Pia 02/2005 - Das Pius
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Pia 02/2005 - Das Pius
DAS MAGAZIN des Pius-Hospital Oldenburg pius A K T U E L L 2. 2005 Seite 4 Thema Der letzte Weg Seite 10 Hinter den Kulissen Seite 20 Geborgenheit und Vertrauen Liebe Leserinnen und Leser, einige von Ihnen werden mit unserem Titelthema schon ganz persönliche Erfahrungen gesammelt haben, einige noch nicht. Aber irgendwann werden wir uns alle damit auseinandersetzen müssen. Mich hat das Thema Tod Anfang des Jahres das erste Mal in meinem Leben ganz persönlich getroffen. Ein lieber Mensch ist plötzlich nicht mehr da, ein enger Vertrauter geht. Diese Erfahrung ist nicht zu beschreiben, nicht zu planen, nicht zu lernen. Aber sie gehört zu unserem Leben. Was mir in dieser Zeit sehr geholfen hat? Viele Dinge, die man in den schwersten Tagen entscheiden muss, waren weit im Voraus entschieden. Gemeinsam mitten im Leben stehend wurde der Tod in der Familie plötzlich zum Thema. Unbehaglich war das schon. Aber jetzt mit zeitlichem Abstand betrachtet war es gut! Ich hatte mehr Zeit für Abschied und Trauer. Pause. Natürlich haben wir auch angenehmere Themen in dieser Ausgabe für Sie zusammengestellt. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen, eine frohe Advents- und Weihnachtszeit sowie ein glückliches neues Jahr. Ihre nächste PIA erscheint im Januar 2006. Bis dahin Ihnen eine gute Zeit! Ihr Auf einen Blick 4 Der letzte Weg 8 Historie: Spurensuche 10 Abteilungen stellen sich vor 14 Auf die Zukunft bauen Pius senkt Parkgebühren Pius trotz Straßenbauarbeiten erreichbar 16 Pius intern: 24-Stunden-Hotline für junge Eltern Lebendiger Beweis „Ich bin ein braver Patient“ 17 Kurz notiert 18 Aktiv gegen Atemnot 20 Pflege – Geborgenheit und Vertauen IMPRESSUM Michael Dernoscheck HERAUSGEBER Pius-Hospital Oldenburg (v. i. S. P.) Georgstraße 12 26121 Oldenburg 22 Kunst und Kultur 22 Neues aus der Pius-Bücherei 24 Die Rose – die Trösterin und Predigerin KONTAKT pia@pius-hospital.de www.pius-hospital.de CHEFREDAKTION Isabelle Yeginer REDAKTION Angelika Fricke, Elisabeth Sandbrink, Michael Dernoscheck FOTOS Robert Geipel, Historisches Museum Hannover, 221 - Deutscher-Sherlock-Holmes-Club, Sherlock Holmes Museum, Schwanke/Raasch BERATUNG, GESTALTUNG, REALISIERUNG Schwanke/Raasch graphik design, Hannover Rudolf Schwanke, Michael Dernoscheck 2.2005 | 3 GESPRÄCHSTHEMA Der letzte WEG Sterben ist Privatsache. Der Tod hat in unserem Alltag keinen Platz. Und deshalb stehen wir einsam und hilflos da, wenn wir plötzlich doch mit Tod und Sterben konfrontiert werden. Wie begleitet man Sterbende auf ihrem letzten Weg. Wie möchten sie begleitet werden? In einer groß angelegten Studie fragten Psychologen der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg Schwerstkranke i und ihre Angehörigen ganz konkret nach ihren Bedürfnissen. m März war Heiner B. noch ein gesunder Mann. Ein bisschen müde manchmal. Manchmal drückte es hier und zwackte es dort, aber das ist ganz normal, wenn man über 50 ist. – Dass es doch nicht normal war, erfuhr er Anfang April bei einer Routine-Vorsorgeuntersuchung, zu der ihn seine Lebensgefährtin, Hilde D., überredet hatte. Von einem Tag auf den anderen war Heiner B. ein kranker Mann, ein schwer kranker Mann, denn weder Operation noch Chemo- oder Strahlentherapie konnten etwas ausrichten. Seit ein paar Wochen ist Heiner B. nun zu Hause. Es gibt Tage, an denen er sich fast gesund fühlt und andere, an denen er ahnt, wie nah das Ende ist. Gemeinsam mit seiner Partnerin versucht er, jeden Tag so zu gestalten „dass wir ihn nicht bereuen, wenn es der letzte gewesen sein sollte.“ Am meisten bedauert er, dass viele Freunde sich zurückgezogen haben. veröffentlichen wird. Sie befasst sich mit „Be- und Entlastungsfaktoren in kritischen Krankheits- und Sterbeprozessen“. Dazu befragte das Team Patienten, ihre engsten Bezugspersonen und Menschen, die beruflich mit Schwerstkranken und Sterbenden zu tun haben, nach ihrem persönlichen Befinden. Mit den Patienten führten die Psychologen anhand eines Fragebogens persönliche Gespräche. Den beiden anderen Personengruppen gaben sie Fragebögen zum Ausfüllen mit. „Natürlich hatten wir gewisse Hemmungen, ein so sensibles Thema anzusprechen“, erinnert sich Gerlinde Geiss. „Aber es hat kein einziger die Teilnahme verweigert. Im Gegenteil, die Menschen schienen richtig froh zu sein, dass sich jemand für ihre Situation interessiert. Dass sie uns erzählen konnten, was sie ganz persönlich als belastend empfinden, aber auch, was ihnen persönlich hilfreich erscheint.“ Freunde ziehen sich zurück Darstellung des auferstandenen Christus um 1600, derzeit ausgestellt im Historischen Museum Hannover 4 | 2.2005 „Menschen in solchen extremen Krankheitssituationen brauchen häufig ganz ganz viel soziale Unterstützung“, hat die Diplom-Psychologin Gerlinde Geiss festgestellt. „Aber gerade in diesem Moment passiert das Gegenteil: Das soziale Umfeld dünnt sich aus. Die Vereinsamung gehört zu den Hauptbelastungsfaktoren, die wir festgestellt haben.“ Gerlinde Geiss und ihr Abteilungsleiter Prof. Dr. Wilfried Belschner sind federführende Leiter einer Studie, die die Carlvon-Ossietzky-Universität in diesem Herbst Tatsächlich ist der Schwerpunkt „Entlastungsfaktoren“ das, was diese Studie einzigartig macht. Bislang hat sich die Sterbeforschung, die sich seit den Sechziger Jahren vor allem in Amerika entwickelt hat, überwiegend mit den negativen Empfindungen befasst. „Wir wollen hingegen auch aufzeigen, was Menschen in extremen und endgültigen Situationen als hilfreich empfinden, welche Unterstützung sie tatsächlich wünschen“, erklärt die Psychologin. „Das kann möglicherweise entscheidend gegen die eben beschriebene Vereinsamung helfen. Viele Freunde und Bekannte ziehen sich vor allem deshalb zurück, weil sie nicht wissen, wie sie mit einem totkranken Menschen umgehen sollen: Darf man über die Krankheit sprechen oder lieber nicht? Interessiert sich der Kranke in seiner Situation noch für den banalen Alltagskram, über den wir sonst gesprochen haben? Darf man lachen? Über Zukunftspläne sprechen?“ Lachen und über die Zukunft sprechen Man darf, findet Heiner B. Er wünscht sich, dass ihm alle so ehrlich wie möglich begegnen. Und das schließt beides mit ein: Interesse an ihm und seinem Befinden ebenso wie das Bewusstsein, dass das Leben weiter geht. Auch bei ihm zu Hause. Die ersten Wochen nach der Diagnose war der Alltag völlig auf den Kopf gestellt. Sein und Hildes ganzes Sein drehte sich nur um ihn, um seine Ängste, seine Hoffnungen, seine Wut, seine Schmerzen. Doch mit der Zeit ist wieder etwas Normalität eingekehrt. „Und das ist richtig so“, bestätigt Gerlinde Geiss. „Wir sollten die Alltagsdinge nicht vergessen. Wenn die Nachbarin früher freitags um 15 Uhr zum Tee kam, soll sie das möglichst auch weiter tun. Wenn es einen Schrebergarten gibt, soll er nicht verwildern. Kurz: Es tut sowohl den Patienten als auch den Angehörigen gut, sich mit lieb gewonnenem Vertrautem weiter zu beschäftigen.“ Bezugspersonen und ihr Wohlbefinden, so haben die Oldenburger Psychologen festgestellt, haben einen entscheidenden Einfluss auf das Gesamtbefinden schwerstkranker Patienten. Viele der befragten Patienten bewerteten ihre gesamte Situation dann umso positiver, je besser es auch ihren Angehörigen damit ging. Oder sie gaben umgekehrt an, eine deutliche Belastung zu empfinden, die eng mit ihren Bezugspersonen zusammenhing. Deshalb sind die Angehörigen ein wichtiger Stützpfeiler der Oldenburger Studie. Und sie selbst nahmen das Angebot, sich an der Fragebogen-Aktion zu beteiligen, gerne an. „Aus dieser Personengruppe sind prozentual die meisten Fragebögen zurückgekommen“, so Gerlinde Geiss. „Das zeigt eindrucksvoll, wie stark das Bedürfnis der Angehörigen ist, gesehen zu werden. Tatsächlich sind sie diejenigen, die in Krisensituationen oft die geringste Unterstützung erhalten.“ Dabei trägt die engste Bezugsperson oft eine kaum zu bewältigende Last: Während sie ganz um ihren schwerkranken Partner kreist, muss sie vielleicht zugleich plötzlich alleine für den gemeinsamen Lebensunterhalt, den Haushalt und die alltäglichen Verpflichtungen Sorge tragen, möglicherweise sogar für Dinge, die sie bisher noch nie gemacht hat. Hilde D. zum Beispiel hat sich in den zehn Jahren, die sie bisher mit Heiner zusammenlebt, nur selten um die Inspektion für das Auto oder um Reparaturen in der gemeinsamen Wohnung gekümmert. „Typische Rollenverteilung“, lächelt sie beschämt. „Aber es hat sich nun mal so bei uns ergeben. – Dafür habe ich schon immer die Steuererklärung gemacht.“ Angst, zur Last zu fallen Angesichts der existentiellen Auseinandersetzung eines sterbenskranken Patienten mit der eigenen Endlichkeit scheint die Belastung der Angehörigen meist eher nebensächlich. Sogar sie selbst nehmen sie häufig erst dann wahr, wenn sie bereits ein schweres Burn-Out-Syndrom entwickelt haben. Gerlinde Geiss rät daher dringend dazu, rechtzeitig die eigenen Grenzen zu erkennen und Hilfsangebote anzunehmen, ja sogar aktiv Hilfe einzufordern, wo sie nötig ist. „Das sind Sie sich und ihrem Partner gleichermaßen schuldig“, betont sie. „Denn Sie können ihm oder ihr damit eine große Angst nehmen: Viele Studien, die in den letzten 30 Jahren zu den Ängsten und Sorgen sterbender Menschen durchgeführt wurden, belegen, dass schwerkranke Menschen bald mehr Angst davor haben, ihren Angehörigen zur Last zu fallen, als vor dem Tod selbst.