Projektberichts - Centrum für soziale Investitionen und Innovationen
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Projektberichts - Centrum für soziale Investitionen und Innovationen
CSI Centrum für soziale Investitionen & Innovationen Centre for Social Investment CSI FORSCHUNG | ABSCHLUSSBERICHT Erfolgsbedingungen staatlichphilanthropischer Bildungspartnerschaften Ekkehard Thümler CSI Inhaltsverzeichnis Vorwort der fördernden Stiftung 4 Vorwort6 Danksagung8 Autoren9 1 Einleitung 11 1.1 Problematik staatlich-philanthropischer Partnerschaften 1.2 Fragestellung und Ziele 1.3 Zentrale Begriffe 1.3.1 Stiftungen und Staat 1.3.2Partnerschaften 1.3.3 Soziale Innovation 1.3.4Erfolg 1.4 Stand der Forschung 1.4.1 Partnerschaften als vielversprechende Problemlösungsinstrumente 1.4.2 Grenzen von Partnerschaften 1.4.3 Erfolgsfaktoren öffentlich-privater Partnerschaften 1.4.4 Offene Fragen 1.4.5 Projektdesign und Datengrundlage 1.5 Aufbau der Studie 11 12 13 13 13 13 14 15 16 16 17 18 18 21 2 22 Fallstudien (mit Matthia Nelles) 2.1DeutschSommer 2.1.1 Der Programmansatz 2.1.2 Entwicklung und Status quo 2.1.3 Partner und Netzwerk 2.1.4Zielerreichung 2.2 Die Chance. Stiftung für Berufspraxis in der Ostschweiz 2.2.1Programmansatz 2.2.2 Entwicklung und Status quo 2.2.3 Partner und Netzwerk 2.2.4Zielerreichung 2.3Jacobs-Sommercamp 2.3.1Projektansatz 2.3.2 Entwicklung und Status quo 2.3.3 Partner und Netzwerk 2.3.4Zielerreichung 2.4 Netzwerke für Bildungspartner 2.4.1Projektansatz 2.4.2 Entwicklung und Status quo 2.4.3 Partner und Netzwerk 2.4.4Zielerreichung 2.5 Selbstevaluation in Schulen (SEIS) 2.5.1Projektansatz 2.5.2 Entwicklung und Status quo 2.5.3 Partner und Netzwerk 2.5.4Zielerreichung 2 22 22 23 24 24 25 26 26 27 27 27 28 29 29 30 31 31 32 33 33 34 34 35 36 36 www.CSI.UNI-HD.de Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften 2.6 Selbstständige Schule 2.6.1Projektansatz 2.6.2 Entwicklung und Status quo 2.6.3 Partner und Netzwerk 2.6.4Zielerreichung 37 37 38 39 39 3 41 Die Rolle von Netzwerken 3.1 Erfolg von Partnerschaften: Wirkung in der Fläche oder Innovation in Nischen? 3.2 Innovative Nischen als Ergebnisse von Partnerschaften 3.3 Von Partnerschaften zu Innovationsnetzwerken 3.4 Effektivität von Netzwerken: Probleme und Prozessphasen 3.4.1 Problemtypen 3.4.2 Der Innovationsprozess 3.5Netzwerktypen 3.5.1 Explorative Netzwerke 3.5.2Entwicklungsnetzwerke 3.5.3Leadorganisationen 3.5.4Konsortien 3.6 Wandlungsfähigkeit von Innovationsnetzwerken 3.7Fazit 41 42 43 44 44 45 46 46 47 49 50 51 52 4 53 Nischen als Bausteine systemischer Innovation 4.1 Wege aus der Nische 4.2 Nischen neu bewertet 4.3 Die Relevanz innovativer Nischen für den Prozess sozialer Innovation 4.4 Die Bedeutung von Netzwerken für Nischenprozesse 4.5 Strategisches Nischenmanagement in der Praxis 4.6Fazit 54 55 55 58 59 61 5 Handlungsempfehlungen: Innovation durch Netzwerke 62 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 Auf Pilotprojekte und flächendeckende Verbreitung verzichten Strategisches Nischenmanagement erproben Vernetzte Problemlösungsgemeinschaften als Instrumente einsetzen Innovationsnetzwerke problemorientiert gestalten Wissen über strategisches Nischenmanagement vertiefen 62 62 63 63 64 Literatur65 3 CSI CSI Vorwort der fördernden Stiftung Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen und gerade auch mit staatlichen Stellen gehört seit jeher zur Praxis und zum Selbstverständnis der Robert Bosch Stiftung. Die Bedeutung, die wir solchen Partnerschaften beimessen, hat dabei ganz praktische Gründe. Als Stiftung ist es unser Ziel, nachhaltigen sozialen Wandel zu befördern. Gerade im Bildungsbereich ist dies nur in der Zusammenarbeit mit staatlichen Partnern möglich. Zum einen, weil wir uns hier in einem Kernbereich staatlicher Kompetenz bewegen, die zu respektieren für uns eine Selbstverständlichkeit ist. Zum anderen, weil wir uns in beinahe allen unseren Projekten vor eine zentrale Herausforderung gestellt sehen: Wie gelingt es, von begrenzten Pilotprojekten zu breiterer Wirkung zu kommen? Die Annahme liegt nahe, dass die Zusammenarbeit mit staatlichen Partnern zumindest ein Teil der Antwort auf diese Frage sein muss. Wir haben uns deshalb zum Ziel gesetzt, dieses Thema systematischer zu erörtern. So förderten wir dazu zwei Workshops, die 2008 und 2009 von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung durchgeführt wurden. In diesem Rahmen wurden die Perspektiven und die Expertise beteiligter Praktiker aus Politik, Administration und Stiftungen gesammelt und ausgewertet. Unsere eigenen, ganz konkreten Erfahrungen in Projekten wie ‚Netzwerke für Bildungspartner‘ zeigen, wie sinnvoll und konstruktiv, aber auch wie herausfordernd solche ‚systemischen‘ Formen der Zusammenarbeit sein können. In dem genannten Vorhaben etablierten wir gemeinsam mit dem Land BadenWürttemberg und der Breuninger Stiftung eine Infrastruktur zur Förderung von Initiativen, die sich die Aktivierung der Eltern von Schulkindern mit Migrationshintergrund zum Ziel gesetzt haben. Wie bei der Bearbeitung dieser sehr komplexen, beharrlichen und grundlegenden Herausforderungen nicht anders zu erwarten ist, blieben bei den genannten Diskussionen und Projekterfahrungen eine Reihe Fragen offen. Diese Feststellung war Anknüpfungspunkt für unsere Zusammenarbeit mit dem CSI und der Grund, weshalb wir uns für die Förderung des Projekts ‚Staatlich-Philanthropische Bildungspartnerschaften‘ entschieden haben. Ziel der Studie war insbesondere die Erarbeitung strategisch relevanten Wissens im Sinne eines praktisch anwendbaren Instrumentariums, das explizit für Entscheider sowohl in Stiftungen als auch für ihre Partner in Politik und staatlichen Verwaltungen relevant sein sollte. 4 www.CSI.UNI-HD.de Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften Die hier vorliegenden Ergebnisse sind für uns aus folgenden Gründen relevant: Sie führen zu einer Neubewertung vorwiegend projektorientierter, zeitlich begrenzter Stiftungsarbeit und lassen gerade unsere langfristigen Programme wie etwa den Deutschen Schulpreis und dessen Akademie in einem neuen Licht erscheinen. Die Überlegungen zu ‚strategischem Nischenmanagement‘, also dem Auf bau bzw. der Vernetzung und Unterstützung einer Vielzahl von Initiativen, die ganz pragmatisch an der Entwicklung von effektiven Lösungen für die Probleme des Bildungsbereichs tätig sind, eröffnen uns alternative Handlungsoptionen und Hinweise für die weitere Strategieentwicklung im Bildungsbereich. Als entscheidend für die praktische Umsetzbarkeit dieser Forschungsergebnisse sehen wir dabei den Umstand an, dass über solche grundlegenden Modelle hinaus eine ganz konkrete Typologie verschiedener Netzwerke samt einer Analyse ihrer Stärken und Schwächen entfaltet wird. Dies ermöglicht uns künftig einen zielgerichteteren und wirklich maßgeschneiderten Einsatz dieser Instrumente und trägt so zur Professionalisierung von Stiftungsarbeit bei. In den vergangenen Jahren wurde im Stiftungssektor eine engagierte Diskussion über Bedingungen und Grenzen sozialer Wirkung im Bildungsbereich und darüber hinaus geführt. Wir freuen uns, dass diese Anliegen von der Forschung aufgenommen wurden und dass wir die Möglichkeit hatten, eine Studie zu fördern, die geeignet ist, die Diskussion zu beleben und voranzubringen. Wir wünschen uns daher, dass sich die hier vorgestellten Ergebnisse und Ideen für Praxis und Wissenschaft als fruchtbar und für künftige Vorhaben im Feld der Bildungs- und insbesondere der Schulreform als hilfreich erweisen werden. Wir würden uns besonders freuen, wenn diese Impulse zur Entstehung neuer und effektiverer Kooperation mit anderen Stiftungen und staatlichen Akteuren führen und so dazu beitragen würden, die Erfolgsgeschichte der partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Stiftungen und Staat im Bildungsbereich fortzuschreiben. Dr. Olaf Hahn Leiter des Programmbereichs Bildung, Gesellschaft und Kultur der Robert Bosch Stiftung Stuttgart, November 2014 5 CSI CSI Vorwort Im Verhältnis von Staat und Stiftungen beobachten wir in den vergangenen Jahren eine Reihe bedeutender Veränderungen. So ist im Stiftungssektor ein Prozess der Rationalisierung und Professionalisierung im Gange, der durch Begriffe wie strategische Philanthropie oder soziale Investitionen gekennzeichnet ist. Dieser Vorgang ist insbesondere durch eine zunehmende Aufmerksamkeit auf soziale Wirkung, also auf die ganz konkreten Beiträge, die Stiftungen für die Gesellschaft leisten können, geprägt. Gerade diejenigen Stiftungen, die sich eine Bearbeitung der zentralen Herausforderungen moderner Gesellschaften – wie etwa der Entwicklung eines leistungsfähigeren und gerechteren Schulsystems – zum Ziel gesetzt haben, stellen dabei fest, dass ihre finanziellen Ressourcen, so beeindruckend sie auf den ersten Blick auch sein mögen, bei weitem zu gering sind, als dass sie alleine mehr als lediglich marginale Beiträge leisten könnten. Es stellt sich insofern unmittelbar die Frage nach einer Zusammenarbeit mit staatlichen Partnern, die imstande sind, die genannten Beschränkungen zu überwinden. Nachdem auf staatlicher Seite lange eine gewissen Zurückhaltung gegenüber privatem Engagement in einem zentralen Bereich hoheitlichen Handelns zu beobachten war, ist seit einiger Zeit eine zunehmende Aufgeschlossenheit für Zusammenarbeit und Kooperation mit gemeinnützigen Partnern festzustellen – gerade auch in Bereichen wie der Sprachförderung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund oder der Arbeit mit ‚failing schools‘, in denen der Schuh wirklich drückt. Diese positiven Entwicklungen werden jedoch durch den Umstand beeinträchtigt, dass vertraute Handlungsroutinen nur bedingt für solche Arrangements geeignet sind und das bislang noch kaum gesichertes Wissen hinsichtlich der Frage vorliegt, wie in der Praxis gemeinsam erfolgreich agiert werden kann. Dieser Befund ist nicht unbedingt überraschend: Wir bewegen uns hier im Bereich sozialer Innovationen, die gerade von einem Abweichen von Routinen, dem Ausprobieren von neuen Wegen und dem produktiven Umgang mit Unsicherheit geprägt sind. In einem Punkt besteht in den Diskussionen um adäquate gemeinsame Problemlösungsstrategien jedoch hoher Konsens: Komplexe Probleme können nur dann erfolgreich bearbeitet werden, wenn unterschiedliche Akteure ihre je eigenen Ressourcen, Perspektiven und Kompetenzen beisteuern. 6 www.CSI.UNI-HD.de Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften So entstehen Kooperationen, Partnerschaften, hybride Organisationen und Netzwerke, die in Szenarien sozialer Innovation eine wichtige Rolle spielen, wenngleich wir heute noch nicht genug darüber wissen, welche dieser Formate für die Bearbeitung welcher Probleme geeignet sind. Ohne einen verlässlichen Bestand systematisch erarbeiteten und erprobten Wissens bleiben strategische Entscheidungen in den beteiligten Organisationen jedoch auf bloß implizites Wissen oder die Intuition von Entscheidern angewiesen. Mit unserem Projekt ‘Staatlich-Philanthropische Bildungspartnerschaften’ schließen wir an diese Entwicklungen und Diskussionen in zweierlei Hinsicht an. Zum einen entwickelt die vorliegende Studie ein alternatives Modell von Prozessen sozialer Innovation im Bildungsbereich. Es unterscheidet sich deutlich von den vorherrschenden Denkweisen, die von einem eher linearen, rationalen und planbaren Prozess ausgehen und setzt ihnen einen Ansatz entgegen, der die experimentelle Natur von Innovationen betont, die über lange Zeiträume hinweg auf geschützte Orte angewiesen sind und die nur unter günstigen Umständen und Dank des politischen Handelns maßgeblicher Akteure systemische Wirkung entfalten können. Zum anderen knüpft die Arbeit an Forschungsergebnisse zur Effektivität von sektorübergreifenden Netzwerken an, die bislang vorwiegend aus dem angelsächsischen Bereich vorliegen, und überträgt sie auf Prozesse sozialer Innovation im Bildungsbereich. So ermöglicht sie ein besseres Verständnis eines Phänomens, das für moderne Gesellschaften von maßgeblicher Bedeutung ist. Insgesamt führt die vorliegende Studie so nicht nur zu einem besseren Verständnis der Gelingensbedingungen kollaborativer Innovationsprozesse im deutschen Bildungsbereich. Indem sie grundlegende Wirkungsmodelle und konkrete Instrumente für die Lösung sozialer Probleme anbietet, leistet sie vielmehr einen grundlegenden Beitrag zur Erforschung von Prozessen sozialer Innovation im Sinne einer Science of Improvement. Dr. Volker Then Geschäftsführender Direktor des Centrums für soziale Investitionen und Innovationen der Universität Heidelberg Heidelberg, November 2014 7 CSI CSI Danksagung Das Projekt ‚Staatlich-Philanthropische Bildungspartnerschaften‘ untersuchte nicht nur die Beiträge unterschiedlicher Partner zu Gemeinschaftsprojekten von Stiftungen und Staat; es bedurfte auch selber der Unterstützung durch viele verschiedene Beteiligte, denen an dieser Stelle gedankt werden soll. Ein erster, persönlicher Dank, geht an Annelie Beller und Mattia Nelles, die mir bei der Vorbereitung und Durchführung dieses Projekts unverzichtbare Unterstützung leisteten. Für kollegialen Rat und die gute und freundschaftliche Zusammenarbeit, die weit über die Projektzeit hinausreicht, bedanke ich mich bei Volker Then und Georg Mildenberger. Dieses Projekt kam auf Initiative der Robert Bosch Stiftung zustande und wäre ohne ihre Förderung nicht möglich gewesen. Hierfür bedanke ich mich ebenso wie für die gute und reibungslose Zusammenarbeit bei Olaf Hahn, Michael Schulze und Christiane Kreher. Das Vorhaben beruht auf den Vorarbeiten der Projekte ‚Strategies for Impact in Philanthropy‘ und ‚Strategies for Impact in Education‘, die durch ein Stiftungskonsortium aus Compagnia di San Paolo (Italien), Fundaçao Calouste Gulbenkian (Portugal), Koning Boudewijnstichting (Belgien), Stiftung Mercator (Deutschland) und Stiftelsen Riksbankens Jubileumsfond (Schweden) ermöglich wurden. Deshalb geht ein erneuter Dank auch an die Mitglieder dieses Konsortiums. Den Teilnehmern des Expertengespräch in Heidelberg, Oliver Beddies, Jean-Pierre Dällenbach, Wolfgang Kunze, Rainer Michaelis und HansGünter Rolff danke ich für Ihre Bereitschaft, sich mit den Projektergebnissen in einem frühen Stadium kritisch und konstruktiv auseinanderzusetzen. Die Teilnehmer des Bildungsforschungskolloquiums in Heidelberg gaben ebenfalls wertvolle Hinweise zur Fortentwicklung der Forschungsergebnisse und bekräftigten einmal mehr die interdisziplinäre Stärke der Universität Heidelberg. Hierfür bedanke ich mich insbesondere bei Birgit Spinath, Heike Dietrich, Joachim Funke, Silke Hertel und Anne Sliwka. Tobias Funk, Angelika Hüfner und Maximilian Müller-Härlin lasen freundlicherweise das Policy Paper in einem frühen Stadium und gaben wichtige Einschätzungen und Ratschläge zu Inhalt und Gestaltung. Grundlage der Datenanalyse bildeten die Transkriptionen unserer Interviews, für die ich mich bei den Transkribierern Katja Huth, Kubilay Karaer und Anne Kliebisch bedanke. Abschließend sei all‘ unseren Interviewpartnern für ihre Bereitschaft gedankt, uns offen und konstruktiv Auskunft über Ihre Beteiligung an den untersuchten Vorhaben zu geben. Ohne ihre Unterstützung wäre dieses Forschungsprojekt nicht möglich gewesen. 8 www.CSI.UNI-HD.de Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften Autoren Ekkehard Thümler Ekkehard Thümler leitet seit Mai 2008 im Centrum für soziale Investitionen und Innovationen (CSI) der Universität Heidelberg das Forschungsprogramm zur sozialen Wirkung von Stiftungshandeln. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Erforschung des Zusammenhangs zwischen zivilgesellschaftlichen Akteuren und den globalen Finanzmärkten. Zuvor war er von 2002 bis 2008 als Projektleiter für Bertelsmann Stiftung, Landesstiftung Baden-Württemberg sowie Vodafone Stiftung tätig. Ekkehard Thümler hat einen Magisterabschluss in Philosophie und Jura der Universität Göttingen. Er promoviert an der Universität Heidelberg zu Problemlösungsstrategien europäischer Stiftungen. Mattia Nelles Mattia Nelles war von 2013 bis 2014 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am CSI tätig. Darüber hinaus arbeitet er für das Berliner Unternehmen iversity im Bereich der Digitalisierung von Hochschullehre. Zuvor absolvierte er ein Bachelorstudium der Politik- und Verwaltungswissenschaften an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen und der University of California, Berkeley. 9 CSI CSI Einleitung Executive Summary Innovationsnetzwerke, in denen Staat und Stiftungen partnerschaftlich zusammenarbeiten, sind grundsätzlich für die Entwicklung neuer Lösungsansätze für die Probleme des Bildungsbereichs in Deutschland geeignet. Sie erhöhen darüber hinaus die Wahrscheinlichkeit, dass die einmal entwickelten Ansätze dauerhaft etabliert und stabilisiert werden. Beides gilt jedoch nur für den Fall, dass das gewählte Netzwerkformat jeweils passgenau auf das bearbeitete Problem abgestimmt ist. Explorative Netzwerke eigenen sich für die Phase der Initiierung von Vorhaben. Sie werden eingesetzt um Stakeholder und Themen zu identifizieren und insgesamt ein besseres Verständnis des Problems zu gewinnen. Entwicklungsnetzwerke sind für die zeitlich begrenzte experimentelle Entwicklung und Implementierung neuer Vorhaben geeignet. Netzwerke, die nicht von Partnern sondern nur von einer einzelnen Organisation gesteuert werden, sind eher für die dauerhafte Stabilisierung neuer Ansätze geeignet. Konsortien werden für die Koordinierung einer größeren Anzahl von Stakeholdern eingesetzt, deren Tätigkeit durch eine Netzwerkmanagement-Organisation koordiniert wird. Die Bedingungen ihres effektiven Einsatzes sind noch unklar. Zeitlich begrenzte Formen der Zusammenarbeit resultieren hingegen nicht in der f lächendeckenden Verbreitung von Innovationen und einer nachweisbaren, signifikanten und umfangreichen Leistungssteigerung des staatlichen Systems. Die Ergebnisse sind vielmehr als begrenzte innovative Nischenaktivitäten auf lokaler bzw. regionaler Ebene zu bewerten. Staatliche und philanthropische Akteure sollten daher herkömmliche Herangehensweisen, die auf einen direkten Übergang von der Entwicklung und Erprobung neuer Ansätze zu deren f lächendeckender Verbreitung setzen, infrage stellen. Stattdessen sollte die Rolle von Nischen für Prozesse sozialer Innovation neu bewertet werden. ‚Inseln des Gelingens‘ sind häufig als vollkommen adäquate Problemlösungen auf lokaler Ebene 10 anzusehen. Sie spielen darüber hinaus eine wichtige Rolle als Zwischenschritt in umfangreicheren Prozessen sozialer Innovation. Um weitreichendere Ergebnisse zu erzielen, sollte daher der Ansatz des strategischen Nischenmanagements als ein alternatives Handlungsmodell erprobt werden. Es setzt auf die langfristige Etablierung und Vernetzung einer Vielzahl begrenzter Nischen als Orten dauerhaften Lernens und Experimentierens mit neuen Lösungen, die in der Absicht geschieht, Bausteine für systemischen Wandel zu entwickeln. Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften 1.Einleitung Einer der bedeutendsten internationalen Trends im Bereich der öffentlichen Bildungssysteme ist das zunehmende Zusammenspiel staatlicher und privater Akteure (Meyer und Rowan 2006). Insbesondere das öffentliche Schulsystem entwickelt sich immer mehr zu einer Arena, in der alte und neue Akteure aufeinandertreffen, nicht zuletzt, um die Qualität des Systems auf neue, kollaborative Weise zu verbessern (Thümler et al. 2014a). Arrangements, in denen Stiftungen und staatliche Akteure gemeinsam an der Lösung der vielfältigen Probleme des Bildungsbereichs arbeiten, sind dabei von besonderem Interesse. Einerseits werden sie oftmals als Partner beschrieben, die einander besonders gut ergänzen. Dieser Argumentationslinie folgend bringen Stiftungen die Flexibilität, Kreativität, Risikobereitschaft und Innovationsbereitschaft mit, die dem Staat fehlen und können deshalb innovative Modellvorhaben entwickeln. Stiftungen sind jedoch vergleichsweise kleine Akteure1 und aufgrund ihrer beschränkten Budgets und Mangels rechtlicher Kompetenzen überfordert, wenn es darum geht, diese Ansätze in einem relevanten Ausmaß ‚in die Fläche‘ des Schulsystems hineinzutragen (Czerwanski 2000; Hess 2005; Gerber 2006; Person et al. 2009). Das öffentliche System hingegen wird zwar als riskanten Experimenten weniger aufgeschlossen angesehen, es stellt jedoch die Ressourcen, Technologien und rechtlichen Kompetenzen zur Verfügung, die benötigt werden um die Verbreitung nachweislich wirksamer, innovativer Ansätze in das Regelsystem zu ermöglichen und so zugleich deren Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Auf diese Weise, so wird angenommen, kann es in arbeitsteiliger Zusammenarbeit zwischen Stiftungen und Staat gelingen, Wandel in ein wenig innovationsfreudiges öffentliches System hineinzutragen (Gerber 2006; Bacchetti und Ehrlich 2007; DKJS 2009; Person 2009). 1 Um die Relationen zu verdeutlichen: Es ist davon auszugehen, dass der gesamte Betrag, den die deutschen Stiftungen in einem Jahr in Vorhaben im Bildungsbereich investieren, vom Staat an einem Vormittag ausgegeben wird (Thümler et al. 2014a: 7). CSI K apit el 1 www.CSI.UNI-HD.de Dabei war zunächst die Annahme verbreitet, dass eine gelungene Arbeitsteilung zwischen Stiftungen und Staat darauf hinausläuft, dass Stiftungen in eigener Initiative Lösungsmodelle entwickeln und diese sodann staatlichen Akteuren als fertig entwickelte Produkte zwecks Übernahme und Verbreitung zur Verfügung stellen – oder sogar politischen Druck auf staatliche Stellen ausüben, um diese zu Veränderungen zu bewegen. Gemäß diesen Überlegungen hängt viel von der Fähigkeit von Stiftungen ab, mittels geeigneter Instrumente und Strategien dafür zu sorgen, dass auch kleine Budgets überproportional hohe Wirkung entfalten können: “philanthropic giving can have a massively outsized impact – like a small rudder steering a big ship” (Hess 2005: 297). 1.1Problematik staatlich-philanthropischer Partnerschaften Die Forschung der vergangenen Jahre zeigt jedoch, dass dieses Modell aus verschiedenen Gründen recht fragwürdig ist. Zunächst einmal ist in Hinblick auf das reale Veränderungspotential von Reformvorhaben im Bildungsbereich grundsätzlich erhebliche Zurückhaltung ratsam. So ist etwa der öffentliche Schulbereich ein hochkomplexes soziales und politisches System und eines der größten Subsysteme moderner Gesellschaften überhaupt, dem regelmäßig eine hohe Resistenz gegenüber genau der Art von Veränderungen bescheinigt wird, die Stiftungen anstreben (von Friedeburg 1992; Tyack und Cuban 1995). Diese etwas ernüchternde Diagnose trifft jedoch nicht nur für die staatliche Seite zu. Inzwischen liegen verschiedene Studien vor, die die reale Wirkung von Stiftungen im Bildungsbereich in den vergangenen Dekaden als gering einschätzen und zu dem Schluss kommen, dass deren oftmals sehr weitreichenden und systemverändernden Ambitionen bislang keinesfalls eingelöst werden konnten (Connell und Klem 2002; Bacchhetti und Ehrlich 2007; Lagemann und de Forest 2007). Es ist darüber hinaus zweifelhaft, ob es Stiftungen überhaupt gelungen ist, effektive Lösungsansätze in größerer Zahl zu entwickeln. So konnte eine internationale 11 CSI Einleitung Recherche nach nachweislich wirksamen Stiftungsprogrammen nur wenige überzeugende Vorhaben identifizieren (Thümler et al. 2014b). Als Ursache für diesen Befund werden dabei unter anderem inadäquate Organisationsformen, mangelnde inhaltliche Kompetenzen (Bacchhetti und Ehrlich 2007) sowie inadäquate Handlungsstrategien von Stiftungen genannt (Thümler et al. 2014b). Darüber hinaus besteht möglicherweise weder auf staatlicher Seite noch unter Stiftungen ein allgemeiner „Konsens, dass es überhaupt gemeinsame Aufgaben gibt, die zu teilen wären oder auch nur geteilt werden könnten – und worin diese möglicherweise bestehen“ (DKJS 2008). Vor diesem Hintergrund ging es im Rahmen unserer Untersuchung darum, die Annahme zu überprüfen, ob eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Stiftungen und Staat geeignet ist, den genannten Herausforderungen wirksam zu begegnen. Diesem Ansatz liegt das folgende Argument zugrunde: Stiftungen und staatliche Akteure müssen von vornherein gemeinsam an der Initiierung, Entwicklung und Implementierung von innovativen Vorhaben beteiligt sein. Nur durch solche engen Formen der Koproduktion, so die Überlegung, wird gewährleistet, dass konkrete staatliche Bedürfnisse und Erfordernisse von Stiftungen hinreichend berücksichtigt werden, und nur so entsteht auf staatlicher Seite das nötige commitment, um innovative Lösungen als eigene zu begreifen und f lächendeckend in das System einzubauen. 1.2Fragestellung und Ziele Auf dieser Grundlage wurden die folgenden forschungsleitenden Fragestellungen formuliert: ■■ Sind staatlich-philanthropische Bildungspartnerschaften ein geeignetes Instrument für die Entwicklung effektiver Instrumente zur Lösung von Problemen des Bildungsbereichs? Falls ja, unter welchen Umständen und in welchen Konstellationen? ■■ Führt partnerschaftliche Zusammenarbeit zu f lächendeckender Verbreitung der entwickelten Instrumente? Fall ja, auf welche Weise und mit welchem Ergebnis? Falls nicht, warum nicht? ■■ Für welche Problemlagen erweisen sich Part- 12 nerschaften als ungeeignete Instrumente? Welche Alternativen gibt es? Die Studie beabsichtigte, praxisrelevantes Steuerungswissen zu generieren, das explizit für alle an Bildungspartnerschaften beteiligten Parteien relevant sein sollte. Der vorliegende Projektbericht ist insofern als eine Navigationshilfe gedacht, die den Akteuren sowohl auf staatlicher als auch auf Stiftungsseite – und darüber hinaus auch möglichen weiteren Beteiligten an kollaborativen Projekten – eine konkrete Orientierung für ihre strategische Planung ebenso ermöglichen soll, wie die Auswahl geeigneter Instrumente für die Durchführung innovativer Vorhaben. Unsere Absicht ist dabei zunächst einmal, ein Verständnis davon zu vermitteln, welche Ergebnisse mithilfe solcher Formen der Zusammenarbeit erzielt werden können, und an welche Grenzen diese stoßen. Im nächsten Schritt geht es darum, ein Repertoire relevanter Formen der Zusammenarbeit zu identifizieren und deren Anwendungsbereich näher zu bestimmen. Auf dieser Grundlage wird es strategischen Planern möglich sein, begründete Entscheidungen hinsichtlich der Fragen zu treffen, wann und in welcher Konstellation derartige Partnerschaften geeignete Problemlösungsinstrumente sind bzw. wann sie nicht zum Einsatz kommen sollten und welche Alternativen ggf. möglich und sinnvoll sind. In wissenschaftlicher Hinsicht sollen Erkenntnisse generiert werden, die einerseits an die aktuelle internationale Forschung zu Rolle, Beiträgen und Funktionen von Stiftungen im Bildungsbereich (mit besonderem Augenmerk auf partnerschaftliche Formate) anknüpfen und den wissenschaftlichen Diskurs zu diesen Themen vorantreiben können. Zum anderen soll ein Beitrag zur Erforschung der Rolle und Effektivität von staatlich-philanthropischen Netzwerken geleistet werden, der sich auf einen Bereich (Bildung), auf Beteiligte (Stiftungen) und auf einen Zweck (soziale Innovation) erstreckt, die in der vorliegenden Forschung bislang nur wenig berücksichtigt worden sind. Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften 1.3Zentrale Begriffe 1.3.2Partnerschaften Für unser Vorhaben zentrale Begriffe wie ‚Stiftungen‘ und ‚Staat‘, ‚Partnerschaft‘, ‚Innovation‘ und ‚Erfolg‘ sind mehrdeutig und daher erläuterungsbedürftig. Im Folgenden soll daher näher bestimmt werden, was darunter im Rahmen dieser Studie zu verstehen ist. Die Zusammenarbeit von Staat und Stiftungen spielt sich stets in einem Kontinuum verschiedener Abstufungen der Intensität ab, das von zufälligen Überschneidungen gemeinsamer Tätigkeitsfelder über reine Auftragstätigkeiten bis hin zu formalen Partnerschaften reicht (Person et al. 2009). Umgangssprachlich werden viele dieser Kooperationsformen als Partnerschaft bezeichnet. Wir sehen staatlich-philanthropische Bildungspartnerschaften hingegen als einen ganz speziellen Fall innerhalb eines sehr viel größeren Felds an, der laut Person et al. (2009) durch Übereinstimmung („alignment“) hinsichtlich der adressierten Probleme, der Projektziele, gewählter Strategien der Problemlösung, eingesetzter Ressourcen sowie der Implementation gekennzeichnet ist. (Person et al. 2009: 14ff.) . 