective Bargaining, Wage System, Innovative Pay Policy 2 1. 2. Einleitung Die Vorgeschichte 4 Die Aushandlungskonstellation im Einzelhandel 6 Rahmenbedingungen und Rahmendaten der Entgeltreform 2.1. Wirtschaftliche und strukturelle Entwicklung der Branche 9 9 Stagnierende Umsätze 10 Unternehmenskonzentration^ 10 Verschiebungen zwischen den Vertriebslinien 10 Ausweitung der Verkaufsflächen und sinkende Anzahl der Verkaufsstellen 11 Entwicklung der Beschäftigung 11 Gender 12 2.2. Tarifpolitische Rahmenbedingungen 3. 4 13 Tarifpolitische Aushandlungsstrukturen 13 Tarifpolitisches Neuland im Einzelhandel 14 Betriebsratsfreie Betriebe und tendenziell überforderte Betriebsräte 15 Ladenöffnungszeiten und steigende Streikbereitschaft 16 Begründungen der entgeltpolitischen Positionen 17 Geringfügige Beschäftigung und Auseinandersetzungen um den Mindestlohn 18 Überkommene Tarifstrukturen – Reformbedarf und –perspektiven 20 Die geltenden tariflichen Entgeltstrukturen 20 Motive der Entgeltstrukturreform aus Arbeitgeber- und Gewerkschaftssicht 22 Reformperspektiven – Grundanforderungen an das neue Entgeltsystem 24 Pro und Contra analytische Arbeitsbewertung 25 4. Das Projekt „Innovative Tarifpolitik“ 27 4.1 Ein Ansatz zur Unterstützung eines tarifvertraglichen Reformvorhabens 27 4.2. Konflikte und Brennpunkte der Auseinandersetzung 31 Tarifvertragliche Regelung variabler Entgeltbestandteile 31 Erarbeitung der Entgeltstruktur - Brennpunkte der Auseinandersetzung 32 Die Kategorie „Belastungen“ 33 Die Anforderungskategorie „fachliche Kompetenz“ vs. „formale Qualifikationen“ 33 Die Anforderungskategorie „soziale Kompetenz“ 34 Die Anforderungskategorie „Verantwortung“ 34 Die Anforderungskategorie „körperliche Anforderungen“ 35 Zum Stand der Arbeit an den Denkankern 36 5. Umsetzungsbedingungen und –probleme 36 6. (Zwischen-) Resümee: Nach Art einer „Wiederkehr des Verdrängten“? 39 3 7. Literatur 1. Einleitung 42 Die Vorgeschichte Seit geraumer Zeit sehen sich Tarifparteien in unterschiedlichen Branchen veranlasst, die kollektivvertraglichen Entgeltregelungen zu überarbeiten. Es geht dabei im Kern um das heikle Geschäft einer grundlegenden Neuordnung der tariflichen Entgeltstrukturen. Prominente Beispiele dafür sind (1) der bereits 1987 für die ca. 500.000 Beschäftigten der Chemieindustrie abgeschlossene Bundesentgelttarifvertrag (BETV Chemie), der mittlerweile überarbeitet wird, (2) die Tarifverträge zum Entgeltrahmen für die ca. 3,5 Mio. Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie (ERA-TV), der sich nach mehr als zwei Jahrzehnte dauernden Verhandlungen seit 2006 in der Umsetzung befindet und spätestens 2009 in allen elf Tarifgebieten spezifisch ausgestaltet und umgesetzt sein soll, und (3) der Ende 2005 in Kraft getretene Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) für die ca. 1,3 Mio. Beschäftigten der Bundes- und Kommunalverwaltungen.2 Der Einzelhandel ist mit 2,6 Mio. Beschäftigten eine der größten per Flächentarifvertrag regulierten Branchen. Das Niveau und die Struktur der Vergütung stehen neben Arbeitszeitfragen bereits seit Jahrzehnten im Brennpunkt der tarifpolitischen Auseinandersetzungen dieser Branche, in der mehr als zwei Drittel der Beschäftigten Frauen sind, seit 2001 Teilzeit das dominierende Arbeitsverhältnis ist und der Anteil geringfügiger und prekärer Beschäftigung steigt (Voss-Dahm 2005, 2006). Der Niedriglohnanteil unter den Vollbeschäftigten liegt im Einzelhandel inzwischen bei 33% (Bosch/ Kalina 2005).3 Der Anteil der Minijobber in der Branche beträgt ca. 30%, und „in einem Minijob verdient (fast) jede/r schlecht“ (Kalina/ Weinkopf 2006: 1).4 Im Einzelhandel findet zudem ein rascher von Verdrängungswettbewerb und Konzentrationsprozessen gekennzeichneter Strukturwandel statt (Wortmann 2003, Warich 2008, HDE 2007), in dem Personalkosteneinsparungen eine zentrale strategische Variable sind. Die Entgeltbedingen der Angestellten im Dienstleistungsbereich hinken traditionell hinter denen der Industriebeschäftigten her (Weith 2006). Die Gewerkschaft HBV, die 2001 in 2 Im öffentlichen Dienst gibt es insgesamt 3,7 Mio. Tarifbeschäftigte. Die deutschen Länder waren an den Verhandlungen des TVöD nicht beteiligt, haben aber Mitte Mai 2006 einen eigenen Tarifvertrag, den TV-L, unterzeichnet. 3 Als Niedriglohngrenze gilt dabei in Anlehnung an die OECD-Definition ein Bruttostundenlohn von unter zwei Drittel des Median-Stundenlohns. 4 Zur Verbreitung und Ausgestaltung geringfügiger Beschäftigung im Einzelhandel vgl. Benkhoff/ Hermet 2008. 4 ver.di aufgeht, macht sich deshalb Ende der 70er Jahre für die Nivellierung der Einkommensstruktur durch Verringerung der Differenz zu den Einkommen in der Industrie und durch eine überproportionale Anhebung der unteren Einkommen stark. Sie band ihre Tarifforderungen stets an die meistbelegte Gehaltsgruppe der Verkäuferinnen, die als Eckgehalt und darüber hinaus organisationspolitisch einen hohen Stellenwert hat. Mitte der 90er Jahre traten die HBV und DAG mit einer größeren Kampagne für eine höhere Bewertung der Tätigkeiten im Einzelhandel ein, prangerten die Entgeltdiskriminierung der Frauen an und forderten ein tarifliches Mindestgehalt. Konträr dazu drängten die Arbeitgeber Ende der 90er Jahre verstärkt auf eine Absenkung des Tarifgefüges sowie auf eine stärkere Entgeltdifferenzierung und -spreizung vor allem im Bereich der unteren Tarifgruppen. In der Tarifrunde 1999 forderten sie die Einführung neuer unterer Tarifgruppen unterhalb der Einstiegsgehälter. HBV und DAG lehnten es zwar ab, darüber zu verhandeln. Gleichwohl beinhaltete der erste in dieser Tarifrunde (in Berlin) zustande gekommene Abschluss eine Absenkung der unteren Lohngruppe. Der Hauptvorstand der HBV distanzierte sich davon und sprach ihm jede Pilotfunktion ab. Pilotfunktion übernahm schließlich ein Abschluss (in Bayern), der die unteren Tarifgruppen unangetastet ließ. Vereinbart wurde vor diesem Hintergrund und zu diesem Zeitpunkt aber auch: „Die Tarifparteien kommen überein, nach Abschluss des Lohn- und Gehaltstarifvertrags 1999, für neue Entgeltstrukturen einzutreten. Ziel ist es, die tariflichen Strukturen zu überarbeiten, um den gewandelten Bedingungen im Einzelhandel, den Anforderungen der Unternehmer und den Erwartungen der Arbeitnehmer gerecht zu werden“ (ver.di Tarifarchiv 30.09.1999). Das Jahr 1999 markiert aber noch aus einem anderen Grund einen Einschnitt in die tarifpolitische Entwicklung des Einzelhandels. Um die Verbandsflucht und den Mitgliederschwund aufzuhalten, führten die Arbeitgeberverbände in diesem Jahr die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft) ein und kündigten an, künftig nicht mehr für die Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) der Tarifverträge einzutreten, die bis dahin der direkten Unterbietungskonkurrenz tariflicher Mindestbedingungen und dem Lohndumping Grenzen setzte. Nach dem Wegfall der AVE und der Einführung der OTMitgliedschaft nahm der Druck auf die Löhne und Gehälter zu. Dadurch gewann das Projekt einer Reform der Entgeltstrukturen auch für die Gewerkschaften noch einmal an Nachdruck. Wenngleich die Arbeitnehmer und deren Interessenvertreter befürchten mussten, dass die veränderten brachenwirtschaftlichen und tarifpolitischen Rahmenbedingungen eher zur Schwächung ihrer Verhandlungsposition beigetragen haben, konnten und wollten sie nicht 5 mehr in der Verteidigung der etablierten und juristisch abgesicherten, „gerichtsfesten“ Entgeltbedingungen verharren, sondern waren zum (Ver-) Handeln genötigt. Nachdem sich die Arbeitgeber im Verlauf der Tarifrunde 1999 noch weigerten, getrennt von den Entgelttarifverhandlungen mit der HBV und DAG über eine strukturelle Reform der Tarifverträge zu verhandeln, setzt sich schließlich auf beiden Seiten die Überzeugung durch, dass die Erarbeitung eines neuen Entgeltsystems eine komplexe und komplizierte Aufgabe ist, die nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn sie in einem von den regulären Tarifverhandlungsstrukturen (teil-) entkoppelten Projekt bearbeitet und für die Moderation und fachliche Unterstützung externe Expertise einbezogen wird. Die Aushandlungskonstellation im Einzelhandel Weil Entgeltsysteme den Wert der Arbeitskraft und die Verteilungsrelationen zwischen den Arbeitnehmern festlegen und auch für Arbeitgeber eine ordnungspolitische Funktion haben, sind sie im besonderen Maße mit divergierenden individuellen und kollektiven Interessen und Legitimitätsvorstellungen verknüpft. Die Neuordnung von Entgeltstrukturen ist deshalb per se eine heikle, schwierige, politisch hoch brisante und zumeist langwierige Angelegenheit, bei der es darum geht, sich Eingruppierungsstrukturen und auf faire, auf eine effiziente neue und zukunftsfähige Geschäftsgrundlage tarifliche für den Flächentarifvertrag zu verständigen, auf der dieser fortan seine ordnungspolitische Funktion bzw. gesellschaftliche Regulierungsfunktion erfüllen kann. Verlauf und Abschluss dieses Aushandlungsprozesses werden in vielfältiger Weise von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen beeinflusst, hängen dabei aber zum großen Teil von der Qualität der Beziehungen zwischen den beteiligten tarifpolitischen Akteuren ab. Eine eingespielte, kalkulierbare und verlässliche Aushandlungskultur, die auf beiden Seiten von integrationsstarken Verbänden getragen wird und sich dadurch auszeichnet, dass kooperative Arbeitsgruppen oder Expertenrunden der Tarifparteien regelmäßig und über längere Zeiträume hinweg komplexe tarifpolitische Materien vorstrukturieren und kleinarbeiten, begünstigt zweifellos die Realisierung tarifpolitischer Reformvorhaben. Ein Merkmal des Einzelhandels besteht aber gerade darin, dass es in dieser Branche so etwas wie die „Sozialpartnerschaft“, die der Chemieindustrie zugeschrieben wird, oder die traditionelle „Konfliktpartnerschaft“ der Metallindustrie nicht gibt. Das Reformvorhaben hat also auch in dieser Hinsicht andere Ausgangsbedingungen. Die Beziehungen zwischen den tarifpolitischen Akteuren sind sehr fragil, von Misstrauen, frustrierten Annäherungsversuchen und wechselseitigen Kommunikationsblockaden geprägt. Anders als in den industriellen Kernbranchen und im öffentlichen Dienst, auf deren Aushandlungssysteme die einschlägige 6 sozialwissenschaftliche Forschung üblicherweise fixiert ist, ist das wissenschaftlich unterbelichtete Tarifgeschehen im Einzelhandel vor allem von einer Vertretungsschwäche der Verbände geprägt. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad dürfte zehn Prozent kaum überschreiten. Zudem hat die Gewerkschaft ver.di insgesamt seit ihrer Gründung im Jahr 2001 ca. 20% ihrer Mitglieder verloren (Ende 2006 sind es 2,28 Mio.) und kämpft mit Ressourcenproblemen (Keller 2007). Die Arbeitgeberverbände HDE und BAG sind zwar, nachdem sie über Jahre heftig zerstritten waren, in Gestalt einer Tarifgemeinschaft eine Zweckehe eingegangen und planen, um der Zersplitterung der Lobby entgegenzuwirken, 2010 zu fusionieren.5 Sie haben aber weiterhin erhebliche Probleme, die heterogenen und teilweise konkurrierenden Interessen ihrer Mitglieder zu bündeln. Das wird in jüngerer Zeit auch noch einmal deutlich, als einflussreiche Mitglieder sogar während der laufenden Tarifrunde 2007/ 2008 die vom Verband verfolgte tarifpolitische Linie verlassen und in Entgelt- und Arbeitszeitfragen eigene Wege gehen. Wenngleich die Tarifparteien bzw. ihre zentralen Akteure also von der Notwendigkeit einer Entgeltreform überzeugt sind, stehen die Ansätze zur Realisierung dieses Vorhabens im Zeichen ihrer Vertretungsschwäche. Verbände mit Repräsentationsproblemen haben kein starkes Mandat. Ihre Handlungsfähigkeit ist, zugespitzt formuliert, dadurch eingeschränkt, dass die Verbandsführungen nicht dazu in der Lage sind, ihre Mitglieder entsprechend den Anforderungen kooperativer Politik zu disziplinieren (vgl. Benz 1998). Verbände, die relativ stark durch Austrittsdrohungen gefährdet sind, müssen mehr Zeit und Energie darauf verwenden, die Loyalität und Zustimmung ihrer Mitgliedschaft zur Verbandspolitik sicherzustellen und sind weniger zur aktiven Gestaltung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ordnung in der Lage (vgl. Haipeter/ Schilling 2006). Da die Auswirkungen neuer Entgeltsysteme zudem vorab nicht zur Gänze bekannt sein können und nicht davon auszugehen ist, dass die Reform unter vorwaltenden Bedingungen nur Gewinner haben wird, beinhaltet sie für die Verbände organisationspolitische Risiken; in erster Linie das Risiko, von ihrer Klientel für Schlechterstellungen verantwortlich gemacht zu werden. Dieses bei vertretungsschwachen Verbänden besonders ausgeprägte Risiko beeinflusst das Aushandlungsverhalten der am Projekt beteiligten Akteure und kann zu einer 5 HDE = Hauptverband des Deutschen Einzelhandels, BAG = Bundesarbeitsgemeinschaft der Großund Mittelbetriebe. In der BAG sind vor allem Innenstadt- und Versandhändler wie Karstadt-Quelle, C&A, Otto, Peek&Cloppenburg, Douglas usw. organisiert, während der HDE, der den weitaus größeren Teil des Handelsumsatzes vertritt, sich gleichermaßen für Innenstädte und Einkaufszentren auf der grünen Wiese stark macht. Der HDE wird von Metro dominiert, die BAG von Karstadt-Quelle. Konflikte traten immer wieder bei Fragen der Standortförderung auf. Darüber hinaus findet ein Beitragssystem, das Firmen, die viel zahlen, viel Einfluss sichert, auch nicht die ungeteilte Zustimmung der kleineren Mitglieder. 