“ Dies gilt vor allem für die westlich-kapitalistische Gesellschaft, wie Soziologen festgestellt haben. Wo wirtschaftliche Effizienz und Individualität zu den höchsten Werten stilisiert werden, fällt es besonders schwer, Abhängigkeiten und Schwäche zu akzeptieren. „Wenn Menschen sich den Tod herbeiwünschen, liegt das oft daran, dass sie glauben, nicht mehr lebenswert zu sein, wenn sie ‘Last’ sind, ohne ‘vergelten’ zu können“, hat Josef Roß immer wieder festgestellt. Als Sozialarbeiter im Pius-Hospital unterstützt er Patienten und ihre Angehörigen bei der Suche nach Lösungen in solchen Situationen. „Dabei ist es doch nur natürlich, dass wir in Lebensgemeinschaften für einander da sind, wenn einer den anderen braucht.“ Gratwanderung zwischen Liebe und Last Jeder Mensch, der einen anderen Menschen liebt, wird dies bestätigen. Das Schwierige ist jedoch die Gratwanderung zwischen Last, die man liebend trägt, und Überbelastung. Um sie zu bewältigen, ist eine ehrliche Kommunikation die wichtigste Voraussetzung, betont Diplom-Psychologin Gerlinde Geiss. Dazu gehören klare Ich-Botschaften, die Artikulation von Gefühlen ebenso wie das echte Interesse an den Gefühlen des Gesprächspartners und die Bereitschaft, eigene Grenzen und die des Anderen zu akzeptieren. „Wichtig ist auch, interne Annahmen immer wieder zu überprüfen“, so Gerlinde Geiss weiter. „Oft Bilderbogen „Der Weg zum Himmel und der Weg zur Hölle“, Verlag C. Burckhardt’s Nachf., Weissenburg/Elsass, um 1880/90 2.2005 | 5 GESPRÄCHSTHEMA glaube ich, mein Partner möchte dies, oder er mag jenes überhaupt nicht, und verhalte mich danach. Dabei habe ich in Wirklichkeit irgendetwas falsch interpretiert, und er würde es anders viel lieber haben.“ Hilde D. ist sich dieser Klippen im Umgang mit Heiner durchaus bewusst. Und sie gehen beide gemeinsam so offensiv damit um, wie es ihnen möglich ist. Dennoch gibt es Dinge, über die sie mit Heiner nicht sprechen kann. Wie soll sie ihm erzählen, dass sie wissen möchte, was auf sie zukommt, wenn die letzten Tage und Stunden angebrochen sind? Dass sie sich genau informiert hat, was mit seinem Körper geschieht, und dass sie dann doch plötzlich Angst bekommen hat. Sich nicht vorstellen konnte, nicht vorstellen wollte, dass … eines Tages … möglicherweise sehr bald … Körperliche Zuwendung Einiges, was sie gelesen hat, war hilfreich. Zum Beispiel, dass es zum Sterbeprozess dazu gehört, dass man irgendwann aufhört zu essen und zu trinken. Dass künstliche Ernährung dann nicht unbedingt nötig ist, und dass es Erleichterung bringt, wenn man die Mundschleimhaut feucht hält. Dafür kann man zum Beispiel das Lieblingsgetränk auf einen Tupfer geben und die Lippen damit befeuchten, man kann es aber auch in eine Spritze füllen und tropfenweise in den Mund geben. Oder als Eiswürfel zum Lutschen. Wichtig fand sie auch den Hinweis, dass körperliche Zuwendung an Bedeutung gewinnt, je mehr das Sprechen in den Hintergrund tritt. Dass gemeinsames Schweigen Geborgenheit vermitteln kann, dass einfach wichtig ist, da zu sein. Die Hand zu halten. Dass Körperpflege von besonderem Wert sein kann. Aufbahrung, um 1920 Ölgemälde von August Heitmüller (1873-1935) „Weinet nicht, wir sehen uns wieder“ ist der Titel einer Ausstellung über Trauerkultur seit 1600 bis heute im Historischen Museum Hannover. Hier eine historische Szene in einem Bauernhaus kurz vor der Beerdigung. Der aufgebahrte Verstorbene ist umgeben von trauernden Verwandten und Freunden. Wie damals üblich, ist das Vieh mit dabei. 6 | 2.2005 Natürlich weiß sie, dass Heiner vor allem Angst vor unerträglichen Schmerzen hat. Auch sie hat Angst davor. Obwohl sie mit dem Hausarzt und mit den Krankenhausärzten gesprochen haben, weiß sie nicht, wie es dann wirklich sein wird. Wird es gelingen, die Schmerzmittel so zu dosieren, dass schlimme Schmerzen gar nicht erst entstehen? Wie stark werden die Schmerzmittel das Bewusstsein beeinträchtigen? Mit welchen anderen Nebenwirkungen müssen sie rechnen? Und wann genau beginnt der Zeitpunkt, wo das Leben endet und das Sterben einsetzt? Das Sterben gehört zum Leben dazu „Eigentlich beginnt er gar nicht“, erklärt die Psychologin Gerlinde Geiss. „Es liegt in der Natur von uns Menschen, dass wir gerne die Grenzlinie bestimmen wollen. Das Sterben vom Leben abtrennen wollen. Aber so ist es nicht. Das Sterben gehört zum Leben dazu. Jeder Mensch lebt bis zu dem Moment, wo der Tod eingetreten ist.“ Diese Erfahrung hat auch Josef Roß gemacht, der immer wieder auf Wunsch Patienten begleitet. Eine seiner ersten Sterbebegleitungen hat ihn besonders positiv beeindruckt. „Die Tochter rief mich am Morgen an und bat mich, zu kommen. Wir haben uns ganz ungezwungen am Krankenbett mit ihrem Vater unterhalten. Irgendwann hat er sich aufgerichtet und genüsslich eine Zigarette geraucht. Danach ist er zufrieden eingeschlafen und eine halbe Stunde später gestorben.“ Natürlich war die Trauer trotzdem groß. Natürlich bleibt es immer unbegreiflich, dass ein Mensch, der ein ganzes Leben immer da war, plötzlich nicht mehr ist. Tröstlich aber war, dass dieser Mensch, wohl wissend dass es auf das Ende zuging, bis zum letzten Augenblick aktiv gelebt hat. „Ich habe später viele andere Situationen erlebt, wo Patienten sich schon lange vor der Zeit komplett aufgegeben hatten“, erzählt Josef Roß weiter. „Schicksalsergeben warteten sie auf den Tod – und der wollte manchmal noch gar nicht kommen. Ich denke, wir müssen akzeptieren, dass wir den Zeitpunkt nicht bestimmen können, und dass das gut so ist. Es gibt immer etwas, was man dem Leben noch abgewinnen kann. Bis zum letzten Moment.“ Leben bis zum letzten Moment Wichtig ist, den Mut dazu zu haben. Und hier können Angehörige große Unterstützung leisten, bestätigt auch Gerlinde Geiss. Zum einen, indem sie Situationen schaffen, die der kranke Partner trotz möglicher Einschränkungen genießen kann. „Wenn er zum Beispiel immer gerne spazieren gegangen ist, dies aber nun nicht mehr geht, können Sie vielleicht sein Bett im Wohnzimmer aufschlagen und die Terrassentür weit aufmachen.“ Dies gilt auch dann, wenn der Sterbende geistig verwirrt oder nur noch phasenweise bei Bewusstsein ist. Auch dann kann er Zuwendung spüren und angenehme Reize empfinden. Zum anderen können Angehörige helfen, indem sie nicht starr an Regeln festhalten sondern Wünsche zulassen. „Wenn es auf das Ende zugeht, macht es keinen Sinn, aus gesundheitlichen Gründen das Rauchen oder fetthaltiges Essen zu verbieten“, ist die Psychologin überzeugt. „Unterstützen Sie ihren Partner darin, Dinge zu tun, die er genießt.“ Auch die Frage, ob bestimmte Schmerzmittel auf die Dauer abhängig machen können, dürfe in diesem Fall keine Rolle spielen. Wenn sie das Leben in der Endphase erleichtern, so Gerlinde Geiss, sollte man nicht darauf verzichten. Immer mehr Ärzte und Pflegende teilen diese Einschätzung. In vielen Städten gibt es bereits so genannte Palliativ-Stationen in den Krankenhäusern. Und auch in normalen Krankenhaus-Abteilungen, vor allem auf Krebs- und Intensivstationen wird dann, wenn keine Aussicht mehr auf Heilung ist, alles medizinisch Mögliche getan, um das Leben in der letzten Phase angenehm zu gestalten. Auch in der Hospiz-Arbeit nimmt die Palliativ-Medizin einen hohen Stellenwert ein (s. PIA 03/2003). Doch wird das Thema gerade in Deutschland mit äußerster Vorsicht behandelt. Politiker, Ethikkommissionen, Kirchenvertreter und verschiedene Interessenverbände loten minutiös die moralischen Grenzen der medizinischen Sterbebegleitung aus. Dazu gehören sowohl Fragen nach dem Sinn von lebenserhaltenden und lebensverlängernden Maßnahmen wie z.B. künstliche Ernährung, künstliche Beatmung oder Reanimation, als auch die Frage, wie weit eine Schmerztherapie gehen darf und welche Nebenerscheinungen dafür in Kauf genommen werden. Dabei scheiden sich die Geister heute wohl nicht mehr beim Thema Medikamenten-Abhängigkeit. Was aber, wenn ein Schmerzmittel zwar das akute Leiden wirksam bekämpft, dabei aber lebensnotwendige Organe so schädigt, dass der Tod möglicherweise ein paar Stunden oder Tage früher eintritt als ohne Schmerzmittel? Welche Zeitspanne, um die das Leben möglicherweise verkürzt würde, ist akzeptabel? Stunden? Tage? Wochen? Und wer entscheidet das? Und was, wenn ein Patient gar ganz bewusst mit Schmerzmitteln das Leiden, das ihn erwartet, verkürzen möchte? Diskussion um Dignitas Neuen Zündstoff hat diese Diskussion in den vergangenen Wochen erhalten, als in Hannover der Schweizer Verein Dignitas ein Büro eröffnete. Unter dem Leitspruch „Menschenwürdig leben – Menschenwürdig sterben“ bietet er an, solche Patienten zu beraten und ihnen gegebenenfalls die todbringende Medikamentendosis zugäng- „Weinet nicht, wir sehen uns wieder“ Trauerkultur in Hannover von 1600 bis heute Ausstellung vom 9.11.2005 - 30.04.2006 im Historischen Museum Hannover, Pferdestr. 6, 30159 Hannover, T: 0511-16843052 Öffnungszeiten: Di. und Do. 10 - 19 Uhr, Mi., Fr. - So. und an Feiertagen 10 - 17 Uhr; 1.1.2006 14 - 17 Uhr Mo., 24. und 31.12.2005, 14.4.2006 geschlossen lich zu machen, obwohl dies nach geltendem Recht in Deutschland verboten ist. Das rigide Verbot hat gute Gründe. Bei spontanen Umfragen behaupten zwar bis zu 70 Prozent der Bevölkerung, dass sie im Ernstfall einen schnellen Tod vorziehen würden und hierzu schnelle Hilfe in Anspruch nehmen möchten. Doch weist dies mehr auf ein tief sitzendes gesellschaftliches Problem hin als auf einen tatsächlich so weit verbreiteten Todeswunsch hin. „Unsere Gesellschaft vermittelt immer mehr den Eindruck, dass ein Leben mit Einschränkungen ‘unwürdiges Leben’ sei und bietet als einfache Lösung die Beendigung dieses ‘unwürdigen’ Zustandes an“, kritisiert Pius-Sozialarbeiter Josef Roß. „Tatsächlich aber sollten wir dem Leben selbst wieder mehr Würde verleihen, indem wir es auch in schwierigen Situationen Wert schätzen. Die Würde im Leben und im Sterben bestimmen wir selbst dadurch, wie wir miteinander solche Situationen aushalten.