Der Intraabdominelle Druck
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Der Intraabdominelle Druck
Weiterbildungsstätte für Intensivpflege & Anästhesie und Pflege in der Onkologie Kurs 08/10 Der Intraabdominelle Druck Christine Rengers Nottulner Landweg 39 48161 Münster März 2010 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis………………………………………………………………………..1 Abbildungsverzeichnis…………..………………………………………………………2 Kurzfassung……………………………………………………………………………...3 1. Einleitung……………………………………………………………………………..4 2. Definitionen…………………………………………………………………………...4 2.1. Intraabdomineller Druck…………………………………………………….4 2.2. Abdomineller Perfusionsdruck……………………………………………...5 2.3. Intraabdominelle Hypertension……………………………………………..5 2.4. Intraabdominelles Kompartmentsyndrom…………………………………..6 3.Pathophysiologie eines erhöhten intraabdominellen Drucks und seine Ursachen…….6 4. Auswirkungen des erhöhten intraabdominellen Drucks auf die Organe……………...7 4.1. Kardial………………………………………………………………………7 4.2. Pulmonal…………………………………………………………………….8 4.3. Hepatisch……………………………………………………………………8 4.4. Gastrointestinal……………………………………………………………...8 4.5. Renal………………………………………………………………………...8 4.6. Zerebral……………………………………………………………………...9 4.7. Bauchwand………………………………………………………………….9 5. Indikationen zur Messung des intraabdominellen Drucks……………………………9 6. Messungen des intraabdominellen Drucks…………………………………………..10 6.1. Direkt………………………………………………………………………10 6.2. Indirekt……………………………………………………………………..10 1 7. Möglichkeiten der indirekten Messung des intraabdominellen Drucks……………..10 7.1. Intravesikal…………………………………………………………………10 7.2. Intragastral…………………………………………………………………13 7.3. Intravasal…………………………………………………………………...15 8. Therapie bei erhöhtem intraabdominellem Druck…………………………………...15 Schlusswort……………………………………………………………………………..17 Kurzanleitung zur Messung des IAP mit dem Messsystem in der Uniklinik Münster...18 Literaturverzeichnis…………………………………………………………………….20 Leserservice…………………………………………………………………………….21 Erklärung über die ordnungsgemäße Anfertigung schriftlicher Leistungsnachweise….22 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Pathophysiologie eines erhöhten intraabdominellen Drucks…………………...6 Abb. 2: Blasendruckmessung mit geschlossenem System……………………………..11 Abb. 3: AbViser® AutoValve® der Firma WOLFE TORY MEDICAL, Inc…………13 Abb. 4: IAP-Monitoring mit Luftkammersystem von der Firma Spiegelberg (GmbH & Co.) KG ……………………………………………………………………….14 Abb. 5: CIMON-Sonde und Monitor von der Firma Pulsion Medical Systems AG…..15 2 Kurzfassung In dieser Arbeit wird veranschaulicht, was der intraabdominelle Druck (IAP) ist, wie ein erhöhter IAP entsteht und was passieren kann, wenn dieser über längere Zeit zu hoch ist. Die Problematik einer akuten Drucksteigerung im Abdomen wird im klinischen Alltag meistens unterschätzt. Es ist nicht einfach nur ein gespanntes Abdomen, bei dem abzuwarten ist evtl. Maßnahmen zu ergreifen. In dieser Arbeit zeigt sich wie schnell alle Organe in Mitleidenschaft gezogen werden. Ich möchte verständlich machen ab wann es notwendig ist den IAP zu messen und dass dieses dann regelmäßig geschehen muss um einen obligatorischen Wert zu erhalten, da es sich um einen Referenzwert handelt. Des Weiteren ist hier dargestellt wie der IAP gemessen werden kann. Dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, die alle zum gleichen Ziel führen aber dennoch teilweise Risiken mit sich bringen. Immerhin gibt es heutzutage Messmethoden die kontinuierlich eingesetzt werden können, jedoch viel zu selten genutzt werden. Es wird veranschaulicht mit welchen teilweise kleinen Mitteln der IAP gesenkt werden kann, teilweise schon bevor er entsteht oder sich letztendlich ein abdominelles Kompartmentsyndrom (ACS) entwickelt. 