Rockstar Games präsentiert Tischtennis

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Rockstar Games präsentiert Tischtennis
COMPUTER- UND VIDEOSPIELKULTUR
Deutschland Euro 3,00 : Österreich Euro 3,30 : Schweiz sfr 5,90
JULI-AUGUST [2006] : www.play-magazin.de
Top aktuelle Kritiken zu Prey > Loco Roco > Chromehounds > Half-Life 2: Episode 1 >
Der Herr der Ringe: Schlacht um Mittelerde 2 > New Super Mario Bros. > Grand Theft
Auto: Liberty City Stories > Galaga > Pac-Man > Cloning Clyde und wie immer viele
schöne Geschichten, fantastische Bilder und ein tolles Tischtennis-Turnier.
HIGHLIGHTS: Special-Ausgabe für alle Jäger und Sammler, das Beste aus zwei Jahren [ple:]-Magazin in einem Heft
Abenteuer
Egoshooter
Rennspiele
Mobile Gaming
Rollenspiele
Design+Lifestyle
Next-Gen+Film
Rockstar Games präsentiert Tischtennis
DER #1 HIT FÜR PSP™
JETZT AUCH FÜR
PLAYSTATION®2 ERHÄLTLICH
”HERVORRAGEND INSZENIERTE, TECHNISCH AUFWÄNDIGE
GANGSTER-ACTION MIT VIELABWECHSLUNG UND
BEWEGUNGSFREIHEIT.”
PSP - DAS OFFIZIELLE MAGAZIN
WWW.ROCKSTARGAMES.DE/LIBERTYCITYSTORIES
© 2006 Rockstar Games, Inc. Rockstar Games, Rockstar Leeds, Rockstar North, das Logo, Grand Theft Auto, das Grand Theft Auto Logo sowie das A Take-Two Company Logo sind Marken und/oder eingetragene Marken von Take-Two Interactive Software. Rockstar Games, Rockstar North und Rockstar Leeds
sind Tochterunternehmen von Take-Two Interactive Software. Alle anderen Marken und Zeichen sind Eigentum ihrer jeweiligen Besitzer. Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieses Videospiels ist frei erfunden. Es soll keine tatsächlich lebende Person, Firma oder Organisation dargestellt werden. Jede Ähnlichkeit
zwischen einem Charakter, Dialog, Ereignis oder Handlungselement und tatsächlich lebenden Personen, Firmen oder Organisationen wäre rein zufällig. Es ist nicht die Absicht der Hersteller und Publisher dieses Videospiels, das in diesem Spiel gezeigte Verhalten gutzuheißen, zu entschuldigen oder zu fördern.
Tina Zimmermann, www.tinaz.net
»IN CONTROL«
Basierend auf »research on molecular controllers« entsteht
eine neue evolutionäre Verzweigung zum „homo consolis“, ein
Wesen, das nur noch die Körper- und Sinnesorgane ausbildet,
die es zum Videogaming benötigt: Auge, Gehirn und Daumen.
Die vermeintliche Kontrolle, die Mensch auf Maschine ausübt,
um die allgegenwärtige Mattscheibe zu füllen und zu verwalten,
kehrt sich um zur Kontrolle der Maschine über den Menschen,
da nun jegliche Tätigkeit, sei es in Bereichen Kunst, Wirtschaft,
Handwerk, Medizin, selbst Sport unumgänglich an die Datenverarbeitung durch den Auge-Monitor-Kopf-Rechner-HandMaus-Kreislauf gebunden ist. Allein der „homo consolis“ gibt
sich komplett freiwillig dieser avataristischen Abhängigkeit hin.
EDITORIAL
4
U
m endlich einmal mit einer Floskel einzusteigen: Man
soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Genau das tun
wir. Im Klartext: Dies ist die letzte [ple:]-Ausgabe. Für immer.
Autsch, ja, das tut weh. Es geht aber nicht anders. Doch jetzt
erst ein paar gute Nachrichten
Das vorliegende Heft fasst die Höhepunkte aller vergangenen
Ausgaben zusammen und ist unser Abschied für einen –
kurzen – Moment. Denn wir haben die vergangenen Monate
genutzt, um ein neues, monatlich erscheinendes Magazin für
Video- und Computerspiele zu entwerfen, dass ihr zur Games
Convention in Leipzig Ende August diesen Jahres erstmals zu
Gesicht bekommen werdet.
Natürlich ist es schade, dass wir mit der [ple:] in dieser Form
nicht weitermachen können. Doch ein solches Konzept hat am
Kiosk nie genügend Leser gefunden. Die [ple:] war immer ein
sehr ambitioniertes Heft, von ihren Lesern für toll und wichtig
befunden. Einige Publisher unterstützten unsere Bestrebungen
großzügig. Doch am Ende war die Resonanz einfach nicht groß
genug. Vielleicht sieht das in einigen Jahren anders aus.
Vorerst hören wir auf die Weilheimer Indieband „The Notwist“.
Die Jungs texteten in der bayerischen Idylle im Jahr 2002 die
abschließend gültige Zeile für all jene gut gemeinten, ambitionierten aber leider finanziell nicht abschließend tragfähigen
Projekte dieser Welt: „Fail with consequence, lose with eloquence and smile“. Wir summen mit, lächeln und freuen uns
auf das neue Heft.
Danke fürs Dabeisein, Lesen, Kritisieren, Unterstützen.
Eure [ple:]-Redaktion.
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INHALT
6
HIGHLIGHTS
KRITIK
02
04
Blickwinkel
Editorial
IMPRESSUM
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09
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Nachrichten: GC setzt Siegeszug fort
Nachrichten: Schwarz auf weiß - Nintendo DS Lite vs. PSP Ceramic White
Was bedeuten dir Videospiele?
Verlag: [ple:] Medien
(Gaca, Metzger + Meyer GbR),
Schliemannstr. 25 A, 10437 Berlin,
info@play-magazin.de
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Pixelfreunde
Egoshooter: Egoshooter als Spiegel der Gesellschaft
Abenteuer: Maßnahmen zur Verkehrserziehung
Egoshooter: Fördern brutale Videospiele die Aggressionsbereitschaft?
Rennspiele: Gentlemen, start your engines. Geschichte der Rennspiele
Rennspiele: Eine Studie sagt, Rennspiele sind gefährlich für die Psyche
Mobile Gaming: Benjamin J. Heckendorn – der König der kleinen Konsolen
Mobile Gaming: Gunpei Yokoi – der Mann, der den Gameboy erfand
Rollenspiele: Jeder spielt hier nur seine Rolle. Geschichte der Rollenspiele
Rollenspiele: Spielen und spielen lassen. Dienstleister für Levelarbeit
Rollenspiele: Die Flucht vor der Realität in die nächste Realität
Rollenspiele: Ink 11 – über den Tod eines „PSO“-Characters
Design + Lifestyle: Pac-Man in Manhattan
Design + Lifestyle: Sounddesign bei Video- und Computerspielen
Design + Lifestyle: In Norrath gehen die Lichter aus. Besuch in „Everquest“
Film: Krieg der Welten. Stilmix bei Spielen und Filmen
Gespräch: Hideo Kojima
Gespräch: Geoff Crammond
Gespräch: Benjamin J. Heckendorn
Gespräch: Gregg Tavares
Gespräch: Yoshiki Okamoto
Realitäten
Popwissen
Redaktionsanschrift: [ple:] Magazin,
Schliemannstr. 25 A, 10437 Berlin,
info@play-magazin.de
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Kritik: „Prey“
Kritik: „Rockstar Games präsentiert Tischtennis“
Kritik: „Chromehounds“
Kritik: „Der Herr der Ringe: Schlacht um Mittelerde 2“
Kritik: „Half-Life 2: Episode 1“
Kritik: „Loco Roco“
Kritik: „New Super Mario Bros.“
Kritik: „Grand Theft Auto: Liberty City Stories“
Kritik: „Live Arcade“
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Nachbestellungen
Game Over
Herausgeber: Kristian Metzger
Redaktion: Christian Gaca (CG),
Chefredakteur, christian@play-magazin.de,
Kristian Metzger (KM),
kristian@play-magazin.de
Autoren: Matthias Adler (MA), Hagen Bohrloch (HB), Jin Choi (JC), Martin Eiser (ME),
Carsten Görig (GÖ), Heiko Häusler (HH),
Andreas Heiberger (AH), Kalle Max Hofmann (KH), Martin Karras (MK), Christian
Keichel (CK), Malte Klein-Luyten (KL),
Shelley Masters (SM), Alex Pöschel (AP),
Max Scharl (MS), Hias Wrba (HW) sowie
Bernhard Hübner, Uwe Viehmann und
Lars Borges (Fotograf, www.larsborges.de)
Art Direction: Mirka Meyer,
mirka@play-magazin.de,
meyer@metorical.com
Marcus Tonndorf, tonndorf@metorical.com
Metorical, www.metorical.com
Webseite: lieblinx GmbH
Reichenberger Str. 125, 10999 Berlin
Webmaster: Matthias Adler
[ple:] im Netz : www.play-magazin.de
Anzeigenleitung: Kristian Metzger,
anzeigen@play-magazin.de
Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 1 - 2006
Druck: Stürtz GmbH, Würzburg
Vertrieb: ASV Vertriebs GmbH
Bezugsbedingungen: [ple:] erscheint sechs
mal im Jahr, der Preis eines Einzelheftes
beträgt 3,00 Euro.
Sämtliche Texte und Fotos sind urheberrechtlich geschützt. Nachdruck, auch
auszugsweise, nur mit schriftlicher
Genehmigung des Verlags. Unaufgefordert
eingesandte Manuskripte und Fotos können
nicht zurückgeschickt werden.
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Effektiver Jahreszins: 0 %
NACHRICHTEN
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GC setzt Siegeszug fort
Im August 2006 sind auch wir bei der Games Convention mit dabei
Schon der fulminante Start 2001 machte klar, dass in Leipzig
etwas Großes geboren wurde. Auch wenn Nintendo im ersten
Jahr nicht mit dabei war, fanden Journalisten, Spieler und Publisher gleichermaßen perfekte Bedingungen vor. Die wunderbare Trennung zwischen Business-Center für Geschäftstermine und den Hallen für die regulären Messenbesucher stellte
sich als ideale Lösung heraus. So hat die Games Convention
trotz der nicht ganz perfekten Lage in Leipzig nicht nur 30 Prozent Publikumssteigerung in fünf Jahren geschafft, sondern
sich vor allem beim Fachpublikum einen echten Namen gemacht. Gerade amerikanische Entwickler freuen sich, die Reaktionen des begeisterten Publikums zu erleben. Im Gegensatz
zur E3 in Los Angeles, wo sich mittlerweile immer stärker nur
die Fachleute treffen, gibt es in Leipzig den direkten Zugang
zur Zielgruppe und deutlich mehr Atmosphäre.
Das satte Zuschauerwachstum der letzten Jahre hat aber auch
für ein paar ernste Probleme gesorgt. Vor allem die gläsernen Übergänge zu den beliebten Hallen 4 & 5 waren regelmäßig überfüllt. Um dieses Problem aus der Welt zu schaffen, bekommt bei der nächsten Games Convention vom 24. bis zum
27. August jeder große Hardware-Hersteller eine Halle zugewiesen. Unabhängige Studios und PC-Publisher dürfen sich
dagegen frei verteilen. Außerdem werden auch die Freiflächen
genutzt, um die Besucher-Massen besser zu kanalisieren. Diese Maßnahme wird die Gänge genauso entlasten, wie die zwei
zusätzlichen Eingänge direkt am Parkplatz. Nur so ist das
Wachstum durch die größere Ausstellungsfläche und die „The
Dome“-Veranstaltung am Freitag, 25.August, in Halle 1 abzufedern. Doch nicht nur für alle Zocker hat die Messe den Service
verbessert, auch die GC Family bekommt ein überarbeitetes
Konzept geliefert. Neben spannenderen Ständen und Podiumsdiskussionen gibt es erstmals so genannte GC-Guides, die
scheuen Anfängern und besorgten Eltern gleichermaßen per
Führung die Haupthallen schmackhaft machen. Weitere Details gibt es unter www.gc-germany.de.
Ein weiteres Novum wird unsere eigene Teilnahme sein. Schaut
ab und zu auf die Webseite www.play-magazin.de vorbei, dort
werden wir unseren Standort und unser Konzept ankündigen.
Dort gibt es auch Details zum Zeitplan, damit ihr auch schön
auf dem Laufenden seid. Wer es nicht zur Games Convention
schafft, bekommt auf der Webseite auch die Gelegenheit, unser neues Projekt digital in Augenschein zu nehmen. An alle
anderen: Wir sehen uns in Leipzig! (KM)
9
Nintendo DS als Lite-Gewicht / PSP in neuem Ceramic-Look
Auch wenn Nintendo bisher zum Teil die innovativeren Spiele
liefert, konnte der Nintendo DS bisher beim Thema Styling
keinen Blumentopf gewinnen. Der silbergraue Plastikriegel
wurde in seiner Hässlichkeit höchstens vom ersten Gameboy
geschlagen, der trotz seiner technischen Brillanz eher an einen Backstein, denn an ein modernes Spielgerät erinnerte.
Doch Nintendo hat seine Hausaufgaben gemacht und bei der
Neuauflage des DS alten Qualitäten wiederentdeckt.
Wie schon bei anderen Gameboy-Varianten wurde einfach erfolgreich ein bekanntes Design adaptiert und massentauglich
auf die kleine Handheld-Konsole übertragen. Das Opfer der
Design-„Huldigung“ ist das weiße Apple-iBook der ersten Generation, dessen durchscheinende Kunststoff-Optik für den
DS Lite nahezu identisch übernommen wurde. Außerdem hat
Nintendo die Technik großzügig überarbeitet. Die beiden Bildschirme sind jetzt nicht nur dimmbar, sondern auch einfach
mal fast doppelt so hell. Wie schon bei anderen Neuauflagen,
gibt es diesmal neben der weißen Version weltweit auch eine
ganze Menge andere Farben. Im Gegensatz zu früher wurde
aber auf allzu quietschige Farben verzichtet. In Deutschland
gibt es den DS Lite momentan, wie übrigens das neue MacBook auch, sogar nur in schwarz und weiß.
Doch nicht nur Nintendo, sondern auch Sony hat Apple über
die Schulter geschaut und mit der „Creamic White Edition“ der
Playstation Portable das matte Weiß der letzten iBook-Generation übernommen. Passend dazu gibt es ein schickes „Loco
Roco“-Bundle, das die schickere PSP-Hardware auch noch
mit dem aktuell besten PSP-Spiel kombiniert. Sonst wurde an
der Konsole nichts verändert. Nintendo hat damit also, zumindest was das Design angeht, deutlich aufgeholt.
Abschließend bleibt die Frage, ob Apple nun vor Wut über den
Design-„Raub“ schäumt oder sich eher geschmeichelt fühlt.
Doch selbst wenn Designer entrüstet die Nase rümpfen, die
Videospieler werden sich allesamt freuen, denn mit der neuen Optik wirken die beiden Geräte noch ein wenig moderner
und sind entgültig bereit, auch vor den kritischen Blicken der
Freundin zu bestehen. (KM)
NACHRICHTEN
Schwarz auf weiß
„Für den Spaß. Für den Wettbewerb“
WAS BEDEUTEN DIR VIDEOSPIELE?
10
Kristian Metzger
Die Jagd nach dem Kick hat mich schon mein ganzes Leben begleitet. Bereits mit elf Jahren bekam ich meinen ersten Computer geschenkt und gab mich meiner Spielsucht hin. Gameboy, Konsolen und später der so genannte eSport am PC – immer wieder
fand ich in Spielen eine Möglichkeit, noch tiefer einzutauchen und mehr von mir zu fordern. Doch nun, wo Spielen zu meinem Beruf geworden ist und damit meinen Lebensunterhalt sichert, hat sich mein Spieltrieb verändert. Noch immer tauche ich begeistert in die Welten von Entwicklern und Designern ein, doch meine Freizeit mit Freunden oder aber vor dem Fernseher ist wichtiger
geworden. Ich genieße es, mich einfach nur zurückzulehnen und mich berieseln zu lassen. Spielen ist nicht mehr mein ganzes Leben, sondern nur noch ein Teil davon. Trotzdem werden mich Spiele ein Leben lang begleiten und spätestens im Altersheim kann
ich alle verpassten Meisterwerke ja noch nachholen.
Das Foto machte Lars Borges.
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Je länger ich darüber nachgedacht habe, und das ist mit
jeder neuen, in dieser Rubrik niedergeschriebenen Meinung
geschehen, je deutlicher wurde es. Würde ich mir die Frage
selbst stellen, ich sollte bloß nicht damit anfangen zu Schwadronieren über die tiefenpsychologische Relevanz des Spielens, die Probleme mit dem Eskapismus und die Vorzüge des
Mood-Managements. Drauf geschissen. Es ist alles einfacher.
Es gab und gibt bis heute zwei Gründe, warum ich das Zocken
liebe: Spaß und Wettbewerb. Spaß alleine, Spaß mit mehreren.
Wettbewerb mit mir selbst, Wettbewerb mit anderen. Videospiele begleiten mich seit über 20 Jahren. Ich wollte eigentlich
immer nur eine gute Zeit haben. Möglichst lange. Daran habe
ich gearbeitet. Und Glück gehabt. So platt es klingt: Hobby
zum Beruf gemacht, dafür bin ich dankbar. Sicher zocke ich als
Rentner noch immer. Darf mich jeder gerne für infantil halten,
ist mir egal. Ich freu mich auf das abgefahrene Zeug, das es
in den kommenden Jahrzehnten zu sehen und zu erleben gibt.
Ich bin dabei. Für den Spaß. Und den Wettbewerb.
Mirka Meyer
Also, eigentlich spiele ich ja nicht. Und von ein paar Gameboy-schlage-den-Highscore-des-kleinen-Bruders-Eskapaden in den
späten 80ern einmal abgesehen, habe ich das bis vor kurzem durchaus souverän durchgezogen. Seit circa zwei Jahren ernte ich
jedoch für das Nicht-Spielen nicht wie gewohnt befürwortendes Nicken der Freunde, sondern verständnisloses Kopfschütteln der
Kollegen. So habe ich mich, pflichtbewusst wie ich bin, hingesetzt und gespielt. Und gelernt, dass man sich auch als Superheld
hoffnungslos verlaufen kann. Dass Buttons extra fest drücken nur zu Blasen an den Daumen, nicht aber zum besseren Spielergebnis führt. Dass die Seekrankheit beim Spielen kein Mythos, sondern üble Wahrheit ist. Nichtsdestotrotz muss ich zugeben, was ich
seit den 80ern verschwiegen habe und nun endlich offen zugeben kann: Wenn einen erst mal der Ehrgeiz packt, Highscores überboten, Level durchgespielt und Gegner besiegt sind... macht Spielen wirklich einfach Spaß.
WAS BEDEUTEN DIR VIDEOSPIELE?
Christian Gaca
Fast zwei Jahre [ple:]-Magazin liegen
hinter uns, Grund genug, die subjektiv
betrachtet schönsten Stücke aus den
vergangenen Ausgaben in einem Heft
der Höhepunkte zusammenzufassen.
Enjoy! Wir jedenfalls haben genau das
immer getan.
HIGHLIGHTS: INTRO
HIGHLIGHTS
13
PIXELFREUNDE
HIGHLIGHTS: PIXELFREUNDE
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Lara Croft
Pikmin
Tomb Raider
Pikmin,
Pikmin 2
Brüste, Brüste, Brüste. Die sekundären Geschlechtsmerkmale sind bei der guten Lara
Croft wirklich von Anfang an
nicht zu übersehen gewesen.
Ein wahrscheinlich noch heute
pubertierender Programmierer
schnitzte sich mit der aparten
Archäologin sein Idealbild einer Freundin zusammen, die er
nie wird haben können. Intelligent, hübsch, gut gebaut, wortgewandt, sicher an der Waffe. Trotzdem ist sie eine Ikone
und war eminent wichtig für die
Emanzipation. Denn wann haben sich Jungs das letzte Mal
so lange mit einem Mädchen
beschäftigt – die Sandkastenliebe nicht mitgerechnet? (CG)
Die kleinen Pikmin sind wunderbare Spielcharaktere von
schlichter Schönheit. Sie sind,
aufs Charakterdesign gemünzt,
die skandinavische Designvariante: einfach, rund, schlichte
Farben. Pikmin kommen ohne
aufwendig gestaltete Kostüme
aus. Brauchen keine Waffen.
Die nasenlosen Wesen schaffen
eine Gratwanderung zwischen
niedlich und stylisch wie niemand sonst. Pikmin sind nur
rund drei Zentimeter groß und
wachsen wie Karotten aus der
Erde. Irgendwann stiefelt unausweichlich der sorglose
Captain Olimar vorbei und
missbraucht die unschuldigen
Gewächse für seine rastlose
Suche nach Raumschiffteilen.
Und schickt dabei unversehens
eins ums andere Mal hunderte
Pikmin ins Verderben. Ein trauriges Schauspiel. [CG]
15
Cate Archer
Mario
GTA: Vice City
No One Lives Forever
Super Mario Land 1
Tommy Vercetti ist ein guter Junge. Hunderte Kilometer haben
wir zurückgelegt, immer neue
Missionen abgecheckt. Erst Liberty City gerockt, dann Vice
City. Tommy und ich, wir haben
uns einen Namen gemacht, als
skrupellose Typen mit Hang zum
Fahrzeugdiebstahl. Coole Nummern sind gelaufen, unvergessen
der dreiste Panzerdiebstahl. Haben ihn der Army abgezogen, als
sie uns wegen der Sache mit der
Panzerfaust und der Straßenkreuzung drankriegen wollten.
Nur waren wir schneller – und
haben das Teil in die eigene Garage eingeparkt. Tommy, Junge, ich werde dich nie vergessen.
(CG)
Mit Cate Archer bekam die
Zunft der Shooterspieler nicht
nur eine wehrhafte, sondern
auch eine verdammt hübsche Frau geliefert, die mit
ihrem coolen Sixties-Style
nicht nur Männerherzen im
Sturm eroberte. Als englische
Geheimagentin durfte sie auf
abgefahrene Gimmicks zurückgreifen. So musste man sich
spätestens, wenn Cate ihren
Schminkspiegel als Waffe einsetzte, vor Lachen auf dem
Boden krümmen. Leider hat die
Vorstellung, mit einer sexy Frau
gegen Bösewichter zu kämpfen,
nicht genug Spieler begeistert.
Deswegen blieben der erste Teil
und auch der Nachfolger wie
Blei in den Regalen liegen. (KM)
Als kleines Kind dachte ich, die
Welt auf den Bildschirmen sei
schwarzweiß und nur das echte
Leben farbig. Irgendwann im
Jahr 1982 oder 1983 wurde der
kleine Christian durch einen
Wega-Farbfernseher erleuchtet, und die Sesamstraße war
plötzlich ein bunter Acid-Trip
eines Siebenjährigen. Mit Mario war es genau umgekehrt.
Den kannte ich nur in Farbe,
plötzlich dann war sein blauroter Arbeitsdress nur noch in
Graustufen zu sehen. Zum Ausgleich war er dafür transportabel geworden. Auf dem Gameboy durchlitten wir gemeinsam
sein erstes mobiles Abenteuer,
meistens im Werte & NormenUnterricht auf dem Gymnasium. Ich wollte halt lieber ein
Pixel-Klempner sein, als mit
Bäumen zu reden. (CG)
HIGHLIGHTS: PIXELFREUNDE
Tommy Vercetti
HIGHLIGHTS: PIXELFREUNDE
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Viewtiful Joe
Ulala
Chocobo
Viewtiful Joe,
Viewtiful Joe 2
Space Channel 5
Final Fantasy IV
Viewtiful Joe wird zweifelsohne
sämtlichen Anforderungen an einen modernen Helden gerecht.
Er ist weder zu hart noch ist er
zu weich, strahlt Kraft und
Selbstsicherheit aus und ist zu
98 Prozent schwiegermuttertauglich. Er versöhnt Nostalgiker
und Freunde der dritten Dimension. Und er hat verdammt viel
Stil. Mit dem roten, hautengen
Anzug und einem sexy, rosa
Cape ist er emanzipierter als jeder bisher dagewesene Held, bewegt sich anmutig und elegant.
Dennoch müssen Gegner seine
Linke fürchten. Eindrucksvoll bewiesen hat er ebenfalls, dass
Technik doch über Größe siegen
kann. So schön waren Faustkämpfe seit den Abenteuern von
Indiana Jones nicht mehr!
Henshin-a-go-go, Baby! [ME]
So wie in „Space Channel 5“
musste die Zukunft aussehen: Störende Ecken und Kanten waren verschwunden, alles
war bunt – und gekämpft wurde
mit Tanzschritten. Daran konnte man vor fünf Jahren glauben.
Damals, als Ulala aus ihrem
Raumschiff stieg. Wie eine gute
Freundin kam sie auf die Erde
und gab uns Glauben. Glauben
daran, dass Videospiele Pop und
charmant sein könnten. Dabei war Ulala gleichzeitig sexy
und asexuell – wie eine Teenagerversion von Emma Peel, erschaffen in psychedelischen
Traumwelten. Leider ist sie kurz
danach verschwunden und hat
uns mit faden Gestalten wie
dem Master Chief allein gelassen. Nur noch eine kleine Figur
auf dem Schreibtisch erinnert
an die schöne Zeit. [GÖ]
„Ein Pferd. Ein Pferd. Mein Königreich für ein Pferd“, versprach einst Richard III., inszeniert von William Shakespeare.
Vielleicht hätte der verzweifelte
König nach einem Chocobo rufen sollen. Die possierlichen
Tierchen lassen sich nämlich
ebenfalls prima reiten. Tauchen
nicht selten sogar ungefragt
auf, allerdings nur in den Weiten der „Final Fantasy“-Welten.
Die Vorzüge der eigenartigen
Mischung aus Mustang und
Kampfhenne wissen Abenteurer
zu schätzen: Lange Wege werden angenehm kurz. Und vor
allem wartet nicht hinter jedem
Baum ein neuer Kampf. Auf der
Suche nach den letzten Geheimnissen ein unschätzbares
Fortbewegungsmittel, das hätte
bestimmt auch König Richard
gedacht. (CG)
17
Pikachu
Drizzt Do Urden
Jet Set Radio,
Jet Set Radio Future
Pokémon Rot & Blau
Baldur‘s Gate I+II,
Baldur‘s Gate: Dark Alliance
Die Graffiti-Rebellin und InlineArtistin Gum ist eine Veteranin des Kampfes gegen graue
Wände. Angetrieben vom Piratensender Jet Set Radio verschönert sie ganz Tokyo mit
aerosolgetriebenem Farbwahnsinn. Gleichzeitig verdeutlicht
sie wie keine Zweite Segas ästhetisches Potenzial. In den für
Dreamcast und Xbox erschienenen Style-Epen wurde jedoch
nicht beim szenetypischen Charakterdesign Halt gemacht. Die
von US-Sprayergröße Haze beigesteuerten Tags sowie der explosive Soundtrack von Gruppen wie BranVan 3000 und Cibo
Matto verschmolzen mit der
Cel-Shading-Grafik zum Gesamtkunstwerk. Kein Wunder,
dass es die geschmackssichere
Schönheit Gum bis zum Covergirl gebracht hat! (KH)
Böse Zunge sagen, „Pokémon“ sei das Koks der „Generation Grundschule“. Natürlich
rein metaphorisch gesprochen.
Ist vielleicht übertrieben, aber
die Sammelleidenschaft kann
nicht nur Kinder dauerhaft beschäftigen. Die kleinen „Pokémon“-Monster versteckten sich
auf zwei Cartridges, wobei sich
die ganz seltenen und starken
Exemplare jeweils auf einer der
beiden verbargen. Keine Frage, dass erstmals beide Spiele
hermussten, um den vollen Erfolg des Pokémontrainers zu
sichern. Zum Glück ist dieser
Kelch an mir vorüber gegangen.
Wirklich, ich war nie auf „Pokémon“. Ganz ehrlich. Kannte aber einige Erwachsene, die
eine Weile ziemlich viel davon
konsumiert haben. Vielleicht zu
viel. (CG)
Es gibt kaum eine andere Figur
in der Welt der Dungeons &
Dragons, die solch eine gewaltige Fangemeinde besitzt, wie
der verstoßene Dunkelelf Drizzt
Do Urden. In einer gewaltigen
Saga hat der Buchautor R.A.
Salvatore den Charakter ins Leben gerufen und ihm damit zu
Auftritten in den verschiedensten Rollenspielen verholfen. Obwohl Drizzt Do Urden ein Dunkelelf ist, hat er sich mit seinen
magischen Krummschwertern
und einem ebenso magischen
Panther dem Kampf gegen das
Böse verschworen. Digital zum
Leben erweckt, kämpfte er
schon beim ersten Teil von
„Baldur’s Gate“ an der Seite des
Spielers und durfte auch in vielen anderen Spielen meist als
Special Charakter ins Boot geholt werden. (KM)
HIGHLIGHTS: PIXELFREUNDE
Gum
Egoshooter
als Spiegel der Gesellschaft
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HIGHLIGHTS: EGOSHOOTER
Von Kristian Metzger
In den 80er Jahren waren Videospiele noch abstrakte Erlebnisse, die nur wenig mit der Realität zu tun hatten. Erlebnisse,
die neben der Geschicklichkeit vor allem das Vorstellungsvermögen anstrengten. Doch mit den technischen Errungenschaften verloren die elektronischen Spielwiesen immer mehr
ihre Unschuld und verwandelten sich in komplexe Gebilde, die
einen nachhaltigen Eindruck bei ihren Nutzern hinterließen.