1.3.1 Stiftungen und Staat Die von uns im Rahmen der Fallstudien untersuchten Stiftungen bilden ein breites Spektrum philanthropischer Tätigkeit ab. Mit der Robert Bosch Stiftung, der Bertelsmann Stiftung sowie der Jacobs Foundation kommen drei der größten unternehmensverbundenen Stiftungen Deutschlands bzw. der Schweiz in den Blick. Die Stiftung Polytechnische Gesellschaft ist ebenso wie Die Chance mit einem eigenen Stiftungsvermögen ausgestattet, die letztere ist dabei als Verbrauchsstiftung organisiert, die ihr Vermögen im Laufe der Zeit aufzehrt. Während die drei erstgenannten Stiftungen international aktiv sind, beschränken sich die Polytechnische Gesellschaft und Die Chance auf einen regional eingegrenzten Tätigkeitsraum. Robert Bosch Stiftung, Jacobs Foundation und Polytechnische Gesellschaft sind sowohl fördernd als auch operativ tätig (Jacobs mit einem Schwerpunkt auf wissenschaftlicher Förderung), die Bertelsmann Stiftung und die Chance ausschließlich operativ. Soweit staatliche Akteure als Partner in einem engeren Sinn (siehe unten unter 1.3.2) an den untersuchten Vorhaben beteiligt waren, handelte es sich ausschließlich um Länderministerien. In der Regel waren dies die Kultusministerien der Länder (Jacobs-Sommercamp, Selbstständige Schule, SEIS), im Fall von Netzwerke für Bildungspartner aber auch Justiz- bzw. Integrationsministerium. Ist von Partnern in einem allgemeineren Sinn die Rede, der alle diejenigen Akteure umfasst, die aktiv an einem Innovationsprozess beteiligt waren bzw. sind, kommt ein sehr breites Spektrum unterschiedlicher Organisationen auf allen Ebenen staatlichen Handelns in den Blick. Es reicht von einzelnen Schulen und Hochschulen über Bezirksregierungen bis hin zu internationalen staatlichen Partnerorganisationen. Wir definieren derartige Partnerschaften als dauerhafte (d.h. mehr als nur ganz kurzfristige) Formen der Zusammenarbeit zwischen staatlichen, philanthropischen und ggf. auch weiteren Beteiligten, die auf gegenseitigem Einvernehmen beruhen und zur Beförderung eines gemeinsamen Zwecks – also hier: der Qualitätsentwicklung des Bildungssystems – durchgeführt werden. Dabei sind alle Partner gleichberechtigt in die Entscheidungsprozesse eingebunden, investieren eigene Ressourcen und tragen gemeinsam die Risiken des Vorhabens (Weihe 2008: 435; Forrer et al. 2010: 476). 1.3.3 Soziale Innovation Im Zentrum dieser Studie steht die Untersuchung von Prozessen sozialer Innovation. Unter diesem Begriff werden in der Literatur neue Lösungen für soziale Probleme verstanden, die sich dadurch auszeichnen, dass sie zumindest einen effektiven Beitrag zur Problemlösung leisten und sich darüber hinaus in mehr oder weniger großem Umfang verbreiten (Zapf 1989: 177; Howaldt und Schwarz 2010: 54). Mit dem Begriff ‚Innovation‘ verbinden sich umgangssprachlich indessen oftmals irreführende Vorstellungen von einem Prozess, der durch inspirierte Impulsgeber vorangetrieben wird, die neuartige Ideen oder Konzepte entwickeln und die Mühen der eher trivialen Umsetzung anderen 13 CSI K apit el 1 www.CSI.UNI-HD.de CSI Einleitung überlassen. Dies ist hier nicht gemeint. Der Innovationsprozess erstreckt sich nicht lediglich auf die Erfindung, sondern ganz wesentlich auf die Implementierung und Etablierung neuer Ansätze. Es geht dabei nicht um die Entwicklung möglichst origineller neuer Ideen, sondern vielmehr darum, ganz pragmatisch und mit langem Atem Lösungsmodelle zu erarbeiten. Wichtig ist darüber hinaus, dass man sich den Prozess sozialer Innovation nicht linear und damit planbar und berechenbar vorzustellen hat. Innovationsprozesse laufen vielmehr zyklisch ab und sind von Zufällen und Planabweichungen gekennzeichnet. Das in Kapitel 3 vorgestellte Phasenmodell ist daher auch eher als „nützliche Fiktion“ (Braun-Thürmann 2005: 38) zum Zwecke der Gliederung eines tatsächlich oftmals viel komplexeren Prozesses zu begreifen denn als Beschreibung einer zielgerichteten Abfolge immer gleicher Schritte. 1.3.4Erfolg Unser Projekt beabsichtigte, den Zusammenhang von Partnerschaften und dem Erfolg bzw. Misserfolg einzelner Vorhaben aufzuklären. Daher ist ein klares Verständnis davon, was den Erfolg staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften ausmacht, von wesentlicher Bedeutung für unser Vorhaben. Erfolg kann jedoch entlang ganz verschiedener Dimensionen konzipiert und gemessen werden. McConnell (2010) schlägt etwa eine Unterscheidung nach „Prozess“, „Politik“ und „Programm“ vor. Die Frage nach dem Prozess bezieht sich auf den Ablauf einer Partnerschaft: Kam die Zusammenarbeit einvernehmlich zustande oder fühlten sich Beteiligte zur Mitarbeit gedrängt? Verlief die Kooperation reibungslos bzw. wurden Probleme oder Krisen konstruktiv gelöst oder nicht? Und ist nach Abschluss des Vorhabens das Verhältnis der Projektpartner noch intakt oder sogar so tragfähig, dass eine weitere, unter Umständen noch intensivere und belastbarere, Zusammenarbeit möglich ist? In politischer Hinsicht stellt sich die Frage, ob die Zusammenarbeit den Interessen der Beteiligten entsprach bzw. förderlich war. Erfolg auf dieser Ebene beinhaltet zunächst einmal die Außen- 14 wahrnehmung des Vorhabens als legitim und das Ausbleiben von Kritik. Darüber hinaus zählen insbesondere der Gewinn an Reputation sowie die Erschließung neuer Finanzquellen oder wichtiger Kontakte zu dieser Kategorie. Wenngleich diese beiden Dimensionen von Erfolg sicherlich von hoher Relevanz für den Erfolg innovativer Vorhaben sind, stehen sie nicht im Mittelpunkt unserer Studie. Wir konzentrierten uns mit unserer Untersuchung vielmehr auf die Programmebene, d.h. die Frage, ob die Zwecke des Vorhabens realisiert werden konnten. Im Rahmen unserer Studie wäre es wünschenswert gewesen, einen einheitlichen Vergleichsmaßstab für diese Zielerreichung festlegen zu können, – im Bildungskontext kann etwa nach dem Eintreten von Vorteilen für die Zielgruppe gefragt werden, die z.B. in gesteigerten Lernleistungen zum Ausdruck kommen. Die untersuchten Projekte waren jedoch allzu unterschiedlich und ließen sich deshalb nicht auf einen einheitlichen, fallübergreifenden Maßstab für Erfolg reduzieren. Wir definierten Erfolg bzw. Misserfolg daher im Sinne der Frage, ob die Programme bzw. Projekte ihre intendierten Ziele erreichten oder verfehlten. Dieses Kriterium ist zwar nicht unproblematisch – so hatten etwa in Vorhaben wie Selbstständige Schule wichtige Projektbeteiligte unterschiedliche Auffassungen von den Zielen des Vorhabens. Gleichwohl ließ sich jedoch auf Grundlage einer Kombination unterschiedlicher Quellen wie der Analyse von Projektdokumenten und -publikationen (z.B. Kooperationsverträgen), externen und möglichst wissenschaftlichen Evaluationen sowie den Aussagen unserer Interviewpartner hinreichend genau bestimmen, ob die Ziele klar und im Konsens definiert waren oder nicht und ob sie sich über die Zeit hinweg veränderten oder stabil blieben. Abweichungen sind in den Fallstudien dokumentiert und wurden ggf. in unserer Datenanalyse berücksichtigt. Zudem ist das Kriterium ‚Programmerfolg‘ seinerseits mehrdeutig und umfasst sowohl Zielerreichung, als auch die Generierung von Vorteilen für die Zielgruppe (McConnell 2010: 46). Dies bedeutet zugleich, dass Aussagen über erfolgreich erreichte Ziele im ersteren Sinne unabhängig von der tatsächlichen Effektivität im Sinne sozialer Wirkung der untersuchten Vorhaben sein kön- Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften nen. So fehlen für Vorhaben wie Selbstständige Schule oder SEIS bislang überzeugende Belege für deren Wirksamkeit im Sinne einer Steigerung von Schulqualität, während beide Vorhaben hinsichtlich anderer Zieldimensionen wie etwa der erzielten Reichweite als besonders erfolgreich einzuschätzen sind. Das Projekt Jacobs-Sommercamp hingegen verbindet erfolgreiche Zielerreichung und Effektivität miteinander. 1.4Stand der Forschung Die Forschung zu staatlich-philanthropischen Partnerschaften ist bislang recht begrenzt und in mehrfacher Hinsicht lückenhaft. Zunächst einmal klammert sie die Perspektive staatlicher Akteure regelmäßig fast vollständig aus. Der Fokus liegt in der Regel auf Stiftungen als maßgeblichen Akteuren, was einen in zweifacher Hinsicht problematischen Bias darstellt. Zum einen politisch, weil der Staat tendenziell als von privaten Stiftungen getriebener ‚gefesselter Riese’ porträtiert wird (z.B. Heifetz et al. 2003; Greene 2005; Hess 2005; Schöller 2006), was nicht ohne Auswirkungen auf Fragen nach der Legitimität der beteiligten Akteure bleibt. Zum anderen empirisch, weil klischeehafte Vorstellungen von innovationsfreudigen und durchsetzungsfähigen Stiftungen, die auf paralysierte Bürokratien treffen, der Realität nicht gerecht werden: In den vom CSI im Rahmen der Forschungsprojekte Strategies for Impact in Philanthropy (SIP) und Strategies for Impact in Education (SIE) durchgeführten Studien zu wirksamen Stiftungsvorhaben in den Bereichen ‚gesellschaftliche Integration und Partizipation’ sowie ‚schulische und außerschulische Bildung’ wurden ebenso wie in dem hier vorgestellten Projekt in aller Regel Partnerschaften im eigentlichen Sinne des Wortes vorgefunden, bei denen staatliche Akteure und Stiftungen bei Anbahnung, Vorbereitung und Durchführung der Vorhaben auf Augenhöhe agierten. Des Weiteren ist es problematisch, dass insbesondere für Deutschland aber auch international kaum empirisch fundiertes geschweige denn theoretisch informiertes Wissen über staatlichphilanthropische Partnerschaften im Bildungsbereich vorliegt. Die Diskussion ist vielfach von eher anekdotischer Evidenz geprägt und wird daher wissenschaftlichen Anforderungen an Zuverlässigkeit und Unparteilichkeit nicht gerecht. Erforderlich sind hingegen verlässliche Daten, die auf nachvollziehbare Weise erhoben werden, sowie Analysen, die nicht lediglich die herkömmlichen Annahmen der Stiftungs- und Nonprofitpraxis fortschreiben, sondern auf einer Auseinandersetzung mit der einschlägigen Literatur aus Bildungs- und Innovationsforschung beruhen. Diejenigen Untersuchungen, die diese Anforderungen erfüllen, klammern hingegen bislang weitgehend die Frage aus, ob die Ziele der Kooperation erreicht bzw. ob überhaupt ein gesellschaftlicher Mehrwert geschaffen wurde und welche ursächliche Rolle die Kooperation dafür spielte (Person et al. 2009; Almog-Bar und Zychlinski 2014). Der Grund dafür ist sicherlich nicht zuletzt in dem Umstand zu sehen, dass der Erfolg solcher Vorhaben angesichts einer Reihe methodischer Probleme – unklare Zielformulierungen, Mangel an verlässlichen Evaluationen sowie die Problematik, was jeweils unter ‚Mehrwert‘ bzw. Erfolg zu verstehen ist – oft auch nur sehr aufwändig und schwierig zu bestimmen ist. Wenn jedoch die Charakterisierung von Stiftungen als Motoren gesellschaftlicher Innovation und staatlichen Einrichtungen als reformbedürftigen Orten organisatorischer Trägheit allzu holzschnittartig ist, und wenn öffentlich-philanthropische Bildungspartnerschaften nicht bereits als solche erfolgversprechend sind, ist näher zu klären, welche Ressourcen und Fähigkeiten welcher Partner in welcher Konstellation in Anschlag gebracht werden müssen, damit die jeweils angestrebte Problemlösung zustande kommt. Es ist darüber hinaus zu bestimmen, welche Reichweite solche Lösungen haben können und an welche Grenzen sie stoßen. Um eine Antwort auf diese Fragen zu finden haben wir unsere Recherche auf die umfangreiche Literatur zu organisationaler bzw. sektor-übergreifender Zusammenarbeit im Allgemeinen (wie z.B. im Rahmen von PPPs), sowie zu Kooperationen zwischen Staat und Nonprofit-Organisationen im Besonderen, ausgeweitet. Dabei werden ganz verschiedene Akteure untersucht, deren Tätigkeit in unterschiedlichen Bereichen auf vielfältige Weise miteinander verknüpft ist – das Spektrum reicht von Infrastrukturmaßnahmen bis hin 15 CSI K apit el 1 www.CSI.UNI-HD.de CSI Einleitung zu Entwicklungshilfeprojekten. Die Intensität der Zusammenarbeit reicht dabei von zufälligen Überschneidungen gemeinsamer Tätigkeitsfelder bis hin zu genuinen Partnerschaften (Person et al. 2009). 1.4.1 Partnerschaften als vielversprechende Problemlösungsinstrumente Die untersuchte Literatur weist bemerkenswerte Parallelen zum Diskurs über die Kooperation zwischen Stiftungen und Staat im Bildungsbereich auf. Allen Arbeiten ist zunächst einmal gemeinsam, dass sie die hohen Erwartungen betonen, die an Partnerschaften geknüpft sind wenn es darum geht, Innovationen zu generieren, soziale Probleme zu lösen bzw. öffentliche Dienstleistungen effektiver und effizienter zu gestalten (Bidault und Cummings 1994; Gazley und Brudney 2007; Almog-Bar und Zychlinski 2014). Gerade öffentlich-private Partnerschaften werden regelmäßig als innovative Governance-Arrangements angesehen, die sich, jedenfalls im Prinzip, besser als herkömmliche vertraglich geregelte Vereinbarungen zwischen staatlichen Auftraggebern und privaten Auftragnehmern für die Bearbeitung komplexer Probleme in modernen Industriegesellschaften eignen in denen die verschiedenen Akteure voneinander abhängig, Ressourcen endlich und Lösungsstrategien unklar sind (Klijn und Teismann 2000; Lewis 2004; Bryson et al. 2006; Hodge und Greve 2007; Forrer et al. 2010).2 Grundlegende Idee ist dabei stets, dass komplexe soziale Probleme moderner Gesellschaften nicht (mehr) von einzelnen Akteuren alleine und im Rahmen hierarchischer Strukturen gelöst werden können. Gerade die Kombination unterschiedlicher Stärken und Schwächen und die Öffnung von Räumen für gleichberechtigtes Nachdenken und Handeln macht die Pointe sektor-übergreifender Zusammenarbeit aus, die es staatlichen Akteuren ermöglicht, die besonderen Ressourcen privater Organisationen für die Lösung sozialer Probleme zu mobilisieren (Forrer et al. 2010). Diese Bewertung führt zuweilen sogar zu einem 2 Die Situation im deutschen Bildungsbereich ist insofern ein guter Anknüpfungspunkt für unsere Untersuchung, als sie durch eben diese Eigenschaften gekennzeichnet ist. 16 Verständnis von Partnerschaften als einem Allheilmittel für die Lösung gesellschaftlicher Probleme, das unabhängig von den Anforderungen der ganz konkreten Problemsituation einzusetzen ist. In diesem Zusammenhang ist auch vom „buzz of partnerships“ (Ostrower 2005) die Rede. 1.4.2 Grenzen von Partnerschaften Partnerschaften können derartig hohen Erwartungen jedoch keinesfalls gerecht werden. Die Literatur diagnostiziert regelmäßig eine Spannung zwischen der hohen Bedeutung, die Partnerschaften beigemessen wird einerseits, und der empirischen Realität solcher Formen der Zusammenarbeit andererseits – insbesondere auch was deren konkrete Ergebnisse anbelangt. So kommen Untersuchungen der Effektivität von PPPs hinsichtlich der Lösung sozialer Probleme zu sehr gemischten Befunden (z.B. Geddes und Bennington 2001 für Partnerschaften auf lokaler Ebene in Großbritannien). Gerade die Unterschiedlichkeit der beteiligten Partner wird nicht nur als Stärke, sondern auch als bedeutendes Hindernis für den Erfolg angesehen (Klijn und Teismann 2000; Bryson et al. 2006). Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass mit Partnerschaften stets signifikant erhöhte Transaktionskosten einhergehen, die umso höher ausfallen, je intensiver die Zusammenarbeit ist (Person et al. 2009: 27). Für den Bereich industrieller Allianzen haben Bidault und Cummings (1994) grundsätzliche Spannungen zwischen dem dynamischen innovativen Prozess und den vertraglich festgelegten Strukturen und Prozeduren von Partnerschaften diagnostiziert. Es kommt hinzu, dass Effektivität nur ein relevanter Aspekt der Zusammenarbeit von staatlichen und privaten Akteuren ist. Fragen nach der Rechenschaftslegung und demokratischen Teilhabemöglichkeiten in solchen Arrangements werden als weitere kritische Aspekte von Partnerschaften genannt, weil diese eine klare Linie zwischen staatlichen und privaten Aufgaben und Zuständigkeiten – und daher auch Verantwortlichkeiten – verwischen (Forrer et al. 2010). Vor diesem Hintergrund ist es wenig erstaunlich, dass die Konjunktur von Public-Private Partnerships des Öfteren als Produkt neo-konservativer und neo-liberaler Privatisierungsideologie kritisiert Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften wird (Linder 1999), obwohl sie an sich von bloßer Privatisierung oder dem Outsourcing staatlicher Zuständigkeiten zu unterscheiden sind (Forrer et al. 2010: 476). Ungeachtet aller partnerschaftlichen Rhetorik wird ebenfalls eine Gefährdung der Unabhängigkeit von Nonprofit-Organisationen befürchtet. So gab Dahrendorf zu bedenken: „Is not the seemingly mutual embrace of government and the voluntary sector a threat especially to the weaker partner of the love affair? Is there not an issue of independence, which is the oxygen of charity but stif led by the f lirt with political power?“ (Dahrendorf 2001: 8). Es ist daher davon auszugehen, dass sektorübergreifende Partnerschaften keinesfalls als Wert an sich anzusehen sind und die mit ihnen verknüpften hohen Erwartungen sich jedenfalls nicht pauschal als gerechtfertigt erweisen. Gerade auch die Effektivität solcher Arrangements ist in hohem Maße von den Eigenschaften der jeweiligen Problemsituation abhängig, die in der Regel nicht generalisiert werden können. Mit anderen Worten: Es gibt nicht die eine erfolgreiche Strategie für erfolgreiche sektor-übergreifende Partnerschaften; vielmehr lässt sich die Frage, ob eine Partnerschaft überhaupt sinnvoll ist oder ob Alternativen besser für die Problembearbeitung geeignet sind, und wie sie ggf. konkret ausgestaltet werden sollten, nur in Bezug auf ein konkretes Problem beantworten (Person et al. 2009; Forrer et al. 2010). 1.4.3 Erfolgsfaktoren öffentlichprivater Partnerschaften einstimmende Ziele verfolgen und sich dabei auf eine gemeinsame Lösungsstrategie einigen können. Denn nur unter dieser Voraussetzung können die Partner ihre unterschiedlichen Stärken optimal ausspielen und ihre Aktivitäten gut miteinander synchronisieren (Bryson et al 2006; Persson et al. 2009). Begrenzte Komplexität: Dies führt auch dazu, dass kleinere, kurzfristigere und weniger komplexe Vorhaben den Erfolg wahrscheinlicher machen, weil große Projekte mit einer Vielzahl verschiedener Beteiligter auf unterschiedlichen Ebenen ein höheres Risiko abweichender Problem- und Zieldefinitionen mit sich bringen. Unter Umständen kann sich daher auch ein geringeres Budget vorteilhaft auf die Effektivität einer Partnerschaft auswirken (Almog-Bar und Zychlinski 2014). PPPs werden hingegen als weniger gut für die langfristige Bearbeitung und Lösung sehr komplexer Probleme angesehen (Person et al. 2009). Die Ursache hierfür ist in dem Umstand zu sehen, dass klar definierte und eng zugeschnittene Probleme potentiellen Partnern die Einschätzung erleichtern, ob gemeinsame Lösungsstrategien möglich und mit den jeweiligen organisationalen Kapazitäten und Werten vereinbar sind. Ambiguität und Komplexität der Problemsituation, wie etwa im Falle so umfangreicher Vorhaben wie des globalen Kampfs gegen Malaria, sind hingegen für erfolgreiche Partnerschaften hinderlich (Person et al. 2009: 24). Hinzu kommt der Umstand, dass auf die Dauer die erhöhten Transaktionskosten von Partnerschaften deren Vorteile überwiegen können. Allerdings lassen sich zumindest eine Reihe grundlegender Muster identifizieren, die in der Literatur weitgehend übereinstimmend als wichtige, wenngleich auch sehr allgemeine, Erfolgsfaktoren für Partnerschaften genannt werden. Diese Erfolgsfaktoren lassen sich in der Umkehrung natürlich ebenso treffend als Faktoren für den Misserfolg von Partnerschaften formulieren. Komplementarität: Angesichts des Aufwands, den Partnerschaften verursachen, sind sie überhaupt nur dann sinnvoll, wenn die Beteiligten Ressourcen unterschiedlicher Art (Wissen, Geld, Kontakte, Managementkompetenzen) mitbringen, die für die Zielerreichung jeweils notwendig sind und über die andere Partner nicht verfügen (AlmogBar und Zychlinski 2014). Diese Ressourcen sind, anders als man zunächst annehmen könnte, nicht typischerweise bestimmten Akteuren zuzuordnen.3 Die erforderlichen Ressourcen ebenso wie Problemdefinition: Partnerschaften sind am ehesten dann erfolgreich, wenn die Beteiligten wirklich dieselben Probleme bearbeiten und über- 3 So trug etwa in Netzwerke für Bildungspartner und Selbstständige Schule der Staat den Großteil der Kosten während die Stiftungen das Vorhaben koordinierten und teils auch die operative Arbeit leisteten. Das Jacobs-Sommercamp hingegen 17 CSI K apit el 1 www.CSI.UNI-HD.de CSI Einleitung geeignete Partner müssen daher passgenau auf die jeweilige Problemsituation bzw. Lösungsstrategie zugeschnitten werden. Vertrauen und Gemeinsamkeit: Als weiterer Erfolgsfaktor wird in der Literatur ein hohes Maß an Vertrauen und gegenseitigem Respekt auf unterschiedlichen Ebenen der Zusammenarbeit genannt, die beispielsweise durch die Einbindung von Beteiligten auf unterschiedlichen Ebenen, aber auch die Partizipation wichtiger Entscheider herbeigeführt werden kann. Als ein wichtiger vertrauensbildender Aspekt und charakteristisches Merkmal von Partnerschaften wird die mehr oder weniger gleichberechtigte Einbindung der beteiligten Partner in alle relevanten Prozesse und Entscheidungen gesehen (Klijn und Teismann 2000; Sandfort 2008). 1.4.4 Offene Fragen Auf Grundlage der genannten Forschungsergebnisse lassen sich indes noch keine schlüssigen Antworten auf die Fragestellung unserer Studie formulieren. Es ist zwar davon auszugehen, dass die Wahrscheinlichkeit für erfolgreiche Bildungspartnerschaften umso größer ist, je mehr die Beteiligten vertrauensvoll zusammenarbeiten und ein gemeinsames Verständnis der zu bearbeitenden Probleme und der angestrebten Lösungen haben, je weniger komplex die gemeinsamen Vorhaben sind und je mehr die von den unterschiedlichen Beteiligten eingesetzten Ressourcen als komplementär einzuschätzen sind. Unsere Studie fragt jedoch danach, wann partnerschaftliche Vorhaben überhaupt sinnvoll sind und wann nicht. Diese Frage ist sozusagen im Vorfeld der oben genannten Erfolgsfaktoren zu beantworten, denn bevor Partner ein gemeinsames Ziel festlegen bzw. sich über die erforderlichen Ressourcen zur Problemlösung verständigen können, muss ja zunächst die Entscheidung getroffen werden, ob eine Partnerschaft überhaupt sinnvoll ist, oder nicht, und wie sie konkret gestaltet sein soll. Im Folgenden wird daher näher beschrieben, wie wurde maßgeblich von der Jacobs Foundation finanziert, vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und dem Bremer Bildungssenat koordiniert und vom Goethe-Institut als Auftragnehmer durchgeführt. 18 unser Forschungsprojekt gestaltet war, um einer Antwort auf die genannten Fragen näherzukommen. 1.4.5 Projek tdesign und Datengrundlage Das Projekt Staatlich-Philanthropische Bildungspartnerschaften wurde von der Robert Bosch Stiftung gefördert und vom Centrum für soziale Investitionen und Innovationen der Universität Heidelberg von 2013 bis 2014 durchgeführt. Es untersuchte die Frage, ob und inwiefern öffentlich-private Partnerschaften zwischen gemeinnützigen Stiftungen und staatlichen Akteuren unterschiedlicher Funktionen und hierarchischen Ebenen (z.B. aus Bildungspolitik, Bildungsadministration und Schulpraxis), geeignet sind, einen substantiellen Beitrag zur Lösung der zahlreichen und vielgestaltigen Probleme des staatlichen Schulsystems in Deutschland zu leisten. Wir gingen dabei von der Annahme aus, dass dieser Beitrag nur dann zustande kommen kann, wenn es im Rahmen solcher Kooperationen gelingt, effektive Problemlösungsinstrumente zu entwickeln, diese Arrangements nachhaltig zu stabilisieren und über bloß lokale Pilotprojekte hinaus ‚in die Fläche‘ des Schulsystems zu verbreiten. Das Projekt zielte daher darauf ab, die Gestalten, Funktionen und Ergebnisse partnerschaftlicher Formen der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Akteuren und privaten Stiftungen systematisch und mit Blick auf ihre Relevanz für die Lösung der Probleme von Bildungseinrichtungen bzw. Bildungsprozessen im deutschen Schulsystem zu untersuchen. Im Rahmen des Vorhabens wurden Aktivitäten im allgemeinbildenden und beruf lichen Schulsystem und an dessen Schnittstellen untersucht. Damit waren insbesondere solche Vorhaben von der Untersuchung ausgeschlossen, die sich auf frühkindliche Bildung oder den tertiären Bildungsbereich konzentrieren. Wir gingen dabei in den folgenden Schritten vor: Mittels einer Aufarbeitung der vorliegenden wissenschaftlichen Literatur wurde zunächst die theoretische Grundlage für die weitere Studie Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften mit dem Ziel gelegt, sowohl die Fragestellung des Projekts als auch die empirische Erhebung zu präzisieren und um weitergehendes Wissen anreichern zu können. Die Literaturrecherche wurde um das Screening vorhandener Fallstudien aus den Vorgängerprojekten Strategies for Impact in Philanthropy und Strategies for Impact in Education hinsichtlich der neuen Fragestellung ergänzt. In beiden Vorhaben war bereits systematisch die Frage nach der sozialen Wirkung von Stiftungsengagement (im Falle von SIE für Vorhaben in europäischen und nordamerikanischen Ländern während der Pf lichtschulzeit) untersucht worden (Thümler et al. 2014). Insofern konnte für das Bildungspartner-Projekt auf umfangreiches Hintergrundwissen und Datenmaterial zurückgegriffen werden. An diese erste Projektphase schloss sich die empirische Phase an. Dabei wurde den oben genannten Fragestellungen bei der Fallauswahl insofern Rechnung getragen, als nur solche Vorhaben ausgewählt wurden, bei denen sich mit hinreichender Zuverlässigkeit einschätzen ließ, ob sie ihre Ziele erreicht hatten, oder nicht. Um diese anspruchsvolle Bewertung vornehmen zu können, wurden vorwiegend Fälle aus der vorhergehenden SIEStudie ins Sample aufgenommen, ergänzt durch lediglich eine weitere neue Fallstudie (Netzwerke für Bildungspartner). Dieses Vorgehen ermöglichte es, unsere Einschätzung auf Grundlage bereits vorliegender externer Evaluationen und projekteigener Dokumente (wie z.B. Vertragstexten oder Projektpublikationen), sowie eigener Forschungsergebnisse aus SIE zu treffen. Unsere Name 1 Träger bzw. Partner Bewertung wurde im Verlauf der Fallstudien anhand der Aussagen der Interviewpartner überprüft und ggf. angepasst. Wir gingen dabei davon aus, dass sich die charakteristischen Merkmale genuiner Partnerschaften im Bildungsbereich ebenso wie strategische Handlungsoptionen am besten herausarbeiten lassen, indem ein möglichst breites Spektrum verschiedener Fälle ins Sample aufgenommen wird, um auf diese Weise Kontraste und Spielräume deutlich zu machen. Deshalb untersuchten wir zum einen staatlich-philanthropische Partnerschaften im engeren Sinn (Selbstständige Schule, SEIS), aber auch eine trilaterale Partnerschaft zwischen Stiftung, Staat und Wissenschaft (JacobsSommercamp) sowie ein Vorhaben, das von zwei Stiftungen und wechselnden staatlichen Partnern getragen wurde (Netzwerke für Bildungspartner). Das Programm DeutschSommer war insofern von Interesse, als es sich hierbei um die Fortführung einer ursprünglich partnerschaftlich entwickelten Innovation handelte, die selber wiederum maßgeblich von einer einzelnen Stiftung durchgeführt wird. Im Falle der Schweizer Stiftung Die Chance wurde darüber hinaus bewusst ein Kontrastfall ausgewählt. Zum einen, weil diese Stiftung Probleme des Übergangs von der Schule in den Beruf bearbeitet und somit eher an der Peripherie des Schulbereichs aktiv ist. Die Chance war auch deshalb von Interesse, weil sie als einzige Organisation explizit auf die Partnerschaft mit staatlichen Organisationen verzichtete. Tabelle 1: Die untersuchten Programme - Überblick über die Fallstudien1 Projektgegenstand Grund für Aufnahme in die Studie Interviews Deut s chS om- Stiftung Polytechnische Sprachförderung für Fortsetzung und Fortentwicklung des 2 (1) mer Gesellschaft Schülerinnen und Schüler Jacobs-Sommercamps mit Problemen in Deutsch 2 D i e C h a n c e . Gleichnamige Stiftung St if t un g f ür Berufspraxis in der Ostschweiz Berufliche Eingliederung Kontrastfall: Explizite Ablehnung part- 1 (2) von Jugendlichen nerschaftlicher Zusammenarbeit mit staatlichen Akteuren. Tätigkeit an den Schnittstellen des Schulsystems. 3 J a c o b s -S o m - Bremer Bildungsbehörde, mercamp Jacobs Foundation, MaxPlanck-Institut für Bildungsforschung Ferienlager für Schüle- Trilaterale Partnerschaft, experimen- 3 (3) rinnen und Schüler mit teller Projektansatz, nachgewiesene Schwächen in deutscher Effektivität. Sprache 1 In Klammern die Anzahl der Interviews aus SIE 19 CSI K apit el 1 www.CSI.UNI-HD.de CSI Einleitung Name 4 Träger bzw. Partner Projektgegenstand Grund für Aufnahme Interin die Studie views Netzwerke für Breuninger Stiftung, Justizministe- Förderung von Strukturen zur ‚Systemischer‘ Pro- 4 Bildungspart- rium, später Integrationsministerium Aktivierung der Eltern von jektansatz, Förderung ner BaWü, Robert Bosch Stiftung Migrantenkindern bereits existierender Akteure. 