7 Innovationsblockade werden. Dabei steht den Tarifparteien auch vor Augen, dass die Entgeltreformen selbst in Branchen mit stärker verankerten Verbänden im Zuge ihrer Umsetzung viel von dem Glanz verloren haben, mit dem sie angekündigt worden sind, und dass handwerkliche Fehler schwer vorherzusehende und gravierende Konsequenzen nach sich ziehen können (für ERA vgl. Bahnmüller/ Schmidt 2007, für BETV vgl. Kädtler 1987). Von der Notwendigkeit einer Entgeltstrukturreform überzeugt, entschlossen sich Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften (HBV, DAG) Ende der 1990er Jahre trotzdem, die Reform Entgeltstrukturen in Angriff zu nehmen, weil diese, wie die Tarifparteien übereinstimmend feststellen, veraltet sind und nicht mehr zur betrieblichen Realität passen. Für die mit komplexen Aufgaben und Problemen verbundene Reformarbeit musste aber zunächst einmal eine (von regulären Tarifauseinandersetzungen entkoppelte) paritätisch besetzte Projektstruktur aufgebaut werden, ohne dass dabei an tragfähige Vorformen und eine eingespielte Aushandlungskultur angeknüpft werden konnte. Mit dem im Jahr 2002 gestarteten Projekt „Innovative Tarifpolitik“, das von den Instituten SOFI Göttingen und ABO Trier wissenschaftlich begleitet wird, erproben die Gewerkschaft ver.di und die Arbeitgeberverbände im Einzelhandel ein für die Branche neues Aushandlungsmodell. Dabei stand die auch für die soziologische Forschung interessante Frage im Raum, ob oder wie weit dieses Modell dazu in der Lage ist, die Voraussetzungen zu schaffen, die für die Erarbeitung neuer Entgeltstrukturen und eine tarifpolitische Umsetzung der Entgeltstrukturreform erforderlich sind – und ob es darüber hinaus möglicherweise auch für ähnliche Vorhaben in anderen Kontexten von Nutzen sein kann. 8 2. Rahmenbedingungen und Rahmendaten der Entgeltreform6 2.1. Wirtschaftliche und strukturelle Entwicklung der Branche Der Umsatz des Einzelhandels stagniert seit mehreren Jahren. Wesentliche Ursachen dafür sind die schwache Binnenkonjunktur, die Nachfrageschwäche der privaten Haushalte, wirtschafts- und sozialpolitische Entscheidungen (Hartz IV, Ausweitung geringfügiger Beschäftigung usw.) und „moderate“ Entgelttarifabschlüsse in anderen relevanten Branchen der deutschen Wirtschaft. Darüber hinaus ist eine Abkopplung des Einzelhandelsumsatzes vom privaten Verbrauch zu beobachten. Während der private Konsum zwischen 1996 und 2003 um fast 18% stieg, nahm der Einzelhandelsumsatz nur um knapp 3% zu (Statistisches Bundesamt 2006: 296). Wachsende Teile des Einkommens werden für Mieten, Energie, Wasser, Strom, ausgegeben oder Versicherungen, gespart. Da Nachrichtenübermittlung, der Markt seit Freizeitgestaltung längerem stagniert, usw. können Einzelhandelsunternehmen und Vertriebslinien Marktanteilsgewinne nur auf Kosten der Konkurrenz erzielen. Die Hauptinstrumente des daraus resultierenden Verdrängungswettbewerbs sind eine aggressive Preispolitik und die Ausweitung von Verkaufsflächen. Herausragende Merkmale des damit einher gehenden Wandels der Branchestrukturen sind Konzentrationsprozesse sowie der Vormarsch service- und personalkostenarmer Vertriebsformen des Niedrigpreissegments zu Lasten bedienungs- und personalintensiverer Geschäfte.7 6 Hier wird nur auf Rahmenbedingungen eingegangen, sofern sie das unmittelbare tarifpolitische Umfeld des Einzelhandels betreffen. Andere Themen/ Einflussfaktoren wären (1) säkulare „tarifpolitische Trends“ wie die Erosion der Tarifdurchsetzungsmacht (Schmidt 2001), der Übergang von einer gesamtgesellschaftlich begründeten, produktivitätsorientierten zur beschäftigungsorientierten Lohnpolitik oder die Umcodierung der Tarifentgelte von Mindest- in Maximalentgelte (Ehlscheid/ Urban 2007), (2) die „gespaltene Konjunktur“ oder „gespaltene Tarifentwicklung“, von der primär die Exportindustrie profitiert und durch die sich die Schere zwischen Wirtschaftswachstum und steigendem Kapitaleinkommen einerseits und stagnierendem Arbeitseinkommen andererseits öffnet (Bispinck 2007), (3) politische und gesetzgeberische Maßnahmen, von der Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik über Rabatt- und Kartellgesetze, Baunutzungsverordnung bis hin zur Rechtsprechung zur AVE und OT-Mitgliedschaft usw. Das sind nur einige Faktoren, die im Einzelhandel einen mehr oder weniger direkten Einfluss auf die Regulierung der Branche und die Entgeltreform haben. Nicht näher eingegangen werden kann hier außerdem auf (4) die Legitimitäts- und Gerechtigkeitsvorstellungen, aus denen soziologische Handlungstheorie (Max Weber) die Entstehung und den Bestand gesellschaftlicher Ordnung erklärt, und mit denen die Akteure die Verteilungsrelationen zwischen Kapital und Arbeit sowie die Verteilung des Arbeitseinkommens zwischen den Beschäftigten rechtfertigen. Eine handlungstheoretische Perspektive ist aber das notwendige Pendant/ Korrektiv einer strukturell-funktionalen Betrachtung. 7 Zur Reorganisation der Wertschöpfungsketten im Einzelhandel in Kurzform: Lachner 2007; ausführlicher: Wortmann 2003. 9 Stagnierende Umsätze Der Einzelhandelsumsatz erreicht 1997 einen vorläufigen Tiefstand und steigt bis 2001 (vgl. Statistisches Bundesamt 2006: 295). Seit 2001 sind Umsätze stagnierend, schwach oder rückläufig. 2006 beträgt das nominale Umsatzwachstum +0,9%, das reale (zu Preisen des Jahres 2000) +0,3%. 2007 geht der Umsatz gegenüber 2006 real um 2,2% zurück (destatis.de 09.01.2008, Warich 2008). Unternehmenskonzentration Der deutsche Einzelhandel ist (auch im europäischen Vergleich, vgl. Bormann/ Siegel 2007) hoch konzentriert. Der Konzentrationsprozess wurde Anfang der 60er Jahre durch Rationalisierungsmaßnahmen, insbesondere durch Einführung der Selbstbedienung ausgelöst. Im Jahr 2003 entfällt auf die fünf größten Unternehmen ein Marktanteil von 61% (Lebensmittelzeitung 2003: 11). 0,7% der Unternehmen vereinigen 61% des Branchenumsatzes auf sich (Statistisches Bundesamt 2006: 295). 2007 liegt der Anteil der fünf größten Unternehmen am Umsatz bei 70%. 2010 wird er voraussichtlich 75% (MetroGroup 2007: 21) oder 76,5% (KPMG 2006: 52) betragen. Verschiebungen zwischen den Vertriebslinien Die Branchenrestrukturierung ist gekennzeichnet durch wachsende Marktanteile der Discounter, insbesondere der Hard-Discounter (wie Aldi, Schlecker, Lidl)8, sowie der an den Stadträndern gelegenen Verbrauchermärkte und SB-Warenhäuser. Von 1996 bis 2003 sank die Zahl der Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte um 28% und die der Supermärkte um 11%, während die Anzahl der großflächigen SB-Warenhäuser und Verbrauchermärkte im gleichen Zeitraum um 2% stieg (Statistisches Bundesamt 2006: 293). Verbrauchermärkte und SBWarenhäuser mussten im Jahr 2006 aber erstmals seit 2003 deutliche Umsatzeinbußen hinnehmen (Warich 2007: 12). Der Abwärtstrend der Vertriebslinie Kauf- und Warenhäuser hat sich 2006 verlangsamt, hält jedoch an. Diese Verschiebungen der Marktanteile zwischen den konkurrierenden Vertriebslinien sind ein wesentlicher Grund für Interessendifferenzen in und zwischen den Arbeitgeberverbänden. 8 Aldi verfügt Anfang der 1970er Jahre bereits über 800 Filialen. 1972 öffnet der erste Plus (Tengelmann), 1973 Penny (Rewe) und Lidl (vgl. Wortmann 2003: 6f.). Hard-Discounter zeichnen sich durch ein stark eingeschränktes Sortiment, schnell rotierende Produkte, kleine Verkaufsflächen, einfachste Warenpräsentation und stark eingeschränkten Service aus. Gegenwärtig geht der Trend etwas stärker in Richtung Soft-Discounter mit einer größeren Produktvielfalt, Markenprodukten und qualitativ höherwertigen Produktbereichen (vgl. Wortmann 2004: 431). 10 Ausweitung der Verkaufsflächen und sinkende Anzahl der Verkaufsstellen Die Verkaufsfläche hat von 39 Mio. qm im Jahre 1970 auf 118,3 Mio. qm im Jahre 2007 zugenommen (Warich 2008). Der Personaleinsatz je Quadratmeter Verkaufsfläche sinkt (ebd.). Da der Umsatz nicht in gleichem Maße wie die Verkaufsfläche gestiegen ist, geht damit ein Absinken der Flächenproduktivität einher. Die Anzahl der Verkaufsstellen sinkt von 75.667 im Jahr 1996 auf 61.460 im Jahr 2005. Die Größe der einzelnen Märkte/ Geschäfte nimmt stetig zu (HDE 2006:16). Im Zuge der Konzentrationsprozesse sinkt der Umsatzanteil von Geschäften mit einer Verkaufsfläche unter 400 qm von 17,9% im Jahr 1995 auf 8,8% im Jahre 2005 (Metro-Group 2006: 21). Kleine inhabergeführte Geschäfte werden vom Markt gedrängt. Im Lebensmitteleinzelhandel waren 1960 ca. 200.000 Unternehmen auf dem Gebiet der BRD tätig, heute sind es in ganz Deutschland nur noch rund 54.000 (Statistisches Bundesamt 2006: 293). Die Filialzahlen haben sich „in den letzten 10 Jahren um 10% reduziert“ (Metro-Group 2007: 27); kurz: „Deutliche Rückgänge bei den kleinflächigen Anbietern (nahezu halbiert) und Zuwächse insbesondere bei den Discountern“ (ebd.). Trotz der sinkenden Anzahl an Verkaufsstellen und kleinen inhabergeführten Geschäften, unterscheidet sich der Einzelhandel nach wie vor durch seine dezentralen Betriebsstrukturen von den klassischen Industriebranchen wie der Automobil- oder Chemieindustrie. 2002 haben die fünf größten Unternehmen 18.000 Betriebe und die zehn größten Unternehmen mehr als 34.000 Betriebe. Die ca. 2,6 Mio. Beschäftigten arbeiten in 293.000 Unternehmen (Statistisches Bundesamt 2006: 292). Im Jahr 2003 beschäftigen 73% der Unternehmen weniger als sechs Personen und 42% haben nur einen oder zwei Beschäftigte. Die durchschnittliche Unternehmensgröße im Einzelhandel liegt zu diesem Zeitpunkt bei neun Personen. Das ist für die Interessenvertretung und Tarifpolitik der Branche insofern von Bedeutung, als es im Einzelhandel keine Großbetriebe mit mehreren tausend oder zehntausend Beschäftigten gibt, die in den Industriebranchen Zentren für die Regulierung der Arbeitsbedingungen bilden. Entwicklung der Beschäftigung Die Anzahl der Beschäftigten im Einzelhandel sinkt seit 1995 mehr oder weniger kontinuierlich (vgl. Warich 2007: 5). Laut HDE gibt es seit 2001 im Einzelhandel mehr Teilzeit- als Vollzeitbeschäftigte (vgl. HDE 2007: 20). Von 1999 bis 2005 sank der Anteil der Vollzeitkräfte von 55,5% auf 49%. Im gleichen Zeitraum stiegen der Anteil sozialversicherungspflichtiger Teilzeitkräfte von 22,8% auf 25% und der Anteil geringfügiger Beschäftigungsverhältnissen von 21,7% auf 26% (vgl. Voss-Dahm 2006: 80). Der Anteil der Mini-Jobs ist damit in fünf Jahren um ca. um 20% gestiegen. Im Zeitraum von 2003 bis 2006 fiel der Anteil der Vollzeitbeschäftigten um 13% (ca. 180.000), während 11 sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung um 20% (+109.000 Personen) und geringfügige Beschäftigung um 5% (+33.000 Personen) stiegen (Warich 2007: 6). Trotz des Umsatzrückgangs stieg die Beschäftigtenzahl 2007 (seit 2001 erstmalig) um 0,5% (+12.600; Warich 2008). Durch die wachsende Zahl von Teilzeit- und geringfügig entlohnter Beschäftigten sinkt das im Einzelhandel eingesetzte Arbeitszeitvolumen aber schneller, als der Entwicklung der Beschäftigtenzahlen zu entnehmen ist. 2007 verharrt die Zahl der geringfügig entlohnten Beschäftigten (mit ca. 708.000 ausschließlich geringfügig Beschäftigten und ca. 190.000 geringfügig entlohnten Nebenjobbern) auf dem Niveau der vergangenen Jahre. Zwischen den Vertriebslinien bestehen Unterschiede in Bezug auf die jeweils bevorzugte Vertragsform. Der Anteil qualifizierter Vollzeitkräfte liegt in den Warenhäusern höher als in den anderen Vertriebslinien. Das gilt insbesondere im Verhältnis zu den Disountern (vgl. Voss-Dahm 2006: 81). Die Expansion sozialversicherungspflichtiger Teilzeitbeschäftigung und geringfügiger Beschäftigung ist Ausdruck einer Flexibilisierungsstrategie, die darauf zielt, die aus qualifizierten Vollzeitbeschäftigten bestehende Stammbelegschaft zu reduzieren und je nach Bedarf flexibel durch Teilzeitbeschäftigte zu ergänzen. Ein Grundzug der arbeitsorganisatorischen Rationalisierung im Einzelhandel ist die Entmischung von einfachen Dienstleistungen und anspruchsvolleren Tätigkeiten, um dann über die unterschiedliche Bezahlung auch Kosten für Lohn und Gehalt einzusparen: Höherwertige Tätigkeiten werden bevorzugt fest angestellten Vollzeitkräften übertragen, während einfache Tätigkeiten Teilzeitkräften, geringfügig Beschäftigten (Aushilfen, Minijobs) oder Leiharbeitskräften zugewiesen werden. Gender Der Einzelhandel ist eine Referenzbranche für Frauenbeschäftigung. Zwischen 2002 und 2004 sank der Frauenanteil jedoch leicht von 70% auf 68,5%. Dagegen stieg der Frauenanteil an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten langsam von 67% im Jahr 1995 auf 70,3% im Jahr 2006 (Warich 2007), was darauf zurückzuführen ist, dass insgesamt mehr Frauen einer sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung nachgehen. Von 1995 bis 2006 stieg der Anteil teilzeitbeschäftigter Frauen von 37,7% auf 45,9% (ebd.). Geschlechtsspezifische Unterschiede zeigen sich in Bezug auf den Beschäftigtenstatus. Während 75% der männlichen Beschäftigten Vollzeit arbeiten und nur 18% geringfügig beschäftigt sind, arbeiten 32% der Frauen in voll versicherungspflichtiger Teilzeit und 27% in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis. Frauen in Teilzeit ist der im Einzelhandel dominierende Beschäftigungstyp. 