3 1. Einleitung Ich komme von einer Intensivtherapiestation mit Unfall- und Allgemeinchirurgischen Patienten. Immer wieder gibt es Patienten mit einem Abdomen apertum und manchmal auch welche, bei denen wir den intraabdominellen Druck messen sollen. Meistens geschieht dieses aber nicht oft genug oder wird irgendwann einfach wieder abgesetzt. Zusätzlich entstehen immer wieder die gleichen Fragen: Wie viel NaCl muss ich zur Messung nehmen? Wie funktioniert das? Wofür ist das gut? Ein erhöhter IAP kann schnell zu Organdysfunktionen führen bis hin zum Multiorganversagen. Es gibt viele Möglichkeiten eine intraabdominelle Hypertension (IAH) zu erkennen und zu behandeln oder sie erst gar nicht entstehen zu lassen. Um zu veranschaulichen wie ein erhöhter IAP entsteht, welche Folgen dieser haben kann, welche Messmethoden es gibt und was letztendlich an Prophylaxe oder Therapie genutzt werden kann, beginnt diese Arbeit mit den Definitionen des IAP, IAH und ACS. [1,3,4] 2. Definitionen 2.1. Intraabdomineller Druck Der intraabdominelle Druck (IAP) ist ein atemabhängiger intrinsischer Druck innerhalb der abdominellen Höhle. Er wird am Ende der Exspiration in Flachlagerung in mmHg gemessen. Bei einem gesunden Erwachsenen und unter normalen Bedingungen liegt der Normalwert bei 0-5 mmHg. Bei kritisch kranken Erwachsenen liegt er bei 5-7 mmHg. Ein erhöhter IAP beeinträchtigt die Funktionalität der Bauchorgane und hat negativen Einfluss auf das kardiale sowie respiratorische System und den intrazerebralen Druck. Durch eine anhaltende Druckerhöhung im Abdomen über 20 mmHg kommt es zu einer erheblichen funktionellen und strukturellen Beeinträchtigung aller Organsysteme. Es kommt zu einer Abnahme des venösen Blutflusses und der arteriellen Perfusion. Zusätzlich hat ein erhöhter IAP negative Auswirkungen auf alle extraabdominell 4 gelegenen Organe. So kann es für den Patienten durch ein dadurch entstandenes Multiorganversagen ein tödliches Ende nehmen. [1,2] 2.2. Abdomineller Perfusionsdruck Der abdominelle Perfusionsdruck (APP) errechnet sich aus dem intraabdominellen Druck abgezogen von dem mittleren arteriellen Druck (MAP). APP = MAP – IAP Der Normalwert liegt bei etwa 80 mmHg, bei Intensivpatienten mit erhöhtem intraabdominellen Druck sollte der Wert 50 mmHg nicht unterschreiten. [1,2] 2.3. Intraabdominelle Hypertension Eine intraabdominelle Hypertension (IAH) ist ein erhöhter IAP von ≥ 12 mmHg über wenigstens 12 Stunden. Er tritt bei mehr als 30% der Intensivpatienten auf. Er muss mindestens dreimal mit einer standartisierten Messung im Abstand von vier Stunden gemessen werden. Es besteht keine Organdysfunktion. Die World Society of the Abdominal Compartmensyndrom (WSACS) hat die IAH in vier Grade eingeteilt: Grad I: IAP 12-15 mmHg Grad II: IAP 16-20 mmHg Grad III: IAP 21-25 mmHg Grad IV: IAP > 25 mmHg Die IAH kann nur kurz für Sekunden oder Minuten auftreten → Hyperakut z.B. beim Lachen, Niesen oder sie kann sich über Stunden → Akut oder Tage → Subakut entwickeln z.B. als Folge eines Traumas, intraabdomineller Blutung oder als Folge einer Sepsis, eines Kapillarlecks oder einer kritischen Krankheit. Sie zählt als chronisch wenn die IAH z.B. durch Schwangerschaft, chronischem Aszites, intraabdominellen Tumoren oder krankhaftem Übergewicht über