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Zeitschrift des Bundesverbandes der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen Mai 2011 5 >:> >@=#>@; >?8#7?8 923&$.2)&+0 6&1 36( 72(2+',.4/2 M7 HTK'S>2>:@; .56 GCJ#$!" 8w110 1:@; 4>2 E52>:610>88/6< ?>2 S>=>;81/7=B6< >:6=B@; 2>?/+:>2>6) 15 ?B11 =F2 M6?/102:>' 7>@;B6:9>2) O>:6<>2w0>7>@;B6:9>2) J>@;B0256:9>2 >0@# >:6> >=fi+:>60> /6? +:>8<>2:@;0>0> >:>"<)&+35.,3&+0 6B@; QMI 7á<8:@; :10# NB/1B/=<BA>6 :6 ?>6 D589>6% G@;F8>2.>21:56>6 „:6 0;> @85/?“ ' ?:> G@;/8> .>2-B80>0 ?:> G@;F8>28:+>6+>6 A>3/>7 /6? fl>,:A>8 FA>2 >:6 D>A' M60>2=B@># M6=51 /60>2 @6@'9>88>2#?>* <,2.4/$2.'.0 +64/ *52+ *112+ OF2 ?:> >:>"72.'2)5.,3&+0 :6 +# S# F>@;6:9>298B11>6 5?>2 J>:10>29/21>6 A:>0>6 -:2 B6142/@;1.588> P2<w6+/6<>6 B6% R'T@;1> "L5748>00A>B2A>:0/6< 7:0 B6<>02:>A>6>6 D>29+>/<>6( :7 Q2>;>6 !&$ T@;1>6 "G@;->69B@;1>6( :7 O2w1>6 =F2 HTK) NPMQPINTMI) GMPJPIG) ### %%%!4+4"-2,,2)!32 $( " # * & ! & ) & % , " 1 0.0 # * + $ & + $ * # ' /// )7 Inhalt 63. Jahrgang Mai 2011 Zeitschrift des Bundesverbandes der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen Heft 5 BLBS-AKTUELL Baden-Württemberg: Margarete Schaefer neue BLV-Vorsitzende 172 Sitzung des Bundeshauptvorstandes – BLBS stark vertreten 145 Bayern: Haushalt – Nullrunde bleibt 172 Tarifeinigung erreicht 149 NACHRICHTEN 173 THEMEN PERSÖNLICHES Felix Rauner Wechsel im Vorstand des BIBB: Friedrich Hubert Esser neuer Präsident 174 LITERATUR 175 Parallele Bildungswege – eine durchlässige Architektur für den beruflichen Bildungsraum: Thesen 149 Hilmar Grundmann Fehlende Bildungsidee als wichtigste Ursache für kritische Entwicklungen in unserem Bildungsbzw. Ausbildungssystem 152 Georg Rothe Zur Zukunftsfähigkeit der Berufsbildung in Deutschland 157 UNTERRICHT Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen unterrichten ideenreich und innovativ. Manuel Diegmann, Christian Czybulka Berufs- und schulformübergreifender projektorientierter Unterricht in der beruflichen Erstausbildung 165 Machen Sie Ihre Erfahrungen für Kolleginnen und Kollegen zugänglich: In der Rubrik „Unterricht“ der BbSch NACHRICHTEN AUS DEN LÄNDERN Bayern / Baden-Württemberg: Vereinbarung unterzeichnet Aus der Praxis für die Praxis 172 Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 143 Impressum Die berufsbildende Schule Zeitschrift des Bundesverbandes der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen Schriftleitung: Aufsätze (Themen, Unterricht), Diskussion, Literatur – Geschäftsführung: Professor Dr. Andreas Schelten Lehrstuhl für Pädagogik, Technische Universität München, Lothstraße 17, D-80335 München Telefon (0 89) 28 92 42 77, Fax (0 89) 28 92 43 13 E-Mail: schelten@tum.de http://www.paed.edu.tum.de Berichte, Nachrichten, Recht, Veranstaltungen, Persönliches: Oberstudiendirektor Heiko Pohlmann Kapellenstraße 82, D-82239 Alling Telefon (0 81 41) 81 85 24, Fax (0 81 41) 5 37 24 05 E-Mail: pohlmann.heiko@t-online.de Autoren/Autorinnen dieses Heftes: Rauner, Felix, Dr., Prof., FG Berufsbildungsforschung (i:BB), Universität Bremen, FB 1, Leobener Straße, 28359 Bremen, E-Mail: rauner@uni-bremen.de Grundmann, Hilmar, Dr., Prof. (em.), Universität Hamburg, Fachbereich Erziehungswissenschaft, Institut für Didaktik der Sprachen, Von-Melle-Park 8, 20146 Hamburg, E-Mail: Hilmar.Grundmann@uni-hamburg.de Rothe, Georg, Prof., Ordinarius für Berufspädagogik (em.), Universität Karlsruhe (TH), Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften, Leiter der Projektgruppe Vergleichende Berufspädagogik, Calmbacher Straße 26, 75328 Schömberg, E-Mail: H.Maus@t-online.de Diegmann, Manuel, StR, Dipl.-Ing. (FH), Dipl.-Berufspäd., BBS-ME der Region Hannover, Otto-Brenner-Schule, Lavesallee 14, 30169 Hannover, E-Mail: diegmann@bbs-me.de Czybulka, Christian, StR, Dipl.-Ing. (FH), Dipl.-Berufspäd., BBS-ME der Region Hannover, Otto-Brenner-Schule, Lavesallee 14, 30169 Hannover, E-Mail: czybulka@bbs-me.de Pohlmann, Heiko, OStD, Kapellenstraße 82, 82239 Alling, E-Mail: pohlmann.heiko@t-online.de Bonz, Bernhard, Dr., Prof., Paracelsusweg 17, 75378 Bad Liebenzell, E-Mail: Bernhard.Bonz@uni-hohenheim.de Hümmer, Robert, B. A., Pfeuferstraße 10, 96047 Bamberg, E-Mail: robert.huemmer@gmail.com Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers oder der Schriftleitung wieder. Offizielle Äußerungen des Bundesverbandes der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen werden als solche gekennzeichnet. Herausgeber: Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen (BLBS), Geschäftsstelle: Friedrichstraße 169/170, 10117 Berlin, Telefon (0 30) 40 81-66 50, Fax (0 30) 40 81-66 51, Internet: www.blbs.de, E-Mail: verband@blbs.de Vorsitzender: Oberstudiendirektor Berthold Gehlert, E-Mail: Berthold.Gehlert@t-online.de Verlag: dbb verlag GmbH, Friedrichstraße 165, 10117 Berlin, Telefon (0 30) 7 26 19 17-0, Sparkasse Köln/Bonn, Konto 21 006 903, Commerzbank Berlin, Konto 073 399 800. Versandort: Geldern. Auflieferort: Duisburg. Herstellung und: Anzeigenverwaltung dbb verlag GmbH, Friedrichstraße 165, 10117 Berlin, Internet: www.dbbverlag.de, E-Mail: kontakt@dbbverlag.de. Anzeigenverkauf: dbb verlag gmbh, Mediacenter, Dechenstr. 15 A, 40878 Ratingen. Christian Hollenbeck, Telefon (0 21 02) 7 40 23-7 13, Fax (0 21 02) 7 40 23-99 Anzeigenschluss: 6 Wochen vor Erscheinung. Druckauflage: 20.000 Exemplare Es gilt Anzeigenpreisliste Nr. 48, gültig ab 1. 10. 2010. ISSN 0005-951X. Erscheinungsweise Die Zeitschrift erscheint 10-mal jährlich. Bezugspreis jährlich 32,90 Euro, Einzelheft 3,60 Euro, jeweils zuzüglich Porto. und Bezug: Bestellungen bei Buchhandlungen oder dbb verlag GmbH, Friedrichstraße 165, 10117 Berlin. Für Mitglieder des Bundesverbandes der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten. Abonnementskündigungen müssen bis zum 10. Dezember beim dbb verlag GmbH, Friedrichstraße 165, 10117 Berlin, eingegangen sein, sonst muss der Bezugspreis für das nächste Jahr bezahlt werden. Einsendungen: Manuskripte und Leserzuschriften zu den Rubriken der Zeitschrift sind an den jeweiligen Schriftleiter zu senden. Unaufgefordert eingesandte Bücher werden nicht zurückgeschickt. Zum Titelbild: Siehe den Beitrag „Berufs- und schulformübergreifender projektorientierter Unterricht in der beruflichen Erstausbildung“, S. 165 ff. (Gestaltung des Titelbildes: Jutta Köhler) 144 Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 BLBS-aktuell > BLBS-aktuell Sitzung des Bundeshauptvorstandes BLBS stark vertreten Bei den 16. Hochschultagen Berufliche Bildung, die vom 23. bis 25. März 2011 in Osnabrück stattgefunden haben, war der Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen (BLBS) stark vertreten. In einem eigenen Workshop und bei weiteren Fachtagungen waren Vertreter des Bundesvorstands als praxiserfahrene Referenten gefragt. Unter dem Motto: „Übergänge in der Berufsbildung nachhaltig gestalten: Potenziale erkennen – Chancen nutzen“ fanden unter der Federführung des Instituts für Erziehungswissenschaft, Fachgebiet Berufs- und Wirtschaftspädagogik, diese von ca. 1.500 Teilnehmern sehr gut besuchten Hochschultage statt. Dabei stand bei der Eröffnungsveranstaltung das Problem des weithin bekannten Übergangssystems von allgemeinbildenden Schulen in die Berufsausbildung besonders im Rampenlicht. Der diesjährige Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK) und Kultusminister von Niedersachsen, Dr. Bernd Althusmann, wies darauf hin, dass die von der Bertelsmann-Stiftung errechneten 6 Milliarden Euro, die jährlich in die 60 verschiedenen Programme des Systems fließen, effizienter eingesetzt werden müssten. Im Jahre 2009 haben nach einer gerade vorgelegten Studie der Gütersloher Bertelsmann Stiftung 380.000 Jugendliche an solchen Maßnahmen teilgenommen. Die Wirtschaftsverbände und die Bundesregierung haben deshalb den Ausbildungspakt von 2010 bis 2014 verlängert, um Jugendlichen, die Schwierigkeiten beim Übergang in die Ausbildung haben, mit einer verbesserten Berufsorientierung zu helfen, indem sie ihnen Praktika anbieten und sie intensiver fördern. In vielen Fachtagungen und Workshops wurden diese Probleme aufgegriffen und Lösungsansätzen im Sinne von „Good-Practice-Beispielen“ vorgestellt und diskutiert. Ziele des BLBS Der BLBS hatte in einem dafür vorbereiteten Workshop ein weiteres grundsätzliches Übergangsproblem in den Vordergrund gerückt, das die Struktur unseres Bildungssystems betrifft. Hierbei ging es um die sich abzeichnende Abkehr von der strikten Segmentierung mit den weitestgehend unabhängigen institutionellen Säulen zu Gunsten von bildungsbereichsübergreifenden Perspektiven. Für den BLBS ist es wichtig, dass Qualifikationen, die an beruflichen Schulen oder bei einer beruflichen Tätigkeit erlangt worden sind, an den Hochschulen anerkannt werden. Hier muss mit Blick in die Zukunft die Legitimation und Sinnhaftigkeit dieser institutionell vorgegebenen Übergänge sowie das Übergangsmanagement untersucht und verbessert werden. Damit kann nach Meinung des BLBS ein von der Wirtschaft und der Allgemeinheit immer wieder geforderter Wunsch in die Tat umgesetzt werden, indem die Gesamtausbildungszeit Interessierte Zuhörer der Eröffnungsveranstaltung: v. l. Prof. Dr. Günter Pätzold, Berthold Gehlert (beide BLBS). aus Schulzeit an allgemeinbildendenden Schulen, Lehre und Studium gewaltig verkürzt wird. Verbesserung der Durchlässigkeit zwischen Berufsbildung und Hochschulbildung im Kontext von Reformkonzepten Mit dieser Thematik befasste sich der Workshop des BLBS, zu dem hochinteressierte und diskutierfreudige Teilnehmer erschienen waren. Sehr gut konnte gezeigt werden, dass die vorgestellten theoretischen Grundlagen schon in einigen wenigen praktischen Beispielen umgesetzt werden konnten. Weitere sollten folgen, vor allem aber muss eine pauschale Anrechnungsmöglichkeit erarbeitet werden, die für alle Hochschulen bundesweit gleichermaßen gilt, so die Forderung des BLBS. Hier wird nur ein kurzer Überblick über die einzelnen Beiträge gegeben, eine ausführliche Broschüre mit allen Statements folgt demnächst. Einleitung Der Bundesvorsitzende des BLBS, Berthold Gehlert, wies in seiner Eröffnung darauf hin, dass die Wege zur Hochschulzugangsberechtigung über die beruflichen Schulen als klar strukturierte und auch anerkannte Wege zur Fachhochschule und Universität bezeichnet werden könnten. Es sei in der Allgemeinheit allerdings immer noch zu wenig bekannt, dass auf diesem Weg bundesweit fast 40 % der Hochschulzugangsberechtigungen erworben würden. Es gäbe zwar schon jetzt Kooperationen zwischen beruflicher und Hochschulbildung mit verschiedenen festgelegten Vereinbarungen, auch gäbe es eine Anerkennung der erworbenen Qualifikationen, dies sei aber noch nicht allgemein institutionell geregelt. Hier seien Reformkonzepte gefragt. Als Schwerpunkt des Workshops sollten deshalb vor allem Wege an die Hochschule dargestellt werden, die als Verschränkung von allgemeiner und beruflicher Bildung zu verstehen sind. Aus Sicht des BLBS sei es wichtig, dass bei allem Bemühen um attraktive Übergänge von der Berufs- Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 145 BLBS-aktuell bildung in den Hochschulbereich die weiterführenden beruflichen Schulen als eigenständige, arbeitsmarktgängige Bildungseinrichtungen erhalten blieben. So werde dabei auch deutlich, dass die Fachschulen im und nicht für den Tertiärbereich qualifizierten. Dessen ungeachtet, müsse der Übergang von der Berufsbildung in den Hochschulraum von Hindernissen befreit werden. Berufliche Bildung im Umbruch Der Experte des BLBS für die Lehrerbildung, Prof. Dr. Günter Pätzold, von der Universität Dortmund machte deutlich, dass die Hochschulrektorenkonferenz unter der Leitung ihrer Präsidentin, Prof. Margret Wintermantel, anlässlich der Vorstellung des 11. Studierendensurvey festgestellt habe, dass 80 % der Studenten angeben, dass sie im Studium Selbstständigkeit sowie die Fähigkeit, Probleme zu analysieren und zu lösen, lernen. Hingegen sei diese Kompetenz als Teil der Handlungskompetenz nach den Vorgaben der Kultusministerkonferenz (KMK) schon seit 1991 – also vor 20 Jahren – als Grundlage in der beruflichen Bildung eingeführt worden. Die berufliche Bildung sei also hier mal wieder Vorreiter gewesen. In seiner systematischen Einordnung stellte Pätzold fest, dass es bis in die 1990er-Jahre eine Abwehr gegen Studierende ohne Abitur gegeben habe, heute aber eine weitgehende Öffnung des Hochschulzugangs erreicht worden sei. Auch sei die Durchlässigkeit des Bildungsweges von der beruflichen Bildung oder beruflichen Tätigkeit mit Prof. Dr. Günter Pätzold vielen sinnvollen Begründungen gegeben. Sie müsse aber noch erheblich verbessert werden, indem z. B. die Hürden für die Anrechnung abgesenkt werden oder Studienmodelle entwickelt werden, bei denen Beruf und Studium sinnvoll verquickt werden können. Vorgaben der KMK Obwohl die KMK schon in Beschlüssen zur Hochschulzugangsberechtigung aus den Jahren 2002 und 2008 und zuletzt 2009 festgelegt hat, dass diese Durchlässigkeit gegeben ist und forciert werden soll, gibt es immer noch unterschiedliche Regelungen, hat sich auf diesem Gebiet viel zu wenig getan. Nach den Beschlüssen der KMK von 2002 und 2008 können bis zu 50 % eines Hochschulstudiums außerhalb des Hochschulwesens erworben und pauschal anerkannt werden. Nur richte sich kaum eine Hochschule danach. Erst in jüngster Zeit gibt es Beispiele für Anrechnungsmöglichkeiten, die aber kaum das Kontingent von 50 % ausschöpfen. Zu beachten sei aber, dass die Hochschule ihr Studium modularisiert habe, die beruflichen Schulen ihre Bildungsgänge hingegen nicht. Dazu müssten die Kompetenzprofile der FH-Module mit den Inhalten der Lehrpläne, deren Lernbreite und -tiefe abgeglichen werden. Daraus 146 Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 lasse sich dann festlegen, welche Inhalte teilweise oder vollständig angerechnet werden könnten oder zu welchen Modulen noch Brückenkurse notwendig seien. Zu beachten sei, so Pätzold, dass inzwischen – mit Studien belegt – jeder 4. Student eine abgeschlossene Berufsausbildung nachweisen könne. Während lange Zeit die Studienberechtigung hauptsächlich über das Gymnasium erworben worden sei, nunmehr aber zunehmend über berufliche Schulen, sei die Studierneigung heute eine Frage der individuellen Kompetenz geworden. So stehe heute deutlich im Vordergrund, die berufliche Handlungskompetenz zu erlangen und dazu gäbe die Europäisierung mit dem BolognaProzess und dem Europäischen Qualifikationsahmen (EQR) oder dem Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) mit seinem lebenslangen Lernen die entsprechenden Vorgaben. Formales, non-formales und informelles Lernen stehe nun im Vordergrund. Unter den Personen, die sich im Zusammenhang mit einer absolvierten Berufsausbildung bzw. Berufstätigkeit in einem akademischen Studium befinden, unterschied der Referent drei Typen: – Studienberechtigung vor der Berufsausbildung: über duale Studiengänge, – Studienberechtigung mit der Berufsausbildung: über doppelqualifizierende Bildungsgänge und – Studienberechtigung nach der Berufsausbildung: über Abendgymnasien, Kollegs, Fach- oder Fachoberschulen oder besondere hochschulrechtliche Zulassungsverfahren. Forderung: Anrechnungsverfahren verbessern Wichtig, so die Forderung von Prof. Pätzold ist aber, dass die Hochschulen sich den Beschlüssen der KMK weiter öffnen, die Anrechnungsverfahren verbessern, indem sie nicht nur pauschal erlangte Qualifikationen anrechnen, sondern diese durch individuelle ergänzten. Dabei verwies der Referent auf die Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zur Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge (ANKOM-Initiative), zugleich sei es aber auch wichtig, dass die Hochschulen ihre Didaktik auf Berufstätige umstellen, Nutzenorientierung und Projektarbeit oder Fallstudien in den Vordergrund stellen. Diese Lernformen sind den Studierenden aus den Zubringerschulen, den beruflichen Schulen, längst bekannt. Ziel müsse es aber immer sein, die Potenziale der Schüler/ Studierenden zu stärken, die Kooperation der Bildungseinrichtungen untereinander zu stärken und die Abschlüsse auszubauen. Bilaterale Kooperation: Deutschland – Schweiz Der stellvertretende Bundesvorsitzende des BLBS, Hans Lehmann, erläuterte in Anwesenheit von Herrn Schlatter als Vertreter für den erkrankten Prof. Andreas Hurst von der Hochschule in Biel/Bern als „Good-Practice-Beispiel“ die Zusammenarbeit zwischen der deutschen Friedrich-WeinbrennerGewerbeschule in Freiburg und der Berner Fachhochschule für Architektur, Holz, Bau in der Schweiz. BLBS-aktuell Verkürzung der Ausbildungszeit Bei dem Projekt gehe es insbesondere darum, die Ausbildungszeit an der Berufsschule und Hochschule zu verkürzen, indem bereits erworbene Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen an der Hochschule gerechter als bisher berücksichtigt würden. Hier sei auch auf die gerade erschienene OECD-Neuerscheinung „Quality Time for Students: Learning In and Out of School“ hingewiesen, in der die Frage untersucht wird, ob die Gesamtausbildungszeit länger oder kürzer sein sollte. Der Beschluss der Kultusministerkonferenz aus dem Jahre 2008 und die gemeinsame Empfehlung des Bundesbildungsministeriums (BMBF), der Kultusministerkonferenz (KMK) und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) vom 07.08.2008, weisen deutlich darauf hin, dass im Rahmen der beruflichen Fortbildung für durch Prüfungen nachgeHans Lehmann wiesene Qualifikationen ECTS-Punkte vergeben werden, die bei Aufnahme eines Studiums angerechnet werden können. Diese Empfehlung hätten beide Bildungseinrichtungen als Auftrag verstanden und damit die Studienzeit an der Hochschule auf zwei Jahre verkürzt. Eigentlich dauert der Bildungsgang an der Akademie für Betriebsmanagement in der Fachrichtung Holztechnik/Schreiner an der Friedrich-Weinbrenner-Gewerbeschule allein schon zwei Jahre, führt über die Meisterstufe und Fachstufe zum „Staatlich geprüften Betriebsmanager“ und schließt die Fachhochschulreife ein. Der „Bachelor of Science in Wood Engineering“ (Holztechnik) kann dann an der Hochschule Biel/Bern erworben werden, wobei die Hochschule den Abschluss der Akademie mit 60 ECTS-Punkten auf das dann zweijährige Bachelor-Studium anrechnet. Fasst man jetzt den gesamten Bildungsgang zusammen, so – bilden sich die Gesellen/-innen zunächst in einem Jahr an der Meisterschule in Freiburg zum Schreinermeister weiter, – erwerben dann in einem weiteren Jahr an der Akademie ebenfalls in Freiburg neben dem staatlich geprüften Abschluss die Fachhochschulreife und – erreichen dann in Biel/Bern in zwei weiteren verkürzten Jahren den Abschluss „Bachelor of Science in Wood Engineering“. Wichtig und neu hierbei ist, dass die Studierwilligen gleich nach Beginn ihrer Ausbildung an der Friedrich-WeinbrennerGewerbeschule durch eine enge Kooperation mit der Hochschule Biel/Bern die Inhalte der Module in Mathematik/Physik/Chemie/Englisch und Deutsch kennen lernen und sich durch Eigeninitiative auf das Niveau der Hochschule bringen können. Durch Selbsteinschätzung ihrer zusätzlich er- worbenen Kenntnisse und Kompetenzen bewerben sie sich mit einem gemeinsam entwickelten Selbsteinschätzungsbogen in Biel/Bern. Danach erfolgt die Überprüfung und Anerkennung durch die Hochschule. Duales Studium Elektrotechnik Im Rahm des Verbundstudiums „hochschule dual“ in Bayern kann z. B. an der Hochschule Coburg, der Staatlichen Berufsschule I in Bamberg und in Verbindung mit Ausbildungsbetrieben der IHK Coburg und Bayreuth ein duales Studium durchgeführt werden. Dieses Studium stellten Prof. Dr. Micheal Rossner von der Hochschule und Martin Kriesten von der Berufsschu- Prof. Dr. Michael Rossner le in Bamberg als weiteres „Good-Practice-Beispiel“ vor. Dabei arbeiten die drei Institutionen, die an der Ausbildung beteiligt sind, sinnvoll und effektiv zusammen. Es sind dies der Ausbildungsbetrieb, die Berufsschule und die Hochschule, da die Ausbildungszeiten und -inhalte gut miteinander verknüpft werden müssen. „hochschule dual“ In Bayern bieten insgesamt 20 Hochschulen in Zusammenarbeit mit den zuständigen Berufsschulen diesen dualen Verbundstudiengang an. Ganz wichtig sei trotz aller guter Kooperation, dass beide Bildungseinrichtungen ihren eigenständigen Bildungsauftrag erhalten müssten, die gleichwertig aber andersartig seien, so die beiden Referenten. Für die Bereitstellung eines betrieblichen Ausbildungsplatzes sind allein die Betriebe zuständig, die an dem Modell teilnehmen. Das Verbundstudium schließt zunächst das Bestehen einer IHK-Abschlussprüfung nach verkürzter 2- oder regulärer 3 ½-jährigen dualen Ausbildung ein. Dafür wird die branchenübliche Ausbildungsvergütung gezahlt. Die Zulassung zum Studium erfolgt wiederum durch die Hochschule, die den Studierenden zusätzliche Studienplätze für