12 2.2. Tarifpolitische Rahmenbedingungen Tarifpolitische Aushandlungsstrukturen Seit dem Jahr 2000 können sich Arbeitgeber infolge des Wegfalls der AVE und der Einführung der OT-Verbandsmitgliedschaft der Tarifbindung entziehen. Die Tarifbindung der Beschäftigten sinkt dadurch auf 63% im Jahr 2002 (Bosch/ Kalina 2005: 40), was nicht ausschließt, dass sich auch weiterhin nicht tarifgebundene Unternehmen am 9 Flächentarifvertrag orientieren. Im Einzelhandel gibt es aber keinen bundeseinheitlichen Entgelttarifvertrag (im Singular) wie in der Chemieindustrie. Die Tarifverträge haben sich in den sechzehn Tarifbezirken/ Bundesländern in der Vergangenheit strukturell unterschiedlich entwickelt. Auch die Laufzeiten differieren regional. Das tarifpolitische System des Einzelhandels ist in dieser Hinsicht formal und materiell dezentralisiert. Die Tarifbezirke agieren vor allem auf Gewerkschaftsseite relativ autonom, wenngleich sie sich über tarifpolitische Konferenzen koordinieren. Im Vergleich zur Metallindustrie, die immerhin auch elf Tarifbezirke kennt (die z.B. bei ERA-Umsetzung zum Teil verschiedene Wege gehen), verlaufen die tarifbezogenen Aushandlungsprozesse im Einzelhandel dezentraler. Die Arbeitgeberverbände im Einzelhandel sind ihrerseits bemüht, nach außen einheitlich aufzutreten. Ein entsprechender Beschluss zur Geschäftsordnung soll verhindern, dass einzelne Tarifbezirke von sich aus die vom Verband verfolgte tarifpolitische Linie verlassen. Die Arbeitgeber sprechen sich auf Bundesebene verbindlicher ab als in der Vergangenheit und nehmen zusehends davon Abstand, auf Landesebene eigene Verhandlungsangebote zu unterbreiten. Die Tarifanwendung in der Branche ist in erster Linie in den großen Unternehmen zentralisiert, die die Branche dominieren und die über eine Vielzahl von Betrieben verfügen. Insbesondere bundesländerübergreifend agierende Konzerne haben ein Interesse an der Beseitigung der aus regionalen Tarifunterschieden resultierenden Uneinheitlichkeit von Entgeltstrukturen. bundeseinheitlichen Die vorgesehene Entgelttarif Tarifreform münden, sondern soll zu jedoch einer nicht in einem Vereinheitlichung der tarifvertraglichen Entgeltstrukturen bzw. zu einem entsprechenden Entgeltrahmen führen. Gesonderte Rahmentarifverträge mit längeren Laufzeiten, die in anderen Branchen üblich sind, gibt es im Einzelhandel bislang nicht. Lohn- und Gehaltsgruppen sind (uneinheitlich) in den regionalen Entgelttarifverträgen definiert. 9 Nach Darstellung befragter Verbandsvertreter liegt die Tarifbindung der Beschäftigten heute in einigen Bezirken vermutlich schon unter 50%. Dass sie über 50% liegt, ist aber eine materielle Voraussetzung für die AVE. Genauere Daten zur Tarifdeckung liegen nicht vor. In einem offenen Brief an ver.di vom 22.1.2008 stellen HDE und BAG fest: „Die Akzeptanz des Tarifsystems im Einzelhandel hat in den letzten Jahren in erschreckendem Maße gelitten“ (http://www.einzelhandel.de/servlet/PB/s/1oty992npqoj71peb7ke1dxz7iitxmywl/show/1078416/Mnig-Raane-Brief.pdf.). 13 Tarifpolitisches Neuland im Einzelhandel Im Vergleich mit anderen Branchen bestehen zwei inhaltliche Besonderheiten der Entgelttarifverträge des Einzelhandels darin, dass sie bis 2005 (a) keine Regelungen zur Leistungsvergütung enthielten und (b) Härtefall- und Öffnungsklauseln mit der Möglichkeit zur Absenkung von Tarifstandards und zur Beschäftigungssicherung in westdeutschen Tarifgebieten eine seltene Ausnahme waren.10 Das führten Beobachter Ende der 1990er Jahre noch darauf zurück, dass es in der Branche aufgrund ihres geringen Einkommensniveaus und hohen Niedriglohnanteils für Lohn- und Gehaltszurückhaltung ohnehin keinen Spielraum gibt (Bahnmüller et al. 1999: 38). In der Lohn- und Gehaltstarifrunde 2005/ 2006 erklären die Arbeitgeber jedoch mit Hinweis auf die schwierige wirtschaftliche Lage der Branche, dass eine Erhöhung der tariflichen Personalkosten den Abbau zehntausender Arbeitsplätze nach sich ziehen würde. Der HDE beantwortet die ver.di-Forderungen in dieser Runde dann auch mit Gegenforderungen in Form eines Sechs-Punkte-Katalogs: (1) Keine Erhöhung der tariflichen Personalkosten, (2) tarifliche Öffnungsklauseln zur Abweichung von Tarifstandards, (3) Variabilisierung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Abhängigkeit vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens, (4) weitere Arbeitszeitflexibilisierung mit Wochenarbeitszeiten bis zu 40 Stunden, (5) Einstiegstarifentgelte für Langzeitarbeitslose, (6) Absenkung der tariflichen Ausbildungskosten (Bispinck 2006: 26). Aufgrund geringer Streikbereitschaft sieht sich ver.di 2006 zu einem „bescheidenen“ Tarifabschluss genötigt, den die Gewerkschaft nur damit rechtfertigen kann, dass die Alternative dazu ein tarifloser Zustand gewesen wäre.11 Der (in Berlin) zustande gekommene Abschluss, wird nahezu unverändert bundesweit übernommen und betritt tarifpolitisches Neuland, indem er (a) den Betriebsparteien erstmals zugesteht, vom Unternehmenserfolg abhängige Entgeltbestandteile zu vereinbaren (Variabilisierung) und (b) zur Beschäftigungssicherung und Behandlung wirtschaftlicher Notlagen die Unterschreitung der tarifvertraglichen Standards erlaubt (Öffnungsklausel). Über diese Abweichung vom Tarifvertrag haben zwar nicht die Betriebsparteien, sondern die Unternehmensleitung und die ver.di-Tarifkommission zu entscheiden,12 gleichwohl steigen mit der Variabilisierung und der Öffnungsklausel die Anforderungen an die (unter Umständen erpressbaren) Betriebsräte. Die beiden Vereinbarungen haben neben der Vernachlässigung 10 Für ostdeutsche Betriebe mit bis zu 25 Beschäftigten gibt es Mittelstandsklauseln, die ihnen bestimmte Unterschreitungen der Tarifentgelte gestatten. 11 Die von den Arbeitgebern gekündigten Manteltarifverträge wurden unverändert wieder in Kraft gesetzt. 12 Dabei handelt es sich insofern nicht um eine Öffnungsklausel im klassischen Sinn, als für den Fall einer nachgewiesenen wirtschaftlichen Notlage zwar eine Verhandlungsverpflichtung, aber keine Abschlussverpflichtung besteht. 14 der Azubis und den minimalen Entgeltsteigerungen auch in der Gewerkschaft viel Unmut hervorgerufen. In dem Tarifabschluss von 2006 kommt aber letztlich das Kräfteverhältnis zwischen den Tarifparteien des Einzelhandels zum Ausdruck. Betriebsratsfreie Betriebe und tendenziell überforderte Betriebsräte Während sich die überbetriebliche Interessenvertretung durch vertretungsschwache Verbände auszeichnet, ist für die Arena der betrieblichen Interessenvertretung kennzeichnend, dass die Mehrheit der Einzelhandelsbeschäftigten in Betrieben arbeitet, die keinen Betriebsrat haben, der die Umsetzung und Einhaltung von Tarifverträgen kontrollieren könnte (Jacobsen/ Hilf 2000). Dass viele Betriebe gar keinen Betriebsrat haben, überrascht angesichts des hohen Anteils der Klein- und Kleinstbetriebe nicht. Aber auch in größeren Unternehmen haben sich die Arbeitsbedingungen der Betriebsräte durch die Aufspaltung ehemals vertikal integrierter Unternehmen und die Auslagerung von Funktionsbereichen drastisch verschlechtert (Wirth o.J.), ganz abgesehen davon, dass einige Unternehmen, vornehmlich solche aus dem Discountbereich, gezielt Betriebsratsgründungen und die Betriebsratsarbeit ver- und behindern. Nicht nur infolge der schwindenden Tarifbindung, sondern auch weil die Umsetzung der vorgesehenen Entgeltreform weithin Aufgabe der Betriebsparteien sein würde – alle Arbeitsplätze müssen analysiert und neu bewertet werden –, haben die Betriebsräte künftig mehr, neue und komplexere Gestaltungsaufgaben zu bewältigen. Damit ist der Einzelhandel besonders nachdrücklich von einer generellen Entwicklung betroffen: Es kommt formal zu einer funktionalen Aufwertung der Betriebsräte, „faktisch aber wohl eher zu einer Schwächung der normativen Geltung der allgemeinen Tarifvorgaben, weil die betriebliche Differenzierung nicht nur den (…) betrieblichen Erfordernissen folgt, sondern auch von der jeweiligen Verhandlungsstärke der Betriebsräte abhängt. Diese differenziert sich auch entlang der Betriebsgröße – nicht freigestellte Betriebsräte kleinerer und mittlerer Unternehmen können sich z.B. meist nur ein geringes Fachwissen aneignen – und entsprechend den sektoralen und betrieblichen Konjunkturen. (…) Selbst wenn man der Auffassung zustimmt, dass die Betriebsräte ´zur entscheidenden Schaltstelle der künftigen industriellen Beziehungen´ werden (…), ihrem Aufgabenzuwachs wird keine entsprechende individuelle Kompetenz- und Kapazitätserweiterung gegenüberstehen“ (Schmidt 2001: 216 f.). Als Folge der Verlagerung von Regulierungskompetenz auf die Betriebe sei eine durchschnittliche Absenkung der allgemeinen Arbeits- und Entgeltstandards für die Arbeitnehmer wahrscheinlich. Verbände und Gewerkschaften können erwarten, dass der reformbedingte Beratungsbedarf der Betriebsparteien ihnen selbst zu mehr Verankerung in den Betrieben verhilft und eine betriebsnahe Tarifpolitik ermöglicht. Ob und inwieweit das 15 gegebenenfalls zu einer Stärkung der Tarifdurchsetzung beiträgt, ist offen. Auf jeden Fall dürfte eine Entgeltreform die Arbeitsteilung und das keineswegs immer von Harmonie geprägte Verhältnis zwischen Gewerkschaft und Betriebsräten tangieren.13 Ladenöffnungszeiten und steigende Streikbereitschaft Die wöchentliche Arbeitszeit wurde für den Einzelhandel in der 80er Jahren von 40 auf 37,5 Stunden (Berlin 37 Stunden) reduziert. Vor allem die mehrfach veränderten gesetzlichen Bestimmungen zu Ladenöffnungszeiten bringen mit der Arbeitszeit zusammenhängende Fragen aber immer wieder auf die Agenda der tarifpolitischen Auseinandersetzungen. Nachdem die Gewerkschaften Ende der 80er Jahre noch gemeinsam mit dem mittelständischen Einzelhandel eine Verlängerung der Ladenöffnungszeiten ablehnten, gingen die Tarifparteien in den 90er Jahren dazu über, sie für die Beschäftigten sozial und finanziell akzeptabel zu gestalten. Dazu gehören neben Zumutbarkeitsregelungen vor allem Zuschläge für die Spätarbeit. Eine Studie, die 1999 im Anschluss an die Reform des Ladenschlussgesetzes die Einhaltung der manteltariflichen Bestimmungen zur Spät- und Samstagsöffnung untersucht, kommt zu dem Ergebnis: „Insgesamt jedoch konnte nur eine Minderheit der Beschäftigten im Verkauf von den vereinbarten Zuschlägen profitieren. Zwei Drittel der Beschäftigten sagen, dass sie keine Zuschläge für die Arbeit zu Spätöffnungszeiten erhalten. Nur 15 Prozent der befragten betrieblichen Verantwortlichern geben an, Zuschläge zu gewähren“ (vgl. Hilf/ Jacobsen 2000: 212).14 Die geringe praktische Reichweite der manteltariflichen Bestimmungen führt die Studie hauptsächlich darauf zurück, dass die Mehrheit der Einzelhandelsbeschäftigten in Betrieben ohne Betriebsrat arbeitet. Gemäß der Untersuchung, die auch beansprucht, erstmals genauere Daten zur Verbreitung von Betriebsräten im Einzelhandel ermittelt zu haben, haben nur 6% aller Verkaufsstellen einen Betriebsrat. „Die große Mehrheit der kleinen und mittleren Fachgeschäfte und die meisten kleineren Filialen von Großunternehmen haben keine betriebliche Interessenvertretung“ (Hilf / Jacobsen 2000: 63). Nachdem der Staat die Regelung der Ladenöffnungszeiten vom Bund an die Länder delegierte und damit die Freigabe der Ladenöffnungszeiten einleitete, fordern die 13 Die Qualität und der konkrete Inhalt des Verhältnisses der Tarif- und der Betriebsparteien zueinander, dürften weithin davon abhängen, ob die Umsetzung der Tarifreform als ein tariftechnischer Vorgang oder als ein betriebspolitischer Prozess mit Handlungs- und Gestaltungsspielräumen begriffen und behandelt wird (vgl. dazu Bahnmüller/ Schmidt 2007). 14 Anzumerken ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass Zuschläge vielfach (in Gestalt freier Tage) in die Arbeitszeitsysteme eingerechnet werden und daher für die Beschäftigten nicht unmittelbar als Spätöffnungszuschläge erkennbar sind. 16 Arbeitgeber in der Doppeltarifrunde (Entgelt- und Manteltarifvertrag) von 2007/ 2008 die Abschaffung der bisherigen Zuschläge von 20 Prozent, die bisher für Tätigkeiten von 18:30 Uhr bis 20 Uhr und an Samstagen meistens ab 14:40 Uhr (in einigen Ländern aber auch ab 14:00, 15:00 oder 15:30 Uhr) bis 20 Uhr gezahlt wurden – vorausgesetzt, dass der Tarifvertrag überhaupt angewendet wird. Der Nachtarbeitszuschlag, der demnach ab 20 Uhr gezahlt wird, soll von 50 Prozent auf 20 Prozent abgesenkt und künftig erst ab 22 Uhr gezahlt werden.15 Diese Absicht löst im Zusammenhang mit dem Angebot von Entgeltsteigerungen unterhalb des Inflationsausgleichs (angeboten wurden 1,7%) bei den Beschäftigten eine für die Branche ungewöhnlich große Streikbereitschaft aus. Doch während der Streik der Lokführer breite öffentliche Aufmerksamkeit erregt, kann der Der Spiegel die Streiks im Einzelhandel eine „fast lautlose Ver.di-Oper“ nennen (Der Spiegel 47/ 2007 vom 19.11.2007: 85). „Weitgehend unsichtbar geblieben“ sind die Streiks, weil streikbedingte Ausfälle meistens (und im Unterschied zu Lokführern oder Fluglotsen) durch Leiharbeiter und Aushilfen ersetz werden (können), die der Arbeitsmarkt im hinreichenden Ausmaß zur Verfügung stellt, und weil die Kunden in der Regel problemlos auf nicht bestreikte Geschäfte ausweichen können.16 Begründungen der entgeltpolitischen Positionen Den Arbeitgebern dient der Hinweis auf die Umsatzschwäche der Branche in den Tarifverhandlungen als Argument gegen „übermäßige“ Entgeltsteigerungen, die sich an den Abschlüssen in anderen Branchen orientieren. „Mit Ausnahme des Jahres 2005 wuchsen (…) die Einkommen der Beschäftigten im Einzelhandel in den letzten 10 Jahren prozentual stärker als die Umsätze“ (HDE/ BAG 2007: 1). Für Entgeltsteigerungen über 1,7% gebe es keinen Verteilungsspielraum. Höhere Abschlüsse würden nur dazu beitragen, dass sich immer mehr Unternehmen aus der Tarifbindung verabschieden und die Leiharbeit zunimmt. Globus hat beispielsweise 2006 bereits eine eigene Zeitarbeitsfirma gegründet. Die Metro15 Das vom HDE und seinen Landesverbänden herausgegebene Handelsjournal 12/ 22007 berichtet: „Solange die Frage der aus Unternehmersicht horrenden Zuschläge nicht am Verhandlungstisch bereinigt ist, helfen sie sich in unterschiedlicher Weise - etwa, indem sie längere Öffnungszeiten nicht oder nicht mit eigenem Personal nutzen. (…) Nicht selten übergibt ein Marktleiter um 18.30 Uhr oder 20 Uhr seine Filiale auf Basis eines Werkvertrags an eine komplett andere Mannschaft, vom Marktleiter bis zur Lagerkraft. Da die Dienstleister nicht unter den Tarifvertrag für den Einzelhandel fallen, sind keine Zuschläge fällig“ (http://www.fachverlag.de/handelsjournal/9731.htm). 