Monate bis Jahre besteht. [1,2,3,4] 5 2.4. Intraabdominelles Kompartmentsyndrom Wenn ein intraabdomineller Druck von mehr als 20 mmHg bestehen bleibt und gleichzeitig ein oder mehrere Organsysteme versagen, spricht man von einem abdominellem Kompartmentsyndrom (ACS). Das ACS wird in drei Gruppen eingeteilt: Primär: ausgehend von einer Verletzung oder Krankheit im Abdomen oder Beckenbereich, das oft früh chirurgisches oder interventionell radiologisches Eingreifen verlangt. Sekundär: Die Ursache ist extraabdominell bedingt, z.B. bei Sepsis/ Kapillarleck und starken Verbrennungen. Wiederkehrend: Neu entwickeltes ACS nach medizinischer oder chirurgischer Behandlung eines primären oder sekundären ACS. [1,2,3,4] 3. Pathophysiologie eines erhöhten intraabdominellen Drucks und seine Ursachen Die Pathophysiologie eines erhöhten intraabdominellen Drucks wird in der folgenden Abbildung dargestellt. Abb.1: Pathophysiologie eines erhöhten intraabdominellen Drucks [5b] 6 Auf der Intensivstation zeigen sich oft folgende Ursachen, die dieses auslösen können: ►Retroperitoneale Blutungen, Aortenchirurgie/gedeckt perforierte Aortenaneurismen, Abszesse, viszerale Ödeme ►Intraperitoneale Blutungen, rupturierte Bauchaortenaneurismen, viszerale Ödeme, Ileus, Mesenterialinfarkt, Pneumoperitoneum ►Verletzungen an der Bauchdecke; z.B. Verbrennungen, Bauchdeckenverschluss unter Spannung, Herniotomie und Verbände (elastische Bauchbinden) ►Chronische Entwicklung durch Adipositas, große abdominelle Tumore, Schwangerschaft oder Peritonealdialyse [1] 4. Auswirkungen des erhöhten intraabdominellen Drucks auf die Organe 4.1. Kardial Ein erhöhter intraabdomineller Druck zeigt schnelle Auswirkungen auf das HerzKreislaufsystem. Durch den Zwerchfellhochstand werden alle intrathorakalen Organe komprimiert und das intrathorakale Volumen verringert. Im Abdomen und auch am Zwerchfell wird die Vena cava komprimiert. So wird der venöse Rückfluss vermindert, dadurch sind die ZVD (Zentraler Venendruck) Werte falsch erhöht. Zusätzlich wird die Kontraktilität des Herzens durch den Druck eingeschränkt. Es kommt zur pulmonalen Hypertension, zur Dilatation des rechten Ventrikels und zur Septumdeviation. Somit werden der Blutfluss zum linken Herzen und der kardiale Auswurf reduziert. Dadurch kommt es zur Ischämie und letztendlich zum Pumpversagen, da die Koronarien nicht mehr richtig durchblutet werden. Da nun die Vorlast und die Kontraktilität vermindert und der kardiale Auswurf reduziert ist, kommt es zur Vorlasterhöhung. So steigt der periphere Widerstand und die Organe werden minderdurchblutet. [1,3,4,5b,6] 7 4.2. Pulmonal Durch den Zwerchfellhochstand bilden sich basale Atelektasen, die funktionale Residualkapazität nimmt ab und es kommt zu einem veränderten VentilationsPerfusions-Verhältnis. Zusätzlich ist der venöse Rückfluss durch den erhöhten intrathorakalen Druck vermindert. Somit bildet sich ein erhöhter Rechts-Links-Shunt und dadurch Gasaustauschstörungen. Der Patient wird hypoxisch und hyperkapnisch. Bei beatmeten Patienten zeigt sich ein verringertes Atemzugvolumen, die Lungencompliance ist eingeschränkt. Um einen zufrieden stellenden Gasaustausch zu erreichen, müssen erhöhte Beatmungsdrücke in Kauf genommen werden. So steigt das Risiko eines Barotraumas.