(352) 28 Komplexverbindungen 28.1 Definitionen
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(352) 28 Komplexverbindungen 28.1 Definitionen Komplexverbindungen = Verbindungen höherer Ordnung complexus (lat.) = umschlungen, zusammengefasst Verbindungen erster Ordnung entstehen aus Atomen im Bestreben eine Edelgaskonfiguration zu erlangen: z. B. H2 O und NH3 Verbindungen erster Ordnung können mit anderen Molekülen, Atomen oder Ionen zu einem neuen Teilchen (Komplexverbindung, Koordinationsverbindung a)) zusammentreten, in dem die Bindungsverhältnisse nicht mit den üblichen Wertigkeiten, die die Elemente in binären Verbindungen haben, beschrieben werden. a) coordinare = zuordnen Lösen von entwässertem CuSO 4 in Wasser und Zugabe von NH 3 (Versuch): [Cu(aq)m]2+ + [SO 4 (aq) n ]2hellblau Aquakomplexe CuSO 4 + (m + n)aqua farblos Cu2+ H +4NH3 [ Cu(H2O)6]2+ + 6 O -2H 2O H hellblau [ Cu(NH3 )4(H2O)2 ]2+ dunkelblau Tetraamminkupfer(II)-Komplex b) Hexaaquakupfer(II)-Komplex 2+ OH2 OH2 H 2O b) Cu OH2 OH2 NH 3 H3N Cu H2O 2+ OH2 H3 N NH 3 OH2 Da die vier NH3-Moleküle stärker an Cu2+ koordiniert sind als die beiden axialen H2 O-Moleküle, verzichtet man im Namen des Komplexions auf die Angabe der beiden H2 O-Liganden. (353) Im Hexaaquakupfer(II)-Komplex wird das Cu2+-Ion (Zentralatom, Lewis -Säure, Elektronenpaarakzeptor) durch sechs (Koordinationszahl =KOZ) Moleküle des Dipolmoleküls H2 O (Ligand, Lewis-Base, Elektronenpaardonator) über O-Atome (Donatoratome) koordinativ (dativ) gebunden (stabilisiert). Die Ladung des Komplexteilchens ist gleich der Ladungssumme seiner Bestandteile. Die Liganden sind verzerrt oktaedrisch (Koordinationsgeometrie, -polyeder, u. a. durch KOZ bestimmt) um das Zentralatom angeordnet. Das Cu2+-Ion befindet sich im Hexaaquakupfer(II)-Komplex in einer O6 -Koordinationssphäre. Das Cu2+Zentrum ist koordinativ gesättigt. Beim Versetzen einer Lösung des Hexaaquakupfer(II)-Komplexes (hellblaue Lösung) mit einer NH3 -Lösung vertieft sich die Farbe nach dunkelblau (Nachweis von Cu2+-Ionen). Es ist zu Ligandensubstitutionsreaktionen gekommen. Vier H2O-Liganden werden durch vier NH 3 -Moleküle substituiert. Der Tetraamminkupfer(II)-Komplex ist stabiler als der Hexaaquakupfer(II)-Komplex. Eine Komplexverbindung ist eine Gruppe von Atomen, die bei vielen Reaktionen als Ganzes auftritt, obwohl andererseits die einzelnen Komponenten in einem Gleichgewicht miteinander stehen (Versuch): Ag+ + 2NH3 [Ag(NH3)2]+ Diamminsilber(I)-Komplex KOZ=2 Lineare Koordinationsgeometrie: [H3N Ag NH3]+ K B= Komplexbildungskonstante = c([Ag(NH3)2]+) c(Ag+) . c2(NH 3) c(Ag+) ~ ~ 107 +Cl(kein Ausfall von AgCl) Ag+ + Cl- AgCl (s) + 2NH3 (AgCl geht in Lösung) Lp(AgCl)= 1,7 . 