16 Am 28.3.2008 unterbreiten die Arbeitgeber in Nordrhein-Westfalen das folgende Tarifangebot. (1) Erhöhung der Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütung um 2,5% vom 1.5.2008 bis 30.4.2009 plus (2) eine weitere Erhöhung dieser Entgelte um 2,5% von 01.05.2009 bis 30.4.2010, (3) eine Einmahlzahlung von 360 Euro brutto, (4) ab 1.1.2009 Spätzuschläge von montags bis samstags von 20 bis 22 Uhr in Höhe von 20%; der Samstagszuschlag entfällt, Nachtzuschlag von 22 bis 6 Uhr in Höhe von 50%. (5) Darüber hinaus beinhaltet das Tarifangebot Optionen auf eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten sowie (6) die Wiederinkraftsetzung des Manteltarifvertrags und des Tarifvertrags für Sonderzahlungen bis zum 31.12. 2010. 17 Tochter Real hat in Lübeck einen Markt eröffnet, der als eigene Gesellschaft geführt wird und nicht der Tarifbindung unterliegt. Die Arbeitgeber warnen die Gewerkschaften, überzogene Entgeltforderungen und -abschlüsse förderten die Tarif- und Verbandsflucht und führten so das Ende der Verbände und des Flächentarifvertrags herbei. Ein anderes Argument, das die Arbeitgeber für moderate Abschlüsse und Öffnungsklauseln anführen, ist die Beschäftigungssicherung. Gegenüber einer „beschäftigungskonformen Lohnpolitik“, die der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bereits 1975 für Zeiten mit anhaltend hoher Sockelarbeitslosigkeit propagiert (SVR, Jg.1975: Ziff. 312), hält ver.di grundsätzlich an „produktivitätsorientierten“ Entgeltsteigerungen fest und weist darauf hin, dass parallel zur Ausweitung der Verkaufsfläche das eingesetzte Arbeitsvolumen reduziert wurde und die Umsatzproduktivität sowie die Belastungen der Beschäftigten gestiegen sind.17 Durch die gestiegene Umsatzproduktivität der Beschäftigten stehe ein kostenneutraler Verteilungsspielraum zur Verfügung, der jedoch nur für die Gewinnmaximierung genutzt werde (Warich 2007: 17, Warich 2008: 16). Ein direkter Argumentationszusammenhang zwischen Umsatz- und Entgeltentwicklung, wie ihn die Arbeitgeber herstellen, ist aus Gewerkschaftsperspektive unzulässig. Weil die Arbeitgeber sich nach Möglichkeit nicht langfristig festlegen wollen, haben sie zudem eine Präferenz für Einmahlzahlungen, mit denen ver.di sich aber „nicht abspeisen lassen“ will. Die Gewerkschaft hält grundsätzlich an der Präferenz für dauerhafte tabellenwirksame tarifliche Einkommenssteigerungen fest. Geringfügige Beschäftigung und Auseinandersetzungen um den Mindestlohn Die Sicherung von Mindeststandards für Arbeits- und Einkommensbedingungen ist inzwischen zu einem zentralen Thema der politischen Auseinandersetzungen geworden und hat wegen des hohen Niedriglohnanteils und der verbreiteten Lohnarmut im Einzelhandel für die Tarifpolitik einen hohen Stellenwert. Gemäß Eurostat, dem Statistischen Amt der Europäischen Union, liegt die Lohnarmutsgrenze bei 50 Prozent des durchschnittlichen Vollzeiteinkommens eines Landes. Das sind 2006 brutto 1.442 Euro. Wer darunter liegt, gehört zu den working poor. „In Bremen beträgt das Einstiegsentgelt 1.077 €, in Niedersachsen 1.058 €, in Schleswig Holstein 1.102 €, in Mecklenburg Vorpommern 1.185 €, in Berlin 1.343 € brutto (Stand 2006). Diese Grenze wird in der Mehrzahl der regionalen Tarifbereiche erst im vierten Tätigkeitsjahr überschritten. Auch in der Gruppe der Verkäuferinnen, die immerhin eine zweijährige Ausbildung haben, liegen die Einstiegsgehälter in einzelnen Bundesländern unter dieser Grenze. Auch bei den 17 2007 hat der Umsatzrückgang bei gleichzeitig steigender (Teilzeit-) Beschäftigung allerdings einen Rückgang der Umsatzproduktivität um 1,6% je eingesetzter Arbeitsstunde zur Folge (Warich 2008). 18 Arbeiterinnen und Arbeitern im Einzelhandel in der Gruppe der sog. einfachen Arbeiten ohne handwerkliche Ausbildung liegen die Einstiegslöhne der unter 21 jährigen unter der oben genannten Grenze (von 1.442 Euro – d.V.). Allerdings sind hier durchgängig die Eingangsgruppen betroffen; die Entgelte der Beschäftigten mit einer beruflichen Ausbildung liegen über der Lohnarmutsgrenze“ (Weith 2006: 167). Für ver.di gehört der von der allgemeinen Lohn- und Gehaltsentwicklung abgekoppelte Einzelhandel zum Niedriglohnsektor (vgl. Weith 2006). Die Gewerkschaft fordert in der Tarifrunde des Einzelhandels 2007/ 2008 für eine Vollzeitstelle einen Mindestlohn von 1.500 Euro. Mit der Deregulierung der Zeitarbeit und der Reform der gesetzlichen Bestimmungen zur geringfügigen Beschäftigung hat die Politik in Deutschland eine in Kontinentaleuropa beispiellose Ausweitung des Niedriglohnsektors ermöglicht (Bosch/ Kalina 2005). Die positiven Beschäftigungseffekte, zu denen diese Maßnahmen führen sollten und mit denen sie begründet wurden, sind weitgehend ausgeblieben (vgl. Keller/ Seifert 2007, Kalina/ Weinkopf 2008). Sie haben aber mit Rückwirkungen auf die übrigen Arbeitsplätze und zusammen mit dem Outsourcing von Tätigkeiten in Bereiche, in denen tarifvertragliche Standards fehlen oder nicht eingehalten werden, eine Ausdifferenzierung der Entgelte nach unten gefördert. Die Arbeitssituation geringfügig Beschäftigter im Einzelhandel ist durch ein hohes Maß an Prekarität, Verstöße gegen das Arbeitsrecht sowie durch drohende soziale Abwärtsspiralen und Altersarmut gekennzeichnet (vgl. Benkhoff/ Hermet 2008). „Die ursprünglich für die Arbeitnehmer gedachten Subventionen durch Befreiung von Steuern und Sozialabgeben kommen nicht den geringfügig Beschäftigten zugute, sondern werden von den Arbeitgebern als Spielraum genutzt, die Löhne zu reduzieren. Das in den letzten Jahren beschnittene soziale Netz und der Wunsch, arbeiten zu dürfen, veranlasst Arbeitnehmer dazu, auch ´Lohndumping´ bis zu einem sittenwidrigen Maß hinzunehmen“ (ebd.: 29). Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD von 2005 sieht die Prüfung eines „KombiLohn-Modells“ vor, durch welches die Menschen „mehr als bisher die Möglichkeit auch zur Beschäftigung mit niedrigem Einkommen“ erhalten sollen, das andererseits aber auch sicherstellt, dass die „Löhne nicht in den Bereich der Sittenwidrigkeit heruntergedrückt werden“ (Koalitionsvertrag 2005: 24 f.). Der Kompromiss der Großen Koalition zur Regulierung des Niedriglohnsektors vom Juni 2007 sieht eine Ausdehnung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf solche die Branchen vor, in denen mindestens 50% der Beschäftigten tarifgebunden sind, sofern dies von den Tarifparteien der betreffenden Branchen beantragt wird. Für die Bereiche, die diese Bedingungen nicht erfüllen, soll ein Mindestlohn auf der Grundlage des zu überarbeitenden Mindestarbeitsbedingungengesetzes (MiArbG) aus dem Jahr 1952 festgesetzt werden können. 19 In Politik und Gesetzgebung wird aktuell aber noch darum gerungen, ob und wie ein gesetzlicher oder brachenspezifisch von den Tarifparteien ausgehandelter Mindestlohn eingeführt werden kann. ver.di hat den Arbeitgeberverbänden vorgeschlagen, für den Einzelhandel einen Antrag zur Aufnahme ins Entsendegesetz zu stellen und einen entsprechenden Tarifvertrag zu verhandeln, hält sich aber die Option offen, gegebenenfalls auch für einen einheitlichen, branchenübergreifenden gesetzlichen Mindestlohn einzutreten, während die Arbeitgeberverbände des Einzelhandels gesetzliche Mindestlöhne als „gefährlichen Schritt hin zu einer Verstaatlichung der Lohnpolitik“ und Eingriff in die Tarifautonomie und Branche ablehnen. Für die Branche, „die traditionell über stark ausgebildete und funktionierende Tarifstrukturen“ verfüge (HDE 2008), seien allenfalls vom gemeinsamen Willen der Tarifparteien getragene Mindestlöhne akzeptabel. Ein Verbot sittenwidriger Löhne wirke „am Ende wie eine gesetzliche Einladung an Betriebe, aus der Tarifbindung auszusteigen und untertarifliche Löhne zu zahlen“ (Handelsblatt 2007). 3. Überkommene Tarifstrukturen – Reformbedarf und -perspektiven Die geltenden Entgelttarifverträge variieren aufgrund der relativ großen Eigenständigkeit der regionalen Aushandlungsarenen, haben aber ein gemeinsames Grundmuster. Wie bei den meisten Tarifverträgen in Deutschland traditionell üblich, unterscheiden sie zwischen Lohnund Gehaltsgruppen für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte. Über die Zuordnung zu Lohn und Gehalt und die Zuordnung zu den einzelnen Lohn- und Gehaltsgruppen entscheidet grundsätzlich zunächst einmal „die tatsächlich verrichtete Tätigkeit“. Diese Tätigkeiten bzw. Entgeltgruppen werden summarisch beschrieben. Ausschlaggebend für die Zuordnung zu einer Entgeltgruppe ist die überwiegend (zu mehr als 50%) ausgeübte Tätigkeit. Die geltenden tariflichen Entgeltstrukturen Die Gehaltstarifverträge weisen über die Landesgrenzen hinweg eine relativ einheitliche Grundstruktur auf. Sie bestehen durchweg aus fünf Gehaltsgruppen mit unterschiedlicher Binnendifferenzierung. Die verrichtete Tätigkeit, die über die Zuordnung zu einer Gehaltsgruppe entscheidet, beschreibt der Tarifvertrag kurz und mit Hilfe von Richtbeispielen. Die (1) Qualifikation sowie (2) Leitungsverantwortung fungieren als weitere Differenzierungskriterien. Die Einstufung innerhalb einer Gehaltsgruppe erfolgt nach (3) der Anzahl der Berufs- bzw. Tätigkeitsjahre (Anciennität) und (4) dem Lebensalter (Seniorität). Der untersten Gehaltsgruppe sind „einfache kaufmännische Tätigkeiten“ zugeordnet, für die 20 eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung nicht erforderlich ist. Die nächst höhere Gehaltsgruppe ist einfachen kaufmännischen 18 angeschlossene Berufsausbildung verlangen. Tätigkeiten vorbehalten, die eine Diese Gehaltsgruppe ist die „Ecklohngruppe“ und wird auch „VerkäuferInnengruppe“ genannt. In sie ist die überwiegende Mehrzahl der Einzelhandelsangestellten eingruppiert. In der Regel werden ihr auch einfache Kassiertätigkeiten zugeordnet, die aber teilweise durchgängig (wie in Hamburg) oder zum großen Teil (wie in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland) noch eine Gruppe höher eingestuft, inzwischen aber vielfach auch schon Aushilfskräfte übertragen werden. Die Einstufung der Kassiererinnen bzw. Kassiertätigkeiten, deren Tätigkeit sich nicht zuletzt durch Technikeinsatz stark verändert hat, bildet einen neuralgischen Punkt des Projekts zur Tarifreform. Ein weiterer besteht darin, dass es in den alten Bundesländern (außer Berlin) zwischen der unteren und der darübergelegenen Gehaltsgruppe einen „automatischen Durchstieg“ gibt, d.h. nach einigen (zumeist vier) Jahren kommen die Beschäftigten ohne abgeschlossene Berufsausbildung in die „VerkäuferInnengruppe“, ohne dass die Anwartschaft darauf im selben Betrieb erworben werden müsste. 19 Die Gehaltgruppen sind zusätzlich noch einmal in mehrere Stufen unterteilt. Das zentrale Einstufungskriterium ist dabei die Anzahl der Berufs- bzw. Tätigkeitsjahre, die wiederum nicht in ein und demselben Betrieb abgeleistet werden müssen. Dementsprechend kommen die Beschäftigte nach sieben oder neun Berufsjahren von der Eingangsstufe bis zur Endstufe. Diese auch „Fahrstuhleffekt“ genannte Gehaltsentwicklung beruht auf der Annahme, dass die Tätigkeit bei entsprechendem Erfahrungshintergrund effizienter ausgefüllt werden kann. Die Lohntarifverträge Ungelerntentätigkeiten, unterscheiden (b) durchgängig Angelerntentätigkeiten und Lohngruppen (c) Tätigkeiten nach mit (a) einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Die Anzahl der Untergruppen variiert mit den Kriterien, die die Tarifbezirke für deren Bildung heranziehen. Ein durchgängiges Kriterium ist dabei die Unterscheidung zwischen normaler und körperlich schwerer Arbeit bei den 18 Als kaufmännische Berufsausbildung im Sinne des Tarifvertrags gilt eine zweijährige Ausbildung mit dem Abschluss Verkäuferin. Dieser Ausbildung gleichgestellt sind: (1) eine abgeschlossene zweijährige Ausbildung als Büro- oder Gewerbegehilfin mit einem weiteren Jahr kaufmännische Tätigkeit, (2) eine dreijährige kaufmännische Berufstätigkeit überwiegend im Verkauf, (3) eine andersartige abgeschlossene dreijährige Berufsausbildung. Nach der Ausbildung zur Verkäuferin können Beschäftigte mit Einwilligung des Ausbildungsbetriebs eine einjährige Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau machen. Beschäftigte mit der dreijährigen Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau, erhalten gleich nach Abschluss der Ausbildung das Gehalt des dritten Berufsjahres. 19 Als „Durchstieg“ wird auch der mit der neuen Ausbildungsverordnung von 2004 über eine Externenprüfung möglich gewordenen Übergang von der Verkäuferin (mit zwei jähriger Ausbildung) zur Kauffrau (dreijährige Ausbildung) bezeichnet. 