5 Selbstevalua- Bertelsmann Stiftung, Kultusministe- Entwicklung und Distribution Unternehmerischer 5 (3) tion in Schulen rien der Länder Bayern, Niedersach- eines Instruments zur Selbste- Projektansatz, hohe (SEIS) sen, Nordrhein Westfalen und Thü- valuation von Schulen Verbreitung ringen 6 Selbstständige Bertelsmann Stiftung, Schulministe- Erprobung von Schulautono- Politischer Projekt- 7 (7) Schule rium NRW mie in regionalen Bildungs- ansatz, hohe Verbreilandschaften tung Die Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Inhalte und die Bewertung der unterschiedlichen Programme. Zwischen September 2013 und Februar 2014 führten wir 19 semi-standardisierte Interviews mit einzelnen Programmteilnehmern, sowie ein Gruppeninterview mit drei Teilnehmern aus unterschiedlichen Organisationen. Darin ging es insbesondere um die Rolle und Bedeutung von Partnerschaften für die Durchführung und Zielerreichung der jeweiligen Vorhaben – und zwar explizit aus der Perspektive aller beteiligter Akteursgruppen. Die Interviews wurden auf Band aufgenommen und professionell transkribiert. Diese Daten wurden um öffentlich zugängliche und interne Dokumente der Projektbeteiligten ergänzt. Im Rahmen dieser Fallstudien ließen sich die für unsere Fragestellung relevanten Akteure, Prozesse und Strukturen eingehend und vertieft studieren. Auf dieser Datengrundlage war es sodann möglich, belastbare erste Antworten auf die genannten Fragen zu geben. Die Ergebnisse der ersten Analysestufe wurden in Rahmen einer Expertentagung im Februar 2014 mit den Erwartungen und Beurteilungen von Interviewpartnern aus staatlichen und wissenschaftlichen Einrichtungen sowie Stiftungen abgeglichen. Anregungen und Kritik wurden in den Analyserahmen eingearbeitet. 20 Es folgte eine weitere Analysephase, die eine zusätzliche Literaturrecherche und -auswertung einschlägiger Themen, insbesondere zu strategischem Nischenmanagement und Netzwerkeffektivität, sowie einen erneuten Durchgang durch das empirische Material beinhaltete. Die daraus resultierenden Ergebnisse wurden ab Mai 2014 verschriftlicht und bis Juli 2014 finalisiert. Die unterschiedlichen methodischen Zugänge und die Breite der berücksichtigten Perspektiven erlauben es ein Bild vom Gegenstand unserer Forschung zu entwerfen, in dem grundlegende Muster staatlich-philanthropischer Zusammenarbeit, ihrer Ergebnisse und Prozesse deutlich werden, die von strategischer und wissenschaftlicher Relevanz sind. Dabei kann unser qualitativ angelegter Forschungsansatz jedoch weder Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Repräsentativität der Ergebnisse erheben. Das Projekt verfolgte vielmehr eine explorative, hypothesengenerierende Forschungsagenda die mit der Absicht verbunden war, neue Erklärungsansätze für vertraute Phänomene zu entwickeln. Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften 1.5Aufbau der Studie Im anschließenden zweiten Teil des Berichts werden in knapper Form die Ergebnisse der Fallstudien vorgestellt. Sie geben ein Überblick über das jeweils bearbeitete Problem, den gewählten Lösungsansatz, die zeitliche Entwicklung sowie den aktuellen Stand des Vorhabens. Darüber hinaus werden die beteiligten Partner und ihre Rolle im Projekt ebenso wie die konkrete Gestaltung ihrer Zusammenarbeit dargestellt. Abschließend wird eine Bilanz hinsichtlich der Frage gezogen, ob die Vorhaben ihre selbstformulierten Ziele erreichen konnten, oder nicht. Der dritte Teil stellt die wesentlichen Analyseergebnisse unserer Untersuchung dar. Dabei ist zunächst einmal die Feststellung zu nennen, dass statt Partnerschaften Innovationsnetzwerke als die eigentlich relevante Analyseeinheit anzusehen sind, weil deren Gestaltung von wesentlicher Bedeutung für Erfolg oder Scheitern der untersuchten Projekte ist. Es konnten vier verschiedenen Typen von Netzwerken identifiziert und dieraussetzungen für ihren effektiven Einsatz näher bestimmt werden. Darüber hinaus wird festgestellt, dass Netzwerke, in denen staatliche Akteure, Stiftungen und ggf. auch weitere Beteiligte partnerschaftlich zusammenarbeiten, zwar grundsätzlich für die Entwicklung neuer Lösungsansätze für die Probleme des Bildungsbereichs in Deutschland geeignet sind und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die einmal entwickelten Ansätze dauerhaft in der Praxis etabliert und stabilisiert werden. Einschränkend ist jedoch festzustellen, dass zeitlich begrenzte Formen der Zusammenarbeit nicht in der flächendeckenden Verbreitung von Innovationen und einer nachweisbaren, signifikanten und umfangreichen Leistungssteigerung des staatlichen Systems resultieren. Die Ergebnisse sind vielmehr als innovative Nischenaktivitäten auf lokaler bzw. regionaler Ebene zu bewerten. Im vierten Teil dieses Berichts wird sodann eine Neubewertung von nischenartig gestalteten Vorhaben vorgenommen. Derartige ‚Inseln des Gelingens‘ werde nicht als Sackgasse sondern teils als adäquate Lösungen lokaler Probleme, teils als notwendiger Zwischenschritt in Prozessen sozialer Innovation angesehen. Um weitreichenderen systemischen Wandel zu erzielen, wird den Handelnden der Ansatz des strategischen Nischenmanagements empfohlen. Er misst der Entwicklung, Stabilisierung und Vernetzung einer größeren Zahl innovativer Nischen wesentliche Bedeutung für das Innovationsgeschehen zu. Dieser Ansatz wird detailliert dargestellt und in seinen praktischen Konsequenzen deutlich gemacht. Im abschließenden fünften Teil werden konkrete Vorschläge an staatliche und philanthropische Akteure formuliert, wie die Erkenntnisse des Forschungsvorhabens in die Praxis umgesetzt werden könnten. Darüber hinaus wird auch eine Reihe offener Fragen benannt und eine wissenschaftliche Agenda vorgeschlagen, entlang derer sich der vorgeschlagene Ansatz teils weiter ausbauen bzw. präzisieren, und teils praktisch anwendbar machen lässt. 21 CSI K apit el 1 www.CSI.UNI-HD.de CSI Fallstudien 2Fallstudien Im folgenden Abschnitt stellen wir die Fallstudien in alphabetischer Reihenfolge und ihren wesentlichen Ergebnissen nach dar. Auf dieser Grundlage wird eine detailliertere Ausarbeitung der konkreten Gestalten staatlich-philanthropischer Zusammenarbeit sowie derjenigen Problemsituationen möglich, für deren Bearbeitung sich Partnerschaften als geeignet bzw. ungeeignet erweisen. 2.1DeutschSommer Das Konzept des DeutschSommer Programms basiert im Wesentlichen auf dem Ansatz des Jacobs-Sommercamps, entwickelt 2004 von der Bremer Schulbehörde, der Jacobs Foundation sowie dem Max-Planck Institut für Bildungsforschung. Die im Jahr 2005 gegründete Stiftung Polytechnische Gesellschaft in Frankfurt am Main griff das Modell als eines ihrer ersten Programme auf, entwickelte es weiter und bietet in Frankfurt seit 2007 jährlich ein eigenes Sommercamp unter dem Titel DeutschSommer an. Das Programm richtet sich an Grundschüler und –schülerinnen der dritten Klasse, die Probleme mit der deutschen Sprache haben. Das Projekt zur Sprach- und Persönlichkeitsbildung verfolgt dabei vier Ziele. Erstens sollen konkret die Deutschkompetenzen der teilnehmenden Kinder in den Sommerferien zwischen der dritten und vierten Klasse verbessert werden. Auf diese Weise sollen sie rechtzeitig vor dem Übergang in weiterführende Schulen gefördert werden, um ihnen so die Chance einer insgesamt erfolgreicheren weiteren Schullauf bahn zu eröffnen. Zweitens soll durch Theaterspiel und Freizeitangebot das Selbstbewusstsein der teilnehmenden Kinder ebenso gestärkt werden wie drittens die Vertrautheit mit ihrer Heimatregion. Abschließend sollen viertens die Familien für die Bildungsbegleitung ihrer Kinder gewonnen werden. 22 Ekkehard Thümler und Mattia Nelles Zu diesem Zweck führt die Stiftung einmal im Jahr ein Sommercamp in der Region durch, in dem rund 150 Frankfurter Grundschüler für drei Wochen in Jugendherbergen ein gemeinsames Lernprogramm sowie ein von Pädagogen entwickeltes Freizeitprogramm absolvieren. Das Projekt hat ein jährliches Budget von ca. 340.000 Euro. Die Stiftung Polytechnische Gesellschaft stellt davon insgesamt 290.000 Euro zur Verfügung. Der Rest wird von einer Allianz aus privaten Stiftungen bzw. staatlichen Stellen aufgebracht. Insgesamt wirken an der Durchführung eines Sommercamps ca. 50 Experten, Pädagogen und weitere Unterstützer mit. 2.1.1 Der Programmansatz Ähnlich wie im Bremer Pilotprojekt werden für die DeutschSommer Camps einmal jährlich 150 Frankfurter Grundschüler auf Grundlage von Sprachtests ausgewählt. Die Tests werden von den Lehrerinnen und Lehrern der 41 teilnehmenden Schulen durchgeführt. Die Kinder werden sodann je nach Standortgröße in drei bis vier nach Sprachniveau differenzierte Lerngruppen aufgeteilt, die an unterschiedlichen Veranstaltungsorten außerhalb Frankfurts tagen. Alle teilnehmenden Kinder erhalten über drei Wochen hinweg täglich zwei Stunden Deutschunterricht und zwei Stunden Theatertraining, hinzu kommt ein von Pädagogen entwickeltes Freizeitprogramm. Der Deutschunterricht konzentriert sich besonders auf Grammatik (Verbkonjugation, Satzbau, Satzstellung), Lesen und Schreiben. Dabei sind die Kinder von Montag bis Freitag in Jugendherbergen untergebracht. Das Wochenende verbringen werden sie in ihren Familien in Frankfurt. Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften Während des Lernprozesses sind die Schülerinnen und Schüler in Kleingruppen von zehn bis maximal 15 Teilnehmern aufgeteilt. Jede dieser Kleingruppen wird während des gesamten Camps von einem Team betreut, das aus einer Lehrkraft für Deutsch als Zweitsprache, einem Theaterpädagogen sowie einem Sozialpädagogen besteht. Eine Fachberatung ist für Schulung und Supervision der Betreuungsteams verantwortlich. Gemeinsam mit dem Träger evaluiert die Fachberatung darüber hinaus Verlauf des Projekts sowie die Lernergebnisse am Ende des DeutschSommers. 2.1.2 Entwicklung und Status quo Die Stiftung Polytechnische Gesellschaft, die das Projekt initiierte und seit 2007 hauptverantwortlich durchführt, wurde 2005 von der Polytechnischen Gesellschaft e.V. in Frankfurt ins Leben gerufen. Nach ihrer Gründung recherchierte die Stiftung nach wirksamen Projektansätzen, die für die Frankfurter Situation geeignet erschienen. Dabei wurde sie auf das Jacobs-Sommercamp aufmerksam, dem die Evaluation des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung eine nachweisliche Steigerung der Sprachkompetenzen der teilnehmenden Grundschüler bescheinigte. Der Stiftungsvorstand fällte die Entscheidung, den Projektansatz zu übernehmen und in angepasster Form für den Frankfurter Raum dauerhaft zu etablieren. CSI 2014a). Das Format ähnelt dem des DeutschSommers und setzt zeitlich direkt vor den Halbjahreszeugnissen und vor der Schulempfehlung der Klassenlehrer für den Übergang in die Sekundarstufe an. Seit 2013 an den DeutschSommer angeschlossen ist das DeutschSommer-Familienprogramm. Ziel des Programms ist es, die Eltern der Schülerinnen und Schüler für die Bildungsbegleitung ihrer Kinder zu gewinnen und gemeinsam Bildungs- und Kulturinstitutionen in der Stadt kennenzulernen. Das Programm startet im DeutschSommer mit einer Elternsprechstunde. Dort haben die Eltern die Gelegenheit, sich mit den Deutsch- und Theaterlehrern aus dem Projekt über ihr Kind auszutauschen und Lernfortschritte und Förderbedarf zu diskutieren. Angeschlossen ist eine Bildungsmesse mit ausgewählten weiterführenden, kommunalen Angeboten wie bspw. die Volkshochschule, das Amt für multikulturelle Angelegenheiten und eine Familienbildungsstätte. Nach dem DeutschSommer beginnen dann die Vor-OrtTermine. Im Dezember werden die Familien zum Besuch des Familienstücks ins Theater eingeladen. Im März folgt ein Besuch der Stadtbücherei. Ein Angebot gemeinsam mit der VHS und einem Museum werden nach Auskunft der Stiftung derzeit vorbereitet. Der DeutschSommer war eines der ersten Stiftungsprogramme. Es wird seit 2007 durchgeführt und dabei kontinuierlich weiterentwickelt. 2014 fand das DeutschSommer Camp zum achten Mal statt. In seiner achtjährigen Existenz erreichte es 1.200 Grundschüler. 2014 hat der Träger die so genannte Elterngrammatik eingeführt. Dabei handelt es sich um ein zweiseitiges Papier, das die Schülerinnen und Schüler am letzten Tag jeder DeutschSommerWoche mit nach Hause nehmen. Auf der Vorderseite informiert ein kompakter Brief die Eltern über die Sprachaktivitäten im Deutschunterricht und erklärt einfach grammatische Zusammenhänge. Auf der Rückseite regt eine Sprachaufgabe zur spielerischen Vertiefung des Themas in der Familie an. Über den DeutschSommer hinaus hat die Stiftung im Laufe der Zeit verschiedene Zusatzmodule entwickelt. Für die Teilnehmer des Sommercamps bietet sie das Programm Endspurt an. In der letzten Woche der Weihnachtsferien eröffnet es den Kindern die Möglichkeit, ihre im Sommer erworbenen Kenntnisse noch einmal aufzufrischen, zu vertiefen und zu ergänzen – „sowohl sprachlich als auch in der Persönlichkeitsbildung der Kinder“ (Stiftung Polytechnische Gesellschaft Das dritte Begleitprogramm 3x Deutsch ist ein Seminar, das sich primär an die Schulen bzw. die Lehrerinnen und Lehrer der DeutschSommerTeilnehmer richtet. In einer anderthalbtägigen Fortbildung werden sie mit den Konzepten und Methoden des DeutschSommers vertraut gemacht. Dabei werden den Teilnehmern Möglichkeiten und Beispiele aufgezeigt, Elemente des DeutschSommers in den Schulalltag einzubringen (Stiftung Polytechnische Gesellschaft 2014b). 23 K apit el 2 www.CSI.UNI-HD.de CSI Fallstudien Die vierte Maßnahme ist das Diesterweg-Stipendium, nach Angaben der Stiftung das erste Bildungsstipendium für Familien in Deutschland. Die Auswahl des Stipendienprogramms ist nicht auf Teilnehmer des DeutschSommers beschränkt, nach Angaben unserer Interviewpartner waren jedoch mehr als ein Drittel der Teilnehmer bisher DeutschSommer-Alumni. Im Rahmen des Stipendiums werden Kinder mit Potential für eine höhere Schulbildung trotz förderbedürftiger Deutschkenntnisse gemeinsam mit ihren Eltern auf dem Bildungsweg von der Grundschule in die weiterführende Schule begleitet. Das Stipendium wird für zwei Jahre für die Klassen vier und fünf vergeben. Ziel des Programms ist es, „den Kindern eine ihren Begabungen entsprechende schulische Lauf bahn zu ermöglichen und ihre Eltern in die Lage zu versetzen, sie dabei bestmöglich zu unterstützen“ (Stiftung Polytechnische Gesellschaft 2014c). Das Stipendium beinhaltet Exkursionen in Frankfurt und Umgebung, Ferienkurse und Kindertreffs zur Deutschförderung, Elterntreffs zu aktuellen Themen, Sprechstunden sowie eine individuelle Betreuung. Es umfasst darüber hinaus einen Bildungsfonds, aus dem Eltern jeweils bis zu 600 Euro pro Jahr für Bildungsanschaffungen und Lernmaßnahmen beantragen können. Alle zwei Jahre werden rund 30 Familien in das Stipendienprogramm aufgenommen. Diese begleitenden Maßnahmen sollen nach Angaben der Stiftung in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden, um die kurzfristig positive Wirkung des DeutschSommers zu verstetigen und vor allem auch das Engagement der Eltern für den Bildungserfolg weiter zu stärken. 2.1.3 Partner und Netzwerk Das Programm wird von einer breiten Allianz privater und staatlicher Akteure getragen, koordiniert von der Stiftung Polytechnische Gesellschaft als maßgeblichem ‚Kümmerer‘. Auf staatlicher Seite wirken das Landeschulamt/Staatliche Schulamt für die Stadt Frankfurt am Main, das Bildungsdezernat der Stadt Frankfurt, das Amt für multikulturelle Angelegenheiten sowie die Volkshochschule an dem Projekt mit. 24 Dabei trägt das Amt für multikulturelle Angelegenheiten die Kosten für die fachliche Begleitung des Programms. Die Volkshochschule als kommunaler Partner übernimmt pro bono verwaltungstechnische Aufgaben, insbesondere die gesamte Vertragsadministration sowie die Zahlungsabwicklung mit den Honorarkräften. Das Landeschulamt/Staatliche Schulamt unterstützt den DeutschSommer bei dem Kontakt zu den Schulen und deklariert die Veranstaltung aus versicherungstechnischen Gründen als schulische Veranstaltung. Das Bildungsdezernat unterstützt die Stiftung mit Räumen für Veranstaltungen im Vorfeld und nach Abschluss des Projekts bzw. bei weiteren operativen Aspekten des Projekts. Die Zusammenarbeit ist von Beginn an durch einen Kooperationsvertrag geregelt, in dem die genauen Beiträge der einzelnen Beteiligten festgehalten sind. Hinzu kommen eine Reihe gemeinnütziger privater Partner, die vorwiegend finanzielle Unterstützung leisten. Dazu gehören die Peter Fuld Stiftung, die Stiftung Citoyen sowie das Deutsche Jugendherbergswerk – Landesverband Hessen e.V., das auch bei der Unterbringung der Schülerinnen und Schüler in Jugendherbergen unterstützt. 2.1.4Zielerreichung Was die Verbesserung der Sprachkenntnisse der teilnehmenden Kinder anbelangt, so ist der Erfolg des DeutschSommer-Programms ähnlich einzuschätzen, wie derjenige des Jacobs-Sommercamps. Eine positive kurzfristige Wirkung ist gut belegt. Die Ergebnisse der Projektevaluation bestätigen insbesondere eine Stärkung der Sprachkenntnisse und des Selbstvertrauens der Schülerinnen und Schüler. Deren Leistungen werden zu drei Zeitpunkten gemessen. Im Februar jeden Jahres werden die Sprachleistungen von den Lehrerinnen und Lehrern der teilnehmenden Schulen ermittelt. Direkt nach der Teilnahme am Sommercamp werden die Schülerleistungen im Projekt erhoben. In allen erhobenen Kategorien (Wortschatz, Artikel, Präpositionen, Satzbau und Verbbildung) werden dabei signifikante Leistungszuwächse gemessen (Stiftung Polytechnische Gesellschaft 2011: 37). Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften Neben der direkten Leistungsüberprüfung der Schülerinnen und Schüler befragt die Stiftung ihre Lehrerinnen und Lehrer ca. drei Monate nach dem DeutschSommer-Camp. Alle Befragten gaben 2013 an, dass sie Leistungssteigerungen von 12 bis 40 Prozent in allen Bereichen der Sprachkenntnisse beobachten konnten. Kinder und Eltern eine positive Erfahrung darstellt. Die Begleitforschung des Max-Planck-Instituts zum Jacobs-Sommercamp zeigte aber auch, dass die positive Wirkung bereits nach wenigen Monaten wieder abnimmt. Hervorzuheben ist daher der Ansatz der Stiftung, das Sommercamp durch einer Reihe begleitender Maßnahmen zu f lankieren, wie den Auffrischerkurs Endspurt oder das Diesterweg-Stipendium. So soll durch Endspurt der Rückgang verzögert bzw. die Wirkung der Förderung verlängert werden. Eine Befragung der Grundschullehrer im Februar 2013 (d.h. im Anschluss an das Sommercamp 2012) deutet darauf hin, dass dies gelungen sein könnte: Die Lehrerinnen und Lehrer gaben an, dass sich bei 84 Prozent der Schülerinnen und Schüler die Sprachkenntnisse verbessert haben. Bei 93 Prozent bemerkten sie eine Stärkung der Persönlichkeit. Die Chance. Stiftung für Berufspraxis in der Ostschweiz 4 wurde im Jahr 1999 gegründet. Zweck der Organisation ist die Förderung von Jugendlichen im Alter von 15 bis 22 Jahren in der Ostschweiz , die aufgrund ihrer schulischen Leistungen, ihres sozialen Umfeldes oder ihres Migrationshintergrundes trotz „positiver Grundhaltung“ keinen entsprechenden Ausbildungsund damit später nur schwer einen Arbeitsplatz finden. Die Stiftung unterstützt und berät darüber hinaus auch Jugendliche, die eine laufende Ausbildung abbrechen möchten oder deren Lehrverhältnis aufgelöst wurde (Die Chance 2014). Ob es dadurch gelingt, den Kindern eine erfolgreichere Schullauf bahn zu ermöglichen, konnte nicht ermittelt werden. Nach dem Endspurt-Programm im Winter erfasst die Stiftung lediglich die Übergangsempfehlungen der Lehrer. Nach Angaben der Stiftung ergibt sich nach dem Programm DeutschSommer 2013/Endspurt 2014 eine Verteilung von 15 Prozent Gymnasium, 63 Prozent Realschule, 13 Prozent Hauptschule und 9 Prozent Gesamtschule. Eine Vergleichsgruppenanalyse wird jedoch nicht vorgenommen und auch die tatsächlichen Übergangszahlen sind nicht bekannt. In Bezug auf die weiteren Ziele des Projekts, wie die Stärkung der Persönlichkeitsentwicklung sowie die bessere Kenntnis der Region Frankfurt ergeben Lehrerbefragungen regelmäßig, dass entsprechende Entwicklungen stattgefunden haben. So beobachteten die Lehrerinnen und Lehrer für das Programm 2013/14 bei über 90 Prozent der teilnehmenden Kinder eine positive Persönlichkeitsentwicklung. Die hohe Teilnahmequote am Camp selbst sowie am Familienprogramm deutet darüber hinaus darauf hin, dass das Vorhaben für CSI 2.2Die Chance. Stiftung für Berufspraxis in der Ostschweiz Im Zentrum der Tätigkeit der Chance steht ein individuell nach Bedarf abgestimmtes, teils intensives, engmaschiges und dauerhaftes Mentoring- und Coachingprogramm für die einzelnen Jugendlichen während der Lehrstellensuche und der ganzen Lehrzeit. Ebenso kann diese Begleitung auch von den Ausbildungsbetrieben in Anspruch genommen werden, um ihnen bei der Lösung von Problemen mit den Lehrlingen während der gesamten Lehrzeit beizustehen. Als Maßstab für ihren Erfolg hat sich Die Chance zum Ziel gesetzt, dass 80 Prozent der betreuten Jugendlichen ihre Ausbildung erfolgreich abschließen. Nach dem Abschluss der Berufsausbildung sollen 90 Prozent der erfolgreichen Jugendlichen einen Arbeitsplatz finden. Diese Werte entsprechen denjenigen der nicht-benachteiligten Auszubildenden in der Schweiz (Bethmann 2014: 80-81) und wurden in den letzten Jahren stets übertroffen. Die Chance unterhält eine Geschäftsstelle in Rheineck mit drei Beschäftigten, hinzu kommen fünf regional tätige AusbildungsberaterInnen. Das jährliche Budget der Organisation betrug in den vergangenen Jahren je rund 1,2 Million Franken (Die 4 Die Chance ist in den Kantonen Thurgau, St. Gallen, Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden, Graubünden und Glarus sowie im Fürstentum Liechtenstein tätig. 25 K apit el 2 www.CSI.UNI-HD.de CSI Fallstudien Chance 2011, 2012, 2013). 2.2.1Programmansatz Die Gründung der Stiftung war durch die Feststellung motiviert, dass in den späten 1990er Jahren jährlich rund 10 Prozent der Schweizer Schulabgänger keine weitere Ausbildung absolvierten. Gleichzeitig war es in der Schweiz nicht möglich, eine ausreichende Zahl von qualifizierten Bewerbern für die zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze zu finden. Hinzu kommt der Umstand, dass die Beschäftigungsaussichten ungelernter Arbeitskräfte infolge der wachsenden Anforderungen des Arbeitsmarktes an die Qualifikation von Arbeitnehmern stetig sinken. Nach Einschätzung der Stiftung Die Chance können die resultierenden hohen Folgekosten für die sozialen Netze des Wohlfahrtstaates sowie der Fachkräftemangel ebenso wie die dramatischen persönlichen Folgen für die betroffenen Jugendlichen nur gemindert werden, indem geringqualifizierte und lernschwache Jugendliche intensiv bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz, der Ausbildung selber und schließlich dem Übergang in den Beruf unterstützt werden. Zu Beginn der Fördertätigkeit entwickelte die Stiftung einen Projektansatz, der auf zwei Säulen beruht und ihrer Arbeit bis heute zugrunde liegt. Zum einen hilft sie den teilnehmenden Jugendlichen bei der Suche nach einem passenden Ausbildungsplatz sowie im Bewerbungsprozess, begleitet sie während der gesamten Lehrzeit durch ein intensives Mentoring- und Coachingprogramm und unterstützt sie bei der Suche nach einer Festanstellung. Im Rahmen der zweiten Programmsäule unterstützt sie die Ausbildungsbetriebe und Ausbilder, die oft nicht über die Ressourcen, Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen, sich angemessen um die geförderten Lehrlinge zu kümmern. So wird die Stiftung etwa in Problemfällen am Ausbildungsplatz aktiv um mögliche Konf likte frühzeitig zu schlichten und so das Risiko größerer Probleme während der Lehre oder gar von Lehrabbrüchen zu verringern (Bethmann 2014). 26 2.2.2 Entwicklung und Status quo Die Stiftung Die Chance wurde im September 1999 von Dr. Markus Rauh mit einer Einlage von drei Millionen Franken gegründet. Dank weiterer Spenden verfügte die Stiftung im Frühjahr 2000 über ein Startkapital von knapp 4,2 Millionen Franken. Die Chance wurde in Form einer Verbrauchsstiftung gegründet, was es der Organisation erlaubt, ihr gesamtes Vermögen für den Stiftungszweck einzusetzen. Dies bedeutet jedoch auch, dass die Stiftung aufgrund des abnehmenden Vermögens nur in dem Maße arbeitsfähig ist, wie sie zusätzlich und dauerhaft Gelder durch Spenden oder Programmgebühren erhält. Die Chance nahm ihre aktive Arbeit im Sommer 2000 mit einem Pilotprojekt für rund 30 Jugendliche im Arbeitsfeld Logistik auf. Dabei lag der Fokus insbesondere auf der Vermittlung von Ausbildungsplätzen. Die ersten Erfahrungen machten das Bedürfnis der Jugendlichen nach einer breiteren Ausrichtung des Programms ebenso deutlich, wie das Erfordernis zusätzlicher Unterstützung und Förderung. Die Tätigkeit der Stiftung wurde deshalb bereits ab Sommer 2001 wesentlich erweitert, sowohl, was die Anzahl betreuter Jugendlicher, als auch was die angebotenen Arbeitsfelder und den Umfang der Betreuung anbelangt (Die Chance 2014). Die Stiftung erkannte außerdem in einer frühen Phase ihrer Arbeit, dass die oft hohen theoretischen bzw. schulischen Anforderungen an Auszubildende gerade für ihre Zielgruppe ein Problem darstellen. Aus diesem Grund entwickelte die Organisation in Kooperation mit Unternehmen neue Ausbildungsplätze für Jugendliche mit stärkeren praktischen Fähigkeiten, aber eher schwachen schulischen Leistungen. Durch das Absolvieren dieser praxisnäheren und kürzeren Ausbildungen sollten die Jugendlichen an den Betrieb und das Berufsfeld herangeführt und der Eintritt in die Berufswelt erleichtert werden. Nach erfolgreichem Abschluss dieser neu geschaffenen Ausbildungen haben die Jugendlichen dann die Möglichkeit, weitere spezifischere Weiterbildungen oder Ausbildungen zu absolvieren. Nach einer Phase schnellen Wachstums waren im Jahr 2003 171 Jugendliche in insgesamt 143 Unter- Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften nehmen Teil des Förderprogramms. Ende 2010 nahmen 309 Jugendliche am Förderprogramm teil, das Partnernetzwerk umfasste 184 Unternehmen. Im Jahr 2013 wurden insgesamt 298 Jugendliche in rund 200 Unternehmen betreut. Zwischen den Jahren 2000 und 2013 betreute Die Chance insgesamt 1312 Jugendliche (Die Chance 2013). 2.2.3 Partner und Netzwerk Die Stiftung entwickelte ihr Programm in eigener Regie und führt es bis heute bewusst ohne – insbesondere staatliche – Partner durch um eine möglichst hohe Autonomie und Flexibilität ihrer Tätigkeit gewährleisten zu können. Um den dauerhaften Fortbestand der Stiftung zu sichern, muss die Finanzierung indessen auf eine breitere Basis gestellt werden. Die Organisation strebt daher an, die öffentliche Hand, Firmen und auch die Eltern stärker in die Finanzierung des Programms miteinzubeziehen, wobei das Hauptaugenmerk weiterhin auf die Unterstützung durch Förderstiftungen gelegt wird. Andererseits zeichnet sich Die Chance dadurch aus, dass sie ein überaus umfangreiches und dichtes Netzwerk als Grundlage ihrer Tätigkeit aufgebaut hat, dem eine Vielzahl staatlicher und privater Akteure angehört. Es umfasst auf staatlicher Seite Berufs- und Lauf bahnberatungen, Oberstufen- und Berufsfachschulen, Ämter für Berufsbildung und Sozialämter, Regionale Arbeitsvermittlungen und Beratungsstellen sowie Jugendanwaltschaften. Hinzu kommen die Lehrbetriebe im Einzugsgebiet: So arbeitet die Stiftung derzeit mit rund 200 Unternehmen zusammen, die betreute Jugendliche beschäftigen. Seit der Gründung hat sich ein Unternehmensnetzwerk von insgesamt rund 850 Unternehmen gebildet. Wie wichtig diese regionale Verankerung für die Stiftung ist, zeigte sich anlässlich einer umfangreichen Förderung durch die Credit Suisse. Die Bank machte für ihre Unterstützung zunächst die Ausweitung des Programms auf die ganze Schweiz zur Bedingung. Dies wurde von der Stiftung mit Hinweis auf die fehlenden Netzwerke und mangelnde Kenntnis der Verhältnisse vor Ort abgelehnt. Im Ergebnis kam es zwar zu einer För- CSI derung; Die Chance beschränkte das gewünschte Wachstum jedoch auf zwei benachbarte Kantone (Bethmann 2014: 70). 2.2.4Zielerreichung Zwischen 2002 und 2010 erzielte die Chance eine Abschlussrate von 88,3 Prozent der teilnehmenden Jugendlichen (80 Prozent war definiertes Minimalziel des Stiftungsrates). Gleichzeitig fanden im gleichen Zeitraum 97,9 Prozent der Absolventen eine Stelle im Anschluss an die Ausbildung (90 Prozent definiertes Minimalziel). 2012 betrugen die Abschlussquote 94,3 Prozent und die Beschäftigungsquote 95,2 Prozent (Die Chance 2012), 2013 erreichte die Chance eine Abschlussquote von 86,1 Prozent und eine Beschäftigungsquote 91,2 Prozent (Die Chance 2013). Gemessen an ihren eigenen Indikatoren ist die Stiftung damit über die Jahre hinweg kontinuierlich sehr erfolgreich. 2.3Jacobs-Sommercamp Das Jacobs-Sommercamp wurde im Jahr 2004 von der Bremer Bildungsbehörde, der Jacobs Foundation, sowie dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (MPI) entwickelt und implementiert. Das Projekt zielte zum einen darauf ab, ein effektives und praxistaugliches Instrument zur Sprachförderung von Grundschülern mit Problemen in Deutsch zu entwickeln. Hinzu kamen genuin wissenschaftliche Anliegen, insbesondere die Überprüfung der Frage, ob die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern in Deutschland, wie auch in den USA, über die Sommerferien hinweg nachlassen. Die Jacobs Foundation hatte darüber hinaus den Anspruch, zur weiteren Verbreitung des neuentwickelten Formats über Bremen hinaus beizutragen. Das Konzept des Jacobs-Sommercamps war in Anlehnung an amerikanische Summer Camp Modelle gestaltet. Dem Vorhaben lag die Idee zugrunde, für die genannte Zielgruppe ein maßgeschneidertes und evidenzbasiertes Lern- und Freizeitprogramm zu entwickeln und in den Sommerferien durchzuführen. 