“ Und dazu gehöre, so Roß weiter, selbstverständlich auch, eine Versorgungs-Situation anzubieten, die das Aushalten erleichtert. Die Angst vor Schmerzen, vor dem Alleinsein, und die Angst davor, anderen zur Last zu fallen sind es, die das Leben plötzlich „unwürdig“ erscheinen lassen. Diese Ängste dürfe man nicht einfach so „wegwischen“, äußert Niedersachsens Noch-Gesundheits-und-Familienministern Dr. Ursula von der Leyen in der Süddeutschen Zeitung und fordert „schlüssige Alternativen“: Mehr Hospize und Palliativstationen für Sterbende und Schwerstkranke, mehr Netze der Versorgung, intensive Forschung und Ausbildung. Wenn es gelingt, diese Alternativen umzusetzen, könnte die Diskussion um „Dignitas“ sich möglicherweise von selbst entschärfen. Diese Erfahrung machen jedenfalls die meisten Menschen, die in Hospizen oder auf Palliativstationen arbeiten. „Zu uns kommen immer wieder Patienten, die vor lauter Schmerzen am liebsten sofort sterben wollen“, berichtet ein Arzt ebenfalls in der Süddeutschen Zeitung. „Wenn sie aber dann mit Medikamenten eingestellt sind, die Schmerzen nachlassen, dann sagen sie: ‘Das mit dem Sterben können wir ruhig verschieben’“. Zeit zum ABSCHIEDNEHMEN Neunzig Prozent aller Deutschen möchten am liebsten zu Hause sterben. Doch auch im Krankenhaus ist es möglich, mit Zeit und in würdiger Atmosphäre Abschied zu nehmen. Angehörige können zum Beispiel für eine gewisse Zeit in ein Begleitzimmer im Pius-Hospital ziehen, um rund um die Uhr in der Nähe zu sein. „Aber auch, wenn Sie es nicht schaffen sollten, da zu sein, sind Sterbende bei uns nicht allein“, verspricht Dr. Joachim Goedeke aus der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin. Schwestern und Pfleger, Ärzte oder, wenn gewünscht, auch Seelsorger kümmern sich um sie. „Es ist für die Angehörigen oft ein großer Trost, wenn ich ihnen sagen kann: ‘Ich habe Ihrem Vater die Hand gehalten.’ Und wenn sie erfahren, dass er ohne zu leiden gestorben ist.“ Diese Erfahrung macht der Intensivkrankenpfleger Torsten Kohlbus immer wieder. Wie auch alle anderen Beschäftigten auf der Intensivstation geht er besonders sensibel auf die Bedürfnisse der Hinterbliebenen ein. „Wir nehmen sie gleich an der Tür zur Station in Empfang; oft spricht man nicht viel, aber ich glaube, sie spüren unsere Anteilnahme. Und dann lassen wir ihnen so viel Zeit, wie sie brauchen, um Abschied zu nehmen. Wie lange das dauert, können sie selbst bestimmen.“ Auch für religiöse Zeremonien ist im Pius-Hospital Raum. Dazu gibt es ein besonderes Aufbahrungszimmer mit Kreuz und Kerzen. Und sogar für die im Islam üblichen Waschrituale kann alles bereit gestellt werden. 2.2005 | 7 HISTORIE SpurenFoto: 221b – Deutscher-Sherlock-Holmes-Club SICHERUNG Vor 75 Jahren starb der Augenarzt Dr. Arthur Conan Doyle. Als Mediziner und Wissenschaftler war er Zeit seines Lebens nur mäßig erfolgreich. Dafür brachte er es als Schriftsteller zu Weltruhm. Und das wiederum verdankt er hauptsächlich der Tatsache, dass er in Edinburgh Medizin studierte. Denn dort traf er auf den skurrilen Dozenten Dr. Joseph Bell. Dr. Joseph Bell liebte es, seine Studenten auf die Probe zu stellen, und nicht selten blamierten die jungen Männer sich entsetzlich. Doch sie konnten nicht umhin, ihn trotzdem zu bewundern. Denn Joseph Bell konnte wie kein Zweiter sein Gegenüber analytisch einschätzen. Oft bestellte er Patienten in den Hörsaal, um auch seine Studenten in dieser Fähigkeit zu schulen. „Was plagt diesen Mann?“, fragte er zum Beispiel und griff sich einen seiner Schüler aus der Menge. „Fassen Sie ihn nicht an. Gebrauchen Sie nur Ihre Augen und Ihren Verstand.“ – „Er humpelt …“, stotterte der Student und versuchte es auf gut Glück: „Sein Hüftgelenk ist geschädigt.“ Darauf hatte Bell nur gewartet. Genüsslich zerpflückte er nun diese Fehldiagnose Stück für Stück: Der Patient habe keine Hüftprobleme sondern Hühneraugen, was man einwandfrei daran erkennen könne, dass in seine Schuhe genau an der Stelle Löcher geschnitten seien, wo 8 | 2.2005 Hühneraugen üblicherweise am meisten drücken. Aber wegen Hühneraugen suche man keine Universitätsklinik auf. Das Problem sei vielmehr die Leber. An seiner roten Nase, dem aufgedunsenen Gesicht, den blutunterlaufenen Augen, den zitternden Händen und so weiter, werde schließlich mehr als deutlich, dass der Patient schwerer Alkoholiker sei. – Und während man bewunderndes Murmeln aus dem Hörsaal vernehmen konnte, rundete Bell seine Analyse ab: „Außerdem ragt aus seiner rechten Jackentasche der Hals einer Whiskey-Flasche.“ Genau auf diese Weise könnte ein Dialog zwischen dem legendären Detektiv-Gespann Sherlock Holmes / Dr. Watson ablaufen. Und das ist kein Zufall. Denn Sherlock-Holmes-Erfinder Arthur Conan Doyle wählte Joseph Bell ganz bewusst als lebendes Vorbild. Bells Methodik, scharf zu beobachten, nicht nur auf das Offensichtliche, sondern auch auf scheinbar Nebensächliches zu achten und alles miteinander in logische Zusammenhänge zu bringen, hatte Doyle als Medizinstudent in Edinburgh kennengelernt. Ab dem zweiten Semester machte Bell den jungen Das Sherlock Holmes Museum in London hat in der Baker Street 221b, wo Holmes den Geschichten Sir Arthur Conan Doyles zufolge von 1881-1904 gelebt hat, sein Studier- und Herrenzimmer im viktorianischen Stil nachgestellt (rechts oben). In den Museumsräumen sind auch einige persönliche Gegenstände des großen Detektiven zu sehen. Mann zu seinem Assistenten. Gelegenheit genug also, die Eigenarten des berüchtigten Dozenten genau zu studieren. Und ganz wie er später Sherlock-Holmes’ Assistenten Dr. Watson durch naives Nachfragen die Zusammenhänge erkennen lässt, nutzte Doyle in seinen Studienjahren sicher die Gelegenheit, Fragen zu stellen, die ihn voran brachten. Dass er mit diesen Studien eines Tages die Kriminal-Literatur revolutionieren würde, ahnte Arthur Conan Doyle zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht. Zunächst wandte er sich ganz der Berufung als Arzt zu, fuhr einige Monate lang als Schiffsarzt zur See und eröffnete 1882 seine eigene Praxis in Portsmouth. Doch er hatte offensichtlich kein glückliches Händchen. Tag für Tag saß er in seinem Sprechzimmer und wartete. Patienten kamen nur selten. Um sich von trüben Gedanken und Selbstzweifeln abzuhalten, suchte Dr. Doyle nach einer Ablenkung. Er griff zur Feder und schrieb „Eine Studie in Scharlachrot“. Die Geschichte erzählt von dem Militärarzt Dr. John Watson der nach einer Typhuserkrankung seinen Abschied nehmen muss und sich aus Geldmangel bei dem exzentrischen Gelehrten Sherlock Holmes in London einmietet. Die beiden Männer hatten noch kaum Zeit, einander richtig kennen zu lernen, als ein Brief von Scotland Yard eintrifft: „In der Nacht hat sich nahe der Brixton Road, eine üble Sache ereignet.“ Ein Amerikaner wurde ermordet, und es gibt keinerlei Anhaltspunkte – bis auf das deutsche Wort „Rache“, an die Wand geschmiert mit Blut … Der Rest ist Literatur-Geschichte: Arthur Conan Doyle schloss seine Praxis, schrieb insgesamt vier Sherlock-Holmes-Romane und 56 Holmes-Geschichten und wurde weltberühmt. 1902 wurde er sogar zum Ritter geschlagen. Das Traumpaar Wat- son / Holmes prägt bis heute die Kriminal-Literatur. Und tatsächlich hat es auch die Arbeit der echten Kriminalisten beeinflusst: Sherlock Holmes führte die Spurensicherung in die Ermittlungsarbeit ein. Vor seiner Zeit war niemand auf die Idee gekommen, Schuhabdrücken oder Zigarettenstummeln am Tatort irgendeine Bedeutung zuzuschreiben. Und auch das lebende Vorbild Sherlock Holmes’, der Medizindozent Dr. Joseph Bell, beeinflusste die historische Polizeiarbeit. Er machte als einer der ersten Wissenschaftler auf dem Gebiet der Forensik Karriere und war zum Beispiel als Berater von Scotland Yard an der Suche nach Jack the Ripper beteiligt. Bilder sind vom Sherlock Holmes Museum in London zur Verfügung gestellt worden. Besten Dank! © The Sherlock Holmes Museum 221b Baker Street, London, England www.sherlock-holmes.co.uk. 2.2005 | 9 ABTEILUNGEN STELLEN SICH VOR 7.000 Steckdosen in 1.494 Räumen, 907 Telefonanschlüsse, 794 Wasseranschlüsse und -abflüsse, 1.500 elektrische Geräte, 32 Klima- und Belüftungsanlagen, 12 Aufzüge, eine Karusselltür, mehr als 5.000 Wände, Zimmerdecken und Außenfassaden, die gesamte Ausstattung für 10 OPs … Mit einem kleinen Team von 12 spezialisierten Mitarbeitern sorgt die Technische Abteilung im Pius-Hospital dafür, dass der Betrieb auch hinter den Kulissen möglichst reibungslos funktioniert. Hinter den KULiSSEN Mittwochmorgen, 6:50 Uhr. Kurz vor Dienstbeginn holt Elektromeister Walter Menke seinen Pieper an der Information ab. In Vertretung für den technischen Koordinator Uwe Storm trägt er heute außerdem den 01-Pieper, den für dringende Notfälle. Und auf dem sind heute Morgen schon erste Hilferufe aufgelaufen: In der Küche steht das Spülband still. Sieben Mitarbeiter, die nur zu gerne das Frühstück vorbereiten würden, können im Moment gar nichts machen. Noch bevor Walter Menke das Organisations-Büro betritt, schickt er einen Techniker zum Spülband. Keine 30 Minuten später läuft alles wieder. „Zum Glück war das eine leichte Reparatur“, stellt Menke erleichtert fest. „Es war nur ein Schlauch gerissen, und man konnte schon von außen sehen, wo das Wasser ’rauskam.