[1,3,4,5b,6] 4.3. Hepatisch Das Leberparenchym kann durch die Minderperfusion geschädigt werden. Der venöse Fluss in der Pfortader und der arterielle in der Arteria hepatica sind reduziert. Es entstehen Mikronekrosen, somit verschlechtert sich die Leberfunktion. Enzyme und Lactat steigen an. [1,3,4,5b,6] 4.4. Gastrointestinal Die gastrointestinalen Organe werden durch den verminderten venösen Rückfluss über die Portalvene und die gestörte Perfusion der Arteria mesenterica minderdurchblutet. Es kommt zu Schleimhaut- und Darmwandödemen. Zusätzlich können die Organe durch die Ischämie nekrotisieren, es werden Zytokine frei gesetzt und Neutrophile aktiviert. Somit werden die Schleimhautbarrieren beeinträchtigt. Infektionen sind die Folge, bis hin zur Sepsis. Letztendlich steigt der IAP weiter! [1,3,4,5b,6] 4.5. Renal Das Nierenparenchym und die Nierenvene werden komprimiert, die glomeruläre Filtrationsrate wird herabgesetzt. Zusätzlich sind die Nieren durch den verringerten kardialen Auswurf minderdurchblutet. Es kommt zum renalen Blutstau und Ödem. Tierexperimente haben gezeigt, dass bei einem IAP von 15-20 mmHg eine Oligurie und 8 bei einem IAP von über 30 mmHg eine Anurie entstehen kann. Ein postrenales Nierenversagen durch Kompression der Ureteren als alleinige Ursache kann ausgeschlossen werden, da eine Ureterenschienung unwirksam bleibt. Eine Korrektur des Herzzeitvolumen (HZV) durch Volumen oder Katecholamine erzielt nur kurz eine geringe Zunahme der Urinproduktion. [1,3,4,5b,6] 4.6. Zerebral Die Vena cava superior wird durch den erhöhten intrathorakalen Druck komprimiert. Somit wird der venöse Rückfluss über die Vena cava superior in den Thorax reduziert, es kommt zu einer zentralvenösen und intrajugulären Druckerhöhung. Das hat die Folge eines steigenden intrazerebralen Drucks (ICP) und eines abnehmenden zerebralen Perfusionsdrucks (CPP). Dadurch kommt es zum Hirnödem und zur Hirnischämie. [1,3,4,5b,6] 4.7. Bauchwand Es kommt durch die Minderdurchblutung der Bauchwand zu Wundheilungsstörungen und der Gefahr von Wund- oder Nahtdehiszenzen. [1,3,4,5b,6] 5. Indikationen zur Messung des intraabdominellen Drucks Da sich aus einem erhöhten IAP schnell ein intraabdominelles Kompartment und somit evtl. ein Multiorganversagen entwickeln kann, ist es sehr wichtig frühzeitig den intraabdominellen Druck zu messen. Die dringende Indikation steht an, wenn ein Patient schon ein gespanntes Abdomen hat und es bereits zu einer Verschlechterung eines Organes (z.B. Pulmonal) gekommen ist. Weitere Indikationen sind nachfolgend aufgelistet. [1,4] ► pathologisch erhöhter Hirndruck ► nach großen, bauchchirurgischen Eingriffen ► schweres Polytrauma 9 ► Sepsis, Schock ► Ileus, chronische Aszites, große abdominelle Tumore ► Pankreatitis, Peritonitis, abdominelle Aortenaneurismen ► große Verbrennungen [1,7] 6. Messung des intraabdominellen Drucks 6.1. Direkt Die direkte Messung des IAP ist die älteste Methode. Der intraabdominelle Druck wird über eine Kanüle gemessen, die durch die Bauchwand in den Bauchraum eingeführt wird. Da aber die Gefahr der bakteriellen Kontamination und der Darmläsion zu groß ist, wird diese Messung heutzutage nur noch im Experiment durchgeführt. [1,4] 6.2. Indirekt Die indirekte Messung des IAP kann intravesikal, -gastral, -rektal, -uterinal, - peritoneal oder -vasal über die Vena cava gemessen werden. Man nutzt die retroperitoneal oder intraperitoneal gelegenen Organe als Druckaufnehmer. Die häufigsten Messmethoden sind die intravesikale und die intragastrale, selten intravasal. [1,4] 7. Möglichkeiten der indirekten Messung des IAP 7.1. Intravesikal Bei dieser Messung werden ein liegender Blasenkatheter und ein Druckaufnehmer verwendet. Die Blase sollte