Und immer mehr hinterlassen.
Doch nicht nur die optische Präsentation, sondern auch die
Perspektive veränderte sich. So wurde der Spieler immer tiefer
in die künstlichen, elektronischen Gebilde hineingezogen, bis er
selbst bei Star Wars den Steuerknüppel in die Hand nahm oder
aus der Sicht eines Piloten eine Boeing sicher über den Atlantik
brachte. Diese Egoperspektive blieb lange den Simulatoren vorbehalten, für eine glaubwürdige Umgebung aus der Sicht eines
Menschen gab es lange Zeit nicht genug Rechenpower. Dank
der groben Grafik und der großen Distanz zum Erlebten war es
bei diesen Spielen kein Problem, zwischen der realen und der
virtuellen Welt hin und her zu wechseln. Dieser Umstand sollte
sich 1992 schlagartig ändern, denn id Software versetzte erstmalig satte Action in die ungewohnte Ich-Perspektive. Das Genre der Egoshooter war geboren.
NEUE HÖHEPUNKTE DER GEWALTDARSTELLUNG
Schon das Debüt der Amerikaner sorgte für viel Wirbel, denn
mit „Wolfenstein 3D“ erreichte die Darstellung von Gewalt neue
Höhepunkte. Auch der Einsatz von Nazi-Deutschen, die schon
wie beim zweidimensionalen Vorgänger als Feindbild für den
Rest der Welt herhalten mussten, war schockierend. Erstmals
war die Mauer zwischen den Realitäten durchlässig. Der Spieler
FLIGHT SIMULATOR
STAR WARS
wurde direkt in die Rolle seines virtuellen Pendants hineingezogen. Diese emotionale Nähe rief schnell die Bundesprüfstelle
für jugendgefährdende Schriften auf den Plan, die „Wolfenstein
3D“ indizierte und am Ende sogar beschlagnahmen ließ, was
den Verkauf des Spiels zu einem Straftatbestand machte. Wer
beschlagnahmte Spiele besitzt, macht sich indes nicht strafbar. Der Fall „Wolfenstein“ sorgte jedenfalls dafür, dass während der nächsten Jahre vor allem Egoshooter ins Visier der
Behörde gerieten. Lange schien es unmöglich, dass gerade jun-
WOLFENSTEIN 3D
DOOM
Es wird Zeit. Zeit für einen Versuch, das Phänomen Egoshooter und die heftigen Reaktionen der deutschen Öffentlichkeit zu
verstehen. Und klar zu machen, warum man Gewalt nicht von diesem Genre trennen kann. Obwohl einige Ausnahmespiele wie
„Half-Life 2“ zeigen, dass mit einer guten Story und einem stimmigen Konzept intelligente Unterhaltung für Erwachsene
machbar ist, gibt es leider auch weiter die schlechten Beispiele, die Kritikern immer wieder neues Futter geben. So werden
Egoshooter trotz klarer Jugendschutzbestimmungen direkt in die Schmuddelecke befördert. Doch genau dort gehören sie
nicht hin. Denn sie sind – genau wie anderen Medien – ein Teil unserer heutigen Gesellschaft.
19
HIGHLIGHTS: EGOSHOOTER
ge Menschen genug Distanz zu den schnellen Bildern aufbauen können, weswegen mangels gesetzlicher Altersgrenzen viele
Egoshooter direkt nach ihrer Einführung vom Markt genommen
wurden. Obwohl auch im Fernsehen mit dem Siegeszug von
CNN und den Reality-TV-Formaten immer mehr reale Gewalt
Einzug in die Wohnzimmer hielt, taten sich die Jugendschützer
mit dem neuen Medium schwer. Doch der Siegeszug des Genres war nicht mehr aufzuhalten, vor allem da die Entwickler
geschickt neue Spielelemente einbauten und aus den seelen-
QUAKE
HALF-LIFE
losen Ballerorgien komplexe Gameplay-Gebilde konstruierten.
Der wirkliche Durchbruch gelang aber erst mit Valves „HalfLife“, das durch geskriptete Events mitten im Spielgeschehen
eine Story vermittelte und durch detaillierte Charakterzeichnungen aus seelenlosen Polygonhaufen richtige Freunde und
Feinde machte. Damit brach die Grenze zwischen den unterschiedlichen Medien endgültig zusammen, und Computer- und
Videospiele versetzten den Spieler endlich mitten hinein in eine
epische Handlung. Durch „Half-Life“ wurden Actionfilme er-
COUNTER-STRIKE
DOOM 3
20
lebbar. Vormals passive Zuschauer wurden zu Akteuren, der
Begriff Interaktivität bekam damit eine gänzlich neue Qualität. Parallel dazu wurde der Mehrspielerbereich immer stärker
ausgebaut. Durch schnellere Internet-Verbindungen und der
Einführung von Flatrates entwickelte sich eine neue Subkultur, die inzwischen hunderttausende Spieler umfasst. Vor allem
eine von Fans erschaffenen Modifikation von „Half-Life“, der
Onlineshooter „Counter-Strike“, gelangte zu einer solch großen
Popularität, dass aus der reinen Freizeitbeschäftigung die eSports-Szene entstand. Die Spieler organisierten sich in Clans,
der Internet-Variante von Vereinen, und begeisterten sich für
die Auseinandersetzung mit menschlichen Gegenspielern in Ligen und auf Turnieren. Gleichzeitig wurden Netzwerk-Partys
immer populärer und ermöglichten es den Aktiven, ihrem virtuellen Hobby ein reales Gesicht
zu geben.
So entwickelte sich ein harter Wettkampf um Geld und
Ruhm, der nur vom sportlichen Wettstreit und nicht
von sinnlosen Schlachtorgien
geprägt ist. Den Wettkämpfern geht es hier nur um Latenz-Zeiten, Mausunterlagen
und Reaktionsgeschwindigkeit. Blutige Grafikeffekte
zählen nicht, dafür ist Können gefragt. Vor allem auf den
friedlichen Netzwerk-Partys
sieht man, dass zwar viele der
jungen Spieler definitiv zu lange vor ihrem PC sitzen, dass
von gewaltbereiten Tendenzen
allerdings so gut wie gar
nichts zu spüren ist.
Doch die friedliche Community musste 2001 einen herben
Rückschlag einstecken, nachdem in Erfurt der vermeintliche
Egoshooterfan Robert Steinhäuser mit einer Pistole 16 Menschen in seiner eigenen Schule tötete. Schnell hatten Politiker
die Egoshooter als kollektiven Sündenbock für die Tragödie ausgemacht und wollten gleich das ganze Genre verbieten. Auch
viele Medien stimmten diesem Aufruf zu. Es begann eine unreflektierte Hatz auf die Spieler, die in Zukunft vor allem in den
Familien ausgetragen werden sollte. Doch nicht nur die Kritiker,
auch die Aktiven selbst torpedierten mit peinlichen Aussagen in
diversen Foren eine objektive Auseinandersetzung und waren
deswegen mit Schuld an den oft sinnentleerten Diskussionen,
bei denen viel schmutzige Wäsche gewaschen wurde.
DOOM 3
PAINKILLER
Erst langsam wächst eine neue Elterngeneration heran, die
Verständnis für das Hobby ihrer jugendlichen Kinder hat und
begreift, dass brutale Spiele im Allgemeinen und Egoshooter im
Besonderen niemanden automatisch zum Massenmörder machen. Video- und Computerspiele sind ähnlich wie Filme ein
Spiegel der Gesellschaft, nur stecken sie im Vergleich zu jenem
alten Medium noch in den Kinderschuhen. Genau wie die dazugehörigen wissenschaftlichen Untersuchungen.
PROBLEMFÄLLE RECHTZEITIG ERKENNEN
Noch haben die Beteiligten ihre Verantwortung gegenüber der
Gesellschaft nicht erkannt. Es müssen Richtlinien gefunden
werden, wie man in Zukunft mit der nahezu perfekten Abbildung der Realität umgeht. Vor allem bei Egoshootern zwingt die
Nähe zum Spielgeschehen die Entwickler dazu, sich mit diesem
Thema noch stärker auseinander zu setzen. Doch nicht nur die
Macher, auch die Spieler selbst müssen umdenken und die Argumente der Gegenseite annehmen. Computerspiele können
genau wie andere Medien labile Personen nachhaltig negativ
beeinflussen, weshalb die Spieler selbst über solche Themen
sprechen müssen, auch um in der Community Problemfälle
rechtzeitig zu erkennen. Leider bestimmt seit Erfurt fast ausnahmslos das Thema Gewalt die öffentliche Diskussion über
Egoshooter. Dabei braucht das Genre selbst Hilfe und dringend
neue Ideen, die über die Darstellung von Brutalität hinausgehen. Spiele wie „Doom 3“ zeigen, dass allein eine herausragende Optik nicht ausreicht, um die Spieler längerfristig zu begeistern. Erst durch Elemente aus anderen Bereichen, einer
packenden Geschichte und glaubwürdigen Figuren kann es gelingen, das alte Image abzustreifen und Egoshooter auch für die
nächsten zehn Jahre attraktiv zu machen.
EIN SCHRITT IN DIE RICHTIGE RICHTUNG
„Half-Life 2“ ist hier ein Schritt in die richtige Richtung, obwohl
auch Shooter der alten Schule wie „Killzone“ oder „Halo 2“ ihre
Daseinsberechtigung haben, selbst wenn sie im Vergleich doch
etwas veraltet wirken. Hoffentlich versteht die Öffentlichkeit irgendwann einmal, dass Werke wie „Half-Life 2“ mit ihrer komplexen Welt wenig mit reinen Schlachtplatten wie „Painkiller“,
„Serious Sam“ und Konsorten gemein haben. Gleichzeitig muss
aber klar sein, dass auch solche Spiele eine absolute Daseinsberechtigung haben – nur eben ausschließlich für erwachsene Menschen. Den Jugendschutz in allen Ehren, es sollte nicht
versucht werden, mit Zensur die Gesellschaft gleichzuschalten.
Andere Medien wie der Film haben gezeigt, dass das Jugendschutzsystem grundsätzlich gut funktioniert.
SERIOUS SAM
HALF-LIFE 2
21
HIGHLIGHTS: ABENTEUER
Maßnahmen zur Verkehrserziehung
Forschungsdrang führt zu Erkenntnissen. Manchmal aber
hilft auch der Zufall. Ich behaupte mal, man kann Kinder im
frühen Grundschulalter für sie schadlos eine Runde, sagen
wir, „GTA: Vice City“ spielen lassen. Das Beisein wenigstens
eines rational denkenden Erwachsenen vorausgesetzt und
die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Kein öffentliches
Rumhantieren mit Waffen, keine Leute überfahren und – eigentlich – auch keine Autos „ausleihen“. Als ich „GTA: Vice
City“ damals einem wenig videospielenden Freund präsentierte und den Inhalt der eben vollzogenen Aufzählung als
amüsant mit ihm abfeierte, platzten dessen siebenjährige
und fünfjährige Töchter Leonie und Lotte in die traute Runde. Die Mädchen starrten auf den Fernseher: „Was ist das
für ein Spiel?“ Hmm, was nun antworten?
„Na ja, da kann man mit dem Auto durch eine Stadt fahren
und sich die angucken.“ Genialer Zug, eine ebenso treffende
wie hoffentlich abschreckend-langweilige Beschreibung. Die
beiden: „Oh, können wir zugucken?“ Hmm, was nun antworten? „Okay, aber nicht lange“, man wird sich ja schließlich
mal ein paar Minuten am Riemen reißen können. Gut,
hallo „GTA: Peace City“, ich will aber ein Auto haben. Da klauen nicht geht, also „schnell“ zu Fuß zur nächsten Garage mit
Inhalt. Dort in den Sportwagen gehüpft und ab. Schon nach
den ersten Metern folgt der kindliche Dämpfer. „Eh, die Ampel da war Rot“ ... „Und die auch“ ... „Eh, da darfst Du nicht
fahren“ – okay, ich bremse, sie haben ja Recht.
Das abrupte Bremsmanöver führt – wie könnte es anders sein
– zu einem Auffahrunfall, der weitere kindliche Verkehrserziehungsmaßnahmen sowie Rufe nach einem unverbrauchten Gefährt zur Folge hat. Okay, steig‘ ich halt aus dem demolierten
Sportwagen aus und wie selbstverständlich ins nächste Taxi
ein. Natürlich nicht als Passagier, sondern indem ich den
Fahrer aus seinem gelben Gefährt zerre. Upps, ein Versehen,
klauen geht ja eigentlich nicht. Zum Glück bleiben kindliche
Kommentare aus, die Freude über das neue Taxi überwiegt.
„Nimm mal einen mit“, fordert Leonie. Gerne! Doch der
freundliche Kunde will ans andere Ende der Stadt, und Leonie
und Lotte wird die Sache auf halber Strecke zu langweilig.
„Ach, lass‘ den mal hier raus.“ Okay – und nun? „Nimm doch
einfach ein neues Auto.“ Was soll man da noch sagen? (CG)
Munition
Fördern brutale Videospiele die Aggressionsbereitschaft?
Eine Frage, die gerade im Kontext von Egoshootern immer wieder kontrovers diskutiert wird. Wir haben wissenschaftliche Literatur gewälzt und eine Auswahl der wichtigsten Grundlagen zusammengefasst. Das Ziel: eine verbale Schutzweste wie auch
Munition zur Verteidigung für die nächste Diskussion über unser vermeintlich brutales Freizeitvergnügen.
HIGHLIGHTS: EGOSHOOTER
22
Ein Großteil der Studien beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit das Spielen gewalthaltiger Video- oder Computerspiele aggressive Einstellungen oder aggressives Verhalten fördert. Viele Arbeiten sind in der Medienwirkungsforschung zu Hause,
entleihen sich ihr Theoriegerüst nicht selten bei der teils recht alten Forschung über Auswirkungen des Konsums von Gewaltdarstellungen im Fernsehen. Grundsätzlich werden auch heute noch zwei Meinungen vertreten, die bereits vor ewiger Zeit von
zwei alten Griechen propagiert wurden. Platon unterstellte den Dichtern seiner Zeit einen schlechten Einfluss ihrer Schriften
auf die Jugend, forderte die unbedingte Kontrolle des geistigen Outputs. Sein Widersacher Aristoteles war der An- sicht, die Rezeption von Gewalt habe eine kathartische Funktion, reinige die Psyche und reduziere somit die Gewaltneigung.
DER MOTIVATIONSPSYCHOLOGISCHE ANSATZ
Die Motivationspsychologin Rita Steckel widmete sich 1998
intensiv den Wirkungsweisen zwischen Gewalt in Video- und
Computerspielen und dem Verhalten von Kindern. Sie geht
davon aus, dass schon sehr früh mit der Ausbildung der Bindungsqualität zwischen Familie und Kind zentrale Impulse für
die weitere Persönlichkeitsentwicklung gesetzt werden. Bei
unsicherer Bindung, Angst vor einer feindlichen Umwelt und
einem hieraus folgenden, negativen Selbstkonzept, könne ein
Kind eine antisoziale Persönlichkeit entwickeln.
Im Laufe seiner Sozialisation, so die These Rita Steckels, generiert das Kind aggressive Ziele und Werte und wird empfänglicher für aggressive Modelle. Innerhalb der Familie und bei
Gleichaltrigen werde es dadurch zu zahlreichen Konfliktsituationen kommen. Das aggressive Verhalten führe nun seinerseits
dazu, dass das Kind viel Ablehnung und Zurückweisungen erfährt und das negative Selbstkonzept sich weiter verstärkt. Rita
Steckel meint, dass sowohl Kinder (aber auch Erwachsene), die
eine bedeutsame Angst vor Misserfolgen ausgeprägt haben, Video- und Computerspiele bevorzugen, in denen sie Erfolge erringen können und sich vor allem den Maßstab für Erfolg selbst
setzen können. Nach Ansicht der Wissenschaftlerin werden in
einem Großteil aller Videospiele zudem Gewalt- und Kampfaktionen thematisiert. Die häufige Konfrontation mit Gewalt und
Aggression im Spiel kann die Einstellung gegenüber Gewalt
verändern und ihre Akzeptanz stärken.
Hemmungen, Gewalt zur Konfliktlösung auch im realen Leben
einzusetzen, würden in der Folge immer stärker verdrängt.
Tatsächlich sagt sie voraus, dass nun aggressive Mittel zur Konfliktlösung eingesetzt werden. Ein solches Verhalten führe dann
zu weiterer Zurückweisung durch weniger aggressive Altersgenossen. Hier setze dann bei Kindern endgültig ein zirkulärer
Prozess ein. Das zurückgewiesene und in der Folge auch in der
Schule frustrierte Kind werde sich verstärkt dem Videospiel
widmen, was eine weitere Abschwächung der Hemmmechanismen für aggressives Verhalten nach sich ziehe. Es könne, so
Rita Steckel, nicht zwangsläufig davon ausgegangen werden,
dass nur hoch aggressive Kinder sich verstärkt dem Videospiel widmen und nur bei diesen Kindern die negativen Effekte
aggressionshaltiger Spiele greifen. Auch Kinder, die weniger
aggressiv sozialisiert wurden, kommen mit diesen Spielen in
Kontakt. Hier bestehe ebenso die Gefahr, dass sich das noch im
Aufbau befindliche Norm- und Wertesystem durch den Umgang
mit Gewaltspielen verändert, was sich ebenfalls langfristig in
einer veränderten Einstellung zeigen werde.
DIE PROBLEME DER FORSCHUNG
Katharsis steht für das Sichbefreien von psychischen Konflikten und inneren Spannungen durch emotionales Abreagieren, ein Akt seelischer Reinigung also. Der Wissenschaftler
Seymour Feshbach versteht unter Katharsis das Ausüben
eines aggressiven Aktes. Hierdurch soll sich der Anreiz für
den Einzelnen verringern, Aggression an und in seiner Umwelt tatsächlich auszuleben. Das Beobachten und virtuelle
Ausleben von Gewaltdarstellungen soll dazu führen, dass die
Die systematische Erforschung von Auswirkungen gewalthaltiger Video- oder Computerspiele ist kompliziert, vieles bisher nicht hinreichend geklärt. So ist theoretisch betrachtet
unklar, worin genau im Kontext die Gewalt besteht und welche Rolle die Interaktivität spielt. Auch methodisch hakt es.
Der Einfluss von Spielern auf den Spielverlauf kann nicht
nachvollzogen werden. Im Labor ist nicht simulierbar, welche Gewalt wann wie auf einen Spieler wirkt, der selbst bestimmt, wie er ein Programm steuert. Auch kann die Aggression, die durch Video- und Computerspiele ausgelöst werden
kann, nicht valide erfasst werden. Die Ergebnisse aller aktuellen Studien führen zu keinen einheitlichen Ergebnissen.
Eine im Jahr 2001 von John Sherry durchgeführte, umfangreiche Metaanalyse von fast 30 Einzelstudien belegt nur einen geringen, aggressionsfördernden Effekt gewalthaltiger
Video- oder Computerspiele. Craig Anderson und Brad Bushman attestieren indes in ihrer Metaanalyse von 2001 einen
deutlich stärkeren Zusammenhang.
Bereitschaft des Rezipienten abnimmt, selbst gewalttätiges
Verhalten auszuüben. Hört sich gut an, wird auch heute noch
gerne zitiert. Leider gilt die Katharsishypothese innerhalb der
Wirkungsforschung von Gewaltdarstellungen als empirisch
widerlegt, da sich in diversen Experimenten keine signifikanten
Ergebnisse messen ließen.
Der Philosoph Prof. Dr. Wolfgang Michaelis von der Universität Augsburg bezieht deutlich Stellung: „Die Forschungslage
ist so eindeutig wie selten in den empirischen Sozialwissenschaften: Der gewalthaltige Inhalt von Bildschirmspielen hat
nur eine sehr geringe Wirkung auf das Verhalten und die Gefühlslage und eine geringe Wirkung auf Gedankeninhalte.“
Nach seiner Zusammenfassung aus 68 empirischen Untersuchungen der letzten 20 Jahre gelte diese Aussage sogar
nur für kurzfristige Wirkungen im Minutenbereich. Über mittel- oder gar langfristige Wirkungen fehle jegliche Forschung, die eine Ursache-Wirkung-Aussage erlaube. (CG)
DAS GENERAL-AFFECTIVE-AGGRESSION-MODELL
Craig Anderson und Karen Dill haben im Jahr 2000 umfassende
Studien zum General-Affective-Aggression-Modell (GAAM)
vorgelegt. Die beiden Forscher unterscheiden aggressive Kognitionen (Skripte für aggressives Verhalten), aggressive Gefühle
sowie physiologische Erregung (beschleunigter Herzschlag)
und sagen, dass bereits die Aktivierung eines dieser Bereiche
ausreiche, um Gewalthandlungen auszulösen. Der Konsum
gewalthaltiger Video- und Computerspiele könne Effekte in allen drei Bereichen hervorrufen. Emotionale und physiologische
Effekte indes würden auch bei anderen Spielen genauso auftreten, etwa durch Frustration bei einer Niederlage. Ihren Fokus
legen die Forscher auf die Frage, ob Spieler aggressive Skripte
erlernen und diese in der Realität anwenden. Sie sagen voraus,
dass Video- und Computerspiele langfristig die Persönlichkeit
verändern. Die aggressiven Skripte sollen so ihren Weg aus der
Virtualität in die Realität finden.
BASISWISSEN
LITERATUR
ANDERSON, CRAIG & BUSHMAN, BRAD (2001): „Effects of violent video
games on aggressive behavior, aggressive cognition, aggressive affect,
physiological arousal, and prosocial behaviour“, Psychological Science,
Vol. 12, No. 5, 2001
BANDURA, ALBERT (2001): „Social cognitive theory of mass communication“, Media Psychology, Vol. 3
MICHAELIS, WOLFGANG (2003): „Die Auswirkungen gewalthaltiger Bildschirmspiele“, http://www.philso.uni-augsburg.de/lehrstuehle/Psychologie2/PCSpieleEmpiriewww.pdf
SHERRY, JOHN (2001): „The effects of violent video games on aggression“,
Human Communication Research, Vol. 27
STECKEL, RITA (1998): „Aggression in Videospielen: Gibt es Auswirkungen auf das Verhalten von Kindern?”, Münster
23
HIGHLIGHTS: EGOSHOOTER
DER KATHARSISCHE ANSATZ
Gentlemen,
start your engines
Von Christian Gaca
Der schnelle Einblick in den Kopf eines Redakteurs, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, einen umfassenden Text über die
Entwicklung und Schönheit des Genres der Rennspiele zu schreiben, verheißt nichts Gutes. Ein Gewirr aus Informationen
und Informationsfetzen rangelt zwischen den Synapsen ungestüm um den Platz auf der Pole Position. Womit nur anfangen? Vielleicht so: Was überhaupt darf als Rennspiel gelten? Klingt zwar banal, aber klar gezogene Linien helfen nicht nur
im Straßenverkehr dabei, die Übersicht zu behalten.
A
uf jeden Fall braucht es ein Gefährt mit (manchmal auch
ohne) Motor. Einen bedienbaren Lenkmechanismus sollte es geben, egal ob Steuer, Lenkrad, Lenker oder Zügel. Start
und Ziel sind obligatorisch, aber eine volle Runde muss nicht
zwanghaft absolviert werden. Selbst wenn Rundenzeiten natürlich seit jeher der Messwert für die Fähigkeiten eines Rennspielers sind. Alle jene Spiele, die zumindest in Teilen einen solchen
Charakter aufweisen, dürfen jederzeit als Rennspiele bezeichnet werden. Viele andere bestimmt auch, darüber lässt sich im
Einzelfall trefflich streiten und bitte glaubt: das haben wir mehr
als einmal getan.
Ein Beispiel? Bitte sehr. Erinnert sich noch jemand an „Speed
Rage“, den, so lobpreist die Selbstempfehlung auf der Verpackung, „ultimativen Mega-Renn-Wahnsinn mit voller Netzwerkunterstützung für bis zu 16 Teilnehmer“? Ein PC-Spiel
des deutschen Entwicklers Hexerei von 1996. Hat 91 Prozent
Wertung von „PC Attack“ und 92 Prozent von „Ultimate Future
Games“ bekommen und, daher die Erwähnung, das wohl hässlichste Cover der Welt. „SpeedRage“ ist spielerisch gar nicht
so schlecht, aber eben nicht herausragend wichtig. Das Dilemma: Irgendwer erinnert sich gerne an „SpeedRage“, irgendwessen Lieblingsspiel ist es garantiert gewesen. Verzeihung für das
Weglassen. Stellvertretend für alle vergessenen Individual-Hits.
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DIE JAGD AUF RUNDENREKORDE BEGINNT 1974
Streng genommen ist „Formel 1-Rennen“ eine eigenartige Mischung aus Videospiel und klasischem Brettspiel. Im Lieferumfang sind zwei verschieden große, farbige Overlays enthalten,
die zur Freude der Erziehungsberechtigten mit Tesafilm auf den
Fernsehschirm geklebt werden müssen und so die Illusion einer Rennstrecke aus der Vogelperspektive schaffen. Über diese
Rennstrecke können nun zwei Pixelquadrate gesteuert werden, und die Gewinner einer Runde dürfen ihren kleinen Plastikrennwagen auf dem Spielbrett vorrücken. Wenn ihnen denn
keine der 25 Pitstopkarten einen Strich durch die Rechnung
macht. Formel 1-Rennen funktioniert für zwei bis vier Spieler
und benötigt eine gehörige Portion Fantasie, um echte Rennatmosphäre aufkommen zu lassen.
Die Vogelperspektive ist auch 1977 noch Standard, als Spiele
wie „Autorennen“ (Saba Videoplay) oder „Indy 500“ (Atari 2600)
schon deutlich spannendere Rennduelle ermöglichen, von monotonen Midi-Motorengeräuschen begleitet. Obwohl das Brettspiel nun fehlt, ist es tatsächlich so, dass Videospiele (viel mehr
HIGHLIGHTS: RENNSPIELE
Die Jagd auf Rundenrekorde und Pole Positionen im Wohnzimmer beginnt im Jahr 1974 mit einem Spiel, das tatsächlich Wipeout heißt – jedenfalls in Amerika. Das erste Rennen startet
auf der US-amerikanischen Konsole Odyssey von Magnavox.
Wipeout ist damals entweder als einzelnes Spiel erhältlich oder
dann in der zweiten Generation der Odyssey-Geräte, die primär
für den Export nach Europa bestimmt sind, bereits fest enthalten. Für den deutschen Markt bekommt „Wipeout“ selbstredend
einen passenden deutschen Namen: „Formel 1-Rennen“.
Jahr kommt trotzdem noch „Pole Position“ für den VCS 2600,
ein unglaublich erfolgreicher Titel von Activision und das zündende Erlebnis für Zocker, die heute knapp 30 Jahre alt sind.
So trage auch ich, gerade übrigens 30 geworden, hierzu eine
kleine Geschichte im Herzen. 1985 im Kino, der Film heißt
„D.A.R.Y.L. – Der Außergewöhnliche“ und handelt von einem
kleinen Jungen, der ein menschlicher Roboter ist und es zuerst
selbst nicht weiß. Irgendwann gibt es in dem Film eine Szene, wo D.A.R.Y.L. „Pole Position“ oder vielleicht auch „Pitstop“
spielt. Und einen unfassbaren Run hinlegt. Programm spielt gegen Programm, und am Ende tiltet natürlich das Spiel und nicht
der Junge. Ich jedenfalls wollte immer sein wie D.A.R.Y.L., der
ultimative Computerspieler quasi.
als später die Computerspiele) ein gesellschaftliches Ereignis sind, das im Wohnzimmer von der gesamten Familie zelebriert wird. In frühen Anzeigen von Atari & Co. ist so nicht selten
die Dame des Hauses zu bewundern, wie sie ihrem Rollenbild
entsprechend nicht nur die Mission Haushalt bewältigt, sondern nebenbei fröhlich mit ihrem Gatten und dem Nachwuchs
etwa bei einer Runde „Night Driver“ (Atari 2600) entspannt. Mit
„Night Driver“ erfährt das junge Genre 1978 jenen Boost, den
es dringend benötigt. Denn „Night Driver“ ist das erste aus der
Egoperspektive spielbare Rennspiel. Zu sehen ist, der Name
lässt es fast vermuten, nicht besonders viel. Schwarzer Bildschirm, blaue Pixelblöcke (die Autos), magentafarbene Fahrbahnbegrenzungspfosten deuten an, um was es geht. Und jeder
versteht es.