27 K apit el 2 www.CSI.UNI-HD.de CSI Fallstudien Das wissenschaftliche Projektdesign wurde vom MPI entwickelt, das gemeinsam mit dem Bremer Bildungssenat auch die operative Abwicklung betreute. Die Jacobs Foundation finanzierte das Vorhaben mit 500.000 Euro. Das Format wird unter dem Namen Sprachsommercamp in Zusammenarbeit von der Bremer Bildungsbehörde und dem Goethe-Institut Bremen bis heute einmal jährlich durchgeführt und fand auch an anderen Standorten Nachahmer. 2.3.1Projektansatz Dem Jacobs-Sommercamp liegt die Überlegung zugrunde, dass Kinder mit Problemen in Deutsch von einer zusätzlichen Förderung in den Sommerferien (ähnlich wie sie als ‚summercamp‘ in den USA praktiziert wird) besonders profitieren würden – also in einem Zeitraum, in dem die Sprachfähigkeiten möglicherweise eher stagnieren oder sogar nachlassen. Das Vorhaben ist deshalb bemerkenswert, weil es als wissenschaftliches Experiment geplant und durchgeführt wurde. Dieses Projektdesign unterscheidet es von allen anderen untersuchten Vorhaben, weil zu Beginn des Vorhabens zwar die Ziele – nämlich die Verbesserung der Sprachkompetenzen der teilnehmenden Kinder – feststanden. Die Mittel, mit denen diese Ziele erreicht werden sollten, wurden aber bewusst variiert. Das JacobsSommercamp untersuchte dabei die Effektivität von expliziten Maßnahmen zur Sprachförderung (Deutsch als Fremdsprache) im Vergleich zu impliziter Sprachförderung durch Theatertraining, beides kombiniert mit Freizeitelementen. Im Sommer 2004 wurden Drittklässler aus 32 Bremer Grundschulen für das Programm angemeldet. Aus den 251 Bewerbungen wurden zufällig 150 Schülerinnen und Schüler als Treatmentgruppe für das Sommercamp und 83 als Kontrollgruppe ausgewählt. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer war neun Jahre und die Gruppe bestand fast genau zur Hälfte aus Jungen und Mädchen, die insgesamt 29 verschiedene Sprachen im Elternhaus sprachen (Stanat et al 2012: 163). Die Teilnehmer des Sommercamps w urden sodann in zwei Gruppen aufgeteilt. Die K inder der ersten Gr uppe erhielten aus- 28 schließlich theaterpädagogisches Training, Die Kinder der zweiten Gruppe darüber hinaus auch Unterricht in Deutsch als Fremdsprache. Das eigentliche Sommercamp dauerte drei Wochen. In dieser Zeit durchliefen die Kinder zunächst eine zweiwöchige Übungsphase und dann eine einwöchige Intensivierungsphase. Hinzu kamen zwei Wochen vor und nach Schulbeginn, in denen ein Freizeitprogramm durchgeführt sowie eine gemeinsame Theateraufführung geprobt und aufgeführt wurde (Stanat et al. 2005: 870). Diese letztere Komponente war nicht expliziter Bestandteil der wissenschaftlichen Evaluation, trotzdem kam ihr nach Angaben der Begleitforschung innerhalb des Gesamtprogramms eine wichtige Bedeutung zu. Die zuständigen Pädagogen verbrachten die Tage mit den Kindern und gestalteten ein umfassendes Freizeitprogramm. Des Weiteren stellten Sie sicher, dass die allgemeinen Campregeln eingehalten wurden: „Diese Arbeit beeinf lusst in hohem Maße, wie sich die sozialen Beziehungen im Camp entwickeln, wie wohl sich die Kinder fühlen und wie sehr sie sich mit dem Camp identifizieren. Von solchen Aspekten ist die Atmosphäre im Camp abhängig, die wiederum für das Gelingen des Gesamtprogramms entscheidend sein kann“ (Stanat 2005: 867). Für die wissenschaftliche Evaluation wurden der Leistungstand und die psychosoziale Entwicklung der Schülerinnen und Schüler zu drei Zeitpunkten erhoben: kurz vor den Sommerferien, direkt nach den Sommerferien und ca. drei Monate nach Abschluss des Ferienprogramms (siehe Abbildung 1, nächste Seite). Die Erhebungen umfassten nicht nur die Kinder in den Treatment- und Kontrollgruppen. Vielmehr wurden alle Kinder in den Klassen der Schülerinnen und Schüler, die sich für die Teilnahme am Jacobs-Sommercamp beworben hatten, Teil der Evaluation. Den Abschluss des Ferienprogramms bildeten drei Aufführungen im Bremer Waldau-Theater, zu denen die Eltern, die Lehrkräfte aus den teilnehmenden Schulen sowie alle an der Studie beteiligten Personen eingeladen waren. Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften geeinigt, dass sich das Pilotprojekt als erfolgreich erweisen sollte. Nach dessen Abschluss legte das Max-PlanckInstitut positive Forschungsergebnisse vor. Darauf hin wurde der Ansatz von der Bremer Bildungsbehörde übernom men. Seit 2 0 05 w ird das Programm jä hrlic h im Au f t rag der Behörde durch das Goethe-Institut mit ca. 120-150 teilnehmenden Kindern durchgeführt (Pressestelle des Senats 2005; Bremer Senat für Bildung 2014). 2.3.3P a r t n e r und Netzwerk Das Jacobs-Sommercamp beruhte wie einAbbildung 1: Untersuchungsdesign für das Jacobs-Sommercamp gangs geschildert auf (Quelle: Stanat et al. 2005: 864) einer trilateralen Partnerschaft zwischen der Bremer Bi ldu n gsb e 2.3.2 Entwicklung und Status quo hörde, der Zürcher Jacobs Foundation und dem Berliner Max-Planck-Institut für BildungsforDie Idee für ein gemeinsames Projekt zur Sprachschung. Das MPI war für die Konzipierung des förderung von Grundschulkindern entstand im Projektdesigns verantwortlich und ließ dabei insJahr 2003 nach dem schlechten Abschneiden besondere aktuelle Forschungserkenntnisse in Bremens in der ersten PISA 5 Studie. Der Bremer das Projekt einf ließen. Zugleich wurde durch die Schulsenator vereinbarte mit der Zürcher Jacobs Beteiligung des MPI die wissenschaftliche EvaluaFoundation und dem Berliner Max-Planck-Institut tion des Projekts sichergestellt. Der Bremer Senat für Bildungsforschung die Durchführung eines stellte den Kontakt zu den teilnehmenden Schuentsprechenden Pilotvorhabens (Beller 2014: 48). len her und leistete die erforderliche Informations- und Überzeugungsarbeit bei den Eltern der Das Projekt verlief trotz des ungewöhnlichen Schüler. Die Jacobs Foundation engagierte sich in wissenschaftlichen Untersuchungsdesigns nach der Konzeptionsphase und trug mit 500.000 Euro Angaben unserer Interviewpartner reibungslos. einen Großteil der Projektkosten. Vor Projektbeginn hatten sich Jacobs Foundation und Bildungsbehörde auf eine Fortsetzung des Über die genannten Partner hinaus waren eine Projekts in staatlicher Trägerschaft für den Fall Reihe weiterer Akteure an dem Projekt beteiligt. An erster Stelle ist das Bremer Goethe-Institut zu nennen, das für die eigentliche operative Umset5 Das Programme for International Student Assessment der zung der Projektkonzeption sowie für die AnleiOECD. 29 CSI K apit el 2 www.CSI.UNI-HD.de CSI Fallstudien tung der Trainer zuständig war: Der Unterricht wurde von Studenten des Fachs Deutsch als Zweitsprache (DaZ) geleistet, die von der Universität Bremen vermittelt wurden. Hinzu kamen Theaterpädagogen die das Theaterspiel anleiteten. Prof. Heidi Rösch von der TU Berlin entwickelte das didaktische Konzept für das DaZ-Modul und begleitete und evaluierte dessen Umsetzung. Die Koordination des Projekts teilten sich die Schulbehörde und das Max-Planck-Institut. Nach Aussagen unserer Interviewpartner war diese Tätigkeit wenig formalisiert und eher informell organisiert. Dabei war die Zusammenarbeit der Projektpartner durch ein hohes Maß an Flexibilität, Improvisations- und Kompromissbereitschaft sowie gegenseitigem Vertrauen geprägt. 2.3.4Zielerreichung Ziel des Projekts war in erster Linie die Entwicklung und dauerhafte Implementierung eines wirksamen Sommercamp-Modells in dessen Rahmen Kinder mit Problemen in der deutschen Sprache effektiv gefördert werden sollten. Einer unserer Interviewpartner zog folgendes Resumee: „Dieses Sommercamp hat sich für uns gelohnt, weil wir eine entsprechende Dokumentation und Beglaubigung letzten Endes bekommen haben, dass das Projekt gut war und auch tatsächlich etwas bringt. Es bringt sowohl etwas für die Sprachkompetenz, für die Grammatik, für den Wortschatz als auch für die Sozialkompetenz der Kinder“. Dieses positive Fazit wird von den Ergebnissen der Begleitforschung bestätigt. Zunächst zeigte die erfolgreiche Durchführung und Akzeptanz bei teilnehmenden Kindern, Eltern und Lehrern, dass Ferienprogramme mit Unterricht angenommen werden, wobei die Akzeptanz von der Qualität der Betreuung und der Balance zwischen Lern- und Freizeitangeboten abzuhängen scheint (Stanat et al. 2012: 169). Die Ergebnisse des ersten Posttests zeigen, dass die Mischung aus expliziter und impliziter Sprachförderung bei den Schülern in den Bereichen Grammatik und Lesen zu signifikanten Verbesserungen und im Bereich Wortschatz zu positiven Entwicklungen führten. Die Ergebnisse der impliziten Förderung zeigen posi- 30 tive, aber im Vergleich zur Vergleichsgruppe nur geringfügige Entwicklungen. Die positiven Ergebnisse der expliziten Förderung im Vergleich zur impliziten Förderung und zur Vergleichsgruppe konnten auch im zweiten Posttest bestätigt werden, wobei hierbei die Abstände zur Testgruppe abnahmen und keine statistische Signifikanz mehr nachzuweisen war (Stanat 2005: 32-34; Beller 2014: 59). Die Evaluationsergebnisse belegen damit, dass Ferienprogramme trotz der Kürze der Intervention dazu beitragen können, den Leistungsabstand zwischen Kindern nichtdeutscher und Kindern deutscher Herkunftssprache zu verringern. Der übereinstimmende Eindruck der am Ferienprogramm beteiligten Pädagoginnen und Pädagogen war außerdem, dass den Kindern die Teilnahme am Camp große Freude gemacht hat. Dies konnte durch eine Befragung der Kinder und der Eltern nach Abschluss des Ferienprogramms bestätigt werden (Stanat et al 2005: 872). Insgesamt zeigen der positive Verlauf und die Ergebnisse des Projekts, dass es möglich ist, eine experimentell gestaltete und wissenschaftlich gut kontrollierte und dokumentierte Programmentwicklung mit der Etablierung und Stabilisierung eines praxisfähigen Modells zu verbinden. Kritisch ist dabei jedoch die Kurzfristigkeit der Wirkung bzw. die unklare Auswirkung der Intervention auf die längerfristige Lernbiografie der Schülerinnen und Schüler zu sehen. Seit seiner ersten Durchführung findet das Projekt zwar jährlich in Bremen statt. Da die Ergebnisse zeigen, dass die positive Wirkung der Intervention bereits nach kurzer Zeit abnimmt, wäre eine nachhaltigere bzw. umfangreichere Förderung der beteiligten Kinder durch zusätzliche und längerfristig angelegte Programme bzw. f lankierende Maßnahmen notwendig. Seit seiner ersten erfolgreichen Durchführung und positiven Evaluierung wurde das Jacobs-Sommercamp auch an anderen Standorten in Deutschland übernommen. So griff etwa die Frankfurter Stiftung Polytechnische Gesellschaft das erfolgreiche Projekt auf und führt seit 2007 den so genannten DeutschSommer durch. Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften 2.4Netzwerke für Bildungspartner Das Projekt Netzwerke für Bildungspartner war ein Gemeinschaftsvorhaben des Landes BadenWürttemberg (zunächst vertreten durch das Justiz- und später das Integrationsministerium des Landes), der Robert Bosch Stiftung GmbH und der Breuninger Stiftung GmbH. Übergeordnetes Ziel des Projekts war es, die Bildungschancen und letztendlich den Bildungserfolg von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund in Baden-Württemberg zu verbessern. Dies sollte auf dem Wege einer stärkeren Einbeziehung der Eltern in den Lern- und Entwicklungsprozess ihrer Kinder erreicht werden. Zu diesem Zweck wurde eine Reihe von Maßnahmen gefördert, welche bereits bestehende Initiativen in diesem Bereich stärken sollten. Das Vorhaben hatte den Anspruch, „eine Konzeption zu entwickeln, mit der nicht nur ein Impuls gesetzt, sondern ein auf Nachhaltigkeit zielendes, f lächendeckend einsetzbares Programm entwickelt wird“ (Runder Tisch 2009: 6). Die Konzeption des Vorhabens begann im Jahr 2009, die Umsetzung der Maßnahmen wurde ab 2010 vom Verein Netzwerke für Bildungspartner e.V. mit Sitz in Stuttgart gesteuert und 2013 abgeschlossen. Das Projekt hatte ein Gesamtbudget von rund 2,85 Millionen Euro.6 2.4.1Projektansatz Das Projekt beruhte auf dem Ansatz, bestehende Akteure und Strukturen zu stärken und zu fördern statt neue Instrumente zu entwickeln. Dieses Anliegen sollte durch die Beratung und Vernetzung lokaler Akteure, ergänzt um die finanzielle Förderung kleinerer Projekte, erreicht werden. Das Projekt beruhte im Wesentlichen auf zwei Säulen: Dem Auf bau eines Beraterpools sowie der finanziellen Förderung lokaler Maßnahmen. Beraterpool: Der Beraterpool bestand aus 20 hauptamtlich tätigen Beratern in ganz BadenWürttemberg, die für lokale Initiativen als Ansprechpartner bzw. Dienstleister zur Verfügung standen. Ihre Aufgabe war es, bestehende lokale und regionale Netzwerke sowie den Aufbau neuer Netzwerkstrukturen zu unterstützen, indem sie beispielsweise lokale bzw. regionale Runde Tische oder Dialogforen initiierten oder begleiteten, eigenes Wissen und Erfahrungen zur Verfügung stellten sowie Kontakte zu Kommunen, Behörden und anderen Ansprechpartnern vermittelten. Des Weiteren informierten sie über Best-Practice-Modelle und zeigten den Zugang zu bestehenden Fördermöglichkeiten, insbesondere im Rahmen des projekteigenen Förderprogramms auf (Runder Tisch 2009: 15f, Netzwerke für Bildungspartner 2014a). Der Beraterpool bestand vom 1. Oktober 2010 bis zum 31. Dezember 2013. Finanzielle Förderung von (lokalen) Maßnahmen: Die direkte finanzielle Förderung von lokalen oder regionalen Initiativen stellte die zweite Säule des Projekts dar. Gefördert wurden „Maßnahmen, die dazu beitragen konnten, Bildungspartnerschaften zu begründen und nachhaltig zu verankern“ (Netzwerke für Bildungspartner 2014b). Die Kriterien für eine finanzielle Förderung wurden in einem so genannten „Faktorenpapier“ genauer definiert (Runder Tisch 2009: 8). Voraussetzung für eine Förderung war demnach, dass die jeweiligen Projekte auf lokaler Ebene gemeinsam von einem Netz relevanter Partner (etwa Kindergärten, Schulen, Elternvertreter, Vereine, Kirchengemeinden) entwickelt, koordiniert und möglichst in Absprache mit der Kommune umgesetzt wurden. Die maximale Fördersumme pro Maßnahme betrug 5.000 Euro und war an die Bedingung einer Kofinanzierung mindestens in Höhe des beantragten Förderbetrags geknüpft. Dieser Beitrag musste nicht vom Projektträger oder –initiator erbracht werden: Erwünscht war vielmehr das Engagement lokaler bzw. regionaler „Verantwortungsgemeinschaften (Kommune, Verbände, Vereine, Unternehmen etc.)“ (Runder Tisch 2009: 16). 6 Die Summe von 2,85 Millionen Euro ergibt sich aus Gesamtfördermitteln für den Beraterpool sowie die Einzelmaßnahmenförderung von 2,6 Millionen sowie weiteren 250.000€, die von der Breuninger Stiftung für die Geschäftsstelle des Vereins zur Verfügung gestellt wurden. Hinzu kamen knapp 1 Millionen Euro aus Mitteln der Co-Finanzierung der Einzelmaßnahmen. 31 CSI K apit el 2 www.CSI.UNI-HD.de CSI Fallstudien 2.4.2 Entwicklung und Status quo Der Anstoß zum Projekt Netzwerke für Bildungspartner entstand 2008 im Rahmen der Überlegungen zur Ausgestaltung der neuen Nachhaltigkeitsstrategie des Landes Baden-Württemberg. Auf Initiative des Integrationsbeauftragten der badenwürttembergischen Landesregierung, Justizminister Ulrich Goll, wurde das Vorhaben gemeinsam mit Robert Bosch Stiftung und Breuninger Stiftung ins Leben gerufen. Das Projekt begann am 3. Februar 2009 mit einer Konzipierungsphase im Format eines Runden Tisches. Daran nahmen zahlreiche staatliche und private Einrichtungen und Organisationen teil, die sich in Baden-Württemberg mit den Themen Bildung und Integration befassen.7 In Rahmen von insgesamt sechs ganztägigen Workshops, in denen sich Praktiker und Sachverständige mit der Ausgangslage und den Zielen des Projekts sowie möglichen Wegen zur Zielerreichung auseinandersetzten, wurde das Konzept des Projekts entwickelt. Der gesamte Prozess basierte dabei auf dem Konsensprinzip. Im Oktober 2009 wurde während des sechsten Workshops die Endfassung der Projektkonzeption einstimmig beschlossen. Am 8. Juni 2010 gründeten die Projektinitiatoren den Verein Netzwerke für Bildungspartner e.V. Dem Verein oblag die Aufgabe der Gesamtsteuerung und Evaluation des Umsetzungsprozesses sowie der Auf bau des Beraterpools und die Abwicklung der Förderungsmaßnahmen. Die beteiligten Partner waren im Vorstand des Vereins vertreten, die Breuninger Stiftung und das Justizministerium teilten sich die Geschäftsführung. Ministerium Netzwerke für für Integration, Bildungspartner Robert-Bosch- e.V. Stiftung, BreuningerStiftung Regionale Träger des Beratungspools ■■ Projektiniti- ■■ Projektkoordi- ■■ Aufbau und ierung ■■ Konzeption durch Runde Tische mit anderen Akteuren ■■ Politikansatz ■■ Projektsteuerung nation und Trägerschaft ■■ Umsetzung des Förderprogramms ■■ Netzwerkarbeit Koordination des Beratungspools ■■ Umsetzung des Beratungsangebots ■■ Netzwerkarbeit Abbildung 1: Beiträge der Projektpartner (Quelle: Alicke und Stallmann 2013: 3) Das Förderprogramm startete im August 2010. Bis Oktober 2012 wurde in sechs Förderrunden ein breites Spektrum von insgesamt 198 verschiedenen Maßnahmen finanziell unterstützt. Darunter fallen beispielsweise Dolmetscherpools und Elterncafés, zielgruppenspezifische Beratungsangebote und Patenschaftsprojekte, die Einrichtung von Elterntreffs, Theaterprojekte und vieles mehr.8 Der Beraterpool war zwischen Oktober 2010 und Dezember 2013 tätig. Die Beraterinnen und Berater standen während ihrer Tätigkeit meist nicht direkt mit der Zielgruppe, den Eltern mit Migrationshintergrund, in Kontakt, sondern sie arbeiteten auf Multiplikatorenebene mit engagierten Einzelpersonen und Fachleuten sowie bestehenden und neu gebildeten Institutionen und Netzwerken, Arbeitsgruppen und Gremien zusammen. Sie agierten dabei im Wesentlichen als Dienstleister, vermittelten Wissen und zeigten den Zugang zu bestehenden Fördermöglichkeiten, insbesondere zum Förderprogramm von Netzwerke für Bildungspartner e.V., auf (Alicke und Stallmann 2013: 3). Bedingt durch den Regierungswechsel infolge der Landtagswahl 2011 kam es zu umfassenden Veränderungen im Projekt. Statt des Justizministeriums wurde nunmehr das neugeschaffene Integrationsministerium des Landes neuer Projektpartner. Die Integrationsministerin Bilkay 7 Für eine Übersicht der teilnehmenden Organisationen des Runden Tisches siehe Netzwerke für Bildungspartner (2014c). 32 8 Für eine Liste aller 198 geförderten Initiativen siehe Netzwerke für Bildungspartner (2014d). Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften Öney löste daher den ehemaligen Integrationsbeauftragten des Landes, Ulrich Goll, als Vorsitzenden des Vereins ab. Des Weiteren schied der Vertreter des Justizministeriums aus der Geschäftsführung des Vereins aus, diese Position wurde jedoch nicht neu besetzt. Hinzu kam ein Wechsel in der Geschäftsführung der Robert Bosch Stiftung, infolge dessen Ingrid Hamm Dieter Berg als stellvertretenden Vorsitzenden des Vereins ablöste (Netzwerke für Bildungspartner 2011). Die Erfahrungen mit der Projektumsetzung wurden von den Beratern und Trägern des Beraterpools sowie weiteren Projektpartnern im Rahmen von zwei Fachkongressen im Oktober 2011 und im September 2012 diskutiert. Der Abschlusskongress des Projekts fand am 16. Oktober 2013 in Stuttgart statt. Das Projekt wurde am 31.12.2013 beendet. Eine weitergehende Initiative seitens des Landes Baden-Württemberg zur Sicherung der Nachhaltigkeit des Vorhabens besteht darin, dass der Schwerpunkt ‚Elternbeteiligung‘ in die Förderrichtlinie ‚VwV-Integration‘ aufgenommen wurde, damit wurden Fortsetzungsprojekte finanziert. 2.4.3 Partner und Netzwerk Die am Projekt Netzwerke für Bildungspartner Beteiligten bzw. deren Rolle variierten je Projektphase. Maßgebliche Akteure waren zunächst das Justizministerium mit dem Integrationsbeauftragten des Landes und später das 2011 neu geschaffene Integrationsministerium, die Robert Bosch Stiftung und die Breuninger Stiftung. Diese Organisationen waren über die gesamte Projektlaufzeit hinweg als Partner und Projektträger maßgeblich und federführend an der Projektentwicklung und –umsetzung beteiligt. Während der Konzeptionsphase im Rahmen des runden Tisches waren neben den Projektpartnern auch das Sozialministerium und das Kultusministerium, verschiedene Wohlfahrtsverbände sowie zahlreiche weiteren Initiativen beteiligt. Ziel war es dabei, ein möglichst breites Spektrum relevanter Akteure an den Tisch zu bringen um einen umfassenden Überblick über bestehende Initiativen zu gewinnen und zugleich ein gutes CSI Verständnis von deren konkreten Bedarfen zu entwickeln. Nach Verabschiedung des Projektkonzepts kooperierte der Verein Netzwerke für Bildungspartner insbesondere mit einer Reihe von regionalen und lokalen Institutionen, um den Beraterpool im Land Baden-Württemberg aufzubauen bzw. zu etablieren.9 2.4.4Zielerreichung Ob und inwiefern das Projekt Netzwerke für Bildungspartner das übergeordnete Ziel, also bessere schulische Leistungen von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund, erreichte, kann auf Grundlage der vorliegenden Daten10 nicht zuverlässig beurteilt werden. Ein solcher Nachweis wäre aufgrund des ausgesprochen indirekten Projektansatzes, der sich als wesentliches Ergebnis ein stärkeres Engagement von deren Eltern zum Ziel gesetzt hatte, aber auch nicht zu erwarten gewesen. Es lässt sich indessen ebenfalls nicht feststellen, ob sich die Angehörigen dieser Zielgruppe infolge der Projektmaßnahmen stärker für den Bildungserfolg ihrer Kinder engagieren, z.B. durch den vermehrten Besuch von Elternabenden. Der Grund hierfür ist in dem Umstand zu sehen, dass sich die Projektevaluation auf die Frage nach dem Gelingen der Projektumsetzung konzentrierte. Das Zwischenfazit von 2012 spricht in der Gesamteinschätzung des gewählten Ansatzes daher von „größeren Unsicherheiten bezüglich der Wirkung“ (Alicke und Stallmann 2012: 55) des Projekts. Hinsichtlich der operativen Umsetzung des Projektkonzepts fällt das Fazit hingegen positiv aus. In Bezug auf die Arbeit des Beraterpools wird resümiert, „dass die Projektziele – Ansatzpunkte für den Aufbau von Kompetenzen und Strukturen zu schaffen – in den meisten der untersuchten 9 Für eine Übersicht der Kooperationspartner des Beraterpools siehe Netzwerke für Bildungspartner (2014e). 10 Mit der begleitenden wissenschaftliche Evaluation des Umsetzungsprozesses wurde im November 2010 das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. (ISS) beauftragt. Das ISS verfasste insgesamt drei Evaluationsberichte: Den Zwischenbericht 2011 (Alicke und Münch 2011b), den Zwischenbericht 2010-2012 (Alicke und Stallmann 2012) und den Abschlussbericht 2013 (Alicke und Stallmann 2013). 33 K apit el 2 www.CSI.UNI-HD.de CSI Fallstudien Standorte erreicht wurden“ (Alicke und Stallmann 2013:28). Demnach gelang es dem Projekt, lokalen und regionalen Kompetenzzuwachs bestehender Projekte aus dem Bereich Integration und Elternbeteiligung zu ermöglichen und neue Projekte anzuregen. Es half darüber hinaus den bestehenden und neu geschaffenen Initiativen weitere Finanzierungsmöglichkeiten zu erschließen (Alicke und Stallmann 2013:28). Auch die direkte finanzielle Förderung der einzelnen Maßnahmen wird für die Förderempfänger positiv eingeschätzt. Zusammenfassend stellte die Evaluation fest, dass infolge der Projektmaßnahmen ein „deutlich positiver Effekt für den Auf bau lokaler Netzwerke und Kooperationen“ eingetreten ist (Alicke und Stallmann 2012: 43). Insgesamt scheint das Projekt Netzwerke für Bildungspartner demnach einen positiven Effekt auf die organisierte Zivilgesellschaft im Bereich der Elternintegration in Baden-Württemberg gehabt zu haben. Die Frage, ob dieser indirekte Ansatz wie beabsichtigt zu einem intensiveren Engagement der Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund führte, muss an dieser Stelle jedoch ebenso offen bleiben wie das Thema der Nachhaltigkeit der durchgeführten Maßnahmen. Diese wird sich erst in einigem zeitlichen Abstand zuverlässig beurteilen lassen. 2.5Selbstevaluation in Schulen (SEIS) Das Projekt Selbstevaluation in Schulen (SEIS)11 wurde 2004 von der Bertelsmann Stiftung ins Leben gerufen und bis zum Jahr 2008 durchgeführt. Ziel des Vorhabens war es, die Qualität von Schulen durch interne Evaluationen mittels eines standardisierten Selbstevaluationsinstruments zu verbessern. Schulen sollten befähigt werden, auf Grundlage eines geteilten Qualitätsverständnisses und der Erhebung objektiver Daten die Qualität ihrer Arbeit eigenständig zu messen und darauf auf bauend einen Prozess der Selbstref lexion und Organisationsentwicklung in Gang zu setzen. Dabei sollte das SEIS Instrument mindestens 11 SEIS war ein Unterprojekt im Rahmen des Projekts ‚Bessere Qualität in allen Schulen‘. Bei diesem Vorhaben ging es darum, über die Selbstevaluation hinaus sog. regionale Bildungslandschaften zu entwickeln. 34 zehn Prozent aller deutschen Schulen jeglicher Schulform erreichen. Die Grundlagen von SEIS wurden von 2000 bis 2004 im Rahmen des Internationalen Netzwerks Innovativer Schulen (INIS) gelegt. Dabei wurden ein Qualitätsrahmen als einheitlicher Maßstab für Schulqualität sowie ein Verfahren zur Messung der eigenen Schulqualität entlang dieses Rahmens mittels standardisierter Fragebögen und Auswertungsroutinen entwickelt. Im zweiten Netzwerk (2004-2008) wurde dieser Prototyp in das eigentliche SEIS Instrument weiterentwickelt. Dafür wurden Bedienung und Auswertung maßgeblich vereinfacht um SEIS auch für eine große Teilnehmerzahl einfach handhabbar zu machen und so eine weitreichende Verbreitung des Instruments allererst zu ermöglichen. Das Gesamtbudget des Vorhabens ist nicht eindeutig zu bestimmen. Einerseits, weil die beteiligten Ministerien dafür Personalanteile in nicht gesondert ausgewiesener Höhe zur Verfügung stellten. Andererseits, weil es im Rahmen von zwei eigenständigen Projekten entwickelt wurde, zudem war SEIS lediglich ein Teil des Stiftungsprojekts „Bessere Qualität in allen Schulen“, das wiederum aus verschiedenen Unterprojekten bestand. Die zu quantifizierenden Kosten für den Zeitraum von 2004 bis 2008 sind fünf Vollzeitstellen sowie Materialkosten in Höhe von insgesamt ca. 3,915 Millionen Euro (Glänzel 2014a: 89). 2.5.1Projektansatz Das SEIS Projekt beruhte im Wesentlichen auf den folgenden drei Annahmen. Um ihre Leistungen zu verbessern, müssen Schulen zunächst einmal ein gemeinsames Verständnis davon entwickeln, was Qualität im schulischen Kontext überhaupt bedeutet. Schulen müssen sodann die Möglichkeit haben, die Qualität ihrer Arbeit kontinuierlich zu beobachten und zu evaluieren um auf dieser Grundlage Maßnahmen planen und umsetzen zu können. Und schließlich sollten sie ggf. in der Lage sein, ihre Qualität (im Hinblick auf die Prozesse und Ergebnisse der Schule) mit den Werten anderer Schulen zu vergleichen (Glänzel 2014a: 84). Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften Schulentwicklung auf Grundlage des SEIS-Instruments wurde dementsprechend als ein zyklischer Prozess in vier Phasen konzipiert: Zunächst müssen sich alle Beteiligten (Schulleitung, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler, Eltern etc.) an den Schulen darüber verständigen, ob sie das SEIS-Qualitätsverständnis12 als Beschreibung ‚guter Schule‘ für sich akzeptieren können. Ist dies der Fall, führt die Schule eine standardisierte Befragung aller relevanten Stakeholder durch um objektive Daten zur Schulqualität in sechs Bereichen zu ermitteln. Im Anschluss werden die Fragebögen ausgelesen und die Daten in die internetbasierte SEIS-Software eingespeist. Die Schule erhält auf dieser Grundlage einen automatisch generierten Evaluationsbericht. Er gibt Auskunft über Durchschnittswerte und umfasst auch einen Vergleich mit anderen SEISSchulen. Beruhend auf der gemeinsamen Diskussion und Interpretation dieses Berichts können sodann Schulentwicklungsmaßnahmen geplant und durchgeführt und deren Wirksamkeit nach einem bestimmten Zeitraum wiederum überprüft werden (SEIS 2014). 2.5.2 Entwicklung und Status quo Ausgangspunkt des Projekts war die Mitwirkung von Reinhard Mohn, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann AG und Gründer der Bertelsmann Stiftung, an der Kommission ‚Zukunft der Bildung – Schule der Zukunft‘. Das Gremium wurde 1992 vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Johannes Rau, einberufen und legte 1995 einen Abschlussbericht vor (Bildungskommission NRW 1995).13 Ausgehend von diesem Hintergrund vergab die Stiftung im Jahr 1996 den Carl Bertelsmann Preis für herausragende innovative Schulsysteme im internationalen Vergleich (Bertelsmann Stiftung 2014a). Dieses Vorhaben mündete im Jahr 2000 in die Gründung des Internationalen Netzwerks Innovativer Schulen, das zu Beginn noch einen ganz offenen, explorativen Charakter hatte. Der spätere Ansatz von SEIS entwickelte sich erst im Laufe der Zeit aus den Diskussionen des Netz12 Siehe SEIS (2014b). 