vollständig entleert sein, der Patient liegt flach im Bett und der Druckaufnehmer befindet sich auf Höhe der Symphyse/Blase bzw. mittlere Axillarlinie. Nun werden 25-100 ml sterile, physiologische Kochsalzlösung in die Blase 10 instilliert. Der Blasenkatheter muss unterhalb des Druckaufnehmers abgeklemmt sein. So entsteht eine Flüssigkeitssäule von der Blase bis zur Klemme, die frei von Luftblasen sein sollte. Der IAP sollte in der Exspiration gemessen werden. Man kann dieses mit einem Druckaufnehmer durchführen, der an eine Injektionsnadel, die durch das Probeentnahmefenster eingestochen wird, angeschlossen wird oder mit einem geschlossenen System. Der Vorteil des geschlossenen Systems ist, dass es nicht so schnell zur Kontamination kommt, da nicht ständig diskonnektiert wird oder mit einer Kanüle in das Probeentnahmefenster gestochen wird. Es gibt in diesem Fall spezielle Adapter die mit Dreiwegehähnen und Luer-Lock-Anschlüssen zwischen Blasenkatheter und Ablaufschlauch eingesetzt werden können. Dort wird dann die Druckaufnehmerleitung, eine Kochsalzinfusion und eine Perfusorspritze zum Auffüllen der Blase angeschlossen. Dieses System zeigt sich in der nächsten Abbildung. Abb. 2: Blasendruckmessung mit geschlossenem System [1] Wichtig ist es, dass die Füllungsmenge der Blase immer die gleiche ist und die Messungen mindestens viermal täglich durchgeführt werden, da es sich um einen Referenzwert handelt und nicht um einen absoluten Wert. Es gibt in der Literatur verschiedene Angaben, wie viel Kochsalz in die Blase instilliert werden soll. Jedoch sollte man die geringste Menge nehmen, die nötig ist um verlässliche IAP-Werte zu erhalten. Zu viel Volumen führt zu Blasenüberdehnung und Complianceproblemen. Derzeit sind beim Erwachsenem 25 ml Kochsalz empfohlen. Ein großer Nachteil der intravesikalen Messung ist, dass sie nur diskontinuierlich durchgeführt werden kann. Es 11 ist wichtig, dass der Druckaufnehmer richtig positioniert wird. Je nach Größe und Gewicht der Patienten können sich so mehrere Zentimeter Differenz ergeben. Voroperationen im kleinen Becken, Störungen der Blasentonusregulation und Blasentumore können die Werte verfälschen. Zudem muss beachtet werden, dass zum Beispiel Adipositas, Zirrhose und Schwangerschaft die Werte nach oben verschieben ohne dass es negative Auswirkungen auf die Organe hat, weil der Patient sich daran adaptiert hat. In diesen Fällen können die „Normalwerte“ bei 10-15 mmHg liegen. [1,4,7,8a] Die Firma WOLFE TORY MEDICAL, Inc. hat ein Komplettset entwickelt um kontinuierlich den intraabdominellen Druck über ein geschlossenes System messen zu können. Den AbViser® AutoValve®. Es ist ein komplettes Set und kann in jedes Monitorsystem integriert werden. Über das geschlossene System kann einfach und schnell, ohne Kontaminationsrisiken der IAP gemessen werden. Das System des AbViser® AutoValve® wird wie eine normale Druckspülung mit Kochsalz gespült und kann dann an einen Blasenkatheter angeschlossen werden. Hier ist es jedoch nicht notwendig einen Druckbeutel zu verwenden. Der Druckaufnehmer steht auch in diesem Fall auf Höhe der Blase/Symphyse bzw. mittlere Axillarlinie und muss vor der Messung einmal „genullt“ werden. Von diesem geht auch das Monitorkabel ab. Nun wird über das System die Spritze mit 20 ml Kochsalz (für erwachsene Patienten) gefüllt und innerhalb von 10 Sekunden in die Blase injiziert. Jetzt wird der intraabdominelle Druck am Monitor angezeigt, der am Ende der Exspiration abgelesen werden sollte. Nach