10-10 mol2/l2 c(Ag+) Die kleine Konzentration an freie n Ag+-Ionen in einer Lösung von [Ag(NH3)2 ]+ reicht nicht aus, um mit den zugesetzten Cl--Ionen das Löslichkeitsprodukt von AgCl zu überschreiten. Andererseits ist die freie Ag+-Ionen-Konzentration in einer gesättigten AgCl-Lösung groß genug, um mit NH3 den Diamminsilber(I)-Komplex zu bilden. Das AgCl geht unter Bildung des Diamminsilber(I)-Komplexes in Lösung. In einer gesättigten AgCl-Lösung ist die Konzentration der freien Ag+-Ionen größer als in einer Lösung des Diamminsilber(I)-Komplexes. (354) 28.2 Die Bindung in Komplexverbindungen 28.2.1 Anlagerungs- und Durchdringungskomplexe Man unterscheidet nach Biltz und Klemm bei Komplexverbindungen zwischen a) Anlagerungskomplexen und b) Durchdringungskomplexen. Diese Einteilung ist allerdings sehr formal und charakterisiert nur Grenzfälle. a) Anlagerungskomplexe Die Anlagerungskomplexe sind Verbindungen mit starker Ion-Dipolbindung (z. B. viele Hydrate, Amminkomplexe, Alkoholate, allg. Solvate) oder Ionen-Ionen-Komplexe (z. B. [FeF6 ]3--Komplex). Bei den sehr häufigen Ion-Dipol-Komplexen werden die negativ geladenen „Enden“ der starken Dipole Wasser oder Ammoniak von kleinen hochgeladenen Metall-Ionen (z. B. Ionen von Cu, Fe, Co, Ni, Cr) elektrostatisch angezogen (z.B. H2 O); sie sind untereinander leicht austauschfähig. Daher sind die Anlagerungskomplexe oft so unbeständig, dass sie bei der Auflösung in Wasser zerfallen und die Zentral-Ionen mit einfachen Reagenzien nachgewiesen werden können. Die Dipole (H2 O-Moleküle, NH3 -Moleküle) oder Ionen die sich gegenseitig abstoßen, ordnen sich möglichst symmetrisch (Tetraeder, Oktaeder, Würfel) um das Zentral-Ion; Bsp.:[Ag(H2 O)4 ]+, [Fe(NH3 )6 ]2+, [Ba(H2 O)8]2+. b) Durchdringungskomplexe Wesentlich beständiger als die Anlagerungskomplexe sind die Durchdringungskomplexe. Eine Dissoziation in ihre Einzelbestandteile findet bei der Auflösung in Wasser kaum mehr statt und man weist sie daher in der analytischen Chemie als Ganzes nach. So gibt der beständige Durchdringungskomplex Hexacyanoferrat(II)-Komplex [Fe(CN)6 ]4- des gelben Blutlaugensalzes nicht die gewöhnlichen Eisenoder Cyanid-Reaktionen. Weitere Durchdringungskomplexe sind u.a. in folgenden Verbindungen enthalten: K2 [PtCl6 ], [Cr(CO) 6 ], [Ni(CO) 4 ], Na 3 [Fe(CN) 5 (NH3 )]. Da nach Messungen des Molvolumens die NH3 -Moleküle in den Durchdringungskomplexen etwa 15 % weniger Raum beanspruchen als in den Anlagerungskomplexen, hat man geschlossen, dass bei den Komplexen dieser Art die Liganden bis zu einem gewissen Grad in die Elektronensphäre des Zentralatoms eindringen (daher „Durchdringungskomplexe“) und dem Zentralatom mit seinen Elektronenlücken in der Regel so viele ihrer eigenen Außenelektronen „leihen“, dass die gemeinsame äußere Elektronenhülle eine stabile Edelgaskonfiguration erhält. In diesem Fall stammen also die Bindungselektronen nicht von zwei Atomen wie bei der Atombindung, sondern nur von einem Partner (koordinative Atombindung). Bsp.: [Fe(CN) 6 ]4- - Hexacyanoferrat(II)-Komplex - oktaedrische Koordinationsgeometrie - diamagnetisches Verhalten (6 keine ungepaarten Elektronen) - sehr stabiler Komplex (KB = 1037 ) - gelb (gelbes Blutlaugensalz) Erklärung der Koordinationsgeometrie, des magnetischen Verhaltens und der Komplexstabilität mit dem Valenzorbitalbindungsmodell (Hybridisierungsmodell) und der 18-Elektronen-Regel: (355) Valenzorbitale von Fe im gelben Blutlaugensalz: 3d 4s 2 4p 6 Fe +(d ) Hybridisierung der unbesetzten Orbitale zu sechs d2 sp3 -Hybridorbitalen (Orbitallappen sind auf die sechs Ecken eines Oktaeders gerichtet, überlappen mit Orbitalen der CN --Liganden, die bindenden Elektronenpaare werden von den Liganden geliefert) 6e- Elektronenbilanz + 12e- = 18e - Im Hexacyanoferrat(II)-Komplex sind die Valenzorbitale des Fe mit 18-Elektronen besetzt, das entspricht der Elektronenkonfiguration des Edelgases Krypton und erklärt die große Stabilität dieses Komplexes. Die „18-Elektronen-Regel“ (in der Hauptgruppenelementchemie „8-Elektronen-Regel“, Oktettregel) leistet wertvolle Dienste bei der Erklärung der Stöchiometrie von Carbonylverbindungen. Die gelbe Farbe des Hexacyanoferrat(II)-Komplexes kann mit der Valenzbindungstheorie nicht erklärt werden. 28.2.2 Ligandenfeldtheorie Versuch: Titanoxidsulfat (Titanylsulfat) TiOSO 4 wird mit nascierendem Wasserstoff in Wasser reduziert. Zn + 2 H 3 O +(HCl) Zn2+ + 2H nasc. + 2H2 O +IV 2 [TiO . aq]2+ + 2 Hnasc. +III 2 [Ti(H 2 O)6 ]3+ + H2O Hexaaquatitan(III)-Komplex aq = aqua (für H2O) TiO 2+ wird durch H2 O-Moleküle hydratisiert blassviolett paramagnetisch µ magn.(exp.) . 1,8 B.M. B.M. (Bohrsches Magneton = atomare Einheit des magnetischen Momentes) = e = Elementarladung e.h 4π . me me = Masse des Elektrons = 9,27 . 1024 A . m2 h = Plancksches Wirkungsquantum Die Ligandenfeldtheorie (LFT) gibt eine zufriedenstellende Erklärung für die Farbe und den Paramagnetismus des Hexaaquatitan(III)-Komplexes. (356) Die Ligandenfeldtheorie ist ein Verfahren der Quantenchemie zur theoretischen Beschreibung von Übergangsmetallkomplexen. Die Übergangsmetallkomplexe werden mit Hilfe eines ionischen Modells Zentralion und Liganden werden als starre Kugeln mit einem definierten Radius betrachtet - beschrieben. Die LFT ist eine semiempirische Theorie und enthält eine Reihe von Parametern, die an experimentelle Daten, z.B. aus Elektronenanregungsspektren, angepasst werden. Die energetischen Verhältnisse bei der Bildung eines Übergangsmetallkomplexes mit oktaedrischer Anordnung sind in der Abbildung dargestellt: freies Ion + L igand en anziehend e Ion-Ionod. Ion-Dipo lWec hse lwirk ung (dx2 -y2 , dz2 ) + 3_ ∆ + = 6 Dq 5 _2_ ∆ = _ 4 Dq 5 eg ∆ = 10 D q (d xy , d xz , dy z) t2 g Absto ung d-El ektronen + L igand en KugKugelsymmetr. elsymm etr. ok taedr. oktaedr. Li gandenfe ld Ligandenfeld Bei größeren