21 Ungelerntentätigkeiten. Als weitere spezielle Gruppe kommen Tätigkeiten aus dem Bereich gastronomischer Bedienung und häufig auch Kraftfahrer hinzu. Von wenigen Ausnahmen (Lebensalter unter 18 Jahren; Berufseinstieg bei Handwerkern in einigen Tarifverträgen) ist bei den Lohngruppen der Eingangssatz zugleich der Endsatz, d.h. ohne Umgruppierung gibt es außer Tariferhöhungen keine Entgeltentwicklung. Der einheitliche Entgeltsatz für gewerbliche Arbeitnehmer liegt deutlich über dem Eingangssatz für Angestellte und deutlich unter dem Endsatz der korrespondierenden Gehaltsgruppe: Gewerbliche Beschäftigte stehen sich am Anfang besser, nach ein paar Jahren und auf Dauer aber deutlich schlechter. Motive für die Reform der Entgeltstrukturen aus Arbeitgeber- und Gewerkschaftssicht Getrennte Entgelttarifverträge für Arbeiter und Angestellte halten sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmervertreter für nicht mehr zeitgemäß und diskriminierend. Darüber hinaus sind vor allem die an Berufs- bzw. Tätigkeitsjahren orientierte Höherstufung („Fahrstuhleffekt“) und der „automatische Durchstieg“ zwei Tarifregelungen, die die Arbeitgeber für nicht mehr gerechtfertigt halten und die sie mit der Reform des tarifvertraglichen Entgeltsystems abschaffen wollen.20 Beide Regelungen haben zusätzlich zu den Richtbeispielen dazu beigetragen, dass sich das Gros der Beschäftigten in der Entgeltgruppe befindet, die der Tarifvertrag als „einfache kaufmännische Tätigkeit mit abgeschlossener Berufsausbildung“ definiert. So kann es vorkommen, dass bis zu 80% der Beschäftigten eines Warenhauses oder eines Logistikbetriebs einer Gehalts- bzw. Lohngruppe zugeordnet sind. Nach Auffassung der Arbeitgeber ist diese ausgeprägte Dominanz jeweils einer Entgeltgruppe nicht gerechtfertigt und ungerecht. Ihr Ziel ist eine stärkere Entgeltdifferenzierung. Aus Sicht der Gewerkschaft könnte die relative Homogenität der Beschäftigteninteressen, durch eine stärkere Entgeltdifferenzierung und -spreizung Schaden nehmen. Gleichwohl sind auch sie der Auffassung, dass die ausgeübten Tätigkeiten und deren Einstufung nach dem geltenden Tarifvertrag (auch mit Blick auf die Anforderungen vergleichbarer Tätigkeiten) in vielen Fällen nicht mehr zu der veränderten Arbeitsrealität passen, weil sich die Wertigkeiten der Tätigkeiten und deren Relation zueinander im Laufe der Zeit geändert haben und weil die Richtbeispiele veraltet und neuere Tätigkeitsbezeichnungen oft vielfältig, vieldeutig und nicht zuzuordnen sind. Konsens zwischen den Tarifparteien besteht darin, (1) dass der Entgelttarifvertrag renovierungsbedürftig ist, (2) dass die Tätigkeiten heute in einer veränderten Wertigkeit zueinander stehen, und dass (3) ein neues Entgeltsysteme zur 20 Die Abschaffung oder Streckung der automatischen Höhergruppierung sowie der Druck auf das Senioritätsprinzip sind neben der Absenkung der Einstiegsgehälter Merkmale einer veränderten betrieblichen Eingruppierungspraxis, die in den 80er und besonders in den 90er Jahren in anderen Branchen zu beobachten ist (Bahnmüller 2001: 100 ff.). 22 Sicherung des Flächentarifvertrags beitragen soll. (4) Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften versprechen sich von einem zeitgemäßen und attraktiveren Tarifvertrag auch, dass er dem Trend entgegenwirkt, Arbeiten oder ganze Funktionsbereiche (Logistik, Auffüllen/ Verräumen, Verwaltung usw.) zu externalisieren und Leiharbeitern, selbst gegründeten Firmen oder Fremdfirmen zu übertragen, die nicht zum Einzelhandel und seinen Tarifbereich gehören. Im Einzelnen hat der geltende Tarifvertrag aus Arbeitgebersicht folgende Defizite: (1) Er behindert, gestützt durch die Rechtsprechung, die Abstufung von Beschäftigten, deren Tätigkeiten an Wertigkeit verloren haben. (2) Die Beschäftigungsdauer führt automatisch zu Entgeltsteigerungen (Fahrstuhleffekt, Durchstieg, „Sitzprämie“). (3) Die Einstufung ist zu sehr an der Berufsbildung orientiert; sie müsste sich stärker nach der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit richten. (4) Die Unternehmen sind mit dem Tarifvertrag unzufrieden, weil er zu undifferenziert und nicht geeignet ist, die Wertigkeit der ausgeübten Tätigkeiten adäquat zu erfassen. Das veranlasst sie, die Tarifbindung zu verlassen. (5) An die Stelle sechzehn länderspezifischer Tarifverträge sollte eine bundeseinheitliche Entgeltstruktur treten, die länderspezifisch mit unterschiedlichen Eurobeträgen hinterlegt werden kann. Aus Sicht der Gewerkschaft und Beschäftigten ist der geltende Tarifvertrag nicht mehr geeignet, die erbrachten Tätigkeiten adäquat zu erfassen und zu bewerten, weil (1) die Summarik die „überwiegenden“ Anforderungen und Kompetenzen bewertet und folglich Anforderungen und Kompetenzen, die nicht überwiegend sind, nicht berücksichtigt, so dass sie unentgeltlich erbracht werden. Die summarische Bewertung sage nichts über die Wertigkeit einzelner Anforderungsmerkmale und deren Gewichtung untereinander aus. Eine Formulierung wie „Angestellte mit einer Tätigkeit, die erweiterte Fachkenntnisse und eine größere Verantwortung erfordert“ (Gehaltsstufe II, NRW), macht z.B. nicht deutlich, in welchem Ausmaß Fachkenntnisse und Verantwortung abgefordert werden und wofür die Betreffende verantwortlich ist; für Menschen, Sachen oder das Betriebsergebnis (Sczeny 2003). Ein analytisches Entgeltsystem könne die Anforderungen besser erfassen und müsse zu einer Aufwertung bisher bei der Bewertung und Einstufung unberücksichtigt gebliebener Anforderungen/ Kompetenzen führen. (2) Der geltende Tarifvertrag werde von den Arbeitgebern für die Abgruppierung genutzt, da in zunehmendem Maße Funktionen von Substituten/ Abteilungsleitern auf Verkäuferinnen/ Erstverkäuferinnen verlagert, ihnen aber nicht entgolten werden, weil sie nicht überwiegend sind. (3) Die Trennung zwischen Angestellten und Gewerblichen gilt (wie auch den Arbeitgebern) als überholt. Beide Gruppen würden beispielsweise bei Mischtätigkeiten im SB-Warenhaus gegeneinander ausgespielt. (4) Der geltende Tarifvertrag sei „warenhauslastig“ und auf Vertriebslinien, die in letzter Zeit 23 an Bedeutung gewonnen haben, nur bedingt anwendbar. (5) Er begünstige Befristungen und enthalte (6) Diskriminierungspotenziale (zu letzteren vgl. Sczeny 2003). Außerdem seien neue Berufsbezeichnungen nicht eindeutig zuzuordnen. Reformperspektiven – Grundanforderungen an das neue Entgeltsystem Trotz der unterschiedlichen und zum Teil konträren Interessen der Tarifparteien an einer Entgeltreform, konnten sie sich teils schon in der Anfangsphase des Projekts, teils aber auch erst im Verlauf eines längeren Diskussionsprozesses auf eine Schnittmenge gemeinsamer Grundanforderungen verständigen, die das neue System erfüllen soll. Unstrittig ist zwischen ihnen, dass (1) an die Stelle der Trennung zwischen Lohn- und Gehaltstarifvertrag ein einheitlicher Entgelttarifvertrag treten soll, der auch in anderer Hinsicht, insbesondere in geschlechtsspezifischer Hinsicht diskriminierungsfrei ist. Für Entgeltfindung soll zudem (2) ein strenger Anforderungsbezug gelten. Über die Eingruppierung entscheiden demnach künftig nur noch die Anforderungen der jeweiligen Tätigkeit, während persönliche Merkmale wie formale Qualifikationen, Berufs- oder Tätigkeitsjahre usw. keine Rolle mehr spielen sollen. An die Stelle der summarischen Tätigkeitsbewertung, bei der eine pauschale Beschreibung des Tätigkeitsprofils, die „überwiegende“ Tätigkeit und formale Qualifikationen über die Einstufung entscheiden, soll ein analytisches Entgeltsystem treten, das die Tätigkeit in einzelne Anforderungsdimensionen und -stufen zerlegt, die zunächst mit Hilfe einer Anzahl von Punkten jeweils für sich bewertet werden. Erst der in einem zweiten Schritt ermittelte Gesamtpunktwert entscheidet über die Zuordnung zu der im Tarifvertrag definierten Entgeltgruppe. Eine weitere Reformkomponente, auf die die Arbeitgeberseite im Gegensatz zur Gewerkschaft von Anfang an größten Wert legte und die sie stets als Junktim des gesamten Reformvorhaben verstanden wissen wollte, ist (3) die Einführung tariflich geregelter variabler (erfolgs- und/oder leistungsabhängiger) Entgeltbestandteile. Verständigt haben sich die Tarifparteien auch darauf, dass das zu erarbeitende Entgeltsystem (4) kostenneutral sein soll, was bedeutet, es darf als solches die etablierten Verteilungsrelationen zwischen Kapital und Arbeit nicht verändern. Einigkeit bestand ferner darin, dass das neue System auch in der Praxis (5) gut handhabbar, anwenderfreundlich sein muss. Strittig blieb zwischen den Vertretern der Tarifparteien aller auch innerhalb des Arbeitgeberlagers dagegen, ob es zur Aufrechterhaltung der bestehenden Wettbewerbsverhältnisse zwischen den Vertriebslinien beitragen muss, ob also Wettbewerbsneutralität eine Anforderung ist, der das neue Entgeltsystem zu genügen hat. 24 Pro und Contra analytische Arbeitsbewertung Nachdem die Tarifparteien entschieden hatten, dass für die Differenzierung des Grundentgelts im Einzelhandel künftig ein strenger Anforderungsbezug gelten soll, begannen die paritätisch besetzten Arbeitsgruppen mit der Arbeit an der konkreten Ausgestaltung des Entgeltsystems. Zwar fiel es einigen Arbeitnehmervertretern schwer, sich beispielsweise von der formalen Qualifikation als Kriterium der Entgeltfindung zu verabschieden, unter anderem weil die Arbeitsidentität der Beschäftigten, deren berufliche Orientierung, Wertschätzungen und ihr Selbstwertgefühl häufig eng mit Ausbildungsabschlüssen verknüpft sind. Offen in Frage gestellt wurde der Systemwechsel in der Methode der Arbeitsbewertung auf der Projektebene jedoch nicht. Skeptiker gibt es aber sowohl auf Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerseite nach wie vor. Unsere Mitte 2008 geführten Expertengespräche zeigten, je weiter die Vorarbeiten für den Systemwechsel fortschritten und je deutlicher wurde, welche Konsequenzen und Unsicherheiten sich damit verbinden, desto größer wurden Bedenken selbst bei einigen Promotoren der „Innovativen Tarifpolitik“. „Je näher das neue System rückt, desto größere Strahlkraft entfaltet das alte“, so ironisch ein, in eigenen Worten, „glühender“ und führender Promoter des Systemwechsels auf Arbeitgeberseite. Die im gewerkschaftlichen Diskurs über Methoden der Arbeitsbewertung vertretenen Positionen verdeutlicht ein kurzer Exkurs: In den 1990er Jahren erwarteten Wissenschaft und Tarifpolitiker, dass die „Krise des tayloristisch-fordistischen Produktionsparadigmas“ zu einer Abkehr von Systemen mit engem Anforderungsbezug führen wird: Wenn es darum geht, im erweiterten Umfang Flexibilitäts- und Produktivitätspotenziale von Beschäftigten zu erschließen, so die Argumentationslogik, werde die an einzelnen Tätigkeiten orientierte analytische Arbeitsbewertung dysfunktional. Als Alternative zu anforderungsbezogenen Systemen gewannen qualifikationsbezogene Bewertungsverfahren an Attraktivität, für die sich in den 1980er Jahren vor allem die IG Metall aber auch andere Gewerkschaften einsetzten. Allerdings verschwand dieses Konzept in Laufe der 1990er Jahre wieder „relativ lautlos von der tarifpolitischen Bildfläche“ (vgl. Bahnmüller 2001: 115).21 Empirisch erwies sich außerdem, dass der Zusammenhang zwischen „neuen Produktionskonzepten“ und einer Reform der Entgeltsysteme keineswegs so kausal ist, wie bis dahin angenommen (Tondorf 1994). Die Resistenz etablierter Methoden für die Entgeltdifferenzierung dürfte sich nicht zuletzt der Furcht verdanken, dass grundlegende Eingriffe in das betriebliche Statusgefüge zu Unruhen 21 Gegen qualifikationsbezogene Verfahren sprachen unter anderem der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleich Arbeit“ und die Befürchtung, dass Geringqualifizierten durch qualifikationsbezogene Verfahren Nachteile entstehen. 25 führen könnten. Zwar haben sich einige Tarifbezirke der Metall- und Elektroindustrie für die Analytik entschieden. Die summarische Arbeitsbewertung, die die Arbeit ganzheitlich betrachtet und relativ pauschal bewertet, blieb aber bis heute das vorherrschende Verfahren. Sie gilt als das einfacher zu handhabende, kostengünstigere und „politischere“ Verfahren. „Während die einen auf das analytische Verfahren schwören, das ihres Erachtens ein Höchstmaß an Genauigkeit und Entgeltgerechtigkeit zur Folge hat, gilt dies den Kritikern als Sinnbild eines detailbesessenen und auf die Logik des Taylorismus verpflichteten Denkens, das den heutigen Anforderungen an Arbeitseinsatzflexibilität nicht mehr gerecht werde, mit hohem Kosten- und Zeitaufwand verbunden sei und schließlich wegen seiner Verfahrensfixiertheit der Entpolitisierung des Konflikts um Lohn und Leistung Vorschub leiste“ (Bahnmüller 2001: 118). Doch die Fronten zwischen den Befürwortern und Gegnern der Analytik scheinen allmählich zu verwischen. Davon abgesehen sind die Grenzen zwischen summarischen und analytischen Systemen in der Praxis keineswegs so eindeutig, wie der Grundsatzstreit suggerieren mag. Zum einen kann die Entgeltfindung durchaus auf Basis einer Mischung von qualifikationsbezogenen, summarischen und analytischen Verfahrenskomponenten erfolgen, zum anderen lässt sich Analytik auch unter dem Etikett der Summarik praktizieren (ebd.: 119). Für die Annahne, dass sich analytische Verfahren künftig trotzdem stärker durchsetzen werden, spricht der Umstand, dass die traditionelle Summarik immer weniger dazu in der Lage ist, die ganze Vielfalt und Bandbreite der Arbeiter- und Angestelltentätigkeiten abzubilden. Sie kann auch immer weniger die Durchschaubarkeit, Überprüfbarkeit und Diskriminierungsfreiheit gewährleisten, die das nationale und das europäische Recht inzwischen für die Entgeltdifferenzierung verlangen (Krell/ Winter 2004). Insbesondere aus Genderperspektive ist die analytische Arbeitsbewertung eine notwendige Bedingung der diskriminierungsfreien Entgeltdifferenzierung (Krell/ Winter 2004, Stefaniak et al. 2002). Von ihr wird ein substanzieller Beitrag zur Beseitigung der Unterbewertung frauendominierter Tätigkeiten erwartet. Darum ist sie für den Einzelhandel prädestiniert (sfs 2003). Besser als die Summarik kann mit der Analytik einer Umgewichtung Bewertungskriterien Rechnung getragen werden. Soziale Kompetenz beispielsweise, die als Anforderungsdimension im alten Entgeltsystem des Einzelhandels unberücksichtigt blieb und quasi unbezahlt erbracht wurde, erfährt mit dem vorgesehenen neuen Entgeltsystem schon dadurch eine Anerkennung bzw. Aufwertung, dass sie darin neben den anderen Anforderungskategorien (fachliche Kompetenz, Organisationsanforderungen, Verantwortung, körperliche Mitarbeiterführung, Anforderungen) als Denk- und eigenständige Anforderungskategorie auftaucht (vgl. Abb.2). Mit der Kategorie „soziale Kompetenz“ wird einer Anforderungsdimension Rechnung getragen, die gerade in den vorwiegend von Frauen 26 ausgeübten Berufen und darüber hinaus unternehmensstrategisch (vor allem bei personenbezogenen Dienstleistungen) einen herausragenden Stellenwert hat. Die Auffassung, dass die analytische Arbeitsbewertung besser geeignet sei, Defizite der auf Summarik beruhenden Tarifverträge zu beheben, findet aber auch auf Gewerkschaftsseite keineswegs nur Zustimmung. So wird etwa aus Anlass der Tarifreform im öffentlichen Dienst festgestellt, (1) hinter der Auffassung, analytische Arbeitbewertung führe zu einem diskriminierungsfreien Eingruppierungssystem steht „die wirklichkeitsfremde Vorstellung, die tarifpolitische Bewertung von Arbeitskräften sei das Resultat einer gerechten Bewertung von Arbeit in Tarifverhandlungen“ (Wendl 2004: 16) („Objektivitätsillusion“). (2) Gerade Analytik konterkariere das Ziel eines neuen einheitlichen und transparenten Tarifrechts. (3) Da analytische Arbeitsbewertung nur betrieblich umgesetzt werden kann, stellt sie hohe Anforderungen an die betriebsrätliche Regelungskompetenz, und ihre konkrete Handhabung ist im hohen Maße abhängig von betrieblichen Machtverhältnissen. (4) Schließlich schlügen sich technische und arbeitsorganisatorische Rationalisierungsmaßnahmen unmittelbarer als bei der Summarik in Abgruppierungen nieder. Analytische Arbeitsbewertung ist demnach kein besserer, sondern ein schwächerer Schutz vor Abgruppierung. Schon die erforderliche Arbeitsanalyse decke Rationalisierungsmaßnahmen auf und liefere Daten für die weitere Zerlegung des Arbeitsprozesses und die Umorganisation von Arbeitsplätzen mit hohem Arbeitswert in solche mit niedrigem. Wenn nicht mehr (auch) die Qualifikation, sondern nur noch die Anforderungen des Arbeitsplatzes Maßstab der Entgeltfindung sind, habe eine Senkung der Arbeitsschwierigkeit und die Zerlegung komplexer Tätigkeiten in einfachere direkt entsprechende Abgruppierungen zu Folge (ebd.) (systembedingte Anfälligkeit für Abgruppierungen). 