spätestens 2 Minuten öffnet sich der AutoValve® automatisch und der Urin kann wieder normal abfließen. Laut Angaben der Firma WOLFE TORY MEDICAL, Inc. soll die Messung im Akutfall alle 1-2 Stunden wiederholt werden. Bei standartisierten/prophylaktischen Messungen sollte diese in den ersten 48 Stunden alle 2-4 Stunden wiederholt werden. In der folgenden Abbildung sieht man die Funktion und den Aufbau des AbViser® AutoValve®. [8a] 12 Abb. 3: AbViser® AutoValve® der Firma WOLFE TORY MEDICAL, Inc. [8a] 7.2. Intragastral Bei der intragastralen Messung wird der Druck über einen im Magen platzierten Ballon gemessen. Der intraabdominelle Druck wird über die dünne Wand der Luftkammer an die Luft im Ballon weiter gegeben und vom Druckaufnehmer durch elektrische Signale umgesetzt. Diese Katheter werden platziert wie eine Magensonde. Durch diese Systeme kann ein kontinuierlicher intraabdomineller Druck gemessen werden und Fehlerquellen der vesikalen Messung, wie z.B. falsche Nullpunktbestimmung, sind ausgeschlossen. Harnwegsinfektionen werden reduziert. Es gibt zwei Firmen die mögliches Material zur intragastralen Druckmessung entwickelt haben. [1,4,5c,9a] 13 Die Firma Spiegelberg (GmbH & Co.) KG hat ein Luftkammersystem entwickelt der über einen Schlauch mit einem Druckaufnehmer verbunden ist. Diese Luftkammer wird im Magen des Patienten platziert. Über die dünne Wand der Luftkammer wird der intraabdominelle Druck auf die Luft in der Kammer übertragen. Dort wird er dann von dem Druckaufnehmer in elektrische Signale umgewandelt. Auf der Anzeige des Monitors wird dann der Mitteldruck angezeigt. Der IAP-Monitor von Spiegelberg (GmbH & Co.) KG kann an alle handelsüblichen Patientenmonitore angeschlossen werden und er korrigiert einmal pro Stunde seinen Nullpunkt. Der IAP-Katheter selbst ist robust und preisgünstig, da er selber keine elektrischen oder optischen Druckaufnehmer enthält. Er besitzt zwei Lumen. Das eine Lumen, das die Luftkammer mit dem Monitor verbindet und das zweite Lumen, das einen spiralisierten Einführungsdraht enthält. Nach Entfernung des Drahtes kann das Lumen zur auskultatorischen Lagebestimmung genutzt werden. Das System der Firma Spiegelberg (GmbH & Co.) KG ist in der nächsten Abbildung zu sehen. [9a] Abb. 4: IAP-Monitoring mit Luftkammersystem von der Firma Spiegelberg (GmbH & Co.) KG [9a] Die Firma Pulsion Medical Systems AG hat die CIMON-Sonde entwickelt. Auch mit dieser Sonde wird über eine Luftkammer kontinuierlich der IAP gemessen. Sie wird wie eine Magensonde im Magen des Patienten platziert. Ein Vorteil der CIMON-Sonde ist, dass sie ein zweites Lumen hat über die der Patient enteral ernährt oder der Magen entlastet werden kann. Auch der CIMON-Monitor führt regelmäßige Nullabgleiche durch. Durch die kontinuierliche automatische Messung kommt es zu Arbeits- und Zeitersparnis. Hier zeigt sich wieder 14 ein geringes Infektionsrisiko und Fehlmessungsrisiko, da nicht am Blasenkatheter des Patienten manipuliert werden muss. In der folgenden Abbildung sind die CIMON-Sonde und der Monitor zu sehen. [5c] Abb. 5: CIMON-Sonde und Monitor von der Firma Pulsion Medical Systems AG [5c] 7.3. Intravasal Die intravasale Messung wird über einen in die Leistenvene eingeführten Katheter durchgeführt. Er reicht bis zur Vena cava inferior. Diese Art der Messung ist invasiv und es besteht die Gefahr der Thrombose oder Infektion, daher wird sie in der Klinik selten durchgeführt. [3] 8. Therapie bei erhöhtem intraabdominellen Druck Die Prävention des erhöhten intraabdominellen Druckes und ein umsichtiges Flüssigkeitsmanagement sind sicher die wichtigsten Maßnahmen. Bauchdecken unter Spannung oder Relaxierung zu verschließen muss unbedingt vermieden werden. Frühzeitige und regelmäßige bzw. kontinuierliche Messungen des IAP sind von Vorteil. 