KURZ VOR DEM KOLLAPS KOMMT HYPERCHASE
1982, kurz vor dem Kollaps der Branche, freuen sich neureiche
Besitzer eines MB Vectrex, jener legendär teuren Konsole mit
integriertem Bildschirm, über „Hyperchase“. Mit der Rückkehr
der Overlays startet das Genre erste Fahrversuche in der dritten Dimension. Wobei „Hyperchase“ eine permanente Gratwanderung zwischen Hochspannung und Unspielbarkeit ist, denn
die dreidimensionale Steuerung ist Anfang der 1980er Jahre
eine motorisch relativ ambitionierte Angelegenheit. Wer 1982
das günstigere ColecoVision sein Eigen nennt und ein bisschen
Spielgeld investiert, bekommt im Fachhandel das „Expansion
Module #2“: ein Dreispeichenlenkrad mit Fußpedal, um das geniale Rennspiel „Turbo“ endlich in Formvollendung genießen zu
können. 1983 startet dann „Pitstop“ auf dem Brotkasten durch,
der nur älteren Semestern sofort als Commodore 64 bekannt
ist. Der erste wirklich erfolgreiche Heimcomputer löst erstmal
die Vorherrschaft der Konsolen in Wohlgefallen auf und ist die
nächsten zwei bis drei Jahre die Plattform überhaupt. Im selben
1985 ist übrigens auch das Jahr, in dem mit „Hang-On“ (Sega
Master System) das erste brauchbare Motorradrennspiel über
den Fernseher rast. Die späten 1980er sind dann dominiert
von „Test Drive“ (für die Amiga-Nerds) und „Outrun“ (Sega
Master System). Letzteres trägt neben der TV-Serie Magnum
P.I. maßgeblich dazu bei, der Allgemeinheit vorzugaukeln,
allein der Besitz eines roten Ferrari qualifiziere dafür, jede
Blondine klarzumachen.
AUTOS SCHIESSEN MIT SCHILDKRÖTENPANZERN
Ist bis dato noch eher das grundsätzliche Ziel innerhalb des
Genres, immer realistischere Rennspiele zu machen, teilt sich
Anfang der 1990er die Straße in zwei Fahrspuren. Es gibt Entwickler wie Geoff Crammond, der 1986 mit dem unspielbaren,
aber über eine erstaunliche Fahrphysik verfügenden „REVS“ (C
64) dem Simulationswahn verfällt. Der Brite sorgt später auf
dem PC mit „Stunt Car Racer“ und der „Grand Prix“-Serie für
eine immer präzisere Umsetzung realistischer Fahrverhältnisse
in Algorithmen. Auf der anderen Seite stehen Konsolieros wie
Shigeru Miyamoto, die nichts anderes im Sinn haben, als dass
Autos plötzlich mit Schildkrötenpanzern schießen können und
nicht von normalen Menschen, sondern von Pilzen, Drachen
und Prinzessinnen gefahren werden. Oder das Geschehen wird
gleich ins Weltall verlagert, um dort bei Geschwindigkeiten jenseits der 1000 Stundenkilometer nie gekannte Actionduelle abzufahren. Seither jagt in Jahresabständen (vor allem auf dem
PC-Markt) eine technologische Revolution die nächste, was
auch dazu führt, dass die Vogelperspektive endgültig den Heldentod stirbt. Nach „Micro Machines“ (NES) traut sich dort niemand mehr so recht heran, die Rennspielwelt ist auf Isometrie
und vor allem Dreidimensionalität gepolt. Immer schnellere
Prozessoren lassen die Rennspiele immer flüssiger laufen und
sorgen für extrem präzise Simulationen. So freut sich die große
Gemeinde der Realismusfetischisten über so wahnsinnige
Spiele wie „F355 Challenge“ (Dreamcast), die Actionfraktion feiert derweil Hits vom Rang eines „Crazy Taxi“ (Dreamcast) oder
„Destruction Derby“ (Playstation) ab.
Die goldenen 1990er sind verantwortlich für populäre Hitserien wie „Wipeout“ (das echte Profis nur mit dem Negcon spielen), „Ridge Racer“, „Gran Turismo“ oder „Grand Prix“. Zudem
wird Anfang der 1990er auf dem Amiga der Grundstein gelegt
für das große Ding des 21. Jahrhunderts: vernetztes Spielen.
Die Rennen finden nun nicht mehr nur an einem Gerät statt,
sondern werden in Local Area Networks und ins Internet transferiert. Zuerst nur am PC möglich, ziehen Anfang 2000 die Konsolen hinterher. Mittlerweile werden Weltmeisterschaften im
Zocken veranstaltet, wo sechsstellige Gesamtpreisgelder ausgeschüttet werden und auch virtuelle Top-Rennfahrer in „Need
for Speed Underground 2“ (PC) oder „Project Gotham Racing 2“
(Xbox) mehr als nur ein Taschengeld abkassieren können.
Seit 1974 ist viel digitales Gummi auf den digitalen Asphalt geklebt worden, aber manches scheint beständig zu sein. In
so gut wie keinem regulären Rennspiel etwa, die heute vorzugsweise Rennsimulation heißen, können die Autos wirklich umkippen. Zwar gehört ein ordentliches Schadensmodell
mittlerweile fast immer zur Grundausstattung jedes Spiels,
doch allzu viel Realismus ist den Lizenzen verteilenden Autoherstellern dann wohl doch unheimlich. Könnte schließlich die
Verkaufszahlen negativ beeinträchtigen. Von derart kleinen Problemen abgesehen, hat sich das Genre seit über 30 Jahren tapfer weiterentwickelt. Und wird dies garantiert weiter tun, mit
immer mehr Realismus, immer mehr Action und hoffentlich hin
und wieder auch einer grundsätzlich neuen Idee.
HIGHLIGHTS: RENNSPIELE
DIE HITSERIEN DER GOLDENEN 1990ER
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Abflug
Eine Studie sagt, Rennspiele sind gefährlich für die Psyche
Von Christian Gaca
Was bei Egoshootern funktioniert, muss sich auch auf Rennspiele ummünzen lassen. Hat sich offenbar die Allianz Versicherung
gedacht und den hauseigenen Analytiker auf die Sache angesetzt. Resultat: Diplom-Psychologe Jörg Kubitzki hat am Allianz
Zentrum für Technik (AZT) im Jahr 2004 eine Pilotstudie beendet, die den wenig reißerischen Titel „Auto- und Motorsport-Videospiele sowie Reparatur- und Tuningverhalten bei 13-17-jährigen männlichen Jugendlichen” trägt. Inhaltlich allerdings geht es
mal wieder hemmungslos und wenig begründet gegen die Video- und Computerspiele zur Sache.
Z
uerst zu den statistisch erhobenen Daten. Für die Studie
wurden 657 männliche Jugendliche aus dem Freistaat Bayern befragt, von denen 40 Prozent in der Stadt und 60 Prozent
auf dem Land lebten. 77 Prozent all dieser Jugendlichen gaben
an, regelmäßig Rennspiele an PC oder Konsole zu spielen. Sie
begannen dies der Studie zufolge im Alter von elf Jahren. Zwölf
Prozent bestätigten, sie hätten bereits „gut“ Auto fahren gelernt, über 17 Prozent wollen schon einmal selbst illegal Auto
gefahren sein, llegale Straßenrennen haben 21 Prozent miterlebt und vier Prozent sind Zeuge eines Pkw-Unfall geworden.
WETTRENNEN UND SPEKTAKULÄRE CRASHS
Besonders die Frage nach den Spielmotiven in der Studie
(„mich reizt besonders“) bringt, sagen wir, interessante Erkenntnisse zum Vorschein: 62 Prozent geben als treibendes
Motiv „Wettrennen“ an, 59 Prozent „spektakuläre Crashs“, 58
Prozent „Ausfahren hoher Geschwindigkeiten“ und 57 Prozent
„Nervenkitzel“. Immerhin noch 30 Prozent finden besonderen
Gefallen an „Burnouts/Kojac-Wende u.a. Manövern“. Im Prinzip
wenig erstaunlich, dass der „Erwerb von Fahrkenntnissen“ nur
13 Prozent interessiert, das „Lernen von Verkehrsregeln“ gar
nur noch 5 Prozent. Daraus lässt sich folgerichtig eigentlich gar
nichts schließen. Einerseits wäre denkbar, dass der im Spiel
ausgelebte Drang nach Geschwindigkeit und spektakulären
Crashs in der Realität dazu führt, es dort besser zu machen.
Was zutreffen kann, aber nicht zutreffen muss. Andrerseits ließe sich spekulieren, dass ein aggressives Fahrverhalten durch
das Spielen erlernt und später im Straßenverkehr regelmäßig
angewandt wird. Was zutreffen kann, aber nicht muss.
UNFALLVERHERRLICHENDE STREET-RACING-GAMES
Die Studie jedenfalls bestätigt Jörg Kubitzki zufolge, dass die
Lebenswelt männlicher Jugendlicher in einem hohen Maße
von kraftfahrzeugbezogenen, motorsportlichen und verkehrsregelwidersetzenden Inhalten bestimmt sei. Wegen des negativen Einflusses der „unfallverherrlichenden Video-Rennspiele
(primär Street-Racing-Games)“ vor allem während der Sozialisation fordert das AZT darum dringend eine strengere Klassifizierung (mindestens USK 16 Jahre) durchzusetzen. Gleichwohl wird im nächsten Satz festgestellt, dass „in Bezug auf den
Einfluss von Video-Rennspielen auf Einstellungen und Verhalten im Straßenverkehr [noch] erheblicher Forschungsbedarf“
bestünde. Was ja klar heißt, dass genaues Wissen über den
tatsächlichen Einfluss nicht existiert, sondern aus den statistischen Daten herausinterpretiert wurde. Eigenartig ist, dass
im Rahmen der Studie der „Einfluss gewalthaltiger Videospiele
29
HIGHLIGHTS: RENNSPIELE
auf Verhalten und Erleben [als] wissenschaftlich kaum mehr
strittig“ eingestuft wird, was schlicht nicht stimmt. Gleich der
nächste Satz offenbart dann das dünne Eis, auf dem sich die
Studie in Sachen Wirkungsforschung bewegt: „Shooterspiele wurden vom Militär zu Trainingszwecken (Tötungshemmung)
entwickelt“. Zwei Sätze zur Ausgangslage, das war’s dann zu
dem Thema.
POSITIVE VERSTÄRKUNG VON VERKEHRSVERSTÖSSEN?
In den Quellen zur Wirkungsforschung bezieht sich Jörg Kubitzki primär auf jene Studien der nicht gerade als Freunde der
Video- und Computerspiele bekannten US-Psychologen Craig
Anderson, Brad Bushman und Karen Dill zum General Affective Aggression Modell. Dieses unterstellt ein Erlernen von gewalttätigen Skripten (Handlungsmustern) durch den Konsum
gewalthaltiger Video- und Computerspiele. Diese Skripte sollen sich bei wiederholtem Spielen beständig aktualisieren und
somit die Chance steigern, dass sie im realen Leben abgerufen werden. Empirisch gesichert ist das alles nicht. Der Philosoph Wolfgang Michaelis von der Universität Augsburg stuft
die Forschungslage als „so eindeutig wie selten in den empirischen Sozialwissenschaften“ ein. Der gewalthaltige Inhalt von
Bildschirmspielen habe nur eine sehr geringe Wirkung auf das
Verhalten und die Gefühlslage und eine geringe Wirkung auf
Gedankeninhalte. Wenn es Auswirkungen gebe, seien die nur
kurzfristig im Minutenbereich messbar. Über mittel- oder gar
langfristige Wirkungen, auch etwa häufigen Spielens, fehle jegliche Forschung, die eine Ursache-Wirkung-Aussage erlaube.
Jörg Kubitzki erkennt richtig, dass „das Freizeitverhalten Videospielen insgesamt mittlerweile bereits im frühen Kindesalter
einsetzt“. Aus den bereits beschriebenen statistischen Daten
und seinen Erkenntnissen aus der Lektüre der Wirkungsforschung leitet er nun die Hypothese ab, dass eine „positive Verstärkung von Verkehrsverstößen, unfallgeneigten Fahrergewohnheiten (Kurven schneiden, lane drifting) und Elementen
des competitive bzw. reckless driving (Burnouts, Ampelstart)
Einfluss auf die Entwicklung fahrbezogener Einstellungen und
Verhaltensweisen nimmt“. Wenn auch er einschränkt, dass die
Pilotstudie „noch nicht die gesicherte Aufdeckung spezifischer
Zusammenhänge zum Ziel“ hatte. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Die gesamte Studie von Jörg Kubitzki kann im Internet heruntergeladen werden:
http://allianz.jugendpresse.de/publikationen/pilotstudie/pilotstudie_gesamt.pdf
Benjamin J. Heckendorn aus Madison im USBundesstaat Wisconsin liebt Videospiele. Und er
liebt sie klein. Durch diesen Fetisch ist der 29Jährige zu einer kleinen Berühmtheit geworden.
Er gilt als die Koryphäe überhaupt auf dem Sektor
des Eigenbaus von tragbaren Konsolen.
HIGHLIGHTS: MOBILE GAMING
Der König
der kleinen Konsolen
30
Für alle Bastelfreunde hat Benjamin J. Heckendorn ein großartiges, gerade
erschienenes Buch geschrieben. „Hacking Video Game Consoles : Turn your
old videogame systems into awesome new portables” erläutert detailliert
und verständlich den Bau der eigenen Mitnehmkonsole. Für den Atari VCS,
8-bit-Nintendos und die Sony Playstation bietet Benjamin vorgefertige Gehäuse zum Kauf an, um die Arbeit zu erleichtern (http://www.benheck.com/
book/index.htm). Englischkenntnisse für die Lektüre und Freude am Löten
sind allerdings absolute Grundvoraussetzung. Das Buch ist für 20 US-Dollar über amazon.com zu beziehen, soll aber auch auf Deutsch erscheinen.
31
HIGHLIGHTS: MOBILE GAMING
Von Christian Gaca
S
eit fast sechs Jahren bastelt Ben Heck, wie er von seinen
Fans und Bewunderern oft genannt wird, nun schon an seiner Vision: all diese wunderbaren Videospiel-Erinnerungen aus
seiner Kindheit endlich immer dabei haben zu können.
Angefangen hat alles Ende 1999 in der Call-Center-Warteschleife eines Computerherstellers. Als Grafikdesigner gehört
Benjamin damals zu jenen, die noch immer gerne das Papier
auf dem Schreibtisch vollkritzeln. Als ihn die Monotonie der
Warteschleife abdriften lässt, landen seine Gedanken bei Atari: „Hmm, tragbarer Atari 2600, das wäre nett, Cartridge hier,
Batterie da, Bildschirm, Tasten … auf dem Papier sah es aus
wie ein Gameboy Color“. Er kritzelt weiter, und schon ist die
Idee fest ins Hirn eingebrannt. Das muss doch umzusetzen
sein, denkt er sich. Rückblickend betrachtet war das wohl etwas blauäugig.
Benjamin selbst besitzt damals nur einen Atari 7800, der allerdings komplett bleiben soll. Ein Freund hingegen hat noch einen alten Atari 2600, den er (bitte festhalten), seit Jahren nicht
benutzt hat. Der arme Atari muss dran glauben, aber es dient
ja der höheren Wissenschaft. Dr. Benjamin zerlegt die Konsole
komplett in ihre Einzelteile. Schnell sieht er ein, dass das bloße
Ausbauen der Teile und Wiedereinbauen in ein kleines Gehäuse sinnlos ist. Er sägt das Mainboard kurzerhand in mehrere
Teile, lötet getrennte Adern in minutiöser Kleinstarbeit wieder
zusammen. Zwischenzeitlich lässt ein Casio EV-550 Taschenfernseher ordentlich Federn, damit der tragbare Atari VCS ein
Farb-TFT-Bildschirm mit sechs Zentimetern Diagonale bekommen kann. Doch der härteste Part ist das Gehäuse. Konnte sich
Benjamin bei den Inneren noch aufs Neuverlöten und Rearrangieren konzentrieren, muss hier etwas völlig Neues her. Das
Gehäuse muss Platz haben für das neu zusammengelötete
Mainboard, den Bildschirm nebst Kabelage, den Cartridge-Slot,
die Batterien, die Controllereinheit und einen An-Aus-Knopf sowie einen Lautstärkeregler. Am wichtigsten ist Benjamin allerdings etwas anderes: „Es sollte cool aussehen!“
Das gelingt ihm schon mit der ersten Version des Atari VCSp,
wie die tragbaren Ataris getauft werden. Mittlerweile ist die
sechste Überarbeitung dieses Gerätes umgesetzt, nebst einigen Special-Edition-Modellen aus Holz mit fantastischen Details. Zudem hat Benjamin die Sony Playstation, den Nintendo
NES und SNES und ein Sega Megadrive verkleinert, ein N64 ist
in Arbeit, ein Dreamcast in Planung. Über die Jahre hat Benjamin rund 60 Geräte verkauft, für zwischen 300 bis 400 USDollar. Die Warteliste war und ist lang. Was dazu führte, dass
Benjamin seinen Grafikerjob aufgegeben hat und mittlerweile
hauptberuflich große Konsolen klein macht. Oder als Buchautor
dafür sorgt, dass sein Wissen im besten Do-it-yourself-Sinne
unters Volk gestreut wird.
Natürlich verkauft Ben auch weiterhin selbst seine kleinen
Kunstwerke, allerdings ist gerade mal wieder alles ausverkauft.
Plätze auf der Warteliste reserviert man sich am besten im persönlichen Gespräch via Mail an benheck@benheck.com. Sagt
ihm einen schönen Gruß von uns.
Die offizielle Seite: http://www.classicgaming.com/vcsp/
160 x 144 Pixel und vier Graustufen braucht ein Mann aus Kyoto, um die Kinderzimmer auf diesem Planeten für immer zu
verändern. Gunpei Yokoi ist jemand, der über sich selbst sagt,
dass er ein Karikaturist sei, der die Momente des Lebens verstünde und Abstraktionen von ihnen erschaffen könne.
Gunpei Yokoi ist der geistige Vater des Nintendo Gameboy, nur
kennt ihn fast niemand. Und das, obwohl er neben dem größten wirtschaftlichen Erfolg auch den größten Misserfolg für
Nintendo verbucht hat. Der famose aber formidabel gefloppte
Virtual Boy entstammt ebenso seinen Gehirnwindungen.
Gunpei Yokoi:
Der Mann, der den Gameboy
32
Von Christian Gaca
D
ie Karriere von Gunpei Yokoi beginnt 1965, als er direkt
nach dem Uni-Abschluss bei Nintendo anheuert. Sein
langweiliger Job zunächst: Produktionsanlagen zu überwachen, die jene legendären Hanafuda-Karten herstellen, die
Nintendo groß gemacht haben. Ende der 1960er Jahre dann
eine neue Mission: Gunpei Yokoi wird für die neue „Spiele“-Abteilung von Nintendo verpflichtet. Der Legende nach stellt er
am ersten Arbeitstag ein Produkt namens The Ultrahand vor,
ein verlängerbarer Plastikarm mit Greifklaue am Ende. Das
Plastikspielzeug hatte er sich in seiner Freizeit ausgedacht. In
den Händen des Großkonzerns wird Ultrahand zu einem Verkaufsschlager.
Danach erfindet Gunpei Yokoi die abstruse Ultra Machine, eine
Baseball-Wurf-Maschine, die einen Softball so sanft wegschleudert, dass ein gefahrloses Spiel auch im Wohnzimmer
möglich ist. Den Abschluss der Ultra-Serie bildet das erfolglose Ultra-Scope. Ein Periscope, das es ermöglicht, um Ecken
zu gucken. Regelmäßige YPS-Leser werden sich an ähnliche
Gerätschaften erinnern. 1969 wird Gunpei Yokois famoser
Lovetester ein weiterer Hit für Nintendo. Zwei Menschen fassen Händchen haltend im Lovetester zwei Griffe an, damit die
Maschine ihre Liebeschancen errechnet. Natürlich misst der
Lovetester tatsächlich nur elektrische Strömungen, aber das
Resultat ist von Nintendo sehr glaubwürdig verpackt. Abwandlungen der Maschine sind auf jedem gut sortierten Jahrmarkt
noch heute zu finden.
Nach diesen Erfolgen lockt Gunpei Yokoi den Ingenieur Masayuki Uemoura von Sharp zu Nintendo und die beiden beginnen mit der Entwicklung der Nintendo Beam Gun. Das fertige
Produkt Laser Kure wird 1973 vorgestellt Es ist nichts anderes als eine Lasergun, die mit einigen aufstellbaren Solarzellen-Zielen vertrieben wird. Für knapp 5000 Yen verkaufen sich
auch hiervon schnell über eine Million Exemplare – ein kurzer, aber großer Erfolg. Irgendwann Mitte der 1970er überlegt
sich Firmenpatriarch Hiroshi Yamauchi, dass Nintendo künftig Videospiele verkaufen muss. Seinem Lieblingserfinder gibt
der Boss eine schlichte Anweisung: Denk’ dir was komplett
Neues aus. Gunpei Yokoi macht genau das. Resultat sind eine
Reihe von simplen, kostengünstig produzierbaren Handhelds
mit LCD-Display. Die Geburtsstunde des Game & Watch markiert den Anfang einer langjährigen Erfolgsgeschichte, die
in knapp 40 Millionen verkauften Einheiten mündet. Damals
denkt sich Gunpei Yokoi übrigens nebenbei auch gleich das
digitale Steuerkreuz aus, das auf den heutigen Controllern
noch häufig zu finden ist. Auch der klassische NES-Controller
wurde von ihm entworfen.
erfand
Nachdem Nintendo mit dem NES
ein beeindruckender Erfolg gelingt, ist es für Gunpei Yokoi Zeit, sich etwas Neues auszudenken. Die Gedanken und Ideen von Gunpei Yokoi, seiner rechten
Hand Saturo Okada und dem 45 Mann starken Entwicklerteam
kumulieren in einem beigefarbenen Handheld mit einem 160
x 144 Pixel großen Bildschirm, der vier Graustufen anzeigen
kann. Der 4,19 Mhz schnelle 8-bit-Prozessor des Nintendo
Gameboy sorgt 1989 für eine Revolution in Kinderhänden rund
um den Erdball und wird ein unglaublicher Erfolg. In seiner
Urform verkauft er sich weltweit über 60 Millionen Mal. Der
Gameboy ist damals nicht der erste Handheld, der programmierbare Cartridges schluckt. Aber er ist günstig, hat eine
gute Grafik und vor allem gute Spiele zu bieten.
Die erfinderische Erfolgsträhne von Gunpei Yokoi scheint unendlich. Bis zu jenem Tag im Jahr 1992, an dem er die Arbeit
zu seinem größten Projekt aufnimmt: der Realisierung des
Virtual Boy. Die eigentümliche Mischung aus Tabletop-3DKonsole und Handheld landet 1995 nach fast dreieinhalb Jahren Entwicklungszeit in den Läden. Es folgt ein beispielloser
Flop. Gunpei Yokoi setzt 1996 noch den Gameboy Pocket für
Nintendo um, um einige Wochen nach dessen Launch am 15.
August 1996 zu kündigen. Er gründet sein eigenes Unternehmen, die Koto Company. Und unterstreicht offiziell immer wieder, dass nicht der Misserfolg der Grund für seinen Weggang
ist. Die Koto Company zeichnet verantwortlich für die Entwicklung des Handhelds Wonderswan, der noch von Gunpei Yokoi
persönlich entwickelt wird. Das erste Wonderswan-Spiel heißt
dann sogar erfurchtsvoll „Gunpey“.
Am 4. Oktober 1997 sitzt Gunpei Yokoi als Beifahrer im Wagen
seines Geschäftspartner Etsuo Kisoo auf dem Hokuriku Expressway in Neagarimachi. Der fährt auf einen vorausfahrenden Lkw auf. Als die beiden ihren Wagen verlassen, um den
Bagatellschaden zu begutachten, werden sie von einem vorbeifahrenden Wagen gestreift. Etsuo Kisoo bricht sich dabei
eine Rippe. Gunpei Yokoi indes verstirbt zwei Stunden später
im Krankenhaus an seinen schweren Verletzungen. Er wird
nur 57 Jahre alt.
33
HIGHLIGHTS: MOBILE GAMING
Nachdem Atari mit Spielen wie „Pac-Man“ oder „Space Invaders“ Erfolge feiert, wird auch im Hause Nintendo das Interesse
für komplexere Spiele geweckt. Gunpei Yokoi soll einem neuen Mitarbeiter bei seiner Arbeit an
einem dieser komplexen Spiele assistieren. Der neue Mitarbeiter heißt
Shigeru Miyamoto, das Spiel „Donkey Kong“. Der Rest ist Geschichte.
HAUPTTEXT
34
WIE AUS DEM EXOTENHOBBY „CHAINMAIL“ EINE ECHTE MASSENBEWEGUNG WURDE
35
Von Kristian Metzger
HIGHLIGHTS: ROLLENSPIELE
N
icht jeder Mensch lebt ein aufregendes Leben, in dem er immer neue Erfahrungen
macht und sich ständig weiterentwickelt.
Manchmal zwingen uns die Gesellschaft oder
wir uns selbst ein Leben in geordneten Bahnen
auf, das aus einem kleinen Dorf in Süddeutschland schnell eine lebenslängliche Gefängnisstrafe macht. In solchen Momenten möchte
jeder einfach mal der Realität entfliehen und
Urlaub von sich selbst nehmen.
SPASS UND EINE NEUE PERSÖNLICHKEIT
Manche stürzen sich in das Nachtleben, eine
Drogensucht, ihren Sexualtrieb oder ein sinnloses Hobby, nur um für einen Moment jemand
anderes zu sein. Genau dieser Trieb liegt der
Erschaffung der Rollenspiele zu Grunde. Denn im Vergleich
zu anderen Spielerfahrungen gibt es hier nicht nur Spaß geschenkt, sondern auch für kurze Zeit eine andere, vielleicht
aufregendere Persönlichkeit. Im Prinzip ist es mit Schauspielerei zu vergleichen, nur schreibt jeder Spieler sein eigenes
Drehbuch.
Auch wenn diese Form des Rollenspiels schon seit Jahrtausenden existiert, soll sich hier auf das moderne Rollenspiel
konzentriert werden, das wie fast der gesamte Fantasy-Boom
auf J. R. R. Tolkiens Werken zum Herrn der Ringe basiert. Mitte der 1960er werden erstmals die Kriegssimulationen des 19.
Jahrhunderts mit den fantastischen Schlachten von Mittelerde kombiniert und so dem ganzen Genre eine neue Richtung
gegeben. Das Rollenspiel in der heutigen Form hatte also von
Beginn an eine starke Verbindung zu strategischen Elementen,
die trotz der Konzentration auf die Charakterentwicklung noch
immer eine große Rolle spielt.
VOM STIFT BIS ZUR TASTATUR
Das erste Szenario, das noch streng an die taktischen Simulationen angelehnt ist, erschaffen Jeff Perin und Gary Gygax
unter dem Namen „Chainmail“. Zuerst wollen die Beiden nur
mittelalterliche Schlachten nachstellen, doch mit der Zeit be-
Ult
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Doch nicht nur hinter den Kulissen von „Dungeons & Dragons“ brodelt es gewaltig. Auch die öffentliche Meinung ist
damals recht zwiespältig, wie heute übrigens auch noch oft.
Die eingeschworenen Rollenspieler werden von der Gesellschaft als ein Verein von Sonderlingen skeptisch beäugt. Für
viele Menschen ist es schlicht nicht nachvollziehbar, wieso
Erwachsene sich die die Nächte nur mit Papier, Stift und ihrer
Fantasie bewaffnet um die Ohren schlagen.
Angesichts der enormen Herausforderung an die Vorstellungskraft ist es kein Wunder, dass irgendwann jemand versucht, den komplexen und manchmal oft anstrengenden
Spielverlauf zu vereinfachen und vom Computer erledigen zu
lassen. Anfangs gibt es nur Programme, die die Auswertung
der Kämpfe, die Verwaltung der Charaktere und die Würfelarbeit übernehmen. Doch der Schritt zum ersten reinen Computer-Rollenspiel ist nicht weit.
SPIELER ENTWICKELN EIGENE BIOGRAFIEN
RICHARD GARRIOT GELINGT DER GROSSE WURF
Ähnlich pragmatisch wie das Problem mit dem Platz wird
auch das der Würfelwahl gehandhabt. Da alle Lieferanten von
Würfeln nur ganze Pakete mit verschiedenen Würfelflächen
anbieten, werden die Regeln eben auf vier- bis zwanzigseitige Würfel ausgelegt. Doch auch wenn der Fokus noch immer
stark auf den Kämpfen liegt, gibt es erstmals individuelle Figuren mit Charakterwerten wie Stärke und Intelligenz, samt
einiger Spezialfähigkeiten wie Zaubersprüchen und besonders
starken Kampffertigkeiten. Die Spieler beginnen außerdem
Biografien für ihre Figuren zu entwickeln und versuchen, ihr
Verhalten an diesen Charakterzügen auszurichten. Erstmals
wird es möglich, tatsächlich in eine andere Rolle zu schlüpfen.