das Studium zuweist. Für die verbleibende Studien- und Praktikumszeit erhalten die Studierenden in der Regel ein Stipendium. Der zeitliche Ablaufplan beinhaltet im ersten Ausbildungsjahr eine vollständig duale Ausbildung im Betrieb und an der Berufsschule. In den weiteren vier Ausbildungsjahren sind die sieben Semester Hochschulstudium, die weitere duale Ausbildung und betriebliche Praxis in zeitlich sinnvollem Aufbau untergebracht. Duale Studiengänge Insgesamt ist festzustellen, dass duale Studiengänge bei den Arbeitgebern und Studierenden immer beliebter werden. Das Angebot ist im vergangenen Jahr um 12,5 % angestiegen. Damit lag die Steigerung um mehr als das Dreifache höher als im Vorjahr, während die Zahl der beteiligten Unternehmen um rund 9 % und die Zahl der Studierenden Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 147 BLBS-aktuell um mehr als 6 % zunahm. Spitzenreiter waren die allgemeinen Ingenieurwissenschaften mit einem Plus von 23,5 %. Die Zahl der Studierenden in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) nahm im Vergleich zum Vorjahr um ein Viertel zu. Das BIBB-Projekt „AusbildungPlus“ enthält eine Datenbank, die über duale Studiengänge und Zusatzqualifikationen bei dualen Studiengängen informiert (www.ausbildungplus.de). Erzieher/-innen-Ausbildung an Fach- und Hochschulen Mit der bundesweiten Problematik der Erzieher/-innen-Ausbildung befasste sich die stellvertretende Direktorin der Stiftung „Sozialpädagogisches Institut Berlin, Walter May‘“, Dr. Birgit Hoppe. An deren Institutionen wird zwischen Studierenden im Vollzeitstudium und Teilzeitstudium unterschieden. Während an den Berufsschulen von LernsituaDr. Birgit Hoppe tionen und Fallstudien ausgegangen wird, können die Studierenden an den Fachschulen an ca. 500 Kooperationen mit ausländischen Institutionen Auslandspraktika absolvieren. Sie plädiere für eine wechselseitige, bildungsunabhängige Anerkennung erworbener Qualifikationen zwischen Fachschulen und Hochschulen, so Hoppe. In ihren Einrichtungen, den Fachschulen für Erzieherinnen und für Heilpädagogik, den Berufsfachschulen für Altenpflege und in ihren Schulen der Weiterund Fortbildung stehe im Rahmen der sozialen Arbeit auch immer besonders die Hilfe zur Selbsthilfe im Vordergrund. In diesem Zusammenhang wünschte sie sich unter anderem, dass – jeder Schüler so schnell oder so langsam sein kann, wie er will, – jede Bildungsinstitution die Lerngeschwindigkeit der Lernenden selbst verantworten und gestalten kann, – jede Bildungsinstitution Prüfungsabläufe und Zeitpunkte auf den Einzelfall bezogen gestalten und zusammenstellen kann, – jede Bildungsinstitution Prüfungsbestandteile für den jeweiligen Beruf, auf der Basis klar definierter Erwartungsstandards, festlegen kann und was an Kompetenzen nachzuweisen ist. Das könne und müsse alles so geschehen, da die Lehrenden in allen Bildungseinrichtungen gut ausgebildet seien und kompetent und professionell arbeiten würden. Fazit des BLBS-Workshops Fasst man die Ergebnisse des BLBS-Workshops zusammen, so ist festzustellen, dass eine verbesserte Durchlässigkeit zwischen Berufsbildung und Hochschulbildung immer dann zu erreichen ist, wenn die Partner sich zusammenfinden und 148 Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 gemeinsam und kreativ nach sinnvollen und für alle Beteiligten durchführbaren Lösungen suchen. Alle beteiligten Institutionen müssen aber dabei darauf achten, ihren eigenen Bildungsauftrag zu erhalten. Damit diese Zusammenarbeit nicht auf Einzelfälle beschränkt bleibt, fordert der BLBS, dass pauschale Anrechnungsmöglichkeiten erarbeitet werden. Weitere Beiträge von Mitgliedern des BLBS Fachtagung Körperpflege Bei der Fachtagung Körperpflege, die unter der Leitung von Prof. Britta Wulfhorst von der Universität Osnabrück, Fachbereich Humanwissenschaften stattfand, stellte der stellvertretende Bundesvorsitzende H.-H. Wilke zum Thema „Übergänge Schule – Ausbildung – Beruf“ fest, dass die Entscheidung für den weiteren Bildungsweg vorrangig durch den erreichten schulischen Abschluss bestimmt wird. Im Rahmen der Fachtagung betrachtete Wilke den Übergang von der Ausbildung in den Beruf unter dem Aspekt der Friseurausbildung, wobei Teilnehmer der Fachtagung noch interessante Eindrücke gewinnen konnten. So gehen ca. 20 % der Schulabgänger aus dem allgemeinbildenden Schulsystem mit allgemeiner Hochschulreife in eine berufliche Ausbildung. Die übrigen nähmen ein Studium auf, so Wilke. Zu dem Kreis der Absolventen, die ein Hochschulstudium aufnehmen, trägt das berufsbildende Schulsystem in Deutschland mit jährlich mehr als einem Drittel bei. Jährlich wechseln aber auch über eine halbe Million der Schulabgänger des allgemeinbildenden Schulsystems an eine berufsbildende Schule und nehmen dort die Angebote der vollschulischen Berufsvorbereitung oder Ausbildung wahr. In ihrem Referat „Übergänge ohne Grenzen – Friseurausbildung in Europa“ berichtete die Bundesgeschäftsstellenleiterin des BLBS, Dr. Kathrin Urban, über den Ausbildungsberuf des Friseurs in den Ländern Finnland, Deutschland, Dänemark und Polen. Dabei wies sie auf Probleme, aber auch auf Gemeinsamkeiten hin. Auch wurde über die europäischen Instrumente zur Durchlässigkeit und Transparenz des Ausbildungsberufes, wie den EuroPass, das Leonardo-da-VinciProjekt, den Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) und Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) diskutiert. Unterstützt wurde sie durch Referenten wie Rainer Röhr, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks in Köln, Siegward Schneider von der Handwerkskammer Osnabrück und Henning Wilke, die bei der Fachtagung mit weiteren interessanten Referaten vertreten waren. Fachtagung Pflege In ihrem Referat „Die Pflegerinnenausbildung – Anpassung an funktionale Bildungswege“ konnte die Expertin des BLBS für Gesundheits- und Sozialwesen, Elke Martin, einen Beitrag zum Thema leisten, indem sie die Pflegerinnenausbildung aus pflegedidaktischer Perspektive darlegte. Dazu hielt sie sich an die derzeit bestehende Ausbildung im Freistaat Sachsen. Heiko Pohlmann BLBS-aktuell/Themen Tarifeinigung erreicht Nach schwierigen Verhandlungen einigten sich die Vertreter der Gewerkschaften mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) am 10. März 2011 in Potsdam auf folgende Einkommensverbesserungen: – bis 31. Mai 2011 Einmalzahlung von 360 Euro – ab 1. April 2011 Erhöhung um 1,5 % – ab 1. Januar 2012 Erhöhung um 1,9 % sowie anschließend um 17 Euro – Laufzeit bis mindestens 31. Dezember 2012 Nun sind die Landesregierungen gefordert, denn es gilt die ausgehandelten Ergebnisse der Einkommensrunde 2011 zeitnah auf den Beamtenbereich zu übertragen! Öffnungsklausel zur Altersteilzeit Die Länder haben im Rahmen des Altersteilzeitgesetzes künftig die Möglichkeit, auf landesbezirklicher Ebene Regelungen zur Altersteilzeit zu vereinbaren. Entgeltordnung zum TV-L kommt zum 1. Januar 2012 – Tarifliche Eingruppierung der Lehrer bleibt weiter offen – Dass es in Potsdam zu keiner tariflichen Eingruppierung der Lehrerinnen und Lehrer kam, ist aus Sicht des BLBS auch darauf zurückzuführen, dass Einkommensrunde 2011 und Lehrerentgeltordnung nicht getrennt verhandelt wurden. Jetzt gilt es, die noch offenen Fragen tatkräftig anzugehen. Insbesondere die Bezahlung der vielen Seiteneinsteiger an staatlichen berufsbildenden Schulen ist zum Teil ungerecht und der Willkür der Arbeitgeber überlassen. Dies muss geändert werden. – Ab 1. Januar 2012 können aber dazu in den Ländern eigenständige Arbeitskampfmaßnahmen durchgeführt werden. BLBS > Themen Felix Rauner Parallele Bildungswege – eine durchlässige Architektur für den beruflichen Bildungsraum: Thesen Die folgenden Thesen sind in einem thematischen Zusammenhang zu einem Workshop des BLBS zu sehen über: Wann und wo beginnt Studieren? – Durchlässigkeit zwischen Berufsbildung und Hochschulbildung im Kontext von Reformkonzepten, BLBS-aktuell in dieser Ausgabe, S. 145 1 Die Einschätzungen zum Fachkräftebedarf gehen auseinander – vor allem was den Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften betrifft. Auf der Basis einer international standardisierten Methodik gibt die OECD-Statistik ein realistisches Bild dazu wieder (Abb. 1 auf S 150). Der Anteil der Beschäftigungsverhältnisse für Hochqualifizierte liegt im OECD-Durchschnitt bei 19 % mit einer erstaunlich geringen Varianz zwischen den Ländern. 2 Alle Versuche, auf dem Weg der Steuerung der Bildungsströme die Bildungssysteme an die Beschäftigungsstrukturen anzupassen, das Bildungsangebot und die vermeintliche Qualifikationsnachfrage aufeinander abzustimmen, sind gescheitert und zwar sowohl auf volkswirtschaftlicher als auch auf betriebswirtschaftlicher Ebene. Der Ausweg, den Daniel Bell mit seinem Buch „The coming of post-industrial society“ gewiesen hat (1973), basiert auf Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 149 Parallele Bildungswege Abb. 1: Beschäftigungsverhältnisse mit hohem Anforderungsprofil (ISCO 1-3) und tertiäre Bildungsabschlüsse in der Bevölkerung zwischen 25 und 64. der These, dass das neue axiale System das wissenschaftliche (theoretische) Wissen sei. Darum drehe sich zukünftig nicht nur die ökonomische und technologische, sondern auch die kulturelle Entwicklung. Die Akademisierung der Bildung ist die Konsequenz, die sich aus dieser These ergibt. Das Konzept der „hochschulischen Bildung für alle“ („College for all“) ist jedoch in eine Sackgasse geraten. Länder wie Australien, die USA und zunehmend auch China müssen entweder sehr viele Hochschulabsolventen umschulen oder sie richten in den Hochschulen unterhalb des Bachelor-Niveaus ein- und zweijährige berufliche Bildungsgänge ein. Mittlerweile haben ca. 40 % der im intermediären Sektor Beschäftigten in den USA einsemestrige „some-college“-Studien absolviert (z. B. Marriage Arrangement, Home & Gardening, Colorado Excursion). Die negativen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft ist ebenso nachgewiesen wie der Zusammenhang zwischen der „College for all“-Politik und der Deindustrialisierung in den USA. – Jedes der drei Qualifikationsniveaus (Facharbeiter, Meister/Techniker, Master) führt zur Berufsfähigkeit. Dieses Kriterium zeichnet den dualen Bildungsweg aus. Die Erkenntnis, dass man jeden Beruf zuletzt praktisch erlernen muss, findet in dualen beruflichen Bildungsgängen ihren Niederschlag. Daher schließen sich an eine schulische oder hochschulische berufsbezogene Bildung zwangsläufig Phasen geregelter (oder auch ungeregelter) mehrjähriger Einarbeitungszeiten in einen Beruf an. – Das zweite charakteristische Merkmal des dualen beruflichen Bildungswegs ist das Ausbildungsziel, die Fähigkeit berufliche Aufgaben vollständig zu lösen. Präziser spricht man vom Konzept der holistischen Aufgabenlösung (Abb. 2). Dieses Ausbildungsziel ergibt sich aus den objektiven Gegebenheiten der Arbeitswelt: Beruflich Qualifizierte müssen stets eine situativ überzeugende Lösung finden, unter Abwägung miteinander konkurrierender Kriterien wie z. B. eine hohe Funktionalität bei erschwinglichen Kosten. 3 Die Alternative zur Akademisierung der Bildung und zur Steuerung der Bildungsströme ist daher eine Bildungssystem-Architektur mit parallelen Bildungswegen. Die tragenden Säulen dieser Architektur sind – eine wissenschaftliche Bildung, bei der darauf zu achten ist, dass die Zugangsvoraussetzungen (die Studierfähigkeit für wissenschaftliche Fächer) nicht abgesenkt werden; – ein durchgängiger, dualer Bildungsweg, von der Ausbildung zum Facharbeiter, darauf aufbauenden dualen Weiterbildungsmöglichkeiten zum Meister und Techniker und entsprechender Fachkräfte für den Dienstleistungssektor bis zu berufsbegleitenden dualen MasterStudiengängen für Meister und Techniker. 4 Die charakteristischen Merkmale des durchgängigen dualen Bildungswegs sind: 150 Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 Abb. 2: Die Kriterien der vollständigen (holistischen) Lösung beruflicher Aufgaben. Themen 5 Die große Bedeutung des wissenschaftlichen Wissens resultiert dagegen aus dem Prinzip der Disziplinarität. Bei einem Physiker, der sich z. B. mit den Verwirbelungseffekten an Flugzeugtragflächen auskennt, kommt es darauf an, dass er auf diesem Spezialgebiet forschend und studierend neue Erkenntnisse gewinnt, die dann in das Ingenieurwissen hinein diffundieren. Der Forschung und Lehre in einem immer verzweigteren Wissenschaftssystem verdanken wir den exponentiellen Zuwachs an neuem Wissen. Abb. 3: Durchgängiger dualer beruflicher Bildungsweg. 6 Zwischen diesen beiden Bildungswegen – dem akademischen und beruflichen – gibt es eine Vielzahl von Bildungsgängen, in denen beide „Wissenstraditionen“ angelegt sind. Dies gilt z. B. für Berufsakademien, betont berufsbezogene fachhochschulische Bildungsgänge und die Versuche, an Universitäten interdisziplinäre Forschung und Lehre zu etablieren. Die Grundlage der Interdisziplinarität bleibt jedoch das disziplinäre Wissen. 7 Das bildungspolitische Dilemma bei der Realisierung von Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung besteht darin, – dass das Ziel der Realisierung einer höheren Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung zwar richtig identifiziert wurde, da nur so das dynamische Zusammenspiel zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem realisiert werden kann, – dass jedoch die internationalen Leitbilder und Klassifikationssysteme in der Form der Normierung von Bildungsabschlüssen und Qualifizierungsniveaus (wie ISCET oder der EQR) dem entgegenstehen. Alle internationalen Skalen der Einordnung von Qualifikationsniveaus und Bildungsabschlüssen sind eindimensional angelegt und definieren die höhere Bildung als akademische/wissenschaftliche Bildung und ordnen die nicht-akademische berufliche Bildung den unteren Skalenwerten und Niveaustufen zu. Dies ist wissenschaftlich unzulässig und bildungspolitisch außerordentlich problematisch. Die Konsequenzen sind: – Anerkennungsverfahren (Anerkennung von beruflichen Qualifikationen für das wissenschaftliche Studium), bei denen aus guten Gründen die Anerkennungskriterien von den Anforderungen des wissenschaftlichen Studiums abgeleitet werden. – Meister und Techniker (sowie Fachkräfte mit vergleichbaren Qualifikationen) werden systematisch von der „höheren“ Bildung abgeschnitten. Alle Versuche, dieses Pro- blem durch Anrechnungsverfahren oder das Absenken der Zugangsvoraussetzungen für das Hochschulstudium zu lösen, müssen entweder scheitern oder sie schwächen beide Bildungstraditionen: die berufliche und die akademische. 8 Die naheliegende Konsequenz ist eine Architektur paralleler Bildungswege, die unter Berücksichtigung der multiplen Kompetenzen beruflich Qualifizierter angemessene Weiterbildungswege bis auf das Niveau höchster Professionalität sicherstellt (Abb. 3). Dazu gehören z. B. die folgenden Regelungen: – Zulassen von Absolventen dualer Berufsausbildung aus sog. ‚Abiturberufen’ zum einschlägigen Bachelor-Examen (z. B. Mediengestalter zum Bachelor-Examen für Medieninformatiker). – Einführen des berufsbezogenen Fachabiturs, das parallel zur dualen Berufsausbildung erworben werden kann. Zugleich empfiehlt es sich, nach dem Vorbild der Schweiz, diese Qualifikation zur Voraussetzung für ein Fachhochschulstudium zu definieren. – Die Dualisierung des Fachschulstudiums mit verstärkten Möglichkeiten für eine Doppelqualifizierung (z. B. Meister/ Techniker). – Einführung von dualen Master-Studiengängen für Meister/Techniker sowie entsprechend qualifizierte Fachkräfte. 9 Die Realisierung einer modernen Bildungssystem-Architektur mit einem durchgängig dualen Bildungsweg gelingt umso besser, je eher sich europäische Länder miteinander abstimmen, die über entwickelte Formen dualer Berufsausbildung verfügen bzw. ein Interesse daran haben, solche Strukturen für den europäischen Wirtschafts- und Bildungsraum sowie den europäischen Arbeitsmarkt zu etablieren. Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 151 Fehlende Bildungsidee Hilmar Grundmann Fehlende Bildungsidee als wichtigste Ursache für kritische Entwicklungen in unserem Bildungs- bzw. Ausbildungssystem Ist der Mensch nur so viel wert wie sein betrieblicher Gebrauchswert? Eine Frage, die seit der Aufklärungsepoche immer wieder gestellt wird, aber noch nie so aktuell war wie zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Und dies zu Recht, wie gleich eine ganze Reihe von Entwicklungen im Bildungs- und Ausbildungsbereich eindrucksvoll belegt. Muss also ein neuer Humboldt her bzw. eine neue Debatte darüber, wie es um unser Bildungsverständnis bestellt ist, genauer, welches Menschenbild ihm zu Grunde liegt und welches ihm zu Grunde liegen sollte? Um die Beantwortung dieser Frage geht es in diesem Beitrag vor allem. 1 Wohin treibt unsere (Wirtschafts-)Gesellschaft oder wie viel wert ist der Einzelne? Unter gesellschaftlichem Fortschritt versteht man gemeinhin die gesellschaftliche Weiterentwicklung im humanen und demokratischen Sinn. Dabei spielen zwei Begriffe eine zentrale Rolle, und zwar Solidarität und Selbstbestimmung, d. h. an der Bereitschaft zur Solidarität – der Starken mit den Schwachen, der Reichen mit den Armen, der Einheimischen mit den Immigrierten (bzw. den Personen mit Migrationshintergrund) und den Chancen des Einzelnen, sein Leben selbstbestimmt organisieren zu können, lässt sich ausmachen, wie es unter dem Aspekt von Humanität und Demokratie einer Gesellschaft bestellt ist. Und wie ist es gegenwärtig unter diesem Aspekt mit unserer Gesellschaft bestellt? Zweifellos eine auf Anhieb nicht leicht zu beantwortende Frage. Aber es gibt Indizien, die anzeigen, in welche Richtung sie offensichtlich treibt. Ein Indiz ragt heraus. Auf jeden Fall erregt es wie kaum etwas anderes gegenwärtig die Gemüter, und dies zu Recht. Damit ist die Reduktion des Menschen auf seinen Gebrauchswert bzw. auf seinen unmittelbaren Nutzen für die betrieblichen Produktionsprozesse gemeint; kurz: Nimmt man eine Reihe von Entwicklungen zusammen, die sich vor allem im Bildungs- bzw. Ausbildungsbereich abspielen und nicht zuletzt in der Arbeitswelt, dann scheint sich immer mehr folgende Auffassung durchzusetzen: Der Mensch ist so viel wert, wie er für den jeweiligen betrieblichen Produktionsprozess von ökonomischem Wert ist, und keinen Deut mehr, oder auch: Beschäftigte sind nichts anderes als Materialressourcen, als Ware, als von Managern gemanagtes human capital und damit genau so zu behandeln wie jede andere Ressource, jede andere Ware und jedes andere Kapital auch. Nun kann man natürlich sagen: Na und, das war doch schon immer so. Schließlich leben wir in einer Arbeits- und Berufsgesellschaft, also in einer Gesellschaft, in der der Beruf das Tor zur Welt ist, d. h. in der der Einzelne gesellschaftlich das ist, was er in der Arbeitswelt ist. Das ist ohne jede Einschränkung richtig, aber richtig ist auch, dass diese Auffassung noch nie so radikal durchgesetzt bzw. so sehr auf die Spitze getrieben worden ist wie zum gegenwärtigen Zeitpunkt. 