4. Das Projekt „Innovative Tarifpolitik“ 4.1 Ein Ansatz zur Unterstützung eines tarifvertraglichen Reformvorhabens Schon bevor die Tarifparteien 1999 die Aufnahme von Verhandlungen über neue Entgeltstrukturen vereinbarten, hatten die Unternehmen Rewe, Metro und Karstadt 1997 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts namens „Fachgemeinschaft Innovative Tarifpolitik“ (FIT) ins Leben gerufen. 2002 traten die Arbeitgeberverbände HDE und BAG der Fachgemeinschaft bei und verschafften ihr dadurch eine breitere Basis. Heute zählen auch Unternehmen wie Tengelmann, Marktkauf, Globus, Otto und IKEA zu den FIT-Mitgliedern. Die umfassenden Reformvorschläge, mit denen FIT Ende der 1990er/ Anfang 2000 an die DAG und HBV herantrat, lehnten die Gewerkschaften aber ab. Sie forderten eine voraussetzungslose gemeinsame Erarbeitung eines neuen Entgeltsystems. Daraufhin 27 wurden 2002 unter Einbeziehung und Mitwirkung der beiden oben genannten Institute paritätisch besetze und vom „regulären Tarifgeschehen“ (teil-) entkoppelte Projektstrukturen eingerichtet (Abb. 1). Deren Ziel ist die Erarbeitung verhandlungsreifer Vorschläge neuer Entgeltstrukturen, auf der Grundlage künftig reguläre Tarifverhandlungen geführt werden können. Abb. 1 Projektaufbau Stiftungen Wissenschaftliche Begleitung HDE BAG FIT Ver.di HDE/ BAG FIT-Unternehmen Tarifkommissionen Tarifkommissionen Koordinierungskreis vsAG 1 AG1 AG2 AG3 Entgeltstruktur Variables Entgelt Finanzierung vsAG 2 vsAG 3 vsAG 4 vsAG 5 vsAG 6 Betriebliche Projektteams vs-AG = vertriebslinienspezifische Arbeitsgruppen. Sie erarbeiten „Denkanker“ für spezifische Vertriebslinien/ Funktionsbereiche: (1) Warenhaus, (2) Discount, (3) SB-Warenhaus, (4) Verbrauchermärkte, (5) Logistik, (6) Verwaltung. Denkanker sind beispielhafte Aufgabenbeschreibungen und Bewertungsbegründungen für typische Tätigkeiten einer Vertriebslinie (z.B „Verkäuferin für Damenoberbekleidung“). Mehrere Dutzend (ca. 70) Denkanker werden Bestandteil des Tarifvertrags sein. 28 Während das Interesse der Tarifparteien an dem Projekt direkt der Erarbeitung eines neuen Entgeltsystems galt, bestand das übergeordnete Ziel des Projekts und seiner Förderung durch die Stiftungen darin, eine neue (projektförmig organisierte) Form Kooperation zwischen Tarifparteien und Wissenschaft zu erproben: Können die oben angedeuteten Kommunikations- und tarifpolitischen Innovationsblockaden zwischen den Tarifparteien mit Hilfe eines solchen Projekts überwunden werden? Ist es in der Lage, das zu leisten, was mit sehr viel mehr Input, Vorlauf und Aufwand für den Entgeltrahmentarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie (ERA) auf den Weg gebracht wurde (vgl. Bahnmüller/ Schmidt 2007)?22 Die an dem Projekt unmittelbar und mittelbar beteiligten Akteure erklärten in den Mitte bis Ende 2007 geführten Expertengesprächen einhellig, dass die (entkoppelten) Projektstrukturen und die wissenschaftlich Begleitung den Kommunikations- und Aushandlungsprozessen zwischen den Tarifparteien ausgesprochen zuträglich waren, und dass an die Stelle der früher stärker von Ressentiment und Misstrauen geprägten Umgangsformen, im Laufe der Zeit, wenn nicht Vertrauen, so doch immerhin wechselseitiger Respekt getreten sei. Beide Seiten hätten gelernt, dem Gegenüber zuzuhören und sich argumentativ mit seinen Positionen auseinanderzusetzen. Das Projekt profitierte noch in anderer Weise von der wissenschaftlichen Begleitung: Anders als in den oben erwähnten Reformprojekten anderer Branchen hielten es die Tarifparteien im Einzelhandel für notwendig, zunächst einmal eine Bestandsaufnahme der aktuellen Tätigkeits- und Anforderungsprofile in unterschiedlichen Tätigkeitssegmenten der Branche durchzuführen. Diese Erfassung und Gewichtung der Tätigkeits- und Anforderungsprofile erfolgte in enger Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und betrieblichen Projektteams (vgl. Abb. 1), die für unterschiedliche Vertriebslinien gebildet wurden und jeweils mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzten waren; Geschäftsführer/ Betriebsleiter/ Personalleiter einerseits und Betriebsratsmitglieder andererseits. Die Bestandsaufnahme erfolgte in Form von 255 (face to face) Interviews, 161 Tätigkeitsbeobachtungen, einer standardisierten schriftlichen Befragung, Expertengesprächen und Gruppendiskussionen in 22 Betrieben unterschiedlicher Vertriebslinien. Die auf diese Weise ermittelten Anforderungen wurden systematisiert und zu Anforderungskategorien zusammengefasst. Dabei und in den Diskussionen der AG1 kristallisierten sich die sechs in Abbildung 2 aufgeführten Anforderungskategorien als hinreichend trennscharf heraus. (Diese Anforderungskategorien und deren Gewichtung entscheiden in dem vorgesehenen Modell jeweils über den Wert der Arbeit.) Anschließend wurden die auf dieser Grundlage erarbeiteten Einstufungsinstrumente unter wissenschaftlicher Begleitung von den 22 Für die Wissenschaft bestand der Reiz eines solchen Typs „anwendungsorientierter Grundlagenforschung“ darin, prozessbegleitend und sehr nah Einblicke in ein tarifpolitisch und gesamtgesellschaftlich relevantes Terrain zu erhalten, das im Allgemeinen Dritten verschlossen bleibt. 29 betrieblichen Projektgruppen einem Praxistest unterzogen. Er bestätigte die praktische Tauglichkeit der Instrumente und zeigte eine unerwartet hohe Übereinstimmung zwischen beiden Betriebsparteien bei den von ihnen vorgenommenen Einstufungen. Abb. 2 Schema analytischer Arbeitsbewertung - „Innovative Tarifpolitik“ Arbeitsschritte Aufgaben Tätigkeit Anforderungen Anforderungs- Fachliche Soziale Verant- Mitarbeiter- Denk-/ Orga.- Körperl. Kategorien Kompetenz Kompetenz wortung führung anforderungen Anford. 1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 2 3 3 3 3 3 3 4 4 4 4 4 4 5 5 AnforderungsStufen 5 5 6 6 7 Erläuterungen • Eine Aufgabe besteht aus Arbeitsschritten und ist die Summe der Arbeitsschritte. • Eine Tätigkeit besteht aus Aufgaben und ist die Summe der einzelnen Aufgaben. • In Abhängigkeit von der formalen und tatsächlichen Organisation der Arbeit verbinden sich mit der Tätigkeit spezifische Anforderungen. • Diese Anforderungen werden analytisch in sechs Anforderungskategorien unterteilt. • Jede Anforderungskategorie wird in (vier bis sieben) Anforderungsstufen unterteilt. Anmerkung: Um die konkrete Gestalt dieses Schemas, seine Begründung und Anwendung wird seit Beginn des Projekts gerungen. Es ist daher mehrfach verändert worden. In der hier wiedergegebenen Form entspricht es dem Stand Ende 2007/ Anfang 2008. Als Vorteil der (partiellen) projektförmigen Auskoppelung des Vorhabens „Innovative Tarifpolitik“ aus dem regulären tarifpolitischen Aushandlungssystem erwies sich, dass die Arbeit an dem neuen Entgeltsystem über weite Strecken den Charakter sachlich-technischer Problemlösung annehmen konnte, indem Fragen nach den materiellen Konsequenzen und politischen Implikationen ausgeklammert bzw. aufgeschoben wurden. Dadurch ist zwischen den Tarifparteien eine Kommunikation in Gang gekommen, die vorher nicht möglich war. Zwar war zu erwarten, dass das, was ausgeklammert wurde, spätestens im Vorfeld der 30 Umsetzung des neuen Entgeltsystems wiederkehren würde. Dem Projekt drohte aber aus einem anderen Grunde schon ein frühzeitiges Aus. Den Anlass dafür bot – vor dem Hintergrund der oben skizzierten Tarifrunden ab 1999 – der Schlüsselkonflikt um die von den Arbeitgebern geforderte tarifvertragliche Regelung variabler Entgeltbestandteile und die Modalitäten ihrer Finanzierung. 4.2. Konflikte und Brennpunkte der Auseinandersetzung Tarifvertragliche Regelung variabler Entgeltbestandteile Von Anbeginn waren Fragen der „paritätischen Finanzierung“ des variablen Entgelts sowie die „Wirkungen“ seiner Einführung auf die Mitbestimmung der Betriebsräte umstritten. In einer Phase, in der am Projekt beteiligte Gewerkschafter dafür Sorge tragen mussten, dass ihre regionalen Gremien keine definitiven, auf Ablehnung und Konfrontation gerichteten Beschlüsse in dieser Frage treffen, gab es keine Möglichkeit, variable Entgeltmodelle praktisch zu erproben, denn die Gewerkschaftsgremien hätten dazu aufgefordert werden müssen, tarifpolitische Tabus probeweise über Bord zu werfen. Durch die Blockade seitens der Arbeitnehmervertreter stand für die Arbeitgeberseite das Projekt insgesamt in Frage. Zwar konnten sich die Tarifparteien in dieser kritischen Situation nach Einschaltung eines weiteren Moderators dazu durchringen, „mögliche tarifliche Eckpunkte“ für ein Leistungsentgelt zu formulieren. Die Rückmeldungen, die zu diesen Eckpunkten aus den Betrieben kamen, zeigten aber, dass sie nicht geeignet waren, die Vorbehalte gegen ein tarifvertraglich geregeltes variables Entgelt zu entkräften. Die Modalitäten der Finanzierung dieser Entgeltbestandteile blieben ebenfalls umstritten. Die Arbeitnehmerseite befürchtete zudem, dass betriebsratslose Betriebe oder schwache Betriebsräte nicht dazu in der Lage sind, die tarifvertraglichen Regelungen durchzusetzen, und dass mit dem variablen Entgelt unternehmerische Risiken auf die Beschäftigten verlagert werden. Darüber hinaus konnte nicht abschließend geklärt werden, ob die Einführung entsprechender Regelungen der freiwilligen oder erzwingbaren Mitbestimmung unterliegt, d.h. ob deren Einführung in den Betrieben von der Zustimmung des Betriebsrats abhängt oder auch gegen dessen Willen durchgesetzt werden kann. Letzteres fordern die Arbeitgeber. Als der Konflikt um das variable Entgelt das Projekt insgesamt zu gefährden drohte, wurde er vorerst auf Eis gelegt. Eine Verständigung erfolgte lediglich insoweit, als künftig nur noch der Leistungsbezug (und nicht mehr der Geschäftserfolg) Grundlage der variablen Bezahlung sein soll. In der AG 2 wurden fortan Grundsatzfragen diskutiert, vor allem die, wie der Leistungsbezug bestimmt werden kann. Auf ver.di-Seite dauert die Meinungsbildung darüber 31 an, unter welchen Bedingungen man sich darauf einlassen könnte, Leistungsentgelt tarifvertraglich zu regeln. Es gibt aber auch unter den Arbeitgebern Stimmen, die bezweifeln, dass die tarifvertragliche Regelung variabler Entgeltbestandteile im Einzelhandel überhaupt Sinn macht, weil unklar ist, ob und ggf. wie man in der Branche mit vertretbarem Aufwand zu objektivierbaren Leistungskriterien kommen kann, ob die Leistung im Einzelfall von den Beschäftigten überhaupt zu beeinflussen ist, wie sie zu messen und zu bewerten ist, wie variables Tarifentgelt (paritätisch) finanziert werden könnte. Die Expertengespräche ergaben, dass nicht wenige Arbeitgebervertreter der Meinung sind, das Insistieren auf eine tarifvertragliche Regelung variabler Entgeltbestandteile sei eine unnötige Verkomplizierung und Belastung des Projekts „Innovative Tarifpolitik“; leistungsbezogene Entgeltbestandteile könnten weiterhin per Betriebsvereinbarung oder in Form einzelarbeitsvertraglicher Absprachen geregelt werden, unter anderem weil dieses Personalführungsinstrument auf Ermessensspielräume angewiesen sei, die durch eine tarifvertragliche Regelung möglicherweise eingeschränkt werden würden. Auf beiden Seiten gab es Stimmen, die meinten, die Auseinandersetzung um das variable Entgelt sei vor allem ein „ideologisches Gefecht“. FIT und die Arbeitgeberverbände betrachten variable Entgeltbestandteile jedoch weiterhin als einen unverzichtbaren Bestandteil des neuen Entgeltsystems und der „Innovativen Tarifpolitik“. Während dieses Junktim für sie fortbesteht, will ver.di zunächst einmal nur ein neues (Grund-) Entgeltsystem entwickeln und einführen und getrennt davon erst in einem zweiten Schritt über die tarifvertragliche Regelung variabler Entgeltbestandteile verhandeln. Erfahrene Tarifpolitiker erklärten, das Thema könne als „Kompensationslösung“ oder „Verhandlungsmasse“ bei Bemühungen um eine Paketlösung eine Rolle spielen. FITVertreter plädieren dafür, die Frage der Finanzierung des variablen Entgelts zunächst offen zu lassen und sie gegen Ende des Projekts, „wenn wir die Töpfe sehen und wissen, was