Schon Ende der 1970er entwirft Richard Garriot mit dem Spiel
„Aklabeth“ für den Apple II eine erste komplette Fantasy-Welt,
die sich auf die Zusammenhänge der Pen & Paper-Rollenspiele stützt. Doch erst mit Ultima gelingt es dem Rollenspiel-Veteranen, eine komplexe und konsistente Spielwelt auf
den Bildschirm zu bannen. Ultima wird so erfolgreich, dass es
noch neun Fortsetzungen erlebt und lange das Fortkommen
des Rollenspielgenres fundamental beeinflusst.
Parallel zu den 2D-Welten gibt es 1985 mit „Bard’s Tale“ erste Versuche, durch die Egoperspektive den Spieler näher ans
Fire
Seltsamerweise erreichen nicht Gary Gygax oder Jeff Perin die
nächste Evolutionsstufe, sondern der Spieledesigner David Arneson. Ausgestattet mit den „Chainmail“-Regeln entwirft er
eine spezielle Kampagne, die einzelne Figuren in das Zentrum
des Spielprinzips setzt. Statt ganzer Horden befehligen die
Spieler nur wenige Helden durch sein Szenario innerhalb der
Mauern von Blackmore Castle. Nachdem sich die Existenz der
Kampagne unter der Fans wie ein Lauffeuer herumgesprochen
hat, lädt Gary Gygax seinen Kollegen David Arneson zu sich
nach Genf ein und sie überarbeiten das komplette Regelwerk.
Allein schon aus Platzgründen werden die Regeln vom Tabletop mit seinen gigantischen Ausmaßen auf einfache Papierzeichnungen und damit in die Fantasie der Spieler befördert.
Außerdem wird durch die Konzentration auf eine Spielfigur
die Anzahl der möglichen Mitspieler drastisch erhöht. Im Jahr
1974 kommt dann sein neues Pen & Paper-Rollenspiel auf den
Markt. Es heißt „Dungeons & Dragons“.
Erstmals sind die Spieler aktive Teilnehmer und verhelfen ihren Kreaturen zum Leben. Dieser kreative Prozess entführt
zahllose Bankangestellte, Lebensmittelverkäufer, aber auch
Schüler und Studenten aus dem grauen Alltag in eine andere Realität.
Lore
ginnen sie, die üblichen Einheiten durch die Zwerge, Elfen und
Orks der Tolkien’schen Vorlage zu ersetzen. Als das Werk im
Jahr 1971 veröffentlicht wird, sind die Spieler begeistert. Doch
das Genre steht erst am Beginn seiner Entwicklung.
ound
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37
BIS 1993 IM WESTEN NICHTS NEUES
Im Westen stagniert die Entwicklung bis 1993. Erst „Ultima Underworld“ reißt das Genre mit einer voll begehbaren 3D-Grafik aus dem Dornröschenschlaf und sorgt für einen gewaltigen
Popularitätsschub. Ähnlich wie schon in Japan bei Spielen wie
„Secret of Mana“ werden nun auch Action-Elemente eingebaut. Dies führt 1996 zu der Entstehung des Action-Rollenspiels. Das von Blizzard entwickelte „Diablo“ verlangt nicht nur
einen hellen Kopf, sondern auch flinke Finger. Erstmals wird
hier auch der Online-Modus sinnvoll eingesetzt. Kein Wunder
also, dass gerade mal ein Jahr später mit „Ultima Online“ das
MMORPG-Zeitalter eingeleitet wird. Nun wird nicht nur eine
Geschichte erzählt, sondern es gibt auch virtuelle Berufe und
die Möglichkeit, virtuelle Besitztümer anzuhäufen. Damit erreichen die elektronischen Varianten, dem Begriff Rollenspiel näher zu kommen als ihre Pen & Paper-Vorgänger. Seit diesem
Zeitpunkt ist ein virtuelles Abenteuer möglich, das nie endet
und der Realität immer ähnlicher wird.
Damit haben Rollenspiele einen Punkt erreicht, bei dem sie
nicht nur eine spielerische, sondern auch eine gesellschaftliche Rolle spielen. Viele Menschen versinken seitdem komplett in dieser Parallelwelt und verlieren am Ende jeden zwischenmenschlichen Kontakt zur realen Welt. Doch das ist
wahrscheinlich der Tribut, den das Genre auf dem Weg vom
Exotenhobby zur Massenbewegung zahlen muss.
HIGHLIGHTS: ROLLENSPIELE
Rollenspielgeschehen heranzubringen. Die 3D-Welt besteht
zwar nur aus Standbildern, die je nach Bewegung nachgeladen werden, doch zu diesem Zeitpunkt ist die Idee revolutionär.
Während bei westlichen Vertretern lange diese Form der Darstellung dominiert, werden bei den japanischen Spielen die 2DPerspektive und die Präsentation weiterentwickelt. Die „Dragon Warrior“- und „Final Fantasy“-Serien, die großen Rivalen
der 1990er Jahre, prägen diese Form der Darstellung, die sich
vor allem in Japan noch heute großer Beliebtheit erfreut.
Spielen und
spielen lassen
Von Christian Gaca
D
as Zocken mit Konsole und Computer kostet Zeit, gerade
bei den zunehmend beliebten MMORPGs (massively multiplayer online role-playing games). Das Zocken konkurriert zudem bei steigendem Lebensalter mit einer Vielzahl von unumgänglichen Zeitfressern wie Studium oder Arbeit oder gleich
beidem. Und den zahlreichen, selbst gewählten Zeitfressern
wie Freundin, Familie, nicht spielende Freunde oder eben eines
der anderen, potenziell genauso interessanten Hobbys. Aus
dieser Konkurrenz erwächst nun ein ewiges Dilemma. Ein typisches Beispiel gefällig? Gut. Wie bringe ich mein Mädchen
dazu zu verstehen, dass ich heute unbedingt mindestens sechs
Stunden „Final Fantasy XI“ spielen muss? Ist wichtig, damit ich
levelmäßig im Vergleich zu meinen geschätzten Onlinefreunden nicht zu weit ins Hintertreffen gerate und auch tolle Items
finde. Richtig, das wird nichts. Ein Unterfangen, von Anfang an
zum Scheitern verurteilt. Das große Problem, das ewige Dilemma: das eigene Mädchen will niemand wirklich verprellen.
Nicht zocken geht aber auch nicht. Und nun?
Es gibt Lösungen, die findige Geschäftsleute derzeit vor allem
aus den USA, Japan oder Korea anbieten – auch für deutsche
Spieler. Einer der Großen im Geschäft ist der amerikanische
Wer keine Lust mehr hat, selbst zu spielen, der lässt heute einfach
spielen. Vor allem in den USA, Japan und Korea versuchen sich findige
Geschäftsleute derzeit damit, der Zockergemeinde zu predigen, dass
sie für ein kleines Entgelt die lästige Levelarbeit übernehmen. Ein
Einblick in den Sekundärmarkt für virtuelle Währungen, Güter und
Dienstleistungen.
39
PROBLEMLÖSUNG: POWER LEVELING SERVICES
IGE besitzt mittlerweile auch die Internetplattform www.playerauctions.com, auf der zu zahlreichen Spielen die eben erwähnten Güter, maßgeblich aber Teil Zwei der Problemlösung angeboten werden: die Power Leveling Services. Gegen Bezahlung bieten zahlreiche kleine Unternehmen dort, ebenso wie auf www.ebay.de an, das lästige Spielen für zahlungswillige
Kundschaft zu übernehmen. Um die 40 US-Dollar kostet es derzeit bei einem Unternehmen
mit dem vertrauenswürdigen Namen RMT4U, einen „World of Warcraft“-Charakter von Level
1 auf Level 20 bringen zu lassen. Einer der größten Wettbewerber ist die US-Firma TopGameSeller, die in Asien nach eigenen Angaben 400 Mitarbeiter damit beschäftigt, für andere Spieler zu spielen. 1,80 US-Dollar kostet der Service pro Stunde. Oder 210 US-Dollar pro Woche,
wenn die fleißigen Berufszocker im Drei-Schichten-System durch die virtuelle Welt ziehen.
Dass neben den erreichten Levelsteigerungen auch die während des Spielens gefundenen,
seltenen Waffen und Rüstungen bei dem Besitzer des Charakters verbleiben, wird hoch und
heilig garantiert. Aber ob dem so ist, lässt sich kaum nachprüfen. Ohnehin sollte sich jeder
Spieler genau überlegen, wie wenig Sinn das Powerleveling eigentlich macht. Klar, zum
Überbrücken von zwei Wochen Urlaub kann es sich gelegentlich lohnen. Ansonsten mal ehrlich: Es ist relativ sinnentleert, jemand anderen mit der eigenen virtuellen Identität zocken zu
lassen, nur um nicht selbst zocken zu müssen. Wer nicht mehr selbst kann oder will, der
sollte das einfach als Fakt einsehen.
Vor Wochen geisterte die Meldung durchs Netz, dass ein US-Amerikaner für 10.000 US-Dollar auf www.ebay.com einen „World of Warcraft“-Paladin im höchsten Level mit allerlei seltenen Gegenständen gekauft hat. Der Wahnsinnige. Nichtsdestotrotz dürfte so etwas die
große Ausnahme sein, denn bei den meisten Auktionen, egal ob große oder kleine Website,
bietet kaum jemand mit. Die 39 US-Dollar für 50 virtuelle Goldstücke etwa will niemand zahlen. Genauso wenig wie die 2280 US-Dollar für ein fremdgesteuertes Durchspielen von „Final
Fantasy XI“ bis zum 75. Level. Irgendwie beruhigend, dass es die meisten Spieler unterbewusst offenbar mit dem guten Ephraim Kishon halten. Der passionierte Schachspieler hatte
das Thema mal auf seine ihm eigene, feinsinnige Art kommentiert. Man könne sich ja zwei
Schachcomputer kaufen, die dann gegeneinander spielen lassen und endlich mal wieder ins
Kino gehen. Wie recht er damit hat.
HIGHLIGHTS: ROLLENSPIELE
Dienstleister IGE. Das von Brock Pierce bereits 1991 gegründete Unternehmen handelt vornehmlich mit virtuellen Gütern, kauft und verkauft virtuelle Währungen, Waffen, Land, Zaubertränke und ähnliches. IGE beschreibt das Kerngeschäft als Erschaffen eines sekundären
Marktes für das Kaufen und Verkaufen von virtuellen Währungen und Eigentümern. Dieser
sekundäre Markt erlaubt es einigen Spielern ihren Spielspaß zu verbessern, während andere
gleichzeitig reales Geld damit verdienen können, dass sie ihren Reichtum aus der Virtulität
anderen Spielern zur Verfügung stellen. Interessant ist, dass IGE tatsächlich ein eigenes
Handelssystem für den Tausch von realer in virtuelle Währung und zurück entwickelt hat.
Das webbasierte Virtual Currency Exchange-System rechnete am 5. April für einen Spieler
von Final Fantasy XI auf dem amerikanischen „Ragnarok“-Server vor, dass er für 9.000.000
virtuelle Gil immerhin 117 US-Dollar von IGE bekommen würde.
Die Flucht vor der Realität
in die nächste Realität
LIVE-ROLLENSPIELER SIND EINE EIGENARTIGE SPEZIES.
DAZU EINE FALLSTUDIE.
HIGHLIGHTS: ROLLENSPIELE
40
Von Kristian Metzger
E
igentlich sind schon Pen & Paper-Rollenspiele für den
Großteil der Bevölkerung ein ungewöhnliches Hobby,
schließlich erschließt sich die Faszination der Fantasy-Welten
Außenstehenden nur begrenzt. Noch schwerer haben es aber
Live-Rollenspieler, auch LARP, genannt, die mit wilden Kostümen bekleidet durch den Wald hetzen und mit Gummi-Waffen
aufeinander einprügeln. Selbst gestandene Rollenspiel-Fans
belächeln oft das wilde Treiben auf den Conventions, wo viel
Einsatz von den Spielern erwartet wird. Die Story wird dabei
vom Game-Master vorgegeben und die Spieler versuchen, ihrer
Gesinnung entsprechend auf die Ereignisse zu reagieren. So
lauern Orks wehrlosen Elfen auf und Paladine vernichten das
Böse, wo sie nur können.
Die Kämpfe mit den Gummischwertern erschließen sich dabei
Eingeweihten schnell und einfach, ganz anders sieht es allerdings mit den Zauberfähigkeiten aus. Fast wie bei kindlichen
Räuberpistolen wird einfach Feuerball gerufen und der Gegner
wehrt zum Beispiel mit Magie-Schild den Spruch ab. Wer dabei dann am Ende gewinnt, ist nicht einfach festzustellen. Spaß
macht es aber scheinbar trotzdem.
Doch nicht nur für Fantasy-Fans gibt es Veranstaltungen.
Noch beliebter sind reine Mittelalter-Vereine, die sich Wochenende für Wochenende in ganz Deutschland treffen, um
möglichst realistisch die Zeit der Ritter und Wikinger nachzuspielen. Auch hier wird kräftig gekämpft, im Gegensatz zu
LARP aber mit echten Metallwaffen. Aus diesem Grund befolgen die Kämpfer genaue Regeln, damit es nicht zu schweren
Verletzungen kommt.
Auch wenn beide Spielarten auf den ersten Blick ähnlich erscheinen, überwiegt bei den Live-Rollenspiel-Veranstaltungen
der spielerisch-kämpferische Charakter, während im Mittelalter auch viele Teilnehmer ihre Freude am Handwerk oder der
Kochkunst finden. Was beide Gruppen vereint ist der Versuch,
an diesen Wochenenden die Realität so weit wie möglich auszuklammern und vollkommen in ihrer gewählten Rolle zu versinken. Es ist dabei erstaunlich, mit wie viel Leidenschaft die
Protagonisten ihr Hobby bis in den Arbeitsalltag hineintragen.
Gerade die Handwerker machen dabei oft aus dieser Leidenschaft einen Beruf, der sie sogar einigermaßen vernünftig ernährt.
Trotz dieser starken Identifikation findet man auf diesen Festen kaum echte Spinner. Die Menschen dort suchen nach einer Einfachheit, die im realen Leben oft nicht mehr zu finden
ist. Es gibt klare Regeln und den Ehrgeiz, eine Rolle so gut wie
möglich zu erfüllen. Dabei überrascht vor allem die Perfektion
der äußerlichen Anpassung. Gerade die Wikinger mit ihren Runen-Tatoos, gepflegten Bärten und erschreckend realistischen
Outfits und Waffen versetzen selbst den unbeteiligten Zuschauer zurück in die Zeit der Nordmänner. Doch auch die Ritterturniere mit Holzlanzen beeindrucken. So abgedreht dieses Leben vielen Außenstehenden erscheinen mag, eine Frage muss
sich jeder Computerspieler stellen. Ist es denn wirklich besser,
nächtelang starr vorm Bildschirm und damit Jahre des eigenen Lebens mit Computerspielen zu verbringen? Gerade nach
Gesprächen mit den Beteiligten erscheint ihre Faszination
nachvollziehbar und berechtigt. Durchgeknallt sind sie irgendwie oft trotzdem.
HIGHLIGHTS: ROLLENSPIELE
Fotos: Martin Karras
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HIGHLIGHTS: ROLLENSPIELE
42
Von Christian Gaca
Ein fataler Ladefehler wurde dem
ausdauernden Kämpfer zum Verhängnis
Ö
Ink 11
Ö
Der kühne PSO-Ranger und Rappy-King Ink 11
verstirbt plötzlich und unerwartet am Morgen des 9. April 2003
Phantasy Star Online Episode I & II
Wir alle werden Ink11 vermissen und ihm stets ein würdiges und ehrendes Andenken bewahren.
43
ngläubigkeit unter den treuen „Phantasy Star Online“Fans, als eine unfassbare Meldung die Runde zu machen
beginnt. Dann die traurige Gewissheit, von offizieller Seite bestätigt: Am Morgen des 9. April 2003 verstirbt plötzlich und unerwartet der kühne PSO-Ranger und als Rappy-King bekannte Ink 11. Ein fataler Ladefehler einer als anfällig geltenden
Brooklyn-Memorycard wurde dem mutigen und ausdauernden
Kämpfer zum Verhängnis. Lange hatte er seine kostbare Zeit
für eine bessere Welt, eine besseres Ragol ohne Monster geopfert. Ink 11 lebte 110 bewegte Levelstufen wie ein echter Ranger und wurde nach weit über 150 Stunden faktischer Spielzeit
begraben wie einer. Ink 11 wurde aus Versehen von der grausamen Brooklyn-Speicherkarte mitsamt allen lebenswichtigen
Daten und seltenen Waffen, Rüstungen und Items formatiert.
Die Trauerszenen in der Lobby auf Ragol erinnerten in ihrem Ausmaß an jenen Moment, als überall auf der Welt junge Männer vor ihren Fernsehern saßen und erlebten, wie Dale
Earnhardt im Februar 2001 beim Indy 500 direkt in die Wand
rast und stirbt, weil er seinem Sohn den Sieg ermöglichen
will. Ink 11 weilt wie Dale Earnhardt nun nicht mehr unter uns.
Ein schwerer Verlust für die Hunters-Guild, ein schwerer persönlicher Verlust.
Seine guten Freunde kannten und schätzen Ink 11 als liebevollen und treusorgenden Familienvater. Mit bis an die Selbstaufgabe grenzender Mühe und Geduld zog er seine beiden
Mags Bhirava und Goldkind Pushan groß. Stets fütterte die
Kleinen nur mit dem Besten, Leckersten und Teuersten, was
der Itemshop zu bieten hatte. Auch seinen zahlreichen Freunden gegenüber war er stets überaus generös, versorgte sie
selbstlos mit schönen Waffen, Rüstungen und anderen nützlichen und seltenen Gegenständen, die in den raren roten Kisten verborgen sind.
Auch im Kampf, der schließlich und endlich sein Leben war,
war auf Ink 11 immer Verlass. Mit seiner Bravace +30 hielt er
Freunden unter Einsatz des eigenen Lebens den Rücken frei,
wenn Gefahr im Verzug war. Ging mal etwas schief, hatte er immer einen Moon Atomizer in der Tasche, um die Dinge wieder
ins Lot zu bringen. Er war mutig, selbstlos, gerecht und – wenn
es sein musste – knallhart. Ink 11 verleugnete nie, dass er ein
passionierter Rappy Wing-Sammler war. Oft streifte er unruhig Tage und Nächte lang durch den ragol’schen Forrest auf
der Suche nach den seltenen, blauen ALRappys und den noch
selteneren regenbogenfarbenen PALRappys. Der Hege (ergo
dem Abschuss) gerade dieser possierlichen Tierchen hatte sich
Ink 11 intensiv verschrieben, schließlich versprach ihr Tod mit
großer Sicherheit eine rote Kiste. Er kannte nicht nur den PipeTrick, sondern zählte auch Beats und wartete auf den richtigen
Moment, um an Ort und Stelle zu sein und zuzuschlagen.
Wir alle werden Ink 11 vermissen und ihm stets ein würdiges
und ehrendes Andenken bewahren. Wir denken an Dich und
sind immer bei Dir – die Hunters-Guild, Dr. Montague, der
Principal, Dark Falz, Volt, De:Rol, all die Boomas, die Gillichs
und ich, Dein vielstündiger Weggefährte Zas 10. Rest in peace
my digital friend, virtual life will not be the same anymore
without you.
Der Text wurde vom Autor im April 2003 als digitaler Nachruf für die Website
www.zockt.com verfasst.
HIGHLIGHTS: ROLLENSPIELE
U
Wie Spieledesign die Wechselwirkung von Realität und Virtualität beeinflusst
Von Christian Gaca
D
as Design, die Machart der Video- und Computerspiele, beides prägt ihre Rezipienten. So viel ist einmal klar.
Mögliche Prägungen und Gründe dafür gibt es viele. Nicht alles ist belegt und belegbar, manches Spekulation, manches
Wunschdenken. Die eine Gruppe von Wissenschaftlern sagt,
Video- und Computerspiele unterstützen den Lernwillen und
die Lernfähigkeit von Kindern. Die anderen Forscher behaupten, sie machen aggressiv und gefühlskalt. Die Beweisführung
beider Lager ist kompliziert, für eine subtilere Form der Auseinandersetzung mit dem Thema spielt sie aber ohnehin kaum
eine Rolle. Ab von der interessanten und wichtigen Frage nach
der faktischen Wirkungsweise ist eine andere Facette interessanter. Die Frage danach, wie Videospiele unterschwellig
auf die visuelle Wahrnehmung der Menschen wirken, wie sie
ihr Denken über Schönheit und Zeitgeist beeinflussen auf der
Wanderung zwischen virtueller und echter Realität?
Video- und Computerspiele sind zweifelsohne Endprodukte
eines vielschichtigen Designprozesses. Allerdings sind sie zumeist von der echten Realität beeinflusst, der umgekehrte Fall
ist selten zu beobachten. Noch finden für Video- oder Computerspiele designte Inhalte kaum den Weg ins wirkliche Leben.
Noch werden nicht Gebäude aus „Half-Life 2“ real nachgebaut,
weil sie eine berauschende Architektur besitzen. Noch werden nicht Kleidungsstücke in großer Stückzahl nachproduziert,
weil Lara Croft einen neuen Hosenstil geprägt hat, der sich ins
kollektive Bewusstsein gebrannt hat und nun eine echte Nachfrage nach echten Hosen generiert. Noch werden nicht Rennwagen nachgebaut, die nur für ein Spiel erdacht worden sind.
Dafür wird derzeit allerlei Energie darin investiert, den umgekehrten Weg zu perfektionieren. Also etwa eine Stadt möglichst präzise in der Virtualität abzubilden, um das Spielerlebnis mit möglichst vielen Aha-Erlebnissen und Schnittmengen
zu garnieren. Ganz nach dem Motto: „Uhh, die Burgerkette da
an der Straßenecke gibt‘s wirklich“. Keine Frage, dass so etwas die Begehrlichkeiten der werbetreibenden Industrie und
der ihr zuarbeitenden Agenturen weckt. Werbung und Product
Placement in Video- und Computerspielen wird bedeutsamer
werden, da sind sich nicht nur mehrere Marktforschungsunternehmen und flankierende Wissenschaftler sicher.
Und doch gibt es Bestrebungen, den Designprozess umzukehren und die Welt aus dem Video- und Computerspiel greifbar
zu machen. Zuerst natürlich die profanen wie etwa die Produktion und der Verkauf von Action-Figuren der Videospielhelden. Doch zum Glück bleibt es nicht bei der bloßen
Vermarktung, auch der Untergrund leistet seine Arbeit. Etwa in
Form der absurd-lustigen Idee von Pacmanhattan. Das Projekt
liefert die analoge Version des Atari-Klassikers „Pac-Man“, indem sich die Protagonisten als Geister Inky, Blinky, Pinky
and Clyde verkleiden und einen ebenso verkleideten und Plastikmarkierungen sammelnden Pac-Man durch die Straßen
45
HIGHLIGHTS: DESIGN + LIFESTYLE
New Yorks jagen. Die Verständigung wird über Mobiltelefone
und Wifi-Handhelds erledigt, Straßenecken sind mit für normale Fußgänger sinnlosen Markierungen bemalt. Neben solchen Spaßprojekten gibt es aber auch immer wieder verbindlich ernsthafte, künstlerische Ansätze, die Video- und
Computerspiele aus ihrem digitalen Korsett zu befreien. Der
Berliner Videokünstler Oliver Pietsch wollte die sensitiven Erfahrungen beim Spielen von Egoshootern real erfahrbar machen. Er ließ einen Protagonisten mit Videokamera und großer
Nadel vor der Linse durch eine Fabrikhalle hetzen, die mit bunten Luftballons gefüllt ist. So betritt der digitale Einzelkämpfer einen echten Ort, wird die Spielhandlung eines Egoshooters
überspitzt und im Sinne des Wortes „realisiert“.
Viele der in Video- und Computerspielen erschaffenen Welten
lassen sich allerdings weder von Kunst noch von Kommerz
sinnvoll ins reale Leben transferieren, da ihre Ideenwelten absurden Zukunfts- oder schlimmen Vergangenheitsszenarien
entspringen, die entweder noch niemand real umsetzen kann
oder niemand mehr real umsetzen will oder sollte. Wobei ein
von Hideo Kojima analog zu den Metal Gear Solid-Levels designter, realer Abenteuerspielplatz durchaus seine Reize hätte.
Wer weiß, dies alles ist selbst noch Zukunftsmusik. Die Wechselwirkung von Realität und Virtualität wirft noch eine interessante Frage auf: Welche positiven visuellen Zusatzqualifikationen bekommt der einzelne Spieler durch das Zocken mit auf
den Weg? Lerntheoretiker gehen davon aus, dass das räumliche Sehvermögen, das räumliche Verständnis ganz allgemein
durch Video- und Computerspiele geschärft oder gar weit reichend verbessert wird. Auch kann eine gut gemachte Rennsimulation durchaus als Vorbereitung auf das reale Autofahren
dienen, die Komponente der Verkehrsregeln und Geschwindigkeitsbegrenzungen einmal ausgeklammert. Eine ziemlich gute
Idee davon, wie Schaltung, Gaspedal und Lenkrad zu bedienen sind, vermitteln aktuelle Rennspiele allemal. Andrerseits
gibt es auch hier negative Effekte. So ist es erstaunlich, dass
ungeübte Menschen beim Spielen von schnellen Egoshootern
durch die rasanten, dreidimensionalen Bewegungsabläufe
schnell mit einer Übelkeit ähnlich einer leichten Seekrankheit
zu kämpfen haben. Und eine auf den ersten Blick kleine Sache trägt zur allgemeinen Schulung der Fähigkeiten im Umgang mit komplexen technischen Abläufen bei. Gemeint ist das
Durchklicken von Menüs und Untermenüs. Wer einmal einem
einigermaßen geübten Spieler bei einem Echtzeitstrategiespiel
über die Schulter schaut wird staunen, in welch kurzer Zeit,
mit welch rasender Geschwindigkeit und scheinbar fremdgesteuert ein Mensch sich durch Menüführungen klicken kann.
So wird unterbewusst eine interessante und nützliche Form
von Informationsverwaltung eingeübt, die auch im täglichen
Leben helfen kann. Informationen werden unterbewusst navigiert und besser strukturiert, in Zeiten immer stärkeren Medienkonsums des Einzelnen mit Sicherheit eine gute Hilfe.
HIGHLIGHTS: DESIGN + LIFESTYLE
46
Von Nils Dittbrenner
Simple Wellen,
Wie sich das Sounddesign für
biepende Daddelkisten,
Video- und Computerspiele seit den Anfängen weiterentwickelt hat
komplizierte Programmierung
S
ounddesign ist spätestens seit den Geständnissen der Automobilbranche, im Kundeninteresse am gefälligen Motorsound zu feilen, für Otto-Normalverbraucher kein Neuland
mehr. Ja, unsere klangliche Umwelt ist designt, form follows
function, und sei es der Signalton beim Überqueren einer Fußgängerampel. In Video- und Computerspielen haben Soundeffekte (die grundsätzlich von der Hintergrundmusik getrennt
werden soll) verschiedene Aufgaben: Sie liefern Informationen,
unterstützen die Aufmerksamkeit und sorgen nicht zuletzt für
Ambiente, also Stimmung.
Vorher, also bis über die 16-bit-Plattformen hinaus, wurden eigene Bausteine, so genannte Soundchips verwendet, die in ihrer Funktionsweise mit Synthesizern verglichen werden können.
Der Gedanke hierbei: Möglichst wenig (Steuer-)Daten erzeugen Musik und Soundeffekte, wobei die Klangerzeugung des
jeweiligen Soundchips benutzt wird. Historisch lässt sich die
Entwicklung der Klangerzeugung für Spiele in drei größere Abschnitte unterscheiden, die jeweils ganz eigene Anforderungen
an das Sounddesign stellen. Bei der ersten ist die Abhängigkeit
des klingenden Ergebnisses von den technischen Möglichkeiten
am offensichtlichsten. Die frühen Spielautomaten der 70er Jahre enthielten in der Regel analoge Schaltkreise zur Klangerzeugung. Logischerweise hätten diese, um andere Soundeffekte
erzeugen zu können, komplett neu verdrahtet werden müssen.
Musik wurde von ihnen daher kaum wiedergegeben. Auch die
Soundchips der 8-bit-Generation, die ab Ende der 70er Jahre aufkamen, waren vor allem durch Mangel definiert. Wenige Stimmen, wenige Klangfarben und wenig Speicherplatz im
Code des Spiels schränkten die Komponisten im Vorhinein ein,
weshalb vor allem die Abhängigkeit von den Limitierungen das
Sounddesign bedingte. Maximal vier Stimmen blieben für die
Programmierung der Soundeffekte und der Musik; ihr Eigenklang war aufgrund der simplen Wellenformen eben so, wie wir
das Biepen der alten Daddelkisten in Erinnerung haben. Ihre
Programmierung war der Zeit entsprechend hartes Brot: Möglichst schlanker Assemblercode musste gehackt werden; wollte
man gar Hintergrundmusik für ein Spiel, musste auch der Code
eben jener Rücksicht nehmen auf das Hauptprogramm. Soundeffekte wurden ebenso programmiert und in den Code eingearbeitet.