152 Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 Zu den Entwicklungen, die dies eindrucksvoll belegen, gehören der Trend, die Dauer der schulischen und hochschulischen Bildungsgänge zu verkürzen bzw. zu beschleunigen (Beschleunigungswahn), ferner die Ökonomisierung des Unterrichts bzw. die Unterwerfung der Bildungs- und Ausbildungsgänge unter das ökonomische Nützlichkeitskalkül (Verwertungswahn), die radikale Umkehr vom prozess- zum ergebnisorientierten Unterricht (empirische Wende) bzw. von der Input- zur Output-Orientierung, des Weiteren die gesellschaftliche Ausgrenzung der Heranwachsenden, die mangels ausreichend ausgebildeter kognitiver Fähigkeiten bzw. wegen allgemeiner Lernschwäche nicht oder nur sehr eingeschränkt dem Verwertungskreislauf zugeführt werden können, und nicht zuletzt die offensichtlich veränderte Einstellung der Geschäftsführungen den Beschäftigten gegenüber, deren Auswüchse die aktuelle gesellschaftliche Debatte wie kaum etwas anderes beschäftigen bzw. erregen. Dazu im Folgenden mehr, vor allem auch, worauf es m. E. zurückgeführt werden muss, dass die Reduktion des Menschen auf seine ökonomische Verwertbarkeit in jüngster Vergangenheit zum alles andere überragenden Maß betrieblichen Handelns geworden ist, auch wenn zur Zeit darüber gestritten wird, ob die bekannt gewordenen Fälle (Deutsche Bahn, Telekom, Schlecker, KIK) symptomatisch, d. h. Kommentare zu einer bestehenden Schieflage oder nur Auswüchse dieser veränderten Einstellung über die Rolle des Beschäftigten in den betrieblichen Produktionsprozessen sind. 2 Zu den jüngsten Entwicklungen im Bildungs- und Ausbildungssystem Zunächst zum Beschleunigungswahn, also zu dem Bemühen der für die Bildungspolitik Verantwortlichen, die Bildungsgänge an den weiterführenden allgemeinbildenden Schulen und den Hochschulen um jeden Preis zu verkürzen. Dafür steht zum einen die Reduzierung der gymnasialen Bildungsgänge von neun auf acht Jahre – und wären in Hamburg die Stadtteilschulen eingeführt worden, sogar auf sechs Jahre – und zum anderen die Ersetzung der achtsemestrigen Diplomstudiengänge durch dreijährige BachelorStudiengänge. Die offizielle Begründung für diese Maßnah- Themen me, wie man sie in den entsprechenden Studien nachlesen kann, z. B. im regelmäßig veröffentlichten „Bildungsmonitor“: Die Verbesserung der Zeiteffizienz, d. h. je kürzer die Zeit, in der es gelinge, dem Arbeitsmarkt bzw. dem Verwertungskreislauf möglichst viele passgenau ausgebildete Absolventen zur Verfügung zu stellen, so heißt es, desto besser für die Produktivität der Betriebe und damit auch für die wirtschaftliche Gesamtentwicklung. Keine Frage, dass eine solche Argumentation auch bei den Verantwortlichen für die Finanzpolitik auf offene Ohren stößt. Das kann auch gar nicht anders sein, eben weil ja die Verkürzung der schulischen und hochschulischen Bildungsgänge immer auch die Reduzierung der Kosten für Bildung und Ausbildung bedeutet. Und welcher Finanzminister könnte da widerstehen, d. h., sich nicht für die Verkürzung der Bildungs- bzw. Ausbildungsgänge stark machen. Neben der Zeiteffizienz gilt eine andere Effizienz als Maß dafür, inwieweit sich der Beitrag der Bildungssysteme für die Förderung des Wirtschaftswachstums verbessert hat. Damit ist die Inputeffizienz gemeint, also das Verhältnis der eingesetzten Ressourcen zum Output der Bildungs- und Ausbildungsprozesse, d. h. genauer zum Niveau und zum Umfang der in den Ausbildungsgängen vermittelten und in der Arbeitswelt direkt verwertbaren Kompetenzen. Und wie lässt sich sicherstellen, dass die Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen immer effizienter werden, d. h. konkret, die ökonomische Effektivität des human capital sich von Jahr zu Jahr verbessert, also passgenauer ausgebildet wird? Die Antwort ist bekannt: Zum einen durch die Einführung von Leistungsstandards oder auch Bildungsstandards und deren ständige Überprüfung durch Bildungscontrolling, Qualitätsmanagement und Kompetenzmessung, obwohl diese Standards mit Bildung nicht das Geringste zu tun haben, und zum anderen durch ein umfassendes Bildungsmonitoring, also durch Studien, die nicht nur das Verhältnis von Inputs und Outputs messen, sondern vor allem, inwieweit sich dieses Verhältnis im Vergleich zur vorherigen Periode verbessert hat, und nicht zuletzt auch, wo und wie der Beitrag der Bildung bzw. Ausbildung zur Förderung des Wirtschaftswachstums noch effektiver organisiert werden kann; allgemeiner formuliert: wie beschleunigungs- und verwertungseffektiv unsere Bildungssysteme sind. Das gilt vor allem für die beruflichen Ausbildungssysteme, also für die Ausbildung im dualen System und in den Bachelor-Studiengängen an den Fachhochschulen und Universitäten. So wird z. B. von der Hamburger Schulbehörde von den berufsbildenden Schulen eine „deutliche OutputOrientierung“ ihres Unterrichts eingefordert, ferner die Entwicklung von Outputs bzw. vorgegebenen Zielen, und zwar gemeinsam mit den Innungsvertretern, die Übernahme der Verantwortung für die Einlösung dieser Outputs und die Entwicklung von Leistungsstandards, ebenfalls gemeinsam mit den Vertretern der jeweiligen Branche. Und keine Frage, dass die Geschwindigkeit und Radikalität, mit der an den deutschen Hochschulen die Bachelor-Studiengänge etabliert worden sind, auch darauf zurückgeführt werden können, dass sie für die „Gewährleistung des Erwerbs systematischer Kompetenzen“, um aus dem Akkreditierungsantrag einer deutschen Universität zu zitieren, besonders geeignet sind, weitaus besser jedenfalls als die inzwischen weitgehend abgeschafften Diplom-Studiengänge. Aber um welchen Preis! So ist denn inzwischen auch die Rede davon, dass die deutschen Hochschulen keine Stätten wissenschaftlicher Ausbildung mehr sind, sondern bestenfalls höhere Berufsschulen. Die Konsequenzen dieser Entwicklung unter bildungstheoretischem Aspekt: An die Stelle der individuellen Bildung ist der gesellschaftliche Bedarf getreten, bzw. auch: Das Bildungskonzept ist durch ein Verwertungskonzept ersetzt worden. So wird nur das unterrichtet, vermittelt und gefördert, und nur das, was verwertet und – mit Hilfe von Leistungs- oder Bildungsstandards – gemessen werden kann. Entsprechend sieht die Unterrichtspraxis aus, d. h., es ist eine Unterrichtspraxis, die die von den Jugendlichen zu bewältigende Lebenswelt auf die Arbeitswelt verkürzt. Konkreter: Sie wird auf das Standardisierbare bzw. Überprüfbare reduziert und das selbstständige Lernen durch angeleitetes Training ersetzt; kurz: Der Unterricht wird trivialisiert, und zwar um so mehr, wie das Maß der Unterrichtsdinge nicht der Anspruch der Heranwachsenden auf Bildung im Sinne von Persönlichkeitsentfaltung ist, sondern das, was man neuerdings als employability bezeichnet. Alles andere wie z. B. die Förderung solcher Fähigkeiten, die den Bildungsansprüchen der Heranwachsenden in den Bildungsund Ausbildungseinrichtungen zugute kommen, bleibt auf der Strecke. „Sinn wird ersetzt durch Funktion“, so z. B. Hinrich Lühmann in seinem Aufsatz „Betrieb Schule“ aus dem Jahre 2007, und weiter: „Die neue (Bildung, H.G.) ist blind für das Subjekt; sie überlässt die Persönlichkeitsbildung dem Zufall.“ Und nichts sei fahrlässiger als das, eben weil wir in einer Zeit leben, so Lühmanns Begründung, und wer wollte da widersprechen, „in der wir Verrohung, Gewaltbereitschaft, Konsumdenken, Verfallenheit der jungen Leute an die suggestiven Bildwelten der Unterhaltungsindustrie beklagen.“ Sein Fazit: Die neue, also die an Outputs, Effizienz und ökonomischer Verwertbarkeit orientierte Schule, antworte „mit einem Konzept der leeren Kompetenz und lässt die Jugend allein.“1 Inzwischen sind die Folgen einer solchen Auffassung über Unterricht, Bildung und Ausbildung nicht mehr zu übersehen, d. h., wenn employability höher veranschlagt wird als Persönlichkeitsentwicklung. Die auffälligste Folge: Die Schulabsolventen sind genau das nicht, was sie am Ende der ganz auf Effizienz und ökonomische Verwertung setzenden Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen sein sollten, nämlich möglichst passgenau ausgebildete Absolventen. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall, d. h. noch nie war der Anteil der Schulabsolventen so groß, die als nicht ausbildungsfähig eingestuft werden, genauer: die aus betrieblicher Sicht ohne jeden Gebrauchswert sind. In Hamburg z. B. soll es inzwischen jeder zweite(!) Absolvent der Haupt- und Realschulen sein. So hat eine im April 2010 veröffentlichte Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) ergeben, dass 75 % der befragten Betriebe über zunehmende mangelnde Ausbildungsreife der Bewerber um einen Ausbildungsplatz klagten und dass im Jahre 2009 Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 153 Fehlende Bildungsidee 50.000 Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben mussten, eben weil die Bewerber nicht über die notwendigen Fähigkeiten und Kompetenzen verfügten, um den Anforderungen einer qualifizierten beruflichen Ausbildung genügen zu können. Fazit: Für einen nicht gerade geringen Teil der Jugendlichen endet die Bildungsrepublik Deutschland schon an der Grenze zum Ausbildungsmarkt. In Hamburg sollten es übrigens die geplanten Stadtteilschulen richten, was da längst aus dem Ruder gelaufen ist. So war vorgesehen, dass die Stadtteilschulen mit mindestens einer berufsbildenden Schule kooperieren. Das primäre Ziel dieser Kooperation: Den Schülern „Berufsorientierung“ und „Berufswegeentscheidungen“ zu erleichtern. Und damit dies auch in der Tat gelingt, war ebenfalls vorgesehen, ein neues Unterrichtsfach in den Stundenplan der Stadtteilsschulen aufzunehmen, und zwar das Fach „Berufsorientierung“, ein versetzungspflichtiges Fach zudem, damit auch kein Zweifel aufkommt, dass es sich hier nicht um ein Fach unter anderen handelt, sondern von zentraler Bedeutung ist. Dabei war geplant, dass Lehrer der berufsbildenden Schulen, die zur Kooperation mit der Stadtteilschule in die Pflicht genommen werden sollten, den Unterricht in dem Fach „Berufsorientierung“ übernehmen. Was übrigens bei den Lehrern an den berufsbildenden Schulen alles andere als Begeisterung ausgelöst hat. Auch wenn ein Volksentscheid im Juli 2010 die generelle Einführung der Stadtteilschule in Hamburg verhindert hat, will die Schulbehörde viele der beschriebenen Teile des vorgesehenen Konzepts an den Schulen durchsetzen. Und auch an den 23 sog. Starterschulen, also an den Schulen, an denen das Stadtteilschulkonzept bereits umgesetzt worden ist, soll weiterhin nach diesem Konzept unterrichtet werden. Ist das der Königsweg, um die nachlassende Leistungsfähigkeit der allgemeinbildenden Schulen aufzuhalten bzw. um sicherzustellen, dass möglichst alle Schulabsolventen das sind, was sie nach dem Verlassen der allgemeinbildenden Schulen sein sollen, nämlich ausbildungsfähig bzw. berufsreif? Zweifel sind angebracht. Die Begründung liegt auf der Hand. Denn warum sind diese Jugendlichen für eine qualifizierte berufliche Ausbildung nicht geeignet, wozu auch diejenigen gezählt werden müssen, die ihre berufliche Ausbildung vorzeitig abbrechen bzw. in der Abschlussprüfung scheitern. Nicht weil es ihnen an bestimmten, nämlich in den betrieblichen Produktionsprozessen direkt verwertbaren Outputs oder Leistungsstandards fehlt, sondern, wenn man von den Bildungsberichten und Bildungsstudien der letzten Jahre ausgeht, dann allein deswegen, weil es ihnen an den Fähigkeiten und Kompetenzen mangelt, für deren Förderung die allgemeinbildenden Schulen zu allererst zuständig sind, wie u. a. die Förderung der Kulturtechniken und hier vor allem der Lesefähigkeit, genauer der Fähigkeit des sinnentnehmenden Lesens von (Fach-) Texten.2 Hinzu kommt ein anderer Gesichtspunkt, der das Konzept der Stadtteilschule fragwürdig macht. So bedeutetet dieses Konzept ja nichts anderes, als dass wieder einmal ein inhaltliches Problem, nämlich die zunehmende Zahl der Absolventen allgemeinbildender Schulen, die mangels ausreichender Lese- und Schreibfähigkeit nicht ausbildungsfähig 154 Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 sind und die daher auf dem „ersten Ausbildungsmarkt“ leer ausgehen, durch eine strukturelle Maßnahme aus der Welt geschafft werden soll. Aber wie wir aus der Bildungsforschung wissen, haben sich strukturelle Maßnahmen noch nie auf die Qualität des Unterrichts in irgendeiner Weise positiv ausgewirkt. Ein anderer Beleg dafür, dass in der deutschen Bildungs- und Ausbildungslandschaft die ökonomische Verwertbarkeit wie kaum jemals zuvor vor dem Bildungsinteresse der (Berufs-)Schüler steht bzw. vor der Förderung der „menschlichen Kompetenzen“ der Jugendlichen, um aus dem Exposé der „15. Hochschultage Berufliche Bildung“ zu zitieren, sind der „zweite“ und „dritte Ausbildungsmarkt“, also das Schulberufssystem und die berufsvorbereitenden Maßnahmen bzw. Übergangsmaßnahmen. Zudem demonstrieren sie wie kaum eine andere Ausbildungsmaßnahme, wohin es führt, wenn Entscheidungen im Bildungs- und Ausbildungsbereich getroffen werden, ohne dass ihnen eine überzeugende Bildungsidee zugrunde liegt, also eine Idee, mit der sie begründet bzw. gerechtfertigt werden können und über die gesellschaftlicher Konsens besteht. Gemeinsam ist beiden Ausbildungsmärkten übrigens, dass sie ursprünglich als Notlösung gedacht waren, sich inzwischen aber zu einem unverzichtbaren Bestandteil der beruflichen Übergangssysteme herausgebildet haben und ständig weiter expandieren. Zahlen des BIBB bringen es an den Tag. So ist z. B. der Anteil der Schülerinnen im „Berufsgrundbildungsjahr“ von 1992 bis 2007 um 47 % und im „Berufsvorbereitungsjahr“ im gleichen Zeitraum um 67 % gestiegen. In den „Berufsvorbereitenden Maßnahmen“ der Bundesagentur für Arbeit sieht die zahlenmäßige Entwicklung, wenn man den gleichen Zeitraum heranzieht, noch sehr viel dramatischer aus. Hier beträgt der Anstieg sogar 111 %.3 Eine zweifellos fatale Entwicklung, deren Dramatik sich allerdings am deutlichsten in absoluten Zahlen widerspiegelt. So wird geschätzt, dass es gegenwärtig etwa 500.000 Jugendliche sind, die in solchen Überbrückungsmaßnahmen „versorgt“ werden. (Insgesamt betrug übrigens der Anteil der Neuzugänge lt. Bericht „Bildung in Deutschland 2010“ im Jahre 2008 im dualen System 48 %, im Schulberufssystem 18 % und im Übergangssystem bzw. in den Übergangsmaßnahmen immerhin 34 %.)4 Nicht zuletzt ist den Teilnehmern des „zweiten“ und „dritten Ausbildungsmarktes“ gemeinsam, dass sie nach Ablauf der Ausbildung oder der Maßnahme kaum besser dastehen als zuvor. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall, wenn man von den Studien des BIBB und von der aktuellen Debatte über diese Thematik ausgeht. Denn danach steht fest: Die Übergangsmaßnahmen münden zu oft nicht in eine vollqualifizierende Ausbildung. Ebenso wie die Ausbildung im Schulberufssystem zu oft nicht in eine ausbildungsadäquate Beschäftigung mündet. So ist denn auch die Rede von einem „weitgehend nutzlosen Übergangssystem“ (Greinert), werden die Übergangsmaßnahmen als „sinnlose Warteschleifen“ (BIBB) und das Übergangssystem insgesamt als ein „sogenanntes“ Übergangssystem (Greinert) bezeichnet, und zwar weil es das Gegenteil von dem ist, was es sein soll und durch das „zahlreiche Jugendliche vagabundieren“ und die Themen Erfahrung machen müssen, „nicht mehr gebraucht zu werden“ (Baetghe u. a.).5 Und wie Recht Greinert und andere Kritiker der Übergangsmaßnahmen haben. Denn wie der Bericht „Bildung in Deutschland 2010“ belegt, sind inzwischen 17 % der jungen Menschen zwischen 20 und 30 Jahren hier zu Lande ohne irgendeinen beruflichen Abschluss und befinden sich auch nicht mehr in einer Bildungs- bzw. Ausbildungsmaßnahme. Bei den 20- bis 30-Jährigen mit Migrationshintergrund sind es übrigens 30 % und bei den jungen Frauen türkischer Herkunft sogar 47,5 %, die dieses Schicksal teilen. Was dies längerfristig bedeutet, macht eine andere Zahl klar. So ist nach Einschätzung der Autoren dieses jüngsten Bildungsberichts damit zu rechnen, dass im Jahre 2025 ca. 1,3 Millionen arbeitsfähige Menschen mangels zu geringer oder fehlender beruflicher Qualifikationen nicht in die Arbeitswelt integriert werden können.6 Und dies in Anbetracht der Tatsache, dass es uns jetzt schon in vielen Bereichen an qualifizierten Facharbeitern mangelt. Ist die Bundesrepublik Deutschland also doch keine Bildungsrepublik, sondern eher eine Bildungswüste, wie manche meinen? Die Frage ist natürlich, warum die Überbrückungsmaßnahmen wie hier erwähnt generell als gescheitert angesehen werden, d. h., warum allseits Konsens darüber besteht, dass sie den Übergang in eine qualifizierte berufliche Ausbildung bzw. in eine ausbildungsadäquate Erwerbsarbeit eher verhindern als befördern. Geht man von dem aus, was allgemein in diesem Zusammenhang als Begründung ins Feld geführt wird, dann liegt es in erster Linie an der Güte dieser Übergangssysteme selbst, d. h., es gelingt ihnen nicht, das zu leisten, was von ihnen an Leistungen erwartet wird. Das mag richtig sein, ist aber m. E. nur die halbe Wahrheit. Richtig dürfte nämlich auch sein, dass jene Jugendlichen, die sich vergebens auf dem „ersten Ausbildungsmarkt“ um einen Ausbildungsplatz bemüht haben, als wenig verwertbar eingestuft werden, d. h., ihr ökonomischer Nutzen wird als äußerst gering veranschlagt und damit auch ihr Gebrauchswert für den betrieblichen Produktionsprozess. Mit anderen Worten: Die Jugendlichen, die gezwungen sind, in der Regel durch mehrere Maßnahmen zu „vagabundieren“ und die Erfahrung machen müssen, „nicht mehr gebraucht“ und damit gesellschaftlich abgehängt zu werden, müssen diese Erfahrung auch deswegen machen, weil sie als zukünftige Arbeitnehmer mit nur einem geringen Gebrauchswert stigmatisiert werden, entsprechend der zuvor formulierten These, dass der Mensch nun einmal nur so viel wert ist, wie er für den betrieblichen Produktionsprozess von Wert ist. 3 Zurück zum Bildungsverständnis der Aufklärungspädagogik? Nimmt man das bisher Gesagte zusammen, dann fällt auf, dass sich in unserer Gesellschaft in Theorie und Praxis eine Bildungskonzeption herausgebildet hat, die erstaunliche Parallelen zur Aufklärungspädagogik zutage fördert. Das Gleiche gilt für das Menschenbild, das der Pädagogik der Aufklärungsepoche zugrunde lag. Wenn man so will, dann kann man sogar von einem Rollback der Bildungs- und Ausbildungsanstrengungen hin zu jenen – utilitaristischen – Vorstellungen und Zielen sprechen, die für die pädagogische Gesinnung der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts typisch war, also jener Epoche, in der die merkantilistische Wirtschaftspolitik das Maß der Dinge war, bekanntlich eine Wirtschaftspolitik, die jede Maßnahme dem Prinzip des ökonomischen Nutzens des Staates unterwarf, auch die Maßnahmen in Sachen Erziehung, Bildung und Ausbildung, mehr noch: sie vor allem. Das wird insbesondere daran deutlich, dass der Staat das gesamte Schul- bzw. Unterrichtswesen, das seinerzeit ein von den Kirchen dominiertes Schulwesen war, in die eigenen Hände genommen hat, auch das Prüfungswesen, und eine Erziehung und Ausbildung durchsetzte, die sich ausschließlich am ökonomischen Nützlichkeitsprinzip orientierte bzw. an der Verwertbarkeit in der Arbeitswelt. Diesem Denken verdanken wir übrigens die Gründung von Schulformen bzw. Schultypen, die sich bis heute erhalten haben und die nur deswegen eingerichtet wurden, um gezielt jene Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, die der Leistungsfähigkeit des Produktionsfaktors Arbeit im Interesse des staatlichen Gemeinwohls auf besondere Weise zugute kamen bzw. die auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt wurden. Alles andere galt als überflüssig, weshalb z. B. Herbart (1776–1841), bekanntlich der Begründer des „Erziehenden Unterrichts“ und der Pädagogik als Wissenschaft, diese Schulen auch als Bildungseinrichtungen bezeichnet hat‚die „außerhalb der pädagogischen Sphäre“ anzusiedeln seien. Die Real- und Handelsschulen stehen für die hier gemeinten neuen Schulformen, aber auch spezifische Fachschulen für bestimmte, spezifische berufliche Tätigkeiten. Auf jeden Fall ist aus heutiger Perspektive unstrittig, dass in dem Bildungs- und Ausbildungswesen, wie es sich damals herausgebildet hatte, die pädagogische Dimension schlicht ausgeblendet worden war bzw. durch Funktionsertüchtigung und berufliche Brauchbarkeit ersetzt wurde.7 Das bisher Gesagte auf einen Nenner gebracht: Die Epoche der Aufklärung ist jene historische Phase der deutschen Bildungsgeschichte, in der die Schulen bzw. die Ausformung des Bildungssystems zur Sache des Staates erklärt wurde, und zwar zu dem einzigen Zweck, sie ganz der wirtschaftlichen Entwicklung zu unterwerfen. Und: Die Philosophie der Aufklärung war nicht nur eine Philosophie der Vernunft; sie war immer auch eine „Philosophie des Nutzens“, genauer des ökonomischen Nutzens. Gut war, was vernünftig war, und damit war gemeint: was ökonomisch vernünftig war und dem Wohl des Staates zugute kam. 4 Warten auf einen neuen Humboldt? Ist also heute alles genauso wie vor rd. 200 Jahren und nichts dazu gelernt? Natürlich nicht im Detail und auch nicht in jeder Hinsicht, aber – so meine These – wohl im Prinzip bzw. in mancherlei Hinsicht. Dazu gehört z. B., dass heute wie damals Bildung, Erziehung und Unterricht unmittelbar im Ökonomischen wurzeln, d. h. wirtschaftliche Entwicklung und Entwicklung des Schulwesens gehen heute wie damals Hand in Hand, womit konkret gemeint ist, dass neue Schulformen – wie erwähnt – nicht gegründet und der schulische Unterricht nicht reformiert wurde, weil man sich Sorgen um die Bildung der Jugendlichen machte, sondern weil man be- Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 155 Fehlende Bildungsidee sorgt war über die wirtschaftliche Entwicklung bzw. über die Produktivität der Betriebe. Allerdings besteht dennoch Hoffnung auf Besserung bzw. auf radikale Umkehr in Sachen Bildung und Ausbildung, und zwar dann, wenn sich wiederholt, was die Aufklärungspädagogik an Entwicklungen im 18. und 19. Jahrhundert ausgelöst bzw. genauer provoziert hat. Das sind vor allem drei Erscheinungen, und zwar zum einen die Entdeckung der Bildung als wichtigstes Medium für gesellschaftliche Anerkennung bzw. als Wert an sich, zum anderen eine Vielzahl an pädagogischen Reformern – man denke nur an Pestalozzi, Campe, Basedow und an den bereits erwähnten Herbart. Und das ist nicht zuletzt jenes humanistische Bildungs- und Ausbildungskonzept, das mit dem Namen Wilhelm von Humboldt aufs Engste verbunden ist und das bis auf den heutigen Tag nichts von seiner Faszination verloren hat. Dies gilt auch angesichts der Tatsache, dass politisch Verantwortliche wie z. B. die gegenwärtige Bundesbildungsministerin versuchen, Bildungskonzeptionen, die auf mehr hinaus wollen als auf Effizienz und Passgenauigkeit im zuvor beschriebenen Sinne, d. h., die für eine Bildung eintreten, die auf die Verbesserung der Chancen sowohl auf gesellschaftliche Teilhabe wie auch auf individuelle Lebensführung gerichtet ist, mit der Begründung ablehnen, dass Humboldt längst tot, längst überholt sei bzw. dass er uns nichts mehr zu sagen habe. Aber wer Humboldts Bildungskonzept, bekanntlich ein Konzept, das auf beides setzt, nämlich auf individuelle und auf gesellschaftliche Emanzipation, für überholt erklärt, der hat dieses Konzept nicht einmal zur Hälfte verstanden. Oder aber er will nicht, dass sich unsere Gesellschaft im humanen und demokratischen Sinne weiterentwickelt, z. B. dadurch, dass sich die gesellschaftlichen Partizipationschancen gerade jener verbessern, die gegenwärtig auf Grund ihrer sozialen Herkunft, ihres Geschlechts oder ihrer ethnischen Zugehörigkeit systematisch benachteiligt werden. Ein neuer Humboldt ist auch gar nicht notwendig. Was aber her muss, ist die gesellschaftliche Debatte über eine neue Bildungsidee bzw. über ein Bildungsverständnis, das von einem bestimmten – humanen und demokratischen – Menschenbild ausgeht, z. B. von einem Menschenbild, das mit der Vorstellung übereinstimmt, dass die Gesellschaft wohl Anspruch auf einen angemessenen Beitrag des Einzelnen zum Ganzen hat und dass er sich mit dem gesellschaftlichen Ganzen identifiziert, das aber nicht mit einer Praxis in Übereinstimmung gebracht werden kann, die die Subjekte zu Objekten gesellschaftlicher, genauer ökonomischer Interessen macht; kurz: Dass der Wert des Einzelnen ausschließlich daran gemessen wird, wie hoch sein Wert im Verwertungskreislauf ist. 156 Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 Und eine zweite Debatte muss her: Darüber nämlich, worauf es zurückzuführen ist, dass immer mehr Jugendliche als lernschwach und nicht ausbildungsfähig eingestuft werden, d. h., ob die entscheidenden Lektionen in der Tat in den allgemeinbildenden Schulen versäumt werden, wie häufig unterstellt wird, oder aber ob wir vom allgemeinbildenden Schulwesen ebenso wie vom berufsbildenden Übergangssystem etwas einfordern, was sie gar nicht leisten können, nämlich auszubügeln bzw. zumindest abzumildern, was ganz wo anders verpfuscht worden ist. Keine Frage, dass die Antworten unterschiedlich ausfallen können. Aber keine Frage auch, dass nur die Antwort überzeugen wird, die mit einer konsensfähigen Bildungsidee begründet werden kann. Und erst recht keine Frage, dass die Einführung eines weiteren Unterrichtsfaches wie das – versetzungspflichtige – Fach „Berufsorientierung“ an den allgemeinbildenden Schulen alles andere als eine überzeugende Antwort ist. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Denn auf diese Weise geschieht wieder einmal genau das, was in der Vergangenheit allzu häufig geschehen ist, wenn es galt, eine gesellschaftliche Fehlentwicklung möglichst frühzeitig zu bekämpfen: Man schiebt die Lösung des Problems an die Schulen ab, und zwar ohne auch nur einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, ob sie dazu überhaupt – noch – in der Lage sind bzw. ob nicht mit jeder weiteren zusätzlichen Aufgabe die Haupt- und Realschulen immer weniger das leisten können, was sie entsprechend ihrem Bildungsauftrag zuallererst leisten sollen, nämlich die Ausstattung der Heranwachsenden mit den Kulturtechniken Lesen, Rechnen und Schreiben. Und dies auf einem Niveau, wie es für eine qualifizierte berufliche Ausbildung im dualen System notwendig ist.8 Vielleicht ist aber die Erfindung des Unterrichtsfaches „Berufsorientierung“ nichts anderes als ein weiterer Schritt auf dem Wege, möglichst viele Jugendliche passgenau für den Verwertungskreislauf herzurichten bzw. Bildungs- und Ausbildungsgänge ganz dem ökonomischen Nützlichkeitskalkül zu unterwerfen. Anmerkungen 1 Hinrich Lühmann, Betrieb Schule, www.tagesspiegel.de, 19.11.2007. 2 Vgl. Hilmar Grundmann, Die lernschwachen Hauptschulabsolventen – die größte Herausforderung für die berufsbildenden Schulen? In: Die berufsbildende Schule, 61(2009)6, S. 183 ff. 3 Vgl. Ursula Beicht, Verbesserung der Ausbildungschancen oder sinnlose Warteschleife? In: BIBB-Report 11/09, S. 1 ff. 4 Im Auftrag der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Bielefeld 2010. 5 Vgl. Hilmar Grundmann, Bildung und Integration, Frankfurt am Main, 2010, S. 9 f. 6 Vgl. „Bildung in Deutschland 2010“, S. 95 ff. 7 Vgl. ebd., S. 45 ff. 8 Vgl. Hilmar Grundmann, Sprachfähigkeit und Ausbildungsfähigkeit, Baltmannsweiler, 2007, S. 72 ff. Themen Georg Rothe Zur Zukunftsfähigkeit der Berufsbildung in Deutschland Die Berufsbildung in Deutschland wird kritisch analysiert. Perspektiven für eine Zukunftsfähigkeit werden aufgezeigt. 1 Einführung In Deutschland wird die berufliche Bildung widersprüchlich beurteilt. Einerseits gilt sie vor allem aus der Sicht offizieller Stellen als äußerst positiv und keineswegs als reformbedürftig, wie z. B.: – „Deutschland bringt in die europäische Entwicklung ein wirksames und bewährtes, weil an der beruflichen Praxis orientiertes Berufsbildungssystem ein.“1 – „Die berufliche Bildung in Deutschland ist attraktiv und breit anerkannt. Das duale System vermittelt qualitativ hochwertige berufliche Qualifikation, schafft hohe Übergangsquoten in den Arbeitsmarkt und mindert die Jugendarbeitslosigkeit – insgesamt eindeutige Vorzüge gegenüber anderen Berufsbildungssystemen.“2 – „Herausragender Vorzug der deutschen Berufsausbildung ist, dass wir über sehr moderne Ausbildungsberufe verfügen. Sie decken zum einen den Qualifikationsbedarf der Wirtschaft und öffnen zum anderen für die so ausgebildeten Fachkräfte eine breite Beschäftigungsperspektive.“3 Andererseits reihen sich seit Jahren Stellungnahmen aneinander, die diesen Aussagen diametral entgegenstehen und dringend Reformen verlangen: – „Es gelingt nicht, die Nachfrage nach Ausbildungsstellen im Dualen System ... zu decken. Zwischen den allgemein bildenden Schulen und der Berufsausbildung hat sich ein ‚Übergangssystem’ gebildet, in dem mehr als 400.000 Jugendliche mit einem milliardenschweren öffentlichen Finanzaufwand in einer Vielzahl von Maßnahmen der Berufsausbildungsvorbereitung (BAV) untergebracht sind, die zumeist keinen systematischen Anschluss an eine Berufsausbildung ... besitzen.“4 – „Selbst ausbildungsreife Ausbildungsstellenbewerber mussten in wachsender Zahl auf teilqualifizierende Bildungsgänge ... ausweichen. ... Die Probleme signalisieren Handlungsbedarf.“5 – „Wir brauchen eine Steuerung aus einer Hand ... An einer Koordinierungsstelle könnten die bildungspolitischen Vorstellungen der Sozialpartner, der Kammern, der Bundesländer wie auch der Lehrerverbände zum Ausgleich gebracht und verbindlich für alle Bundesländer geregelt werden ...“6 – „Grundsätzlich muss der Staat die Verantwortung für die Ausbildung der nachkommenden Generationen tragen ... Das verlangt ein Umdenken, denn bisher leistet sich die Bundesrepublik als einziger reicher und hoch entwickelter Staat unter den OECD-Ländern, die Ausbildung für Jugendliche nach Abschluss der Sekundarstufe I ... in die Entscheidungs- und Verfügungsmacht ‚der Wirtschaft’ zu stellen ...“7 Bund und Länder beauftragten im Jahre 2004 ein speziell dafür gebildetes Konsortium, umfassend über das deutsche Bildungssystem zu berichten und im zweijährigen Turnus entsprechende Untersuchungsergebnisse vorzulegen. Dieses Konsortium beurteilte das berufliche Bildungssystem ebenfalls positiv; neu eingeführt wurde von ihm der Begriff Übergangssystem für die Gesamtheit von Maßnahmen zwischen dem Schulabschluss und dem Antritt einer Ausbildung.8 Dessen ungeachtet dominiert in der deutschen Öffentlichkeit sowie auch amtlicherseits eine generell positive Einschätzung der beruflichen Bildung. Ständig wiederholte Stellungnahmen dieser Art führen dazu, dass der Gedanke, die berufliche Bildung an neue Erfordernisse anzupassen bzw. schon längst überfällige Reformen durchzuführen, nicht aufkommen kann, obwohl dies beim Rückgang ausgebildeter Fachkräfte notwendig wäre. Inzwischen werden in Deutschland rund 1,5 Mio. junge Leute im Alter von 20 bis 29 Jahren ohne Berufsabschluss gezählt; absehbar ist, dass sich die negative Entwicklung fortsetzt und das Beschäftigungssystem mit einem noch größeren Fachkräftemangel konfrontiert sein wird, was sich zwangsläufig auf die wirtschaftliche Prosperität auswirken muss. Seit Jahren befasst sich die Projektgruppe Vergleichende Berufspädagogik der Universität Karlsruhe (TH)9 mit Fragen der Zukunftsfähigkeit der beruflichen Bildung in Deutschland. Dies sind unrichtig interpretierte Daten zur Jugendarbeitslosigkeit, steigendes Alter bei Lehrantritt infolge fehlender Ausbildungsmöglichkeiten, zu viele Jugendliche in Warteschleifen des Übergangssystems, mangelndes Interesse an Reforminitiativen der EU, Geringschätzung der beruflichen Bildung in Deutschland. Die Projektgruppe kooperierte mit dem Interfakultativen Institut für Entrepreneurship. Unter anderem erschienen folgende Publikationen10: Berufliche Bildung in Deutschland11, Alternanz – die EU-Konzeption für die Berufsausbildung12, neue Wege beruflicher Qualifizierung zur Stärkung der wirtschaftlichen Prosperität13. 2 Unrichtig interpretierte Daten zur Jugendarbeitslosigkeit Eine geringe Jugendarbeitslosigkeit gilt länderübergreifend als Beleg für eine hohe Qualität des betreffenden Berufsbildungssystems. Dazu ein Statement aus dem Koalitionsvertrag der 2009 gebildeten neuen Bundesregierung14: Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 157 Zukunftsfähigkeit der Berufsbildung „Die berufliche Bildung in Deutschland wird weltweit hoch geschätzt. Das duale Ausbildungssystem ist ihr Herzstück. Es ist Garant für gute Übergänge in den Arbeitsmarkt und eine im internationalen Vergleich geringe Jugendarbeitslosigkeit.“ Die Jugendarbeitslosigkeit bezieht sich auf die Altersgruppe der 15- bis unter 25-Jährigen. Quoten Arbeitsloser werden über den aus arbeitslos Gemeldeten und Erwerbspersonen gebildeten Quotienten errechnet. Im Ländervergleich ergeben sich allerdings Unterschiede, wenn bei den Erwerbspersonen Lehrlinge im dualen System mitgezählt werden. Dadurch vergrößert sich in der Berechnungsformel der Nenner und das Ergebnis weist eine deutlich geringere Quote arbeitsloser Jugendlicher auf. Dies ist bei Deutschland mit der quantitativ vorherrschenden betriebsgebundenen Ausbildung der Fall. Schon seit den Jahren um 1980 hatte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) auf diese Fehleinschätzung hingewiesen. Gemäß IAB lag beispielsweise im Jahre 2005 in Deutschland die Jugendarbeitslosigkeit – unter Einbeziehung der Lehrlinge als Erwerbspersonen bei 13 %; – ohne deren Einbindung ergab sich die Quote von 19,5 %.15 Als Beweis für die Qualität des deutschen Berufsbildungssystems wurden die unrichtig interpretierten Statistiken der Jugendarbeitslosigkeit erstmals in den 1970er Jahren von den Kammern herausgestellt, um Initiativen der damaligen Bundesregierungen zur Novellierung des Berufsbildungsgesetzes abzuwehren. Unmittelbar nach Verabschiedung des Berufsbildungsgesetzes unter der Großen Koalition im Jahre 1969 verfolgte die sozialliberale Koalition das Ziel, dem Staat im Bereich der beruflichen Bildung ein größeres Mitspracherecht zu verschaffen, was allerdings bei dem im Vergleich zu anderen Staaten vermeintlich geringen Stand jugendlicher Arbeitsloser nicht gelingen konnte. Die erläuterte statistische Besonderheit bei Errechnung der Jugendarbeitslosenquote blieb bisher länderübergreifend unberücksichtigt, da eine derart hohe Quote von Lehrlingen – vom Alter der Schulentlassung bis weit ins Erwachsenenalter reichend – im EU-Raum nur für Deutschland zutrifft. So wurde anlässlich der Präsentation der aktuellen OECD-Länderstudie 2010 zur beruflichen Bildung von der Autorin Kathrin Hoeckel unrichtig dargestellt16: „Die berufliche Bildung in Deutschland leistet einen wesentlichen Beitrag zur Integration von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt und ist ein entscheidender Faktor für die im internationalen Vergleich geringe Jugendarbeitslosigkeit.“17 Ebenso äußerte sich das baden-württembergische Kultusministerium in seiner Stellungnahme vom 31.01.2010: „Das duale Ausbildungssystem wird als Hauptgrund dafür angesehen, dass in Deutschland im europaweiten Vergleich die Jugendarbeitslosigkeit sehr gering ist (EU-Durchschnitt: knapp 20 %). Absolventen finden anschließend weit besser eine Beschäftigung als in den Ländern, bei denen rein schulische Ausbildungsformen dominieren.“18 158 Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 Der Hinweis auf niedrige Quoten arbeitsloser Jugendlicher wird deshalb so oft gebraucht, weil damit sowohl die Qualität der Ausbildung als auch die Eingliederung in das Beschäftigungssystem angesprochen sind, ohne dass spezielle Daten zu beiden Bereichen genannt zu werden brauchen. Eine andere und ebenfalls bedeutende Fehlerquelle bei Einschätzung der Jugendarbeitslosigkeit im Ländervergleich ergibt sich dann, wenn in einzelnen Ländern die Jugendlichen, die nach der Schulentlassung noch keine Ausbildung beginnen konnten, als arbeitslos gelten oder in anderen Ländern für diesen Personenkreis in großem Umfang Sondermaßnahmen, z. B. als Warteschleifen im Vollzeitsystem eingerichtet werden. Seit 2006 erreicht in Deutschland das sogenannte Übergangssystem, das diese Jugendlichen einbezieht, eine immens hohe Quote, etwa in der Größenordnung derjenigen, die in ein Lehrverhältnis eintreten, sofern alle Altersstufen – auch das Erwachsenenalter – eingeschlossen sind. Jugendliche, die in Deutschland keinen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz finden, werden nur zum kleineren Anteil in Teilzeitklassen der Berufsschule speziell für Arbeitslose eingeschult; vielmehr wird ihnen in der Regel empfohlen, berufsvorbereitende Vollzeitmaßnahmen zu absolvieren. Auch in Österreich gibt es Schulentlassene, die keinen Ausbildungsplatz finden. Dafür richtete man dort eine Ausbildungsform ein, die diese Jugendlichen auf einem Sonderweg in etwas längerer Zeit zu einem Berufsabschluss führt. Ein spezielles Übergangssystem ist also nicht erforderlich. Das tatsächliche Ausmaß der Jugendarbeitslosigkeit ist nicht geeignet, als Gütekriterium für das deutsche System angeführt zu werden: – Berücksichtigt man, dass die Lehrlinge in der Arbeitslosenstatistik nicht als Erwerbspersonen gelten dürfen, schneidet Deutschland keineswegs besser ab als die anderen Staaten der EU. – Würde die große Zahl Jugendlicher nicht mit hohem finanziellen Aufwand in Warteschleifen des Übergangssystems aufgefangen, dann läge die deutsche Jugendarbeitslosenquote weit über der vergleichbarer Mitgliedsstaaten der EU. 3 Defizit an Ausbildungsmöglichkeiten und steigendes Alter bei Lehrantritt Erfahrungsgemäß wird das Ausbildungsangebot von konjunkturellen Schwankungen und längerfristig von strukturellen Entwicklungen beeinflusst. Unabhängig davon hat in den letzten Jahren die Zahl der deutschen ausbildungsberechtigten Betriebe, die tatsächlich ausbilden, stetig abgenommen. Waren es im Jahre 1985 noch 34,3 % und 1990 – bezogen auf die alten Länder – 28,7 %19, so lag dieser Anteil zwischen 1999 und 2008 bei nur rund 24 %.20 In der Statistik spiegelt sich der geringe Anteil der direkt nach Schulentlassung eine Ausbildung beginnenden Jugendlichen im kontinuierlich ansteigenden Alter der Lehranfänger wider, was Abbildung 1 veranschaulicht. Themen Gleichzeitig mehren sich Informationen, dass Lehrstellen nicht besetzt werden könDurchschnittsalter 16,3 16,8 17,7 18,2 18,6 18,9 19,3 19,4 nen, was darauf schließen lässt, dass das Interesse an Quellen: Jahre 1975 bis 1990: aus Tabellen des IAB Nürnberg zur Bildungsgesamtrechnung. den derzeit angebotenen Ab 1995: BIBB: Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2009. Bonn 2009, S. 157. meist dreijährigen und über Abb. 1: Mittleres Eintrittsalter in die betriebliche Lehre die gesamte Ausbildungsdauer eng ausgerichteten Berufen nach dem Modell des Lebensberufs deutlich eingeschränkt ist. Die Abbildung 3 zeigt die Altersaufgliederung Ein Blick über die Landesgrenzen zeigt, dass die dortigen teilder Lehranfänger im Vergleich von Deutschland und Österweise andersartigen dualen Systeme ganz offensichtlich reich. In Deutschland ist der Lehrbeginn mit über 18 Jahren Übergangsprobleme dieser Art nicht kennen. Jenseits der weithin die Regel, in Österreich dagegen die Ausnahme. Grenzen wie beispielsweise zu Österreich und der Schweiz gelingt es ohne größeren Verzug nahezu allen Absolventen Der Vergleich zu Österreich zeigt darüber hinaus deutliche Uneiner dem mittleren Schulabschluss vergleichbaren Qualifiterschiede bei den bestehenden Ausbildungsangeboten, denn kation, eine Ausbildung zu beginnen. Im Unterschied zu dort ist die vollzeitschulische Berufsqualifizierung in Form der Deutschland bestehen in Österreich allerdings neben der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMS und Lehre berufsqualifizierende Vollzeitschulen in ähnlicher BHS) breit ausgebaut. Die fünfjährigen berufsbildenden höStärke. heren Schulen vermitteln neben der Qualifikation als sogeJahr 1975 1980 1985 1990 1995 Die Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der Lehranfängerzahlen für das frühere Bundesgebiet und weist den Anteil der unter 18-Jährigen gesondert aus. Um die Altersverschiebung über einen längeren Zeitraum aufzeigen zu können, wurden für die Zeit vor 1993 Näherungswerte für die Anteile der unter 18-jährigen Lehranfänger in Westdeutschland ermittelt, denn zuvor erfasste die Statistik das Alter bei Lehrantritt nicht. Lag der Anteil der unter 18Jährigen in der Zeit von 1975 bis 1985 bei etwa der Hälfte der Neueintritte, so sank er bis zum Jahre 1990 auf ca. 30 %. 2000 2005 2008 nannter höherer Techniker auch die Hochschulzugangsberechtigung und werden gegenüber den zum allgemeinen Abitur führenden Gymnasien quantitativ stärker besucht. Die bedeutende Veränderung, dass in Deutschland Lehranfänger immer älter werden, findet bisher kaum Beachtung. Bereits im Jahre 1963 hatte die EG in ihren ersten Leitlinien zur beruflichen Bildung auf die Notwendigkeit hingewiesen, nachteilige Unterbrechungen zwischen dem Abschluss der allgemeinen Schulbildung und dem Ausbildungsbeginn zu vermeiden. Der späte Eintritt in Berufsausbildung und Beschäftigung hat Konsequenzen für die bereits bestehende Problematik des Fachkräftemangels in Deutschland. So zeigt sich, dass durch den verzögerten Ausbildungsbeginn mit im Durchschnitt 19,5 Jahren zusätzlich zum schon vorhandenen Defizit weitere dreieinhalb Jahrgänge junger Fachkräfte fehlen. Hinzu kommt das Problem, dass in Deutschland ohnehin ein starker Geburtenrückgang zu verzeichnen ist. Die Fehleinschätzung von Statistiken zur Jugendarbeitslosigkeit sowie das höhere Alter der Lehranfänger werden in DeutschAbb. 2: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in Westdeutschland 1975 – 2009 mit Anteilen unter 18-jähriger Lehr- land selbst von amtlicher Seianfänger te kaum wahrgenommen. Altersgruppe unter 18 Jahren 18 bis 22 Jahre 23 Jahre u. älter Summe Deutschland 36,0 % 55,3 % 8,7 % 100 % Österreich 88,4 % 10,5 % 1,1 % 100 % Abb. 3: Lehranfänger in Deutschland und Österreich im Jahre 2005 nach Altersgruppen. 