bei dem Grundentgelt herausgekommen ist“, auch unter dem Aspekt der Kostenneutralität wieder auszugreifen. Erarbeitung der (Grund-) Entgeltstruktur - Brennpunkte der Auseinandersetzung Nachdem das Thema „variables Entgelt“ auf Eis gelegt worden ist, konzentriert sich das Projekt de facto auf die Erarbeitung des analytischen Systems für die Arbeitsbewertung und Entgelteinstufung. Gefordert sind dabei zum einen die sechs (paritätisch besetzten) vertriebslinienspezifischen Arbeitsgruppen, zum anderen die (paritätisch besetzte) AG1, in der die Arbeitsergebnisse der ersteren zusammengeführt werden. Vorrangiges Ziel der vertriebslinienspezifischen Arbeitsgruppen ist die Erarbeitung von Denkankern, die im Rekurs auf die sechs Anforderungskategorien (vgl. Abb. 2) und durch Vergabe von Punkten 32 typische Tätigkeiten einer Vertriebslinie (analytisch) bewerten. Denkanker liefern typische Beispiele dafür, in welchem Fall welche Stufe einer Anforderungskategorie zu vergeben ist. Sie werden ein zentraler Bestandteil des Tarifvertrags sein. Zu einem Denkanker gehören jeweils eine ausführliche Aufgabenbeschreibung und Begründung der (mit Hilfe von Punkten vorgenommenen) Bewertung. Die für die Erarbeitung der Denkanker erforderlichen kollektiven Formulierungs- und Konsensfindungsprozesse verlangen von den Beteiligten einiges an Zeit und Geduld. Problemfälle, bei denen die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter in den vertriebslinienspezifischen Arbeitsgruppen zu keinem Konsens finden, werden in der AG1 behandelt, in der auch die übrigen Ergebnisse der einzelnen vertriebslinienspezifischen AGs übergreifend diskutiert und, soweit möglich, abgeglichen werden. Die Kategorie „Belastungen“ Längere Diskussionen gab es auch mit Bezug auf ERA und unter Einbeziehung eines Gutachters zu der Frage, ob außerordentliche physische Belastungen und Belastungen durch Umgebungseinflüsse (Feuchtigkeit, Kälte usw.) als eigenständige Einstufungsdimension oder als eine zulagenrelevante Sonderkategorie behandelt werden sollten. Beide Seiten sprachen sich schließlich dafür aus, Belastungen (ähnlich wie bei ERA) nicht in den Anforderungskatalog aufzunehmen und (unabhängig von der Entgeltgruppe) in einem gesonderten Zulagentarifvertrag zu regeln, der ein eigenständiger Bestandteil des Entgelttarifvertrags sein wird. Zum Thema Belastungen wurde darauf hin eine Arbeitsgruppe gebildet. Sie hat die Aufgabe, (a) außergewöhnliche Belastungen zu bestimmen, die für bestimmte Tätigkeiten typisch und noch nicht durch andere Anforderungsdimensionen (z.B. körperliche Anforderungen) abgedeckt sind, und (b) Vorschläge dafür zu erarbeiten, wie diese außergewöhnlichen Belastungen in den Betrieben ermittelt werden können. In der Belastungs-AG wurden dafür Instrumente („Filter“) entwickelt. Zu den Ergebnissen und Vorschlägen der AG gibt es bislang aber kein offizielles Einvernehmen zwischen den Tarifparteien. Konsens besteht in der Frage außergewöhnlicher Belastungen insofern, als die Abschaffung gesundheitsgefährdender Belastungen grundsätzlich den Vorrang vor deren Monetarisierung haben soll. Die Anforderungskategorie „fachliche Kompetenz“ versus „formale Qualifikationen“ Zu Beginn des Projekts fiel es insbesondere auf Gewerkschaftsseite schwer, sich von der formalen Qualifikation als Leitkriterium der Entgeltfindung zu verabschieden. Schließlich beruhte nicht nur die Summarik weithin auf der Unterscheidung „ungelernt“, „angelernt“, gelernt und gelernt „mit Zusatzqualifikation“, vielmehr sind auch die Arbeitsidentität der 33 Beschäftigten, ihre beruflichen Orientierungen, ihre Wertschätzungen und ihr Selbstwertgefühl häufig eng mit Ausbildungsabschlüssen verknüpft. Es bestand zudem die Befürchtung, ein anforderungsbezogenes Entgeltsystem könne zur Entwertung der Berufsausbildung führen. Dagegen wird argumentiert, höherwertige Tätigkeiten verlangten ja auch weiterhin eine Berufsausbildung. Der Unterschied zur Summarik besteht in diesem Zusammenhang darin, dass die Ausbildung nicht mehr an sich vom Entgeltsystem honoriert wird, sondern nur in dem Maße, wie sie als „fachliche Kompetenz“ am jeweiligen Arbeitsplatz tatsächlich abgefordert wird. Die Anforderungskategorie „soziale Kompetenz“ Soziale Kompetenz, die im alten System unberücksichtigt blieb und quasi unbezahlt erbracht wurde, erfährt mit dem neuen Entgeltsystem eine Anerkennung bzw. Aufwertung. Dass diese Anforderungskategorie in den geltenden Tarifverträgen bisher nicht berücksichtigt wurde, ist insofern eine Art blinder Fleck, als es sich bei der Arbeit im Einzelhandel größtenteils um personenbezogene Tätigkeiten handelt (statt um Arbeit mit Maschinen) und Kundenorientierung auch unternehmensstrategisch von Bedeutung ist. Davon abgesehen wird mit der Kategorie „soziale Kompetenz“ erstmalig einer Anforderungsdimension Rechnung getragen, die gerade in den hauptsächlich von Frauen ausgeübten Berufen einen herausragenden Stellenwert hat. Sie ist damit ein Beitrag zur Vermeidung geschlechtsspezifischer Diskriminierung. Die Anforderungskategorie „Verantwortung“ Besonders langwierig waren die Diskussionen um die Anforderungskategorien „Verantwortung“ und „körperliche Anforderungen“. Über viele Monate hinweg konnte dazu keine Einigung erzielt werden. Unterschiedliche Anforderungsstufen für die Verantwortung wurden zunächst als mehr oder weniger großer „Handlungsspielraum“ operationalisiert. Damit konnten sich aber die Arbeitnehmervertreter nicht anfreunden, weil Arbeitgeber mit Verweis auf Arbeitsanweisungen argumentieren könnten, dass es bei einer Vielzahl von Einzelhandelstätigkeiten keinen oder allenfalls einen geringen Handlungsspielraum gibt. Dies hätte zur Folge, dass das Gros der Beschäftigten in dieser Kategorie überhaupt keine Punkte bekommt. Davon, so hauptsächlich die Arbeitnehmervertreter, seien zwei Wirkungen zu erwarten: (a) Die Beschäftigten erkennen sich in dem System nicht wieder (Akzeptanzdefizite), weil sie sich für das, was immer sie machen, auch verantwortlich fühlen, und eine rein instrumentelle Einstellung zur Arbeit kaum durchzuhalten ist („gefühlte Verantwortung“). Den Beschäftigten (b) zu signalisieren, dass sie keinen Handlungsspielraum und damit keine Verantwortung haben, könnte verantwortungsloses 34 Verhalten provozieren. Zwar wurde von Arbeitgeberseite eingewendet, dass das Arbeitsrecht den Beschäftigten Sorgfaltspflichten auferlegt, deren Verletzung Sanktionen nach sich zieht. Damit war das beschriebene Problem aber nicht vom Tisch. Ein anderer Ansatz erwog, den Umfang der Verantwortung und deren Bewertung an die Höhe eines möglichen Schadenseintritts zu koppeln. Dieser und andere Versuche, Verantwortung zu objektivieren, führten zu keiner Lösung. Die am Projekt beteiligten Vertreter der Tarifparteien verständigten sich schließlich darauf, zu den ursprünglich vorgesehenen fünf Stufen über der ersten eine weitere (Zwischen-) Stufe (die jetzige Stufe zwei) hinzuzufügen und so eine Brücke zwischen „ohne“ und „geringem Handlungsspielraum“ zu schaffen für eine Tätigkeit „ohne Handlungsspielraum, die aber zur Fehlervermeidung ein besonders hohes Maß an Aufmerksamkeit erfordert“. Der Konflikt um die Kategorie „Verantwortung“ steht auch für den Kampf um Status und Anerkennung, die durch den absehbaren Wegfall bisher zentraler personenbezogener Kriterien wie Ausbildung und Berufserfahrung in der Wahrnehmung der Beschäftigten gefährdet sein dürfte. Die Anforderungskategorie „körperliche Anforderungen“ Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen um die Anforderungskategorie „körperliche Anforderungen“ stand die Frage, ob für die Einstufung bzw. Denkanker die Arbeitsplatzanforderung als solche, d.h. unabhängig von der Dauer und Intensität der Anforderungen ausschlaggebend sein sollte, so die ver.di-Position, oder ob dafür das durchschnittlich an dem Arbeitsplatz abgeforderte körperliche Können zugrunde zu legen sei. Beide Positionen standen sich mehrere Monate unversöhnlich gegenüber. Zu einem Kompromiss fanden die Parteien erst über eine Bildung von Rangreihen: FIT und ver.di waren aufgefordert, getrennt voneinander die zu diesem Zeitpunkt verfügbaren 30 Tätigkeitsbeschreibungen verschiedener Vertriebslinien im Hinblick auf die damit verbundenen körperlichen Anforderungen in eine Rangreihe von 1 bis 30 zu bringen. Ein Abteilungsleiter in einem Warenhaus erhält so beispielsweise einen der untersten, ein LKWFahrer, der Filialen des Lebensmittelhandels beliefert, oder eine Kommissioniererin im Lebensmitteleinzelhandel befinden sich dagegen auf den am höchsten bewerteten Plätzen. Die getrennt voneinander erstellten Rangreihen der Gewerkschafts- und Arbeitgebervertreter unterschieden sich nur geringfügig. Die Unterschiede fielen noch weniger ins Gewicht nachdem beide Parteien gemeinsam in der AG1 prüften, welche Tätigkeiten davon sinnvoller Weise zu Anforderungsstufen zusammengefasst werden können. Auf diese Weise wurden fünf Anforderungsstufen gebildet (vgl. Abb. 2). 35 Zum Stand der Arbeit an den Denkankern Denkanker sind die für die Tarifanwendung relevanten Beispiele zur Einstufung und Bewertung von Tätigkeiten. Rückkopplungsschleifen konnte In zum zwar Teil langwierigen Konsens über Diskussionen die inhaltliche mit vielen Fassung der Anforderungsdimensionen und deren interne Stufung erzielt werden. Das ist bislang im Hinblick auf die Denkanker, die (primär und im Rekurs auf die Anforderungskategorien) in den vertriebslinienspezifischen AGs erarbeitet werden, jedoch nicht der Fall.23 Hier liegen bei einigen Tätigkeiten die Bewertungen durch die Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter noch auseinander. Möglicherweise kann ein Teil dieser Differenzen ausgeräumt werden, wenn die Denkanker der verschiedenen Vertriebslinien einer noch ausstehenden Gesamtschau unterzogen und abgeglichen werden. Dieser vertriebslinienübergreifende Abgleich ist eine unerlässliche Voraussetzung für die Konsistenz des Einstufungssystems. Ziel dieses Abgleichs ist es, Diskrepanzen in den Bewertungen vergleichbarer Tätigkeiten unterschiedlicher Vertriebslinien auszuräumen. Darüber hinaus muss die Qualität der Tätigkeitsbeschreibungen und Bewertungsbegründungen vereinheitlicht werden.24 Zu leisten ist außerdem noch die Gewichtung der Anforderungsdimensionen und Anforderungsstufen zueinander. All das sind keine leicht zu bewältigenden Aufgaben, die, wenn die bisher im Projekt praktizierte Arbeitsweise beibehalten wird, einige Zeit in Anspruch nehmen werden. Anfang 2008 liegt auch erst etwa die Hälfte von insgesamt ca. 70 vorgesehenen Denkankern vor. Und selbst die sind keineswegs alle zwischen den Kontrahenten abgestimmt. Weitere Projektschritte und der Transfer der Projektergebnisse in das tarifpolitische Aushandlungssystem hängen aber weithin davon ab, dass die Denkanker in einer von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite akzeptierten Form (zumindest mehr oder weniger) vollständig vorliegen. 5. Umsetzungsbedingungen und -probleme Die zweite Phase der von der Hans Böckler Stiftung geförderten wissenschaftlichen Begleitung des Projekts (Mitte 2006 - Mitte 2008) sollte den „Transfer“, die tarifpolitische Aushandlung des neuen Entgeltsystems, die Verhandlungsprozesse und -dynamik sowie die Reaktionen und Prozesse in den Betrieben untersuchen und dokumentieren. Dafür waren 23 Bei ERA gibt es diesbezüglich laut Südwestmetall, dem zuständigen Arbeitgeberverband für BadenWürttemberg, eine 75-20-5-Regel, d.h. 75% der Tätigkeiten sollen direkt durch die (insgesamt 122) tariflichen „Niveaubeispiele“ abgedeckt sein. Bei 20% werde es erforderlich sein, Anforderungsdimensionen unterschiedlicher Denkanker zu kombinieren. Lediglich 5% der Tätigkeiten sollen neu zu beschrieben werden müssen. 24 Aus juristischer Sicht und im Hinblick auf die von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite geforderte Eindeutigkeit der Entgeltregelungen kommt es dabei auch darauf an, unbestimmte Rechtsbegriffe möglichst zu vermeiden. 