Mit den Yamaha-Soundchips auf Basis der FM-Synthese, die
Mitte der 80er Jahre entwickelt wurden, besserte sich sowohl
die Stimmenanzahl als auch die Güte der erzeugten Klänge. Als OPL-Chips fanden sie auf den ersten PC-Soundkarten
ebenso Verwendung wie auch in den Spielautomaten der 16-
DIE KALASCHNIKOW AUS DER SAMPLING-BIBLIOTHEK
Erst mit den 32-bit-Konsolen sowie der CD-Rom als StandardDatenträger wurden Musik und Soundeffekte im Digital-AudioFormat zum Standard: Seit dieser Zeit wirken vergleichsweise
wenig Limitationen im Hinsicht auf Klangfarben und Mehrstimmigkeit auf das Sounddesign für Spiele ein. Ein aufgenommenes Klangsignal kann als Hintergrundmusik integriert
werden, für Schussgeräusche muss nicht mehr ein bestimmter Klangkanal im Soundchip auf Rauschen gestellt werden,
um für eine bestimmte Zeit lang mit einer bestimmten Tonhöhe ein Signal wiederzugeben. Nein, der Klang der Kalaschnikow kann aufgenommen werden oder gängiger: Er stammt
aus einer Sampling-Bibliothek, wie sie etwa auch für die
Filmsynchronisation benutzt werden. Hinzugekommen sind
stattdessen die spatialen Audio-Engines, die eine bestimmte
Klangquelle in Relation zu dem Listener Object mit Hall und
Filter versehen, so dass – ein Surround-Setup vorausgesetzt –
dem Spieler ein dreidimensionaler, klanglicher Raum geboten
werden kann. Hierfür gibt es Standards, die Chips von höherwertigeren Soundkarten neben Surround bereits beherrschen:
Diese stellen Hall- und Filter-Settings bereit, was der GameEngine Rechenpower abnimmt.
Das Sounddesign für letztere Anwendungen ist also im Vergleich zu der harten, alten Programmierung sehr viel ähnlicher der Vertonung eines Films geworden, bei dem auch
verschiedene Klangquellen als Samples eingespielt und der
abgebildeten Umgebung entsprechend mit Effekten versehen
werden. Allein fehlt, anders als bei damaligen Klängen, die
Gewissheit für den Sounddesigner, dass die Mühe, die zu einer entsprechenden Soundscape führt, auch von allen Zuhörern gleich wahrgenommen wird. Zu unterschiedlich sind die
verschiedenen Lautsprecherpositionen und die Unterschiede
zwischen (nennen wir mal die Extreme): Mono-Fernseherlautsprechern und Dolby Digital 5.1-Setup im Heimkino mit
Boombox unterm Sessel. Klar wird: Sounddesign ist für Videound Computerspiele schon lange ein Thema, auch wenn sich
die Grundbedingungen für dieses – wie auch in anderen Bereichen der Spieleproduktion – mit der Entwicklung der Technologie grundlegend gewandelt haben. Klar ist aber auch, dass
selbst heutzutage einige, vor allem portable Plattformen, eine
Menge an Limitierungen mit sich bringen.
47
HIGHLIGHTS: DESIGN + LIFESTYLE
Bei dem Design von Soundeffekten muss also immer eine Abwägung der eben genannten Funktionen stattfinden, ein einzelner Sound kann in der Regel einer Funktion mehr und den
anderen weniger zugeordnet werden. Neben diesen Punkten
ist das Design von Soundeffekten und Hintergrundmusik für Video- und Computerspiele vor allem in der Vergangenheit von
den technischen Möglichkeiten abhängig gewesen. Viele kennen das WAV- oder AIF-Format. Beide stehen für unkomprimierte, digitalisierte Wellenformen, wie sie sich auch auf der
Audio-CD befinden. Im Standardformat gespeichert (16-bit /
44,1 kHz) benötigt eine Sekunde Mono-Klang jedoch um die 90
KByte; ein Speicherplatz, der für Computerspiele erst seit Anfang der 90er Jahre mit den 32-bit-Plattformen (und der CDRom) verfügbar wurde.
bit-Ära, dem Mega Drive und dem Neo Geo. Diese Chips der
Baureihe YM boten erstmals die Verwendung von „Instrumentalklängen“, die Abkehr vom Biep wurde möglich. Durch die
Weiterentwicklung der Signalverarbeitung und dank des steigenden Speicherplatzes wurde das Verfahren des Soundsamplings für Computerspiele interessanter. Bereits auf Plattformen wie dem C64 und dem NES wurden gesampelte
Klänge verwendet. Das Verfahren lieferte aufgrund der geringen Auflösung jedoch bei gesampelten Stimmen kaum gute
Ergebnisse. Erst auf dem Commodore Amiga wurde die samplebasierte Klangerzeugung zum Standard. Sein Soundchip
Paula bietet die Möglichkeit, vier Stimmen von in 8-bit aufgelöstem Klangmaterial wiederzugeben. Auch die Klangerzeugung der 16-bit-Konsolen basierte auf den bereits angesprochenen Technologien Sampling und FM-Synthese, was vor
allem zu einem „Mehr an Möglichkeiten“ führte: mehr Stimmen, mehr Klangfarben, mehr Speicherplatz. Dennoch blieb
die Programmierung eine fusselige Angelegenheit.
In Norrath gehen die L
Norman Habakuck
48
Guido Alt
Hajo Neu
Jochen Färber
Daniel Feld
Sascha Appel
Désirée Kuhm
Stefan Gundelach
Stefan Dettmering
Sven
Harald Ebert Alexandra Wankum
Christian Teichmann Bernd Reinartz Karin Pflüger
Tanja Hohmann
Nils Kedeinis Ekkehard Brüggemann
Peter Weiss
Markus Wilding
M
Dirk Schülgen
Claus Sc
Kai Stüwe
Miriam Nau
Markus Wilding
Felix Pet
Von Peter Stegmaier
S
ie heißen Trevyn, Hartmut, Shalindra und Orsolya. Zwei
Männer, zwei Frauen, die in der Gilde Travelers-beyondTime zusammengefunden haben, um gemeinsam die NorrathWelten des hierzulande wohl bekanntesten Onlinespiels „Everquest“ zu erkunden. Oder sind es vier männliche Spieler, zwei
davon in weiblichem Gewand? In MMORPGs (massive multiplayer online role-playing games) ist vieles möglich. Allein bei
Everquest verbünden sich weltweit 550.000 Spieler gegen virtuelle Feinde. Feilen hingebungsvoll an ihren Charakteren, feilschen um Rüstungen und Items. Oder kämpfen um das allseits
begehrte Platin. Es geht ohnehin um viel Geld: Im Spiel und
um das Spiel herum. Denn an begeisterten Zockern verdienen
nicht nur die Spielehersteller, sondern auch eine vielschichtige
Schattenwirtschaft, etwa mit dem virtuellen Item-Handel.
Schatten anderer Art, nämlich jene des Todes, legten sich über
die für deutsche Spieler so heilen Welten Norraths Ende Juni
diesen Jahres. Mit einem Fackelzug am Strand der Welt NordRo verabschiedeten sich über 150 deutsche Everquestler von ihrem Heimatserver Kael Drakkal. Der Grund: Ubisoft, der deutsche Publisher von „Everquest“, beendete sein nicht gerade von
Erfolg gekröntes Dasein als Betreiber der lokalisierten europäischen Spielserver und machte einfach dicht. Quasi über Nacht
wurden die deutschen Spieler auf Antonius Bayle, einen englischsprachigen Server von Sony Online Entertainment (SOE)
transferiert. Sie trafen hier auf tausende internationaler Spieler
mit viel längerer Erfahrung, einem ganz anderen und viel raueren Umgangston und einem viel höheren Preisniveau. Koste-
ichter aus
Olaf Schäfer
Wolfgang Ebert
Bernd Reinartz
Ute Palmer
Claudia Langer
Christian Brodda
Max Bimboese
Boris Mackrodt
Stefan Truss
Markus Kohlstock
n Liebold
Jan Sturm
Niels Bogdan
Theodossios Theodoridis
Jochen Langenbach
Karsten Lehmann
hmidt
Pete Larsen
tzel
ten hilfreiche Items wie Schutz spendende Ringe früher wenige
Platins, werden sie im neuen Bazaar für mehrere Hundert gehandelt. Die Deutschen kamen und fühlten sich auf einmal wie
die armen Nachbarn.
Offiziell kommunizierte Ubisoft den Spielern den Server-Umzug als positive Nachricht. „Um die Erfahrung unserer Spieler,
in einem Spiel in dem es so wichtig ist, miteinander zu interagieren, zu maximieren, haben UbiSoft und Sony Online Entertainment beschlossen die „Everquest“-Server umzustrukturieren, damit alle Spieler die Chance haben, eine große und aktive
Community zu genießen“, wurde wenige Tage zuvor in gebrochenem Deutsch per Posting auf der „Everquest“-Onlineplattform verlautbart. Als Teil dieser Reorganisation werden alle Ubisoft-Kunden des Spiels „Everquest“ an SOE übergeben.
Bei den Spielern indes wird der Vorgang ganz anders bewertet. Zum einen werden in den diversen Online-Foren die erheblichen Umsatzrückgänge von Ubisoft für das erste Quartal
des Geschäftsjahres 2005/2006 (minus 43 Millionen Euro, 30
Prozent unter dem Vorjahreswert) thematisiert. Vor allem aber
diverse Fehler mit dem Aufbau eines eigenen, nicht-englischsprachigen Servers. Dabei fing im November 2002 alles so positiv an. „Der Grundgedanke, ein lokalisiertes „Everquest“ auf
den Markt zu werfen, war seitens SOE hervorragend, da auch
der deutsche Markt durchaus Potenzial für Spiele dieser Art
besaß“, urteilt zum Beispiel Everquest-Kenner Trevyn, Gildenmeister von Travelers-beyond-Time. Und gleichzeitig legt der
Für Trevyn steht außer Frage, dass Ubisoft schon sehr früh jegliches Interesse an „Everquest“ verloren hat. Ihm sind noch gut
telefonische Kommentare von Mitarbeitern zum Beispiel bei
Beschwerden über nicht funktionierende Quests oder Bugs im
Spiel in Erinnerung: „Wie? Das Spiel gibt es noch?“ Ein anderer Spieler namens Kellean vermutet dagegen, dass S0E die für
den reibungslosen Spielverlauf nötigen Patches „bewusst verzögert hat, um Ubisoft los zu werden.“ Die Wahrheit wird eine
unlösbare Quest bleiben. Klar ist indes, dass der Online-Spielemarkt ein Zukunftsmarkt ist.
„Everquest“ braucht wie jedes andere Onlinespiel, auf dem
sich tausende und abertausende Spieler gleichzeitig bewegen
können, eine ähnlich hohe Computerleistung wie für einen Raketenstart bei der Nasa benötigt wird. Als im März 1999 das
erste „Everquest“ auf den Markt kam, überfluteten die Spieler
die 45-Mbit-Leitung, die Sonys Serverfarm verbinden. Eine von
1500 Serverfarmen steht in San Diego. Sie alle sollen den Millionen von Spielern jene Datenmengen zur Verfügung stellen,
damit diese ihre virtuelle Everquest-Welten durchstreifen können. In den letzten sechs Jahren waren das über neun Millionen Gigabyte.
Dies ist ein technischer Aufwand, der erst einmal zu stemmen ist: Denn mit der hier vereinten Rechnerkapazität gehört
die SOE-Serverfarm zu den Top-100 Supercomputern der Welt.
„Everquest“ ist im deutschsprachigen Raum vielleicht das bekannteste, aber schon lange nicht mehr das erfolgreichste Online-Spiel auf dem Markt. Das jüngst erschienene „World of
Warcraft“ eroberte fast aus dem Stand stolze 3,5 Millionen vor
allem junge Spieler und hat nun satte 22 Prozent Marktanteil.
SPIELLEIDENSCHAFT KOSTET VOR ALLEM ZEIT
Und doch: SOE schneidet sich von dem weltweiten Kuchen
ein beträchtliches Stück ab. Alleine rund 550.000 Everquestler
zahlen pro Monat zwischen 13 und 15 US-Dollar für ihr Spielvergnügen – zusätzlich zum einmaligen Einstandspreis der
Erst-CD-Ausstattung von rund 50 US-Dollar. Und auch zusätzliche Add-Ons kosten Geld. Wer ein wirklich dem Spiel verfallener Zocker ist, der lässt sich seine Leidenschaft allerdings
vor allem eines kosten: Zeit. Welche hohe emotionale Bedeutung die Zeitinvestition und virtuelle Güter haben können, zeigte
jüngst ein 41-jähriger Chinese. Er hatte einem Spieler-Freund
ein für ihn wertvolles virtuelles Schwert geliehen und nicht
mehr zurückbekommen. Er zeigte er seinen Mitspieler bei der
Polizei an, die die Klage auf Byte-Diebstahl jedoch zurückwies, weil in China virtuelle Gegenstände nicht als echtes Eigentum geschützt sind. Der Chinese, ganz alter Traditionalist,
macht den „Dieb“ im realen Leben ausfindig und tötete ihn im
Mai 2005 nach einer Auseinandersetzung, vermutlich mit einem
echten Schwert. Der 41-Jährige bekam lebenslänglich, ohne
Internetzugang. Eine andere Spielerin bleibt ebenfalls lebenslang dem Spiel verhaftet: Sie taufte ihre Tochter auf den „Everquest“-Charakter Firiona Vie Ayers.
49
HIGHLIGHTS: DESIGN + LIFESTYLE
Martin Lorbeer
Georg Reckenthäler
Jens Schäfer
Carsten Otte
Matthias Mirlach
30-Jährige, im echten Leben Software-Spezialist aus der Nähe
von Karlsruhe, auch den Finger in die Wunde: „Zum Zeitpunkt,
als Everquest durch Ubisoft nach Europa kam, war der Markt
der Online-Spiele noch sehr überschaubar. Damals wie heute
ist es versäumt worden, das vorhandene Spielerpotenzial deutlich besser auszuschöpfen oder überhaupt erst zu generieren.“
Krieg der Welten:
Stilmix bei Spielen und Filmen
Von Lena Thiele und Kristian Metzger
W
HIGHLIGHTS: FILM
50
ährend das Kino über viele Jahrzehnte hinweg Zeit hatte, seine Stärken und Schwächen zu entwickeln, stehen
neue Medien vor ganz anderen Aufgaben. Oft müssen sie noch
ihre eigene Identität finden, während ihre Ausdrucksweisen
und damit die Technologie mit einer gigantischen Geschwindigkeit vorauseilen. Trotz der schicken Fassade, beginnen Video- und Computerspiele erst langsam ihren eigenen Stil zu
entwickeln. So wurden in den letzten Jahren vor allem beim
Film Erzählstrukturen und Stilmittel großzügig ausgeliehen.
Doch seit kurzem gehen die beiden Genres eine noch stärkere
Verbindung ein, die weit über plumpe Umsetzungen hinausgeht. In der gegenseitigen Annäherung werden vorrangig zwei
Umsetzungsstrategien genutzt, die jeweils die Vorzüge des anderen Mediums aufgreifen.
einen emotionalen Rahmen. Dazwischen hat der Spieler Zeit für
seine interaktiven Handlungen. Bei der Umsetzung von Videound Computerspielen im Film wird vor allem auf populäre Heldenfiguren und die Hintergrundgeschichte des Spiels zurückgegriffen. Stilistisch ist der Film dabei weiter das Maß der Dinge.
Vereinzelt entleihen Filme Stilmittel wie lange Subjektive, bekannt aus Egoshootern wie „Doom“, oder typografische Einblendungen eines Computermonitors wie im Fall von „Avalon“.
Diese Mittel werden meist eingesetzt, um thematisch einen engen Bezug zum Thema Computerspiel zu erzeugen.
Bei einer Umsetzung eines Films als Video- und Computerspiel
wird meist die Vorlage als Rahmensequenz eingebunden und
darauf aufbauend ein Handlungsrahmen für die Spielfiguren
geschaffen. Der treibende Faktor des Spiels ist demnach weniger die Geschichte als vielmehr die Aktion innerhalb der Erzählwelt, in der die Geschichte spielt. Dafür werden meist kleine filmische Sequenzen am Anfang und auf Triggern abgespielt.
Das Filmerlebnis spielt sich im Kopf des Spielers ab und liefert
Es ist eine Entwicklung, in der klassische Erzählstränge im
Film aufgebrochen werden und das Thema Interaktiver Film
vermehrt theoretisch diskutiert und praktisch erprobt wird.
Gleichzeitig werden die grafischen Möglichkeiten in Video- und
Computerspielen aufgrund technischer Entwicklungen weiter
verbessert, wodurch rein optische Hülle von Filmen und Spielen
in Zukunft immer schwerer zu unterscheiden sind. Vielleicht ist
es einmal denkbar, dass der Spieler jederzeit in einen Film eingreifen und die Hauptfigur steuern kann. Der Zuschauer könnte
selbst entscheiden, welche Rolle er spielen möchte. Moderne
Spiele wie Fahrenheit bieten schon jetzt erste Ansätze für solche Entwicklungen und erlauben einen Blick in die Zukunft.
DER FILM IM SPIEL
DAS SPIEL IM FILM
Fahrenheit
Avalon
Quantic Dreams, Atari, 2005
Bandai Visual, Media Factory, Dentsu, Nippon Herald Film, 2001
Regie: Mamoru Oshii
Schon beim Tutorial dieses ungewöhnlichen Softwareprojektes wird die
Nähe zum Film gesucht. Der Regisseur erklärt inmitten einer Kulisse die Handlungsmöglichkeiten des Spielers. Große Abschnitte in diesem Thriller um einen mysteriösen Mord werden in der In-Game-Grafik dargestellt. Der Spieler übernimmt dabei nicht nur die Rolle des zu
Unrecht angeklagten Verdächtigen, sondern auch die der Polizisten, die
ihn jagen. Die Handlung steht dabei klar im Vordergrund, die eigentlichen Spielelemente bestehen aus klassischen Rätseln und neuen Interaktionsmöglichkeiten, die geschickt die Emotionen der Charaktere
in den Vordergrund stellen. Unterschiedliche Kameraperspektiven und
klare narrative Konzepte verdeutlichen hierbei die stilistische Bedeutung dieses Werkes. Trotz der schwachen technischen Projektion ein
kleiner Ausblick auf die Möglichkeiten. (Lena Thiele)
In einer düsteren Zukunft existiert unter jungen Leuten eine neue Droge: das illegale und potenziell tödliche Spiel Avalon. In einer düsteren
Welt, die vom Krieg gekennzeichnet ist, bekämpfen sie sich als Soldaten. Dafür taucht der Spieler mit seinem Geist in das Spiel ein und geht
gerade in höheren Levels die Gefahr ein, im Spiel verhaftet zu bleiben, während sein Körper in der Welt nur noch vor sich hin vegetiert.
In surrealistischen Bildern erzählt uns der Film von einer Welt, in der
sich „Realität“ und virtuelle Realität nach und nach immer stärker vermischen. Die filmischen Mittel wie die auffällige Farbgestaltung der
Bilder, Kameraperspektiven und Raum- und Zeit-Gestaltung werden
immer wieder aus den Konventionen der Computerspiele zitiert und
gezielt eingesetzt, um Spielwelten mit der „Realität“ im Film zu vermischen. (Lena Thiele)
DAS SPIEL IM FILM
Doom
Universal, 2005
Regie: Andrzej Bartkowiak
Spiel: id Software, 2004
51
DER FILM IM SPIEL
Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs
Warner Brothers, 2004
Regie: Peter Jackson
Spiel: Electronic Arts, 2004
Das Spiel setzt bereits in seiner Werbeaussage auf seine Nähe zum Film. Kern des Spiels ist es, das große
Abenteuer selbst erleben und interaktiv mitgestalten zu können. Der Film und seine Helden werden dabei
als Referenz für das Erleben genutzt. Über zwölf originale Settings aus dem Film stellen den Rahmen für
die spielerische Interaktion. Auf Trigger gesetzte Filmsequenzen sind eng mit der Spielhandlung verbunden. Dabei setzt das Spiel aber allein auf den kämpferischen Aspekt des Films. Zusätzlich zu Setting und
Filmausschnitt ist auch innerhalb der interaktiven Spielsequenzen auf eine filmische Anmutung geachtet worden. Die Kamera wählt automatisch Einstellungsgrößen und Kameraperspektiven, je nachdem, wo
sich der Spieler im Raum bewegt. Damit wird sowohl thematisch, als auch vermehrt stilistisch die Erlebniswelt des Filmes zitiert. (KM)
STILELEMENTE IN VIDEO- UND COMPUTERSPIELEN
Hier steht, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Interaktion im Vordergrund. Erst in der jüngsten Zeit wird versucht durch erzählerische
Elemente nicht nur der Geschichte, sondern auch den Charakteren ein
Gesicht zu geben. Die Erzählung bietet hier nur einen Rahmen für die
eigene Handlung. Die Erzählform, und damit das optische und inhaltliche Design, werden nur selten in den Vordergrund gestellt. Kameraeinstellungen müssen sich nach der Handlung richten und unterstützen
nur selten die Wahrnehmung der Handlung. Gute Spielbarkeit steht hier
meist im Vordergrund. Der Ton dient auch hier zur Untermalung, kann
aber durch die offene Handlung nur bedingt dramaturgisch eingesetzt
werden. Die Entwicklung geht aber auch hier parallel zu den technischen
Möglichkeiten immer stärker zu einem angepassten Klangbild. Dramaturgische und erzählerische Elemente werden momentan meist vorher gestaltet und auf Trigger abgespielt. Erst jetzt werden solche recht
plumpen Darstellungsweisen durch fließende Übergänge abgelöst.
STILISTISCHE KONVENTIONEN IM FILM
In der klassischen Narration wird die Handlung vor allem durch die persönlichen Anliegen der Figuren vorangetrieben, oft unterstützt durch
eine unerwartete Veränderungen der Umgebung der Charaktere und den
damit verbundenen Reaktionen und Ziele der Figuren. Auch der Ton hat
meist einen narrativen Charakter und unterstützt das Geschehen emotional, ohne zu stark in den Vordergrund zu treten.
Die Montage der einzelnen Storyelemente richtet sich meist nach Continuity, also der direkten Fortsetzung der unterschiedlichen Handlungsstränge. Die Aufnahmen richten sich im klassischen Hollywoodkino nach
Achsen, auf denen sich die Handlung bewegt. Mit dem Einsatz von Computertechnologie wird dieser Zusammenhang aber immer stärker aufgebrochen. Kamera, Bildgestaltung, Licht und Montage unterstützen dabei
die Dramaturgie und geben den Kreativen die Möglichkeit, auch die Form
der Geschichte nachhaltig zu beeinflussen. (Lena Thiele)
HIGHLIGHTS: FILM
Während sich der Film optisch recht stark an das Spiel anlehnt, wird bei der Handlung dem Geschmack des
Kinopublikums Tribut gezollt. Statt Dämonen sind gentechnische Experimente der Auslöser für das Blutbad
in einer geheimen Mars-Basis. Auch bei den narrativen Elementen wurde Abstand von dem recht stumpfen
Action-Element der Spielvorlage genommen, ohne natürlich die Konventionen des Hollywood-Actionkinos
zu durchbrechen. Im Gegensatz dazu konnte die Designabteilung aus dem Vollen schöpfen. Die plastischen
3D-Modelle und Architekturen der Spielvorlage wurden penibel umgesetzt, um den Spielern den Medienwechsel so einfach wie möglich zu machen. Der Wiedererkennungswert stand hier klar im Vordergrund.
Auch die zehnminütige Egoperspektive, die der subjektiven Kamera im Film entspricht, wurde nicht nur als
Hommage an die spielerische Vorlage verwendet, sondern auch als einfaches Stilmittel. (KM)
HIDEO KOJIMA
HIGHLIGHTS: ABENTEUER
52
E
s gibt nicht viele Persönlichkeiten der Videospielbranche, die in Europa außerhalb der Branche überhaupt
wahrgenommen werden. Nintendo-Mastermind Shigeru Miyamoto ist so ein Kandidat. Peter Molyneux auch. Fällt indes
der Name Hideo Kojima, horcht kaum jemand auf. Eigentlich
komisch, denn der 41-jährige Japaner arbeitet seit 1986 erfolgreich beim Publisher Konami und gilt als einer der innovativsten Köpfe. Das US-Magazin Newsweek hat ihn 2002
unter jene zehn Menschen gewählt, die „in diesem Jahr und
darüber hinaus“ beobachtet werden müssten, weil sie „die
Zukunft gestalten“.
Hideo Kojima ist eine Ausnahmeerscheinung. Er hat etwas
entwickelt, das in der schnelllebigen Welt der Videospiele
kaum einem Designer gelingt: einen durchgängigen, eigenen
Stil, eine völlig autarke Bildsprache. Die große Zuneigung
zum Kino ist an vielen Stellen in seinen Spielen sichtbar.
Hideo Kojima erzählt und visualisiert Geschichten mit einem
klassischen Spannungsbogen. Sein erstes Spiel „Metal
Gear“ erscheint 1986 für den Heimcomputer MSX. In den folgenden Jahren arbeitet Hideo Kojima an zahlreichen Titeln.
Die wichtigsten sind „Policenauts“, „Zone Of The Enders“
und die „Metal Gear“-Reihe. Auch für eine der intelligentesten Innovationen der letzten Jahre ist er verantwortlich. 2002
brachte er den Gameboy-Titel „Boktai: The Sun Is In Your
Hands“ auf den Markt. Eine Solarzelle auf dem Spielmodul
absorbiert Sonnenlicht und beeinflusst das Spielverhalten.
Ist es nun möglich, hinter die Fassade dieses Menschen zu
schauen, der als kleiner Junge in Setagaya, Tokyo am liebsten mit Freunden Verstecken spielte und oft gewonnen hat,
weil er gute Verstecke kannte und lautlos an Wänden entlangschleichen konnte? 30 Minuten Zeit auf der Games Convention in Leipzig bleiben für die Antworten, in einem kleinen, lauten Büro. Sitzt da nun ein betont höflicher Popstar
mit jungenhaftem Gesicht, ein selbstverliebter Künstler oder
einfach ein erwachsener Junge, der immer noch am liebsten
Verstecken spielt, nur heute mit Worten? (CG)
„MIT HILFE DER INTERAKTIVITÄT
Herr Kojima, wann ist Ihnen eigentlich klar geworden, dass
man Sie als Star wahrnimmt?
Wahrscheinlich auf der E3 im Jahr 2000.
Sie gelten als jemand, der großen Wert auf ästhetisch
durchkomponierte Spiele legt, wunderschöne Landschaften
kreiert. Nehmen Sie sich mehr als Künstler wahr oder doch
eher als Programmierer?
(Lacht) Ich glaube, ich bin jemand aus der Dienstleistungsbranche. Ich diene den Menschen, liefere ihnen eine
Dienstleistung ab.
Huch, nicht ein kleines bisschen Künstler?
Nein, nicht wirklich. Ich liefere den Menschen einfach etwas,
das sie dann hoffentlich mögen. Außerdem möchte ich sie überraschen.
Würden Sie denn sagen, dass Videospiele generell
künstlerischer werden?
Das entwickelt sich gerade erst. Videospiele haben sich noch
nicht als Subkultur etabliert. Einer der Gründe dafür ist, dass
es da draußen momentan unglaublich viele Spiele gibt, die nur
grundlos Gewalt zeigen. Wenn sich das nicht ändert, werden
Videogames keine Ausdrucksform werden, über die Menschen
diskutieren wie über Kunst, die rezensiert werden wird wie
Kunst. Es ist allerdings auch unsere Aufgabe als Videospieldesigner, Spiele zu entwickeln, die nicht nur einfach gewalttätig
sind.
Da Sie über Inhalte reden: Gibt es einen speziellen Moment in
einem Spiel, der Sie total bewegt hat, in den letzten Monaten,
womöglich Jahren?
(Lacht) Das einzige Spiel, dass ich in den letzten Jahren gesehen
habe, ist „Metal Gear Solid“. Das habe ich bis zum Umfallen
spielen müssen.
53
Können Sie sich an das schönste Erlebnis erinnern, das Sie
mit einem Videospiel hatten? Damals, als noch Zeit war.
Es gab da dieses Spiel für das Famicon (Nintendo NES), „Portopia Murder Case“. Ein Adventure, in dem man einen Cop spielt,
der gemeinsam mit seinem Partner einen Mord aufklären soll.
Es stellt sich heraus, dass der Partner den Mord begangen hat.
In dem Moment, wo das im Spiel klar wird, denkt man sich:
Oh mann, der! Andrerseits aber hatte er seine Gründe für den
Mord, und Geschichte und Gründe werden erklärt. Damals, als
die meisten Spiele reine Actionspiele waren, wurden in „Portopia Murder Case“ echte Geschichten erzählt. Das war schockierend gut für mich.
Wenn das ein wichtiger Moment war, wo sehen Sie dann für
sich Potenzial, solche Momente zu kreieren?
Videospiele sind ein interaktives Medium. Darum können sie
Menschen überraschen, verblüffen, schocken. Filme, Bücher,
Musik haben ihre eigenen Mittel, Emotionen zu transportieren.