4 Zu viele Jugendliche in Warteschleifen des Übergangssystems Der deutsche Bildungsbericht unterscheidet ab 2006 in der Beschreibung der be- Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 159 Zukunftsfähigkeit der Berufsbildung Duales System % Schulberufssystem % 2000 582.416 47,8 175.462 14,4 2005 517.341 42,4 215.874 17,7 2006 531.471 43,4 215.226 17,6 2007 569.460 46,9 214.782 17,7 2008 558.501 47,9 210.552 18,1 Abb. 4: Neueintritte nach Bildungsbereichen in Deutschland. ruflichen Bildung unterhalb der Hochschulebene drei Teilsysteme: Duales System, Schulberufssystem und Übergangssystem.21 Die Abbildung 4 zeigt die Neueintritte in diese Sektoren seit dem Jahre 2000 auf.22 Im Gegensatz zu den beiden anderen Sektoren vermittelt das Übergangssystem keinen qualifizierenden beruflichen Abschluss, sondern nur verschiedenartige Formen der Berufsvorbereitung. Die von den beruflichen Schulen in diesem Sektor vollzeitig angebotenen Maßnahmen unterscheiden sich stark. Es gehören auch Zweige dazu, die zum Erreichen der Hochschulzugangsberechtigung oder der mittleren Reife führen. Der in Deutschland neu eingeführte Begriff Übergangssystem wertet den einbezogenen Anteil Warteschleifen auf, obwohl deren Erfolg äußerst fragwürdig ist. Der Einsatz hoher finanzieller Mittel – nach Berechnungen der BertelsmannStiftung im Jahre 2006 etwa 5,6 Mrd. €23 – ist daher nicht gerechtfertigt. Die nationale Bildungsberichterstattung des Jahres 2008 stellte fest, dass nur etwa die Hälfte der Teilnehmer in eine „qualifizierende Ausbildungsperspektive“ vermittelt wird. Für die anderen sei „aller Zeit- und Lernaufwand vergeblich“.24 Ein solcher „Ertrag“ von mit hohem Kostenaufwand verbundenen Maßnahmen sowie die demotivierenden Auswirkungen auf die letztlich ohne eigenes Verschulden nicht erfolgreichen Jugendlichen lassen sich nicht als Indiz für einen sinnvollen und leistungsfähigen Bereich des Bildungswesens bezeichnen. Auch der Begriff Schulberufssystem erscheint problematisch und ist zum Teil unzutreffend. Einerseits sind Ausbildungsgänge für Erzieher- und Sozialberufe in Regie der Kultusverwaltungen einbezogen, andererseits Berufe im medizinischen Bereich. Letztere sind im internationalen Vergleich dem Dualsystem zuzuordnen; sie stimmen mit den Empfehlungen der EU zur Konstruktion des dual-alternierenden Systems und zur Kooperation von Schule und Betrieb in vollem Umfang überein. Engpässe im Lehrstellenangebot treten auch in anderen EUStaaten auf; außer in Deutschland kam es aber nirgends zum Aufbau eines quantitativ derart starken Sektors zur Berufsvorbereitung und zum Nachholen von Schulabschlüssen mit dem Ziel, den einbezogenen Jugendlichen letztlich doch noch den Eintritt in eine betriebsgebundene Ausbildung zu ermöglichen. Zu einem erheblichen Anteil werden mehrere der verschiedenartigen Maßnahmen bzw. Schulzweige durchlaufen. 160 Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 Die im Übergangssystem gebundenen finanziellen Mittel ließen sich weit sinnvoller zur 460.107 37,8 Realisierung einer echten beruflichen Ausbildung einset485.877 39,9 zen, vor allem in breit angelegten Grundbildungsgän477.584 39,0 gen auf der Ebene von Berufsgruppen mit Qualifizie429.299 35,4 rung für den Eintritt in die Arbeitswelt. Ihrer verfassungs397.277 34,1 mäßigen Kompetenz wegen sollten die Kultusverwaltungen derartige berufsqualifizierende Berufsbildungsgänge neu einrichten. Unverständlich ist, dass sie immer noch inaktiv bleiben. So stellt sich die Frage, ob es Vorschriften oder Gesetze gibt, wonach die Kultusverwaltungen beim derzeitigen Mangel an Ausbildungsmöglichkeiten keine Berufsbildungsgänge einrichten dürfen. Dies wäre insbesondere für schwach begabte Jugendliche erforderlich. Einzubeziehen sind auch alle diejenigen, denen es früher gelang, direkt von der Hauptschule in ein Arbeitsverhältnis überzuwechseln. Der zum Teil mehrfache Besuch von Warteschleifen birgt sozialen Sprengstoff. Übergangssystem % 5 Mangelndes Interesse an Reforminitiativen der EU Im Bereich von Bildung und Berufsbildung ist in Deutschland für den Kontakt zur EU das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gemeinsam mit der Kultusministerkonferenz zuständig. Formal bedeutet dies: – Sie nehmen an den Sitzungen der Mitgliedsstaaten der EU teil und wirken bei der Annahme von Vorschlägen und Beschlüssen mit. – Sie stellen die deutschen Vertreter im Europäischen Rat für Bildung. – Federführend übermittelt das BMBF der EU-Kommission Berichte, Stellungnahmen und Beurteilungen zum deutschen Bildungssystem. Welche Zuständigkeiten sich für Bund und Länder im Einzelnen ergeben, teilte das BMBF im Jahre 2005 der EU-Kommission mit. Diese Auflistung schloss wie folgt: „Eine verfassungsrechtliche Kompetenz, die eine Koordinierung im Bildungsbereich erzwingen könnte, gibt es in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Unbeschadet dessen besteht in Deutschland zwischen den Ländern, ... sowie zwischen Bund und Ländern ein breiter Konsens über die Ziele, die das Bildungswesen ... anvisieren muss.“25 Es gibt also keine Institution mit oberster Zuständigkeit, die bei festgestelltem Reformbedarf aktiv werden müsste. Bestehende Verwaltungen sind bei auftretenden Fragen nur auf den eigenen Sektor beschränkt. Probleme im Bereich Bildung und insbesondere berufliche Bildung sind jedoch kaum auf eine derartige Institution begrenzt. Übereinstimmend wird in Voten amtlicher Stellen – wie eingangs wiedergegeben – das deutsche Berufsbildungssys- Themen tem als nicht reformbedürftig gesehen. Aber schon die vorangehenden Abschnitte dieses Beitrags zeigen, dass seit Jahren dringender Reformbedarf besteht. Gäbe es in Deutschland eine zuständige Stelle, dann müsste sie beispielsweise längst zur Beseitigung folgender Mängel aktiv werden: Ausbildungsplatz fanden, im Übergangssystem aufzufangen. Der wohl einzige Nutzen des immens hohen Finanzaufwands für die Einrichtung von Warteschleifen ist, dass ein Ansteigen der Zahl arbeitsloser Jugendlicher vermieden wird. Mit Recht wurde in der Presse unlängst von „organisierter Verantwortungslosigkeit“ gesprochen.27 – Zu einem großen Teil gelingt es Schulentlassenen nicht, eine Ausbildung zu beginnen. Parallel dazu wuchsen die Warteschleifen im Übergangssystem auf etwa 400.000 Neueintritte pro anno an. Das mangelnde Interesse an Reformen und speziell an der Berücksichtigung der Beschlüsse von Lissabon 2000 liegt daran, dass das deutsche System von amtlichen Stellen immer wieder positiv beurteilt wird. Ursache dieser Fehleinschätzung ist das Fehlen von Vergleichsuntersuchungen und die Nichtbeachtung der geringen Zahl vorliegender komparativer Studien. Systematische Vergleiche würden mit Sicherheit derartige Informationslücken schließen. Auf die Notwendigkeit, zwischen den Bildungssystemen Vergleiche durchzuführen, wies Staatssekretär Catenhusen vom BMBF wie folgt hin: – Die Kooperation zwischen Ausbildungsbetrieb und Teilzeitschule ist im deutschen System fehlender Regelungen wegen nicht effizient, sodass es kaum gelingt, in anspruchsvollen Berufen erfolgreich auszubilden. Die in die Lehre Eintretenden werden immer älter und die Ausbildungsquoten gehen zurück. – Ohne ein modular strukturiertes System der Weiterbildung lässt sich das lebenslange Lernen, wie es die EU fordert, nicht realisieren. – Ganz offensichtlich sehen sich die Kultusverwaltungen nicht in der Lage, berufsqualifizierende Bildungsgänge für den Einstieg in die Arbeitswelt z. B. auf Berufsfeldebene einzurichten. Zum letzten Punkt nahm der Wirtschaftspädagoge Euler wie folgt Stellung: „Die Unternehmen und die für die Berufsabschlüsse zuständigen Kammern müssten sich bewegen und es zulassen, dass junge Menschen in Berufsschulen und in außerbetrieblichen Lehrwerkstätten zu vollwertigen Berufsabschlüssen gelangen können.“26 Angesprochen ist damit das Berufsbildungsgesetz 1969, in dem der Bund als laut Grundgesetz für wirtschaftliche Fragen zuständig die seit 1900 über die Reichsgewerbeordnung den Kammern überantwortete Zuständigkeit für die Berufsausbildung auf gesamtdeutscher Ebene festschrieb. Außer Deutschland gibt es kein Land, das die Zuständigkeit für die duale Ausbildung eigenverantwortlich Institutionen der Wirtschaft übertragen hat. Auch Länder mit ähnlichen historischen Wurzeln integrierten die betriebsgebundene Ausbildung in das staatliche Bildungssystem, ohne dass Qualität und Akzeptanz der Berufsausbildung Schaden genommen hätten. Beim sich immer deutlicher zeigenden Mangel an Ausbildungsmöglichkeiten für Schulentlassene – quantitativ erkennbar an den Übertritten ins Übergangssystem – mahnen die Kultusministerien allenfalls, die Wirtschaft solle mehr ausbilden. Sie scheuen sich, eigene Berufsbildungsgänge einzurichten, weil sie einerseits nicht in die Zuständigkeit der Kammern eingreifen wollen und zum anderen, weil sie offensichtlich fürchten, in Schulen ausgebildete Fachkräfte würden auf dem Arbeitsmarkt nicht akzeptiert werden. Immer wieder wird in Deutschland darauf verwiesen, dass staatlicherseits eingerichtete Vollzeitschulen zu keiner vollwertigen Qualifikation führen. Die Kultusverwaltungen sind aber durchaus bereit, Jugendliche, die keinen „Für mich liegt auch in Zukunft die Zuständigkeit für die nationalen Bildungssysteme bei den EU-Mitgliedsstaaten. ... Gerade die Unterschiedlichkeit der Bildungssysteme erlaubt den offenen Wettbewerb um die besten Lösungen für gemeinsame Herausforderungen. Deshalb müssen wir, auch in der beruflichen Bildung, den Vergleich der Systeme und Reformvorhaben verstärken, um gegenseitig von best practice zu lernen. Die Pisa-Studie der OECD für den allgemeinen Bildungsbereich war hier für Deutschland ein Lehrstück.“ Dass die Ausbildung nach dem sogenannten Berufsprinzip immer noch als Lebensberuf beibehalten wird, ist in heutiger Zeit unverständlich. Zutreffend gilt Deutschland im internationalen Vergleich als das Land der Erstausbildung. Von der EU favorisiert wird dagegen das lebenslange Lernen, was nur sinnvoll realisiert werden kann, wenn die Bildungsgänge grundsätzlich nach Einheiten strukturiert sind, die aufeinander aufbauen oder parallel laufen und damit ein Weiterlernen über das ganze Leben möglich wird. Dafür ist gleichzeitig eine einheitliche staatliche Prüfungsinstitution zu installieren. Die EU empfahl 1979, dass im dual-alternierenden System eine Arbeitsteilung von Erfahrungslernen im Betrieb und systematischer Ausbildung in der Teilzeitschule erfolgen soll, was bereits in vielen Mitgliedsstaaten zu einem beträchtlichen Teil realisiert ist. In Deutschland wurde dagegen das Modell mit alleiniger Zuständigkeit der Betriebe beibehalten. Es gibt kein Land, in dem die gesamten Ausbildungsberufe sich als Lebensberufe verstehen und generell nicht nach dem Grundsatz Basisausbildung und aufbauende Qualifizierung strukturiert sind. Es ist unverständlich, dass dieses Ausbildungsmodell in Deutschland derzeit überhaupt nicht zur Diskussion steht. Die Einführung des Grundprinzips lebenslanges Lernen bedeutet ferner, im Berufsbildungssystem Anpassungs-, Aufstiegs- und Umsteigemöglichkeiten zu schaffen. Das deutsche System kommt demzufolge der Forderung nach Mobilität und Flexibilität der Ausbildung nicht nach. Hinsichtlich der Einführung gestufter Qualifizierungsmöglichkeiten in Form von Grundausbildungsgängen auf unterem Niveau und darauf aufbauender Differenzierung und Spezialisie- Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 161 Zukunftsfähigkeit der Berufsbildung rung über Module sowie sonstigen Weiterbildungsmöglichkeiten mit Abschlüssen oder Zertifikaten steht Deutschland bisher im Abseits. Die in der Öffentlichkeit immer wieder geäußerte Auffassung, das deutsche Dualsystem würde von außen positiv gesehen, stimmt mit der Realität nicht überein. So führt die Fixierung auf die vermeintliche eigene Überlegenheit dazu, dass die EU-Vorschläge und insbesondere die Beschlüsse von Lissabon 2000 nicht die erforderliche Beachtung finden. 6 Geringschätzung der beruflichen Bildung in Deutschland Wann immer in Deutschland Reformen im Bildungssystem angesprochen sind, wie z. B. die Problematik des dreigliedrigen Schulwesens, das acht- oder neunjährige Gymnasium usf., stehen Fragen der Allgemeinbildung im Vordergrund. Dass es mehr als der Hälfte des Schulentlassungsjahrgangs nicht gelingt, ohne Verzögerung eine Ausbildung zu beginnen, wird dagegen kaum angesprochen. Trotz vieler kritischer Stellungnahmen nimmt die Öffentlichkeit das sogenannte Übergangssystem, in das die vielen Warteschleifen integriert sind, ohne Protest hin. Bisher gibt es auch keine Qualifizierungsmöglichkeiten für die Jugendlichen, denen es früher gelang, als Jungarbeiter ohne Ausbildung direkt in die Arbeitswelt überzutreten. Ebenso fehlen Sondermaßnahmen für Migranten und andere unversorgte Jugendliche. Hierin spiegelt sich bereits eine gewisse Geringschätzung der beruflichen Bildung wider. Geht man den Gründen nach, sind insbesondere folgende Sachverhalte anzuführen: – Die alleinige Verantwortung im Dualsystem liegt bei den Ausbildungsbetrieben, obwohl die Teilzeitschule und die Ausbildung im Betrieb als gleichwertig zu sehen sind. – Die immer noch grundsätzliche Orientierung der Ausbildung am Modell der Lebensberufe ist seit Generationen nicht mehr zeitgerecht. – Die Ausbildungsordnungen beziehen sich allein auf den Ausbildungsbetrieb, was diesen überfordert. So erklärt sich, dass die Bereitschaft nachlässt, Schulentlassene ohne Zeitverzug auszubilden. – Die Notwendigkeit, die berufliche Qualifizierung auf der Basis einer breiten Grundbildung und aufbauender Spezialisierung im Sinne des lebenslangen Lernens zu strukturieren, wird bisher nicht beachtet. In diesen Schwachpunkten spiegelt sich der Einschnitt des Jahres 1900 mit Übertragung der Zuständigkeit für die Ausbildung von den Kultusbehörden der Länder an die Kammern der Wirtschaft. Trotz einzelner Versuche gelang es über den Zeitraum von 100 Jahren nicht, diese Besonderheit zu korrigieren. Als Beweggründe wurden damals die Förderung des Mittelstandes genannt sowie das Ziel, die mit der Gewerbegesetzgebung anlässlich der Einführung der Gewerbefreiheit verloren gegangene Vorrangstellung des Handwerks wiederherzustellen. Nicht zu übersehen ist, dass bei der Übertragung der Ausbildung an die Kammern der Wirtschaft der von Preußen ausgehende Neuhumanismus prä- 162 Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 sent war und Wilhelm von Humboldt als Verantwortlicher für das Erziehungswesen die berufliche Bildung aus dem staatlichen Bildungssystem ausklammerte. Er vertrat die Auffassung, dass allgemeine und berufliche Bildung strikt voneinander zu trennen seien, denn bei einer Vermischung beider Bereiche werde „die Bildung unrein“.28 Nach neuhumanistischem Bildungsverständnis galt das antike Griechenland als idealer Bildungsgegenstand, da die Griechen in vielerlei Hinsicht vorbildhaft gewesen wären, u. a. im Hinblick auf ihre republikanische Staatsform und ihre kulturellen Leistungen. Ermöglicht worden seien diese Höchstleistungen unter anderem dadurch, dass sie von niederen Arbeiten befreit waren. So hob Humboldt hervor: „Die Sklaverei ... überhob den Freien eines grossen Theils der Arbeiten, deren Gelingen einseitige Uebung des Körpers und des Geistes – mechanische Fertigkeiten – erfordert. Er hatte nun Musse, seine Zeit zur Ausbildung seines Körpers durch Gymnastik, seines Geistes durch Künste und Wissenschaften, seines Charakters überhaupt durch thätigen Antheil an der Staatsverfassung, Umgang, und eignes Nachdenken zu bilden.“29 Diese Auffassung lässt unschwer erkennen, dass manuelle Tätigkeiten und sonstige niedere Arbeiten gering geschätzt wurden. In der Epoche des Neuhumanismus wurde diesen Vorstellungen entsprechend die berufliche Ausbildung abgewertet. Im Laufe der Entwicklung traten allerdings in zunehmendem Maße Berufsfelder hinzu, die nicht mehr durch Handarbeit allein gekennzeichnet sind. Heute schließt berufliche Bildung Spitzenqualifikationen ein, die längst der allgemeinbildenden Sekundarstufe II ebenbürtig sind. Die EU-Reform Lissabon 2000 mit der angestrebten Stufung des Bildungssektors und der Forderung nach lebenslangem Lernen knüpft an die in den letzten Jahrzehnten in Deutschland geführte Diskussion des Zweiten Bildungswegs an, sodass dieser bislang kaum realisierte Weg nun als EU-Programm Priorität erhält: Der Übergang von oberen Stufen der beruflichen Qualifizierung in den tertiären Bereich ist also sicherzustellen. Von der OECD wird immer wieder festgestellt, dass der Zugang in den tertiären Bereich in Deutschland insgesamt quantitativ unzureichend ist. Der zu realisierende Übergang von beruflichen Qualifikationen auf höherer Ebene in den Hochschulsektor stellt also eine wichtige bildungspolitische Initiative dar. Das in Deutschland praktizierte Vorgehen, über sogenannte berufliche Gymnasien den Hochschulzugang zu erreichen, versteht sich – obwohl in beruflichen Schulen durchgeführt – als Zweig, der zum allgemeinen Abitur führt. Dieser Weg entspricht nicht der Forderung eines gestuften Übergangs von anspruchsvollen Abschlüssen beruflicher Qualifizierung in den tertiären Bereich. Der Aufstieg von Stufe zu Stufe und insbesondere von qualifizierten Berufsbildungsabschlüssen in den Tertiärbereich ist längst auch in den beiden deutschsprachigen Ländern Österreich und Schweiz realisiert. In der Schweiz erfolgt dies über die parallel zur Lehre oder danach absolvierbare Berufsmaturität; mehr als 10 % der Lehrabsolventen erreichen diese Stufe. In Österreich wird der Übergang in die Univer- Themen sität durch die nach bzw. teils bereits während der Lehre in einigen Fächern abzulegende Berufsreifeprüfung ermöglicht. Deutschland ist in dieser Hinsicht also im Rückstand, was gleichzeitig den hohen Anteil der Erwerbsbevölkerung mit entsprechender beruflicher Qualifizierung benachteiligt. Die Hochschulzulassung für beruflich qualifizierte Bewerber ist nach einer Vereinbarung der KMK vom März 2009 in Deutschland wie folgt geregelt:30 – Die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung wird Meistern im Handwerk und Inhabern bestimmter Fortbildungsabschlüsse, die auf Lehrgängen mit mindestens 400 Unterrichtsstunden basieren, sowie den Absolventen der Fachschulen u. a. zuerkannt. – Die fachgebundene Hochschulzulassungsberechtigung erhalten Absolventen einer affinen Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit Berufspraxis nach einer Eignungsfeststellung, die sich auf allgemeines und fachliches Wissen bezieht bzw. ersatzweise erfolgreichem einjährigen Probestudium. Kurz darauf publizierte die KMK eine Gesamtdarstellung der durch Rahmenvereinbarung geregelten Bildungswege und Berechtigungen und wies darauf hin, dass die Länder den gestiegenen Qualifikationsanforderungen und dem Bedarf an hochkompetenten Fachkräften infolge des Strukturwandels zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft durch eine deutliche Verbesserung der Durchlässigkeit zwischen der beruflichen Bildung und der Hochschulbildung entgegenkommen.31 Der Anteil Studierender, die über den Weg der beruflichen Qualifizierung in den tertiären Bereich gelangen, ist bisher allerdings äußerst gering. Diese Situation entspricht nicht der von der EU geforderten Durchlässigkeit von Stufe zu Stufe entgegen; sie versperrt vielmehr der großen Mehrheit beruflich Qualifizierter den Aufstieg von gehobenen Berufsabschlüssen aus in die Hochschule. Als weiterer Bereich der Benachteiligung des Sektors berufliche Bildung ist die Vernachlässigung der Berufsvorbereitung in der Pflichtschule zu nennen. Trotz massiver Stellungnahmen der Wirtschaft blieb die Situation bis heute nahezu unverändert. Maßnahmen der Berufsvorbereitung als Bestandteil des Übergangssystems werden in Vollzeitform zunehmend in Berufsschulen durchgeführt. Damit verbunden ist ein Abweichen von der länderübergreifend geltenden Regel, dass die allgemeinbildende Schule der Sekundarstufe I den Eintritt in eine Berufsausbildung ermöglichen soll. Die Berufsvorbereitung, vor allem die Sicherstellung der Ausbildungsreife, verlagert sich zunehmend von der Sekundarstufe I in das Übergangssystem. Infolgedessen unterrichtet in der Berufsschule derzeit der größere Teil der Lehrkräfte in Warteschleifen und anderen Zweigen des Übergangssystems und nur ein kleinerer Teil in Teilzeitklassen parallel zur betrieblichen Ausbildung sowie nur wenige in berufsqualifizierenden Vollzeitschulen. Die Thematik Ausbildungsreife wurde zwar im Rahmen des Nationalen Paktes für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland behandelt, den die Bundesregierung und die Spitzenverbände der Wirtschaft im Jahre 2004 schlossen. So entwickelte eine Expertengruppe unter Federführung der Bundesagentur für Arbeit einen Kriterienkatalog, der die individuellen Voraussetzungen für die Aufnahme einer Berufsausbildung beschreibt.32 Danach zählt zur Ausbildungsreife u. a. das räumliche Vorstellungsvermögen. Der Kriterienkatalog befasst sich allerdings nicht damit, wie diese Fähigkeit in der Schule entwickelt werden soll. Auch der von einer weiteren Expertengruppe erarbeitete Handlungsleitfaden für Schulen und Betriebe zur Stärkung von Ausbildungsreife und Berufsorientierung durch Kooperationen geht nicht auf diese Frage ein. Unberücksichtigt bleibt auch das Fach Werken, das vor wenigen Jahrzehnten noch eine gewisse Bedeutung hatte und ganz dem Grundsatz von Pestalozzi entspricht, Kopf, Herz und Hand zu bilden. Hierin zeigt sich ein weiterer Beleg für die Zurücksetzung der beruflichen Bildung. Die jüngste Entwicklung ist also einmal durch die Verlagerung der Berufsvorbereitung von der Pflichtschule ins Übergangssystem und zum anderen die Vernachlässigung von Aufstiegsmöglichkeiten über berufliche Qualifizierung in den tertiären Bereich gekennzeichnet. Beide Sachverhalte unterstreichen die Geringschätzung der beruflichen Bildung im Bildungsgesamtsystem. So stellt sich die Frage, ob in Deutschland die neuhumanistische Sichtweise wieder auflebt und definitiv eine Zweiklassengesellschaft festgeschrieben wird. 7 Fazit Aufgrund versäumter frühzeitiger Maßnahmen ergibt sich in Deutschland ein erheblich größerer Reformbedarf, z. B. im Vergleich zu jenen EU-Staaten, die ihre Berufsbildungssysteme kontinuierlich an veränderte Anforderungen angepasst haben und weiter anpassen. Nur eine grundlegende Neujustierung kann die Zukunftsfähigkeit der beruflichen Bildung in Deutschland sichern. Benötigt wird eine Verankerung der Kompetenz für die berufliche Bildung auf den Regierungsebenen Bund und Länder durch eigene Behörden, die auf Bundesebene eng an das BMBF angebunden sind, aber auch mit den beiden Ministerien für Arbeit und Wirtschaft kooperieren. Der Darmstädter Ordinarius für Berufspädagogik Gustav Grüner bezeichnete eine solche Behörde auf oberster Ebene als Staatssekretariat. Die Grundvoraussetzung für einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung des Fachkräftebedarfs und damit der wirtschaftlichen Prosperität besteht darin, allen Jugendlichen arbeitsmarktrelevante und ausbaufähige Möglichkeiten der beruflichen Qualifizierung zu bieten. Zusätzliche finanzielle Mittel wären kaum erforderlich, wenn es gelingt, die jährlich aufgebrachten Milliardenbeträge zur Finanzierung von Warteschleifen einzusparen und für Formen beruflicher Bildung nach EU-Standards einzusetzen. Knapp zusammengefasst erscheinen die folgenden Reformschritte vordringlich: – Schaffung einer staatlichen Institution mit oberster Zuständigkeit für die berufliche Bildung in ihrer Gesamtheit. Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 163 Zukunftsfähigkeit der Berufsbildung – Einbeziehung der beruflichen Bildung ins Bildungsgesamtsystem mit entsprechender Berufsbildungsgesetzgebung. – Einrichtung von Ausbildungsgängen zur beruflichen Grundqualifizierung anstatt Einweisungen der Schulentlassenen ins Übergangssystem. – Ablösung der Vielzahl eng spezialisierter Ausbildungsberufe durch eine gestufte und modularisierte Struktur von Berufen mit breiterem Profil. – Verbindliche Regelung des Zusammenwirkens von Ausbildungsbetrieb und Berufsschule entsprechend den Grundsätzen des dual-alternierenden Systems sowie Erarbeitung entsprechender Ausbildungsordnungen. – Steigerung der Attraktivität der dualen Ausbildung durch flächendeckende Angebote von Zusatzqualifikationen. – Ermöglichung des Aufstiegs von Stufe zu Stufe gemäß dem Grundprinzip des lebenslangen Lernens und insbesondere von qualifizierten Berufsbildungsabschlüssen in den Tertiärbereich. – Etablierung einer die ganze Breite der beruflichen Bildung umfassenden staatlichen Prüfungshoheit, wobei auch über den Weg des lebenslangen Lernens informell erworbene Qualifikationen anzuerkennen sind. Anmerkungen 1 Deutscher Fortschrittsbericht 2005 zur Umsetzung des Arbeitsprogramms „Allgemeine und berufliche Bildung 2010“ der EU. Brüssel 2005, S. 21. 2 BMBF (Hrsg.): 10 Leitlinien zur Modernisierung der beruflichen Bildung – Ergebnisse des Innovationskreises berufliche Bildung. Bonn, Berlin 2007. 3 Bundesbildungsministerin Schavan anlässlich des 40-jährigen Bestehens des BIBB im Jahre 2010. 4 Euler, Dieter: Übergangssystem – Chancenverbesserung oder Vorbereitung auf das Prekariat? Vortrag auf der Fachtagung der Hans-Böckler-Stiftung „Zukunft der Berufsbildung“ am 12.02.09 in Düsseldorf, http://www. boeckler.de/pdf/v_2009_02_12_euler_vortrag.pdf. 5 6 7 Krekel, E. M./Ulrich, J. G. (BIBB): Jugendliche ohne Berufsabschluss. Handlungsempfehlungen für die berufliche Bildung. Kurzgutachten. Copyright by Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin 2009, S. 7. B. Gehlert, BLBS-Vorsitzender, anlässlich des 23. Dtsch. Berufsschultages am 12.-14.11.09 in Bamberg, http://www.blbs.de/aktuell/nachrichten/ 131109_berufsschultag_gehlert.html. Neß, H.: Generation abgeschoben. Warteschleifen und Endlosschleifen zwischen Bildung und Beschäftigung. Daten und Argumente zum. Hrsg.: Hauptvorstand GEW. Bielefeld 2007, S. 168 f. 164 Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 8 Vgl. Bildung in Deutschland. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration. Hrsg.: Konsortium Bildungsberichterstattung im Auftrag der KMK u. des BMBF. Bielefeld 2006, S. 79. 9 Ab Oktober 2009 Karlsruher Institut für Technologie (KIT). 10 Abrufbar unter www.uvka.de. 11 Band 14 der Reihe Materialien zur Berufs- und Arbeitspädagogik der Projektgruppe Vergleichende Berufspädagogik der Universität Karlsruhe (2008). 12 Band 12 der Reihe Materialien zur Berufs- und Arbeitspädagogik der Projektgruppe Vergleichende Berufspädagogik der Universität Karlsruhe (2004). 13 Band 20 der Schriften des Interfakultativen Instituts für Entrepreneurship am Karlsruher Institut für Technologie (2010). 14 Wachstum. Bildung. Zusammenhalt. Koalitionsvertrag, 17. Legislaturperiode, S. 61. 15 Vgl. IAB Forschungsbericht Nr. 9/2007, S. 22 f. 16 Hoeckel, Kathrin und Schwartz, Robert: Lernen für die Arbeitswelt. OECDStudien zur Berufsbildung. Deutschland. OECD, September 2010. 17 http://www.oecd.org/document/59/0,3343,de_34968570_35008930_ 45925307_1_1_1_1,00.html. 18 Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg an den Präsidenten des Landtags von Baden-Württemberg, S. 19. 19 Vgl. http://www.bibb.de/dokumente/pdf/a12pr_dokumentation_bibbforum_didacta2007_22.pdf. 20 Autorengruppe Bildungsberichterstattung: Bildung in Deutschland 2010. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Perspektiven des Bildungswesens im demografischen Wandel, Bielefeld 2010, Tab. E3-2A, S. 275. 21 Vgl. Bildung in Deutschland 2006, a.a.O., S. 79. 22 Bildung in Deutschland 2010, a.a.O., S. 96. 23 ZDF-Magazin Frontal21 vom 24.3.09. 24 Autorengruppe Bildungsberichterstattung: Bildung in Deutschland 2008. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Übergängen im Anschluss an den Sekundarbereich I. Bielefeld 2008, S. 168. 25 Deutscher Fortschrittsbericht 2005, a.a.O., S. 4. 26 Zitiert nach Heinemann, K.-H.: Zwischen Schule und Beruf. Die Mängel des Übergangssystems. In „Deutschlandradio“ 27.04.10, http://www.dradio.de/ dlf/sendungen/hintergrundpolitik/1171873/. 27 Mönch, Regina: Die Hängepartie der „berufsvorbereitenden Maßnahmen“. In FAZ Nr. 186 vom 13.08.2010, S. 31. 28 Werke W. v. Humboldts in fünf Bänden, Hrsg. A. Flitner/K. Giel, Darmstadt 2010, Bd. IV, S. 188. 29 Flitner/Giel, Bd. II, S. 15. 30 Hochschulzugang für beruflich qualifizierte Bewerber ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung. Beschluss der KMK v. 06.03.09. 31 Vgl. Studium über berufliche Bildung. Wege und Berechtigungen. Bonn 2009. 32 Bundesagentur für Arbeit (Hrsg.): Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife. Februar 2006. Unterricht > Unterricht Manuel Diegmann, Christian Czybulka Berufs- und schulformübergreifender projektorientierter Unterricht in der beruflichen Erstausbildung Zum Erwerb von Handlungskompetenz werden in der schulischen und in der betrieblichen Ausbildung berufspraktische Lehr-/Lernarrangements erprobt, die überwiegend für eine Lerngruppe gestaltet sind. An der Otto-Brenner-Schule bbs|me wurde das Projekt „CNC-Fräs- und Graviermaschine“ entwickelt. Auszubildende und Lehrer aus unterschiedlichen Fachrichtungen und Ausbildungsberufen engagieren sich. Feinwerkmechaniker, Metallbauer, Technische Zeichner und Schülerinnen/Schüler aus der Berufsfachschule für Elektrotechnik arbeiten in Teams an Teilprojekten bzw. einzelnen Modulen des Gesamtprojektes. Sie entwickeln selbstständig Entwürfe, diskutieren diese und setzen ihre Pläne in die Praxis um [7, 61]. 1 Vorüberlegungen zum Projekt Die Ausgangssituation im Jahr 2005 für das hier vorgestellte Projekt bildeten verschiedene Überlegungen, um den Unterricht in der Berufsschule für Auszubildende des Berufes Feinwerkmechaniker/Feinwerkmechanikerin zu verbessern. Die für den Unterricht in dieser Schulform relevanten Rahmenlehrpläne empfehlen, dass die Auszubildenden Kenntnisse und Kompetenzen möglichst selbstständig erwerben [1, 5]. Für die Strukturierung des Unterrichts scheint eine Methode geeignet zu sein, die nach dem Modell der vollständigen Handlung strukturiert ist [2, 135]. Diese beinhaltet die Phasen der Problemstellung, des Kenntniserwerbs, der Planung, der Ausführung und Kontrolle sowie der Reflexion. Bei diesem Projekt waren zudem weitere, vorrangig pragmatische Überlegungen von Bedeutung. Es wird zunehmend schwieriger, die Auszubildenden mit den unterrichtlichen Inhalten zu erreichen. Demgegenüber steigen die Anforderungen im Beruf stetig. Immer komplexer werdende Systeme im beruflichen Alltag und technologischer Fortschritt sind u. a. dafür verantwortlich. Wie kann man diesen Anforderungen gerecht werden? Grundsätzlich gilt, dass man die Auszubildenden da abholen muss, wo sie stehen. Unsere Auszubildenden stehen mitten im realen beruflichen Leben. Dann liegt es nahe, eine möglichst berufstypische Realsituation in den Fachtheorieunterricht zu integrieren, welche eine unterrichtstragende Funktion übernehmen kann. Aus der beruflichen Praxis kennen die Auszubildenden die Arbeit an Projekten. Ziel dieser Lernsituation sollte, wie in der betrieblichen Praxis, die Anfertigung einer Projektarbeit sein. Die Komplexität der Projektaufgabe war dabei so zu wählen, dass die Situation für die Auszubildenden überschaubar blieb. Nach dem Prinzip der vollständigen Handlung sollten die geplanten Arbeiten im Rahmen des Projektes auch praktisch umgesetzt werden. Das war hier ein zentraler Aspekt! Dadurch entstand für die Auszubildenden eine sinnstiftende Situation, denn die Maschine wird auch zukünftig im Unterricht genutzt und weiterentwickelt. Durch die schulische Gesamtsituation ergaben sich für das Projekt folgende Rahmenbedingungen: (a) Das Projekt musste sich vollständig in den Rahmenlehrplan einfügen bzw. an geeigneten Stellen zuordnen lassen. (b) Die Auszubildenden sollten möglichst selbstständig arbeiten können. (c) Für die Berufsschule sind Anschaffungen im Rahmen des Projektes nur sehr begrenzt möglich. (d) Die Nutzung der schulischen Werkstätten ist nur eingeschränkt möglich. (e) Die Berufsausbildung der Feinwerkmechaniker findet im Dualen System an zwei Lernorten statt, in der Berufsschule und im Ausbildungsbetrieb. Nach Absprache kann die praktische Fertigung von den dualen Partnern übernommen werden. Mit der Aufgabenstellung, eine computergesteuerte Fräsund Graviermaschine zu planen und anzufertigen, ließen sich die oben angeführten Anforderungen im Wesentlichen erfüllen. Das Gesamtprojekt, die Planung und Herstellung der CNC-Fräs- und Graviermaschine, konnte in überschaubarer Zeit nicht von einer Berufsschulklasse bewältigt werden. Die Bearbeitung musste also in unterschiedlichen Berufsschulklassen erfolgen, eine geeignete Strukturierung für das Projekt war somit zwingend erforderlich. In diesem Fall konnte die Aufgabenstellung modularisiert werden. Eine komplexere Maschine kann in einzelne Funktionseinheiten/ Baugruppen unterteilt werden, z. B. in Maschinengestell, Antriebseinheit oder Steuereinheit [siehe Abb. 1, Projektablauf]. Diese Module bildeten im Unterricht nicht nur eine Funktionseinheit, sondern auch eine Sinneinheit. Die Bearbeitung erfolgte jeweils von einer Projektgruppe, in der Regel von einer Berufsschulklasse. Die Komplexität der Maschine war dabei für alle Auszubildenden noch erkennbar, Zusammenhänge konnten leicht hergestellt werden. Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 165 Berufs- und schulformübergreifender projektorientierter Unterricht Abb. 1: Projektablauf 2 Durchführung des Projektes Im Verlauf der Projektdurchführung entwickelte sich eine gewisse Eigendynamik. So war es sehr zu begrüßen, dass neben den ursprünglich eingeplanten Feinwerkmechanikern auch andere Berufsgruppen und Schulformen für die Mitarbeit gewonnen werden konnten. 166 Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 2.1 Feinwerkmechaniker Die Projektinitiative ging hier nicht von den Auszubildenden aus. Allerdings wurden die Auszubildenden auch nicht zur Teilnahme an dem Projekt gezwungen. Seit 2006 sind nahezu alle Feinwerkmechaniker-Klassen am Projekt beteiligt. Entscheidende Ausgangsfrage zu Beginn der Projektarbeit im Unterricht war stets: „Wollt ihr das machen?“ Es war uns wichtig, einen Konsens im Sinne einer „Lernvereinbarung“ Unterricht zu finden [5, 40]. In den meisten Fällen waren die Auszubildenden zumindest bereit, sich auf die Situation einzulassen. Im Verlauf der Arbeit an dem Projekt nahm die Leistungsbereitschaft der Auszubildenden zu. Ursächlich dafür war vermutlich eine stärker werdende Identifikation mit der Sache. Dies wurde auch längere Zeit nach Ende einer Projektphase deutlich, wenn Auszubildende immer noch von „meinem Maschinentisch“ oder „meinem Gehäuse“ sprachen. Trotz einiger Unterschiede zur in der Literatur beschriebenen Projektmethode [3, 15] gibt es auch Gemeinsamkeiten. Die Auszubildenden hatten zwar einen Rahmen und eine klare Zielsetzung als Vorgabe, das Ergebnis der einzelnen Teilprojekte war jedoch weitgehend offen. Auch die Lehrer wussten zu Beginn der Projektarbeit nicht im Detail, was als Ergebnis dabei herauskommt. Für die Auszubildenden entstand durch diesen Gestaltungsspielraum überwiegend eine motivierende Arbeitssituation. In dieser Situation war teilweise aber auch eine größere Verunsicherung bei den Auszubildenden festzustellen, da der Gestaltungsrahmen in der ihnen vertrauten betrieblichen Praxis häufig eher gering ist. Im Wesentlichen folgte der Unterrichtsverlauf in den Projektphasen einer Struktur [siehe Abb. 2, Unterrichtsstruktur]. Der konkrete Ablauf im Unterricht muss stets an die vorherrschenden Rahmenbedingungen und insbesondere an die Gruppe angepasst werden. Die Struktur ist hier als idealtypisch zu verstehen. Nachdem die Zielrichtung des Projektauftrags mit den Auszubildenden geklärt wurde, folgte in einer „Findungs- und Bewertungsphase“ die Einigung auf ein gemeinsames Konzept. Anschließend wurde die Arbeit aufgeteilt und in Arbeitsgruppen bearbeitet. Dabei waren alle erforderlichen Planungsarbeiten einschließlich der Absprachen mit weiteren beteiligten Arbeitsgruppen von den Auszubildenden möglichst selbstständig auszuführen. Der Lehrer hatte überwiegend eine beratende, aber auch korrigierende Funktion [5, 36]. Im Verlauf der Projektarbeit, mit zunehmendem „Detaillierungsgrad“, wurde es häufig erforderlich, dass der Lehrer unterstützend eingriff. Das wurde von den Auszubildenden auch eingefordert. Wenn es erforderlich war, konnten im Rahmen der Projektbearbeitung situationsabhängig Exkurse eingearbeitet werden. Diese Exkurse bezogen sich inhaltlich auf die Problemsituation des jeweiligen Projektabschnitts. Es war zu berücksichtigen, dass die Projektbearbeitung im Rahmen einer festgelegten Ausbildung erfolgte. Hier wurden die Projekte innerhalb geeigneter, im Rahmenlehrplan definierter Lernfelder durchgeführt. Alle Inhalte der Lernfelder ließen sich nicht sinnvoll in die Projekte integrieren. Darum war es erforderlich, zum Ende der Projektarbeit Nacharbeits- und Übungsphasen anzuhängen. Die konkrete Verlaufsstruktur muss an die jeweilige Situation angepasst werden. Auch durfte man die zwingend erforderliche Leistungsbeurteilung nicht vergessen. Am Ende der Teilprojekte folgte eine Klausur. Das kennen die Auszubildenden und in den Interviews war nicht kritisiert worden, dass eine klassische Leistungsbeurteilung in schriftlicher Form durchgeführt wurde. Denn im Rahmen des Projektes boten sich zahlreiche andere Möglichkeiten für die Auszubildenden, Leistungen zu erbringen und Erfolge zu erzielen. Das muss- Abb. 2: Unterrichtsstruktur te bei der abschließenden Beurteilung natürlich auch berücksichtigt werden. 2.2 Metallbauer/Konstruktionsmechaniker Das Unterrichtskonzept aus dem Bereich der Feinwerkmechaniker ließ sich relativ problemlos auf die Situation der Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 167 Berufs- und schulformübergreifender projektorientierter Unterricht Metallbauerklassen übertragen. Auszubildende jeweils aus dem 1. Ausbildungsjahr haben die Bearbeitung der Projekte „Maschinentisch“ und „Maschinenabdeckung“ übernommen. Die Klasse MMTD08 konnte gleich zu Beginn des ersten Ausbildungsjahres für das Projekt „Maschinenabdeckung“ gewonnen werden, während die Auszubildenden der Klasse MMTB07 den Maschinentisch für die CNC-Graviermaschine in der zweiten Hälfte des ersten Ausbildungsjahres anfertigten. Die Auszubildenden Metallbauer mussten sich im Verlauf des Projektes mit den zugehörigen konstruktiven, technologischen und fertigungstechnischen Details beschäftigen. Bei der Maschinenabdeckung lag der Schwerpunkt des Unterrichts im Bereich des Lernfeldes „Herstellen von Bauteilen mit handgeführten Werkzeugen“. Da es sich bei dem Maschinentisch um eine Schweißkonstruktion handelte, wurde im Unterricht auch bei diesem Thema der Schwerpunkt gesetzt. Inhaltlich ließ sich das Projekt „Maschinentisch“ im Lernfeld „Herstellen von einfachen Baugruppen“ einordnen. viermaschine“ in der Klasse MTZA07 durchgeführt. In dieser Klasse wurden Technische Zeichner/-innen der Fachrichtung Maschinen- und Anlagentechnik und Technische Produktdesigner/-innen gemeinsam unterrichtet. Die beiden Ausbildungsberufe sind sowohl über unterschiedliche Ausbildungsverordnungen, als auch über verschiedene KMKRahmenrichtlinien organisiert, so dass die in den Rahmenrichtlinien enthaltenen Schnittmengen bei der Planung dieser Unterrichtssequenz zu berücksichtigen waren. Dieser Unterrichtssequenz liegt auch das Modell der vollständigen Handlung zugrunde (siehe 2.3.1 bis 2.3.4). Zu Beginn erhielten die Auszubildenden den Projektauftrag zur „Technischen Dokumentation der CNC-Graviermaschine“ in Form eines Arbeitsblattes. Die weitere Bearbeitung erfolgte dann in einer eher „offenen Unterrichtssituation“ die von einem hohen Maß an Schüleraktivität und Selbstständigkeit im Arbeiten geprägt war; wir gehen davon aus, dass so die Lernkompetenz und Lernwirksamkeit nachhaltig gefördert werden kann [4, 123]. 2.3.1 Informationsphase Die Auszubildenden nahmen zunächst die zu diesem Zeitpunkt fast betriebsbereite CNC-Graviermaschine in Augenschein. Anschließend folgte eine detaillierte Analyse des Gesamtsystems durch Darstellung der Teilsysteme und deren Beziehungen. Den Funktionseinheiten der Systemdarstellung wurden die entsprechenden Baueinheiten der Graviermaschinen zugeordnet. 2.3.2 Planungs- und Entscheidungsphase Abb. 3: Klasse MMTB07, Modul: Maschinentisch Beide Klassen erstellten in Arbeitsgruppen Entwürfe und diskutierten anschließend die Vor- und Nachteile. Im Anschluss an die Diskussionen wurde ein gemeinsamer Entwurf vereinbart. In Abstimmung mit den Auszubildenden beider Klassen wurde beschlossen, die Planungsarbeiten gemeinsam im Klassenverband durchzuführen. Auf die zu Beginn der Projektarbeit eher offene Situation mit Gruppenarbeitsphasen folgten anteilig auch Unterrichtseinheiten in „traditioneller“ Form, so dass hier eher eine Projektorientierung bzw. projektartiges Lernen im Unterricht vorherrschte [3, 15]. Nach dem Abschluss der Planungsarbeiten folgte die Durchführungsphase. Die anfallenden Werkstattarbeiten konnten in den unterschiedlichen Ausbildungsbetrieben in Lernortkooperation durchgeführt werden. Der Ablauf der Unterrichtseinheiten folgte dabei dem Prinzip der vollständigen Handlung. Die Projekte wurden jeweils nach ca. acht Wochen erfolgreich abgeschlossen. 2.3 Technische Zeichner/Produktdesigner Im 2. Halbjahr des Schuljahres 2008/2009 wurde die Unterrichtssequenz „Technische Dokumentation der CNC-Gra- 168 Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 Den Auszubildenden war von Beginn an klar, dass die vollständige technische Dokumentation in der vorgegebenen Zeit von 60 Unterrichtsstunden nur arbeitsteilig zu bewältigen war. Die Auszubildenden fanden sich also in sieben Gruppen zu dritt bzw. zu viert zusammen und entschieden sich für jeweils eine Baugruppe. Sie bestimmten innerhalb der Gruppen einen Gruppensprecher, welcher für die Kommunikation innerhalb der Gruppe und der Gruppen miteinander verantwortlich war, und planten die zu bearbeitenden Aufgaben zeitlich und personell. 2.3.3 Ausführungsphase Im Anschluss an die Planung begannen die Auszubildenden in den Gruppen mit der Erstellung der Unterlagen für die Technische Dokumentation. Sie nutzten die vorhandene Graviermaschine intensiv, indem Sie zunächst Maße und Geometrien aufnahmen und die Norm- und Kaufteile identifizierten. Die vorhandene CNC-Graviermaschine ermöglichte den Auszubildenden einen unbefangenen Zugang zu ihrer Aufgabenstellung, da sich die Bauteile im Realzusammenhang betrachten, anfassen und soweit erforderlich auch demontieren ließen. Da die Baugruppen mehrere Einzelteile enthielten, war es den Auszubildenden möglich, parallel an der CAD-Modellierung der Bauteile zu arbeiten. Während ein oder zwei Auszubildende Baugruppen zusammenfügten, bearbeiteten die anderen Auszubildenden die 2D-Zeichnungsableitungen. Die Kommunikation der Gruppenmitglieder unterei- Unterricht Abb. 4: Klasse MTZA07, 3D-Modelldateien und 2D-Zeichnungen erzeugen nander war nötig, um alle auf dem aktuellen Stand zu halten und konsequent auf Änderungen reagieren zu können. Die Kommunikation der Teams wurde durch regelmäßig stattfindende Teamtreffen gefördert. Auszubildende unterschiedlicher Leistungsstärke konnten sich gleichermaßen bei der Projektbewältigung einbringen. 