36 umfangreiche qualitative und quantitative Erhebungen in ausgewählten Tarifbezirken vorgesehen. Nach Rücksprache mit den Tarifparteien konnte davon ausgegangen werden, dass die beteiligten Verbände im Dezember 2006 in ihren tarifpolitischen Gremien die relevanten Beschlüsse zu dem Reformvorhaben fassen. Im Vorfeld dazu sollte im Herbst 2006 eine breitere tarifpolitische Debatte stattfinden. Mit Tarifverhandlungen zu dem neuen Entgeltsystem wurde im zweiten Halbjahr 2007 gerechnet. Tatsächlich hinkt das Projekt diesen Planungen weit hinterher. Dass anberaumte Arbeitgruppensitzungen häufig wieder abgesagt und vertagt wurden und sich dadurch die Erarbeitung des Entgeltsystems verzögerte, ist eher als Symptom denn als Grund für diesen Rückstand zu werten. Die Tarifparteien mussten sich zwischen den Sitzungen stets in zeitaufwendigen Rückkopplungsschleifen bei projektrelevanten Entscheidungen der Zustimmung ihrer Mitglieder versichern. Die für die Tarifverhandlungen zum neuen Entgeltsystem ursprünglich vorgesehenen Termine konnten jedenfalls schon deshalb nicht eingehalten werden, weil bis Anfang 2008 kein verhandelbarer Tarifvertragsentwurf vorlag. Ein solcher gilt den Gewerkschafts- und Verbandsvertretern aber als Voraussetzung für die „breite“ Diskussion und Beschlussfassung in ihren tarifpolitisch relevanten Gremien. Aber auch unabhängig vom Stand der Arbeit an den Denkankern kann die Zustimmung der Tarifkommissionen und tarifpolitischen Ausschüsse zu dem Vorhaben für Anfang 2008 ausgeschlossen werden. Auf Arbeitgeberseite sind dafür vor allem ungeklärte Fragen im Zusammenhang mit der Kosten- und Wettbewerbsneutralität verantwortlich, die für sie die Achillesferse des Projekts bilden. Anders als bei ERA wurde in Vorfeld kein Topf zur Kompensation für eventuell anfallende Mehrkosten angespart. Klar ist auch, dass es einen Umstieg auf das Entgeltsystem ohne Berechnungen der Kosten nicht geben kann. Zu den noch ausstehenden Modellrechnungen, die zur Sicherstellung der Kostenneutralität beitragen sollen, gab es längere Diskussions- und Entscheidungsprozesse. Dabei ging es um die Generierung der erforderlichen Datenbasis, den Umgang mit sensiblen Unternehmensdaten und um die Rechenmethode. Eine der Fragen dabei war und ist, inwieweit für die Kostenrechnung überhaupt empirische Daten zur Verfügung stehen und wie mit Vertriebslinien und Bereichen umgegangen werden soll, für die das nicht der Fall ist. FIT und ver.di haben sich schließlich darauf verständigt, auf der Basis verfügbarer empirischer Unternehmensdaten für die verschiedenen Vertriebslinien „virtuelle“ Modellbetriebe zu konstruieren und diese im Datenraum des HDE zusammenzuführen. Für den Abgleich der Kosten nach den alten und neuen Entgeltregelungen ist inzwischen ein Kostenrechner entwickelt worden. Die Durchführung der Berechnung ist aber in jedem Fall an zwei 37 grundlegende Voraussetzungen gebunden. Die Unternehmen müssen ihre derzeitigen Entgeltstrukturen adäquat bzw. richtig und transparent erfasst haben. Das ist keineswegs immer der Fall (Fehlbewertungen, Wildwuchs) und vielfach erst noch zu leisten. Nur unter dieser Voraussetzung kann aber die neue Struktur per Modellrechnung zur alten in Beziehung gesetzt werden. Die zweite Bedingung sind fertig gestellte Denkanker, die das neue Entgeltsystem tragen. Über die Validität der gewählten Berechnungsmethode gibt es unterschiedliche Auffassungen. Sie kann politische Aushandlungsprozesse und Setzungen orientieren aber nicht ersetzen. Vorbehalte auf Arbeitgeberseite gegenüber einer zügigen Einführung des neuen Entgeltsystems speisen sich aber vor allem aus Zweifeln an der Wettbewerbsneutralität des neuen Systems. Die Vertriebslinie Warenhaus, die im Einzelhandel ohnehin schon vergleichsweise hohe Löhne und Gehälter zahlt und in den letzten Jahren kräftige Umsatzund Gewinneinbußen hinnehmen musste, befürchtet beispielsweise, dass sie beim Umstieg auf ein anforderungsbezogenes System, das der sozialen Kompetenz einen höheren Stellenwert einräumt, schlechter wegkommt als andere Vertriebslinien. Gerüchteweise erwägen Unternehmen dieser Vertriebslinie immer wieder einmal den Rückzug aus FIT und der „Innovativen Tarifpolitik“. Auch über Spartentarifverträge wird in diesem Zusammenhang nachgedacht. Auf Gewerkschaftsseite und in den tarifpolitischen Gremien der Arbeitnehmer besteht in der oben beschriebenen tarifpolitischen Situation 2007/ 2008 wenig Neigung, sich für den zügigen Einstieg in ein neues Entgeltsystem zu engagieren. Die Gewerkschaftsbasis will in dieser Situation entweder erst einmal gar nichts von einem neuen Entgeltsystem wissen oder begegnet einem solchen Ansinnen mit großer Zurückhaltung, weil die Folgen, die sich damit für sie verbinden, kaum abzuschätzen sind und es für sie auch wenig Anlass gibt, sich davon Verbesserungen oder gar eine finanzielle Besserstellung zu erwarten. Wie die Mitte bis Ende 2007 geführten Expertengespräche ergaben, sind selbst die ehrenamtlichen Mitglieder der Tarifkommissionen zu diesem Zeitpunkt nur in groben Zügen mit dem Vorhaben vertraut – ganz zu schweigen von Betriebsräten und Beschäftigten. Für die Arbeitnehmervertreter in den Tarifkommissionen stehen um die Jahreswende 2007/ 2008 eine „normale“ Entgelttarif- und eine Manteltarifrunde auf der Agenda. Für Debatten und Meinungsbildungsprozesse zur „Innovativen Tarifpolitik“ bleibt da wenig Raum. Ohne Zustimmung der Tarifkommissionen ist das Vorhaben aber nicht realisierbar. Die befragten Betriebsräte und Mitglieder der Tarifkommission erwarten zunächst einmal eine möglichst klare und eindeutige Entgeltsystematik, da sie andernfalls aufreibende 38 Auseinandersetzungen mit der Arbeitgeberseite befürchten. „Um nicht über den Tisch gezogen zu werden“ und „damit die Sache für uns nicht nach hinten losgeht“, halten sie eine längere Vorbereitungszeit für notwendig. Als Arbeitgebervertreter und FIT-Promotoren während der Tarifrunde 2007 unter der Überschrift „Kein Geld für alte Strukturen“, dennoch auf einen zügigen Einstieg in das neue – freilich noch gar nicht fertig gestellte – Entgeltsystem drängen, lehnt ver.di dies als „unzulässige Vermengung“ von (1) Manteltarifvertrag, (2) „normaler“ Entgeltrunde und (3) „Innovativer Tarifpolitik“ ab. Ende 2007/ Anfang 2008 scheren auch einzelne namhafte Unternehmen aus der von den Arbeitgeberverbänden verfolgten tarifpolitischen Linie aus, zahlen von sich aus ihren Beschäftigen mehr oder offerieren Haustarifverträge, die zum Teil weit über das hinaus gehen, was HDE und BAG bis dahin angeboten hatten.25 Anfang 2008 erklärt ver.di, dass die Gewerkschaft ihre Mitwirkung an dem Projekt „Innovative Tarifpolitik“ bis auf Weiteres „ausgesetzt“. Sie erwartet, dass sich die Arbeitgeberverbände an dem von einem Unternehmen angebotenen Haustarifvertrag orientieren, ein Ansinnen, das diese wiederum mit dem Hinweis ablehnen, das Angebot eines einzelnen Unternehmens könne nicht Richtschnur für Verhandlungen in der Fläche sein. Ob die hier zuletzt beschriebenen Vorgänge als nachhaltige Schwächung der Arbeitgeberverbände zu werten sind und die Basis des Tarifreformprojekts gefährden, ist derzeit nicht zu entscheiden. 6. (Zwischen-) Resümee: Nach Art einer „Wiederkehr des Verdrängten“? Die Frage: Können wissenschaftliche Begleitung, Moderation und Projektstrukturen, wie sie für die „Innovative Tarifpolitik“ aufgebaut wurden, zur Überwindung einer verfestigten Misstrauenskultur und zur Überwindung tarifpolitische Innovationsblockaden beitragen? kann insofern mit ja beantwortet werden, als sie auf der Projektebene zu konstruktiven und von wechselseitigem Respekt getragenen kooperativen Verhandlungen zwischen den Tarifparteien verholfen und zu Fortschritten beim sachlichen Diskussionsstand geführt hat, wenngleich dafür sehr viel mehr Zeit benötigt wurde als ursprünglich vorgesehen. Diese positiven Ergebnisse auf der Projektebene, die Auflösung der verfestigten Kommunikationsblockaden und die sachlich-inhaltlichen Fortschritte bei der kooperativen 25 Bis dahin hatten die Arbeitgeber ein kombiniertes Angebot vorgelegt, das tabellenwirksame Entgeltsteigerungen von 1,7% und darüber hinaus 1,5% für die neue Entgeltstruktur vorsah. Das Angebot eines Unternehmens, das diese Linie verlassen hat, umfasst einmalige Ausgleichszahlungen für 2007 in Höhe von 300 bis 450 Euro, eine Erhöhung der tariflichen Monatsentgelte um 3% ab 1.1.2008, die Beibehaltung der Spät- und Nachtzuschläge an den Werktagen, Zuschläge in Höhe von 20% an Samstagen ab 18:30. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass einflussreiche Verbands- und Verhandlungspositionen mit Mitgliedern des Unternehmens besetzt sind, das diesem Vorstoß unternommen hat. 39 Erarbeitung eines neuen Entgeltsystems, waren zu Beginn des Vorhabens angesichts der beschriebenen Aushandlungskonstellation alles andere als selbstverständlich. Zu deren Ermöglichung haben vor allem zwei Voraussetzungen beigetragen: (1) Die projektförmige Auskoppelung der „Innovativen Tarifpolitik“ aus dem regulären tarifpolitischen Aushandlungssystem und (2) die „Versachlichung“ der Arbeit an dem neuen Entgeltsystem, durch die vorläufige Ausklammerung der damit verbundenen materiellen Konsequenzen und politischen Implikationen. Freilich ist die projektförmige Auskoppelung des Vorhabens allein schon deshalb nur eine relative, weil sich in den Tarifrunden und im Projekt größtenteils dieselben Personen gegenüber sitzen, die ihre Handlungszwänge, organisationspolitischen Legitimationszusammenhänge, Dilemmata und Blockaden nicht einfach ausblenden können. Dass die relativ weitgehend ausgeklammerten Aspekte mit der näher rückenden Umsetzung des neuen Entgeltsystems wiederkehren würden, war auch zu erwarten. Die Crux für die Gesamtbeurteilung des Ansatzes besteht in der notwendigen Verzahnung von Projekt- und Tarifprozess und seinen spezifischen Rahmenbedingungen. Während die jährlich stattfindenden Tarifrunden die Arbeit an dem Projekt bis 2007 kaum beeinträchtigten, gerät sie vor der Fertigstellung des Systems in den Sog der Tarifverhandlungen. Obwohl dieses kein offizieller Verhandlungsgegenstand ist, wird es zum Gegenstand politischer Auseinandersetzungen und Meinungsbildungsprozesse, bei denen es auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite Befürworter und Gegner gibt, die aber insgesamt von einer relativ großen Unsicherheit über die Konsequenzen geprägt sind. Für die beiden (vertretungsschwachen) Tarifparteien verbinden sich mit dem Vorhaben Risiken und Befürchtungen, die ihre Substanz und möglicherweise sogar ihre Existenz gefährden. Für die Arbeitgeber ist das in erster Linie die Frage, ob und wie die Kosten- und Wettbewerbsneutralität des neuen Systems sichergestellt werden kann. Hinzu kommen die Ungewissheiten hinsichtlich der praktischen Handhabung des Systems in den Betrieben, die befürchtete Kompliziertheit des neuen Systems, der Aufwand, mögliche Konflikte um die Neueinstufungen, Rechtsstreitigkeiten und die damit verbundenen Kosten und Unruhepotenziale. Sollten das neue Entgeltsystem und der neue Tarifvertrag von den Unternehmen nicht akzeptiert werden, wäre das für die Verbände ein erheblicher Imageschaden. Für die Gewerkschaften wäre es auf deren anderen Seite ein Fiasko, wenn ihre Mitglieder und Arbeitnehmer sie für eine Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen verantwortlich machen würden, wenn sich herausstellen sollte, dass das neue System ein Instrument ist, das den Arbeitgebern Personalkostenreduktionen, eine dequalifizierende Arbeitsorganisation und die Ausweitung des Niedriglohnbereichs (working poor) erleichtert, oder dass infolge stärkerer Entgeltdifferenzierung und -spreizung die Interessendivergenzen unter Beschäftigten zunehmen. Es ist jedoch wohl kaum davon auszugehen, dass es bei der Umstellung nur 40 Gewinner geben wird. Besitzstandsregelungen können dieses Problem nur verschieben und abmildern, aber nicht beseitigen. Abgesehen von diesen Dilemmata und von der Tatsache, dass das Projekt hinter seiner Planung her hinkt, sind, bevor mit der Umsetzung begonnen werden kann, auch noch ein paar Vorarbeiten zu leisten: (1) Die Basis/ Fläche, insbesondere die Tarifkommissionen müssen mit Hilfe von Präsentationen, Kampagnen und Debatten über das Vorhaben informiert werden. Es muss diskursiv abgesichert werden. Dabei sollte vorausschauend die Langfristperspektive, die Frage, wie sich der Einzelhandel in den nächsten fünf bis zehn Jahren voraussichtlich entwickeln wird, berücksichtigt werden. (2) Es müssen Regelungen für die Überleitung des neuen Entgeltsystems in das tarifpolitische System und für die Überleitung in die betriebliche Praxis gefunden werden. Neben Besitzstandsregelungen sind das Formen der Konfliktregelung und Schlichtung bei Einstufungsfragen, Hilfen (Leitfäden usw.) und andere Vorbereitungen zur Begleitung der Umsetzung in den Betrieben. Zu klären ist die Frage, welche nachträglichen Korrekturmöglichkeiten es für die Tarifparteien nach Verabschiedung des Tarifvertrags gibt und welche Rolle dabei die Friedenspflicht spielt. (3) Zur Verzahnung von Projekt- und Tarifprozess müssen sich die Tarifparteien auf ein Prozessmodell, auf eine Schrittabfolge verständigen (Prozessvereinbarung).26 Zu klären ist in diesem Zusammenhang die Frage, wie der Umsetzungsprozess konkret aussehen soll: Werden für eine Übergangszeit der alte und der neue Entgelttarifvertrag nebeneinander bestehen? Auch dafür müssen Regelungen gefunden werden. In diesem Zusammenhang sind auch die mögliche Konsequenzen eines (sehr) langen Umsetzungsprozesses für die Kräfteverhältnisse und Durchsetzungsbedingungen der Tarifparteien zu bedenken. (4) Schließlich müssen sich diese auf eine Entgeltstruktur, eine Entgeltkurve und Entgeltgruppen verständigen und Eurobeträge festlegen. Was angesichts all der genannten Hindernisse und der noch anstehenden Aufgaben gleichwohl Anlass zur Hoffnung gibt, dass die „Innovative Tarifpolitik“ doch noch umgesetzt wird, ist der Umstand, dass die Tarifparteien in dieser Frage zum Erfolg verdammt sind. Denn, wenn ihnen an dieser Stelle kein Durchbuch gelingt, droht den Verbänden eine weitere Schwächung und dem Einzelhandel das (vorläufige?) Ende des Flächentarifvertrags. Aber selbst dann, so die Hauptpromotoren auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite übereinstimmend, sei das Projekt für die Gegenwart und für die Zukunft keineswegs nutzlos gewesen. 26 Ein eher schlechtes Beispiel für eine Prozessvereinbarung liefert die Tarifreform im öffentlichen Dienst. Hier wurde zwar der Zeitplan eingehalten, aber um den Preis, dass seit Inkrafttreten des TVöD eine neue Entgelttabelle gilt, ohne dass sich die Tarifparteien auf neue Eingruppierungsmerkmale und eine Entgeltordnung geeinigt hätten. Deshalb gelten die Eingruppierungsmerkmale des BAT weiter. 41 Literatur Bahnmüller, R. (2001): Stabilität und Wandel der Entlohnungsformen. Entgeltsysteme und Entgeltpolitik in der Metallindustrie, in der Textil- und Bekleidungsindustrie und im Bankgewerbe. München und Mering. Bahnmüller, R./ Bispinck, R./ Weiler, A. (1999): Tarifpolitik und Lohnbildung in Deutschland am Beispiel ausgewählter Wirtschaftszweige. WSI-Diskussionspapier Nr. 79. Düsseldorf/ Göttingen/ Tübingen. Bahnmüller, R./ Schmidt, W. (2007): Auf halbem Weg – Erste Befunde zur ERA-Umsetzung in Baden-Württemberg. In: WSI Mitteilungen 7. S. 358-364. Benkhoff, B./ Hermet, V. (2008): Zur Verbreitung und Ausgestaltung geringfügiger Beschäftigung im Einzelhandel. 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