Aber gerade weil Videospiele interaktiv sind, können sie das im
Vergleich zu anderen Medien eigentlich viel besser. Wenn ich
Spiele entwerfe, will ich verblüffen. Wenn man im Spiel einen
Charakter kontrolliert, ist man Teil seiner virtuellen Erfahrung.
Aber das, was der Charakter im Spiel erfährt, wird auch von
einem selbst in der Realität wahrgenommen. Das ist nicht
virtuell, das ist eine echte Erfahrung, die erlebt wird. So etwas
können nur Videospiele.
Macht aber nicht genau das Videospiele schon zu einer
eigenständigen, ernstzunehmenden Subkultur?
Spiele nutzen Musik, in Spielen werden Geschichten erzählt
wie in Büchern. Spiele leben von Bildern, genau wie der Film.
So betrachtet, mit alldem und der Interaktivität, sind Videospiele einzigartig, haben großes Potenzial. Aber gleichzeitig
macht all dies es schwierig, wirkliche Aussagen durch und mit
Videospielen zu transportieren.
Haben Sie eine Ahnung, wie die Zukunft der Videospiele
aussehen wird? Oder wie hätten sie es gerne?
Videospiele werden immer bequemer zu handhaben und natürlich immer spaßiger. Die derzeitigen Spiele lehnen sich noch
stark an die grundsätzlichen Wünsche der Kunden an: also an
etwa solche Bedürfnisse wie eben Gewalt. In der Zukunft werden Videospiele Elemente aus allen möglichen Gesellschaftsfeldern aufsaugen. Mit Hilfe der Interaktivität werden wir vollständig neue Sachen sehen.
Und das wären welche zum Beispiel?
Bedenken Sie: Alles im Videospiel ist digital konstruiert, es ist
ein Fake, es existiert nicht. Da die Grafik immer realistischer
wird, wird es einen Trend zu mehr Realismus geben. Gleichzeitig aber werden sich die Videospiele der Zukunft nicht mehr
nur auf den digital konstruierten Weg beschränken, sondern
es wird mehr real Greifbares geben, die Dinge werden organischer werden, natürlicher. Nehmen Sie zum Beispiel „Boktai:
The Sun Is In Your Hands“, dass nutzt Sonnenlicht als aktives
Spielelement. Oder „EyeToy“, da ist man selbst das Organische.
Wenn man sich nun MGS: Snake Eater anschaut, gibt es
irgendetwas, dass Sie gerne eingebaut hätten, dass aber
partout nicht machbar war?
So viele Sachen, zu viele. Ständig müssen wir etwas rausschmeißen, weil die Zeit zu eng wird oder es nicht geht.
Auf der alten MGS-Presse-DVD steht in Ihrer Biografie nur ein
Satz: La-Li-Lu-Le-Lo. Was steckt dahinter?
Ein Geheimnis, das ich Ihnen wirklich nicht verraten kann.
Das Gespräch führte Christian Gaca.
HIGHLIGHTS: ABENTEUER
WERDEN WIR VOLLSTÄNDIG NEUE SACHEN SEHEN“
GEOFF CRAMMOND
„Wir sind noch nicht angekommen“
HIGHLIGHTS: RENNSPIELE
54
Herr Crammond, was für ein Auto besitzen Sie und halten Sie
sich für einen guten Fahrer?
Ich fahre einen BMW 545i und mag das Gefühl von Beschleunigung. Darum neige ich auf gerader Strecke dazu, sehr schnell
zu fahren, in Kurven allerdings nie. Ich glaube, dass ich defensiv
fahre, immer das Schlimmste von den anderen Verkehrteilnehmern erwartend und durchaus in dem Bewusstsein, selbst natürlich auch Fehler zu machen. So fahre ich auf der Straße, auf
der Rennstrecke ist es anders. Ein Fahrlehrer in einer Rennfahrschule hat mich mal als „sehr schnell aber wie ein Elefant
im Porzellanladen“ beschrieben. Zugegeben, ich wurde mehr
als einmal von verängstigten Fahrlehrern angebrüllt.
Wissenschaftler glauben, dass Rennspiele Jugendlichen
schlechtes Fahrverhalten beibringen und sie so später zu
schlechteren Autofahrer machen.
Rennen fahren heißt immer am Rande der Bodenhaftung zu
fahren und ist eine völlig andere Erfahrung als normales Autofahren. Jemand, der nur am Computer gefahren ist, muss doch
immer noch zur Fahrschule gehen und dort lernen, ein echtes
Auto zu fahren, eine Fahrprüfung machen. Außerdem hätte ich
geglaubt, der Selbsterhaltungstrieb würde den Rest übernehmen.
Sie werden dafür bewundert, mit „Grand Prix 4“ jene Rennsimulation erschaffen zu haben, die der Realität am ähnlichsten
ist. Wie haben Sie sich das Wissen dafür angeeignet?
Ich habe Physik studiert und dann acht Jahre lang für die Industrie mathematische Modelle programmiert und Algorithmen
entwickelt. In den letzten beiden dieser Jahre habe ich Computerspiele gemacht. Als ich 1984 mit meinem ersten Rennspiel
„REVS“ anfing, einer F 3-Simulation, arbeitete ich nur noch an
Spielen. Ich hatte bereits einen „Space Invaders“-Clone und einen Flugsimulator programmiert. Für „REVS“ holte ich mir in
Silverstone Hilfe von F 3-Fahrer David Hunt und seinem Team,
dass übrigens damals von Eddie Jordan geleitet wurde. Sie haben mir reichlich technische Daten zur Verfügung gestellt, was
mir sehr dabei geholfen hat, die Simulationsmodelle korrekt zu
konstruieren. Die Modelle sind mit jedem Teil der „Grand Prix“Serie merklich besser geworden. Als GP4 im Jahr 2002 auf
den Markt kam, hatte ich für eine sehr lange Zeit am Simulationsmodell gefeilt – immer mit technischer Hilfe von Formel 1Teams.
Sind Sie mal selbst einen Formel-1-Wagen gefahren?
Ich bin einsitzige Rennwagen gefahren, Formel 1 noch nicht. Ich
beabsichtige aber zu versuchen, an einem dieser Selbsterfahrungstage einen Formel 1-Rennwagen zu fahren.
Wenn Sie die Realität in die Virtualität transformieren, was ist
dabei der schwierigste Akt in Bezug auf Rennsimulationen?
Alle individuellen Probleme sind schwierig, bis sie gelöst sind.
Dann kommt es einem alles ganz einfach vor. Das Übertragen
der Fahrphysik, das Streckendesign und die Künstliche Intelligenz waren große Brocken. Ab davon hat eines viel Arbeit bedeutet: die Entwicklung der Schlechtwetter-Effekte, des dynamischen Wetters überhaupt, räumlich wie zeitlich. Dazu gehört
das korrekte Austrocknen der Ideallinie, die damit verbundene
Fahrphysik und die darauf bezogene Taktik des Computers. Es
gibt zwangsläufig Grenzen bei einem Simulator, etwa die nicht
existenten Fliehkräfte. Ich glaube trotzdem, dass man ein ziemlich gutes „Gefühl“ für das Auto bekommt, nur durch die Art
und Weise wie es sich grafisch bewegt.
Was bringt Sie dazu, jeden Morgen aufzustehen und weiter an
Rennsimulationen zu arbeiten?
Ich bin derzeit mit Nachforschungen und Entwicklungen beschäftigt, die vielleicht, vielleicht nicht, zu einem neuen Spiel
führen, das vielleicht, vielleicht nicht, ein Rennspiel sein wird.
Arbeiten Sie denn noch an der Neuauflage von „Stunt Car
Racer“? Können Fans gar auf ein „Grand Prix 5“ hoffen?
„Stunt Car Racer Pro“ hat sich mit der Schließung von Lost
Toys erledigt. Es gibt keine Pläne, das Projekt wieder aufzunehmen. Was „GP 5“ betrifft, denke ich, dass der Bedarf einer Formel 1-Lizenz ein Formel 1-Spiel immer zu einem sehr
schwierigen Projekt macht. Dennoch bin ich demgegenüber
aufgeschlossen eingestellt.
Haben Sie eine Idee, wo sich das Genre der Rennspiele hinbewegt? Neue Ideen scheinen ja eher selten zu sein.
Ja, es gab bereits so viel. Trotzdem denke ich, dass es weiter einen Bedarf für große Verbesserungen des Realismus gibt. Wir
sind noch nicht angekommen.
Mal ehrlich, denken Sie nicht, ein echtes Formel-1-Rennen ist
heutzutage ziemlich langweilig geworden?
Ich habe 2003 aufgehört, Formel 1 zu verfolgen. Teils, weil ich
nach zwölf unbarmherzigen Jahren des ununterbrochenen
Entwickelns von Formel 1-Spielen eine Pause brauchte. Wie
auch immer, es ist schon verblüffend wie interessant es plötzlich wieder wird, wenn du einen bestimmten Fahrer unterstützt, der in einem konkurrenzfähigen Auto sitzt. 2004 war ein
großartiges Jahr für Jenson Button, und siehe da: Ich schaue
wieder Formel 1.
Das Gespräch führte Christian Gaca.
B. J. HECKENDORN
„Ich betrachte meine Arbeit wie
das Restaurieren alter Autos“
Tut es Ihnen eigentlich weh, wenn Sie eines Ihrer Geräte verkaufen? Ich könnte mir vorstellen, man müsste jedes Einzelne
wie einen Schatz hüten.
Nee. Ich fühle mich sogar gut. Ich kann sowieso nicht alle behalten, dass würde langfristig zu teuer werden. Den ersten
VCSp besitze ich aber noch, und gebe ihn nie her! Das Beste
am Verkaufen ist, dass ich Geld für Bier verdiene und mich ans
nächste Design machen kann. Wenn ich die Geräte nur im Regal stapeln würde … nein, das könnte ich nicht.
Herr Heckendorn, ich wette, Sie haben einen riesigen Fernseher zu Hause, um Ihre Videospiele zu genießen?
Hmm, nein. Nur ein 21 Inch-Modell (Anm.d. Red. 55 Zentimeter
Diagonale), aber ich sitze immer so nahe davor, dass alles sehr
groß aussieht.
Warum wollen Sie Videospiele auf diesen kleinen TFT- oder
LCD-Bildschirmen ihrer selbst gebauten Handhelds spielen?
Ganz einfach: der kleine Bildschirm macht die Spiele eben tragbar. Und: Sind nicht Flatscreen-Fernseher momentan der letzte Schrei. Überhaupt bin ich aus mir nicht erklärlichen Gründen schon immer von tragbaren Mini-Fernsehgeräten fasziniert
gewesen.
Welches ist das schönste Gerät, das Sie je gebaut haben?
Ich liebe den originalen Atari 2600 VCSp, den ich im Jahr 2000
gebaut habe, genauso wie das jüngste Atari 2600-Projekt in
meinem Buch. Es ist wohl die Holzvertäfelung, ich bin schon
immer auf die Holzvertäfelung reingefallen.
Sie beschreiben Ihre Arbeit als Kunst des Tragbarmachens.
Was ist das größte Problem während dieses Prozesses?
Wahrscheinlich das ganze Innenleben der Originalgeräte in ein
einigermaßen kleines Gehäuse zu kriegen. Allerdings ist das
Finden der richtigen Batterien auch eine ziemliche Mission.
Wenn das erstmal erledigt ist, müssen nur noch reichlich Drähte verlötet werden.
Gab es Beschwerden von offizieller Seite? Haben Atari, Nintendo oder Sony gar gedroht, ihre Projekte zu verbieten?
Noch nicht (klopft dreimal auf den Tisch)! Ich betrachte meine Arbeit ohnehin eher wie das Restaurieren alter Autos. Man
nimmt etwas mit einem geringen, wahrgenommenen Wert
und macht wieder etwas Cooles daraus. Das ist doch nicht so
schlecht.
Haben Sie denn noch ein Konsolen-Minimierungs-Projekt auf
der Rechnung?
Ich liebäugele schon länger damit, den Atari VCSp in Serie zu
produzieren. Es müsste schneller gehen, um der Nachfrage gerecht zu werden. Damit beschäftige ich mich wohl im Frühsommer nochmal. Außerdem will ich mein Atari 800-Notebook zu
Ende bauen. Aber es ist kompliziert ein Display zu finden, das
funktioniert (seufzt).
Als Experte: Nintendo DS oder Sony PSP?
Nun ja, ich habe die „offizielle“ PSP noch nicht gespielt, allerdings muss ich sagen, dass ich vom DS überhaupt nicht beeindruckt war. Ich halte ihn für ein Gimmick. Mal ehrlich, Nintendo
macht doch jedes Jahr einen neuen Gameboy, und für Sony ist
es das erste Mal. Sollte also ein interessanter Kampf werden,
obwohl die PSP in vielen Belangen besser aufgestellt ist. Der
DS hat nicht annähernd die Grafik eines N64, die PSP dagegen
hat fast die Qualität einer PS 2. Das ist der große Unterschied.
Was mich nur beunruhigt ist, dass der PSP-Bildschirm ziemlich
schnell zerkratzen dürfte.
Das Gespräch führte Christian Gaca.
55
HIGHLIGHTS: MOBILE GAMING
Ist mal ein Projekt komplett in die Hose gegangen?
Ich habe über einen Monat an einem tragbaren N 64 gearbeitet, dass ist zwei Mal so viel Zeit wie ich sie sonst für ein Projekt
benötige. Das ist enttäuschend, auch wenn ich mit dem Portable N64 bald fertig sein sollte. Und: Ich habe es noch nicht geschafft, einen tragbaren Dreamcast zu bauen.
„Es wird end
lich die
56
Freiheit ins S
piel kommen
!“
Natürlich lief für Gregg Tavares fast zwangsläufig alles
57
auf ein Engagement bei Sony Computer Entertainment
dessen „Heimatland“ zu arbeiten, ist die unausweichliche
Konsequenz für einen Spieledesig-ner, der schon bei
Sega Japan, Naughty Dog oder Shiny Entertainment beeindruckende Arbeit ablieferte. Bereits als Jugendlicher konvertierte Gregg
Tavares den Klassiker „Centipede“ vom Atari 800 auf den Commodore 64.
Aktuell entwickelt er für die Sony PSP. Der US-Amerikaner zeichnet als leitender Programmierer unter anderem für das gefeierte „Jak and Daxter“
oder für die schnelle Arcade-Action von „Zombie Revenge“ verantwortlich.
Doch wie so oft hat auch Tavares’ Medaille zwei Seiten. Drei Versuche, eigene
Spielefirmen langfristig zu etablieren, scheiterten allesamt. Seine Arbeit bei
Naughty Dog quittierte er wegen eines Burnout-Syndroms. In Tokyo sprach
Alexander Pöschl für [ple:] mit dem 40-Jährigen unter anderem über seine
Rückkehr in die Spiele-Industrie, seine Abneigung gegen 2D-Spiele auf NextGeneration Konsolen und warum Japaner merklich weniger Software kaufen.
Herr Tavares, im Internet tauchte vor einigen Monaten der Bericht einer Frau auf, deren Mann bei Electronic Arts unzählige
Überstunden leisten musste und praktisch keine Zeit mehr für
die Familie hat.
Hier in Japan lachen die Leute darüber. Unabhängig davon, in
welcher Branche du arbeitest, der Job hat stets Priorität. Einer
meiner Kollegen heiratete vor zwei Monaten, dennoch hockt er
von früh bis spät im Büro. Seine Frau mag sich zwar beklagen,
aber sie weiß genau: So läuft das eben. Es gibt Deadlines wie
Weihnachten. Sollte dieser Termin in Gefahr geraten, verbringt
man eben die meiste Zeit des Tages im Büro. Die Manager
würden es in diesem Fall gar nicht akzeptieren, dass man nach
acht Stunden nach Hause geht und sich einen schönen Abend
macht.
Erinnert das nicht an die Zeiten, als Entwickler noch auf PizzaSchachteln im Büro schliefen?
Richtig, nur hatte das Team damals zehn oder weniger Leute.
HIGHLIGHTS: DESIGN + LIFESTYLE
Japan hinaus. Für den Branchenführer der Industrie in
HIGHLIGHTS: DESIGN + LIFESTYLE
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Jeder kannte jeden, die Atmosphäre war fast familiär. Natürlich
teilten sämtliche Kollegen dasselbe Schicksal, denn die konnten ja auch nicht früher nach Hause. Wenn man heute etwa bei
Electronic Arts arbeitet, sind da 100 Kollegen und das vertraute
Klima ist dahin. Ich arbeite momentan in einem kleinen Team
von rund zehn Leuten. Trotzdem fühle ich mich gewissermaßen
schlecht, wenn ich mir Gedanken um die Art und Weise meines
Lebens mache. Ist das Kreieren von Videospielen wirklich die
Essenz des Lebens? Ich habe fünf Weihnachten regelrecht verpasst, weil ich programmieren musste. Wenn ich dann sehe,
dass trotz meiner harten Arbeit doch nur der Chef den Ferrari
fährt und ich mit meinem Durchschnittseinkommen abgespeist
werde, mache ich mir umso mehr Gedanken.
lange wie nötig. Die Löhne, speziell hier in Japan, sind leider
wirklich unterste Schublade. Bei Sony oder Sega beträgt das
höchste Gehalt, das man als Programmierer verdienen kann,
rund sechs Millionen Yen [Anm.: umgerechnet rund 44.000
Euro] pro Jahr.
Also doch besser noch eine eigene Firma?
Mit einer eigenen Firma macht das langwierige Entwickeln
natürlich mehr Spaß, denn wenn sich das Spiel entsprechend
verkauft, gibt es einen befriedigenden Anteil. Ich würde es mir
auch ein viertes Mal zutrauen, eine eigene Firma zu gründen.
Aber das könnte dann nur ein überschaubares Team sein. „Final Fantasy“ oder „Grand Theft Auto“ entwickeln zu wollen, hätte keinen Sinn. So etwas wie „Lumines“ für die PSP wäre genau
mein Ding, daran haben nur wenige Programmierer gewerkelt.
Sie haben sich Ende der 90er Jahre von dem Entwickler
Naughty Dog zurückgezogen. Es hieß, sie seien ausgebrannt,
dem Druck nicht mehr gewachsen. Das Burnout-Syndrom
scheinen Programmierer und Spieledesigner nur allzu gut
zu kennen?
Zwei Kollegen bei Naughty Dog quittierten bereits vor mir ihre
Arbeit. Aber wie sieht es denn derzeit aus? Die Entwicklerstudios bestehen fast ausschließlich aus jungen Leuten um Ende
20. Wo sind die älteren Semester, die noch vor zehn Jahren
aktiv waren? Aus finanziellen, gesundheitlichen und familiären
Gründen wäre ein Wechsel in die Finanzbranche sehr lukrativ.
Ein ehemaliger Sega-Kollege hat diesen Wechsel bereits vollzogen, er verdient nun das Doppelte, hat einen Acht-Stunden-Tag
und kann seine Kinder aufwachsen sehen. Ich bin momentan
alleinstehend, über 40, kinderlos und in einem fremden Land.
Insofern kann ich nicht sagen, ob ich in zwei, drei Jahren noch
Videospiele programmieren werde.
Ist die Spiele-Industrie rücksichtsloser oder härter als andere
Branchen, wenn es um Arbeitszeiten und Löhne geht?
Ich denke: Ja! Das liegt an den unzähligen Nachwuchskräften,
die unbedingt ein Videospiel entwickeln wollen. Jeder kleine
Junge möchte heutzutage doch an einem Spiel mitarbeiten.
Und wenn sie dann einmal im Team sind, überwiegt die Freude
und der Enthusiasmus jegliche Strapazen und sie arbeiten so
Ein eigenes Independent-Entwicklerstudio gründen kommt
nicht in Frage?
Doch, darüber habe ich natürlich nachgedacht. Leider stellen
sich die Leute das einfacher vor als es in Wahrheit ist. Man
braucht Startkapital, Mitarbeiter und Ideen. Wenn ein Indie-Entwickler die Deadline verpasst, kann das schwerwiegendere Folgen haben als es bei Sony oder Naughty Dog der Fall wäre. Ich
einen verhältnismäßig kreativen Grafik-Stil, aber eben dasselbe
Gameplay wie zu Nintendo 64-Zeiten.
Welche Gameplay-Elemente werden sich mit der neuen Hardware-Generation ändern? Grafische Verbesserungen kommen
ja ohnehin.
Es wird endlich die Freiheit ins Spiel kommen! Die Entwickler
müssen sich nicht mehr hauptsächlich um Polygone oder Texturen kümmern, denn die neue Power macht das praktisch von
selbst. Diese eingesparte Zeit kann und wird hoffentlich in das
Gameplay gesteckt. Ich spiele gerade „Resident Evil 4“ auf dem
Gamecube, und an einer bestimmten Stelle geht mir die Munition aus, obwohl ich mich noch bis zur nächsten Tür vorkämpfen
muss. Noch kann ich nicht einfach aus dem Fenster springen
und einen Waffenladen überfallen. Zukünftig werden solche optionalen Lösungswege mehr und mehr Anwendung finden.
finde übrigens, dass Sony eine ganz gute Mischung gefunden
hat. Wer sonst macht experimentelle Spiele wie „My Summer
Vacation“ [Anm.: Adventure, in dem ein Mädchen ihre Sommerferien zu Hause verbringt und eine Website erstellt]?
Gleichzeitig beklagt sich jedoch etwa der Entwickler SNK,
dass Sony auf der Playstation 3 kein „Metal Slug“ in 2D mehr
zulässt. Hier greift der Konsolenhersteller doch direkt in die
kreative Freiheit der Entwickler ein!
Rein subjektiv möchte ich auch kein 2D-„Metal Slug“ auf einer
Next-Gen-Konsole spielen. Dafür reicht das Neo Geo völlig aus.
Ich glaube, dass es hier darum geht, SNK zu etwas Neuem zu
bewegen und nicht grafische Restriktionen zu erteilen. Moji
Ribbon auf der PS2 zum Beispiel war 2D, aber das Spielkonzept
war völlig neuartig. Trotzdem die PS2 auch vereinzelt diese
Restriktionen hatte, waren innovative 2D-Spiele stets gerne gesehen. Schade für die SNK-Fans, aber ein 15 Jahre altes Spiel
hat meiner Meinung nach nichts auf der Playstation 3 verloren.
Sollen sie es für Nintendo DS rausbringen, das wäre optimal.
Sollte ein Entwickler jedoch einen 08/15-Shooter für Playstation 3 entwickeln, der in feinster Grafik daherkommt, würde
Sony keinesfalls an Restriktionen denken.
Kann ich verstehen. Nehmen wir „Starfox“ von Nintendo. Wenn
es technisch an die neue Generation angepasst ist, das heißt,
wenn ich über Planeten fliegen kann, die schon fast fotorealistisch aussehen und die ganze Umwelt nichts mehr mit dem
Look des Vorgängers zu tun hat, dann her damit! Der Style
spielt nun mal eine mehr oder weniger gewichtige Rolle. „Viewtiful Joe“ und das fabelhaft aussehende „Okami“ sind weitere
Beispiele. Oder „Legend of Zelda: The Wind Waker“, das hatte
Seit Jahren sinken die Verkaufszahlen für Video- und Computerspiele in Japan beständig. Haben Japaner ausgespielt?
Ich weiß nicht, ob der Markt hier in Japan derzeit noch stark
oder überhaupt schrumpft. Aber die letzten Jahre war es definitiv so. Dazu gibt es zwei Theorien: Entweder die japanischen
Firmen haben den Casual-Market verloren, zum Beispiel die
Mädels, die früher gerne „Crash Bandicoot“ oder „Parappa“
gespielt haben. Andere sagen, dass die Leute heute weit mehr
Geld für ihr Handy und Internet ausgeben. Der erste Grund ist
wohl gewichtiger. Warum ähnliches in den Vereinigten Staaten
nicht passierte, ist einfach: Dort gibt es keinen Casual-Market.
Die Spieler, die vor zehn Jahren Software kauften, tun dies heute immer noch. Ich könnte mir vorstellen, dass Online-Spiele
in Japan der absolute Knüller werden. Breitband-Internet ist
genauso billig wie schnell und die soziale Komponente macht
die Leute hier sehr an. Japan könnte wie Südkorea enden, wo
diejenigen, die nicht Online spielen, die Außenseiter sind.
In Sachen Storytelling haben die meisten Video- und Computerspiele großen Nachholbedarf. Warum arbeiten nicht der
Autor Nick Hornby, Regisseur Tim Burton und Programmierer
Gregg Tavares an einem Spiel?
Ein kompetenter Autor ist natürlich immer nützlich, aber im
Grunde sind das unterschiedliche Bereiche. Denn der Regisseur möchte dem Spieler seine Geschichte, seinen Stil näherbringen. Der Game-Director wiederum möchte, dass Spieler
in seine Welt eintauchen können. Ein Kompetenzwirrwarr ist
vorprogrammiert, und auf Kosten der Interaktivität würde dies
meiner Ansicht nach ebenfalls gehen. Die lineare Story würde
dominieren.
HIGHLIGHTS: DESIGN + LIFESTYLE
Offensichtlich denken auch die Entwickler viel über neue
Gameplay-Konzepte nach. Hat Nintendo mit der RevolutionKonsole doch den richtigen Nerv getroffen? Während Microsoft und Sony technisch nachrüsten, verlagert sich Nintendo
auf die eigentliche Spielidee.
Ganz ehrlich, der Gamecube ist jetzt noch meine Lieblingskonsole, denn Nintendo ist immer noch kreativer als alle anderen.
Aber Playstation 2 und Xbox verkauften sich besser, also dürfte
die Revolution-Konsole einige Probleme bekommen. Aber Nintendo fährt weiter sehr passable Profite ein, obwohl sie längst
nicht mehr Konsolen-Marktführer sind. Wenn ich Nintendo-Präsident wäre, würde ich mit Microsoft oder Sony einen Deal machen: Nintendo produziert keine Heimkonsolen mehr und entwickelt exklusiv und ohne Lizenzgebühren auf Lebenszeit (lacht).
59
“
Fortsetzungen sind nicht förderlich
und gesund für die gesamte Branche
HIGHLIGHTS: NEXT-GENERATION
60
Yoshiki Okamoto hatte Stress. Die Tokyo Game Show war zu absolvieren, Termine mit Sony und Microsoft bestimmten die Tagesordnung
und der Hund musste auch noch gefüttert werden. „Dog first!“, ulkte
Okamoto-san im Konferenzraum seines eigenen Entwicklerstudios
Game Republic. Der Star-Entwickler kann sich diese Prioritätenliste
erlauben, schließlich leitete er die Entwicklungen zu berühmten Videospielen wie „Street Fighter II“ oder der „Resident Evil“-Serie. Angefangen hatte alles Anfang der 1980er Jahre bei Konami, wo er unter
anderem den Arcade-Klassiker „Time Pilot“ entwarf. Wenige Jahre
später wechselte er zu Capcom, stieg kontinuierlich auf und wurde
so zu einem der begehrtesten Entwickler dieser Tage. Nicht umsonst
erwähnt Microsoft auf jeder Pressekonferenz, dass mit Okamoto ein
Urgestein der Branche für die Xbox 360 gewonnen werden konnte. Mit
Genji für die Playstation2 veröffentlichte Game Republic unlängst das
erste Spiel und verbuchte im Heimatmarkt Japan auf Anhieb gute Verkaufszahlen. Es herrscht also gute Laune, als Alexander Pöschl den
44-Jährigen zum Interview in Tokyo trifft.
„
Zurück zu den Heimkonsolen. Ihr Studio Game Republic
gilt besonders in Japan als eines der Aushängeschilder für
Microsofts neue Konsole Xbox 360. Bedenkt man den ausgebliebenen Erfolg der ersten Xbox in Japan, stellt sich die
Frage: Warum die Unterstützung für Microsoft?
Das Misslingen der Xbox bedeutet nicht, dass auch die Xbox
360 untergehen wird. Okay, in Japan wird Sony höchstwahrscheinlich wieder Marktführer werden, aber wenn es um den
globalen Erfolg geht, wird die Xbox 360 meiner Ansicht nach
die erfolgreichste Konsole werden. Und wir entwickeln nun
mal auch für die Märkte in den USA und Europa.
In der Vergangenheit äußerten Sie sich kritisch gegenüber ihrem ehemaligen Arbeitgeber Capcom, ohne je genaue Gründe
zu nennen. Was lief mit Capcom schief? Was soll bei Game
Republic anders werden?
Im Endeffekt war es keine Kritik an Capcom, sondern es waren
verschiedene Ansichten. Ich als Entwickler konnte nicht machen, was ich gerne in die Tat umgesetzt hätte. Capcom bringt
ja nach wie vor sehr viele Fortsetzungen heraus, ein Umstand,
den ich als nicht besonders förderlich und gesund für die gesamte Branche sehe. Allerdings wurden meine Vorschläge zu
neuen Franchises immer wieder mit Verweis auf die Aktionäre
abgeschmettert. Capcom wollte keine allzu großen, finanziellen Risiken eingehen und blieb bei den Fortsetzungen. „Genji“
wäre bei denen nicht möglich gewesen. Und sollte dann doch
mal ein völlig neues Spiel entwickelt werden, wurden nicht die
Entwicklerteams der „1. Klasse“ darauf angesetzt. Ein wichtiger Unterschied noch: Hier bei Game Republic gibt es kein
festgeschriebenes Gehalt, sondern es wird flexibel je nach
Arbeitszeit und Qualität abgerechnet.