Abständen zwischen Zentralion und Liganden überwiegt die anziehende Ion-Ion oder IonDipol-Wechselwirkung. Bei einer Annäherung existiert zwischen dem d-Elektron und den Liganden eine abstoßende Wechselwirkung, die zu einer Energieerhöhung führt. Im oktaedrischen Ligandenfeld sind die d-Orbitale nicht mehr energetisch gleichwertig, die Entartung ist aufgehoben. Es erfolgt eine Aufspaltung in zwei Gruppen von Orbitalen (eg - energetisch angehoben und t2g - energetisch begünstigt, d.h. stabilisiert). t2g und eg sind Symmetriebezeichnungen (genau: irreduzible Darstellungen der Punktgruppe Oh ). Sie symbolisieren das Symmetrieverhalten der beiden Orbitalgruppen im Oktaeder. t 2 g e dreifach entartete Orbitale antisymmetrisch in bezug auf eine 90o -Dehnung um die z-Achse des Oktaeders symmetrisch bezüglich des Symmetriezentrums im Oktaeder zweifach entartete Orbitale (357) Die Abbildung zeigt die Gesamtheit der 3d-Orbitale eines Übergangsmetallatoms im oktaedrischen Feld von sechs Liganden. Die eg -Orbitale sind schattiert, die t 2g -Orbitale sind weiß. Der Torus des dz2 -Orbitals ist der besseren Übersichtlichkeit wegen weggelassen worden: Entstehung der Farbe des Komplexions [Ti(H 2 O)6 ]3+: Ti3+ besitzt ein d-Elektron, das sich im Grundzustand in einem der entarteten t2 g -Orbitale befindet. Dadurch erfolgt eine Energiestabilisierung von 4Dq (= Ligandenfeldstabilisierungsenergie - LFSE -). E eg -4Dq h.ν λ = 500 nm ∆ o = 10Dq t 2g Grundzustand angeregter Zustand Durch Lichtabsorption wird das d-Elektron zum Übergang in ein e g -Orbital angeregt. Die dazu erforderliche Energie beträgt 234 kJ/mol, das entspricht einer Wellenlänge von 500 nm. Die Absorptionsbande liegt damit im sichtbaren Bereich (blaugrün) und verursacht die blassviolette Färbung (komplementäre Farbe zu blau-grün, vgl. Tab. unten). Aus dem Elektronenspektrum des Komplexes kann dann direkt der Wert für den Ligandenfeldstärkeparameter ∆O entnommen werden. Er wird üblicherweise in cm-1 angegeben (500 nm = 20000 cm-1 = ∆O = 10 Dq, 1 = ν~ ). λ (358) Zusammenhang zwischen Wellenlänge der absorbierten Strahlung u. Farbe bzw. Farbeindruck. absorbiertes Licht Wellenlänge (in nm) 730 640 590 550 530 510 490 450 425 Farbe Farbeindruck (beobachtete Farbe) purpur rot orange gelb gelbgrün grün blaugrün blau indigoblau violett grün blaugrün (cyan) blau indigoblau violett purpur (magenta) rot orange gelb grünlich-gelb Der d-d-Elektronenübergang im [Ti(H2 O)6 ]3+, der als d-d-Elektronenbande bezeichnet wird (s. Abb. unten), ist relativ intensitätsarm, da er im freien Ti3+-Ion verboten ist. Er entspricht einem Elektronenübergang von einem t2 g - zu einem eg -Niveau; die zugehörigen elektronischen Zustände werden mit 2T2g bzw. 2Eg bezeichnet (im freien Ion: 2 D). Wesentlich intensitätsreicher sind im allg. die Charge-Transfer- und die Ligandenbanden, die bei