15 Die Kreislaufstabilisierung steht im Vordergrund. Allerdings muss eine exzessive Volumenbelastung vermieden werden. Die Volumentherapie sollte gut überwacht werden, evtl. kann man kolloide Infusionen geben, um das Fortschreiten eines sekundären ACS zu vermeiden. Bei Volumenüberladung sollte über eine Hämofiltration nachgedacht werden, bei intakter Nierenfunktion Diuretikagabe. Wenn es trotzdem zu einem erhöhten intraabdominellen Druck kommt und damit zum intraabdominellen Kompartment, muss in jedem Fall gehandelt werden. Der IAP muss gesenkt und der Perfusionsdruck aufrechterhalten werden. Dieses kann z.B. mit der Verbesserung der Bauchwandcompliance erzielt werden, indem die Analgosedierung vertieft oder der Patient evtl. relaxiert wird. Zudem sollte der Patient nicht über 20 Grad oberkörperhoch gelagert werden. Des Weiteren ist die Entleerung des Magen- Darmtraktes sinnvoll durch z.B. geöffnete Magensonde, endoskopische Entlastung, Abführmaßnahmen und Darmrohre. Eine Entlastung von Abszessen und Hämatomen im Abdomen, sowie Aszites sollte in Erwägung gezogen werden. Spricht das ACS nicht auf diese Maßnahmen an, kann über eine Entlastungslaparatomie mit evtl. Anlage eines Stomas nachgedacht werden. Verspätete abdominelle Dekompressionen führen zur intestinalen Ischämie! Häufig kommt es schon unter der Laparatomie zu einer Verbesserung der respiratorischen, kardiozirkulatorischen und renalen Situation. Nach dieser dekomprimierenden Laparatomie sollte eine offene Weiterbehandlung des Abdomens (Abdomen apertum) in Erwägung gezogen werden. Ein Abdomen apertum kann entweder durch Einbringen eines Vicrylnetzes, Deckung durch Meshcraft oder Einsatz von Vacuumtherapien abgedeckt werden um die Risiken einer Infektion zu mindern. [1,3,4] 16 Schlusswort Diese Abhandlung verschafft einen Überblick über die Notwendigkeit der Messung des intraabdominellen Drucks. Es zeigen sich viele verschiedene Messmethoden, die teilweise mit wenig Arbeit und Zeitaufwand verbunden sind. Nicht nur die abdominellen Organe werden in Mitleidenschaft gezogen, auch die Respiration, das Herz- Kreislaufsystem und das Gehirn. Zudem ist die hämodynamische Situation schwer einzuschätzen. Es kommt zu Komplikationen, die nicht immer zeitgenau auf das richtige Problem bezogen werden können. Zu schnell entstehen irreversible Schäden, die dann nur noch mit viel Aufwand und längerer Liegedauer des Patienten verbunden sind. Entweder sollte frühzeitig die Prävention eines erhöhten IAP, durch z.B. umsichtiges Flüssigkeitsmanagement oder Vermeidung eines Bauchdeckenverschlusses unter Spannung angestrebt werden oder es muss so schnell wie möglich eine Dekompression konservativ/operativ in Erwägung gezogen werden. Wenn die Messung des IAP frühzeitig und häufig genug durchgeführt wird, können viele Komplikationen vermieden werden. „Im Gegensatz zu Traumen, Herzinfarkten, zerebralen Insulten oder Sepsis tritt das ACS in der Regel nicht vor erreichen des Krankenhauses, sondern im Verlauf des stationären Aufenthaltes ein: Wir haben die Möglichkeit dieses Symptom zeitnah zu entdecken!