Kommunikation macht Führung(skraft)
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Kommunikation macht Führung(skraft)
50 Kommunikation macht Führung(skraft) Erfolgreiches Change-Management durch gute interne Kommunikation Kaum eine Branche ist derzeit so dynamisch wie der Energiemarkt. Konstant ist allein die Veränderung. In den Belegschaften machen sich Verunsicherung und Ängste breit. Erfolgreiche Unternehmen fangen diese durch ehrliche interne Kommunikation auf, die Unternehmensstrategien, Risiken und Chancen glaubwürdig vermittelt. Dabei müssen sie neue Wege gehen. Denn das veränderte Kommunikationsverhalten der Generation Y und deren hoch gesteckte Erwartungen lassen einst erfolgreiche Kommunikationsformen scheitern. Von Elke Vorholt, Geschäftsführende Gesellschafterin von LAB & Company wende zu machen und als Porsche in die Gegenrichtung zu rasen: Jahrzehnte galt der Markt als sicher und wettbewerbs- Veränderungsprozesse kommunikativ zum Erfolg führen arm. Das hat sich mit der Liberalisierung fundamental ins Gegenteil verkehrt. Und die Beifahrer im Porsche, nämlich die Belegschaften, Der Energiemarkt verhält sich wie ein Lastwagen, der hunderte Kilo- begreifen vielfach noch immer nicht recht, was da gerade passiert meter langsam geradeaus gefahren ist, um unvermittelt eine Kehrt- ist. Die Energieversorger stehen derzeit unter einem enormen Ver- Heft 5| 1 4 51 änderungsdruck. Der Wettbewerb ist scharf, der Kostendruck steigt, Veränderungen überhaupt zu erkennen, aber auch Zugriff auf ein ge- Personalanpassungen und veränderte Arbeitsbereiche sowie Prozesse eignetes Kommunikationsinstrumentarium zu haben. prägen die Branche. Unternehmensleitung sollte kommunikationsfreudig sein Dieser Druck sorgt bei manchen Marktteilnehmern für Euphorie und Gefragt ist eine starke, kommunikationsfreudige Unternehmenslei- Aufbruchstimmung. Häufiger sorgt jedoch bereits die Ankündigung tung mit unternehmerischem Willen, Einfühlungsvermögen und von Veränderungen für Verunsicherung. Das Resultat ist vielfach Ver- Durchsetzungskraft. Gefordert sind Führungskräfte, die bereit sind, ärgerung, Angst um den Arbeitsplatz und ein Betriebsklima im Sturz- deutlich mehr Zeit als früher in die Kommunikation mit ihrer Mann- flug. Insofern ist es kaum verwunderlich, dass die Fluktuation bei schaft zu investieren. Denn vor allem sie haben großen Einfluss auf Führungskräften und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Erfolg oder Misserfolg von Veränderungsprozessen, die entsprechend vergangenen Jahren drastisch gestiegen ist. moderiert werden müssen. Befragt nach ihrer Motivation zum Wechsel, nennen Führungskräfte Führungskräfte und Mitarbeiter nehmen die Qualität der Informa- der Energiewirtschaft vor allem einen Grund: Sie können die Strategie tionen bei Veränderungsprozessen en sehr unterschiedlich war. ihres Unternehmens oder die Vorgaben für ihren jeweiligen Geschäfts- Die Unternehmensberatun g Mutaree hat vor zwei Jahren in ihrer bereich nicht nachvollziehen oder halten diese nicht für zielführend. „Change-Fitness-Studie“ herausgefunden, dass sieben von zehn Häufig liegt das jedoch weniger daran, dass Strategien oder Vorgaben Führungskräften glauben, ihre Kommunikation zu den Risiken von falsch wären, sondern daran, dass sie nicht oder unverständlich kom- Veränderungsprozessen sei umfassend gewesen. Diese Meinung teilt muniziert werden. Der Flurschaden ist beträchtlich. Denn dadurch indes nur jeder dritte Mitarbeiter. 