Sie lehren an verschiedenen japanischen Akademien zum
Thema Game-Design. Was können Sie zum Ausbildungsstand
der heranrückenden Generation japanischer Entwickler sagen? Ist Keita Takahashi (Designer von „Katamari Damacy“)
nur der Anfang?
Nun, Takahashi ist natürlich unglaublich talentiert und ich beneide ihn schon fast, dass er mit „Katamari Damacy“ ein derart fabelhaftes Spiel entworfen hat. Genau diese Art von Spiel
würde ich in den kommenden Jahren auch gerne entwickeln.
Natürlich nicht das gleiche, aber ebenso originell und kreativ.
Aber gut, Takahashi ist ein glückliches Beispiel. Mit seinem
Arbeitgeber Namco hatte er erstens einen Sponsor, der sein
Projekt realisieren konnte. Und er hatte einen Chef, der auch
bereit war, ein ungewöhnliches Spiel zu unterstützen. Die
Studenten an sich kann ich nicht mit US- oder europäischen
Studenten vergleichen, dazu fehlt mir der Überblick.
Vor nicht allzu langer Zeit entwickelten Sie für Konami und
Capcom Arcadespiele. In Japan, dem weltweit größten Arcademarkt, scheint das Interesse für Spielhallen jedoch immer
weiter zu schrumpfen. Woran liegt das wohl?
In erster Linie an den Konsolen, die heute fast die gleiche Grafik zaubern können, wie es die Automaten tun. Dazu kommt
eine krasse Fehlentscheidung seitens der Hersteller, die die
Arcadespiele auf die gleiche Schiene wie die Konsolenspiele
schickten. Die typischen Eigenheiten wie der große Bildschirm
oder die einzigartigen Bedienmöglichkeiten geben ja Spielraum für viele neuartige Spielkonzepte. Dennoch ähneln sich
Video- und Arcadespiele heute zu sehr, so dass die Spieler
nicht mehr viel Geld in die Spielhalle stecken.
Das heißt, es muss etwas geschehen. Vielleicht durch Virtual
Reality oder andere neue Erlebnisse in der Arcade?
Ich würde Spielhallen gerne als kleine Vergnügungsparks
sehen, die ruhig etwas mehr kosten dürfen als heute noch. Vor
20 Jahren kostete eine Runde Zocken 100 Yen, heute immer
noch! Da stimmt doch was nicht. Virtual Reality und neue
Konzepte böten sicherlich die Möglichkeit, den Arcade-Markt
zu revitalisieren.
Nintendos Revolution ist offenbar ohnehin außen vor?
Ich denke, die Revolution-Konsole wird eine Art „Zusatzkonsole“. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass sich die Leute
entweder eine Xbox 360 oder eine Playstation 3 kaufen, und zu
einer dieser Konsolen dann die Revolution hinzufügen. Nintendos Konzept erscheint mir dafür sehr angemessen. Mit dem
Thron der Branche werden sie wohl nichts zu tun haben.
Das Genre des MMORPG (massively multiplayer online role
playing game) ist zwar in Japan noch nicht so verbreitet wie
in Südkorea, scheint aber immer beliebter zu werden. Hätte
eine verstärkte Popularität dieses Genres besondere Auswirkungen auf den restlichen (japanischen) Markt?
Es stimmt, die Online-Spiele werden hier tatsächlich immer
beliebter. Und wenn ich ehrlich bin, sehe ich das mit Sorge im
Hinblick auf die Industrie. Ein MMORPG ist ja im Grunde ein
Spiel für mehrere Jahre, für das dann monatliche Gebühren
gezahlt werden. Das heißt, diese Kunden werden sich wahrscheinlich keine anderen Spiele neben dem Online-Spiel zulegen, was nicht im Sinne der übrigen Hersteller ist. Ich fürchte
diese Entwicklung wirklich!
Vielleicht schrecken die Meldungen über verstorbene Spieler,
die über 50 Stunden am Stück gespielt haben, die Leute derzeit noch ab?
(Lacht) Wenn ich meinen Hund nicht immer füttern müsste
und die Familie noch dazu, würde ich womöglich auch ewig
spielen. Aber im Ernst, das ist natürlich eine erschreckende Sache. Andererseits liegt das Problem im Ursprung des
MMORPG-Genres begraben. Wenn ich konkurrenzfähig im
Spiel sein will, muss ich zwangsläufig sehr viel Zeit in die
Charakterentwicklung investieren. Hier sind die Hersteller in
der Pflicht, eine Lösung zu finden.
61
HIGHLIGHTS: NEXT-GENERATION
Okamoto-san, Sie sprachen davon, dass für „Genji“ bewusst
ein sehr heller Grafikstil gewählt wurde. Dadurch sollte das
japanische Miyabi, perfekte Form wie vergängliche Schönheit,
ausgedrückt werden. Kam das bei den Spielern an?
Zunächst einmal wollten wir, dass sich „Genjis“ Stil deutlich
von dem der anderen Action-Adventures abhebt. Wenn im
Fernsehen heute eine Werbung zu „Silent Hill“ erscheint,
können es die Spieler kaum von „Resident Evil“ unterschieden.
Warum wir eine Aufhellung wollten, hatte aber auch andere
Gründe. Zum Beispiel, um auch weibliche Kundschaft zu erreichen. Denn Frauen spielen, zumindest hier in Japan, kaum
diese dunklen Horrorspiele, sondern wünschen sich farbenfrohe Landschaften im Spiel. Insofern haben wir „Genji“ auch
nicht als Hardcore-Game konzipiert, sondern bewusst etwas
einfacher gemacht, damit auch Gelegenheitsspieler das Ende
miterleben können. Demzufolge gab es natürlich viel Kritik
von eingefleischten Spielern, denen Genji zu leicht und seicht
war. Daran, dass beide Käuferschichten am Ende zufrieden
sind, müssen wir noch stärker arbeiten.
Realitäten
Videospiele haben offenbar doch einen Einfluss auf das echte Leben - vielleicht
ist es aber auch umgekehrt. Keine Ahnung, ob der Pilot des Hubschraubers, dem
das eigenartige Missgeschick passiert ist, auch „GTA: Vice City“ gespielt hat. Oder
ob meine zufällige Bruchlandung im Pool des Vice-City-Hotels (hier noch einmal
exklusiv nachgestellt) circa zwei Monate vor dem echten Unglück die Dinge einfach so in Bewegung gebracht hat. Unfassbar jedenfalls. Die Meldung links erschien im März 2003 in der Süddeutschen Zeitung. (CG)
Realität ist stets eine Frage des eigenen Standpunktes. Klar. Bei Egoshootern
war schon immer die möglichst detailgetreue Abbildung der Realität ein bewusstes Primärziel der Entwickler. Nicht nur, weil die Kundschaft genau das will, aber
auch deswegen. Landschaften, Lagerhallen, Flugzeuge, Schränke oder Bierdosen
sehen durch die immer besseren Engines immer echter aus. Doch eben nicht nur
die Gegenstände. Ein Blick auf in Egoshootern präsente Schusswunden macht deutlich: Auch die sehen immer echter, immer schockierender aus. Wir meinen, dass in
diesem Fall die Grenze dessen, was visuell noch gezeigt werden muss, erreicht ist.
Statt immer mehr Blut fließen zu lassen, sollte sich mancher Entwickler fragen, ob
nicht mehr Zeit in die Kreation neuer Spielideen gesteckt werden sollte. (CG)
HIGHLIGHTS: REALITÄTEN
62
Sie ist omnipräsent, die neue Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel. So taucht sie
nun auch im Videospiel „Liebesgrüße aus Moskau“ auf, allerdings fast gänzlich
ohne politischen Hintergrund. Es ging um die Steigerung ihrer Sympathiewerte.
Im Zuge einer von langer Hand geplanten Kampagne zur Kontaktaufnahme mit
der Jugend hatte die CDU den Publisher Electronic Arts überredet, ihre beste
Kraft ins Spiel zu integrieren, gegen Zahlung einer niedrigen sechsstelligen Summe. Das Beste: Sie mussten nichts ändern. Bösewichtin Rosa Klebb (brillant im
Original: Lotte Lenya) sieht nämlich fast genauso aus wie Angela Merkel, wenn ihr
die Partei-Werber nicht gekonnt die Falten wegretuschieren. Nur noch schnell zur
Sicherheit: Die Geschichte ist natürlich ausgedacht. (CG)
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HIGHLIGHTS: REALITÄTEN
In-Game-Marketing ist eine heiße Sache. In einigen Jahren wird es gutes Geld
einbringen, Bandenwerbung in Renn- oder Sportsimulationen zu verkaufen. Mit
Glück geht es auch kostenlos, wie der Gabelstapler- und Kehrsaugmaschinenhersteller Huffer & Söhne aus Saarlouis feststellen durfte. Deren knallgelber Firmen-Transit wurde öfters an befreundete Nürburgring-Fans verliehen, wenn die
zum 24-Stunden-Rennen an den Ring wollten. Im Jahr 2003 dann wurde der alte
Transit von einer Gruppe japanischer Touristen geknipst. Dachten die Ring-Fans
jedenfalls. Bis zu dem Tag, als einer von ihnen „Gran Turismo 4 Prologue“ kaufte
und auf der Strecke Citta di Aria seinen Augen nicht traute. Da stand er plötzlich:
der gelbe Ford Transit aus Saarlouis, inklusive kompletter Werbebemalung. (CG)
POPWISSEN
FERTIG, AUSGEBRANNT
OBI-BART KENOBI
HIGHLIGHTS: POPWISSEN
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Unter Burnout (englisch für Ausbrennen) versteht man allgemein die
negativen Folgen einer beruflichen Überlastung. Die durchschnittlichen Burnout-Patienten sind gemütsmäßig erschöpft, innerlich völlig distanziert und können keine Leistung mehr im Job bringen. Das
Burnout-Syndrom gilt mittlerweile als komplexes Krankheitsbild, das
zwar immer mehr Betroffene belastet, aber weiterhin nur zögerlich
erforscht wird. Wie genau es zum Burnout kommt, ist daher absolut
strittig. Aber hohe Arbeitsbelastung, schlechte Arbeitsbedingungen,
permanenter Zeitdruck, schlechtes Betriebsklima, Nacht- und Schichtarbeit oder Hierarchieprobleme gelten vielen Wissenschaftlern und
Medizinern als mögliche Auslöser. Also, immer brav aufpassen, dass
man ausgeglichen arbeitet. [CG]
ZEITUNGSKIOSK
Der Avatar, laut Wikipedia.de ein „grafischer Stellvertreter einer
echten Person in der virtuellen Welt“. Durch Gesichtseditoren oder gar
Facemapping per „EyeToy“ bietet sich heute die Möglichkeit, das eigene
Gesicht ins Spielgeschehen einzubringen. Aber was tun, wenn ein Titel
wie „The Sith Lords“ nur ganze 16 Standardportraits für den männlichen
Charakter bereithält? Der echte Fan lässt wachsen! (KH)
INNERE WERTE
Nur gut, dass Männer verschiedene Frauenbilder haben. Schön zu sehen,
dass es sich unter männlichen Designern und PR-Experten durchsetzt,
dass die inneren Werte einer Frau wichtiger sind als ihr Aussehen. Der
Beweis hierfür ist auf der Presse-CD von „Prince of Persia“ zu finden.
Genau 211,3 MB groß ist das weichgezeichnete Werk mit dem poetischen
Namen „kaileena-thinking.psd“. Wenn Frauen beim Denken nur immer
so aussehen könnten ... (CG)
Hideo Kojima ist offenkundig ein belesener Mann. Auch in „MGS 3“ liegen
zahlreiche Magazine herum. Darunter findet sich erstaunlicherweise
auch eine Ausgabe des Magazins „stern“. Hefte fungieren im Spiel übrigens auch als „Waffe“. Vereinzelt kann man ansprechend illustrierte
Herrenmagazine finden und einsammeln, die, an der richtigen ausgelegt,
die Aufmerksamkeit der Wachen erregen. (CG)
MERKWÜRDIGES VERHALTEN AN DER GRASHALMSPITZE
Die menschliche Kreativität in allen Ehren, die wirklich abscheulichsten
Wesen erfindet noch immer die Natur. Kein Wunder, dass die „Resident
Evil“-Entwickler bei ihrem neusten Schauermärchen ein reales Vorbild
abgekupfert haben. Der Parasit, der die Menschen in dem Gruselschocker
gefügig macht, hat nämlich die drei realen Vorbilder „Dicrocoelium“, „Galactosomum“ und „Leucochoridium“. Alle drei haben einen komplexen Lebenszyklus gemeinsam, der sie immer wieder durch verschiedene Lebewesen
führt. Der Leber-Egel Dicrocoelium etwa sorgt als Larve in der Ameise für
eine Verhaltensänderung, die sie dazu bringt, sich in der Reichweite von
Schafen und Rinder an der Spitze von Grashalmen festzubeißen. Im Endwirt
Schaf kann dann der Egel seinen Lebenszyklus vollenden. [KM]
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KRITIK
PREY
ROCKSTAR TISCHTENNIS
CHROMEHOUNDS
HERR DER RINGE: SUM 2
HALF-LIFE 2: EPISODE 1
LOCO ROCO
NEW SUPER MARIO BROS.
GTA: LIBERTY CITY STORIES
LIVE ARCADE
PREY
PRÄDIKAT
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Angekündigt Mitte der 90er Jahre von den „Duke Nukem“-Machern 3D Realms, wurde „Prey“ 1998 bei den ewig Verspäteten
erstmal eingestellt. Begründung: Man wolle sich mehr auf „Duke Nukem Forever“ konzentrieren, dass nun nach weiteren acht
Jahren nicht ansatzweise veröffentlichungsfähig ist. Doch 3D
Realms sah das Potenzial der „Prey“-Idee und setzte die Rune-Macher auf das ungewöhnliche Projekt an. Eine gute Wahl,
denn Human Heads gelang es nur eineinhalb Jahre nach der
Ankündigung, „Prey“ fertig zu stellen und nun einen der besten
Egoshooter überhaupt abzuliefern. Während Titel wie „Doom“
und „Quake 4“ mit Protagonisten arbeiten, die als Soldaten geradezu verpflichtet sind, wahre Helden zu sein, spielen bei richtigen Meisterwerken wie „Half-Life“ und „Far Cry“ eher Nobodys die Hauptrolle. Sie wollen keine Welten retten oder Ruhm
erlangen, sondern nur aus der großen Scheiße raus, in die sie
hineingeraten sind.
Ähnlich ergeht es auch Tommy, dem Hauptdarsteller von
„Prey“. Der Cherokee will nach seinem frustrierenden Armeedienst zusammen mit seiner Freundin Jen einfach nur aus seinem Reservat abhauen. Doch das Schicksal hat eine andere
Aufgabe für den Indianer, denn seine Geliebte, sein Großvater
und er selbst werden zur Weiterverarbeitung in ein gigantisches
Raumschiff entführt. Leider erkennen die Entführer zu spät,
dass der Indianer, den sie zu Alien-Schnitzel verarbeiten wol-
len, ein ehemaliger US-Ranger ist, der außerdem mit schamanistischen Kräften ausgestattet ist. Diese Kräfte, kombiniert mit
organischen Waffen und den Besonderheiten des organischen
Raumschiffs, machen aus „Prey“ ein außergewöhnliches
Shootererlebnis, das sich deutlich von der Konkurrenz abhebt.
Vor allem Tommys’ Fähigkeit, die Astral-Ebene zu betreten, machen aus dem geradlinigen Shooter ein rätsel-geladenes Action-Adventure, das durch die Kombination der verschiedenen
Elemente immer fordernd bleibt. Wirklich einmalig sind auch
die Wandwalk-Felder und die Schwerkraft-Umwandler, die es
ermöglichen, an der Decke zu gehen und auch die Schwerkraft in die gewünschte Richtung zu lenken. Im Laufe des Spiels
muss dann noch ein Shuttle geflogen und Endgegner mit ganz
speziellen Taktiken besiegt werden. So viel Abwechslung gab es
seit „Half-Life 2“ nicht mehr.
Doch nicht nur die inneren Werte von „Prey“ begeistern, auch
optisch setzt der Titel trotz der schwer zu handhabaren „Doom
3“-Engine Maßstäbe. Einige Oberflächen wirken zwar wie bei
„Quake 4“ direkt aus Doom importiert, aber gerade zum Ende hin wird eine bombastische Kulisse geliefert, die in ihrer
epischen Brillanz selbst „Half-Life 2“ hinwegfegt. (KM)
KRISTIAN METZGER
OS DA, TOMMY!
Eigentlich ist gut (Os da, Cherokee-Sprache) nicht die richtige Bezeichnung für diesen erstklassigen Sommer-Hit. Da meine Recherchen
aber nur diese Floskel zu Tage förderten und ich unbedingt als Neunmalkluger dastehen möchte, muss ich mich bei Human Heads mit diesem stümperhaftem Cherokee-Wortspiel bedanken. Neben dem genialen Gameplay und der phantasievollen Grafik haben mich vor allem
die glaubhaften Charaktere und der schwarze Humor begeistert, der
immer wieder das Spielgeschehen auflockert, ohne die Atmosphäre zu
zerstören. Zum Beispiel übergibt sich Tommy, nachdem der Spieler ein
paar Mal die Schwerkraft umgelenkt hat und kommentiert das Geschehen mit ein paar satten Kraftausdrücken. Gerade im Gegenzug zum gesichtslosen „Doom“-Helden ein erfrischendes Erlebnis. Deshalb muss
der Ideenreichtum von Human Heads mit einem Erfolg belohnt werden,
also schön zum Händler rennen und kaufen.
KRITIK
SYSTEM: PC, XBOX 360
HERSTELLER: HUMAN HEADS, 2K
GENRE: EGOSHOOTER
RELEASE: ERHÄLTLICH
ONLINE: JA
ROCKSTAR GAMES
PRÄSENTIERT
TISCHTENNIS
KRITIK
68
SYSTEM: XBOX 360
HERSTELLER: ROCKSTAR, TAKE 2
GENRE: SPORT
RELEASE: ERHÄLTLICH
ONLINE: JA
Nachdem „Rockstar Games präsentiert Tischtennis“ nun eine
Weile auf dem Markt ist, ließ sich endlich auch der Onlinemodus ausgiebig testen und damit der Kern des Spiels. Vor allem
das Balancing der Spieler wird im Netz auf Herz und Nieren
geprüft, schließlich sieht man, wer mit welchem Profi unterwegs ist und welcher Spieler links liegen gelassen wird. Auch
die unterschiedlichen Spielmodi und die selbst hostbaren Turniere sind erfreulicherweise gut aufgenommen worden. Allen
Unkenrufen der Journaille zum Trotz ist „Rockstar Games präsentiert Tischtennis“ ein großer Erfolg geworden. Gerade weil
das Spiel gekonnt Next-Generation-Grafik mit einem simplen
Spielprinzip kombiniert, bietet es Einsteigern wie Fortgeschrittenen gleichermaßen ein hervorragendes Gameplay und fordernde Zweikämpfe. Rockstar beweist damit, dass nicht immer
nur komplexe Brocken wie „Elder Scrolls IV: Oblivion“ produziert werden müssen, sondern dass auch ein kleines Spielchen
zwischendurch mehr als nur ein bisschen Spaß machen kann.
Wer mehr möchte, bekommt nach dem knackigen Einzelspielermodus noch einen fordernden Onlinemodus geboten. Die
in der Preview-Version monierte Dominanz des schwedischen
Top-Spin-Meisters Jesper reduziert sich im Internet gewaltig.
Für Einsteiger bietet der kräftige Schwede zwar immer noch
das beste Paket, aber gerade im High-End-Bereich können
auch Spezialisten wie Luc und Jürgen hervorragend punkten.
Da die Spieler aber in der ersten Zeit mit Jesper die besten Ergebnisse erzielen, trifft man immer noch häufig auf den starken Schmetterkönig. Wer aber die Herausforderung sucht oder
aber nur etwas Sinn für Ästhetik besitzt, versucht es mal mit
einer der süßen Damen, die mit ein wenig Übung nicht nur optisch eine gute Figur machen.
Doch zurück zum Online-Modus, der neben klassischen
Freundschaftsspielen auch Ranglistenkämpfe und die spaßigen Spieler-Turniere bietet. Dank des Trueskill-Systems wird
die Spielfähigkeit schnell analysiert und man bekommt meistens einen passenden Spieler zugeteilt. Außerdem zählen auf
diese Art und Weise Kämpfe gegen starke Gegner mehr als
reines Opferbashing. Das System funktioniert zwar nicht immer perfekt, sorgt aber zumindest für Gerechtigkeit und lässt
auch Gelegenheitsspieler Höhenluft schnappen. An der hervorragenden Grafik und der einmaligen Spielbarkeit hat sich sowieso nichts geändert, allein der hammerharte und damit sehr
extensive Einzelspielermodus soll nicht unerwähnt bleiben. Als
Training für den Onlinemodus perfekt gemacht, für Einsteiger
aber ein ganz ziemlich harter Brocken. Da bleibt nur eines übrig: üben, üben, üben! (KM)
KRISTIAN METZGER
VORTEIL SCHWEDEN
Auch wenn wir bei der Fußballweltmeisterschaft die Skandinavier überzeugend nach Hause geschickt haben, an der Tischtennisplatte sind uns
die kräftigen Nordländer trotzdem immer noch überlegen. Im Profi-Bereich ist „Rockstar Games präsentiert Tischtennis“ zwar perfekt ausbalanciert, doch das schnelle Spiel Jespers sorgt am unteren Ende für eintönige Spielerpaarungen. Mauerspezialist Jürgen oder der Effet-Meister
Luc erfordern eine längere Einspielzeit. Wer durchhält und auch einen
der anderen Spieler meistert, bekommt ein perfektes Online-Vergnügen
geliefert, das gerade für ein kurzes Spiel zwischendurch perfekt geeignet ist. Angehende Tischtennis-Profis bekommen garantiert monatelangen Spielspaß und sollten sich vielleicht bei den Rockstar-Meisterschaften in Leipzig versuchen, für die es bei unserer nächsten Party eines der
begehrten Tickets zu erspielen gibt.
69
Wir laden euch am 22.07.2006 ab 17 Uhr zum Elektro-Beach-Tischtennis-Turnier in die unique Open-Air-Location
SCHÖNWETTER* (Bernauerstr. 63) am Mauerpark in Berlin ein. Startschuss zum Turnier ist um 18 Uhr.
Da sich Tischtennis in den letzten Jahren zu der Trendsportart bei den jungen Erwachsenen entwickelte und mit
„Rockstar Games präsentiert Tischtennis“ eine beeindruckende Umsetzung für die Xbox 360 veröffentlicht wurde, freuen wir uns riesig darauf, in Zusammenarbeit mit
Rockstar alle fanatischen Tischtennis-Spieler und Zocker
zum 1. ELEKTRO-BEACH-TISCHTENNIS-TURNIER herauszufordern.
Die Besonderheit: Die Matches bestehen aus zwei Sätzen,
einer real an der Platte, einer virtuell an der Xbox 360. Am
Ende entscheidet der Punktegesamtschnitt. So kommt es
nicht nur auf flinke Finger, sondern auch auf schnelle Füße an.
Die Teilnehmerplätze sind rar. Nur acht Spieler können mitmachen. Anmeldungen sind per Mail bis zum
21.07.2006 an info@play-magazin.de möglich. Hieraus
werden 7 Plätze ausgelost. Am Abend selbst wird noch eine Wildcard vergeben.
Als Hauptgewinn winkt im Rahmen der „Rockstar Games
präsentiert Tisch Tennis“-Tour eine Fahrt zur TischtennisMeisterschaft auf der Games Convention 2006 in Leipzig
– als Ehrengast von Rockstar, inklusive Anfahrt, Übernachtung und Verpflegung. Schicke Tischtennis-Schläger
von Rockstar, Bälle und Getränkegutscheine gibt es noch
obendrauf.
Wer keinen Startplatz bei unserem Turnier bekommt,
kann sich noch bei 14 weiteren Stopps qualifizieren (darunter München, Nürnberg, Frankfurt, Hamburg, Köln). Die
passenden Daten dazu gibt es wieder mal im Internet unter http://www.rockstargames.de/tischtennis/.
Für die passende musikalische Untermalung und feinste
Elektro-Beats sorgen der Chill-Out-Meister VALIS und der
beliebte Schönwetter Resident-DJ und Pokerflat-Produzent KNIGGE. (KM)
KRITIK
[ple:] und Rockstar schicken einen Meister zur GC nach Leipzig
1. ELEKTRO-BEACH-TISCHTENNIS-TURNIER 2006 IN BERLIN
CHROMEHOUNDS
KRITIK
70
SYSTEM: XBOX 360
HERSTELLER: FROM SOFTWARE, SEGA
GENRE: MECH-SIMULATION
RELEASE: ERHÄLTLICH
ONLINE: JA
Battlemechs, Ravens, Vertical-Tanks, Exoskelette oder Hounds
– die Namen der großen, oft zweibeinigen Kampfmaschinen
sind unterschiedlich, ihr Einsatzgebiet, ihre Spielweise und ihre Erscheinung ähneln sich gewaltig. Vor allem japanische Entwickler wie From Software haben es trotz langer Tradition nicht
geschafft, neue Ideen zu bringen. Die „Armored Core“-Reihe
ist dafür ein Beispiel. Das im Kern hervorragende Spielprinzip wurde über Jahre hinweg nur noch marginal variiert und
die Grafik seit mehreren Versionen schon gar nicht mehr angefasst. Kein Wunder also, dass der neueste Teil „Last Raven“
von der Kritik zerrissen wurde. Mit „Chromehounds“ versuchen die Entwickler nun, aus dem Todeskreislauf von Fan-Erwartungen und altem Spielsystem auszubrechen. Nicht nur die
neue Spielumgebung, auch das Design der Kampfmaschinen
wurde komplett neu aufgesetzt. Auf bekannte Formen wurde
verzichtet und das Prinzip einer Waffenplattform auf absurde
Weise maximiert. Statt schlanker Kampfmaschinen präsentiert
der neue Mech-Shooter dutzende Waffen auf teils absurden
Fahrgestellen.
Doch nicht nur beim Design haben sich die Entwickler kräftig ins Zeug gelegt, auch beim eigentlichen Gameplay und vor
allem bei den Online-Komponenten ist nur wenig von der Verwandtschaft zu „Armored Core“ zu spüren. Die neuen Elemente sind zwar größtenteils aus anderen Mech-Games wie
„Mech Assault“ und „Steel Battallion“ entliehen. Das ist allerdings immer noch besser, als schwache eigene Ideen einzubringen. So ist der eigentliche Einzelspielermodus recht dürftig und dient im Prinzip nur als Training für den gewaltigen
Onlinemodus. Immerhin wird die Hintergrundstory um die
drei Kriegsparteien Tarakia, Sal Kar und Morskoj benutzt, die
später im Live-Modus verwendet wird. Viele Überraschungen
hält die Geschichte rund um eine Welt nach dem dritten Weltkrieg aber kaum bereit. Da bei jeder Mini-Kampagne die Partei gewechselt wird und die komplexe politische Lage auf
dem fiktiven Kontinent Neronimus am Anfang nur schwer zu
durchschauen ist, gelingt es einem kaum, mal so eben in das
„Chromehounds“-Universum einzutauchen.