2.3.4 Reflexionsphase und Kontrolle Die Qualität der 3D-Modelle und Baugruppen wurde von den Auszubildenden durch das Arrangieren der Einzelteile zu Baugruppen und wiederum der Baugruppen zu Baugruppen höherer Ordnung überprüft. Innerhalb der Baugruppen fielen fehlerhafte Abmessungen und Geometrien oder gänzlich fehlende Einzelteile sofort auf. Die Feststellung vorhandener Fehler war Gesprächsanlass in den Gruppen sowie gruppenübergreifend, immer mit dem Ziel, die Baugruppe funktionsfähig zu dokumentieren. In der abschließenden Reflexionsrunde bewerteten die Auszubildenden die Unterrichtssequenz. Als positive Aspekte nannten sie die Verbesserung ihrer Fertigkeiten im Umgang mit dem CAD-Programm Inventor von Autodesk und die verbesserte Kommunikation in den Teams. Allerdings bemerkten sie auch, dass weiterhin Verbesserungsbedarf bei der Kommunikation zwischen den Teams und innerhalb der Teams besteht. Die hohe Bedeutung der Kommunikation, ohne die die Aufgabenstellung nicht bewältigt werden kann, haben die Auszubildenden in dieser Unterrichtssequenz erfahren können. Auch der Wunsch nach ganztägigem Unterricht an der Einheit „Technische Dokumentation der CNC-Graviermaschine“ wurde von den Auszubildenden geäußert; es standen pro Schultag vier Unterrichtsstunden für die Unterrichtssequenz zur Verfügung. 2.4 Elektrotechnische Assistenten In der Berufsfachschule für Elektrotechnische Assistentinnen und Assistenten (ETA) wurden seit vielen Jahren mit Erfolg Schülerprojekte zu den unterschiedlichsten Schwerpunkten durchgeführt. Gemäß der geltenden Verordnungen war im zweiten Ausbildungsjahr in den berufsbezogenen Lernbereichen ein lernbereichsübergreifendes Projekt durchzuführen [6, 18]. Projektideen waren im Jahr 2010 z. B. Audio-Verstärker, Roboter, SMD-Bestückungsarbeitsplatz, Subwoofer, Schallübertragung via Licht und nach einer Anfrage der Kollegen aus der Abteilung Metalltechnik/Feinwerkmechaniker auch die Entwicklung einer leistungsfähigen Steuerelektronik für eine CNC-Maschine. Für die Berufsfachschule aus der Abteilung Elektrotechnik bot die fachbereichsübergreifende Zusammenarbeit mit der Abteilung Metalltechnik in dieser Form die Möglichkeit, neue Erfahrungen zu sammeln. Da der Umfang der erforderlichen Arbeiten zum Zeitpunkt der Anfrage nicht ganz zu überblicken war, wurde von den beteiligten Lehrkräften der beiden Abteilungen zunächst geklärt, ob und wie weit die Schülerinnen und Schüler an dem Projekt mitwirken können. Dies war u. a. auch darum erforderlich, weil die Projekte am Ende der Fachschulausbildung möglichst selbstständig von den beteiligten Schülerinnen und Schülern durchgeführt werden sollten, ohne sie zu überfordern. Nachdem die Rahmenbedingungen geklärt waren und die elektrotechnische Projektaufgabe in geeignete, schülergerechte Teilprojekte zerlegt werden konnte, ging es los. Die Situation wurde den Schülerinnen und Schülern vorgestellt und es folgte ein Besuch der angehenden Elektrotechnischen Assistentinnen und Assistenten bei den Mechanikern, um sich einen konkreten Eindruck zu verschaffen und das „Pflichtenheft“ zu erstellen. Dies war für die Schülerinnen und Schüler eine interessante Erfahrung, da sich „Mechaniker“ und „Elektriker“ aufgrund der unterschiedlichen Schwerpunkte in der Betrachtung der Problemsituation verständigen mussten. Dies stellt eine berufstypische Situation dar. Zwei Arbeitsgruppen erklärten sich bereit, die Projektaufgabe zu übernehmen. Auf die Erstellung des Pflichtenheftes folgte die Ausarbeitung eines Projektplanes. Die Schülerinnen und Schüler erarbeiteten Schaltpläne, Leiterplatten-Layouts, fertigten Prototypen und prüften ihre Ergebnisse, sie führten Fehlerdiagnosen durch und lösten die auftretenden Probleme. Sofern es erforderlich war, erhielten sie Unterstützung von den betreuenden Lehrkräften. Während des gesamten Projektes planten und koordinierten die Arbeitsgruppen ihr Projekt mit Hilfe einer Planungssoftware (GanttProject) und führten ein schriftliches Projekttagebuch. Am Ende der Bearbeitungszeit wurde die Steuerelektronik in einer ersten Ausbaustufe fertiggestellt. Im Laborversuch ließ sich die korrekte Funktion nachweisen. Allerdings konnten einige Probleme bei der Kopplung an den Steuer-PC bzw. die Steuersoftware in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht mehr abschließend gelöst werden. Hier bietet sich ein Anknüpfungspunkt für geplante Folgeprojekte. 3 Auswertung 3.1 Feinwerkmechaniker und Metallbauer Mit diesem Projekt sollte der Unterricht in der Berufsschule für den Ausbildungsberuf des Feinwerkmechanikers/der Feinwerkmechanikerin verbessert werden. Um die Wirksamkeit des Projektes „CNC-Fräs- und Graviermaschine“ zu belegen, wurden Interviews mit Auszubildenden und Lehrern durchgeführt. Zu den einzelnen Teilprojekten wurden projektbegleitend und am Ende des Projektes Leistungsnachweise erbracht. Für einige Klassen wurden zusätzlich Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 169 Berufs- und schulformübergreifender projektorientierter Unterricht 3.2 Technische Zeichner/Produktdesigner Die Leistungsbewertung erfolgte erstens durch Bewertung der von den Auszubildenden erstellten Dokumente (3D-Modelldateien; 2D-Einzelteilzeichnungen; 2D-Gesamtzeichnungen und Stücklisten; Aufbauübersichten) und zweitens durch eine Klausur zu den Themen Technische Systeme (Funktions- und Baueinheiten; Umsätze; Black Box > EVAPrinzip; Strukturales Systemkonzept) und Erzeugnisgliederung (Baugruppen; Stücklisten). Die Leistungen der Schüler lagen durchweg im Bereich von gut bis sehr gut mit Ausnahme einer Gruppe, in welcher Schüler längere krankheitsbedingte Fehlzeiten hatten. Abb. 5: Klasse BFE08, Funktionsprüfung der Steuerelektronik die Leistungsnachweise aus der bundeseinheitlichen Facharbeiterprüfung (Feinwerkmechaniker) ausgewertet. Zudem wurden die realen Projektergebnisse und die umfangreichen Erfahrungen, die im Rahmen der mittlerweile zahlreichen Projektarbeiten gesammelt wurden, beurteilt. Exemplarisch sollen hier die Ergebnisse der Leistungstests von drei Gruppen (Feinwerkmechaniker) dargestellt werden (Tabelle 1). Für alle Gruppen liegen die Ergebnisse der schulischen Leistungstests (Klausur) sowie der bundeseinheitlichen Prüfung (Facharbeiterprüfung) vor. Die Gruppen K1 und K2 waren am Projekt beteiligt, die Gruppe K3 nahm am herkömmlichen Unterricht teil. Die Ergebnisse aller Gruppen weichen nur gering voneinander ab. Allein diesen Umstand könnte man – hinsichtlich der Kritik, die gelegentlich an der Projektmethode geäußert wird – als Erfolg werten. Leistungstests in schriftlicher Form bilden aber nur einen sehr eingeschränkten Teil der von den Auszubildenden im Rahmen eines Projektes angeeigneten Kompetenzen und erbrachten Leistungen. K1 K2 K3 Facharbeiterprüfung 3,32 3,08 3,30 Klausurnote 4,00 3,28 4,05 Zeugnis (Lernfeld) 2,85 2,82 3,27 Notenursprung Tab. 1: Leistungen der Auszubildenden, Durchschnittsnoten Den Ausbildenden bieten sich im Verlauf des Projektes zahlreiche Möglichkeiten, dieser Situation Rechnung zu tragen und eine umfassendere Bewertung durchzuführen. Dies ist hier auch geschehen und findet seinen Ausdruck in der Zeugnisnote. Darum werden hier drei verschiedene Bewertungsergebnisse miteinander verglichen: Klausur, Facharbeiterprüfung und Zeugnisnote. Bei diesem Vergleich ist festzustellen, dass die Zeugnisnoten der Gruppen mit Projektbeteiligung insgesamt besser ausfallen. Die Leistungen der Gruppe K2 sind insgesamt besser ausgefallen. Die Gruppe K2 war am stärksten in das Projekt eingebunden, die Auszubildenden bearbeiteten zwei Module gleichzeitig. 170 Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 Aus Lehrersicht lässt sich festhalten, dass die Auszubildenden motiviert an das Projekt herangegangen sind und über mehrere Stunden hinweg zielorientiert und selbstständig gearbeitet haben. Sie haben in einer realitätsnahen Unterrichtssituation berufliche Kompetenzen wie die CAD-Konstruktion und die Zeichnungserstellung inklusive der normgerechten Bemaßung und Angabe der Oberflächenqualitäten erworben und vertieft. Die Auszubildenden haben in ihren Gruppen größtenteils effektiv kommuniziert und zusammen ein echtes Klassenergebnis/-produkt geschaffen. Die vorhandenen kommunikativen und planerischen Defizite sind den Auszubildenden bewusst geworden und können so in Folgeprojekten gleich zu Beginn thematisiert werden. Zusammenfassend förderte die Unterrichtssequenz die Arbeitszufriedenheit sowie die beruflichen und sozialen Kompetenzen der Auszubildenden. 3.3 Elektrotechnische Assistenten Im Rahmen dieses Projektes sollten die Schülerinnen und Schüler in einem vorgegebenen zeitlichen Rahmen eine klar umrissene Problemstellung möglichst selbstständig bearbeiten. Dabei sollte das Projekt das lernbereichsübergreifende Arbeiten ermöglichen bzw. erforderlich machen. In diesem Fall mussten die Schülerinnen und Schüler nachweisen, dass sie über Kenntnisse und Fertigkeiten z. B. aus den folgenden Bereichen verfügen: (a) elektronische Schaltungen analysieren, (b) elektronische Baugruppen projektieren und aufbauen, (c) Messverfahren auswählen, Ergebnisse bewerten und dokumentieren, (d) Funktionsprüfungen durchführen und (e) Designen von Leiterplatten. Die fachbereichsübergreifende Gesamtsituation konnte hier als Bereicherung gewertet werden, da man sich ein Stück mehr der beruflichen Realität näherte. In einem Interview der beteiligten Schüler/-innen wurde dieser Aspekt positiv bewertet. Eigentlich wollten die Schüler das Projekt „Schallübertragung via Licht“ bearbeiten. An diesem fachbereichsübergreifenden Projekt mitgewirkt zu haben, wurde dennoch als sehr sinnvoll eingestuft. Mit ihren Ergebnissen waren die Schüler/-innen durchaus zufrieden, denn es wurden „gute Noten“ erzielt. In der Projektbewertung wurden verschiedene Leistungsbereiche erfasst, wie z. B. die Dokumentation, das Leiterplatten-Layout, die angefertigte Hardware, die Projekt-Homepage und die Abschlusspräsentation. Abschließend kann festgehalten werden, dass sich die Projektbeteiligung an dem übergeordneten Projekt „CNCMaschine“ einfach realisieren ließ und unproblematisch in Unterricht den laufenden Unterrichtsprozess integriert werden konnte. Weitere Kooperationen zwischen den Abteilungen „Metalltechnik“ und „Elektrotechnik“ sind geplant. 4 Schlussbetrachtung Rückblickend kann das Projekt insgesamt als erfolgreich bewertet werden. Dies wurde nicht zuletzt durch das große Engagement der Auszubildenden deutlich. Es hat sich gezeigt, dass es für die Leistungsbereitschaft wichtig ist, dass man mit der eigenen Arbeit zu einem sinnvollen Ergebnis beiträgt. Abb. 6: MFMH07, Modul Y-Achse/Portal Abb. 7: CNC.-Fräs- und Graviermaschine, Stand 05/2010. Dass die Projektinitiative nicht von den Auszubildenden ausging, wirkte sich nicht merklich nachteilig aus. Wenn die Auszubildenden von der Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit nicht überzeugt werden können, kann ein solches Großprojekt [3, 20] nicht umgesetzt werden. An dieser Stelle kann man bereits festhalten, dass es kaum möglich wäre, über einen relativ langen Zeitraum (2005 bis 2010) an dem Prinzip der Projektmethode in der hier praktizierten Form festzuhalten, wenn es nicht nachhaltige Erfolge geben würde. In den Interviews äußerten die Auszubildenden ihre Arbeitszufriedenheit. Insbesondere wurden die Verknüpfung von Theorie und Praxis, das hohe Maß an Selbstständigkeit, das gemeinsame Arbeiten und die Beteiligung der Betriebe genannt. Die Lehrenden begrüßten vor allem, dass der Unterricht abwechslungsreicher, konstruktiver und immer ergebnisorientiert war. Seitens der Schulleitung wurde die konsequente Umsetzung des handlungsorientierten Unterrichtskonzeptes als sehr gut gelungen hervorgehoben. Betrachtet man die Zensuren der Auszubildenden, die an diesem Großprojekt mitgewirkt haben, können die sich durchaus sehen lassen. Ein Beweis dafür, dass die Projektmethode bessere Ausbildungsergebnisse liefert, ist das nicht. Berücksichtigt man aber die vielfältigen positiven Aspekte dieser Methode, fällt es nicht schwer, daran festzuhalten. Nicht zuletzt entstanden im Unterricht auch vorzeigbare Produkte. Auch im laufenden Schuljahr arbeiten mehrere Klassen an der Erweiterung und Verbesserung der Maschine im Rahmen ihrer Ausbildung. Anmerkungen Internet: Projektdokumentation: http://www.bbs-me.de/schule/bsmetalltechnik/ team-feinwerkmechaniker/cncgraviermaschine.html Otto-Brenner-Schule: http://www.bbs-me.de Elektrotechnische Assistenten ETA: http://nibis.ni.schule.de/~bfseta/index.html Literatur [1] Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Feinwerkmechaniker/Feinwerkmechanikerin (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 14. Mai 2002). [2] Gudjons, H. 2003: Didaktik zum Anfassen. Regensburg. [3] Frey, K. 2010: Die Projektmethode. 11. Auflage. Weinheim und Basel. [4] Czerwanski/Solzbacher/Vollstädt (Hrsg.) 2002: Förderung von Lernkompetenz in der Schule. Band 1: Recherche und Empfehlungen. Gütersloh. URL: http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/ SID-8108D575-39F149A9/bst/xcms_bst_dms_27565_27566_2.pdf (abgerufen am 15. August 2010). [5] Rauner/Piening o. J.: Umgang mit Heterogenität in der beruflichen Bildung. Eine Handreichung des Projekts KOMET. Universität Bremen. URL: http://www.ibb.unibremen.de/fileadmin/user/Fotos/Aktuelles/Hand reichung_Heterogenitaet_260410_oF_1_.pdf (abgerufen am 15. August 2010). [6] Ergänzende Bestimmungen für das berufsbildende Schulwesen (EB-BbS) RdErl. d. MK v. 10. Juni 2009. [7] Diegmann, M. 2010: Berufs- und schulformübergreifender projektorientierter Unterricht in der beruflichen Erstausbildung. In: Kammasch, G. (Hrsg.) 2010: Ingenieurbildung für nachhaltige Entwicklung, Referate der 5. IGIP Regionaltagung, Beuth Hochschule für Technik. Berlin. Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 171 Nachrichten aus den Ländern > Nachrichten aus den Ländern Bayern Baden-Württemberg Baden-Württemberg und Bayern unterzeichnen Vereinbarung Kultusministerin Dr. Marion Schick (Baden-Württemberg) und Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle (Bayern) unterzeichneten in Laupheim eine Vereinbarung zur engen Zusammenarbeit bei der Lehrergewinnung. Ziel ist es insbesondere, qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern, denen der Freistaat Bayern kein Anstellungsangebot machen kann, Wege zu einer Beschäftigung in Baden-Württemberg zu eröffnen. Bereits zum Schuljahr 2011/12 sollen verstärkt qualifizierte Absolventinnen und Absolventen bayerischer Studienseminare für Gymnasien und Realschulen als Lehrkräfte in Baden-Württemberg eingestellt werden können. Das Nachbarland Bayerns hat Lehrkräftebedarf an Realschulen, Gymnasien und vor allem auch an beruflichen Schulen. Die beiden Kultusministerien werden sich künftig bei Maßnahmen zur Bewerbersteuerung, auch auf der Ebene der Kultusministerkonferenz, absprechen. Lehramtsanwärter aus Bayern sollen in Zukunft bereits an deren Studienseminaren gezielt über Einstellungschancen im Nachbarland informiert werden. Die beiden Ministerien wollen bayerischen Lehrerinnen und Lehrern eine unbürokratische Rückkehroption eröffnen. Interessenten erhalten vorab eine Freigabe für einen Länderwechsel nach Bayern ab dem Schuljahr 2013/14. Mit dieser Erklärung können bayerische Lehrkräfte versetzt werden, falls ihnen ein Beschäftigungsangebot von Bayern unterbreitet werden kann. Zur Optimierung des Länderwechsels stellt Baden-Württemberg Bayern sein bereits entwickeltes Onlineverfahren für den Lehreraustausch zur Verfügung. Eine elektronische Antragsstellung und eine rasche Verwaltungsabwicklung sind dadurch gewährleistet. KM Bayern 172 Baden-Württemberg Margarete Schaefer neue BLV-Vorsitzende Die Delegiertenversammlung des Verbandes der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen in Baden-Württemberg (BLV) hat in Fellbach Margarete Schaefer einstimmig zur neuen Vorsitzenden gewählt. Der BLV ist mit 10.000 Mitgliedern die größte Gewerkschaftsorganisation im Bereich des beruflichen Schulwesens in Baden-Württemberg und stellt im Hauptpersonalrat am Kultusministerium und in den Bezirkspersonalräten in den Regierungspräsidien die Mehrheit. Die neue Vorsitzende ist Leiterin der Johanna-Wittum-Schule in Pforzheim, einer großen hauswirtschaftlich-sozialpädagogisch-pflegerischen Schule. Margarete Schaefer tritt die Nachfolge von Waldemar Futter an. Vor rund 500 Delegierten und Gästen, unter ihnen Ministerpräsident Stefan Mappus und namhafte bildungspolitische Sprecher von im Landtag vertretenen Parteien, kritisierte die neue Verbandsvorsitzende die mangelnde Unterrichtsversorgung der beruflichen Schulen scharf. Ein strukturelles Unterrichtsdefizit von 4,5 % des Pflichtunterrichts bei mehr als 1.600 Deputaten Bugwelle (zur Vermeidung von Unterrichtsausfällen vorgearbeiteter Unterricht) könne nicht länger hingenommen werden. Die Zusicherung, der Abbau der Defizite könne u. a. aus der Nutzung der „demographischen Rendite“ erfolgen, setze voraus, dass an den Schulen auch alle durch Pensionierungen freiwerdenden Stellen wiederbesetzt werden. Davon könne aber im Schuljahr 2010/11 nach allen vorliegenden Informationen bei Weitem nicht bei allen Standorten die Rede sein. Die Unterrichtsversorgung müsse dauerhaft 100 % betragen – zuzüglich eines „Innovationspools“ von 5 % für die Erfüllung zusätzlicher Aufgaben und eines Plus für den Ergänzungsbereich. Der BLV begrüßt grundsätzlich die Einführung und Erprobung eines flexiblen Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 Lehrerarbeitszeitkontos, sofern es freiwillig, flexibel, individuell planbar und politisch und rechtlich abgesichert wird und das Regelstundenmaß nicht erhöht wird. Die gemäß der UN-Konvention geforderte inklusive Beschulung von nichtbehinderten und behinderten Schülerinnen und Schülern erfordere eine umfassende Fortbildung der Lehrkräfte und eine zusätzliche Einstellung von Sonderpädagogen an beruflichen Schulen. Schaefer erneuerte auch die Forderung nach der Einstellung von Schulsozialarbeitern. Der Gedanke der Prävention und die Etablierung von rhythmisierten Ganztagesangeboten an beruflichen Schulen setzten auch voraus, dass den Schulen die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Wenn – wie es in zahlreichen Absichtserklärungen der Parteien heißt – bis zum Jahr 2015 10 % des Bruttoinlandsprodukts in den Bildungsbereich fließen soll – müssten diese Vorhaben auch finanzierbar sein. BLV Bayern Haushalt – Nullrunde bleibt Die bayerische CSU/FDP-Koalition will den Doppelhaushalt 2011/2012 um knapp 100 Millionen Euro aufbessern – aber die Nullrunde für die Beamten soll bleiben. CSU und FDP sind sich im Grundsatz einig, dass es in mehreren Bereichen mehr Geld geben soll: bei den Staatsstraßen, dem Schulgeldersatz für die privaten Schulen, Behinderten, Handwerksförderung und Schulbusbeförderung, wie aus Koalitionskreisen in München zu erfahren ist. Der Bayerische Beamtenbund (BBB) ist jedoch schwer verärgert, dass es bei der Nullrunde bleiben soll. Minister Fahrenschon verwies darauf, dass trotz Besserung die Staatskasse nach wie vor nicht prall gefüllt ist: „Wir haben bei den Steuereinnahmen nach wie vor das Niveau des Jahres 2008 noch nicht wieder erreicht.“ So Nachrichten aus den Ländern/Nachrichten argumentiert auch FDP-Haushaltsexperte Karsten Klein: „Wir haben einen ausgeglichenen Haushalt, aber wir sind nicht im Finanzparadies.“ Er bitte um Verständnis bei den Beamten. In den Krisenjahren 2008 bis 2010 habe die Staatsregierung die 42-Stun- denwoche zurückgenommen, anders als in vielen anderen Bundesländern das Weihnachtsgeld nicht angetastet und die Altersteilzeit beibehalten. Der Beamtenbund ist vor allem verärgert, weil es für die Abgeordneten des bayerischen Landtages eine Erhöhung der Diäten um 3,5 % gibt, für die Angestellten im öffentlichen Dienst eine Tariferhöhung geben wird, die Beamten aber leer ausgehen sollen. BBB Anzahl der Schülerinnen und Schüler sinkt um 1,6 % Berufliche Ausbildung plus Fachhochschulreife 11,5 Millionen Schülerinnen und Schüler besuchen nach vorläufigen Angaben im Schuljahr 2010/11 allgemeinbildende und berufliche Schulen in Deutschland. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, ist das ein Rückgang von 1,6 % im Vergleich zum Schuljahr 2009/10. Der Abteilungsleiter für berufliche Schulen im bayerischen Kultusministerium, German Denneborg, hat sechs berufliche Schulen ausgezeichnet, die Schülerinnen und Schüler besonders erfolgreich neben der Berufsausbildung zur Fachhochschulreife geführt haben. „Der berufliche Weg zur Hochschule hat sich mittlerweile als gleichwertige Alternative zum Gymnasium entwickelt“, so German Denneborg. Neben der beruflichen Oberschule bieten Berufsschulen und Berufsfachschulen momentan vier Möglichkeiten, neben der Berufsausbildung parallel die Fachhochschulreife zu erwerben: – Duale Berufsausbildung und Fachhochschulreife (DBFH), – Berufsausbildung und Fachhochschulreife an Berufsfachschulen des Gesundheitswesens, – Berufsfachschule für Hotel- und Tourismusmanagement und – Berufsschule plus (BS+). > Nachrichten Im Schuljahr 2010/11 werden 8,8 Millionen in allgemeinbildenden Schulen und 2,7 Millionen in beruflichen Schulen unterrichtet. Damit geht die Anzahl der Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden um 1,2 % und an beruflichen Schulen um 2,9 % im Vergleich zum Vorjahr zurück. Die Entwicklung der Schülerzahlen insgesamt verläuft in West- und Ostdeutschland unterschiedlich: Während an allgemeinbildenden Schulen im früheren Bundesgebiet die Zahl um 1,6 % sinkt, nimmt sie in den neuen Bundesländern einschließlich Berlin um 1,0 % zu. Bei den beruflichen Schulen liegt die Schülerzahl im früheren Bundesgebiet um 1,5 %, in den neuen Bundesländern einschließlich Berlin um 9,3 % unter dem Stand des Vorjahres. In Ostdeutschland wirkt sich hier der Geburtenrückgang von Anfang der 1990erJahre in einem besonderen Maße aus. Die deutlichsten Rückgänge gab es in Brandenburg (– 12,3 %), MecklenburgVorpommern (– 13,8 %) und SachsenAnhalt (– 11,5 %). Statistisches Bundesamt Folgende Schulen wurden mit einer Urkunde ausgezeichnet: – Berufsfachschule für Krankenpflege am St. Theresien-Krankenhaus Nürnberg, – Staatliche Fachoberschule Landshut, – Staatliche Berufsschule Dingolfing, Hans-Glas-Schule, – Staatliche Fachoberschule für Technik München, – Städtische Berufsschule für Fertigungstechnik München und – Städtische Berufsschule für Industrieelektronik München. Für die Auszeichnung mussten die Berufsschulen, Berufsfachschulen und Fachoberschulen drei Kriterien erfüllen: Sie mussten in einem Zeitraum von fünf Jahren drei erfolgreiche Prüfungsjahrgänge nachweisen. 50 % der Teilnehmer, die im ersten Jahr in die Doppelqualifizierung aufgenommen wurden, wurden auch zur Fachhochschulreifeprüfung geführt. Und 80 % der Teilnehmer bestanden die Prüfung. KM Bayern Abitur und Berufsausbildung im Doppelpack Sachsen und Sachsen-Anhalt wollen jungen Menschen eine Berufsausbildung neben dem Abitur ermöglichen. Innerhalb von vier Jahren könnten die jungen Leute dann gleichzeitig ihr Abitur erlangen und eine Ausbildung absolvieren, sagte Sachsens Kultusminister Roland Wöller (CDU) bei der Vorstellung des Projekts in Dresden. Danach soll ein Studium an jeder Hochschule möglich sein. Das neue Bildungsangebot soll schon zum nächsten Schuljahr an jeweils zwei Standorten in beiden Ländern starten. Die CDU in Sachsen-Anhalt wolle im Fall einer Regierungsbeteiligung nach der Landtagswahl den neuen Doppelabschluss einführen, erklärten CDU-Spitzenkandidat Reiner Haseloff und Kultusministerin Birgitta Wolff in Magdeburg. Damit hätten Sachsen und SachsenAnhalt ein Projekt entwickelt, das bun- Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 173 Nachrichten/Persönliches desweit Schule machen könnte, sagte Wöller. Die Doppelausbildung starte in Dresden für angehende Fachinformatiker und Systemelektroniker. In Leipzig werde das Projekt für die Berufe Industrie-, Werkzeug- und Zerspanungsmechaniker angeboten. 40 junge Leute könnten im Schuljahr 2011/12 die Doppelausbildung beginnen. Die praktische Arbeit in den Betrieben wird in Blöcken von drei bis sechs Wochen während der Schulferien absolviert. In Sachsen-Anhalt soll das Modellprojekt für jeweils rund 20 Schülern in Magdeburg für metallverarbeitende und in Halle für chemische Berufe angeboten werden. Bildungsklick Wettbewerb „Ideen für die Bildungsrepublik“ Erstmalig startet der bundesweite Wettbewerb „Ideen für die Bildungsrepublik“. Unter der Schirmherrschaft von Bundesbildungsministerin Annette Schavan werden beispielhafte Projekte ausgezeichnet, die sich in herausragender Weise für Bildungsgerechtigkeit bei Kindern und Jugendlichen stark machen. Ausgelobt wird der > Wettbewerb von der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Kooperationspartner ist die Vodafone Stiftung Deutschland. wuchs durch Ausbildung zu sichern. Denn der Anstieg bis März 2011 geht allein auf ein Plus bei den betrieblichen Berufsausbildungsstellen zurück (+48.900 auf 372.500; außerbetriebliche: –1.000 auf 9.900). Das Motto des Wettbewerbs lautet „Gemeinsam für mehr Bildungschancen“. Unter www.bildungsideen.de können sich bis 16. Mai 2011 Bildungsinstitutionen und Bildungsinitiativen bewerben, die sich als Vorreiter einer gesellschaftlichen Bewegung für mehr Bildung nachhaltig engagieren. Zugleich haben bislang insgesamt 388.400 Bewerber die Ausbildungsvermittlung der Agenturen und der Jobcenter bei der Suche nach einer Lehrstelle eingeschaltet. Das waren 5.400 mehr als vor einem Jahr. Der demographisch bedingte Trend rückläufiger Bewerberzahlen wird aktuell durch doppelte Abiturjahrgänge in Folge der Verkürzung der gymnasialen Schulzeit auf zwölf Jahre gebremst (2011: Bayern und Niedersachsen). Auch das Aussetzen der Wehrpflicht könnte sich in einem leichten Anstieg der Bewerberzahlen zeigen. BMBF Der Arbeits- und Ausbildungsstellenmarkt Die Daten vom Ausbildungsstellenmarkt vermitteln Ende März 2011 noch kein klares Bild. Im Zeitraum Oktober 2010 bis März 2011 wurden der Ausbildungsvermittlung der Bundesagentur für Arbeit insgesamt 382.400 Berufsausbildungsstellen gemeldet, 48.000 mehr als im Vorjahreszeitraum. Zu diesem deutlichen Anstieg beigetragen haben die gute konjunkturelle Lage und das Interesse der Betriebe, sich den eigenen Fachkräftenach- BA Persönliches Wechsel im Vorstand des BIBB Manfred Kremer, vom 1. Juli 2005 bis zum 30. April 2011 Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), ist nun in den wohlverdienten Ruhestand getreten. Der BLBS bedankt sich sehr für seine loyale und immer offene und kollegiale Zusammenarbeit. Hier sei besonders an das Berufsbildungsreformgesetz aus dem Jahre 2005 erinnert. Hier hat er sich sehr für die leider immer noch nicht voll umgesetzte Formulierung eingesetzt, dass nach § 39, Abs. 2 der Prüfungsausschuss gutachterliche Stellungnahmen Dritter, insbesondere berufsbildender Schulen, einholen kann. Der BLBS wünscht ihm für die hoffentlich noch vielen Lebensjahre eine hervorragende Gesundheit, viel Glück und insbesondere Zufriedenheit. 174 Die Zahl der im März noch unbesetzten Ausbildungsstellen lag mit 237.200 um 30.100 über dem Vorjahreswert. Als noch unversorgt zählten im März 238.700 Bewerber, 4.400 weniger als im Vorjahr. Allerdings ist es derzeit noch verfrüht, anhand dieser Daten eine sichere Einschätzung zur weiteren Entwicklung auf dem Ausbildungsstellenmarkt zu geben. Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 Professor Dr. Friedrich Hubert Esser, seit 2005 Leiter der Abteilung Berufliche Bildung beim Zentralverband des Deutschen Handwerks und stellvertretender Vorsitzender im Vorstand des Kuratoriums der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung, wurde am 1. Mai 2011 Nachfolger von Manfred Kremer als Präsident des BIBB. 1959 in Grevenbroich geboren, Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser hat er wie Manfred Kremer den beruflichen Bildungsweg eingeschlagen, eine Ausbildung im Bäckerhandwerk abgeschlossen, das Abitur über den „zweiten Bildungsweg“ erlangt und danach Wirtschaftswissenschaften an der TU Braunschweig sowie Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik an der Universität zu Köln studiert. Von 1998 bis Juni 2005 Persönliches/Literatur Lehrbeauftragter an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln ist er seit Juli 2005 Honorarprofessor an der gleichen Universität. Seit 1988 Dozent und Prüfer in der Erwachsenenbildung sind seine Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte die Berufs- und Qualifikationsforschung, der Deutsche und Europäische Qualifikationsrahmen (DQR und EQR), die Europäische Berufsbildung und die Entrepreneurship-Education. Außerdem ist er Herausgeber und Autor handwerkswissenschaftlicher Schriften. Dipl.-Kfm. Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser wird sich nun mit den Aufgaben des BIBB beschäftigen, das seine Arbeiten im Rahmen der Bildungspolitik der Bundesregierung durchführt. Dazu zählen die Berufsbildungsforschung, die Mitar- > beit an der Vorbereitung des Berufsbildungsberichtes und an der Berufsbildungsstatistik, die Mitwirkung an der Vorbereitung von Aus- und Fortbildungsordnungen, die Förderung von Modellversuchen und die Mitwirkung an der internationalen Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung. Zudem sind beim BIBB zahlreiche Sonderaufgaben angesiedelt, etwa die Nationale Agentur Bildung für Europa (NA), das Jobstarter-Programm oder DEQAVET – die deutsche Referenzstelle für Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung. Der BLBS wünscht Prof. Esser gutes Gelingen und viel Erfolg bei seiner neuen Aufgabe und hofft, dass sich die bisher sehr gute Zusammenarbeit auch weiterhin fortsetzt! H. P. Bücher Hilmar Grundmann: Bildung und Integration, Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 2010, 204 Seiten, ISBN: 978-3631-60381-9, 34,80 Euro Dieses mit Hardcover ausgestattete Werk befasst sich mit einem hinlänglich bekannten Thema, nämlich der Bildung, könnte man meinen, wenn man den Titel für sich betrachtet. Damit unterliegt man aber einem fatalen Irrtum. Vielmehr geht es dem Autor um die Leistungsfähigkeit unseres Bildungssystems, das eigentlich zum Ziel haben müsste, Menschen zum „Subjekt seiner Handlungen“ zu machen. Nach der Beantwortung der Frage, ob der Weg zurück zur Bildung wichtig und notwendig sei, untersucht der Autor den geschichtlichen Hintergrund des Bildungsbegriffes. Ganz besonders im Vordergrund steht dabei Humboldts Bildungskonzeption, betrachtet unter einem sehr interessanten Aspekt: „Humboldt wollte der ökonomie-lastigen und ganz am gesellschaftlichen Nutzen orientierten Ausbildung der Aufklärungspädagogik eine von allen ökonomischen Interessen befreite Menschenbildung entgegensetzen.“ Über die Ausarbeitung des Bildungsgedanken von Humboldt kommt der Autor zu einer interessanten Erkenntnis, die für die berufliche Bildung besonders wichtig ist. Entscheidend ist, ob die ausgeübte Tätigkeit selbst- oder fremdbestimmt ist. Ist sie selbstbestimmt, dann steht die praktische Tätigkeit nach Humboldt sogar dem Gelehrten gut an, ebenso wie die theoretische Bildung dem Handwerker. Daraus ergibt sich die Erkenntnis, dass der Lehrer sein Augenmerk darauf richten muss, die ihm anvertrauten Schüler zur Entfaltung zu bringen, seine persönlichen Potenziale fördern muss. Dann kann Erziehung gelingen. Damit ist Aufgabe der Pädagogik, den Schüler dazu zu bringen, die Welt zu verstehen und seine Persönlichkeit zu einer sich selbst bestimmenden Individualität zu entfalten. Dazu dient im allgemeinbildenden und berufsschulischen Unterricht nach Auffassung des Autors die ästhetische Bildung. Diese Meinung wird mit vielen Quellen und einleuchtenden Begründungen überzeugend belegt. Diese ästhetische Bildung kann besonders im allgemeinbildenden Unterricht wie z. B. dem Deutschunterricht besonders gefördert werden, und hier hervorragend im Literaturunterricht. Damit kommt der Autor zu dem Schluss, dass es unstrittig ist, dass die ästhetische Bildung im Schulunterricht gefördert werden muss, wenn die Schule ihren Bildungsauftrag ernst nehmen will, die Schüler auf das Leben nach der Schule angemessen vorzubereiten. Dazu muss die allgemeine Bildung ebenso wie die berufliche beitragen. „Dies deswegen, weil es die allgemeine Bildung des Einzelnen ist, die darüber entscheidet, wie es um die Gesellschaft bestellt ist, in der er lebt und dessen Teil er ist, d. h., vor allem wie menschlich oder unmenschlich es in ihr zugeht – und die nicht zuletzt über den beruflichen und damit ökonomischen Erfolg des Einzelnen und des Ganzen entscheidet.“ Es handelt sich hier also um ein Werk, in dem mit akribischer Genauigkeit Quellen untersucht und ausgewertet werden, das aber letztlich für jeden Pädagogen interessante Anregungen für die Gestaltung und das Ziel seines Unterrichts und seiner „pädagogische Bildungsarbeit“ enthält. Heiko Pohlmann Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 175 Literatur Riedl, Alfred: Grundlagen der Didaktik. 2. überarbeitete Auflage, Stuttgart: Steiner, 2010, 280 S. Mit dieser 2. Auflage hat der Autor die 1. Auflage der Grundlagen der Didaktik von 2004 um ¾ ihres Umfangs erweitert. Die Überarbeitung führte somit zu einer beachtlichen inhaltlichen Ausweitung, hinzu kommt die Ergänzung durch ein Stichwortverzeichnis und ein Verzeichnis der Übersichten. Der Autor führt allgemein anhand ausgewählter Themen in die Didaktik ein, bildet – wie im Vorwort formuliert – schlaglichtartig Ausschnitte didaktischer Modell- und Theoriebildung ab und bringt sie verdichtet auf den Punkt. Im Vergleich zur 1. Auflage wurde die Struktur dieses Buches nur geringfügig verändert. Doch bereits im 1. Kapitel werden die „Ausgewählten begrifflichen Grundlagen“ breiter dargestellt; „Schule“ sowie „Didaktische Theorie“ kommen als Teilkapitel hinzu. Nach den „Planungselementen für den Unterricht“ (Kapitel 2) folgen die ausführlichen Darstellungen von „Lernen im Unterricht“ (Kapitel 3) und von „Didaktischen Modellen“ (Kapitel 4). Der Bezug zur Praxis des Unterrichtens tritt bei den weiteren Kapiteln in den Vordergrund: 5. Planung von Unterricht und methodische Entscheidungen, 6. Didaktische Prinzipien, 7. Traditionelle Unterrichtsgestaltung, 8. Selbstgesteuertes und handlungsorientiertes Lernen, 9. Medien im Unterricht, 10. Leistungsentwicklung und Leistungsdiagnostik in der Schule. Die abschließende Auflistung von einschlägiger Literatur wurde gegenüber der 1. Auflage um mehr als die Hälfte auf 99 Titel erweitert. Die vorliegende 2. Auflage der „Grundlagen der Didaktik“ von Alfred Riedl wird dem Anspruch eines Lehr- und Studienbuches inhaltlich und formal voll gerecht. Die Anordnung von Text, Überschriften, eingerahmten Definitionen, Übersichten ist gut gelungen. Jedes Kapitel beginnt mit einer Vorschau auf den betreffenden Themenbereich; den Abschluss bildet häufig eine Zusammenfassung. Insbesondere konzentrieren die Übersichten die Struktur oder Kernpunkte des jeweiligen Teilbereichs des didaktischen Feldes. Den gezielten Zugriff auf einzelne Themen, Problembereiche oder Aspekte der Didaktik und Methodik ermöglichen das detaillierte Inhaltsverzeichnis und ein mustergültiges Stichwortverzeichnis. Das Buch kann bei der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften gute Dienste leisten. Es ist allen Studierenden für ein Lehramt, Studierenden in grundständigen Studiengängen der Pädagogik und Erziehungswissenschaft sei es in Diplomoder Bachelor- und Masterstudiengängen, Studierenden in erziehungswissenschaftlichen Aufbaustudiengängen, aber auch Lehrpersonen in der Praxis zu empfehlen, die ihre theoretischen Kenntnisse und Bezüge aktualisieren wollen. Die Grundlagen der Didaktik sind in engem Zusammenhang zu sehen mit der Didaktik der beruflichen Bildung vom gleichen Autor (2004), für die ebenso eine Überarbeitung vorbereitet wird. Bernhard Bonz 176 Die berufsbildende Schule (BbSch) 63 (2011) 5 Dassler, Stefan: Nachhilfe per Internet. Ein Ratgeber nicht nur für Lehrkräfte. Diplomica Verlag, Hamburg 2010. ISBN 978-3-8366-9633-3. Fachbuch. 129 Seiten. Euro 29,50. Mit Nachhilfe per Internet legt Stefan Dassler einen Ratgeber vor, der gekonnt und kompetent in das Thema der Online-Nachhilfe einführt und dabei die Belange und Interessen der unterschiedlichsten Zielgruppen würdigt und abarbeitet. Dem eigenen Anspruch folgend richtet sich das Buch an Nachhilfelehrer, die bereits online unterrichten oder dies in Zukunft vorhaben, an Kursteilnehmer jeglicher Fernlerninstitute sowie an diese Institute selbst, an (Groß-)Unternehmen, welche die Online-Alternative im Hinblick auf Weiterbildungsmaßnahmen ins Auge fassen, sowie an Eltern und Schüler gleichermaßen. Die möglicherweise schwerste unter den zu bewältigenden Aufgaben, der sich Nachhilfe per Internet gegenübersieht, besteht sicherlich darin, dieser äußert breit aufgestellten Zielgruppe gerecht zu werden. Der Autor bewältigt dies durch gezieltes Herausgreifen relevanter Ansätze und Aspekte aus den Bereichen der Erziehungswissenschaft, Didaktik, Informatik und Betriebswirtschaftslehre: Neben grundlegenden Informationen zu e-learning, Internet und EDV werden u. a. klare Gütekriterien für Nachhilfe per Internet definiert. Auch die Rolle des Dozenten und Anforderungen an denselben werden beschrieben und fixiert. Darüber hinaus wird eine Vielzahl von konkret anwendbaren Methoden in hilfreicher Weise vorgestellt und erörtert. Nachhilfe per Internet ermöglicht es Dozenten dadurch, selbstreflexiv zu arbeiten und sich selbst zu verbessern, während Schüler und Eltern einen Einblick darin erhalten, was von guter Nachhilfe im Allgemeinen und guter OnlineNachhilfe im Speziellen erwartet werden kann. Darüber hinaus ist der Implementierung von Online-Lehrangeboten in größeren und großen Unternehmen ein eigenes Kapitel gewidmet. Auf der Basis fundamentaler Konzepte u. a. der Marktforschung wird von der Bedarfsanalyse über die Pilotierung bis hin zur Umsetzung ein Raster erstellt, welches sich bestens eignet, Online-Lehrangebote präzise zu planen und Schritt für Schritt unter ständiger kritischer Evaluation erfolgreich zu etablieren. Die klare, projektorientierte Präsentation all dieser Inhalte macht Nachhilfe per Internet auch für die Anwendung im Rahmen von Fortbildungen für alle genannten Zielgruppen interessant. Als momentan einziges Buch zum Thema setzt sich die vorliegende Publikation von anderen Arbeiten, die den Themenkomplex nur ansatzweise aufgreifen, in bedeutender Weise ab. Die vielseitige Anwendbarkeit und das in einfacher Sprache vermittelte, fachliche wie praktische Know-how, machen Nachhilfe per Internet für die breite Zielgruppe empfehlenswert. Robert Hümmer N E U A U F L A G E B E S T E L L E N S I E J E T Z T. G A N Z E I N FA C H . G A N Z W I E S I E W O L L E N . Immobilienkauf – Chancen nutzen, Fehler vermeiden Der Inhalt im Überblick: • Immobilienkauf – das optimale Objekt zum günstigsten Preis erwerben • Auf Augenhöhe mit den Profis • Checklisten und Beispiele • Kauftipps aus der Praxis Was Sie davon haben: Historisch niedrige Hypothekenzinsen und moderate Immobilienpreise machen Immobilien für immer mehr Bundesbürger interessant, ob als Kapitalanlage oder zum Selbstbezug. Wirklich glücklich mit seiner Immobilie wird auf Dauer nur der, der von Anfang an Fehler vermeidet. Der Ratgeber aus der Praxis für die Praxis zeigt Immobilienkäufern, worauf sie achten müssen, um eine Kaufentscheidung zu treffen, die sich auch nach Jahren noch als richtig erweist. So bestellen Sie ganz einfach: Sie können mit untenstehendem Bestellcoupon per Post oder Fax bestellen. Oder Sie teilen uns Ihren Wunsch per E-Mail oder über Internet mit. 208 Seiten W 14,90* ISBN: 978-3-87999-053-5 BESTELLCOUPON Zuschicken oder faxen * zuzügl. 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Aber es kann helfen, die gesundheitlichen und auch die finanziellen Folgen einer Gewalttat zumindest zu lindern. „Erste Hilfe“ ist zeitnah und vor Ort genauso wichtig wie die langfristige Betreuung, Beratung und Hilfe für die geschädigten Personen. Deshalb hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) einen kleinen Flyer entwickelt, den Sie als „Freund und Helfer“ den Opfern als erste Information in die Hand geben können, wenn sich das Geschehen am Tatort beruhigt hat oder das Opfer später weiter Hilfe braucht. Bestellwege: 1. Im Internet finden Sie Informationen zum Opferentschädigungsrecht unter www.opferentschädigung.bmas.de 2. Sie können auch die kostenlose Broschüre zum Opferentschädigungsgesetz direkt bestellen (Bestell-Nr. A 719). 3. Oder Sie bestellen als erste Information und zum Weitergeben unseren kostenlosen Flyer (Bestell-Nr. A 720) Bestellmöglichkeiten sind : Telefon: 778094* Schriftlich: E-Mail: 01805 778090* Telefax: 01805 Publikationsversand der Bundesregierung Postfach 481009, 18132 Rostock publikationen@bmas.bund.de * Festpreis 14 Cent/Min. aus den Festnetzen und maximal 42 Cent/Min. aus den Mobilfunknetzen. Das neue kompakte Lehr- und Nachschlagewerk Subskriptionspreis bis 08.06.2011 nur EUR 28,80 statt EUR 32,80 • 512 Seiten stark • Übersichtliche Darstellung • 10-faches Daumenregister • Ideal zur Prüfungsvorbereitung w w w. c h r i st i a n i . d e / 8 6 6 8 4