56 Prozent der Unternehmensver- zerstören die Energieversorger in kürzester Zeit das Vertrauen der antwortlichen gehen davon aus, dass ihre Führungsebene in der Lage Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das sie über Jahre durch kontinu- sei, Mitarbeiter für kommende Veränderungen zu begeistern. Auf Mit- ierliche und enge Zusammenarbeit, Weiterbildungs- und Teambil- arbeiterebene stimmten dem jedoch nur 26 Prozent zu. Ähnlich sieht dungsmaßnahmen gewonnen haben. Außerdem haben sie es auch es bei der Einschätzung laufender und abgeschlossener Change-Pro- schwer, mit ihren Recruiting-Maßnahmen geeignete neue Mitarbeiter zesse aus: 58 Prozent der Führungskräfte sind davon überzeugt, ihre zu finden, solange sie keine plausiblen, verständliche Visionen und Mitarbeiter optimal in alle Prozesse einzubinden, lediglich 28 Prozent Strategien vermitteln können. der Mitarbeiter denken genauso. Generation Y erfordert andere Kommunikation Wie aber lassen sich Mitarbeiter kommunikativ erreichen und damit halten? Führungskräfte befinden sich häufig in einem Dilemma – Der internen Kommunikation kommt in diesen Zeiten eine immer nämlich immer dann, wenn sie die personifizierte Knautschzone zwi- wichtigere Schlüsselrolle zu – und wird zunehmend komplizierter schen Unternehmensleitung und Mitarbeitern darstellen und beiden und komplexer. In stabilen Zeiten war es vergleichsweise leicht, zwi- Seiten gerecht werden wollen. Im Rahmen des Veränderungsprozes- schen guter und schlechter Kommunikation zu unterscheiden. Das hat ses müssen sie alle Mitarbeiter mitnehmen – von gestandenen Prak- sich mit den Finanzkrisen der New Economy und der Lehman-Pleite, tikern über hoch spezialisierte Fachkräfte, engagierte Neueinsteiger dem Heranwachsen der Generation Y und mit neuen und populären und Teilzeitkräfte. Jeder von ihnen besitzt einen unterschiedlichen elektronischen Kommunikationsformen grundlegend geändert. Haben Grad der Bindung ans Unternehmen, verschiedene Bedürfnisse, Be- viele Unternehmen beispielsweise früher speziell jüngere Mitarbeiter findlichkeiten und Ängste. Sich darauf individuell einzustellen, wäre über klar kommunizierte Karriereperspektiven motiviert, versuchen ein hoffnungsfroher, aber zeitraubender Versuch. Besser ist daher, sie dies inzwischen zunehmend über die Vermittlung von Sicherheit klar, umfassend und glaubhaft auf breiter Basis den gleichen Inhalt und dem Eingehen auf individuelle Bedürfnisse. Und sind etwa junge zu kommunizieren – und alle Risiken und Chancen offen aufzuzei- High-Potentials bei unternehmensrelevanten Fragen mit nüchterner gen. Dies umso mehr, als die Belegschaft ein sehr feines Gespür dafür Informationen per E-Mail oder Intranet oftmals durchaus zufrieden, besitzt, wenn ihr ein X für ein U vorgemacht werden soll. legen ältere Mitarbeiter noch immer großen Wert auf das persönliche Gespräch oder ihre geliebte Mitarbeiterzeitung. Fehler eingestehen Die Führungskraft muss die Mitarbeiter außerdem in den Verände- Was also ist der richtige Weg für erfolgreiche Kommunikation? Alle rungsprozess integrieren, um Akzeptanz und Motivation zur Mitar- prinzipiell sinnvollen Kanäle parallel zu nutzen oder sich zu redu- beit zu fördern. In der kommunikationswissenschaftlichen Literatur zieren und damit einzelnen Mitarbeitergruppen Veränderungsbereit- gilt dabei der Dreiklang: Kommunikation – Identifikation – Motivati- schaft abzuverlangen? Den unterschiedlichen Kommunikationsfor- on. Jedoch hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass die gesendete men und Bedürfnissen der Mitarbeiter zu entsprechen, ist eine große und in der Regel mit der Unternehmensleitung abgestimmte oder gar Herausforderung für Führungskräfte. Diese zu bewältigen bedingt von ihr vorgegebene Botschaft nicht verstanden wird. Die Basis für zunächst, die beschriebenen gesellschaftlichen und kommunikativen eine gelungene Kommunikation liegt daher in der Persönlichkeit der Heft 5| 1 4 52 Führungskraft. Gefragt und erfolgversprechend sind Charaktereigen- So widersprüchlich es zunächst erscheint: Ein fester, unbefristeter Ar- schaften wie Ehrlichkeit, Authentizität, Sensibilität, Überzeugungs- beitsplatz ist das von vielen erklärte Ziel. Gleichzeitig sind sie freiheits- kraft und die Fähigkeit, Fehler einzugestehen. liebend und möchten die Möglichkeit haben, auch im Job ihre Individualität auszuleben und gegebenenfalls jederzeit wieder gehen zu Der vom Marktforschungsunternehmen TNS Infratest durchgeführte können. Spätestens mit Eintritt in die Familienphase pflegen die jungen „Trendmonitor interne Kommunikation 2013“ hat die Instrumente ei- Wilden überraschend konservative