“ [1] Ich hoffe meine Facharbeit konnte zeigen wie wichtig es eigentlich ist frühzeitig den intraabdominellen Druck zu messen. Es bedeutet wenig Zeit- und Arbeitsaufwand den IAP zu messen und die Wirkung kann so erfolgreich sein und letztendlich finanzielle Belastungen durch kürzere Liegedauer und weniger notwendige Therapie eingespart werden. Zudem habe ich für die Stationen eine kleine Kurzanleitung zur Messung des IAP (mit dem vorhandenen Material der Uniklinik Münster) angefertigt. 17 Kurzanleitung zur Messung des intraabdominellen Drucks (IAP) mit dem Messsystem in der Uniklinik Münster Materialzusammenstellung - 1 Combitrans (Monitoringset) 1-fach Set, gelb Uni Münster (= Druckleitungssystem in gelb) - 1 Stufenkonnektor mit LL-Anschluss (teilweise bekannt als Tannebaum) - Druckbeutel - 500-1000 ml NaCl Druckinfusionsbeutel - 1 gelbe Unterlage - 1 Blasenspritze - 25-50 ml NaCl (max. 100 ml) - 1 Überleitungskanüle oder eine rosa Kanüle - Desinfektionsspray - Evtl. Stathamhalterung mit Infusionsständer Durchführung - Patienten informieren - Die Blase muss entleert sein! - Druckleitungssystem mit Druckinfusionsbeutel verbinden, Stufenkonnektor an das andere Ende anschließen - System mittels des Druckbeutels spülen - Wenn möglich System an einen Infusionsständer hängen, Druckaufnehmer an die Stathamhalterung auf Höhe der Symphyse/Blase (bzw. mittlere Axillarlinie) anbringen - Druckkabel vom Monitor an den Druckaufnehmer anschließen - Ggf. Name des Druckes im Monitor ändern - Blasenspritze steril mit 25-50 ml NaCl füllen (So wenig wie nötig um einen verlässlichen IAP-Wert zu erhalten! Jedoch bei jeder Messung die gleiche Menge benutzen um vernünftige Referenzwerte zu erhalten!) - Patienten abdecken, gelbe Unterlage unter die Konnektionsstelle von Blasenkatheter und Ablaufschlauch legen 18 - Patienten informieren, dass es einen Druck in der Blase geben kann und dass es sich kalt anfühlt. Cave: Vesikale Temperaturmessung stimmt für kurze Zeit nach der Messung nicht! - Blasenkatheter und Ablaufschlauch diskonnektieren, Konnektionsstelle desinfizieren - NaCl in die Blase instillieren (Luftblasenfrei!) und Drucksystem konnektieren - Dreiwegehahn zur Atmosphäre hin öffnen, System auf Symphysen-/Blasenhöhe „nullen“ - Dreiwegehahn wieder zum System hin schließen - Der intraabdominelle Druck wird nun am Monitor angezeigt, er sollte in der Exspiration abgelesen werden! - Wenn der Wert abgelesen ist, System wieder diskonnektieren - Ablaufschlauch nach Desinfektion wieder an den Blasenkatheter konnektieren - Stufenkonnektor verwerfen, sterilen Stöpsel an das System konnektieren - Das System kann so 72 h benutzt werden - Die Dokumentation erfolgt im QS-System unter erweiterte EingabeUmfangmessung- Intraabdomineller Druck Der Normalwert des IAP liegt bei 0-5 mmHg 5-7 mmHg ist der „Normalwert“ von kritisch kranken Erwachsenen Intraabdominelle Hypertension: Grad I: IAP 12-15 mmHg Grad II: IAP 16-20 mmHg Grad III: IAP 21-25 mmHg Grad IV: IAP > 25 mmHg Wenn ein intraabdomineller Druck von mehr als 20 mmHg bestehen bleibt und gleichzeitig ein oder mehrere Organsysteme versagen, spricht man von einem abdominellen Kompartment! 19 Literaturverzeichnis [1] Ulrich S., intraabdomineller Druck, PowerPoint-Präsentation 24.01.2009 [2] http://www.wsacs.org, Zugriffsdatum:16.03.2010 [3] Aken van H., Reinhart K., Zimper M. et al., Intensivmedizin, Georg Thieme Verlag KG, 2007: 1286-1291 [4] Josten S., Erhöhter Bauchdruck/Gefährlicher Vorbote, Pflegeintensiv 2010; 7.: 34-37 [5] Firma Pulsion Medical Systems AG, via E-Mail, 25.02.2010 a. 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