“ Wenn der Fehler nicht so augenfällig gewesen wäre, hätte möglicherweise zusätzlich ein Elektriker für die Reparatur abgestellt werden müssen. Kein Problem; in der Technischen Abteilung sind Handwerker unterschiedlichster Fachgebiete beschäftigt. Aber ob Tischler, Maler, Elektriker, Heizungsbauer, Maschinenschlosser oder Installateur – sie alle haben natürlich ihren ganz alltäglichen Arbeitsplan. Und der hat es auch schon ohne Notfälle in sich. 7:30 Uhr. Zeit für eine reguläre Dienstbesprechung ist an den meisten Tagen nicht. Aber in dieser frühen Morgenstunde ist es am wahrscheinlichsten, dass alle Mitarbeiter der Technischen Abteilung eben die wichtigsten Informationen austauschen können. Später am Tag wird jeder in seinen Zuständigkeitsbereichen voll eingespannt sein. Jetzt geht es erst einmal darum, die aktuellen Reparaturanforderungen aufzunehmen und einzuplanen. Einer aus dem Team hatte in der Nacht Rufbereitschaft. Zum Glück musste er nicht raus. „Aber wir sind auf jeden Fall rund um die Uhr so organisiert, dass in spätestens 20 Minuten ein Spezialist von uns im Einsatz ist“, erklärt Heinz Müller, der Technische Leiter des Pius-Hospitals. 10 | 2 . 2 0 0 5 8:00 Uhr. Der Krankenhausalltag ist in vollem Gange. Auf den Stationen haben die Patienten ihr Frühstück erhalten. Im Institut für Radiologie warten die ersten darauf, geröntgt zu werden. In der Strahlenklinik laufen die Geräte schon seit 30 Minuten. Die Ärzte der anderen Kliniken machen sich nach ihrer morgendlichen Dienstbesprechung bereit für Operationen und Untersuchungen. Im OP werden jetzt die ersten Narkosen eingeleitet. In zehn Operationssälen ist alles für die Eingriffe vorbereitet. Selbst die Luft über den OP-Tischen ist nahezu keimfrei. „Genau gesagt betreiben wir eine KlimaTechnik, die über einen so genannten S-Filter 99,999 Prozent aller Keime und Verunreinigungen abscheidet“, bringt Heinz Müller die Zahlen auf den Punkt. Jeder Operationssaal hat seine eigene Klimaanlage. Der Luftstrom ist so eingestellt, dass der Operationsbereich optimal mit hygienisch einwandfreier Luft versorgt wird. Verbrauchte Luft verlässt den OP-Bereich im Überstromverfahren. Insgesamt bewegen die Klima- und Lüftungsanlagen im Pius-Hospital 135.730 Kubikmeter Luft pro Stunde. Das sind mehr als 135 Millionen Liter. Für die Maschinen, die so viel leisten können, ist im Dachgeschoss über den Operationssälen ein ganzer Trakt reserviert. Dort sieht es aus wie im Maschinenraum eines großen Überseedampfers. Und es klingt auch so. Lärmend erzeugen die Kühlaggregate Kälte. Die Klima-Anlagen hingegen saugen nahezu geräuschlos eine genau vorgegebene Menge Luft von außen ein, führen sie über ein Kanalsystem durch mehrere Filter, heizen, kühlen, befeuchten und trocknen sie auf die vom jeweiligen Operations-Team bevorzugte Temperatur. Heino Drieling ist zuständig für die Klimaechnik am Haus. Er weiß ganz genau, welche Voreinstellung wo gewünscht ist und überprüft und dokumentiert sie. Dafür muss er zum Glück nicht jedes Mal aufs Dach hinauf. Er kann die neuesten Anlagen am Bildschirm überwachen und sogar über Teambesprechung am Morgen (v. l. Günther Würtz, Koordinator Uwe Storm und der Technische Leiter, Heinz Müller) Und praktische Ausführung. Hier Theo Sartisson, der eine Tür gängig macht. den Computer einige Veränderungen in den Einstellungen vornehmen. „Wenn irgendwo etwas von der Norm abweicht, kriege ich automatisch eine Fehlermeldung“, erklärt er. „Und dann greifen wir sofort ein.“ Bei jeder Operation muss ein Beatmungsgerät bereitstehen, das bei Vollnarkosen routinemäßig und ansonsten in Notfällen eingesetzt wird. Dass in einem solchen Fall 2 . 2 0 0 5 | 11 ABTEILUNGEN STELLEN SICH VOR Das Team der Technischen Abteilung im Pius-Hospital: 12 Mitarbeiter aus unterschiedlichen Berufsbereichen sorgen dafür, dass hinter den Kulissen alles funktioniert. genügend medizinische Druckluft zur Verfügung steht, ist Aufgabe von Rolf Mozkowski, der die Druckluftanlage betreut. Über ein spezielles Druckluft-Leitungssystem sind alle Operationssäle direkt an die Versorgung angeschlossen. Auch in den meisten Patientenzimmern gibt es Versorgungsampeln mit Atemluft. Sie wird nach genauen technischen Vorgaben gereinigt, gefiltert und getrocknet. Der Sauerstoffnachschub kommt aus einem Tank mit flüssigem Sauerstoff (Fassungsvermögen 2.860 l), der jede Woche einmal nachgefüllt wird. „Wasser ist bei Zimmertemperatur flüssig und wird, wenn Sie es erhitzen zu Dampf, also gasförmig“, erklärt Heinz Müller. „Wenn Sie den Dampf abkühlen, wird er wieder flüssig. Mit Sauerstoff verhält es sich ähnlich: Er ist bei Zimmertemperatur gasförmig, wird aber ebenfalls flüssig, wenn Sie ihn nur genügend abkühlen. Bei einem Bar und minus 183 Grad Celsius nämlich.“ Der Sauerstoff in dem Tank ist also annähernd minus 183 Grad kalt. Wenn er den Tank verlässt, wird er über den Verdampfer auf Umgebungstemperatur erwärmt. Aus 1.000 Litern flüssigem Sauerstoff werden bei Erwärmung gut 853.000 Liter Gas. Als Notfallreserve gibt es außerdem eine ganze Batterie von Ersatzflaschen für die Sauerstoffversorgung im Pius-Hospital. 9:30 Uhr. Walter Menke hat die Reparaturaufträge vom Morgen erfasst, delegiert und zum großen Teil erledigt. Neben seiner täglichen Routinearbeit wohl bemerkt. Ihm untersteht die gesamte Stromversorgung einschließlich Telekommunikation im PiusHospital. Das sind unter anderem rund 12 | 2 . 2 0 0 5 Dass das abteilungsinterne EDV-Programm gut läuft, Daten sauber eingepflegt werden und zum Abruf bereit stehen, dafür sorgt mit Begeisterung Burchard Horn. 1.500 elektrische Geräte, 7.000 Steckdosen, kilometerlange Leitungen in den Wänden von acht Gebäuden, die zum Pius-Hospital gehören. Das Betreten der Zentralverteilung ist Unbefugten nicht gestattet. Immerhin wird hier der Strom mit 20.000 Volt Spannung eingeleitet und mit einer eigenen Trafo-Station in die normale Stromspannung umgewandelt (400 Volt für Starkstrom, 230 Volt für Steckdosen). Eine Messstation überprüft, wie viel Strom in jedem Moment in den einzelnen Bereichen des Hauses verbraucht wird. Bevor das Netz überlastet ist, kann Walter Menke am Lastrechner regulierend eingreifen. Zum Stromausfall ist es deshalb in den Jahren, die er bereits im Pius tätig ist, noch nie gekommen. Aber auch für diesen Fall ist natürlich vorgesorgt. Vor allem in den lebenswichtigen Bereichen – im OP und auf der Intensivstation – sind unterbrechungsfreie batterie- und akkugestützte Anlagen, installiert. Bei Stromausfall von der Versorgerseite springt außerdem automatisch das Notstromaggregat an, welches von einem Dieselmotor mit über 400KW angetrieben wird. Einmal im Monat, wenn im Krankenhaus nachmittags noch genügend Stromlasten verbraucht werden, wird der Ernstfall geprobt. „Unser Diesel springt immer reibungslos an“, resümiert Menke. 14:00 Uhr. Die Technische Abteilung ist in alle Bauprojekte im Pius-Hospital eingebunden und nimmt regelmäßig an den Bauund Strukturplanungssitzungen teil. In diesen Wochen beherrschen mehrere Themen das Programm, unter anderem der Bau des neuen C-Flügels, die Sanierung des B-Flügels, Straßensanierung und eine Umstruk- turierung des Telefon- und EDV-Netzes. Heinz Müller hat im Laufe der letzten Jahre ein CAD-System in seiner Abteilung eingeführt und begonnen, das ganze Haus mit allen Leitungen, Anschlüssen, Abflüssen usw. im Computer technisch zeichnen zu lassen. „Wir hatten das Glück, dass Norbert Kollhoff, ein EDV-Freak, mit dem CAD-System hier Pionierleistungen erbracht hat“, so Müller. „Er hat hausintern vieles erfasst und geplant und steht nach außen mit unseren Planungsbüros in regem Austausch. Ohne genaue Analyse vor Ort und Qualität in der Darstellung können keine sauberen Entscheidungen getroffen werden.“ 14:30 Uhr. Mitten in die Sitzung hinein schrillt der 01-Pieper. „Die Warmwasseranlage 108 ist kaputt“ knattert es aus dem Lautsprecher. Walter Menke macht sich eine kurze Notiz. Gleich nach der Sitzung wird er den Auftrag an die zuständigen Sanitär-Handwerker weitergeben. Wasser gehört neben Strom zu den wichtigsten Notwendigkeiten in einem Krankenhaus. Insgesamt kümmert die Technische Abteilung sich um fast 1.000 Wasseranschlüsse. „Wir verbrauchen 100 m3 Wasser am Tag. Das ist ungefähr so viel wie ein privater Haushalt im ganzen Jahr verbraucht“, schätzt Heinz Müller. 15:00 Uhr. In Sachen Neubau kommt so einiges auf die Technische Abteilung zu. In den einzelnen Bauphasen wird der eine oder andere Krankenhausbereich kurzzeitig umziehen müssen. Heinz Müller und sein Team planen mit, wer wann wo einigermaßen reibungslos untergebracht werden Die Klimatechnik im gesamten Haus betreut Heino Drieling. kann. Aufgabe der Krankenhaustechniker ist es, die Räume jeweils rechtzeitig vorher auf die speziellen Bedürfnisse der jeweiligen Abteilung anzupassen. „Das bedeutet, dass wir je nach Bedarf, planen, organisieren, streichen und tapezieren, auch mal Leitungen und Rohre legen“, erklärt Müller. „Oder dass wir Reparaturarbeiten ausführen, zum Beispiel die Türen ausbessern.“ Aus diesem Grund gehören zu seinem Bereich auch Maler, Tischler und Installateure. „Manche kleineren Projekte betreuen wir auch selbständig von Anfang bis Ende“, so Müller. Bei so etwas ist dann neben fachlichem Können auch die Phantasie der Techniker und Handwerker gefragt. Wie setzt man bei möglichst geringen Kosten möglichst klar um, was die Verantwortlichen sich wünschen? Und wie gestaltet man die Umgebung so, dass sie den veränderten Patientenwünschen Rechnung trägt? „Als ich 1973 Hans Güse ist für das Datennetz und die Telefonanlage zuständig. Günter Heins, Gruppenleiter in dem Bereich Wasseraufbereitung hat bereits unmittelbar nach Dienstbeginn alle Anlagen gescheckt, für richtig befunden und dokumentiert. hier anfing, war alles ganz einfach“, erinnert sich Müller. „Da gab es eine Farbe, nämlich Weiß, und vielleicht drei verschiedene Fliesenarten für die Wände und Fußböden. Heute müssen wir locker das Vierzigfache an Material vorhalten. Heute bieten wir Wohnzimmer-Komfort im Krankenhaus.