kürzeren Wellenlängen auftreten und mit Ladungsübertragung zwischen Zentralion und Liganden bzw. Elektronenanregung innerhalb der Liganden verknüpft sind. Struktur des Elektronenanregungsspektrums eines Übergangsmetallkomplexes: 4 3 2 Ch arge -T ransfer u. Liga ndenbanden d-E lek tro nenbande n 1 2000 0 3000 0 40000 ν [cm -1 ] (359) Die Farben vieler anderer Übe rgangsmetallkomplexe entstehen ebenfalls durch Anregung von d-Elektronen (d-d-Übergänge, d-d-Absorptionsbanden). Ihre Interpretation ist nicht so einfach wie bei Ti3+ (d1- Elektronensystem), da bei Mehrelektronensystemen (d2-d8 ) sich die möglichen energetischen Zustände (spektroskopische Terme) erst nach Berücksichtigung der Wechselwirkung der d-Elektronen ergeben. Die möglichen Elektronenbesetzungen der t2g - und eg -Orbitale (Grundzustände) für die Konfigurationen d1-d3 und d8 -d10 und d4 -d7 im oktaedrischen Ligandenfeld und die zugehörigen Ligandenfeldstabilisierungsenergien (LFSE) sind in den folgenden Abbildungen gezeigt: d1 d3 d2 [Ti(H 2O)6]3+ [V(H 2O)6 ]3+ [Cr(H 2O)6]3+ eg 2(-4Dq) -4Dq 3(-4Dq) t2g Konfiguration t12g t22g t3 2g Zahl der ungepaarten Elektronen 1 2 3 -4Dq -8Dq -12Dq LFSE Die relativ große LFSE für Cr3+ ist die Ursache für die bevorzugte oktaedrische Koordination und die Stabilität dieser Oxidationsstufe des Chroms. (360) Bei den Konfigurationen d8-d10 gibt es wie in den Fällen von d1 -d3 nur jeweils eine Möglichkeit die e g- und t2g -Orbitale zu besetzen. d8 d10 d9 [Ni(H 2O)6 ]2+ [Cu(H2 O)6]2+ [Zn(H2O)6]2+ eg 2(6Dq) 3(6Dq) 4(6Dq) 6(-4Dq) 6(-4Dq) 6(-4Dq) t2g Konfiguration Zahl der ungepaarten Elektronen LFSE t62geg2 t62ge g3 2 1 -12Dq -6Dq t62g eg4 0 0Dq Bei den Konfigurationen d4 -d7 gibt es in Abhängigkeit von der Größe des Ligandenfeldstärkeparamters ∆O („Feldstärke der Liganden“) jeweils zwei Möglichkeiten die t2g - und eg -Orbitale zu besetzen. Ist der Ligandenfeldstärkeparameter ∆O kleiner als die Spinpaarungsenergie (P) werden die t2g- und eg -Orbitale nach der Hundschen Regel mit maximaler Spinmultiplizität besetzt. Die entsprechenden Komplexe werden als high-spin Komplexe bezeichnet. Ist ∆O > P erfolgt zunächst eine maximale Elektronenpaarung in den t2g -Orbitalen, bevor Elektronen in den eg -Orbitalen untergebracht werden. Diese Komplexe werden mit starken Liganden (Liganden die einen großen Ligandenfeldstärkeparmeter ∆O - ein starkes Feld - verursachen) gebildet. Da die Zahl der ungepaarten Elektronen in diesen Komplexen immer kleiner ist als in den mit schwachen Liganden (schwaches Feld) werden sie als low-spin-Komplexe bezeichnet. (361) high-spin Komplexe ∆O < P (Spinpaarungsenergie) schwaches Feld d4 [Cr(H 2O)6]2+ d7 d6 d5 [Fe(H2O) 6] 3+ [CoF6]3- [Co(H2O)6]2+ eg 6Dq 2(6Dq) 2(6Dq) 2(6Dq) 3(-4Dq) 3(-4Dq) 4(-4Dq) 5(-4Dq) t 2g Konfiguration Zahl der ungepaarten Elektronen LFSE t32geg1 t 32geg2 4 5 -6Dq t 52geg2 t 42geg2 