13 Siehe die detailliertere Beschreibung in der Fallstudie zum Projekt Selbständige Schule. werks heraus. Diese Überlegungen konkretisierten sich zunehmend und resultierten 2004 in der Entwicklung des grundlegenden Konzepts sowie eines Prototypen. Das Instrument bestand zunächst im Wesentlichen aus einem gemeinsam entwickelten und international wie national tragfähigen Qualitätsverständnis von guter Schule sowie aus wissenschaftlich geprüften, zunächst noch papierbasierten, Fragebögen zur Befragung von Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern, Eltern und sonstigen Mitarbeitern (Glänzel 2014: 87). Den Projektbeteiligten wurde indessen schnell deutlich, dass die weitreichende Verbreitung des Instruments eine umfangreiche Weiterentwicklung und insbesondere eine Digitalisierung erfordern würde um das Instrument nutzerfreundlicher zu gestalten und dessen Akzeptanz zu erhöhen. Da für den Schritt von der Entwicklung des Prototyps bis hin zur Serienreife erhebliche Investitionen erforderlich waren, fragte die Bertelsmann Stiftung die Schulministerien aller sechzehn Bundesländer nach deren Interesse am neuen Evaluationsinstrument. Sie beschloss, SEIS zu digitalisieren und weiterzuentwickeln, nachdem neun Bundesländer ihre Mitarbeit an diesem Prozess vertraglich zugesagt hatten. Dies beinhaltete auch die Verpf lichtung, das SEIS Instrument nach Ablauf der Projektförderung der Stiftung 2008 zu übernehmen und dessen weitere Verbreitung und Entwicklung zu gewährleisten. Im SEIS Projekt von 2004 bis 2008 wurde das Instrument entsprechend fortentwickelt. Dies beinhaltete insbesondere die Möglichkeit, die Fragebögen mit Hilfe einer internetgestützten Software auszuwerten und die Umfrageergebnisse der Schule in einem automatisierten Bericht zur Verfügung zu stellen. Den Ländern kam dabei die Rolle zu, SEIS zu bewerben, die Schulen zu kontaktieren und sie bei der Einführung durch Trainings und Fortbildungsmaßnahmen zu unterstützen. Die Bertelsmann Stiftung war für die inhaltliche und insbesondere auch technische Weiterentwicklung von SEIS sowie für die Durchführung der Fortbildungen zuständig. Aufgrund der hohen Nachfrage wurden darüber hinaus von der Stiftung 60 weitere Trainer ausgebildet, die den Schulen bei der Implementierung des Instruments helfen konn- 35 CSI K apit el 2 www.CSI.UNI-HD.de CSI Fallstudien ten. Nachdem SEIS 2006 bereits an vielen Schulen implementiert war, wurde unter den teilnehmenden Ländern der Ruf nach weitergehenden Anpassungen des Instruments laut, insbesondere in Hinblick auf die jeweiligen Besonderheiten der Länder sowie die seit 2002 stetig zunehmende schulische Selbständigkeit. Die gewünschten Veränderungen führten zu einer grundlegenden inhaltlichen Änderung des SEIS Konzepts sowie einer kompletten Überarbeitung der Software und damit zu dem Instrument in heutiger Gestalt: Seit der Übergabe an das staatliche Konsortium im Jahr 2008 wurden keine größeren Veränderungen oder Weiterentwicklungen von SEIS mehr vorgenommen. 2008 wurde SEIS von der Stiftung an ein Länderkonsortium namens SEIS Deutschland übergeben. Teilnehmer waren die Länder Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, SachsenAnhalt, sowie die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) und die deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens. Die daran teilnehmenden Bundesländer und die ZfA verpflichteten sich vertraglich gegenüber der Stiftung, den dauerhaften Betrieb und den technischen Support von SEIS zu gewährleisten. Des Weiteren stellten sie für ihre Schulen Fortbildungs- und Unterstützungsangebote sowie Informationsmaterialien bereit. Im Jahr 2013 kündigte mit Bremen das anteilsmäßig kleinste Land den Vertrag, was auch zum Ausscheiden von Baden-Württemberg, Brandenburg und Rheinland-Pfalz führte. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch die Geschäftsstelle aufgelöst und die Programmabwicklung an die verbleibenden Länder übertragen. Heute wird das SEIS Instrument noch von Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und der ZfA angeboten. 2014 verlängerten die genannten Beteiligten ihre Zusammenarbeit um ein weiteres Jahr. 2.5.3 Partner und Netzwerk Die Projektbeteiligten in SEIS unterscheiden sich je nach Projektphase. Von 2000-2004 wurden im Internationalen Netzwerk Innovativer Schulen die 36 Grundlagen des Instruments entwickelt. Dabei handelte es sich um einen Zusammenschluss von Vertretern der Stiftung sowie von 40 Schulen aus Kanada, Neuseeland, den Niederlanden, Norwegen, der Schweiz und Ungarn sowie vier deutschen Bundesländern (Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen) sowie der Bertelsmann Stiftung und Experten aus Wissenschaft und Praxis, unterstützt von einer Unternehmensberatung (Glänzel 2014a: 87). Das Netzwerk wurde von der Bertelsmann Stiftung und den Schulministerien der beteiligten Länder getragen, wobei die Koordination des Vorhabens der Stiftung oblag. In der anschließenden Projektphase ab 2004 waren die wesentlichen Partner die Bertelsmann Stiftung sowie die Kultusministerien der Länder Bayern, Niedersachsen, Nordrhein Westfalen und Thüringen. Im Netzwerk arbeitete die Stiftung gemeinsam mit einer Reihe von Schulen an der Implementierung von SEIS. Die Netzwerkkoordination wurde wiederum durch die Stiftung besorgt. 2.5.4Zielerreichung Das SEIS Projekt zielte zunächst einmal auf die Entwicklung eines verallgemeinerbaren Qualitätsrahmens für gute Schule sowie eines funktionsfähigen Selbstevaluationsinstruments ab, das von mindestens zehn Prozent der Schulen in Deutschland genutzt werden sollte. Alle diese Projektziele wurden erreicht und, im Falle der Zahl der Nutzer, auch übertroffen. So verwendeten im Jahr 2012 über 5200 Schulen das Instrument, viele davon bereits mehrmals. (Glänzel 2014: 93). Seitdem dürften die Zahlen nach Auskunft unserer Interviewpartner allerdings zurückgegangen sein. Die genaue aktuelle Teilnehmerzahl konnte nicht ermittelt werden. Übergeordnetes Ziel des SEIS Projekts war es, die Qualität schulischer Arbeit im Sinne des selbstentwickelten Qualitätsrahmens zu verbessern. Da diese Zieldimension nicht systematisch evaluiert wurde, lässt sich auf Grundlage der vorliegenden Daten nicht beurteilen, ob diese Absicht realisiert werden konnte. In einer Studie der Deutschen Sporthochschule Köln wurde das Projekt selber Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften von Teilnehmern und Stakeholdern indes als insgesamt „sehr positiv“ eingeschätzt (Buhren et al. 2008: 24). 2.6Selbstständige Schule Das Projekt Selbstständige Schule startete am 1. August 2002 als gemeinsames Vorhaben des Schulministeriums Nordrhein-Westfalen und der Bertelsmann Stiftung und endete am 31. Juli 2008. Übergeordnetes Ziel des Projekts war die „Verbesserung der Qualität schulischer Arbeit und insbesondere des Unterrichts“ (Brabeck und Lohre 2004) im Land Nordrhein-Westfalen. Dieses Anliegen sollte durch die Entwicklung und Implementierung eines Modells für die qualitätsorientierte Selbststeuerung von Schulen in regionalen Bildungslandschaften erreicht werden. Zwischen 2002 und 2008 waren 19 von 54 Regionen in NRW14 mit 278 Schulen aller Schularten als volle Projektpartner beteiligt. Von 2004 bis 2008 nahmen weitere 413 ‚Korrespondenzschulen‘ an dem Projekt teil. Damit war Selbstständige Schule das größte Schulentwicklungsprojekt Deutschlands (Glänzel 2014b: 98). Die Bertelsmann Stiftung war mit der operativen Steuerung des Projektes beauftragt. Die Projektleitung war in zwei Projektbüros in Gütersloh und Düsseldorf angesiedelt. Das Land NRW trug die Hauptlast der Projektkosten in Form von Freistellungsstunden im Umfang von einer halben Stelle pro teilnehmende Schule. Durch seinen Innovationsfonds finanzierte es die wissenschaftliche Begleitforschung sowie die Schulentwicklungsfonds mit einem Betrag von jährlich 1,5 Mio. Euro. 700.000 Euro pro Jahr wurden von den Schulämtern für diese Fonds bereitgestellt. Die Bertelsmann Stiftung stellte pro Jahr durchschnittlich 500.000 Euro für die operative Arbeit der Projektleitung und die beiden Projektbüros zur Verfügung. (Glänzel 2014b: 104). 14 9 kreisfreie Städte, 8 Kreise und 2 „Sonderregionen“ (Glänzel 2013: 104). CSI 2.6.1Projektansatz Der Projektansatz von Selbständige Schule wurde maßgeblich von den Ergebnissen der Kommission ‚Zukunft der Bildung – Schule der Zukunft‘ beeinf lusst. Der Kommissionsbericht entwirft eine umfangreiche Vision künftiger Schulorganisation entlang des Leitbilds von Schule als „Haus des Lernens“. Des Weitern wird die Empfehlung ausgesprochen, Gestaltungskraft und Selbstverantwortung der einzelnen Schulen zu stärken und sie zugleich systematischer in ihre kommunale und regionale Umwelt einzubinden (Bildungskommission NRW 1995). Das Projekt Selbständige Schule beruhte dementsprechend auf zwei grundlegenden Projektkomponenten, in denen diese Überlegungen deutlich zum Ausdruck kommen: Erstens sollten Schulen befähigt werden, die Qualität ihrer Arbeit und insbesondere des Unterrichts durch eine umfassende qualitätsorientierte Selbststeuerung in den Bereichen Personalentwicklung, Ressourcenbewirtschaftung, Unterrichtsorganisation, Mitwirkung und Partizipation sowie Qualitätsmanagement und Rechenschaftslegung zu entwickeln. Zweitens sollten Schulen im Rahmen regionaler Bildungslandschaften mit weiteren bildungsrelevanten Akteuren der Region vernetzt werden. Auf diese Weise, so die Annahme, würden zum einen die Bedürfnisse schulischer Umwelten besser berücksichtigt und zum anderen die fragmentierten Akteure und Ressourcen einer Region systematisch koordiniert und so für den individuellen Bildungsprozess nutzbar gemacht werden. In der Projektkonzeption kommt die Überzeugung zum Ausdruck, dass Schulen ihre eigenen Probleme am besten kennen und in der Regel auch eine intrinsische Motivation für deren Lösung haben. Da ihnen jedoch die nötigen Managementfähigkeiten und –kompetenzen fehlen, können sie erforderliche Schulentwicklungsmaßnahmen nicht oder nur unzureichend durchführen. Selbständige Schule zielte insofern nicht darauf ab, den Schulen extern entwickelte Problemlösungen anzubieten. Vielmehr wurde erwartet, dass die größere Selbstverantwortung im Zusammenspiel mit Fortbildungen im Bereich des Schulmanagements und der Unterrichtsentwicklung sowie einem regionalen Unterstützungssystem Schulen dazu befähigen würde, ihre Probleme künftig sel- 37 K apit el 2 www.CSI.UNI-HD.de CSI Fallstudien ber zu lösen. 2.6.2 Entwicklung und Status quo Das Projekt Selbständige Schule hat eine besonders lange und voraussetzungsreiche Geschichte. Sie beginnt mit der Teilnahme von Reinhard Mohn, dem Stifter und damaligen Vorstandsvorsitzenden der Bertelsmann AG an der Bildungskommission des Landes NRW. Das Gremium wurde 1992 vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Johannes Rau, einberufen. Es war aus einem breiten und diversen Kreis nationaler wie internationaler Experten aus Staat, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammengesetzt und legte im Jahr 1995 seinen Abschlussbericht vor (Bildungskommission NRW 1995). Diese Überlegungen wurden maßgeblich konkretisiert als die Bertelsmann Stiftung im Anschluss an die Arbeit der Kommission 1996 das Thema ‚Innovative Schulsysteme im internationalen Vergleich‘ für ihren Carl Bertelsmann Preis wählte. Preisträger war das Durham Board of Education im kanadischen Ontario. Das Durham Board überzeugte die Jury als „unkonventionelle und leistungsstarke Schulbehörde“, die mit ihrer Autonomie in Personal-, Finanz- und Schulentwicklungsfragen besonders produktiv umging (Bertelsmann Stiftung 2014a). Im Anschluss an die Preisverleihung vereinbarten das Land NRW und die Bertelsmann Stiftung Mitte der 1990er Jahre die Durchführung eines Modellprojekts namens Schule & Co. (1997-2002). Im Rahmen dieses Projekts sollte in den Testregionen Leverkusen und Herford und in Zusammenarbeit mit 52 teilnehmenden Schulen die Annahme geprüft werden, dass höhere Schulautonomie sowie die Einbettung von Schulen in regionale Bildungslandschaften einen Prozess selbstgesteuerter Schulentwicklung in Gang setzen und so zu einer Steigerung von Schulqualität beitragen (Glänzel 2014: 101; Bertelsmann Stiftung 2014b). Dabei stand bereits bei diesem Projekt die Unterrichtsentwicklung im Fokus. Insgesamt wird das Projekt in der Abschlussevaluation als sehr erfolgreich beschrieben (Bastian und Rolff 2002). Die 38 Einschätzungen der Projektbeteiligten deuten jedoch darauf hin, dass die Ergebnisse in Leverkusen keineswegs als überzeugend wahrgenommen wurden, während die Umsetzung in Herford als Erfolg galt (Glänzel 2014b: 101f). Im Juni 2000 wurde im Koalitionsvertrag der rotgrünen Landesregierung als Zielsetzung vereinbart, die Leistungsfähigkeit der Schulen in NRW durch eine größere Gestaltungsfreiheit und ein höheres Maß an Selbstständigkeit und Eigenverantwortung zu stärken. Auf dieser Grundlage verabredeten Landesregierung und Stiftung die Durchführung des Projekts Selbständige Schule. Im August 2002 wurde ein entsprechender Kooperationsvertrag zwischen dem Land NRW und der Bertelsmann Stiftung unterzeichnet (Bertelsmann Stiftung 2001). Um die geplanten Veränderungen in den teilnehmenden Modellregionen zu ermöglichen wurde das Schulgesetz des Landes in den Jahren 2001 und 2002 geändert. Mit Projektbeginn 2002 lagen dem Projektteam Bewerbungen aus 54 Regionen vor, von denen 19 ausgewählt wurden. Einzelschulen konnten sich zunächst nicht am Modellvorhaben beteiligen. Von 2004 bis 2008 wurde indessen weiteren 413 ‚Korrespondenzschulen‘ die Möglichkeit eingeräumt, am Projekt teilzunehmen um auf diese Weise von den Erfahrungen der Schulen in den Modellregionen profitieren zu können. Die Hauptaufgabe des Projektteams bestand zum einen in der Schaffung der regionalen Unterstützungs- und Beratungssysteme sowie der Einrichtung von regionalen Bildungsbüros (Glänzel 2014: 104). Hinzu kam ein umfangreiches Trainingsund Weiterbildungsprogramm für die regionalen Steuergruppen, die Schulleiter, die schulischen Steuergruppen und für ganze Kollegien im Bereich der Unterrichtsentwicklung. Insgesamt wurden rund 10.000 Lehrer erreicht. Durch einen Regierungswechsel im Jahr 2005 erlebte das Projekt einen Rückschlag, weil die neue Koalition aus CDU und FDP nach Einschätzung der Interviewpartner am Projekt der Vorgängerregierung kein Interesse mehr hatte. Das Projekt wurde aufgrund des massiven Einsatzes der beteiligten Akteure zwar planmäßig weitergeführt, jedoch ohne ein entschiedenes politisches Bekenntnis zu einer Fortsetzung nach Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften Projektende. Dies hatte zur Folge, dass viele der neugeschaffenen Strukturen und Positionen nicht dauerhaft aufrechterhalten werden konnten. Umfangreichere Veränderungen sind jedoch bis heute in einigen besonders engagierten Regionen festzustellen. 2.6.3 Partner und Netzwerk Während der Projektlaufzeit waren eine Reihe unterschiedlicher Akteure auf ganz unterschiedlichen Ebenen an der Konzipierung, Umsetzung und Evaluierung des Projekts beteiligt. Die wichtigsten Partner waren die Bertelsmann Stiftung und das Schulministerium NRW. Das Ministerium schloss 2002 weitere 237 Kooperationsvereinbarungen mit den beteiligten Schulen bzw. Kreisen, Städten und Gemeinden ab, die für die Projektdauer die Grundlage der Zusammenarbeit bildeten. Aus diesem Vorgehen resultierte ein sehr umfangreiches und diverses Netzwerk verschiedener Beteiligter auf unterschiedlichen Ebenen und mit unterschiedlichen Kompetenzen. Die Steuerung dieses überaus ambitionierten Projekts bedurfte einer entsprechend komplexen Mehrebenenorganisation. Auf der höchsten Ebene wurde ein Projektvorstand berufen, der zu gleichen Teilen aus Vertretern des Schulministeriums sowie der Bertelsmann Stiftung besetzt war. Der Vorstand entschied konsensorientiert über die längerfristigen inhaltlichen, konzeptionellen und methodischen Weichenstellungen. Unterhalb des Projektvorstands war die Projektleitung angesiedelt. Projektleiter war ein Mitarbeiter der Bertelsmann Stiftung, der aus dem Schulministerium kam und für das Projekt freigestellt wurde. Dem Projektleitungsteam gehörten neben weiteren Mitarbeitern der Bertelsmann Stiftung auch jeweils zwei Lehrer sowie zwei Mitarbeiter aus Kommunalverwaltungen an. Auf regionaler Ebene wurden für die Projektsteuerung in jeder Modellregion regionale Steuergruppen eingesetzt, die sich aus jeweils zwei Vertretern der Schulträger, der Schulaufsicht und der teilnehmenden Schulen zusammensetzten. Die Steuergruppen sollten im Wesentlichen die Arbeit der Schulen unterstützen und waren darüber hinaus für den Auf bau regionaler Bildungslandschaften CSI zuständig, einschließlich der Einrichtung eines regionalen Bildungsbüros. Auf Schulebene wurden schulische Steuergruppen eingerichtet, die je nach Schulgröße drei bis sieben Personen umfassten. Die Schulleiter waren „gesetzte Mitglieder“ der schulischen Steuergruppen. Über ihre sonstige Zusammensetzung konnten die Schulen frei entscheiden. Die Steuergruppe hatte die Aufgabe, den Schulentwicklungsprozess der eigenen Schule zu koordinieren und den Entwicklungsprozess zu moderieren (Bertelsmann Stiftung 2014c). 2.6.4Zielerreichung Die Frage, ob und in welchem Umfang das Projekt Selbständige Schule seine Ziele erreicht hat, ist vergleichsweise schwer zu beantworten. Laut Kooperationsvertrag vom 22. August 2001 (Bertelsmann Stiftung 2001) und allen wesentlichen Projektdokumenten einschließlich der wissenschaftlichen Begleitforschung bestand das wesentliche Ziel des Vorhabens in der Verbesserung von Schulqualität und insbesondere der Unterrichtsqualität (Projektleitung ‚Selbstständige Schule‘ 2004, 2006; Bertelsmann Stiftung 2014d). Als wesentlicher Indikator für positive Veränderungen dieser Dimension wurden dabei Leistungssteigerungen von Schülerinnen und Schülern angesehen (Projektleitung ‚Selbstständige Schule‘ 2006: 6; Bertelsmann Stiftung 2014e). Laut unseren Interviewpartnern gab es faktisch auf Seiten von Ministerium und Stiftung jedoch unterschiedliche Prioritätensetzungen: Während für das Ministerium die Erprobung und Implementierung regionaler Modelle von Schulautonomie im Vordergrund stand, stellte dies für die Stiftung nur ein Mittel zum eigentlichen Zweck der Unterrichtsentwicklung dar. Einen hohen Konsens gab es jedoch hinsichtlich der Entwicklung eines Modells regionaler Bildungslandschaften. Beide Seiten hatten ein großes Interesse zu zeigen, dass der Ansatz höherer Schulautonomie, eingebettet in regionale Bildungsnetzwerke funktionieren kann. Diese Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung durch das Dortmunder Institut für Schulentwicklungsforschung wurden 2008 in einer umfassenden Publikation veröffentlicht (Holtappels et al. 2008). Die Evaluation deckt ein 39 K apit el 2 www.CSI.UNI-HD.de CSI Fallstudien breites Spektrum unterschiedlicher Projektdimensionen ab und kommt dabei zu recht unterschiedlichen Ergebnissen. Während in einer Reihe organisationaler Dimensionen eine positive Wirkung festgestellt wurde, konnte kein Zusammenhang zwischen einer höheren Autonomie von Schulen und der beabsichtigten Steigerung der Schülerleistungen nachgewiesen werden. Die Studie wird indessen aus wissenschaftlicher Sicht aber auch von einigen Interviewpartnern als methodisch problematisch kritisiert. Hervorzuheben ist insbesondere der Umstand, dass nicht mit Vergleichsgruppen gearbeitet wurde (Heyder 2014: 196), was Aussagen zur kausalen Wirkung des Projekts unnachvollziehbar macht. Von verschiedenen Interviewpartnern wurde zudem darauf hingewiesen, dass ein so grundlegendes Projekt wie Selbständige Schule womöglich über die kurze Projektphase hinaus mehr Zeit benötigen könnte, um seine volle Wirkung zu entfalten. Seit Projektende wurden jedoch keine weiteren Messungen bzw. Befragungen mehr vorgenommen, um einen möglichen langfristigen Erfolg zu prüfen. Was die Entwicklung regionaler Schul- und Bildungslandschaften anbelangt, so kommt die Evaluation zu sehr positiven Ergebnissen. Die Arbeit und Ergebnisse der Regionalen Steuerungsgruppen wurde von einer Mehrzahl der Befragten als Erfolg eingeschätzt und eine Mehrheit wünschte sich 2008 deren Fortbestehen (Holtappels et al. 2008: 199). Die weitere Entwicklung des Ansatzes regionaler Bildungslandschaften nach Ende der Projektlaufzeit lässt diesen Projektbaustein als den eigentlichen Erfolg des Vorhabens erscheinen. 2007 gab es in 18 der 19 Modellregionen ein Bildungsbüro (2005: 15 Bildungsbüros) und eine Mehrheit der Befragten sah Bildungsbüros als notwendiges Instrument für den Erfolg der regionalen Steuerung an. Unmittelbar nach Projektende wurden in 44 von 54 Regionen in NRW Bildungsbüros geschaffen. Darüber hinaus fand das Konzept deutschlandweit Beachtung und wurde in vielfältiger Art und Weise in anderen Bundesländern kopiert, insbesondere im Rahmen des BMBF-Projekts Lernen vor Ort (Glänzel 2004b: 120). Insgesamt gibt es nach Aussagen eines Interviewpartners aktuell deutschlandweit ca. 300 Bildungsbüros, was den nachhaltigen Erfolg dieses Konzepts dokumentiert. Damit ist vermutlich der- 40 jenige Projektbaustein am erfolgreichsten gewesen, der sozusagen den kleinsten gemeinsamen Nenner der Projektpartner darstellte und zugleich politisch am wenigsten kontrovers war. www.CSI.UNI-HD.de Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften CSI 3 Die Rolle von Netzwerken für die Entstehung und Stabilisierung innovativer Nischen 3.1Erfolg von Partnerschaften: Wirkung in der Fläche oder Innovation in Nischen? Partnerschaftliche Arrangements erwiesen sich als für die Entwicklung neuer, zuweilen auch nachweislich effektiver, Lösungsansätze geeignet. Sie führen auch tatsächlich zu einer Übernahme der gemeinsam entwickelten Lösungsmodelle durch staatliche Akteure. Das Projekt Jacobs-Sommercamp ist ein Beispiel für diesen positiven Befund. Dabei entwickelte die Bremer Schulbehörde gemeinsam mit der Zürcher Jacobs Foundation und dem Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung ein effektives Sommerschulprogramm zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Problemen in Deutsch. Das Programm wurde nach Abschluss des Projekts von der Stadt übernommen. Es existiert in Trägerschaft der Bildungsbehörde bis heute und wird in nur leicht veränderter Form vom Bremer Goethe Institut durchgeführt. Die Nachhaltigkeit der Projektergebnisse konnte auch in den Fällen Selbstständige Schule und SEIS gesichert werden. Zugleich macht die Analyse dieser beiden Projekte jedoch auch deutlich, dass die Übernahme gemeinsam entwickelter Innovationen in staatliche Trägerschaft aus unterschiedlichen Gründen nicht notwendigerweise die hohen Erwartungen an Verbreitung und Wirksamkeit erfüllt, die unserem Projekt als Prämissen zugrunde lagen. Das SEIS Instrument entstand im Rahmen eines Gemeinschaftsvorhabens von Bertelsmann Stiftung und vier Bundesländern. Es wurde im Laufe von zwei aufeinanderfolgenden Projekten von der ersten Idee über einen Prototyp bis hin zum marktfähigen Produkt entwickelt. Anschließend wurde es von einem Konsortium aus neun staatlichen Trägern übernommen und verbreitete sich dadurch schnell an über 5.200 von rund 43.300 allgemeinbildenden und beruf lichen Schulen in Deutschland. Dies ist – auch im internationalen Vergleich – eine außergewöhnlich hohe Zahl (Thümler et al. 2014b). Das SEIS Programm kommt insofern von allen untersuchten Vorhaben einem Modell am nächsten, das auf partnerschaftliche Entwicklung neuer Instrumente und die folgende Übernahme und Verbreitung durch staatliche Stellen setzt. Zugleich bedeutet dieser Befund jedoch auch, dass selbst im erfolgreichsten Fall rund 38.000 Schulen, und damit die überwiegende Mehrheit, das Instrument nicht nutzten. Zudem erwies sich das SEIS-Konsortium nicht als dauerhaft stabil und löste sich nach rund fünf Jahren Existenz auf.15 Unsere Interviewpartner nannten dafür unterschiedliche mögliche Gründe. Zum einen den Umstand, dass es nicht gelang, das auf Stabilität und Standardisierung hin ausgelegte Instrument an neue Entwicklungen wie das Entstehen unterschiedlicher schulischer Qualitätsrahmen in den einzelnen Ländern oder die Bedürfnisse von Schulen nach stärker modularisierten Instrumenten anzupassen und damit auch auf die Konkurrenz durch neue Anbieter reagieren zu können. Eine Rolle gespielt haben könnte jedoch auch „[m]angelnde Nachfrage vonseiten der Schulen und die wiederum bedingt durch einfach zu viele Reformprojekte, die dort auch gleichzeitig bewältigt werden mussten.“ Das Projekt Selbstständige Schule, ein Vorhaben von Bertelsmann Stiftung und Schulministerium NRW, ist ein weiteres Beispiel für die Problematik des Anspruchs f lächendeckender Verbreitung. Die Projektpartner hatte sich die Erprobung, Realisierung und Verbreitung umfassender neuer schulischer Steuerungsmechanismen zum Ziel gesetzt. Sie konzentrierten sich dabei auf die erhöhte Selbstständigkeit von Schulen im Rah15 Das SEIS Programm wird heute von den vier verbliebenen Partnern getragen. 41 K apit el 3 Auf Grundlage unserer Fallstudien lässt sich nun die Frage beantworten, welche Rolle Partnerschaften für den Erfolg von sozialer Innovation im Bildungsbereich spielen. Darüber hinaus lässt sich auch die Reichweite solcher Vorhaben genauer bestimmen. CSI Die Rolle von Netzwerken für die Entstehung und Stabilisierung innovativer Nischen men regionaler Bildungslandschaften um eine „Verbesserung der Qualität schulischer Arbeit und insbesondere des Unterrichts“ (Brabeck und Lohre 2004) im Land Nordrhein-Westfalen zu erreichen. Wie die konkreten Ergebnisse des Vorhabens einzuschätzen sind, ist eine schwer zu beantwortende Frage. Ob es tatsächlich zu einer f lächendeckenden Implementierung des neuentwickelten Systems in NRW kam, muss auf Grundlage der vorliegenden Daten und auch der Aussagen unserer Interviewpartner zumindest als strittig gelten. Während durch eine Novellierung des Schulgesetzes im Jahr 2006 zumindest formal tatsächlich allen Schulen des Landes erhöhte Selbstständigkeit gewährt wurde (Bertelsmann Stiftung 2014d) wurde das im Projekt entwickelte umfangreiche Unterstützungs- und Governancesystem nicht übernommen. Insbesondere für den Anspruch, dass durch diese Veränderungen eine Verbesserung der Unterrichtsqualität, und damit auch der Schülerleistungen erreicht werden kann, fehlt bis heute der Nachweis. Insofern sind sowohl SEIS als auch Selbständige Schule als Beispiele für die Fragwürdigkeit der Idee ‚f lächendeckender‘ Ausbreitung einzustufen: Zunächst einmal suggeriert der Begriff ein Ausmaß an Verbreitung, für das es in der Praxis staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften keine überzeugenden Beispiele gibt und das vermutlich nicht realistisch sein dürfte. Und selbst wenn eine hohe Verbreitung stattfindet, bedeutet dies noch nicht, dass die eigentlichen Projektziele dadurch verwirklicht werden können. Denn einerseits ist Verbreitung nicht notwendigerweise mit nachweisbarer Effektivität gleichzusetzen, zum anderen werden im Prozess der Verbreitung oftmals nur ausgewählte einzelne Bestandteile von ursprünglich weitaus komplexeren oder anspruchsvolleren Innovationen übernommen. Und schließlich ist aufgrund der Unterschiedlichkeit lokaler Problemlagen auch nicht davon auszugehen, dass die Einführung eines bestimmten Instruments für die Mehrheit aller Schulen überhaupt sinnvoll ist. Aus diesem Grund wird im Folgenden von ‚weitreichender‘ statt ‚f lächendeckender‘ Verbreitung die Rede sein, wenn es um das Wachstum bzw. die Diffusion innovativer Ansätze geht. 42 3.2Innovative Nischen als Ergebnisse von Partnerschaften Wenn nicht lediglich die bloß quantitative bzw. formale Verbreitung als Kriterium für erfolgreichen Transfer gewählt sondern die Frage gestellt wird, ob lebendige Innovationen entstanden, die auch tatsächlich vor Ort die gewünschte Veränderungswirkung erzielten, muss demzufolge auf den ersten Blick eine eher ernüchternde Bilanz gezogen werden: Im Anschluss an eine gemeinsame Entwicklungsphase entstanden im günstigsten Fall begrenzte innovative Nischen, die den einmal entwickelten Ansatz nicht lediglich unverändert fortführten, sondern dynamisch weiterentwickelten. Dies ist beispielsweise im DeutschSommer Programm der Fall. Es beruht auf dem Modell des Jacobs-Sommercamps und wird von der Stiftung Polytechnische Gesellschaft in Frankfurt am Main getragen und durchgeführt. Die Stiftung war sich dabei des Umstands bewusst, dass die zunächst signifikanten Effekte des Sommercamps nach wenigen Monaten deutlich nachlassen (Stanat et al. 2012) – was bei einer so kurzen Intervention indessen auch kaum anders zu erwarten war. Deshalb wurde das Programm im Laufe der Zeit durch weitere begleitende Maßnahmen, wie etwa ein Familienstipendium, zu einem deutlich umfangreicheren Förderprogramm ausgebaut. Die Entwicklung von regionalen Bildungslandschaften im Kontext des Projekts Selbstständige Schule ist als weiteres Beispiel für die Bedeutung von innovativen Nischen einzuschätzen. Denn wenngleich der vom Projekt angestrebte umfassende Umbau des Nordrhein-Westfälischen Schulsystems nicht realisiert werden konnte, scheinen doch zumindest einige der im Rahmen von Selbstständige Schule entwickelten und etablierten regionalen Bildungslandschaften eine dauerhafte Stabilisierung bei gleichzeitiger kontinuierlicher Entwicklungsdynamik entwickelt zu haben (Rolff 2013). Dieses Vorhaben ist noch aus einem weiteren Grund für unsere Studie von hohem Interesse. Denn das Konzept fand auch nach Abschluss des Projekts wachsende Aufmerksamkeit und erfuhr insbesondere durch das BMBF-Projekt Lernen vor Ort deutschlandweite Verbreitung (Glänzel 2004: 120). Insgesamt gibt es nach Aussagen eines Interviewpartners derzeit ca. 300 regionale Bildungs- Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften büros. Dieser Umstand dokumentiert einerseits den nachhaltigen Erfolg dieses Konzepts, wenngleich auch in diesem Fall von ‚f lächendeckender‘ Verbreitung keine Rede sein kann. Es zeigt sich jedoch auch, dass von der ersten Erprobung regionaler Bildungslandschaften im Projekt Schule & Co. (1997-2002) bis zur heutigen Verbreitung zwölf Jahre vergangen sind, in denen im Rahmen von zwei großen partnerschaftlich gestalteten Projekten das Konzept immer weiter erprobt und ausgebaut wurde. Die Ermöglichung einer solchen intermediären Lern- und Entwicklungsphase erweist sich als ein entscheidender Baustein in Strategien für nachhaltige Innovationen im Bildungsbereich. 