“ Und das beflügelt so manchen in der Technischen Abteilung. Der Maler und Gruppenleiter Günther Würtz zum Beispiel sprudelt nur so vor Ideen. So versah er in Zusammenarbeit mit Jochen Wieding und Theo Sartisson zum Beispiel die Krankenpflegeschule mit einer modellierten Fassade, damit sie auch von der Seite schmuckvoll aussieht. „Mit Farbe und Stil kann man eine Menge machen“, bestätigt Abteilungsleiter Heinz Müller. „Der Mensch braucht Atmosphäre. Und wir versuchen, sie mit unseren Mitteln zu schaffen. – Wenn es uns gelingt, dann haben wir alle gemeinsam et- was geschafft. Das sind die Momente, wo wir uns alle so richtig mit unserer Arbeit identifizieren können.“ 16:00 Uhr. Die meisten Mitarbeiter der Technischen Abteilung haben für heute ihren Dienst hinter sich. Einer hat Rufbereitschaft bis morgen früh. Alle sind gespannt, was der nächste Tag an Überraschungen bringt. Technische Abteilung kompakt In der Technischen Abteilung im Pius-Hospital sind 12 Mitarbeiter aus unterschiedlichen Berufsbereichen im Einsatz. Sie sind unter anderem Elektriker, Heizungs- und Lüftungsbauer, Maschinenschlosser, Installateure, Maler oder Tischler und sorgen hinter den Kulissen dafür, dass der Krankenhausalltag funktioniert. Sie betreuen die Aufzüge, das Heizungs- und Wassersystem, die Stromversorgung, die Kühl- und Klimatechnik, Telefon, Fernsehen und Datennetze, sind für den Brandschutz und die Abfallentsorgung zuständig, und dafür, dass die Krankenhausbetten funktionsfähig sind, sie verwalten 1.286 Schlüssel, renovieren und streichen und haben für alle technischen Sorgen ein offenes Ohr. „Natürlich können wir nicht alles allein machen“, betont der Technische Leiter Heinz Müller. „Etliche Firmen und Fachbüros sind an der Organisation und den Arbeitsprozessen beteiligt.“ Walter Menke beim regelmäßigen Check der Notstrom-Anlage, die von einem 400KW-Dieselmotor angetrieben wird. 2 . 2 0 0 5 | 13 BAUMASSNAHMEN Pius senkt PARKGEBÜHREN Die Bausituation am Pius-Hospital bereitet Patienten und Besuchern zur Zeit einige Unannehmlichkeiten. Als kleinen Ausgleich hat das Kran- Das neue Diagnose- und Therapiezentrum – im Rohbau (oben), und so, wie es einmal aussehen wird (Bauzeichnung unten). kenhaus jetzt die Parkgebühren gesenkt. Patienten und Besucher zahlen in den nächsten Monaten nur 50 Cent pro angefangene Stunde, wenn sie den Parkautomaten im Foyer des Pius-Hospitals benutzen. Wer mit dem Auto zu einem mehrtägigen stationären Aufenthalt kommt, kann an der Aufnahme einen noch günstigeren Tagestarif vereinbaren. Die Pius-Parkplätze befinden sich auf zwei Parkebenen an der Grünen Straße hinter und unter dem Neubau für das Diagnose- und Therapiezentrum. Pius trotz Straßenbauarbeiten BAUEN ERREICHBAR auf die Zukunft Am Pius-Hospital wird weiter modernisiert und neu gebaut. Das Krankenhaus schafft damit Raum für zukunftsfähige Neuerungen im Gesundheitswesen. Ein kompetentes interdisziplinäres Netzwerk zwischen niedergelassenen Fachärzten und dem Krankenhaus sowie kurze Wege für Patienten schafft das neue Diagnose- und Therapiezentrum an der Grünen Straße. Hier entstehen Räumlichkeiten für ambulante Operationen, die vom Pius-Hospital und den niedergelassenen Ärzten in Oldenburg gemeinsam genutzt werden können. Zusätzlich bietet das neue Haus Raum für fünf niedergelassene Praxen. Ambulante Operationen und kurze Wege „Wir sind überzeugt, dass das Gesundheitswesen nur dann auch in Zukunft Bestand haben kann, wenn wir untereinan- der Netzwerke bilden“, macht Pius-Geschäftsführer Dr. Robert Riefenstahl deutlich. „Das Diagnose- und Therapiezentrum ist ein aktiver Beitrag in diese Richtung. Es bietet niedergelassenen Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen die Möglichkeit, sich einander ergänzend zu vernetzen und zugleich die Infrastruktur eines Krankenhauses mit zu nutzen. Gemeinsam können wir die räumliche Nähe für einen engeren fachübergreifenden Dialog zwischen Niedergelassenen und Klinikärzten nutzen. Wir können gemeinsame Standards entwickeln und dadurch unseren Patienten eine gleich bleibend hochwertige Behandlung vor, während und nach dem Krankenhausaufenthalt garantieren.“ Computermodell des zukünftigen C-Flügels vom Wallgraben aus gesehen. Er wird in einem schwungvollen Bogen bis an das Diagnose- und Therapiezentrum heran gebaut und setzt dessen klare Linienführung in hellen Farben und Glas fort. 14 | 2 . 2 0 0 5 Patienten profitieren außerdem von den kurzen Wegen: Sie gehen zum niedergelassenen Facharzt ihres Vertrauens, können aber auch alle begleitenden Untersuchungen (z.B. Labor, Röntgen, EKG o.ä.) am selben Ort mit erledigen – entweder in einer der anderen Facharztpraxen oder in den entsprechenden Funktionsbereichen des Pius-Hospitals. Bei den Oldenburger Ärzten kommt das Konzept gut an: Eine onkologische Praxis, eine Dialysepraxis, eine chirurgische Praxis, eine orthopädische Praxis und eine Praxisgemeinschaft von Urologen haben bereits Bereiche im Diagnose- und Therapiezentrum gemietet. Der Neubau soll im Sommer 2006 eröffnet werden. Intermediate Care und neuer C-Flügel Neu gebaut wird auch der letzte noch nicht modernisierte Flügel des historischen Pius-Hospitals, der so genannte C-Flügel. Das Land stellte für dieses ehrgeizige Projekt 17 Millionen Euro zur Verfügung. Die ersten Vorbereitungen haben begonnen. Der neue C-Flügel wird deutlich mehr Raum bieten als bisher. Er wird fünf Stockwerke in die Höhe gehen, zwei in die Tiefe, und einige Meter weit in den bisherigen Patientengarten hinein ragen. Nach hinten wird er in einem schwungvollen Bogen bis an das Diagnose- und Therapiezentrum heran gebaut, dessen klare Linienführung sich auch in der stilistischen Gestaltung des neuen C-Flügels fortsetzen wird. Bereits Mitte 2007 soll der erste Bauabschnitt in Betrieb genommen werden. Er bietet Raum für neue, komfortable Patientenzimmer und einen großen so genannten Intermediate-Care-Bereich, der gleichzeitig im B-Flügel des Hospitals eingerichtet wird. Hier werden Patienten in den ersten kritischen Stunden nach einer großen Operation sicher überwacht werden, ohne wie bisher auf der Intensivstation untergebracht werden zu müssen. Zeitgleich mit dem Neubau des Diagnose- und Therapiezentrums und den ersten Vorbereitungen für den neuen C-Flügel hat auch die Stadt Oldenburg begonnen, rund um das Pius-Hospital zu bauen. Derzeit werden in der Georgstraße, die zum Pius-Haupteingang und zur Notaufnahme führt, neue Kanalund Wasseranschlüsse gelegt. Dazu sperrt die Stadt jeweils einen kurzen Abschnitt der Georgstraße. Insgesamt werden diese Bauarbeiten voraussichtlich bis Ende des Jahres dauern. Das Pius-Hospital ist dennoch durchgehend erreichbar. Die jeweils aktuelle Verkehrsführung ist ausgeschildert. Auch für Parkmöglichkeiten ist gesorgt. Lotsen helfen weiter Hilfe in der verwirrenden Verkehrs-Situation leisten drei Studenten, die das PiusHospital als Lotsen eingestellt hat. Morgens von 7.30 Uhr bis 11.30 Uhr stehen sie bei Wind und Wetter vor dem Krankenhaus bereit, helfen bei der Parkplatzsuche und begleiten Patienten mit Gepäck, wenn gewünscht, bis zur Patientenaufnahme. Zu erkennen sind die Lotsen an der leuchtend orangefarbenen Jacke mit dem Pius-Logo. Und an einem strahlenden Lächeln. „Es macht richtig Spaß“, schwärmt Lotsin Corinna Heyen. „Man hilft, lernt interessante Leute kennen, und erlebt immer wieder ganz spontane Dankbarkeit.“ 2 . 2 0 0 5 | 15 PIUS INTERN 24-STUNDEN-HOTLINE für junge Eltern + + + Kurz notiert Neugeborene im Pius-Hospital haben es gut! Auf einer hellen, familienfreundlichen Station erleben sie die ersten Tage ihres Lebens in Geborgenheit und unter der sicheren Begleitung von Hebammen und Kinderkrankenschwestern. Mama, Papa und Geschwister können sich in aller Ruhe mit dem neuen Baby vertraut machen und erhalten wertvolle Tipps zum Stillen, zur Pflege und zum Zusammenleben. Und auch in den ersten Wochen zu Hause kümmern sich Schwestern und Hebammen gerne um Eltern und Neugeborene: Mit einer 24-Stunden-Hotline stehen sie rund um die Uhr beratend zur Verfügung. „Meist können wir schon am Telefon helfen“, weiß Schwester Angelika Dommers. „Aber wenn sie das Gefühl haben, es könnte doch ein ernstes Problem vorliegen, können die frisch gebackenen Eltern gerne auch kurzfristig bei uns vorbeikommen. Wir helfen ihnen dann ganz unbürokratisch und verweisen sie gegebenenfalls an einen niedergelassenen oder stationären Kinderarzt.“ Die Eltern-Hotline ist zu erreichen unter Tel: 0441/229-2180 Die Beratung ist kostenlos. Mit einem freudigen „Herzlich Willkommen!“ wurde die kleine Lilli Henriette im großen Kreißbett von Mama, Papa, Tante, Hebamme und Ärztin empfangen. Hinterher hatten Muter und Kind in trauter Zweisamkeit Zeit, sich zu erholen. Stillen ohne Stress: Das können die schönsten Momente für Mutter und Kind sein. Schwestern und Hebammen geben wertvolle Tipps, damit es ohne Probleme klappt. Auch die Kinderkrankenschwestern nehmen sich Zeit für die neuen Erdenbürger. So kann die junge Mutter sich nach der Entbindung richtig erholen. Lebendiger B E W E I S Die Diagnose Brustkrebs ist für jede Frau ein Schock. Da kann es hilfreich sein, mit Leidensgenossinnen ins Gespräch zu kommen. Im Oldenburger Brustzentrum im Pius-Hospital hat die Betroffenen-Initiative Brustkrebs (BIB) ein eigenes Büro. „Wir sind ein lebendiger Beweis dafür, dass man die Krankheit überstehen kann. Und das macht Mut“, erklärt Andrea Mahnken. „Zugleich wissen wir ganz genau, welche Gefühle, Ängste und Hoffnungen einen nach der Diagnose Krebs überrollen. Wir können den Patientinnen auf einer ganz anderen Ebene begegnen als die professionellen Gesprächspartner hier im Hause.