Das ausführliche Training der Einzelspielerkampagne ist wichtig, da From Software bei der Ausrüstung und den Waffen einige neue Wege beschritten hat. Die Hounds sind nämlich nicht
71
Unterstützt wird diese Meinung durch den genialen Neronimus-Krieg. Die Piloten müssen sich in diesem Modus in einer
ständig aktiven Onlinewelt für eine der drei vorherrschenden
Parteien entscheiden und in Mehrspielerschlachten Gebiete sichern. Ähnlich wie schon bei „Steel Battallion“ bekommt der
Sieger eine Prämie, für die er stärkere Waffen, Bauteile und
Fahrgestelle bekommt. Die bessere Ausrüstung kann zwar am
Ende einen kleinen Unterschied machen, hoffnungslos unterlegen sind neue Piloten aber auch mit den frei zugänglichen
Standard-Hounds nicht. Am Ende entscheiden eben doch die
Piloten-Fähigkeiten. Genau dieser Umstand könnte „Chromehounds“ zum Erfolg verhelfen, genau dort, wo „Steel Battallion“ versagt hat. Vor allem Neueinsteiger werden nicht
verzweifelt das Pad wegwerfen, weil sie vom Gegner ohne Probleme nach wenigen Minuten eingedost werden. Überzeugend
kommt auch die Präsentation daher. Selbst wenn die Umgebung manchmal recht karg wirkt, sorgen die Next-Generation-Effekte, die gewaltigen Explosionen und die detaillierten
Modelle für große Zufriedenheit. Auch der Sound transportiert die brachiale Gewalt der Gefechte hervorragend und sorgt
für Schlachtfeldatmosphäre. Auch die Story ist schön erzählt,
obwohl manchmal etwas die Gesichter fehlen. Statt redender
Köpfe gibt es nur Textboxen und Sprachausgabe. Dank netter
Schnitte und schöner Kamerafahrten zwar immer noch besser
als bei der Konkurrenz, trotzdem wäre hier mit etwas Mühe
mehr drin gewesen. (KM)
POPWISSEN
HÄSSLICHE ENTLEIN
Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, trotzdem erreichen die
Roboterkonstruktionen bei „Chromehounds“ regelmäßig die Schmerzgrenze. Auch wenn die Konkurrenz bei keinem Schönheitswettbewerb
gewinnt, sorgt das stimmige Design wenigstens nicht ununterbrochen
für Brechreiz. Bestes Beispiel ist diese „schöne“ Scoutkonstruktion von
„Chromehounds“, die neben dem schicken Über-Roboter Jehuty von
„Zone of Enders“ wie ein aufgemotzter Staubsauger wirkt. Aber kein
Sorge, mit etwas Sorgfalt und etwas Mühe entstehen auch bei Segas
Meisterwerk ansehnliche Kampfmaschinen. (KM)
KRISTIAN METZGER
ONLINE MACHT DEN UNTERSCHIED
Wer bei stampfenden Metall-Figuren einen Ausschlag bekommt, wird
auch von „Chromehounds“ nicht bekehrt werden. Trotz aller Versuche,
das Spiel allgemein zugänglicher zu machen, bleibt „Chromehounds“ im
Kern eine Mech-Simulation. Ohne vernünftigen Radar, Zielhilfen und klare Missionsmarkierungen werden Anfänger schnell den Raketenwerfer
ins Korn werfen. Wer sich aber auf das Spielprinzip einlässt und etwas
Zeit investiert, bekommt einen hervorragenden Titel geliefert, der dank
Xbox Live für Monate begeistern wird. Ohne Onlinemodus bleibt leider
nur ein mittelmäßiger Einzelspielerspaß. Nur echte Mech-Fans sollten
in dieser Situation zugreifen und dann vielleicht doch mit einem OnlineEinsatz liebäugeln. Das Spiel bedankt sich im Gegenzug mit packenden
Kämpfen und einem genialen Teamerlebnis. Hoffentlich findet der Titel
genug Fans, damit auf den Servern auch immer was los ist.
KRITIK
nur grob nach Gewicht und Geschwindigkeit in unterschiedliche Typen eingeteilt, sondern auch durch die Ausrichtung auf
dem Schlachtfeld. Es gibt sechs so genannte Rollentypen, die
vor allem später im Mehrspielermodus besetzt werden müssen. Jeder Typ hat eine eigene Einzelspielerkampagne, die vom
Grundtraining bis zu groß angelegten Schlachten alles beherbergt. Allein gegen andere Hounds tritt der Spieler nur selten
an. Grundsätzlich ist es möglich, auch eine Kampfmaschine zu
bauen, die sich in mehreren Bereichen zu Hause fühlt. Einige
Rollen schließen sich aber grundsätzlich aus. Obwohl dieses
gelungene System bei den Einzelspielerkampagnen fast nutzlos ist, funktioniert es im Multiplayer hervorragend. Da die
Server nicht für die Öffentlichkeit zugänglich waren, fehlt zwar
noch der abschließende Härtetest, die ersten Kämpfe beweisen
aber, das online das meiste Potenzial in dem Titel steckt.
HERR DER RINGE:
SCHLACHT UM
MITTELERDE 2
KRITIK
72
SYSTEM: XBOX 360
HERSTELLER: ELECTRONIC ARTS
GENRE: ECHTZEITSTRATEGIE
RELEASE: ERHÄLTLICH
ONLINE: JA
Angst prägt den Spieler, bevor er die DVD zu „Der Herr der
Ringe: Die Schlacht um Mittelerde 2“ in die Xbox 360 wirft. Allerdings nicht etwa Angst vor den grausamen Schergen von
Sauron, sondern die Furcht davor, dass der Transfer eines erfolgreichen Echtzeitstrategietitels vom PC auf die Xbox 360 zu
einem epischen Desaster geworden ist. Bereits nach wenigen
Spielminuten jedoch Entwarnung: Hier haben sich die richtigen
Leute die richtigen Gedanken gemacht. Gerade die Steuerung
funktioniert erstaunlich gut und ermöglicht es, bereits nach
kurzer Zeit die wichtigsten Kommandos sicher und nachvollziehbar auszuführen. Wer allerdings denkt, er könne ohne viel
Auseinandersetzung mit dem im Detail dann doch ziemlich
umfangreichen System langfristig bestehen, der ist auf dem
Holzweg. „Der Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde 2“
ist ein hochkomplexes Strategiespiel, das wesentlich mehr Anforderungen an die Button-Konfigurations-Merkfähigkeit eines
Spielers stellt als jedes andere Spiel für die Xbox 360.
Doch die Auseinandersetzung lohnt sich – und nicht nur für
Fans des Genres. Allein der Einzelspielermodus bietet Spaß
und herausfordernde Missionen für viele Tage. Auf dem höchsten der drei Schwierigkeitsgrade (der aber erst als kampferprobter Könner angangen werden sollte) sind taktische Fähigkeiten und die perfekte Beherrschung der Steuerung nötig, um
den cleveren Gegner in die Knie zu zwingen. Wahlweise darf
man in der Einzelspielerkampagne die Guten oder die Bösen
spielen. In der Dialektik vonn Herr Tolkien also entweder einen
strahlenden oder einen dunklen Helden ins Feld führen. Als
spielbare Helden stehen alle üblichen Verdächtigen zur Verfügung. Sie lassen sich in den Kampagnen zu wahrhafter Größe
und Kampfkraft heranzüchten.
Die Einzelspielerkampagne entspricht inhaltlich der im März
erschienen PC-Version und ist das beste Training, um sichere
Padkontrolle zu erlangen und Strategien für den Onlinekampf
zu testen. Im Prinzip dreht sich natürlich alles immer wieder um das Aufbauen von Armeen und deren Fähigkeiten, das
Ausbauen der eigenen (frei platzierbaren) Basis und um die irgendwann zwingende Konfrontation mit dem Gegner. Von der
CPU gesteuert verhält sich dieser nicht selten clever und ist
schwer ausrechenbar. Richtig fies allerdings wird es erst, wenn
„Der Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde 2“ online gegen „echte“ Gegner gezockt wird. Fünf Spielmodi hält der eigens entwickelte Xbox-Live-Part bereit: Versus, King of the
Hill, Capture and Hold, Resource Race und Hero vs. Hero. Bis
zu vier Spieler können gegeneinander antreten, entweder jeder
gegen jeden oder zu zweit in Teams. (CG)
CHRISTIAN GACA
IM STRATEGO-GENRE TUT SICH WAS – ENDLICH!
Stratego-Fans ohne PC mussten lange Zeit ausharren. „Command &
Conquer“ oder „Age of Empires“, die letzte Generation guter Echtzeitstrategiespiele liegt schon lange im virtuellen Grab und ruht in
Frieden. Mit „Der Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde 2“ tut sich
nun – endlich – etwas im Genre. Und obwohl das Spiel „nur“ eine Umsetzung der PC-Version ist, siegt es auf ganzer Linie. Tolle Grafik, sehr
intuitive Steuerung, abwechselungsreiche Kampagnen im Einzelspielermodus und eine fabelhafte Xbox-Live-Anbindung machen das Spiel
zu einem Must-Have. Allerdings sollte man etwas Zeit mitbringen, gerade als Genreneuling oder Gelegenheitsstratege. Denn die Komplexität der Steuerung im Detail fordert erhöhte Aufmerksamkeit. Wer sich
die Zeit nimmt und Tribut zollt, wird mit vielen Stunden erstklassiger
Unterhaltung im wunderbar inszenierten Tolkien-Universum belohnt.
HALF LIFE 2:
EPISODE 1
73
Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis auch bei Games
der Spielspaß in Serie salonfähig wird. Der Erfolg von modernen TV-Formaten wie „24“, „Six Feet Under“ oder „Desperate
Housewives“ hat es vorgemacht. Mit Hilfe der digitalen Distributionskanäle streben nun Studios wie Valve oder aber die Macher von „Battlefield 2“ danach, Projekte in mehreren Teilen zu
veröffentlichen. Der Nutzen für die Entwickler ist klar: Durch
das Häppchenformat können Investitionen eingespielt und die
Technik kontinuierlich verbessert werden. Der Spieler soll auf
der anderen Seite von seinem Lieblings-Franchise nicht nur
alle paar Jahre, sondern im Abstand von wenigen Monaten etwas Neues in die Hände bekommen.
Klar freut sich jeder, statt nach sieben Jahren nun schon nach
18 Monaten mit Gordon Freeman in die Welt von „Half Life“ zurückzukehren. Doch ein knapp vierstündiges Intermezzo wie
„Half Life 2: Episode 1“ befriedigt die Sucht nur vorübergehend.
Die neuen Grafikeffekte und vor allem die ständige, umwerfend
charmante Begleiterin Alyx sorgen zwar von Anfang an für Begeisterung. Doch neue Waffen, innovative Spielelemente und
Aufsehen erregende Gegner finden sich leider keine. Der Beginn mit der Rettung durch die Vortegons und die ersten Szenen mit Alyx sind zumindest erzählerisch hervorragend gelöst.
Spielerisch wurden die Physik-Rätsel in der Zitadelle zu sehr
in die Länge gezogen, erst am Ende stimmt die Mischung wie-
der und es wird viel Abwechslung geboten. Der maßgebliche
Motivationsfaktor ist und bleibt Alyx. Dank weiter verbesserter
Technik wirkt die ständige Begleiterin noch lebensechter und
es macht richtig Spaß, sie beim Agieren zu beobachten. Doch
nicht nur äußerlich gibt sie eine perfekte Figur ab. Auch ihre
Künstliche Intelligenz setzt Zeichen. Erstmals hat man wirklich
das Gefühl, mit einem lebenden Partner durch die Levels zu
ziehen, der nicht nur vernünftig schießt, sondern auch Gordon
immer zum Lachen bringt. Dieses Zusammenspiel kann man
getrost als einzige wirkliche Innovation von „Half Life 2: Episode 1“ bezeichnen. Der neue Gegnertyp, eine Kombination aus
Combine und Zombie, bietet kaum Überraschungen und erinnert zu stark an die schnellen Zombie-Kollegen.
Auch bei der Optik gibt es vor allem für Besitzer von „Lost
Coast“ kaum Überraschungen. Trotzdem ertappt man sich immer wieder beim Staunen, denn sowohl bei den Effekten, als
auch bei der Architektur und der Bildkomposition haben die
Designer erstaunliches geleistet. Jeder Level wirkt wie aus
einem Guss. Die einzelnen Details fügen sich perfekt zusammen und lassen all die guten Erinnerungen an den Vorgänger
wach werden. (KM)
KRISTIAN METZGER
VERLIEBT IN ALYX
Kunstfiguren wie Lara Croft haben mich immer kalt gelassen, doch bei
Alyx war es Liebe auf den ersten Blick. Die Dame besitzt nicht nur einen entwaffnenden Humor und eine fantastische Ausstrahlung, sondern außerdem eine solch einmalige Mimik, dass man schnell vergisst,
dass sie nicht aus Fleisch und Blut ist. Wenn sie erschöpft an die Wand
sinkt, möchte man ihr aufhelfen, sie umarmen und ihr sagen, dass alles wieder gut wird. Dieses Erlebnis macht „Half Life 2: Episode 1“ trotz
vieler Wiederholungen einmalig und ist ganz sicher auch 20 Euro wert.
Trotzdem bleibt der Spieler unbefriedigt zurück, denn kaum wurde
„Half Life“-Atmosphäre geschnuppert, ist der ganze Spuk auch schon
wieder vorbei. Ich hoffe, die nächste Episode kommt etwas zügiger,
denn die Entzugserscheinungen sind kaum auszuhalten. Ach so: Alyx,
ich liebe dich!
KRITIK
SYSTEM: PC
HERSTELLER: VALVE, ELECTRONIC ARTS
GENRE: EGOSHOOTER
RELEASE: ERHÄLTLICH
ONLINE: JA
LOCO ROCO
PRÄDIKAT
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KRITIK
74
SYSTEM: PSP
HERSTELLER: SONY
GENRE: GESCHICKLICHKEIT
RELEASE: ERHÄLTLICH
ONLINE: NEIN
Ein Meteorit aus dem Weltall, finstere Invasoren und ein Einzelkämpfer, der die Welt retten muss – eigentlich alles Zutaten
für einen klassischen Science-Fiction-Shooter. Doch Sony hat
daraus eine psychedelische Mischung aus „Katamari Damacy“, „Super Mario World“ und „Yoshi’s Universal Gravitation“
gemacht. Denn die bösen Außerirdischen sind keine finsteren Monster, sondern fliegende, schwarze Wischmops, die mit
Vorliebe so genannte Loco Rocos essen. Die knuffigen Wesen
scheinen gegenüber der Invasion der Moiyas hilflos zu sein.
Dabei wollen sie doch nur den ganzen Tag spielen und singen.
Nun schließen sie sich zusammen, um ihren Planeten vor dem
Untergang zu retten.
Das Spielprinzip ist dabei wie jede gute Idee einfach und fesselnd. In der Mitte des Bildschirms grinst dem Spieler ein singender Klops in einer bunten 2D-Umgebung entgegen, der nur
dadurch bewegt werden kann, dass die komplette Umgebung
gekippt wird. Mit einem Druck auf eine Schultertaste setzt sich
der Loco Roco der Schwerkraft folgend in Bewegung. Durch
das gleichzeitige Drücken beider Knöpfe springt die Kugel. Nun
muss man im Prinzip nur das Ende des Levels erreichen, ohne dass spitze Gegenstände oder aber die Moiyas den Umfang
des Loco Rocos dezimieren. Durch das Verspeisen von Blumen
wächst der kleine zu einem riesigen Klops heran. In bestimmten Situationen muss der Klops-Haufen dann wieder geteilt
werden, um versteckte Passagen zu erreichen oder sich durch
Engpässe zu drücken. Zusätzlich zu diesen Grundfunktionalitäten gibt es viele kleine, gelungene Spielelemente, die aus
diesem einfachen Spiel ein Wunder aus Abwechslungsreichtum und Spielwitz machen.
Dabei wird aber nicht nur spielerisch erstklassiges Design geboten. Die wirklich einmalige, niedlich-stylische Präsentation macht aus den spaßigen Geschicklichkeitsübungen erst ein
doch ziemlich perfektes Meisterwerk. Die zweidimensionale
Comic-Grafik ist nämlich nur auf den ersten Blick anspruchslos. Vor allem der Loco Roco selbst begeistert mit witzigen Animationen und gelungenen Partikel-Effekten. Der Klops passt
sich organisch dem Untergrund an, wird durch einen speziellen
Vogel in die verschiedensten Formen gepresst und singt dabei ununterbrochen die eingängige Hintergrundmusik. Bei bestimmten Aufgaben wird diese Darbietung aber nochmals um
Längen übertroffen. Wenn die hilfreichen Bewohner geweckt
werden müssen, teilt sich der Loco Roco in seine Bestandteile und die Truppe schmettert ein herzerweichendes Liedchen.
Das ist so urkomisch, dass man selbst beim zehnten Mal noch
herzhaft lachen muss. (KM)
.
KRISTIAN METZGER
MEIN FREUND DER SINGENDE KLOPS
Nicht nur wegen meines eigenen Körperumfangs habe ich die Loco
Rocos sofort ins Herz geschlossen. Die kleinen, kugelrunden Kerle
überzeugen nicht nur mit ihrem hohen Showwert, sondern auch mit
einem genial einfachen Spielprinzip. Schon nach wenigen Minuten ist
die Steuerung ins Blut übergegangen, die kniffligsten Manöver gelingen aber erst nach einigen Stunden. Vorbildlich auch die ständige Erweiterung mit neuen Elementen. Selbst im letzten Spieldrittel sorgen
immer wieder neue Herausforderungen für Abwechslung. Kombiniert
mit der knuffigen Präsentation bietet der Titel alles, was sich ein Fan
ungewöhnlicher Spielkonzepte wünscht. Selbst überzeugte Nintendo-DS-Fans dürften erstmals wirklich neidisch zur PSP rüberschauen.
PSP-Besitzer freuen sich, dass Sony endlich mal wieder einen echten
System-Seller veröffentlicht.
NEW SUPER
MARIO BROS.
75
Dass Nintendo über die Jahre nicht nur eines der innovativsten,
sondern auch eines der markenbewusstesten Unternehmen
geblieben ist, beweisen der immer wiederkehrende Klempner
Mario und seine Gefolgschaft. Die guten Gene der KlassikerVersionen von „Super Mario Bros. 3“ oder „Super Mario World“
wurden nun genommen und neu zusammengemixt, zu „New
Super Mario Bros.“. Resultat ist ein klassischer Jump’n’RunTitel, spielerisch beheimatet in der zweiten Dimension, optisch aber mit wunderbaren 3D-Charakteren verziert. Mario
und seine Gegner sind nicht mehr „nur“ kleine Pixelhaufen,
sondern erwachsen gewordene Spielecharaktere, die detailreich animiert durch die frisch designten Levels flitzen. Acht
Welten gilt es zu bezwingen, um Prinzessin Toadstool aus den
Fängen des ewigen Widersachers Bowser zu befreien. Schnellspieler merken dabei schnell, dass sie nach dem Durchspielen
höchstens 70 Prozent der Levels überhaupt betreten haben.
Der Rest lässt sich nur durch intensives Suchen nach versteckten Warp-Röhren in den Levels betreten. Zweite Möglichkeit ist
das Sammeln großer Münzen, die in den Levelauswahlmenüs
versteckte Wege eröffnen. Zudem gibt es einen wirklich tollen
Versus-Modus, in dem zwei Spieler mit Mario und Luigi gegeneinander antreten. Vieles kommt alten Hasen trotzdem mehr
als nur bekannt vor. In der Tat sind komplette Levelsequenzen
konzeptionell den alten Titeln entliehen. Gen Ende warten aber
auch völlig neue Level, die qualitativ genauso ausgeklügelt daherkommen, wie ihre alten Bekannten. Mario selbst verhelfen
nun Sprünge gegen Wände zu neuen Höhen, auch die beliebte
Arschbombe zum Stein zerstören fehlt nicht. Die Drogenanalogie der Mario-Brüder ist bekannt und wird durch den Einsatz
der neuen Supersize-Mushrooms untermauert. Der Konsum
dieser orangefarbenen Riesenpilze sorgt dafür, dass Mario
selbst temporär zum Riesen wird und in bester Godzilla-Manier grandios animiert durch die Level wütet und alles niederstampft. Bis auf diese große Neuerung sind es zumeist kleine
Modifikationen, die das fast perfekte Gameplay vorantreiben.
Solcherlei Kleinigkeiten allerdings machen „New Super Mario
Bros.“ eben auch besonders gut. Klappt man den Nintendo DS
einfach zu, schaltet er in den Stromsparmodus und Mario verabschiedet sich artig mit einem „Bye Bye“. Klappt man ihn auf,
flötet er einem ein fröhliches „It’se me … Mario“ entgegen. (CG)
CHRISTIAN GACA
ALTE BRÜDER IM ZEITGEMÄSSEN GLANZ
Einem gestandenen Mario-Fan kommen viele Sequenzen von „New Super Mario Bros.“ natürlich zwangsläufig sehr bekannt vor. Been there,
done that. Kaum ein Spiel habe ich intensiver erlebt als „Super Mario
World 3“ und das erste Mario für den Gameboy. Im Remake für den DS
finden sich starke Anleihen aus beiden Titeln, sowohl beim Gameplay als
auch in Sachen Optik. Dennoch ist „New Super Mario Bros.“ ein eigenständiges, ein tolles Spiel. Zwar macht es vom Dual- und TouchscreenPrinzip des DS wenig Gebrauch, was sich ehrlich gesagt aber auch eher
nicht aufdrängt. Dafür wird die Rechenpower des kleinen DS (den es übrigens seit kurzem in der wahrhaft superschicken Lite-Version gibt) ausgereizt, um die alten Brüder in einem zeitgemäßen Glanz erstrahlen zu
lassen. Trotz wenig substanziell Neuem ein grandioses Spiel, das sich
wie kaum ein anderes dafür eignet, mobil gezockt zu werden.
KRITIK
SYSTEM: NINTENBDO DS
HERSTELLER: NINTENDO
GENRE: JUMP’N’RUN
RELEASE: ERHÄLTLICH
ONLINE: NEIN
GTA: LIBERTY
CITY STORIES
KRITIK
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SYSTEM: PLAYSTATION 2
HERSTELLER: ROCKSTAR GAMES
GENRE: ACTION-ADVENTURE
RELEASE: ERHÄLTLICH
ONLINE: NEIN
Damals, GTA am PC - das war groß! Welche unbeschreiblichen
Gefühlswelten durchlebte ich, wenn der gelbe Flitzer in die
Jogger-Sekte brauste. Natürlich ist das schon lange her. Hiernach platzierte Take 2 einen Verkaufsschlager nach dem anderen in den Charts, aber ich schaute großzügig über die vermeintliche dreidimensionale Mode-Erscheinung hinweg. Mit
dem ersten mobilen Abenteuer riskierte ich einen Blick auf
Grand Theft Auto: Liberty Stories. Es fühlte sich nett an, aber
die Steuerung mit dem Analog-Knubbel der PlayStation Portable konnte keinen Blumentopf gewinnen. Den Geldmachern
von Take 2 muss man dafür danken, dass die PSP-Version des
zu ihren Wurzeln auf die PS 2 zurückkehrt.
Mein erstes Mal, und nach nicht mal fünf Minuten bekomme
ich alte Vorurteile über PS2 taufrisch um die Ohren gehauen zu
bekommen. Vor allem optisch schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Nach anfänglichem Frust fand ich allerdings erstaunlich schnell Zugang in die kleine, große Welt von Liberty City. Der Stadtteil Portland, in dem ich völlig ungezwungen
meine Karriere bei der Leone Familie startete, bewies, dass
die Anzahl der Polygone und Atmosphäre keinesfalls im Zusammenhang stehen müssen. Unerwartete Detailverliebtheit
überraschte mich an vielen Stellen. Ich meine keineswegs die
Fähnchen, Mülleimer und Hydranten. So etwas bekommt jeder
leicht in eigene Produkte kopiert. Ein übersichtlicher und dennoch abwechslungsreicher Stadtaufbau ist dafür etwas besonders. Ich könnte dröge vom Leveldesign sprechen, aber in dem
Moment, wo ich mich dabei ertappe, einfach nur mit der Harley
und den Radioklängen von Flashback FM im Ohr dem Sonnenuntergang entgegen zu reiten, ist klar, dass solche Worte dem
Spiel nicht gerecht werden.
Die Geschichten tragen übrigens auch zum gelungenen Spielgefühl bei. Ans Herz gewachsen ist mir Maria, ein lebhaftes
Mädchen. Ihr Kerl, ein alter Fettsack namens Salvatore, sagte
einmal über sie: „Ich wollte eine Schlampe, bekommen hab‘
ich eine Nutte.“ Maria braucht vermutlich nur jemanden, mit
dem sie über ihre Probleme reden kann. Ich helfe ihr da gern.
Ihr Mann ist Obermacker bei den Leones. Dem helfe ich ebenfalls ab und zu aus. Irgendwann werfe ich den ganzen Mist hin,
raube Maria und gründe meine eigene Familie. Bestimmt. (ME)
MARTIN EISER
SPIEL FÜR DEN KERN, SPIEL FÜR DIE MASSE
Ein Spiel für den Kern, ein Spiel für die Masse. Es gibt so irrsinnig viele
Elemente, die positiv auffallen, wie zum Beispiel das grandiose Radio
oder der praktische Vorteil, sich bei Versagen direkt mit dem Taxi vom
Kitchen oder Krankenhaus zum Missionsanfang fahren zu lassen. Das
sind Dinge, die erst angekreidet werden, wenn sie in einem anderen
Spiel fehlen. Mich hat lediglich gestört, dass ich Gebäude nicht einfach
betreten konnte, auch wenn ich gern wollte. So war eben die Straße mein
Zuhause. Die Grafik ist mir inzwischen ehrlich gesagt Schnuppe. Und nur
ein paar freie Minuten reichen, um täglich ein paar Runden zu drehen
oder die andere oder andere Aufgabe zu erfüllen – bis irgendwann alle
Geschichten erzählt sind. Früher habe ich Freunde für derartige Banalitäten wie „Cruisen“ verurteilt. Aber es wirkt. GTA: Liberty City Stories
gehört angespielt. Mindestens!
LIVE ARCADE
77
PAC-MAN NAMCO/BANDAI, JULI 2006
Der zweite Nochmal-Re-Release-Kandidat von Namco ist
„Pac-Man“. Auch hier gilt: absolut gar nichts Neues los in PacLand. Dummerweise wurde nicht einmal ein Mehrspielermodus eingebaut, für den alleine vermutlich nicht nur ich gerne
800 Points bezahlt hätte. So frisst man wie gehabt alleine Dot
für Dot weg und flüchtet vor den nimmermüden Geistern, die
Level um Level agiler und penetranter werden. So kann sich
der geneigte Zocker der Jagd nach dem perfekten Spiel widmen: 255 Level ohne jemals gefressen zu werden, dabei alle
Boni einsammeln und jeden blauen Geist fressen. Wer schnell
ist, braucht dafür unter vier Stunden. Viel Glück! (CG)
CLONING CLYDE NINJABEE, JULI 2006
Die traurige Geschichte von Klonschaf Dolly muss die Programmierer bei Ninjabee inspiriert haben zu diesem gefälligen kleinen Plattform-Sidescroller. Held Clyde wird bei einer
Laborführung Opfer einer mysteriösen Explosion, die ihn gleich
dutzendfach vervielfacht. Fortan muss er gemeinsam mit
seinen (allesamt spielbaren) Verdoppelungen das geräumige
Labor von absurden Beaufsichtigungsmaschinen befreien und
bekloppte Superheldenpuppen einsammeln. Bemerkenswert
an dieser eigentümlichen Mischung aus „Lemmings“ und
„Prince of Persia“ sind vor allem die schräge Grafik und der
noch schrägere Humor. (CG)
KRITIK
GALAGA NAMCO/BANDAI, JULI 2006
Live Arcade wird besonders von der Xbox-Generation 30+
ausgiebig genutzt. Zumindest lässt die Output-Strategie von
Microsoft diesen Schluss zu. Mit „Galaga“ ist einer der absoluten Spielhallen-Münzfresser in der Pipeline. Einen besonderen
Mehrwert im Vergleich zur Originalversion bietet das Spiel
nicht. Namco hat einfach den horizontalen 9:16-Screen auf die
Xbox transferiert und drum herum einen bunten Hintergrund
gemalt – das war’s. Trotzdem ballert man sich mit „Galaga“
sofort wieder in Ekstase. Vielleicht genau weil es einfach so ist
wie immer. Wildes Getippe auf dem Schuss-Button inklusive,
Fingerkuppen ade! (CG)
Backissues
Ausgabe: MÄRZ [2005]
Thema: Rennspiele
Ausgabe: APRIL [2005]
Thema: Mobile Gaming
Ausgabe: MÄRZ-APRIL [2006]
Themen: Strategie + Joystick
Ausgabe: JANUAR [2005]
Thema: Egoshooter
Ausgabe: OKTOBER-NOVEMBER [2005]
Themen: Design + Lifestyle
Ausgabe: DEZEMBER-JANUAR [2005]
Themen: Next-Generation + Film
Ausgabe: DEZEMBER [2004]
Thema: Abenteuer
Ausgabe: MAI-JUNI [2005]
Thema: Rollenspiele
Ausgabe: MAI-JUNI [2006]
Themen: Sport + Geschicklichkeit
NACHBESTELLUNG
78
Wer eines der kostbaren [ple:]-Hefte am Kiosk verpasst hat,
darf sich vetrauensvoll an uns wenden. Gerne verschicken wir
auf Anfrage die älteren Hefte, solange sie denn noch vorrätig
sind. Kostet 4 Euro inklusive Versand pro Heft.
Wer nun bestellen möchte: Es reicht eine E-Mail mit eigener
Adresse und unter Angabe der gewünschten Hefte an info@
play-magazin.de zu schicken, Betreff: Heftversand. Wenn die
Hefte angekommen sind, bitte einfach das Geld auf das in der
Antwortmail angegebene Konto überweisen.
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Teilnahmebedingungen und Preisen**, sowie weitere hilfreiche Trainingstipps, Hintergründe und Features findest du im Internet unter:
www.rockstargames.de/tischtennis
12.08.2006
Berlin, Hamburg, Zürich
* Quelle: GfK Media Control
** Aufgrund regionaler Rechtssprechung muss bei dem Turnier in Wien von Verlosung bzw. dem
Gewinn von Preisen abgesehen werden.
19.08.2006
Dresden, Leipzig
PRÄSENTIERT VON:
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