Wertvorstellungen und den Wunsch ner erfolgreichen Kommunikation untersucht und bewertet darin das nach einer sorglosen, verlässlichen, bürgerlichen Zukunft. Diese Ori- persönliche Gespräch sowie das Intranet am erfolgversprechendsten. entierung können sich die Arbeitgeber durch ein nachhaltig gepflegtes Das persönliche Gespräch hat den Vorteil, dass jeder Mitarbeiter in- Unternehmens- und Führungsleitbild und positive Unternehmenskul- dividuell abgeholt wird, bedeutet jedoch einen hohen persönlichen tur zunutze machen und ihre Arbeitnehmer dauerhaft binden. Auf Ba- Einsatz der Führungskräfte. Bei der technischen Umsetzung der On- sis dieser Werteorientierung ist es für andere potenzielle Arbeitgeber line-Plattformen in den deutschen Unternehmen scheint es noch zu dann sehr schwer, solche Mitarbeiter zu einem Wechsel zu bewegen. hapern. Denn 58 Prozent der Befragten nannten den Aufbau des Intranets als eines ihrer wichtigsten Projekte zur Förderung der internen Change-Agents sollen helfen Kommunikation. Es gibt Energieversorgungsunternehmen, die das Thema Change- Kommunikationsvakuum vermeiden Kommunikation im Rahmen der persönlichen Ansprache und Kom- Besonders empfänglich für elektronische Kommunikationsformen munikation aktiv und systematisch aufgreifen. Sie setzen beispiels- sind vor allem die jungen Potenzialträger der Generation Y. Diese stel- weise auf ein Netzwerk von sogenannten Change-Agents. Hierfür len aber auch andere Ansprüche an Unternehmen und Führungskräf- werden Angestellte aus verschiedenen Abteilungen ausgebildet und te als ihre älteren Kollegen, sind technologieaffin und diskussions- eingesetzt, um die Führungskräfte bei Veränderungsprozessen zu freudig. Zwei Tage Kommunikationsvakuum sind für sie ein halbes unterstützen. Zu ihren Hauptaufgaben gehören der Austausch mit Leben, unbeantwortete Fragen inakzeptabel. Wollen Unternehmen den Kollegen, gut zuzuhören sowie die Leitung von Workshops. Die diesem hohen Anspruch, den sie häufig als überzogen empfinden, Change-Agents nehmen auch Vorschläge von Mitarbeitern auf, um gerecht werden, müssen sie nicht nur die Qualität der Information die Arbeit effektiver und effizienter zu gestalten und tragen diese ins verbessern. Vielmehr müssen sie auch die Geschwindigkeit des In- Unternehmen. Indem sie ihren Kollegen durch aktive Kommunikation formationsflusses erhöhen. Und ihre Führungskräfte müssen leichter und unter Nutzung verschiedenster Kommunikationsformate Ängste persönlich erreichbar sein. nehmen, Chancen aufzeigen und Stimmungen aufgreifen, sollen sie die Gerüchteküche auf Sparflamme halten und den Boden für Veränderungen bereiten. Über dieses Instrument werden Arbeitnehmer hierarchie- und geschäftsbereichsübergreifend persönlich abgeholt, können sich engagieren, fühlen sich eingebunden – und sitzen dann auch gerne als Beifahrer im Porsche auf dem Weg in die Zukunft. Das bedeutet für viele Führungskräfte umzudenken, ihre eigenen Verhaltensweisen zu ändern und über ihre eigenen Schatten zu springen. Schließlich befanden sie sich Jahre und Jahrzehnte in einer starken Arbeitgeberposition und haben die Weitergabe von Informationen eher als Gefälligkeit denn als Bringschuld verstanden. Gelingt ihnen aber der Umschwung im Kopf, besteht der Lohn nicht allein im Wohlwollen der Generation Y. Sie erhalten zudem ein schnelles und ungefiltertes Feedback der jungen Mitarbeiter. Die ständige Bewegung in den Bildungssystemen, der schnelle technologische Wandel sowie Veränderungen in ihrer persönlichen Umwelt und die damit verbundenen wechselnden Anforderungen, mit denen sie aufgewachsen zur Person Elke Vorholt • Jahrgang 1967 • Studium der Wirtschaftswissenschaften • seit 2010 Geschäftsführende Gesellschafterin von LAB & Company • mehr als 20 Jahre Berufserfahrung als Personalberaterin, Schwerpunkt Energiewirtschaft und öffentlicher Bereich • Mitglied im Advisory Board des Netzwerks „Women & Energy“ • vorholt@labcompany.net sind, macht sie einerseits sehr flexibel. Andererseits suchen sie nach einem Anker im Berufs- und Privatleben. Heft 5| 1 4