“ Andrea Mahnken war 37 Jahre alt, als bei ihr ein bösartiger Knoten in der Brust diagnostiziert wurde. Drei Jahre später musste sie erneut behandelt werden, weil sich Metastasen gebildet hatten. Sie hat die gesamte Palette von Angst und Hoffnung erlebt und begegnete diesen Gefühlen, indem sie sich ausführlich mit ihrer Krankheit, möglichen Behandlungsmethoden und ihren Chancen und Risiken beschäftigte. So entwickelte sie sich nach und nach zur Expertin in eigener Sache. Dieses Wissen gibt sie nun gemeinsam mit ihren Kolleginnen Doris Krais-Birne und Karin Wündisch an andere Patientinnen und ihre Angehörigen weiter. Jeden Donnerstag sind die BIB-Frauen im Pius-Hospital vor Ort. In dringenden Fällen stehen sie auch außer der Reihe für Gespräche zur Verfügung. Die Hilfe, die BIB anderen Brustkrebspatientinnen gibt, endet jedoch nicht mit dem Krankenhausaufenthalt. „Unmittelbar nach der Operation fühlen viele Frauen sich erstaunlich stark“, hat Doris Krais-Birne immer wieder festgestellt. „Das große Tief kommt häufig später, wenn sie wieder zu Hause sind, wenn sie vielleicht sogar schon wieder zur Arbeit gehen.“ Deshalb bietet BIB zusätzlich Informationen und Hilfe am Brustkrebs-Telefon (Tel: 0441/4081181) an. Die Initiative gehört zum Brustkrebs-Forum in Oldenburg, in dem Ärzte, Patientinnen, Physiotherapeuten und Psychologen sich gemeinsam engagieren und über ihre unterschiedlichen Erfahrungen und Sichtweisen austauschen. Das Brustkrebs-Forum veranstaltet gut besuchte Informationsabende und Schulungen und sucht über Info-Stände auf Messen und besondere Aktionen auch den Kontakt zur breiten Öffentlichkeit. 16 | 2 . 2 0 0 5 „Ich bin ein braver PATIENT“ Was tun Ärzte eigentlich, wenn sie selbst einmal krank sind? PIA fragte nach und wird in lockerer Folge Antworten zu diesem Thema veröffentlichen. Heute: Klinikdirektorin Dr. Regina Prenzel. Ich unterscheide verschiedene Stufen von Kranksein. Bei einem einfachen Schnupfen gibt es nur eins: Einfach abwarten. Ich bin nicht besonders hypochondrisch veranlagt und betrachte meinen Körper nicht als Hochleistungs-Rennmaschine die immer spitzenmäßig funktionieren muss. Es gibt halt Tage, an denen man sich nicht so wohl fühlt. Wenn ich merke, dass es doch ein grippaler Infekt wird, mit richtig Fieber und Gliederschmerzen, dann lege ich mich ins Bett und schlafe möglichst viel, bis es wieder vorbei ist. Medikamente, die wirklich helfen, gibt es eigentlich nicht. Jedenfalls habe ich keine zu Hause. Und dann gibt es die Krankheiten, wo ich tatsächlich ärztliche Hilfe brauche. In einem solchen Fall gilt für mich die Devise: Ich bin ein braver Patient. Ich gebe mir also Mühe, loszulassen und das zu tun, was die Ärzte mir sagen, auch wenn ich manchmal vielleicht denke, dass ich es besser weiß. Schließlich habe ich mich vorher entschieden, diesen bestimmten Arzt oder jenes bestimmte Krankenhaus aufzusuchen. Ich begebe mich damit in die Hand eines Systems, in dem ein anderer das Heft in der Hand hat. Und das ist an bestimmten Punkten einer Erkrankung auch notwendig. Natürlich macht so eine Situation Angst, dass ich meine Selbständigkeit verlieren könnte. Ich denke, diese Angst erleben auch andere Patienten. Ich bemühe mich dann, mir klarzumachen, dass ich hier selbst Patientin bin und eben nicht Ärztin. Internationale Verantwortung I: Versierte gynäkologische Chirurgen aus allen europäischen Ländern, Israel und Nordafrika sind im Oktober unter der wissenschaftlichen Leitung von Pius-Klinikdirektor Prof. Dr. Dr. Rudy-Leon De Wilde in Athen zusammengetroffen. Der Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und Leiter des Oldenburger Brustzentrums ist seit April 2005 Präsident des internationalen wissenschaftlichen Komitees in der Europäischen Gesellschaft für Gynäkologische Endoskopie (ESGE). +++ Internationale Verantwortung II: Zum Weltjugendtag in Köln kamen im August Gäste aus aller Welt nach Deutschland und besuchten im Vorfeld auch andere Städte. In Oldenburg waren auf Einladung der katholischen Kirchengemeinden 55 junge Erwachsene aus Namibia und Mexiko zu Gast. Um einen kleinen Einblick in die soziale Wirklichkeit in Deutschland zu bekommen, besuchten sie entsprechende Einrichtungen in Oldenburg und Umgebung, unter anderem auch das Pius-Hospital. +++ Herzens-Angelegenheiten: Auf große Resonanz stieß die gemeinsame Ferien-Aktion des Pius-Hospitals mit dem Jugendamt der Stadt Oldenburg unter dem Motto „Kinder lernen ihr Herz kennen“. Mehrmals waren Kinder zwischen 6 und 12 Jahren gemeinsam mit einem Vertreter des Jugendamtes in die Funktionsabteilung der Inneren Klinik eingeladen, wo ihnen ein Facharzt kurz die Funktionsweise des menschlichen Herzens erklärt. Anschließend konnten die jungen Gäste selbst an einem Körpermodell das Herz einund ausbauen und lernten außerdem, sich gegenseitig ein EKG anzulegen und ihre Herzen per Ultraschall zu untersuchen. +++ Fachweiterbildung „Praxisanleiterin/Praxisanleiter in der Krankenpflege“ (Mentoren): Im Jahr 2005 wurden wieder 12 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des PiusHospitals in Kooperation mit dem Landes-Caritasverband für Oldenburg e.V. zu Mentoren ausgebildet. Mittlerweile gibt es im Pius-Hospital ca. 60 Mentoren, die für eine qualifizierte Ausbildung der Schülerinnen und Schüler der Krankenpflegehilfe sehr wichtig sind. Ziel der Weiterbildung ist insbesondere die kompetente Verzahnung zwischen Theorie und Praxis. Die Schüler werden durch die Mentoren an die eigenständige Wahrnehmung der beruflichen Aufgaben herangeführt. Die Mentoren geben dabei u.a. auch Vorbild in der Entwicklung einer beruflichen Haltung. +++ 13.000 Euro für DKMS gesammelt: Vor einem Jahr wurde die ständige Einrichtung der Deutschen Knochenmarkspendedatei DKMS im Pius-Hospital eröffnet. Seitdem haben engagierte Pius-Mitarbeiter weit über 13.000 Euro Spendengelder gesammelt und mehr als 320 Menschen aus der Region in die Datei aufgenommen, die sich als Stammzellenspender zur Verfügung stellen. Ihr Blut wurde nach bestimmten Eigenschaften, die für eine Stammzellentransplantation von Bedeutung sind, typisiert. Eine Stammzellentransplantation ist oft die letzte Chance für Patienten, die an Leukämie oder einer anderen Erkrankung der blutbildenden Organe leiden. Die DKMS-Einrichtung im Pius-Hospital liegt in einem Nebengebäude des Krankenhauses in der Grünen Straße 12 und ist an jedem ersten Dienstag im Monat von 9 bis 12 Uhr und nach Vereinbarung besetzt. Informationen unter Tel 0441/229 1340 oder unter E-Mail: heinrich.schrand@pius-hospital.de Mit Blumen und einer kleinen Feierstunde bedankt sich das Pius-Hospital bei langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Jubilare, die in diesem Sommer geehrt wurden, sind 10 Jahre,15 Jahre oder sogar 40 Jahre im Dienst. Herzlichen Glückwunsch! 2 . 2 0 0 5 | 17 GANZHEITLICHES Immer mehr Menschen leiden unter Asthma oder der Raucherkrankheit COPD. Neben Medikamenten kann vor allem eine aktive Lebensführung die Beschwerden lindern: Ausgewogen essen und trinken – und vor allem viel bewegen. Aktiv gegen AT E M NOT f ür die Familie war es ein riesiger Schock, als Hermann T. plötzlich ins Krankenhaus musste. Zugegeben, in den letzten Jahren kam er immer häufiger ins Keuchen. Auch schon bei geringen Anstrengungen. Das Alter, dachte man und ging zur Tagesordnung über. Aber plötzlich ging gar nichts mehr. Es hatte mit einem ganz normalen Schnupfen angefangen. Daraus wurde eine Bronchitis – und auf einmal lag Hermann T. am Boden und rang nach Luft. Die Erinnerung ist auch Monate später immer noch schrecklich, erzählt Sohn Stefan: „Wenn du deinen Vater einmal so hilflos und voller Angst gesehen hast, das vergisst du nie.“ 18 | 2 . 2 0 0 5 Im Krankenhaus wurde Hermann T. schnell mit Cortison und Sauerstoff versorgt. Schon nach wenigen Tagen ging es ihm wieder gut. Doch das Wohlbefinden ist trügerisch, das weiß er jetzt. Hermann T. hat eine chronisch obstruktive Bronchitis, kurz COPD. Seine Bronchien sind dauerhaft und unheilbar verengt. Und das heißt, dass er nie wieder so unbeschwert durchatmen wird wie als gesunder junger Mann. An COPD erkranken fast ausschließlich Raucher, hat der Arzt ihm erklärt. Zigarettenrauch – auch passives Rauchen – ist für ihn ab sofort verboten. Er wird außerdem regelmäßig Medikamente nehmen müssen, die die Symptome wirksam lindern. Und für den Notfall hat er immer ein schnellwirksames Spray dabei, das sofort die Bronchien erweitert. Aber bis zum Notfall soll es, wenn es nach ihm geht, nicht noch einmal kommen. Damit er gar nicht erst in Gefahr gerät, schont Hermann T. seinen Körper jetzt, wo es nur geht. Nach draußen geht er schon lange nicht mehr, es sei denn, es fährt ihn jemand mit dem Auto. Und auch im Haus vermeidet er jede Anstrengung. Konkret bedeutet dies: die Muskeln, auch die Atemmuskulatur, werden schwächer und sind schlecht durchblutet. Schon bei jeder kleinsten Bewegung muss das Herz nun viel kräftiger schlagen, um genügend Sauerstoff in die Muskeln zu transportieren. Die Lunge muss ständig für Nachschub an Sauerstoff sorgen. Die Atemnot kommt also viel schneller und wird immer schlimmer. „Je schneller Sie sich aus diesem Teufelskreis befreien, desto besser!“, betont Michael Jonas’ Fachkollegin Dr. Regina Prenzel. „Wir raten deshalb allen Patienten und ihren Angehörigen, gezielt für Bewegung zu sorgen. Und zwar regelmäßig!