3.3Von Partnerschaften zu Innovationsnetzwerken Unsere Daten zeigen, wie oben erwähnt, dass Partnerschaften zwischen Stiftungen und Staat zur Entwicklung neuer Lösungsansätze für die Probleme des Schulsystems führen können, die sich zwar nicht in die Fläche ausbreiten, jedoch zumindest nischenhaft stabilisiert werden. In einem zweiten Schritt stellt sich die Frage, welche Rolle dabei der Umstand spielt, dass die Beteiligten ihre Zusammenarbeit als Partnerschaft und nicht anders gestalteten. Dass es Alternativen zu partnerschaftlicher Zusammenarbeit gibt, zeigen Beispiele wie die Schweizer Stiftung Die Chance. Stiftung für Berufspraxis in der Ostschweiz oder das DeutschSommer Programm der Stiftung Polytechnische Gesellschaft. Die Chance entwickelte – unter ausdrücklichem Verzicht auf partnerschaftliche Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen – ein erfolgreiches Programm für den Übergang von der Schule in den Beruf. Die Polytechnische Gesellschaft übernahm das Jacobs-Sommercamp für Frankfurt und führt es dort erfolgreich fort. Beide Vorhaben erzielten nachweislich positive Ergebnisse obwohl sie nicht partnerschaftlich organisiert sind. Darüber hinaus zeigt das Beispiel des Jacobs-Sommercamps als eine trilaterale Partnerschaft zwischen Bremer Bildungsbehörde, Jacobs Foundation und Max-Planck Institut für Bildungsforschung, dass Partnerschaften nicht auf Stiftungen und Staat begrenzt sein müssen, CSI sondern auch weitere Beteiligte umfassen können. Aus diesen Beobachtungen ziehen wir den Schluss, dass die Beschränkung des Blicks auf staatlich-philanthropische Partnerschaften für die Fähigkeit zu einer begründeten strategischen Abwägung nicht hinreichend ist. Unsere Antwort auf diese Problematik knüpft an die Beobachtung an, dass in keiner der untersuchten Partnerschaften die Arbeit von den Partnern alleine geleistet wird. Erfolgreiches Problemlösen ist vielmehr stets als Resultat der Zusammenarbeit eines Netzwerks anzusehen, das sich aus einem breiten Spektrum privater wie staatlicher Beteiligter zusammensetzt.16 Je nachdem, welche Rolle die einzelnen Teilnehmer spielen und wie die Beziehungen untereinander organisiert sind, können Innovationsnetzwerke sehr unterschiedliche Gestalt annehmen. Sie hängt maßgeblich davon ab, wie Zusammensetzung, Governance und Koordination des Netzwerks gestaltet sind. So können Netzwerke Beteiligte von höherer oder niedriger Diversität (hier verstanden als Angehörigkeit zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Sektoren) umfassen. Sie können zweitens von einem maßgeblichen Akteur, einer sog. Leadorganisation, oder aber von gleichberechtigten Partnern geführt werden (Provan und Kenis 2008). Nur wenn Letzteres der Fall ist, kann von einer genuinen Partnerschaft die Rede sein. Und schließlich ist die Koordination des Netzwerks von dessen Governance zu unterscheiden. Während sich Letztere auf die Frage bezieht, wer die Entscheidungen trifft, betrifft der Aspekt der Koordination die Vorbereitung bzw. die Umsetzung der Entscheidungen. Dies kann auf informelle Weise oder formelle Weise geschehen. Im ersten Fall kommt es zu informellen Absprachen zwischen den Partnern, im zweiten Fall wird ein ‚Kümmerer‘ formell benannt. Dieser Kümmerer kann eine Geschäftsstelle oder Projektteam in einer der beteiligten Organisationen sein, oder aber eine eigens zu diesem Zweck gegründete und formal mit der Koordination betraute externe 16 Die Rolle von Vernetzung für Schulentwicklungsprozesse ist bereits mehrfach Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion geworden (z.B. OECD 2003). Häufig kommen dabei eher informelle, ‚gewachsene‘ Netzwerke in den Blick. Bei den hier untersuchten Netzwerktypen handelt es sich hingegen um ‚strategische‘ Netzwerke, die als Arbeitsinstrumente für die Bearbeitung eines bestimmten Problems ins Leben gerufen werden (Sydow 1992). 43 K apit el 3 www.CSI.UNI-HD.de CSI Die Rolle von Netzwerken für die Entstehung und Stabilisierung innovativer Nischen Netzwerkmanagement-Organisation (Provan und Kenis 2008). Wir definieren Innovationsnetzwerke daher als Formen der Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure (Organisationen oder Personen) zwecks Lösung öffentlicher Probleme. Dabei sind entweder eine einzelne Organisation oder mehrere gleichberechtigte Partner maßgeblich für die Aktivitäten des Netzwerks verantwortlich, treffen die Entscheidungen und/oder leisten die erforderliche Koordinationstätigkeit. Weitere Netzwerkmitglieder unterstützen mit eigenen Ressourcen, sind jedoch nicht als gleichberechtigte Partner eingebunden (O’Toole 1997; Provan und Kenis 2008; Provan und Lemaire 2012). Diese unterschiedlichen Strukturmerkmale stehen wiederum mit bestimmten Netzwerkeigenschaften in Zusammenhang. Grundsätzlich gilt: Je diverser das Netzwerk zusammengesetzt ist, je partnerschaftlicher die Governance gestaltet und je mehr es intern und informell koordiniert wird, desto höher ist das innovative Potential und desto niedriger ist dessen Stabilität. Umgekehrt gilt, dass Netzwerke umso stabiler und desto weniger innovativ sind, je ähnlicher sich die Beteiligten sind und je zentralisierter die Entscheidungsfindung gestaltet ist.17 Die formale Koordination durch eine auf diesen Zweck spezialisierte NMO ist als Zeichen besonders hoher Stabilität anzusehen. Dieser Zusammenhang zwischen Netzwerkmerkmalen und innovativer Kapazität bzw. Stabilität wird in Tabelle 2 dargestellt Strukturmerkmale Innovation Stabilität Governance Partnerschaft Leadorganisation Diversität Hoch Niedrig Koordination Modus Ort Informell Intern Formell Extern (NMO) 17 Dieser Befund macht im Übrigen zugleich deutlich, dass Innovation und Kreativität nicht als charakteristische Merkmale von Stiftungen anzusehen sind, die diese als ihre besondere Kompetenz in Partnerschaften mit staatlichen Akteuren einbringen. Kreative Innovationen entstehen vielmehr durch das gleichberechtigte Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure. 44 Tabelle 2: Netzwerkstruktur, Innovation und Stabilität 3.4Effektivität von Netzwerken: Probleme und Prozessphasen Die Kombination unterschiedlicher Governanceund Koordinationsarrangements resultiert in unseren Fällen in vier unterschiedlich strukturierten Netzwerktypen. Diese Unterscheidung ist deshalb wichtig, weil Innovationsnetzwerke je nach Struktur für die Erfüllung ganz verschiedener Aufgaben geeignet bzw. ungeeignet sind (Provan und Kenis 2008). Sie bewegen sich entlang eines Spektrums, das von hoch innovativen aber auch eher instabilen Netzwerken am einen Ende, bis hin zu hoch stabilen aber auch wenig innovativen Netzwerken am anderen Ende reicht. Entsprechend kommen die verschiedenen Netzwerktypen für die Bearbeitung unterschiedlicher Problemtypen in verschiedenen Phasen des Innovationsprozesses zum Einsatz. Um welche Problemtypen bzw. Prozessphasen handelt es sich dabei? 3.4.1 Problemtypen Die Unterscheidung verschiedener Problemtypen ist deshalb so wichtig, weil soziale Probleme ihrer Natur nach überaus unterschiedlich sind, und deshalb nicht auf Grundlage allgemeingültiger Rezepte oder standardisierter Verfahren bearbeitet werden können, wie es beispielsweise die Vertreter des Ansatzes ‚strategischer Philanthropie‘ empfehlen (z.B. Frumkin 2006, Brest und Harvey 2008). Lösungsmethoden und –ansätze müssen vielmehr auf die jeweils konkrete Problemsituation maßgeschneidert werden (Thümler et al. 2014b). Dabei ist jedoch nicht jedes Problem vollkommen unvergleichbar und einzigartig. In den hier untersuchten Fällen konnten wir drei unterschiedliche Problemtypen identifizieren, die sich anhand der Frage unterscheiden lassen, in welchen Bereichen des Schulsystems sie angesiedelt sind. Dementsprechend lassen sie sich in Probleme im ‚Zentrum‘ des Systems, ‚Management‘ Probleme und Probleme an der ‚Peripherie‘ des Systems unter- Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften scheiden.18 Zentrum des Systems: Im Zentrum des Bildungssystems stehen Unterricht und Lernen. Interventionen in diesem Bereich zielen insbesondere auf besseres und erfolgreicheres Lernen ab. Dabei handelt es sich um überaus intransparente blackbox Probleme, bei denen unklar und schwierig festzustellen ist, welche Interventionen effektiv sind und zu welchen Folgen sie führen. Für die Bearbeitung dieser Probleme wird daher hochspezialisiertes Expertenwissen benötigt. Darüber hinaus ist ein sehr experimentelles und aufwändig zu evaluierendes, evidenz-basiertes Vorgehen erforderlich. (Thümler et al. 2014b). Für die Bearbeitung dieser Probleme bietet sich daher, wie im Fall des Jacobs-Sommercamps, die Beteiligung wissenschaftlicher Akteure an, um spezifisch wissenschaftliche Expertise (z.B. experimentelle Projektdesigns, Techniken der Unterrichtsentwicklung, Kenntnisse adäquater Evaluationsverfahren usw.) systematisch in den Prozess der Nischenentwicklung einbinden zu können. Management: Einige untersuchte Vorhaben wie etwa Selbständige Schule oder SEIS zielen darauf ab, die Managementfähigkeiten von Schulen oder anderer Akteure des Bildungssystems zu entwickeln. Es handelt sich dabei ebenfalls um komplexe, wissensintensive Probleme, deren Bearbeitung wiederum genuine Partnerschaften erfordert. Dieser Problemtypus erscheint jedoch tendenziell weniger intransparent und weniger schwer zu evaluieren zu sein, als Interventionen in Unterricht und Lernprozesse. Er kann dabei, wie etwa im Fall von Selbständige Schule, jedoch hochpolitischer Natur sein. Peripherie: An der Peripherie des staatlichen Bildungssystems, also dort, wo nicht mehr schulisches Lernen im Zentrum der Aufmerksamkeit steht sondern z.B. der Übergang von der Schule in den Beruf, werden weniger komplexe und wissensintensive Probleme bearbeitet, deren Erfolg leichter zu evaluieren sein kann. Die Arbeit der Stiftung Die Chance ist ein Beispiel dafür, dass in diesen Fällen reduzierter Komplexität die Arbeit in 18 Wir gehen nicht davon aus, dass diese Gliederung die ganze Vielfalt des Bildungssystems erschöpfend erfassen kann. Unsere Analyse beruht ausschließlich auf den untersuchten Fällen, es ist daher möglich, dass über die hier genannten Muster hinaus auch weitere Problemtypen existieren. CSI Partnerschaften nicht unbedingt erforderlich ist. 3.4.2 Der Innovationsprozess Für die weitere Diskussion unserer Fragestellung spielt insbesondere der Umstand eine Rolle, dass nicht nur bearbeitete Probleme voneinander unterschieden werden müssen. Vielmehr verändert sich auch der Charakter der Problembearbeitung im Laufe des Prozesses sozialer Innovation. Dieser lässt sich ganz schematisch nach den Phasen ‚Initiierung‘, ‚Entwicklung und Implementierung‘, sowie ‚Stabilisierung und Wachstum‘ unterscheiden (z.B. Braun-Thürmann 2005; Van de Ven et al. 2008: 23-24). Die Initiierungsperiode ist vorwiegend darauf ausgerichtet, ein vertieftes und möglichst umfangreiches Verständnis des adressierten Problems oder überhaupt der zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen zu gewinnen. Die Steuerung dieses Prozesses bezeichnen wir als ‚Ideenentwicklung‘. In der Entwicklungsphase werden ein ausgewähltes Problem analysiert und Strategien bzw. konkrete Designs für dessen Bearbeitung entwickelt. Diese Konzepte werden in der Implementierungsphase in die Realität umgesetzt. Die Steuerung dieses Prozesses nennen wir ‚Nischenentwicklung‘. Dabei entstehen innovative Arrangements, die im Erfolgsfall auf Dauer gestellt bzw. skaliert und dabei kontinuierlich den Erfordernissen ihrer Umwelt angepasst werden. Wir bezeichnen die Steuerung dieses Prozesses als ‚Nischenmanagement’. Im Laufe der Problembearbeitung verändert sich der Charakter des bearbeiteten Problems. Je komplexer und intransparenter es ist, desto mehr geht es zu Beginn darum, Unsicherheit und Komplexität zu reduzieren. Optimalerweise entsteht während der ersten Schritte der Problembearbeitung (also der Phasen von Ideenfindung und Nischenentwicklung) ein Instrument, dessen Anwendungsmöglichkeiten und Erfolgsbedingungen mehr oder weniger klar sind. Ist das der Fall, verändert sich die Problemsituation: Es geht nun weniger darum, Licht in die black box ungeklärter Zusammenhänge zwischen Handlungen und erwünschten Ergebnissen zu werfen und mehr darum, das Instrument am Leben zu erhalten und 45 K apit el 3 www.CSI.UNI-HD.de CSI Die Rolle von Netzwerken für die Entstehung und Stabilisierung innovativer Nischen weiterzuentwickeln. Mit dieser Entwicklung geht dann natürlich auch eine Veränderung der Netzwerke einher, die für die Problembearbeitung eingesetzt werden. 3.5Netzwerktypen Wir hatten oben festgestellt, dass Netzwerke für die Bearbeitung unterschiedlicher Problemtypen bzw. die verschiedenen Phasen des Innovationsprozesses maßgeschneidert sein müssen. Im Folgenden wird nun dargestellt, welche Netzwerktypen wir in unseren Fallstudien vorfanden, und unter welchen Bedingungen diese effektiv eingesetzt werden können. 3.5.1 Explorative Netzwerke Einige, wenngleich nicht alle Vorhaben, weisen eine vorbereitende Orientierungsphase auf, in der Informationssammlung und Konzeption im Vordergrund stehen. Zu diesem Zweck werden explorative Netzwerke eingesetzt. Sie versammeln ein breites Spektrum unterschiedlicher Stakeholder mit verschiedenen Interessen, Fachkenntnissen und Werten an einem Tisch. Auf diese Weise identifizieren sie relevante Partner, gewinnen einen umfangreichen Überblick über die Problemsituation und schaffen das Potenzial für die Entwicklung kreativer Lösungsideen. Im Rahmen dieser Studie kamen zwei derartige Netzwerke in den Blick: Zum einen die Kommission ‚Zukunft der Bildung — Schule der Zukunft‘ beim Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen. Deren Ergebnisse sind in einem umfangreichen Bericht festgehalten, der für die Entwicklung der Projekte Selbstständige Schule und SEIS sehr einflussreich wurde (Bildungskommission NRW 1995). Zum anderen der ‚Runde Tisch‘ innerhalb des Projekts Netzwerke für Bildungspartner, der eine große Anzahl relevanter Stakeholder in die Entwicklung des Projekts einband. Während die RauKommission federführend von der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen initiiert und koordiniert wurde, wurde der Runde Tisch von 46 den Partnern Breuninger Stiftung, dem Justizministerium des Landes Baden-Württemberg und der Robert Bosch Stiftung getragen. Die beiden Vorhaben illustrieren zunächst einmal den Umstand, dass explorative Netzwerke partnerschaftlich organisiert sein können, aber nicht müssen: es ist in diesem Fall kein Grund ersichtlich warum einer der beiden Varianten der Vorzug gegeben werden sollte. Die Entscheidung wird üblicherweise aus der konkreten Situation heraus getroffen werden können. Typischerweise setzen sich solche Netzwerke aus einem sehr breiten und diversen Spektrum unterschiedlicher Akteure aus verschiedenen gesellschaftlichen Sektoren, häufig auch mit internationalem Hintergrund, zusammen. Die Koordination erfolgt dabei intern bei der federführenden Organisation bzw. einer der Partnerorganisationen. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Lebensdauer solcher Netzwerke je nach adressierter Problemsituation auf ein bis wenige Jahre beschränkt ist. Die Eigenschaften explorativer Netzwerke werden überblickshaft in der Tabelle 3 dargestellt. Governance Diversität Koordina- Lebenstion dauer Partnerschaft oder Hoch Leadorganisation Intern Formell Kurz bis Mittel Tabelle 3: Eigenschaften von explorativen Netzwerken Da explorative Netzwerke in einem sehr frühen Stadium der Problembearbeitung zum Einsatz kommen, könnte man annehmen, dass diese Instrumente einen relativ hohen Grad von Unverbindlichkeit aufweisen und dass z.B. die Zusammensetzung keine entscheidende Rolle für das spätere Projekt spielt. Unsere Fälle deuten jedoch darauf hin, dass eher das Gegenteil der Fall ist: Explorative Netzwerke stellen entscheidende Weichen. Wenn z.B. wichtige Stakeholdergruppen nicht darin vertreten sind, kann dies dauerhafte Auswirkungen für das ganze weitere Vorhaben mit sich bringen. So bilanzierte einer der Teilnehmer des Projekts Netzwerke für Bildungspartner: „Wir haben während des ganzen [Vorhabens] nie irgendeinem Elternteil mal in die Augen geguckt. Also auch so ein typisches Projektgeschehen, man beschäftigt sich mit irgendwas ganz wichtigem, Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften aber die eigentliche Gruppe der Leute die das wirklich betrifft, die hat man nie selber als Veranstalter im Blick oder redet mit denen mal.“ Explorative Netzwerke haben sowohl Vor- als auch Nachteile. Sie werden erfolgreich eingesetzt, wenn es darum geht, Orientierung in Situationen zu schaffen, die durch besonders hohe Unsicherheit und Ambiguität gekennzeichnet sind. Im Falle der Bildungskommission NRW etwa stand gar kein konkretes Problem auf der Agenda, sondern vielmehr der Anspruch, Ideen für ein modernes Schulsystem der Zukunft zu entwickeln. Alternativ können solche Netzwerke dazu eingesetzt werden, in potentiell oder tatsächlich kontroversen Handlungsfeldern Konsens zu schaffen und so Handlungsspielraum zu entwickeln. Das Format des ‚runden Tisches‘, wie er im Projekt Netzwerke für Bildungspartner eingesetzt wurde, ist eigentlich typisch für solche hoch konf liktreichen Situationen. Weil explorative Netzwerke auf einem partizipativen Prinzip beruhen, können sie einer gerade auf Stiftungsseite verbreiteten Tendenz entgegen wirken, die zu bearbeitenden Probleme vollkommen autonom zu setzen und Lösungen unabhängig von den Adressaten zu entwickeln. So kann von vornherein gewährleistet werden, dass nur solche Probleme adressiert werden, die von den handelnden Akteuren auch wirklich als relevant angesehen werden. Einer unserer Interviewpartner drückte das Erfordernis eines Vorgehens, dass sich an einer konkreten Problemsituation auf staatlicher Seite sowie dem Bedarf an praxisnahen Lösungen orientiert, mit den Worten aus: „Wir müssen uns diesen Auftrag holen, wir können ihn nicht geben.“ Explorative Netzwerke können für die Klärung dieses Auftrags hilfreich sein. Allerdings belegen die Fallstudien auch, dass ein breit und partizipativ angelegter Ansatz weniger gut dazu geeignet ist, sehr fokussierte Lösungen auf klar zugeschnittene Probleme zu generieren. Dies ist der einschlägigen Forschung zufolge jedoch ein wichtiges Merkmal erfolgreicher Partnerschaften. Im Falle der Bildungskommission etwa wurde ein außerordentlich breiter ‚Lösungshorizont‘ entworfen. Dies führte nach Aussage mehrerer Beteiligter u.a. dazu, dass ein Projekt wie Selbstständige CSI Schule bei weitem zu umfangreich und ambitioniert angelegt wurde. Es dauerte in diesem Falle rund 12 Jahre (1996–2008), bis es gelang, diese Komplexität soweit zu reduzieren, dass daraus die handhabbare Innovation ‚regionale Bildungslandschaften‘ hervorging. Im Falle des Bildungspartner-Projekts hingegen entstand ein nach Einschätzung unserer Interviewpartner „sehr abstraktes Konzept“ (es wurden u.a. Berater geschult, die Initiativen berieten, die sich mit der Erwartung an die Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund richteten, dass diese positiv auf das Verhalten ihrer Kinder einwirken würden) das als „viel zu weit weg von den eigentlichen Zielgruppen“ und dessen Komplexität als „grenzwertig“ beschrieben wurde. Fazit: Explorative Netzwerke werden in der ersten Phase des Innovationsprozesses eingesetzt um das zu bearbeitende Problem näher zu bestimmen und Lösungsideen zu entwickeln. Sie können von Partnern oder einer einzelnen Organisation getragen werden, benötigen jedoch einen formellen ‚Kümmerer‘. Ihre Aufgabe impliziert zugleich, dass solche Netzwerke nur von begrenzter Dauer sein können bzw. müssen. Explorative Netzwerke entwerfen eher breit angelegte, konsens-orientierte Lösungshorizonte, als konkrete Ansätze für klar zugeschnittene Probleme. Sie sind insofern am besten für solche Problemsituationen geeignet, die durch besonders hohe Unsicherheit und/oder politische Brisanz gekennzeichnet sind. 3.5.2Entwicklungsnetzwerke Ein zentrales gemeinsames Element aller von uns untersuchten Vorhaben ist eine Periode von Entwicklung und Implementierung. In dieser Phase geht es darum, Ressourcen zu mobilisieren, konkrete Initiativen zu gestalten, Partner zu finden und dergleichen (Van de Ven et al. 2008: 23-24). Zu diesem Zweck werden Entwicklungsnetzwerke eingesetzt, die sich wiederum in zwei verschiedene Typen unterteilen lassen. Experimentelle Entwicklungsnetzwerke markieren das innovative Ende des Spektrums. Sie kombinieren eine geringe Anzahl sehr unterschiedlicher (hier: staatlicher, philanthropischer und wissenschaftlicher) Akteure, die ihr Vorgehen informell 47 K apit el 3 www.CSI.UNI-HD.de CSI Die Rolle von Netzwerken für die Entstehung und Stabilisierung innovativer Nischen untereinander abstimmen. Sie sind für die kurzfristige Bearbeitung hochkomplexer, jedoch stark eingegrenzter, Probleme im Zentrum des Schulsystems geeignet. Dazu zählen insbesondere Vorhaben, die auf besseren Unterricht und/oder besseres Lernen abzielen. Das Jacobs-Sommercamp ist ein Beispiel für ein solches Arrangement. Die Besonderheit dieses Vorhabens bestand darin, dass das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung nicht bloß als Teilnehmer an einer Steuerungs- oder Beratergruppe eingebunden war, sondern als eigenständiger Partner. Auf diese Weise konnte die Einrichtung ihre wissenschaftlichen Kompetenzen beim Design und der Durchführung des Vorhabens zur Geltung bringen. Dies äußerte sich insbesondere in der Wahl eines experimentellen Projektdesigns, das verschiedene Ansätze im Rahmen einer Vergleichsgruppenstudie gegeneinander antreten ließ. Zugleich wurden die Projektergebnisse rigoros evaluiert. Dieses Vorgehen ist auch im internationalen Vergleich als sehr ungewöhnlich einzuschätzen (Thümler et al. 2014b). Die positive Evaluation wurde auf staatlicher Seite als wichtiges Argument für die Übernahme des Vorhabens angesehen. Einer der Projektbeteiligten stellte fest: „Es ist viel besser zu sagen: ‚Wir machen das jetzt so. Es kostet uns keinen Pfennig Geld und wir kriegen Ergebnisse.‘ Und wenn Du die Ergebnisse hast und die sind wunderbar, kriegst Du jede politische Entscheidung.“ Die Jacobs Foundation war dabei in erster Linie als Geldgeber sowie in der Entwicklungsphase des Vorhabens aktiv, hielt sich aber während der Implementierung im Hintergrund, was von den Beteiligten als klug und vorteilhaft und als Ausdruck eines genuinen Stiftungsbeitrags angesehen wurde: „das war eine Positiverfahrung, das war […] eine Art von Forschungsförderung, die es sonst eben nicht in dieser Form […] gibt. […] Sowas würde man bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft [….] nicht so leicht gefördert kriegen.“ Ungewöhnlich war weiterhin, dass die Koordination verteilt und auf sehr informelle Weise erfolgte. Das MPI war für die inhaltliche Gestaltung und Umsetzung, der Bildungssenat für die organisatorische Realisierung des Vorhabens federführend. Die Beschreibung der Zusammenarbeit vermittelt dabei den Eindruck, dass 48 die Abstimmung durch die verantwortlichen Personen sehr informell und auf kurzem Wege erfolgte, was vermutlich auch durch die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit bedingt war. Dieses Vorgehen dürfte nur im Rahmen eines vergleichsweise kurzen Projekts möglich sein (das Sommercamp-Projekt dauerte nicht länger als ein Jahr). Zugleich ist anzunehmen, dass sich ein derartiger Ansatz gut dafür eignet, bricolage-Prozesse zu unterstützen, in denen begrenzte Ressourcen von ‚Bastlern‘ neukombiniert werden um maßgeschneiderte Lösungen für eine lokale Problemsituation zu entwickeln. Dieser Ansatz ist für die Entstehungsphase sehr innovativer Vorhaben charakteristisch (Andersen 2008). Innovative Entwicklungsnetzwerke bewegen sich im Vergleich zu explorativen Netzwerken einen Schritt in Richtung des stabilen Endes der Netzwerkskala. Sie kombinieren bilateral staatliche und philanthropische Partner, wobei einer der Partner die Zusammenarbeit als formaler ‚Kümmerer‘ koordiniert. Solche Netzwerke sind für die mittelfristige Bearbeitung komplexer Managementprobleme geeignet, die ein nicht ganz so hohes Maß an Unsicherheit und Intransparenz aufweisen wie es für Vorhaben charakteristisch ist, die sich Unterrichtsentwicklung zum Ziel gesetzt haben. Im Falle von SEIS ging es etwa um die Entwicklung eines neuen Steuerungsinstruments für Schulen; Selbstständige Schule entwickelte ein innovatives Governance-System im Sinne von autonomen Schulen in regionalen Bildungslandschaften. Beide Vorhaben wurden von einer Partnerschaft zwischen Länderministerien und Bertelsmann Stiftung getragen, die formelle Koordination der Vorhaben lag jeweils bei der Stiftung und beide Projekte erstreckten sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren (SEIS vier Jahre, Selbstständige Schule sechs Jahre). Innovative Partnerschaften können umfangreicher sein und z.B. deutlich mehr Schulen als Teilnehmer umfassen, als dies im Fall experimenteller Partnerschaften der Fall ist. Netzwerktyp Governance Diversität Koordination Lebensdauer Experimentell Partnerschaft Mittel (trilateral) Intern, informell Kurz Innovativ Partnerschaft Mittel (bilateral) Intern, formell Mittel Tabelle 4: Eigenschaften von Entwicklungsnetzwerken Fazit: Entwicklungsnetzwerke eignen sich für die kurz- oder mittelfristige Entwicklung und Implementierung von innovativen Problemlösungen. Sie werden von zwei oder mehr Partnern aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Sektoren getragen, die zugleich die Koordination des Vorhabens übernehmen. Für die Bearbeitung von hochkomplexen Problemen im Zentrum des Schulsystems, etwa im Zusammenhang mit Unterrichtsentwicklung und Lernen, kommen experimentelle Partnerschaften zum Einsatz; für die Bearbeitung von weniger komplexen Problemen, etwa im Zusammenhang mit dem Management von Bildungseinrichtungen, bieten sich innovative Partnerschaften an. Für langfristiges Nischenmanagement eignen sich Entwicklungsnetzwerke weniger gut. 3.5.3Leadorganisationen Innovationsnetzwerke, die von einer Leadorganisation getragen werden, spielen insbesondere in der Phase von Stabilisierung und Wachstum eine Rolle, weil sie sich aufgrund ihrer Struktur auf dem Spektrum zwischen Innovation und Stabilität eher in Richtung des stabilen Endes bewegen (Provan und Kenis 2008). Im Falle der Stiftung Die Chance wurde eine Leadorganisation jedoch auch erfolgreich für die Entwicklung und Implementierung eines innovativen Programms eingesetzt. Das bearbeitete Problem war jedoch an der Peripherie des Schulsystems, nämlich im Bereich des Übergangs von der Schule in den Beruf, angesiedelt, und wurde von uns daher als weniger komplex eingestuft. In der Leadorganisation sind Handlungsfähigkeit und Stabilität dadurch erhöht, dass wichtige Entscheidungen von einem maßgeblichen Akteur getroffen werden, wobei ein geringerer Abstimmungsbedarf entsteht. Dieser Vorteil wird jedoch durch eine verringerte innovative Kapazität erkauft. Die Führungsfunktion kann von staatlichen Stellen, Stiftungen oder anderen NonprofitOrganisationen übernommen werden, was jeweils unterschiedliche Konstellationen der Zusammenarbeit nach sich zieht. Im Falle des DeutschSommer Programms hat etwa die Stiftung Polytechnische Gesellschaft den Grundzügen nach das Bremer Sommercamp-Modell übernommen und nach Frankfurt am Main transferiert. Sie agiert als zentraler ‚Kümmerer‘, spielt eine maßgebliche Rolle bei der Durchführung des Programms, der Einbindung von Partnern sowie Weiterentwicklung und Ausbau der Aktivitäten und trägt auch maßgeblich die Finanzierung des Vorhabens. Dabei agiert die Stiftung jedoch keineswegs als bloßer Solist: Staatliche, halbstaatliche und private Akteure sind weitere Mitglieder des Netzwerks und leisten in dieser Funktion wichtige Teilbeiträge ohne jedoch als gleich verantwortliche Partner zu agieren. Einer unserer Interviewpartner beschrieb dieses Verhältnis so: „Die Stiftung […] führt […] diese Allianz an aus privaten und kommunalen Partnern. Das heißt nicht, dass sie […] Ideen oder auch Impulsen […] von den anderen Partnern irgendwie verschlossen ist, ganz im Gegenteil, aber sie versteht schon auch das Projekt als ihr Kind und entsprechend steckt sie da sicherlich einen anderen Schweiß rein als das die anderen tun. Insofern ist das eine gleichberechtigte Partnerschaft? Jein.