“ „Viele Patienten mit Asthma, COPD oder auch mit einem Lungenemphysem glauben, sie tun ihrem Körper etwas Gutes, wenn sie ihn möglichst wenig belasten“, erklärt der im Oldenburger Lungen-Netzwerk engagierte Lungenfacharzt Dr. Michael Jonas. „Aber diese Einschätzung ist falsch! Wer nur Fahrstuhl fährt, anstatt Treppen zu steigen, wer nicht spazieren geht, sondern sein Bewegungspensum auf den Weg zwischen Bett und Sofa reduziert, riskiert, dass seine Krankheit mit der Zeit immer schlimmer wird.“ Tatsächlich ist zu viel Schonung für lungenkranke Menschen ebenso schädlich wie für Gesunde. Zu wenig Bewegung führt nämlich zu einem Trainingsmangel. Und der untrainierte Körper braucht mehr Luft. Natürlich muss jeder Lungenpatient sein Bewegungspensum auf seine Krankheit abstimmen. Beim so genannten Lungensport geht es daher auch nicht um Spitzenleistungen, sondern um Ausdauer. „Trainieren Sie möglichst drei bis fünf Mal die Woche, jeweils mindestens 15 Minuten lang“, schlägt Michael Jonas vor. „Sie werden merken, sie atmen dabei ganz automatisch tiefer durch als sonst. Das hilft, den Schleim in den Bronchien zu lösen und erleichtert das Abhusten.“ Besonders geeignet für den Lungensport sind Ausdauersportarten wie Schwimmen, Wandern, Walken, Spazierengehen, Gymnastik oder Radfahren. Ein Fahrrad-Ergometer als Heimtrainer kann hilfreich sein, auch an Regentagen den inneren Schweinehund zu überwinden. Völlig ungeeignet sind hingegen Sportarten mit kurzfristigen Leistungsspitzen und hohem Kraftaufwand. „Also: keine Sprints, kein Tauchen, kein Gewichtheben, kein Tennis“, fasst Regina Prenzel zusammen. „Und verzichten Sie unbedingt auf jede Art von Leistungssport.“ Neben dem sportlichen Training empfehlen Lungenfachärzte zusätzliche Körperübungen zur Atemgymnastik, zu atemerleichternden Körperhaltungen und zur Entspannung. „In manchen Städten gibt es regelrechte Lungensport-Gruppen, die das ganze Programm anbieten“, erzählt Regina Prenzel. „Auch in Oldenburg wäre ein solches Angebot sehr hilfreich. Hier sind vor allem die Sportvereine gefragt. Und vielleicht die Krankenkassen, die solche Gruppen finanziell unterstützen könnten. Schließlich steigert Lungensport nicht nur die Lebensqualität, sondern kann entscheidend zu einem Behandlungserfolg beitragen.“ Ebenso wichtig wie gesunde Bewegung ist es, bei chronischen Lungenerkrankungen auf eine ausgeglichene Ernährung und ein normales Körpergewicht zu achten. Obst und Gemüse stärken die Abwehrkräfte und helfen nachweislich, einer Verschlechterung vorzubeugen. „Die wichtigste Vorbeugemaßnahme, um eine chronische Bronchitis zu vermeiden, bleibt aber der Verzicht auf den Glimmstängel“, betont Michael Jonas. Im Lungen-Netzwerk Oldenburg haben sich die niedergelassenen und stationären Pneumologen (Lungenfachärzte) der Region zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen sie ein Bewusstsein für Atem-Gesundheit im Weser-Ems-Gebiet wecken und stärken. 2 . 2 0 0 5 | 19 PFLEGE Und das ist wichtig so. Denn wem eine Operation bevorsteht – und sei sie für das Krankenhausteam noch so einfache Routine – der hat Angst. Fred Oellien und Ulrich Schwenker wissen das und nehmen jeden Patienten deshalb ganz besonders freundlich in Empfang. Sie stehen an der so genannten Schleuse, dem Eingang zum OPBereich. Hier werden die Patienten vom Bett über eine breite Schleuse auf den passenden OP-Tisch gelagert. Fred Oellien und Ulrich Schwenker sorgen dafür, dass sie bequem liegen, warm zugedeckt sind, und sind immer für ein persönliches Gespräch bereit. „Ich wurde mit 14 am Blinddarm operiert, und seitdem wusste ich, dass ich anderen Menschen, wenn sie operiert werden müssen, helfen möchte“, erzählt Oellien. Geborgenheit Bis zu 50 Operationen stehen in einem Krankenhaus mittlerer Größe auf dem Tagesplan. Vieles ist daher für die Mitarbeiter reine Routine. Doch für jeden einzelnen Patienten ist der Tag der Operation ein großer Einschnitt. Deshalb sorgen Schwestern und Pfleger dafür, dass er in der ganzen Zeit nicht einen Moment allein ist. Dienstagnachmittag, 14 Uhr. Die junge Frau im ersten Bett, bewegt sich ganz leicht. „Gleich wird sie die Augen öffnen und sich die Atemmaske aus dem Mund ziehen“, prophezeit Ingrid Thiet. „Und dann wird sie als erstes fragen: ‘Bin ich schon fertig?’ Genau so läuft es bei fast allen Patienten ab.“ Erst vor wenigen Minuten ist Renate S. aus dem Operationssaal in den Aufwachraum gefahren worden. Puls und Kreislauf sind stabil, ihre Wunden sind sauber vernäht und mit sterilen Verbänden abgedeckt. Deshalb kann sie hier in einem bequemen Bett zu sich kommen. Den sterilen Operationsbereich hat Renate S. bereits verlassen, bevor sie ganz aus der Narkose aufwachen wird. 20 | 2 . 2 0 0 5 und VERTRAUEN Tatsächlich greift sie jetzt reflexartig nach der Atemmaske, die aus ihrem Mund ragt. Schwupp hat sie das Ding in der Hand. Ein bisschen benommen blickt sie sich um – und schon ist Schwester Ingrid an ihrer Seite. „Ist die Operation schon vorbei?“, fragt Renate S. erleichtert. Sie kann sich noch genau erinnern, wie sie – gerade eben erst, so scheint es ihr – in den Einleitungsraum gefahren worden ist und eine Kanüle in ihre Vene gelegt wurde. In Wirklichkeit ist das gut zwei Stunden her. Sie hatte eine solche Angst vor der Operation, nun ist alles vorbei, und sie hat es gar nicht mitbekommen. „Schlafen Sie ruhig noch ein bisschen“, schlägt Schwester Ingrid ihr vor. Entspannt lehnt Renate S. sich zurück. „Schön warm ist es hier“, murmelt sie noch, bevor sie wieder einschlummert. Die angenehme Wärme kommt aus einem dicken Schlauch, der auf 42 Grad angeheizte Luft unter ihre Bettdecke bläst. Auch in den anderen Betten im Aufwachraum wölben sich die Bettdecken unter der warmen Luft. Die anderen Patienten sind schon länger aus der Narkose erwacht. Genau wie Renate S. genießen sie es jetzt, sich wohlig entspannen zu können, bevor sie auf die jeweiligen Stationen verlegt werden. „Wenn alles so ruhig ist wie jetzt, dann haben wir unsere Arbeit richtig gemacht“, erklärt Josef Nuxoll, leitender Anästhesiepfleger. „Im Aufwachraum sollen die Patienten Zeit und Raum haben, wieder in der Realität anzukommen. Und wir sorgen dafür, dass sie schmerzfrei sind, wenn sie dann auf die Station kommen.“ Ganz konkret überwachen die Schwestern und Pfleger hier auch die Lebensfunktionen. Puls und Kreislauf und der Sauerstoffgehalt im Blut werden permanent gemessen. Wenn diese Funktionen über einen längeren Zeitraum stabil sind und die Patienten außerdem ansprechbar sind, den Kopf heben können und erkennbar keine Schmerzen haben, wird auf der Station angerufen. Meist ist dies etwa 20 bis 30 Minuten nach der Ankunft im Aufwachraum der Fall. In der Regel kommen zwei Mitarbeiter des Pflegeteams von der zuständigen Station, um einen Patienten abzuholen. „Unsere Patienten sind zu jedem Zeitpunkt der Operation von fachlich geschultem Personal umgeben“, betont Leo Strothmann, der gemeinsam mit seinem Kollegen Helmut Keizer die OPPflege für Allgemein-, Viszeral-, Thorax-, Gefäß- und endovaskuläre Chirurgie leitet. „Wir lassen Sie keinen Moment allein“. Sein Einsatz endet, wenn sein Patient in den Einleitungsraum gefahren werden kann, wo ein Team der Anästhesiepflege bereits wartet. Hier werden alle Vorbereitungen für die Narkose getroffen. Das Pflegeteam legt die Zugänge zu den Venen, misst Herzfrequenz, Blutdruck und Sauerstoffgehalt im Blut und erklärt noch einmal, wie die Narkose ablaufen wird. Patienten, die eine regionale Betäubung bekommen, also während der Operation bei Bewusstsein sind, bekommen auf Wunsch einen Kopfhörer und können sich ihre Lieblingsmusik wünschen. „Die läuft dann während des gesamten Eingriffs“, erklärt Bernd Müller, leitender OP-Pfleger in der Orthopädie. „Sie können ihre eigenen CDs mitbringen oder aus unserem Fundus wählen. Ganz oben auf unserer internen Hitliste steht übrigens die Schlagersängerin Andrea Berg.“ Während der Patient für die Operation vorbereitet wird, hat das OP-Pflegeteam im Operationssaal selbst schon alles bereitgestellt. Alle Instrumente, Nahtmaterial, Tupfer, Tücher und Verbände, die möglicherweise benötigt werden, sind vorbereitet. Eine Pflegekraft kümmert sich nur darum, die jeweiligen Instrumente anzureichen und – was ebenso wichtig ist – zu überprüfen, ob alles am Ende auch wieder zu ihm zurückkommt. Auf diese Weise kann verhindert werden, dass ein Tupfer oder gar ein Instrument im Körper des Patienten zurückbleibt, wenn er wieder zugenäht wird. Ein zweiter OP-Pfleger steht die ganze Zeit neben dem Patienten, kümmert sich darum, dass es ihm gut geht, und reicht dem operierenden Arzt immer das an, was er gerade braucht. „Bei einem gut eingespielten OP-Team funktioniert das meistens ganz ohne Worte“, betont Bernd Müller. „Gesprochen wird bei uns eigentlich nur ganz wenig.“ Für den Patienten, sofern er nur örtlich betäubt ist, so Müller weiter, sei das gesamte Pflege-Team natürlich immer ansprechbar. Am Ende jeder Operation wird die Wunde genäht und ein Gips oder Verband gelegt. Noch im Operationssaal wird dann die Narkose ausgeleitet. Der Patient beginnt wieder selbständig zu atmen, behält die Atemmaske jedoch noch so lange im Mund, bis er ganz bei Bewusstsein ist. Sobald die Vitalfunktionen stabil sind, geht es über zurück über die Schleuse in den Aufwachraum. Die meisten schlafen noch, wenn sie hier ankommen. Nach kurzer Zeit bewegen sie sich leicht, schlagen die Augen auf, greifen nach der Atemmaske und fragen erleichtert: „Bin ich schon fertig?“ OP- und Anästhesie-Pflege kompakt Im Pius-Hospital stehen insgesamt 10 Operationssäle zur Verfügung, die je nach Art der Eingriffe unterschiedlichen Hygiene- und Ausstattungsstandards entsprechen. Die Klinik für Anästhesie und Intensivpflege betreut alle zehn Säle, ebenso wird die OP-Pflege zentral organisiert. An jeder Operation sind neben den beteiligten Ärzten (Anästhesist, ein oder mehrere Operateure) mehrere Anästhesie- und OPPflegekräfte beteiligt. Sie überwachen die Vitalfunktionen des Patienten und assistieren den operierenden Ärzten. Der Aufwachraum wird von der Anästhesiepflege betreut. Insgesamt arbeiten im Pius-Hospital 38 Pflegekräfte im OP-Dienst und 14 in der Anästhesiepflege. Einige von ihnen haben eine zweijährige FachWeiterbildung für OP- und Endoskopiepflege oder für Intensiv- und Anästhesiepflege absolviert. Eine gute OP-Pflegekraft muss ruhig und gelassen sein, dabei aber zugleich reaktionsschnell“, erklärt Beate Zimmer, Leiterin der gynäkologischen OP-Pflege. Und Andrea Jurke, die die Pflege im Augen-OP leitet, ergänzt: „Wir müssen außerdem vernetzt denken können und immer einen Schritt voraus sein.“ Weil gerade OP- und Anästhesie-Pflegekräfte ihren Patienten nur kurz und in einer besonderen Extremsituation begegnen, ist es außerdem besonders wichtig, dass sie kontaktfreudig sind und sich in Menschen einfühlen können. „Patienten begeben sich in eine extreme Abhängigkeit, wenn sie zu uns kommen“, führt Helmut Keizer, leitender OP-Pfleger für Allgemein-, Viszeral-, Thorax-, Gefäß- und endovaskuläre Chirurgie aus. „Deshalb müssen wir ihnen von Anfang an Geborgenheit und Vertrauen vermitteln.“ OP-Disziplinen im Pius-Hospital ■ Gynäkologie ■ Gefäß- und Thoraxchirurgie ■ Allgemein- und Viszeralchirurgie ■ Orthopädie ■ Augenchirurgie 2 . 2 0 0 5 | 21 KUNST UND KULTUR Seelennahrung Nur wenige Menschen wagen es, ihren Traum zu leben. Annika Wittig hat es getan. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Klaus erstand und restaurierte sie 1997 eine antike Zigeunerkutsche und zog vier Jahre lang als Fahrende Märchenerzählerin mit Pferd und Wagen durch die Lande. Unterwegs kamen zwei Kinder zur Welt. Heute lebt die junge Familie in einem Dorf in der Altmark. Die Faszination aber ist geblieben. „Märchen sind viel mehr als einfach nur Geschichten“, behauptet Annika Wittig. „In ihrer bildhaften aber präzisen Sprache stecken die Erfahrungen und das Wissen der Menschen. Jeder kann sie verstehen und sich in ihnen wiederfinden.“ Annika Wittig ist Märchenerzählerin mit Leib und Seele. Im November war sie in der Kapelle im Pius-Hospital zu Gast und begeisterte Kinder und Erwachsene. Tatsächlich begleiten Märchen die Menschheit schon seit dem Anbeginn der Zeit. Die älteste Überlieferung eines Märchens, der Gilgamesch-Epos, stammt aus dem sumerischen Kulturkreis. Märchen gab es bei den Ägyptern, bei den Juden, den Griechen, den Römern, den Indianern, im Fernen Osten, in Indien, im alten Arabien und anderswo. Und überall auf der Welt faszinieren sie mit ihrer Magie: Naturgesetze sind im Märchen aufgehoben, Wunder an der Tagesordnung. Tiere, Pflanzen und Gegenstände aller Art sprechen und verkehren mit den Menschen auf einer Ebene. Das vielleicht wichtigste aber ist: Im Märchen gibt es immer ein gutes, ein gerechtes Ende. Hoffnung als Grundorientierung Oft greift das Märchen ganz ursprüngliche Konflikte und Ängste aus dem Alltagsleben auf, verschlüsselt sie als Kampf mit bösen Drachen, Hexen oder Zauberern, als Verwünschung oder Fluch und findet am Ende den Weg zur Erlösung. So vermittelt es Hoffnung, Vertrauen, Zuversicht und Optimismus als Grundorientierung im Leben. Trotz aller Schwierigkeiten kann das Böse überwunden, kann das Leben gemeistert werden. 10 + 1 Annika Wittig hat für dieses Phänomen ihre eigenen Worte gefunden: „Märchen sind Seelennahrung“, sagt sie und bietet eigens zusammengestellte „Seelen-Menüs“ für unterschiedliche Lebenslagen an. In Oldenburg erzählte sie „Geschichten voll Weisheit und Wunder“. NEUES aus der Pius-Bücherei Eric-Emmanuel Schmitt Pernilla Glaser Cecelia Ahern Oskar und die Dame in Rosa Tanz auf dünnem Eis PS: Ich liebe Dich Der 10-jährige Oskar hat Krebs und weiß um seinen nahen Tod. Weder Ärzte, Pfleger, noch seine Eltern reden allerdings mit ihm darüber. Die alte Oma Rosa, die im Krankenhaus Kinder besucht, schließt diese Lücke, als Oskar Vertrauen zu ihr findet. Sie hat einen genialen Vorschlag: Oskar soll jeden Tag so leben, als umfasse er 10 Jahre. Und bei allem soll er sich Gott anvertrauen. Auf diese Weise hat Oskar die Chance, alle Phasen eines Lebens zu erfahren. Während dieser Zeit schreibt er Briefe an Gott, den er bislang nicht kannte, und bei dem er bald Geborgenheit erfährt. Am Ende kann Oskar sein Schicksal mit Hilfe seines neu gewonnenen Glaubens annehmen. Ein sehr berührendes Buch über das Sterben eines Kindes, das gänzlich ohne Rührseligkeiten und Kitsch auskommt. Pernilla, eine junge Theaterregisseurin, verliebt sich in Robson, ein Mitglied des Ensembles. Doch das Glück und die großen Pläne der beiden sind nur von kurzer Dauer, da bei Robson ein überwunden geglaubter Gehirntumor erneut ausbricht. Nach anfänglichem Optimismus und Zuversicht wird bald deutlich, dass die Krankheit nicht mehr heilbar ist, dass Robson sterben wird. Die Autorin (geb. 1972) erzählt ihre eigene Liebes- und Leidensgeschichte. Klar und unsentimental schildert sie den Prozess des langsamen Loslassens von ihrem Geliebten und des sich selbst Wiederfindens nach einer Grenzerfahrung. Eine anrührende autobiographische Erzählung, die besonders junge Erwachsene beeindrucken wird. Holly ist erst 29 Jahre alt, als ihr Ehemann Gerry an Krebs stirbt. Sie verliert gänzlich den Boden unter den Füßen, fällt in tiefe Depressionen und weiß nicht mehr weiter. In dieser Situation erhält sie zehn Briefe, die Gerry vor seinem Tod verfasste. Jeden Monat darf sie einen Brief öffnen und jeden Monat ist ihr eine neue Aufgabe von ihrem verstorbenen Mann gestellt. Damit, aber auch durch die Unterstützung ihrer Freunde und Familie, gelingt es Holly nach und nach, die Trauer zu bewältigen und wieder ins Leben zurückzufinden. Ein gelungenes, lesenswertes Buch über Liebe, Verlust und Trauer, an dessen Ende Hoffnung und neue Lebensfreude stehen. Die Patientenbibliothek im Pius-Hospital befindet sich in der 1. Etage im Zimmer 106 und ist montags bis freitags jeweils von 12.30 Uhr bis 13.30 Uhr geöffnet. Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Pius-Hospitals sind als Leser willkommen. Die Bibliothekarin Sylvia Hoheisel kommt außerdem mit dem Bücherwagen auf die Stationen. Wir laden Sie zum Essen ein Sammeln Sie Bonus-Punkte in unserer Cafeteria im Atrium.Wenn Sie uns 10-mal besuchen und unser Mittagsmenü bestellen – dann sind Sie einmal unser Gast! Und so machen Sie mit: Einfach an der Theke einen Bonus-Pass auf Ihren Namen ausstellen und bei jedem Mittagessen abstempeln lassen. Cafeteria im Atrium Wir freuen uns auf Sie! Georgstraße 12, 26121 Oldenburg Informieren Sie sich auch über unseren Partyservice, Ansprechpartner: Jürgen Reinert, Tel. 0441/229-11 40 22 | 2 . 2 0 0 5 Die Rose – die Trösterin und Predigerin Schlendern Sie auch so gerne an schönen Gärten vorbei? Dieses Jahr macht die Königin der Blumen ihrem Namen alle Ehre. Hinter Zäunen und aus Gärten lacht sie uns entgegen: die Rose. Doch sie ist nicht nur eine Königin, sie ist eine Trösterin und Predigerin. Wussten Sie, dass das gotische Wort „Verd“ „Rose“ bedeutet? Unser deutsches Wort „Wort“ stammt von diesem „Verd“. Also sind unsere Worte „geistige Rosen“! Da steht sie nun, die Rose in unserem Garten und ihre Blüten schauen uns fragend an: Sind deine Worte auch so schön, wie meine Blüten? PFARRER KLAUS H. W. BACKHAUS Bewirken sie Freude bei den anderen und verbreiten sie auch so gute Atmosphäre? Da hören wir sie – die blühende Predigerin, die mehr ist als nur eine Blume. Das hat die Dichterin Sappho auch schon gespürt: Sie vergleicht den Lebensweg einer Frau mit dem Erblühen und Welken einer Rose.Welch eine Wertschätzung! Die Falten und das Altern gleichen dem anmutigen Fallen der duftenden Blätter. Unauffällig und leise geschieht das, voller Würde – bis zuletzt behält die Blüte ihre Ausstrahlung. Keine Cremes können so stärken wie dieser Gedanke. Da kommt uns die Rose als Trösterin sehr nahe. Karl der Große hat erkannt, dass Unschätzbares in ihr steckt und hat angeordnet, dass sie in seinen Krongütern zu kultivieren ist. In Klostergärten wurde sie schnell als Heilpflanze entdeckt. Es ist erstaunlich: Das Rosenöl ist das komplexeste aller ätherischen Öle, von allergischen Reaktionen ist nichts bekannt, und es ist berühmt für wundheilende Wirkung.„Als berauschend“ bezeichnen wir die Rosen – denn das Rosenöl hellt unser Gemüt auf und wird wegen dieser Eigenschaft gezielt eingesetzt. Eine große Trösterin an Leib und Seele blüht da in unseren Gärten. Es ist uns kaum bewusst, welchen Schatz wir da gepflanzt haben. Wir halten sie für ein Symbol tiefer Liebe, tragen sie im Brautstrauß und schmücken Gräber. Sie ist aber tatsächlich ein Zeichen für etwas viel Größeres: Sie ist ein Zeichen für die Auferstehung.Würden wir sonst die Grabsteine mit ihr schmücken, mit der Knospe, die zu neuem Leben erblüht, nach einem kalten Winter, in dem alles abgestorben schien? Da blühen sie jetzt in unseren Gärten und vor einem halben Jahr, sahen sie aus wie tot und erfroren. Auch in den Kathedralen finden wir Rosen – nicht nur auf dem Altar, sondern als Rosetten durch die sich das Licht bricht. Voller Symbolik sind sie angeordnet, wie die berühmte „Westrose“ in der Kathedrale von Chartres. Im Westen geht die Sonne unter und gilt als die Seite des Todes. Aber aus dieser Seite scheint besonders warmes Licht – nach mittelalterlicher Symbolik Licht vom Jenseits. Dieses Licht bringt die „Westrose“ von Chartres zum Blühen. Rosen trösten, heilen und können predigen. Nehmen Sie das nächste Mal bei Ihrem Spaziergang einen Blütenkopf in die Hand, betrachten ihn wie ein Gesicht und tauchen Ihre Nase in die Blüte. Sie werden noch mehr entdecken!