“ Der Ausbau des DeutschSommer Programms hin zu einem umfangreicheren Familienprogramm macht jedoch zugleich auch die Einschränkungen von Leadorganisationen deutlich. Zwar wurde von der Stiftung die Notwendigkeit erkannt, das Sommercamp aufgrund seiner allzu kurzfristigen Wirkung weiterzuentwickeln. Die hinzugekommenen Angebote wie Exkursionen in die Stadtbibliothek oder ein Familienstipendium sind jedoch als die konventionellen Instrumente operativer Stiftungen anzusehen und somit als weniger innovativ einzuschätzen als das ursprüngliche Sommercamp-Modell. Insbesondere auch die Evaluation der Effekte des Begleitprogramms bleibt hinter den hohen Maßstäben des Sommercamps zurück. Das Jacobs-Sommercamp wiederum ist als Beispiel für die Fortsetzung eines Programms durch 49 CSI K apit el 3 Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften www.CSI.UNI-HD.de CSI Die Rolle von Netzwerken für die Entstehung und Stabilisierung innovativer Nischen eine staatliche Leadorganisation anzusehen. Das Modell wurde nach Ende des Projekts und Ausscheiden der Partner Jacobs Foundation und Max-Planck-Institut von der Bremer Schulbehörde übernommen. Sie ist bis heute der maßgebliche Träger des Vorhabens geblieben, während die operative Umsetzung vom Bremer Goethe Institut übernommen wird. Eine Weiterentwicklung des Programms hat in dieser Konstellation jedoch nur in ganz begrenztem Umfang stattgefunden.19 Governance Diversität Koordination Lebensdauer Unilateral Niedrig Lang Intern, formell Tabelle 5: Eigenschaften von Leadorganisationen Fazit: Die Leadorganisation erweist sich als wandlungsfähiger Netzwerktyp, der insbesondere für die langfristige Stabilisierung und das Wachstum von Lösungen in innovativen Nischen nachgewiesen werden kann. Netzwerke, die von einer Leadorganisation getragen werden, eignen sich darüber hinaus auch für die Entwicklung von Instrumenten, die weniger komplexe Probleme an der Peripherie des staatlichen Schulsystems adressieren. 3.5.4Konsortien In einem Konsortium werden die Entscheidungen im Unterschied zur Leadorganisation im Konsens und von einem Gremium getroffen, welches sich in unseren Fällen aus teils sehr diversen, teils sehr homogenen Partnern zusammensetzte. Dieser Netzwerktyp wird von einer eigens für diese Aufgabe gegründeten eigenständigen Organisation koordiniert. Dieses Arrangement ist zwar vergleichsweise aufwändig, resultiert jedoch in einer erhöhten Professionalisierung und Stabilisierung des Netzwerks. 19 Darüber hinaus hat sich in den vergangenen Jahren im Bildungsbereich eine Reihe von Nonprofit-Organisationen wie buddY e.V. oder Teach First etabliert, die Schulreform‚Produkte‘ entwickeln, vertreiben und implementieren. Sie basieren ebenfalls auf der Tätigkeit einer Leadorganisation, wobei Stiftungen und andere private Geldgeber den laufenden Betrieb der Organisation finanzieren. Die staatliche Seite hingegen agiert in erster Linie als Abnehmer und ‚Kunde‘ und trägt dabei die Kosten der Aktivitäten in einzelnen Schulen. 50 Im Falle des Projekts Selbständige Schule wurde etwa von den Interviewpartnern die Etablierung regionaler Bildungslandschaften als wichtigstes Ergebnis des Vorhabens genannt. Solche Bildungslandschaften beruhen auf einer Allianz vorwiegend staatlicher Akteure unterschiedlicher Ebenen und Funktionen. Den Steuerungsgremien können jedoch auch Vertreter von Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, darunter auch Stiftungen, angehören. Angesichts der Größe und Komplexität dieser Arrangements werden die Aktivitäten im Rahmen von Bildungslandschaften von sog. regionalen Bildungsbüros koordiniert.20 Der Transfer des SEIS Programms beruhte auf einer ähnlichen Governance-Struktur, hingegen ohne Beteiligung privater Partner. Es wurde an ein Konsortium übergeben, das von einer Gruppe von neun staatlichen Organisationen getragen und von einer Geschäftsstelle am Niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung koordiniert wurde. Dabei handelt es sich zwar nicht um eine eigenständige Organisation, aber doch um eine eigens zum Zweck der Koordination eingerichtete und auf Dauer ausgelegte Abteilung. Netzwerke für Bildungspartner kommt ebenfalls dem Konsortiums-Modell nahe, stellte jedoch in mehrerlei Hinsicht eine Besonderheit dar. Zum einen, weil dieses Projekt mit einer vergleichsweise kleinen Zahl von nur drei beteiligten Partnern arbeitete. Zweitens, weil die Geschäftsstelle nicht klar von der Governance-Ebene getrennt sondern Teil des Trägervereins war, der zugleich den Vereinsvorstand als das oberste Führungsgremium des Projekts umfasste. Drittens, weil operative Entscheidungen von einem Projektleitergremium vorbereitet wurden, dem Angehörige der Trägerorganisationen angehörten und das seinerseits nicht Teil des Vereins war. Diese Ambiguität in der Gestaltung des Netzwerks spiegelt möglicherweise den Umstand wider, dass in dem Projekt selber eine fundamentale Spannung angelegt war: Hatte es sich doch zur Aufgabe gesetzt, ein dauerhaftes Problem durch die Entwicklung einer Infrastruktur zur Förderung bereits bestehender Aktivitäten zu bearbeiten, dies 20 Ungewöhnlich ist im Fall von Selbstständige Schule der Umstand, dass im Rahmen von mehreren aufeinander folgenden Netzwerken ein neues Instrument entwickelt wurde, das seinerseits auf einer Netzwerkstruktur basiert. Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften jedoch im Rahmen eines Vorhabens, das nur auf kurze bis mittlere Dauer angelegt war. Konsortien stellen eine Alternative zur Leadorganisation dar, wenn, wie im Falle der im Rahmen von Selbständige Schule entwickelten regionalen Bildungslandschaften, das Management aus politischen bzw. rechtlichen Gründen nicht von einer einzelnen Organisation übernommen werden kann. Sie werden, wie etwa im Falle von SEIS, auch dann eingesetzt, wenn es um Innovationen mit sehr hohem Verbreitungsgrad geht. Sie sind zwar insbesondere für die Stabilisierung von Innovationen nachweisbar, scheinen jedoch, wie im Falle von regionalen Bildungslandschaften, auch für die Entwicklung neuer Lösungen auf regionaler Ebene genutzt zu werden. Konsortien sind insofern ein ungewöhnlicher Netzwerktypus, als sie Elemente, die für besonders hohe Innovativität stehen (Partnerschaftliche Governance durch große und diverse Gruppen) mit Elementen besonders hoher Stabilität (externer Koordination durch eine Netzwerkmanagement-Organisation) kombinieren. Zumindest theoretisch scheinen Konsortien daher imstande zu sein, ‚die beste aller Netzwerk-Welten‘ zu realisieren. Auffällig ist jedoch, dass sich im Gegensatz zu explorativen Netzwerken, Entwicklungsnetzwerken und Leadorganisationen in allen drei genannten Fällen nicht verlässlich einschätzen ließ, ob die Konsortien die ihnen zugedachten Aufgaben auch tatsächlich erfüllen. Im Falle von regionalen Bildungslandschaften war nicht einmal deutlich, um welche Aufgaben es sich dabei genau handelt.21 Daher kann die Frage nach der Effektivität dieses Netzwerktypus‘ für die Lösung von Problemen im Bildungsbereich hier nicht zuverlässig beantwortet werden. Governance Diversität Koordination Lebensdauer Effektivität Partnerschaft Hoch bis Niedrig NMO Mittel bis Unklar Lang Fazit: Die untersuchten Konsortien wiesen ganz unterschiedliche Governance-Arrangements auf. Sie kamen für Entwicklung und Stabilisierung von Lösungsansätzen zum Einsatz und hatten eine unterschiedliche Lebensdauer. Gemeinsamer Nenner ist stets die Existenz einer dauerhaften externen Netzwerkmanagement-Organisation. Die Frage, in welchen Fällen Konsortien das Mittel der Wahl sind bzw. für welche Aufgaben sie ungeeignet sind, und wie sie im Einzelnen gestaltet werden müssen um Probleme effektiv zu lösen, bedarf noch der weiteren Erforschung. 3.6Wandlungsfähigkeit von Innovationsnetzwerken Die Analyse unserer Fälle zeigt, dass die Netzwerkstruktur sich häufig organisch über die Laufzeit mehrere Projekte hinweg entwickelt und dabei in der Regel einen Weg von höherer Innovation und Kreativität hin zu mehr Stabilität einschlägt. Ursprung des SEIS Projekts etwa war die Bildungskommission NRW, ein sehr groß und divers gestaltetes exploratives Netzwerk, das dementsprechend breite Handlungsempfehlungen vorlegte. Das anschließende Internationale Netzwerk Innovativer Schulen (INIS) war ähnlich explorativ strukturiert und zu Beginn noch gar nicht auf einen konkreten inhaltlichen Schwerpunkt festgelegt. Im Laufe der Zeit und auf Druck der Stiftungsleitung resultierte es in der Idee und dem Prototypen des späteren SEIS Instruments. Um den Prototypen zur Marktreife zu entwickeln, wurde die Komplexität des Netzwerks durch das Ausscheiden der internationalen Partner und der Wissenschaft erneut reduziert; daraus resultierte ein innovatives Entwicklungsnetzwerk. Bei der Übergabe des fertigen SEIS Instruments fand erneut eine Strukturveränderung hin zu einem Konsortium statt. Das neu entstandene Netzwerk wurde von einer homogenen Gruppe staatlicher Partner getragen und von einer eigenen Geschäftsstelle koordiniert, die einer NetzwerkManagement-Organisation ähnlich war. Tabelle 6: Eigenschaften von Konsortien 21 Diese Anmerkung ist jedoch keineswegs als abschließendes Urteil über die genannten Vorhaben anzusehen sondern vielmehr als Hinweis darauf, wie voraussetzungsvoll eine solche Bewertung sein und wie lange es dauern kann, bis sie überzeugend möglich ist. CSI Zugleich zeigt die Analyse von SEIS jedoch auch, dass dieser Prozess nicht unumkehrbar ist. Während es zunächst so aussah, als ob das Instrument sich nachhaltig in einer Vielzahl Schulen etabliert hätte, ist durch die Auf lösung des Konsorti- 51 K apit el 3 www.CSI.UNI-HD.de CSI Die Rolle von Netzwerken für die Entstehung und Stabilisierung innovativer Nischen ums und damit auch der Geschäftsstelle im Jahr 2013 eine neue Situation entstanden. SEIS wird heute von einem kleineren Partnerkreis getragen, der seine Tätigkeit informell koordiniert. Zugleich berichteten unsere Interviewpartner von geplanten Fortentwicklungen des Instruments. Dies mag durch die zu Tage getretenen Probleme von SEIS zu erklären sein, aber auch durch den Umstand, dass das verkleinerte SEIS Netzwerk zwar an Umfang verloren, dafür aber an Handlungsfähigkeit gewonnen hat. gesteuert und koordiniert werden. Für die Koordination eines sehr breiten Spektrums von Akteuren hingegen könnten Konsortien, in denen die Tätigkeit eines je nach Bereich mehr oder weniger breiten Spektrums von Akteuren von einer eigenen Geschäftsstelle koordiniert wird, das Mittel der Wahl sein. Die Eigenschaften der unterschiedlichen Netzwerktypen und die Bedingungen für ihren effektiven Einsatz sind überblickshaft in Tabelle 7 dargestellt. 3.7Fazit Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass je nach adressiertem Problemtyp und je nach Phase des Innovationsprozesses unterschiedliche Netzwerktypen zum Einsatz kommen. Wenn es um die Auswahl bzw. die nähere Bestimmung des zu bearbeitenden Problems geht, kommen explorative Netzwerke zum Einsatz. Für die Neuentwicklung von Lösungen für komplexe Probleme erwiesen sich Netzwerke als geeignet, die von Partnerschaften zwischen Stiftungen, Staat und/ oder Wissenschaft getragen und eher informell koordiniert werden. Für die Stabilisierung und den Ausbau von Nischen werden Netzwerke aus staatlichen und privaten Akteuren eingesetzt, die von einer (staatlichen oder privaten) Organisation Tabelle 7: Netzwerkstruktur und -Effektivität Programm Netzwerkstruktur Problemtyp Phase DeutschSommer Leadorganisation Unterricht & Lernen Stabilisierung & Wachstum Lebensdauer Dauerhaft Die Chance. Stiftung für Leadorganisation Berufspraxis in der Ostschweiz Peripherie Jacobs-Sommercamp Entwicklungspartnerschaft (experimentell) Unterricht & Lernen Entwicklung Kurz Netzwerke für Bildungspartner Konsortium Peripherie Mittel Selbstständige Schule NRW Entwicklungspartnerschaft (innovativ) Management, Entwicklung, Stabili- Mittel bis Lang (mit Unterricht & Lernen sierung & Wachstum Vorgängerprojekt) Selbstevaluation in Schulen (SEIS) Entwicklungspartnerschaft (innovativ) Management 52 Entwicklung, Stabili- Dauerhaft sierung & Wachstum Stabilisierung & Wachstum Entwicklung Mittel bis Lang (mit Vorgängerprojekt) www.CSI.UNI-HD.de Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften CSI 4 Nischen als Bausteine systemischer Innovation Zugleich wurde jedoch auch festgestellt, dass unsere Fälle keine überzeugende Beispiele für die aktive Übernahme der neuentwickelten Modelle durch die staatlichen Partner mit dem Ergebnis einer ‚f lächendeckenden‘ Verbreitung darstellen. Für diesen Befund gibt es eine Reihe unterschiedlicher Gründe. Zunächst einmal den Umstand, dass Innovationen sich in einem System behaupten müssen, das auf ganz anderen Grundannahmen und Routinen beruht und sich derzeit auch dynamisch verändert. Neue Programme konkurrieren darüber hinaus mit einer großen Anzahl weiterer Vorhaben und oftmals auch tagespolitischer Anliegen um Aufmerksamkeit und Ressourcen. Solche Arrangements entfalten oftmals auch nicht von Beginn an ihre volle Wirkung, sondern müssen über längere Zeiträume hinweg weiterentwickelt werden, die deutlich über die übliche Projektdauer von wenigen Jahren Laufzeit hinausgehen. Die Entwicklung von regionalen Bildungslandschaften ist hierfür ein gutes Beispiel. Dieser Prozess erstreckte sich über einen Zeitraum von 22 Jahren, beginnend mit ersten Gesprächen im Rahmen der Bildungskommission NRW ab 1992 über den anschließenden Carl-Bertelsmann-Preis 1996 und die Projekte Schule & Co., Selbstständige Schule und Lernen vor Ort von 1997 bis heute. Dennoch kann die Entwicklung schon deshalb nicht als abgeschlossen betrachtet werden, weil bis heute der eigentliche Anwendungsbereich des Modells bzw. dessen Grenzen nicht hinreichend klar sind: Aus wissenschaftlicher Sicht ist bis heute die Frage unbeantwortet, was genau regionale Bildungslandschaften zu leisten imstande sind, für welche Probleme sie die geeignete Antwort darstellen und für welche Aufgaben sie ungeeignet sind. Innovationen dürfen daher nicht als abgeschlossene Produkte angesehen werden, die nach einer zeitlich begrenzten Entwicklungsphase unverändert übernommen und f lächenhaft verbreitet werden, und so ihre Wirkung dauerhaft und weitf lächig entfalten. Vielmehr sind Innovationen als „dauerhafte Betaversionen“ (O’Reilly 2005) zu begreifen. Daher muss eine kontinuierliche Unterstützung und Weiterentwicklung gewährleistet sein, um Schwächen beheben, die volle Wirksamkeit entwickeln und auf Veränderungen der Umwelt f lexibel reagieren zu können. Eine solche Kombination aus dauerhafter Stabilisierung und dynamischer Weiterentwicklung war in den von uns untersuchten Fällen wiederum nur in Nischen und nicht in der Fläche nachzuweisen. Eine solche bloß nischenhafte Innovation ist indessen auch regelmäßig gar nicht als Problem anzusehen: Wenn, wie etwa im Falle von Die Chance oder DeutschSommer sowohl der geografische Anwendungsbereich als auch die Zielgruppe eines Vorhabens eng zugeschnitten sind, spricht an sich nichts gegen eine solche Begrenzung. Insbesondere der Umstand, dass in beiden Fällen eine dem Umfang nach überschaubare, jedoch besonders benachteiligte Zielgruppe mit außergewöhnlich hohem Förderungsbedarf in einer empfindlichen Übergangsperiode gewählt wurde, macht gerade die Pointe dieser Vorhaben aus. Fasst man die Probleme weiter, wie es Netzwerke für Bildungspartner, Selbstständige Schule und SEIS taten, ist jedoch mit einem solch begrenzten Vorgehen wenig auszurichten. Ihnen ist tatsächlich nur mit Veränderungen in einem sehr viel breiteren Umfang wirksam zu begegnen. Wenn sich jedoch ein ‚f lächenhafter‘ Transfer neu entwickelter Lösungen im Sinne einer Verbreitung in die Mehrzahl oder doch eine systemrelevant hohe Zahl der Schulen eines Landes faktisch nicht 53 K apit el 4 Wir haben oben nachweisen können, dass Partnerschaften zwischen Staat, Stiftungen und ggf. weiteren Akteuren sich dafür eignen, innovative Problemlösungen zu entwickeln und in Nischen dauerhaft zu stabilisieren. Es wurde zweitens eine Netzwerk-Typologie entwickelt, die es strategischen Entscheidern erlaubt, begründet abzuwägen, ob die Bearbeitung eines Bildungsproblems die Arbeit in Partnerschaften erfordert oder nicht, bzw. wie die Netzwerke gestaltet sein sollten, in die solche Partnerschaften eingebettet sind. CSI Nischen als Bausteine systemischer Innovation realisieren lässt, bleibt das eingangs genannte Dilemma bestehen: Bloß insulare Lösungen sind auf die Dauer den Größenordnungen der bearbeiteten Probleme nicht adäquat und bleiben insofern bloße Tropfen auf dem heißen Stein. 4.1Wege aus der Nische Um trotz begrenzter Aussagekraft unserer Fallstudien Auskunft darüber geben zu können, wie sich in solchen Problemfällen relevante Größenordnungen erreichen lassen, entschieden wir uns für eine weitere Phase der Literaturanalyse. Deren Ziel war es, einschlägige Handlungsmodelle zu identifizieren und auf diese Weise zumindest einen Vorschlag machen zu können, wie sich der erforderliche umfangreiche Transfer bewerkstelligen lassen könnte. Die Diskussion in diesem Kapitel beruht daher im Gegensatz zu den bislang vorgestellten Ergebnissen stärker auf einer Auswertung der einschlägigen Literatur als auf der Analyse unserer Fallstudien. Die vermutlich bekannteste Antwort auf die Problematik der ‚Inseln des Gelingens‘ besteht in dem Ansatz, statt der Durchführung immer neuer Pilotprojekte die zur Verfügung stehenden Ressourcen verstärkt für die Verbreitung bzw. das Wachstum von bereits vorhandenen best practices einzusetzen (z.B. Weber et al. 2013). Eine Variante dieses Modells besteht darin, dass Nonprofit-Organisationen ein Programm stabilisieren, weiterentwickeln und ‚skalieren‘. Organisationen wie buddY e.V. oder Teach First zeigen, dass diese Vorgehensweise grundsätzlich funktionieren kann. Auch wenn aufgrund der Knappheit der zur Verfügung stehenden Ressourcen auf diese Weise wohl nicht die Kapazitäten erreicht werden können, die für eine weitreichende Verbreitung erforderlich sind, ist der Ansatz als solcher nachvollziehbar und steht auch in Einklang mit der Beobachtung, dass innovative Modelle zunächst in Nischen stabilisiert und ausgebaut werden müssen. Diese Herangehensweise alleine ist jedoch vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieser Studie als wenig aussichtsreich einzuschätzen. Zum Einen setzt sie voraus, dass nachweislich effektive Vorhaben existieren, die eine Skalierung allererst sinnvoll machen (Weber et al. 2013). Ein- 54 schlägige Beispiele für solch effektive Vorhaben sind jedoch bislang auch international nur sehr selten zu finden (Thümler et al. 2014b).22 Dies liegt, zweitens, unter anderem an dem Umstand, dass es einen deutlichen Zielkonf likt zwischen dem Umfang des Wachstums einzelner Vorhaben und deren Effektivität gibt. Generell gilt die Regel: Je kleiner und begrenzter innovative Vorhaben sind und je schärfer die adressierten Probleme zugeschnitten sind, desto eher ist die gewünschte Wirkung nachweisbar und desto höher ist die Effektstärke – und umgekehrt (Robert Slavin, persönliche Kommunikation). Dies liegt u.a. an dem Umstand, dass die Problemsituationen ebenso wie die Umsetzung vor Ort variieren. Die Verbindung von hohem Wachstum und nachweisbarer Effektivität gelingt daher bislang nur ganz wenigen Vorhaben (siehe für ein erfolgreiches Beispiel Schröer 2014a). Drittens leidet der Ansatz unter dem Problem, dass er die besondere Problematik innovativen Handelns in komplexen sozialen Systemen weitgehend ausklammert. Denn Vorhaben, die komplexe Probleme adressieren, sind kaum langfristig planbar. So beschrieb einer unserer Interviewpartner die Entwicklung der Projekte SEIS und Selbstständige Schule als einen organischen Prozess und urteilte, „dass es oftmals keine vernünftige Strategie gegeben hat. Aber bei solchen Entwicklungsprozessen ist es ziemlich schwierig, vorauszusehen, was einem alles so begegnet.“ Dies ist gerade auch für partnerschaftliche Konstellationen charakteristisch, denn „[m]an kann dann nicht einfach sagen: So, das ist das Konzept, und das machen wir jetzt. […]. Das geht einfach nicht. Sondern solche Projekte haben ein gewisses Eigenleben und da muss man die Partner auch mit Entwickeln lassen. Und das ist auch das eigentlich Spannenden in einem Projekt.“ Hinzu kommt der Umstand, dass im Falle genuiner Innovationen, wie oben bereits am Beispiel regionaler Bildungslandschaften dargestellt, häufig über lange Zeit hinweg gar nicht klar ist, wie 22 Siehe darin auch ein kritisches Portrait von Teach for America, der US-amerikanischen Mutterorganisation von Teach First (Schröer 2014b). Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften ihre Effektivität einzuschätzen ist und worin ihr genauer Einsatzbereich besteht. Nicht zuletzt ist auch denkbar, dass verschiedene Innovationen überhaupt erst in Kombination Sinn machen und Systemwirkung entfalten. So wird einer der Vorteile regionaler Bildungslandschaften etwa darin gesehen, dass sie eine Plattform zur Verfügung stellen, an die die Anbieter neuer Instrumente andocken können, die ansonsten gar keinen Träger für ihre Angebote hätten finden können. Regionale Bildungslandschaften könnten insofern als die Bedingung der Möglichkeit regionaler Innovationsprozesse angesehen werden, insofern sie die Durchführbarkeit anderer Vorhaben allererst ermöglichen. Der Nachweis dieser Fähigkeit ist aber naturgemäß nicht einfach zu erbringen. 4.2Nischen neu bewertet Wir haben aus diesen Überlegungen die Schlussfolgerung gezogen, dass eine Antwort auf das Dilemma der ‚Inseln des Gelingens‘ jedenfalls nicht alleine in einer Kombination des Pilotprojekt-Ansatzes mit einer unternehmerischen Wachstumslogik liegen kann. Wir schlagen stattdessen ein alternatives Modell sozialer Innovation vor, dass auf die Rehabilitation und Neubewertung von ‚Inseln des Gelingens‘ als wichtigen Orten und grundlegenden Einheiten sozialer Innovation setzt. Wir gehen, mit anderen Worten, davon aus, dass derartige Nischen, wenn sie richtig konzipiert werden, nicht als Sackgassen, sondern als unverzichtbare Bestandteile der ‚Innovationsreise‘ (Van de Ven et al. 2008) anzusehen sind. Dieses Vorgehen knüpft an den Umstand an, dass unsere Interviewpartner regelmäßig Skepsis gegenüber der Sinnhaftigkeit kurzfristigen Engagements zum Ausdruck brachten, wohingegen das Erfordernis eines Handelns in langfristiger Perspektive als wesentliche Bedingung für erfolgreiches Handeln im Bildungsbereich hervorgehoben wurde: „[w]enn wir am Thema Bildungsgerechtigkeit arbeiten, dann arbeiten wir wirklich fast an einer Jahrhundertaufgabe, ja. Und mit diesem Bewusstsein muss man da auch rangehen und sagen, ‚das war jetzt einer der vielen Steine auf dem Weg‘. Also der Projektdruck […] der ist für jede Art von Lernen […] vollkommen destruktiv.“ CSI Zugleich wurde jedoch auch festgestellt, dass staatliche Akteure oftmals zu f lächendeckendem Handeln gezwungen sind, was wiederum für die Entwicklung von Innovationen als überaus nachteilig angesehen wurde. Eines der wichtigsten Argumente für die Zusammenarbeit von Stiftungen und Staat ist daher in dem Umstand zu sehen, dass solche Arrangements das Entstehen innovativer Nischenlösungen begünstigen. Einer unserer Interviewpartner sagte: „Vom Staat aus gesehen […] ist es schon interessant mit Stiftungen zusammenzuarbeiten, weil sie dann auch in Themengebiete hineingehen können, etwas ausprobieren können, was sie selber mit ihrer Verpf lichtung zur Flächenversorgung nicht anpacken würden und nicht anpacken könnten.“ Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Etablierung und Weiterentwicklung solcher Nischen in langfristiger und systemischer Absicht als wichtige Alternative zu zeitlich wie räumlich stark begrenzten Pilotprojekten einerseits bzw. von vornherein systemweitem Handeln andererseits anzusehen. Die Pointe des hier vertretenen Ansatzes besteht dabei in der Annahme, dass systemische Relevanz weder aus bloß pilothaften ‚Impulsen‘, noch der Etablierung einzelner Modelle, sondern vielmehr aus der Vernetzung einer größeren Zahl nischenhafter Akteure erwächst, die ähnliche Probleme im Rahmen vorwiegend lokaler, ihrem Umfang nach zunächst begrenzter, Vorhaben bearbeiten. 4.3Die Relevanz innovativer Nischen für den Prozess sozialer Innovation Wir beziehen uns für die folgenden Überlegungen auf die wissenschaftliche Literatur zum sog. strategischen Nischenmanagement. Dieser Forschungsansatz konzentriert sich auf die Beschreibung, Modellierung und Erklärung von radikalen Prozessen sozio-technischer Innovation. Er geht dabei von dem Problem des Wandels dominanter technologischer ‚Regimes‘ aus. Damit ist das komplexe Gefüge aus Infrastruktur und Organisationen, Techniken und Wissen, Akteuren in unterschiedlichen Positionen und Funktionen sowie ihrer denk- und handlungsleitenden Nor- 55 K apit el 4 www.CSI.UNI-HD.de CSI Nischen als Bausteine systemischer Innovation men, Praktiken, Vokabulare und Motivationen gemeint, das jedem funktionierenden technologischen System zugrunde liegt und von dem Innovationen mehr oder weniger stark abweichen. Die komplexen Bestandteile solcher Systeme haben sich über lange Zeiträume hinweg aufeinander eingespielt und entwickeln daher eine hohe Beharrlichkeit gegenüber gezielten Eingriffen. Kemp et al. (1998) illustrieren diesen Umstand mit dem Beispiel der Entwicklung des Automobils. 23 Dieser Darstellung nach entstand während einer Phase intensiver Entwicklungsaktivitäten im Zeitraum von 1890 bis 1920 ein “dominantes Design” das u.a. aus einem Verbrennungsmotor, einem Metallrahmen und einem Steuerrad besteht und seitdem keine wesentlichen Veränderungen mehr erfahren hat (Kemp et al 1998: 178). Seitdem ist um dieses Design herum ein komplexes System entstanden, das eine umfangreichende Infrastruktur (wie etwa Automobilfabriken und ein Tankstellennetz) ebenso umfasst, wie Anreize durch staatliche Regulierung oder Vorstellungen von Herstellern und Kunden davon, wie ein ‚richtiges‘ Auto auszusehen hat. Solche Systeme entwickeln aus drei Gründen ein hohes Maß an Beharrlichkeit. Zum einen, weil die Vielfalt unterschiedlicher Komponenten sich gegenseitig stabilisiert und so zu Entwicklungspfaden führt, die nicht leicht zu verändern sind: “What we have is not a set of factors that act separately as a containment force, but a structure of interrelated factors that feed back upon one another, the combined inf luence of which gives rise to inertia and specific patterns in the direction of technological change.” (Kemp et al. (1998: 181) Derartige stabile technologische Pfade und Regimes machen zweitens die Entwicklung von Alternativen selbst dann problematisch, wenn grundlegende Probleme unübersehbar sind. (Kemp et al. 1998). Neue Technologien wie z.B. Elektroautos haben es unter diesen Umständen schwer sich zu behaupten geschweige denn in grö23 An diesem Beispiel wird zugleich deutlich, dass organisationale Trägheit und Resistenz gegenüber Veränderung keineswegs charakteristische Eigenschaften des Schulsystems im Besonderen oder staatlicher Organisationen im Allgemeinen sind. Im Gegenteil liegen Stabilität und Trägheit in der Natur von Systemen, die aus einer Vielzahl aufeinander abgestimmter Elemente bestehen, die in einem Laufe eines langen Entwicklungsprozesses entstanden sind. 56 ßerem Umfang durchzusetzen: weil der Auf bau von entsprechenden Produktionskapazitäten teuer und risikoreich ist, die technische Umwelt herkömmliche Fahrzeuge begünstigt, sie sich gegen mächtige Interessen der Industrie behaupten müssen, und weil nicht klar ist, ob Elektrofahrzeuge hinreichend zuverlässig und funktionsfähig sind und welche Nachteile mit der umfangreichen Einführung solcher Technologien verbunden sind. Es kommt drittens der Umstand hinzu, dass sich solche komplexen Systeme umfangreicheren zielgerichteten Eingriffen widersetzen, denn deren Entwicklungsprozess „strebt nicht etwa zielgerichtet und linear immer besseren Funktionalitäten entgegen, sondern kann mit dem Wachstum von Hefe verglichen werden, ‚with developments branching off in different directions, and cross-connections and interactions complicating the picture further‘“ (Ilten 2009: 16). Wie kann unter Bedingungen hoher Stabilität des existierenden Regimes und hoher Unsicherheit und geringer Planbarkeit von Innovationen dennoch mit Aussicht auf langfristigen Erfolg agiert werden? Die Forschung geht davon aus, dass Innovationen sich zunächst nur in geschützten Nischen, d.h. „neuartigen, zunächst lokalen, spezifischen Anwendungsbereichen, die nicht den Regeln und der Grammatik des dominanten technologischen Regimes entsprechen“ (Ilten 2009: 17) entwickeln können. Die Bedeutung solcher Nischen für die Entwicklung radikaler, d.h. stark von den vorherrschenden Praktiken abweichenden, Innovationen wurde zunächst in der Ökonomie hervorgehoben. Nischen werden dabei als Orte angesehen, in denen die verbreiteten Anforderungen an routinehaftes, ‚richtiges‘ Handeln außer Kraft gesetzt sind, was das Entstehen von substantiellen Innovationen im Laufe der Zeit allererst ermöglicht (Levinthal 1998). Nischen stellen einen geschützten Raum zur Verfügung der es ermöglicht, noch unfertige Ansätze zu stabilisieren und weiterzuentwickeln. Sie sind daher wesentlich Orte des Lernens und Experimentierens. Zugleich haben sie die Funktion, das valley of death von Innovationen zu überbrücken und neue Instrumente soweit zu stabilisieren und auszubauen, dass die Nischen unter gün- Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften stigen Umständen aufgelöst und die neu entwickelten Technologien sich innerhalb herrschender Regimes verbreiten oder diese sogar grundsätzlich transformieren können. Bereits die Etablierung und Stabilisierung innovativer Nischen kann jedoch von der Bereitschaft anderer Akteure im Feld abhängen, solche Abweichungen von der Norm überhaupt zuzulassen. Dieser Umstand deutet auf die grundsätzlich politische Natur sozialer Innovation hin. Dies gilt natürlich umso mehr für deren Wachstum und Migration auf Regimeebene. Dafür ist zum einen eine dynamische Entwicklung der Nischen in quantitativer und qualitativer Hinsicht erforderlich: Im Laufe der Zeit entstehen immer neue, immer besser aufeinander abgestimmte lokale Aktivitäten, wobei einzelne Nischenvorhaben durchaus auch ein stärkeres Wachstum aufweisen können. 24 Parallel findet eine qualitative Entwicklung statt. Sie kommt zum Ausdruck in besser funktionierenden Technologien, vermehrtem Wissen über Anwendungsbedingungen, billigeren und zuverlässigeren Produktionsverfahren und dergleichen. Auf diese Weise akkumulieren einzelne Nischenaktivitäten zu einem nischenhaften Subsystem, das als Voraussetzung einer umfassenderen Transformation des Regimes angesehen wird (Geels 2002). Auch hoch entwickelte Nischenpraktiken migrieren allerdings nur unter günstigen Umweltbedingungen in größerem Umfang in das dominante Regime oder ersetzen es gar. Zu diesen Voraussetzungen werden insbesondere Krisen des Regimes gezählt, die durch innere Konf likte, in erster Linie aber durch Veränderungen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene (der sog. „Landschaft“) ausgelöst werden (Geels 2002: 1262). Die Energiewende in Deutschland infolge des Reaktorunfalls in Fukushima ist ein besonders drastisches Beispiel für diese Konstellation: Während sich in der Nische des Sektors erneuerbarer Energien über Jahrzehnte hinweg eine, wie sich heute zeigt, funktionsfähige Alternative zu Kernkraft und konventionellen Energieträgern entwickelt hatte, 24 Je nach Entwicklungsstadium können Nischenakteure bloß lokale ‚Bastler‘ sein, im Laufe der Zeit aber auch eine beträchtliche Größe erreichen. Als einschlägiges Beispiel für einen solchen Entwicklungsprozess ist etwa das US-amerikanische Programm ‚Success for All‘ zu nennen, das in bis zu 2000 Schulen verbreitet ist und somit die Größe des Schulsystems eines kleinen Bundesstaats erreicht (Peurach 2011; Schröer 2014a). CSI bedurfte es einer fundamentalen Krise, um die Umstellung in Gang zu setzen. Im Bildungsbereich wäre als entsprechendes Beispiel der PisaSchock von 2001 zu nennen – nur lag zu diesem Zeitpunkt entweder keine überzeugend ausgearbeitete nischenhafte Alternative zum dominanten System vor, oder die einschlägigen Nischenakteure waren nicht in der Lage, die Gelegenheit zu ergreifen. Die Grafik von Geels (2002) (siehe nächste Seite) illustriert dieses Zusammenspiel von Nischen, Regimes und Landschaft. Sie macht deutlich, dass einzelne Nischenaktivitäten nur aufgrund des Entstehens von windows of opportunity im Sinne von Instabilität auf Landschafts- und Regimeebene in letzteres migrieren und auf diese Weise sowohl Regime als auch Landschaft verändern können. In solchen Fällen kann es zum Aufgehen der Nischentechnologie im dominanten Regime kommen. Die Grafik suggeriert dabei eine lineare Entwicklung in dem Sinne, dass einmal migrierte Nischenpraktiken stabil in das dominante System eingebaut werden. Das Beispiel SEIS macht jedoch deutlich, dass die Übernahme eines neuen Ansatzes durch staatliche Akteure nicht notwendigerweise mit einer solchen dauerhaften Transformation gleichzusetzten ist. In diesem Fall kann von einer ‚probeweisen‘ Übernahme des Instruments in das System gesprochen werden, die nach einer Übergangszeit jedoch in wichtigen Teilen wieder rückgängig gemacht wurde.25 Dieser Umstand macht deutlich, dass dauerhafter Transfer selbst dann kaum planbar ist, wenn er vertraglich zumindest mittelfristig gut abgesichert ist: „Es gab Bundesländer, die waren die Treiber, und dann [ist] durch eine von außen natürlich gar nicht mehr nachvollziehbare interne Umstrukturierung kein Ansprechpartner mehr geblieben. […] [D]a wähnten wir uns auf der sicheren Seite, und ‚aus die Maus‘.“ Nischen müssen zwar nicht notwendigerweise für immer aufrechterhalten werden. Es ist jedoch wichtig, sie nicht vorzeitig aufzulösen sondern so lange zu stabilisieren bis sichergestellt ist, dass sie sich tatsächlich fest innerhalb des Regimes 25 Die Einführung von Studiengebühren an deutschen Universitäten sowie die Einführung des achtjährigen Gymnasiums sind weitere Beispiel für die Instabilität solcher Veränderungsprozesse. 57 K apit el 4 www.CSI.UNI-HD.de CSI Nischen als Bausteine systemischer Innovation Abbildung 2: Dynamische Mehrebenen-Perspektive auf technologische Übergänge. Quelle: Geels (2002: 1263). etabliert haben. Daher spricht viel für die Empfehlung eines Interviewpartners, zwar auf den Transfer neuer Ansätze hinzuarbeiten, diesen jedoch nicht als Ausstieg zu gestalten sondern als „Rollenwechsel […] „vom Initiator zum Begleiter hin zum vielleicht noch kritischen Freund der noch eine Weile mit dabei ist. […] Man kann ja nicht Dauerlutscher in Stiftungen bearbeiten.“ 4.4Die Bedeutung von Netzwerken für Nischenprozesse Für die Fragestellung dieser Studie ist darüber hinaus der Umstand wichtig, dass die Forschung zu strategischem Nischenmanagement insbesondere der Vernetzung nischenhafter Akteure hohe Bedeutung für Verlauf und Erfolg des Innovationsprozesses beimisst. Innerhalb der Nischen werden lokale Netzwerke als maßgebliche Träger der Innovation angesehen. Sie unterstützen den Nischenprozess indem sie Ressourcen wie Geld und Personal, Wissen und praktische Kenntnisse zur Verfügung stellen. Zugleich ermöglicht die Interaktionen zwischen den Netzwerkmitgliedern 58 diejenigen intensiven Lernprozesse, die für innovative Nischen charakteristisch sind (Schot und Geels 2008). Auf einer globalen, d.h. projektübergreifenden Ebene, spielen Netzwerke ebenfalls eine wichtige Rolle, doch diese ist etwas anderer Natur: Während etwa die Netzwerke innerhalb einer Nische sehr konkretes, problem-spezifisches Wissen entwickeln, dienen globale Netzwerke dem Austausch dieses Wissens und bringen darüber hinaus abstraktes, allgemeingültiges Wissen hervor, das wiederum zwischen verschiedenen Nischenaktivitäten zirkulieren kann. Des Weiteren tragen Netzwerke auf globaler Ebene zur Bewusstseinsbildung bei, indem Sie ein Verständnis einzelner Akteure als Angehörige eines gemeinsamen Felds befördern (Geels und Deuten 2005; Raven und Geels 2010). Darüber hinaus liegt die Annahme nahe, dass Netzwerke im Rahmen des Innovationsprozesses nicht lediglich eine Lernfunktion erfüllen, sondern dass ihnen wesentlich auch eine politische Dimension zukommt. Schot und Geels (2008) weisen etwa darauf hin, dass Netzwerkmitglieder Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften auch die Aufgabe haben, die Nische vor externen Eingriffen schützen. Dieser bedeutsame Umstand kommt jedoch im Kontext von SNM nur am Rande zur Sprache; nach Kenntnis des Autors ist er bislang in der sozialwissenschaftlichen Literatur zwar festgestellt (Tichy et al. 1979) aber nicht näher ausgearbeitet worden. 4.5Strategisches Nischenmanagement in der Praxis Keines der von uns untersuchten Vorhaben entspricht vollständig dem oben vorgestellten Ansatz. Gleichwohl weisen die Projekte Selbstständige Schule und Netzwerke für Bildungspartner wichtige Merkmale eines solchen Vorgehens auf. Wenngleich beide sicher nicht als genuine Beispiele für strategisches Nischenmanagement gelten können und auch nicht als solche intendiert waren, so lassen sich der Analyse dieser Vorhaben doch wichtige Hinweise entnehmen, welche alternative Rolle Stiftungen und Staat künftig bei der Gestaltung langfristiger Prozesse sozialer Innovation spielen könnten. Das Projekt Selbständige Schule ist zunächst einmal ein gutes Beispiel für die Bedeutung innovativer Nischen für die Ermöglichung von Lernprozessen und illustriert zugleich deren zutiefst politische Dimension. Das Vorhaben zielte auf eine Transformation des Schulregimes, hier: des hierarchischen Steuerungsmodells des Schulsystems in Nordrhein-Westfalen ab. Im Rahmen des Projekts sollte dieses in ausgewählten Regionen probeweise außer Kraft gesetzt und durch ein alternatives Modell ersetzt werden. Dieser Versuch war hochpolitisch, wurde von wichtigen Stakeholdern dementsprechend kritisch wahrgenommen und war deshalb vielfältigen Versuchen der externen Einf lussnahme und Kontrolle ausgesetzt. Organisationale Lernprozesse sind jedoch wesentlich auf eine stabile Umgebung angewiesen, um kausale Beziehungen zwischen reformerischem Handeln und dessen Effekten nachvollziehen zu können (Van de Ven et al. 2008: 80). Daher wurde das Projekt durch den Umstand begünstigt, dass einige Regionen mehr als andere die für erfolgreiches Nischenmanagement erforderliche politische Unterstützung mobilisieren und Eingriffe CSI von außen abwehren konnten. Einer unserer Interviewpartner benutzte für diesen Umstand das Bild einer ‚Käseglocken-Strategie‘: „Wir haben auf die Region […] eine Käseglocke drüber gepackt, die ist ja durchsichtig […]. Also wer will, der kann ja reingucken. Man kann die auch hochheben. Aber ich hebe sie nur hoch, wenn ich soll. Und dieser Schutz vor bestimmten zu frühen, präventiven Einflussnahmen hat natürlich dann Entwicklungen ermöglicht, die sich dann auch nicht mehr zurückholen ließen. Das ist auch politisches Handeln, meines Erachtens auch Governance-orientiert.“ Auch in Selbstständige Schule waren solche Nischen in erster Linie Lernorte, jedoch war auch dieses Anliegen stets untrennbar mit politischen Erwägungen verbunden. Ein Projektbeteiligter urteilte über die Motive des Ministeriums für die Zusammenarbeit mit der Stiftung nüchtern: „Das Bildungsministerium hatte Interesse, mit diesen Pilotprojekten bestimmte Entwicklungen auszuprobieren, in einem, ich sag mal, eher geschützten Raum mit einem Partner, den man notfalls, ja, behelligen kann, oder dem man vorwerfen kann, dass er es falsch gemacht hat.“ Hinzu kam dabei der Umstand, dass es gerade die partnerschaftliche Konstellation war, die ein Lernen über verschiedenen Ebenen des staatlichen Systems hinweg überhaupt möglich machte: „Dazu bedurfte es eines solchen Partners, weil die Ressentiments, Vorurteile, das eingefahrene Miteinander-Umgehen, die Hierarchieebenen, die wir in den Systemen drin haben, die wären sonst überhaupt nicht zu überwinden gewesen.“ Diese Nischenstrategie kam noch in einem weiteren Umstand zum Ausdruck. Denn als Nachfolgeprojekt zu dem Vorhaben Schule & Co., in dem die eigentliche Modellentwicklung stattgefunden hatte, ging es hier darum, den neu entwickelten Ansatz für weitere sechs Jahre nicht nur zu stabilisieren sondern auch umfangreich weiterzuentwickeln. Hatten im Rahmen von Schule & Co. immerhin 52 Schulen in zwei Modellregionen teilgenommen, waren an Selbstständige Schule bereits 278 Schulen in 19 von 54 Regionen in NRW als volle Projektpartner beteiligt, von 2004 bis 2008 nahmen weitere 413 Schulen als Korrespondenzschulen teil. 59 K apit el 4 www.CSI.UNI-HD.de CSI Nischen als Bausteine systemischer Innovation Dabei war den Beteiligten auch in diesem Zusammenhang der politische Charakter dieses Vorgehens klar: Sie agierten eben nicht alleine auf Grundlage der Annahme, dass das neue Modell bei nachgewiesener Effektivität wie von selbst übernommen werden würde. Es ging vielmehr darum, durch den Auf bau einer einf lussreichen Allianz sowie die Mobilisierung von Unterstützung aus den Modellregionen heraus hinreichenden Druck auf die Ebene der politischen Entscheider aufzubauen um politische Unterstützung für den weiteren Ausbau sicherzustellen. Dieser Ansatz bewährte sich spätestens in dem Moment (wenngleich anders, als von der Projektleitung geplant), als maßgebliche Veränderungen auf Landschaftsebene stattfanden. 2005 kam es in Nordrhein-Westfalen zu einem Regierungswechsel. Die neue schwarz-gelbe Landesregierung stand dem Projekt, das mit der Vorgängerregierung identifiziert wurde, sehr kritisch gegenüber. Laut Einschätzung unserer Interviewpartner verhinderte der erfolgreich mobilisierte Widerstand aus der Schulpraxis heraus womöglich die frühzeitige faktische Einstellung des Vorhabens. Eine Weiterentwicklung über die reguläre Projektzeit war unter diesen Bedingungen jedoch nicht mehr möglich. Das Beispiel von Netzwerke für Bildungspartner hingegen weist zunächst einmal auf den Umstand hin, dass Innovation nicht in jedem Fall eigene Entwicklung notwendig macht. Wenn ein Problem von bereits existierenden Nischenakteuren bearbeitet wird, kann es eine klügere Strategie sein, diese mit maßgeschneiderten Angeboten zu fördern. In diesem Fall wäre es allerdings wünschenswert, sich über die Effektivität der geförderten Vorhaben im Klaren zu sein, was hier nicht der Fall war: „[U]rsprünglich ist man losgezogen, hatte den Gedanken: Es gibt vielleicht ein Ei des Kolumbus wie man es machen muss und dann schreibt man das nieder, schickt es allen, alle machen es so und dann wird das wunderbar funktionieren […]. Das hat sich herausgestellt […] das es so nicht ist. Sondern [..] die Verhältnisse vor Ort sind extrem unterschiedlich, die Anforderungen sind sehr unterschiedlich.“ Als Reaktion auf eine fragmentierte Akteurslandschaft und die damit einhergehende Unklarheit 60 über funktionierende Ansätze wählte man daher einen Ansatz, der mit der Erwartung verbunden war, „dass man durch den Auf bau solcher Netzwerke, durch die Einrichtung eines Beraterpools für die Beratung dieser Netzwerke, durch das Rausgeben von Fördermitteln für diese Netzwerke und die Einrichtung einer zentralen Stelle, die den ganzen Prozess lenkt und leitet und auch auswertet zu einem funktionierenden System kommt.“ Die Projektpartner agierten deshalb von Vornherein weniger auf lokaler sondern eher auf globaler Nischenebene. Die im Projekt gewählte Kombination aus Vernetzung, Beratung und finanzieller Förderung vorhandener Akteure illustriert wichtige Instrumente im Repertoire strategischen Nischenmanagements und stellt insofern trotz der Skepsis der Projektbeteiligten einen im Grundsatz durchaus nachvollziehbaren und kohärenten Ansatz dar. Allerdings geht diese Herangehensweise mit einer Veränderung der vertrauten Rolle gerade von Stiftungen einher. Diese Wahrnehmung von einer konkreten operativen hin zu einer eher politischkommunikativen Funktion wurde von einem Interviewpartner im Projekt Selbstständige Schule so ausgedrückt: „Die Stiftungen haben überhaupt keinen legitimierten Auftrag. So, und deswegen sage ich, Stiftungen sind nicht in erster Linie Bildungsakteure, sondern sie könnten Akteure sein, die die Kooperation im Bildungswesen befördern, durch Moderation, durch Geld, durch know-how, durch ihre Netzwerke, durch alles Mögliche. Von mir aus auch durch ihren politischen Druck, den sie entfalten können. Die Kooperation zu fördern […], das wäre für mich die hervorragendste Aufgabe einer Stiftung im Bildungsbereich.“ Gerade der Vergleich mit Selbstständige Schule macht jedoch auch deutlich, dass im Fall von Netzwerke für Bildungspartner der gewählte Projektzeitraum von rund drei Jahren vermutlich allzu kurz bemessen war um diejenigen Lern- und Wachstumsprozesse anzustoßen, die für eine genuine und nachhaltige Nischenentwicklung einerseits und die nötige Mobilisierung politischer Unterstützung andererseits erforderlich gewesen wären. Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften 4.6Fazit Wichtigstes Ergebnis staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften ist die Entwicklung und Etablierung innovativer Nischen. Darunter sind geschützte Räume unterschiedlicher Größe zu verstehen, in denen neuartige Problemlösungen experimentell entwickelt, langfristig betrieben, weiterentwickelt und ausgebaut werden. Solche Nischen, oftmals als ‚Inseln des Gelingens‘ bezeichnet, sind weder als unzureichende Problemlösungen, noch als Sackgasse sozialer Innovation anzusehen. Sie können vielmehr als adäquate Lösungen für solche Problemsituationen angesehen werden, die hinsichtlich der Zielgruppe und/ oder geografischen Ausdehnung eng begrenzt sind. Doch Nischen sind auch dann nicht irrelevant, wenn es um die Veränderung komplexer Systeme geht. Sie spielen vielmehr eine unverzichtbare Rolle in umfangreicheren Prozessen sozialer Innovation. Denn solche Prozesse gehen nicht direkt von der Entwicklung und Implementierung neuer Instrumente zu deren f lächendeckender Verbreitung und Wirkung über. Neue Lösungen müssen im Anschluss an die Entwicklungsphase zunächst als innovative Nischen stabilisiert und vernetzt werden. Unter günstigen Umständen eröffnen sich im Laufe der Zeit windows of opportunity die es erlauben, dass aus diesen Nischen heraus breitere gesellschaftliche Veränderungen angestoßen werden. CSI Dieser Prozess hat nicht zuletzt auch eine politische Dimension: Die Verbreitung neuer Ansätze auf Regimeebene kommt nicht alleine deshalb zustande, weil innerhalb des Systems eine Nachfrage nach effektiven neuen Problemlösungen besteht, sie bedarf vielmehr der Fürsprache und Unterstützung mächtiger Stakeholder. Die Gestaltung eines solchen Prozesses erfordert von den handelnden Akteuren ‚strategisches Nischenmanagement‘ – und eine gehörige Portion Glück und Geschick, denn eine Garantie für den Erfolg einer solchen Herangehensweise kann es nicht geben. K apit el 4 www.CSI.UNI-HD.de 61 CSI Handlungsempfehlungen: Innovation durch Netzwerke 5 Handlungsempfehlungen: Innovation durch Netzwerke Auf Grundlage unserer empirischen Daten sowie einer Auswertung der einschlägigen Literatur können wir folgende Handlungsempfehlungen aussprechen. Sie richten sich gleichermaßen an Stiftungen wie an staatliche Akteure, die an sozialer Innovation im Bildungsbereich interessiert sind. 5.1Auf Pilotprojekte und flächendeckende Verbreitung verzichten Wir empfehlen Stiftungen, die im Bildungsbereich operieren, den Verzicht auf zeitlich begrenzte Pilotprojekte in der unbegründeten Hoffnung auf spätere systemweite Wirkung. Staatlichen Akteuren empfehlen wir, flächendeckendes Handeln in der Hoffnung auf innovative Problemlösungen häufiger zugunsten dauerhafter, jedoch begrenzter Entwicklungsvorhaben zurückzustellen. Dies bedeutet natürlich nicht, dass gar keine Pilotprojekte mehr durchgeführt werden sollten. Für die Bearbeitung von Problemen, für die es noch keine überzeugenden Lösungsmodelle gibt, können solche Formate sinnvoll sein – jedoch nur, wenn auch sichergestellt ist, dass im Fall nachweislich erfolgreicher oder doch zumindest vielversprechender Lösungsansätze auch eine nachhaltige Weiterentwicklung gewährleistet werden kann. Damit ist auch nicht gemeint, dass weitreichende Veränderungen nicht zumindest als Vision für innovatives Handeln handlungsleitend sein könnten. Es bedeutet vielmehr, dass weder kurzfristige begrenzte Pilotprojekte noch langfristige f lächendeckende Programme die entscheidenden Bausteine für Prozesse sozialer Innovation sind. Innovatives Handeln kann zwar durchaus von einer Vorstellung davon geleitet sein, wie das leistungsfähige, inklusive und gerechte Schulsystem der Zukunft aussehen sollte. Dabei sollte die Strategiediskussion jedoch um die Frage kreisen, wie es gelingen kann, effektive Lösungsmodelle zu entwickeln und deren Nachhaltigkeit im Rah- 62 men begrenzter innovativer Nischen dauerhaft zu gewährleisten. 5.2Strategisches Nischenmanagement erproben Stiftungen und Staat sollten deshalb strategisches Nischenmanagement als eine neuartige Form staatlich-philanthropischer Zusammenarbeit erproben. Damit wird die Initiierung, Koordination und Förderung einer Vielzahl von Nischenaktivitäten bezeichnet, sofern sie in der Absicht geschieht, Bausteine für systemischen Wandel zu entwickeln. Unsere Empfehlung läuft darauf hinaus, gemeinsam und auf offene und experimentelle Weise ein breiteres Spektrum effektiver neuer Instrumente zur Lösung von Bildungsproblemen zu entwickeln und sie im Rahmen miteinander vernetzter innovativer Nischenaktivitäten dauerhaft zu stabilisieren und auszubauen. Dies impliziert zugleich die Empfehlung einer veränderten Ressourcenallokation. SNM erfordert die Durchführung weniger, dafür aber besser ausgewählter, aufwändiger begleiteter und langfristiger angelegter Vorhaben. Konkret könnte dies bedeuten, in einem ausgewählten Feld – etwa der Unterstützung von ‚failing schools‘ oder der Förderung von Kindern, die Probleme mit der deutschen Sprache haben – gemeinsam und über einen langjährigen Zeitraum hinweg tätig zu werden. Dabei könnte entweder ein neues Programm ins Leben gerufen werden, es könnte aber auch an bereits existierende Vorhaben angeknüpft werden. Zu nennen sind im Zusammenhang mit ‚failing schools‘ etwa School Turnaround – Berliner Schulen starten durch (durchgeführt von Berliner Bildungsbehörde und Robert Bosch Stiftung) und Ein Quadratkilometer Bildung in Neukölln (ein Projekt der Freudenberg Stiftung und der Karl-Konrad-und-RiaGroeben-Stiftung, ebenfalls in Partnerschaft mit der Berliner Bildungsbehörde). Für den Bereich der Sprachförderung wäre etwa an die zahlreichen Sommercamps zu denken, die in Folge des Jacobs- Erfolgsbedingungen staatlich-philanthropischer Bildungspartnerschaften Sommercamps initiiert worden sind. Die Etablierung und Weiterentwicklung solcher Nischen erfordert eine langjährige Förderung und Vernetzung, die insbesondere auch die Generierung von Wissen über die Effektivität dieser Programme oder einzelner Bestandteile in den Mittelpunkt stellen sollte. Ein besonderer Mehrwert könnte daher darin bestehen, nach dem Vorbild von US-amerikanischen Programmen wie Title 1 insbesondere die evidenzbasierte Neu- und Weiterentwicklung innovativer Vorhaben zu fördern. Zum einen, weil es bislang noch zu wenige Programme gibt, die ihre Effektivität nicht nur behaupten, sondern anhand unabhängiger Evaluationen auch überzeugend nachweisen können (Thümler et al. 2014b). Zum anderen, damit diese sehr langfristige Perspektive nicht in erster Linie denjenigen Akteuren zugutekommt, die ihre Vorhaben am geschicktesten verkaufen können, obwohl sie keinen nachweisbaren Mehrwert für Schülerinnen und Schüler bzw. Schulen schaffen. 5.3Vernetzte Problemlösungsgemeinschaften als Instrumente einsetzen Vernetzte Problemlösungsgemeinschaften („networked improvement communities“) im Sinne von Bryk et al. (2010) stellen das zentrale Instrument des strategischen Nischenmanagements dar. Eine solche Problemlösungsgemeinschaft ist zunächst einmal als Netzwerk-Arrangement anzusehen, das verschiedene Akteure und ihre besonderen Ressourcen umfasst und das Ziel hat, gemeinsam eine lokale Lösung für ein bestimmtes Bildungsproblem zu finden. Dabei können die Beziehungen, die die Mitglieder einer solchen Gemeinschaft miteinander unterhalten, sehr unterschiedlich gestaltet sein. Sehr enge Beziehungen, z.B. in Form formaler Partnerschaften, sind ebenso möglich, wie hierarchische Auftraggeber-Auftragnehmer Beziehungen. Am Rande des Netzwerks können Unterstützer eher informelle Kontakte zu den übrigen Mitgliedern unterhalten. „Vernetzt“ sind die einzelnen Gemeinschaften zunächst einmal deshalb, weil sie darauf ausgerichtet sind, kontext-unabhängiges Wissen zu generieren: Es geht hier darum, von vornherein CSI Variation zuzulassen um Innovationen zu entwickeln die sich nicht nur an einem bestimmten Standort oder unter ganz spezifischen Bedingungen bewähren (Bryk et al. 2010). Die Vernetzung hat zweitens zum Ziel, Sichtbarkeit und politische Handlungsfähigkeit des Netzwerks zu erhöhen und so für die nötige Durchsetzungsfähigkeit im Falle von windows of opportunity zu sorgen, die eine weitreichendere Verbreitung möglich machen. 5.4Innovationsnetzwerke problemorientiert gestalten Für die Entwicklung, Stabilisierung und ggf. das Wachstum bzw. die weitreichendere Verbreitung neuer Problemlösungsansätze sollten dabei jeweils unterschiedliche Netzwerktypen zum Einsatz kommen. Wenn es um die Auswahl bzw. die nähere Bestimmung des zu bearbeitenden Problems geht, sind explorative Netzwerke zu empfehlen. Für die Neuentwicklung von Problemlösungsmodellen sind Netzwerke geeignet, die von Partnerschaften zwischen Stiftungen, Staat und/oder Wissenschaft getragen und eher informell koordiniert werden. Für die Stabilisierung und den Ausbau von Nischen sind Netzwerke aus staatlichen und privaten Akteuren zu empfehlen, die von einer (staatlichen oder privaten) Organisation gesteuert und koordiniert werden. Für strategisches Nischenmanagement könnten Konsortien, in denen die Tätigkeit eines je nach Bereich mehr oder weniger breiten Spektrums von Akteuren von einer eigenen Geschäftsstelle koordiniert wird, das Mittel der Wahl sein. Die Analyse unserer Fälle zeigt jedoch, dass die Entwicklung eines Innovationsvorhabens nicht linear von einer Phase kreativen Experimentierens, in der entsprechend diverse Explorationsoder Entwicklungsnetzwerke erforderlich sind, hin zu einer Phase höherer Stabilität, in der eher Leadorganisationen das adäquate Instrument sind, verläuft bzw. verlaufen muss. Vielmehr ermöglicht es die Wandlungsfähigkeit von Netzwerken, dass diese unabhängig von den genannten Phasen für die Bearbeitung der jeweils anstehenden Aufgaben eingesetzt werden können. So könnten etwa Leadorganisationen oder Konsortien, die umfangreichere Anpassungen oder Ergänzungen 63 K apit el 55 www.CSI.UNI-HD.de CSI Handlungsempfehlungen: Innovation durch Netzwerke ihrer Lösungsmodelle vornehmen wollen, diese anspruchsvollen Entwicklungsvorhaben von experimentellen Netzwerken begrenzter Lebensdauer bearbeiten lassen und die Ergebnisse im Anschluss in ihr eigenes Tätigkeitsrepertoire aufnehmen. 5.5 Wissen über strategisches Nischenmanagement vertiefen Das in dieser Studie vorgeschlagene Vorgehen zeigt neue Wege für die Gestaltung von Innovationsprozessen im Bildungsbereich auf. Zugleich wirft dieser Ansatz auch eine Reihe offener Fragen auf. Dies betrifft zunächst einmal den Umstand, dass bislang nicht klar ist, inwiefern sich Modelle sozio-technischer Innovation auf den Bereich sozialer Innovation übertragen lassen, und an welche Grenzen dieser Versuch stößt. Zwar konnte im Rahmen dieser Studie bereits nachgewiesen werden, dass grundlegende Parallelen zwischen beiden Phänomenen bestehen. Dennoch ist davon auszugehen, dass es auch wichtige Unterschiede gibt. So dürfte es im Falle sozialer Innovation häufig sehr viel schwerer sein, die Effektivität neuer Vorhaben schlüssig nachzuweisen, als dies für technische Innovationen der Fall ist. Wenn jedoch Antworten auf Fragen nach der Effektivität von Innovationen weniger eindeutig ausfallen, könnten politische Prozesse und die Fähigkeit der Nischenakteure, Advocacy für ihr Anliegen zu betreiben, in Fällen sozialer Innovation eine größere Rolle spielen. Zweitens konnte im Rahmen dieser Studie die Rolle von Netzwerkstrukturen für die Phase von Wachstum und Verbreitung von Innovationen nicht hinreichend detailliert geklärt werden. Zwar wurde das Konsortium als ein Netzwerktyp vorgestellt, der hierbei eine wichtige Rolle spielen könnte. Konsortien erwiesen sich in unseren Fallstudien jedoch als zu vielgestaltig und hinsichtlich der Ergebnisse zu wenig eindeutig, als das hier belastbare Aussagen zu den genauen Erfolgsbedingungen möglich wären. Daher läge es nahe, die Frage nach der Übertragbarkeit von SNM auf Prozesse sozialer Innovation gerade anhand der Rolle von Netzwerken vertieft zu erforschen. 64 Und schließlich stellt der vorgeschlagene Ansatz hohe Ansprüche an das beteiligte Personal sowohl in Stiftungen als auch in staatlichen Organisationen, insbesondere, was die strategische Planung sowie das konkrete Netzwerkmanagement anbelangt. Unsere Fallstudien geben zwar einige Hinweise, wie etwa die Personalauswahl entsprechend gestaltet werden könnte. So findet sich z.B. im Projekt Selbstständige Schule die Figur des ‚Wanderers zwischen den Welten‘ in Person eines Ministeriumsbeamten, der für den Zeitraum des Projekts an die Stiftung abgeordnet war. 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