4 0Dq 3 -4Dq -8Dq d6 d7 low-spin Komplexe ∆O >P starkes Feld d4 d5 [Cr(CN) 6] 4- [Fe(CN)6]3- [Co(CN)6] 3- [Co(NO2)6]4- eg 6Dq 5(-4Dq) 4(-4Dq) 6(-4Dq) 6(-4Dq) t 2g Konfiguration Zahl der ungepaarten Elektronen LFSE t 62geg1 t42g t 52g t 62g 2 1 0 1 -16Dq+P -20Dq+2P -24Dq+2P -18Dq+P (362) Die Größe des Ligandenfeldstärkeparamters ) wird bestimmt durch: 1) Art des Liganden spektrochemische Reihe: I- < Br- < Cl- < F- < OH- < H2O < NH 3 < NO2- < CN - < CO ∆O zunehmend → schwache Liganden high-spin Komplexe starke Liganden low-spin Komplexe [Cu(H2O)6 ]2+ + 4NH 3 hellblau λmax ( ≈ ∆O ) = 12000 cm-1 [Cu(NH3 )4 (H2 O)2 ]2+ + 4H 2O dunkelblau 15000 cm-1 2) Metallion und seine Ladung 3d < 4d < 5d [Co(NH3 )6 ]3+ 1 : 1,5 : 2 ∆O : 22870 cm-1 [Rh(NH3 )6 ]3+ 34100 cm-1 [Ir(NH3 )6 ]3+ 41200 cm-1 Für 4d- und 5d-Metallionen findet man fast nur low-spin Komplexe, da unabhängig vom Liganden die Aufspaltungsenergie in der Gruppe von oben nach unten zunimmt. Mit der Ladung des Kations nimmt ∆ zu. Co2+ < Co3+ [Co(H 2 O)6 ]2+ ∆O : 9200 cm-1 [Co(H 2 O)6 ]3+ 20760 cm-1 3) Ligandenfeld ∆O(Oktaeder) > ∆T(Tetraeder) (vergl. unten) Die Zahl der ungepaarten Elektronen bestimmt das permanente magnetische Moment µ mag. Das permanente magnetische Moment kann für Komplexe der 3d-Elemente über folgende Gleichung, die nur die Spinmomente berücksichtigt (spin-only-Wert) berechnet werden. µ mag. = n (n + 2) [B.M.] n = Anzahl der ungepaarten Elektronen. Diese Werte stimmen mit den experimentell ermittelten gut überein (s. Tabelle). Damit ist es möglich, aus magnetischen Messungen für 3d-Komplexe direkt auf die Zahl der ungepaarten Elektronen zu schließen. Berechnete (spin-only-Werte) und experimentell beobachtete magnetische Momente für oktaedrische high-spin Komplexe der 3d-Metallionen: (363) Ion Konfiguration n µ ber. [B.M.] µ exp. [B.M.] Ti3+ t2g 1 1 1.73 1.7-1.8 V 3+ t2g 2 2 2.83 2.7-2.9 V 2+, Cr3+ t2g 3 3 3.87 3.7-3.9 Cr2+, Mn3+ t2g 3 eg 1 4 4.90 4.8-4.9 Mn2+, Fe 3+ t2g 3 eg 2 5 5.92 5.7-6.0 Fe 2+, Co3+ t2g 4 eg 2 4 4.90 5.0-5.6 Co2+ t2g 5 eg 2 3 3.87 4.3-5.2 6 t2g eg 2 2+ Ni 2 2.83 2.9-3.9 2+ 6 t2g eg 3 1 1.73 1.9-2.1 2+ 6 4 0 0 0 Cu Zn t2g eg Tetraedrisches Ligandenfeld Auch im tetraedrischen Ligandenfeld erfolgt eine energetische Aufspaltung der d-Orbitale. Tetraedrisch angeordnete Liganden nähern sich den dxy -, dx z- und dy z-Orbitalen des Zentralions stärker als den dz2 - und dx2 -y 2 -Orbitalen. Im Gegensatz zu oktaedrischen Komplexen sind die dz2 - und d x2 -y 2 -Orbitale also energetisch günstiger. Ligandenfeld E kugelsymmetrisch tetraedrisch t2(dxy, dxz, dyz) 4DqT -6DqT e(d x2 - y 2 , dz2) ∆Τ (364) Die Abbildung zeigt die Gesamtheit der 3d-Orbitale in einem kubischen Feld. Jede der beiden Gruppen von tetraedrisch angeordneten Liganden (? oder ?) erzeugt ein Feld, das halb so stark ist wie das kubische Feld. Bei gleichem Zentralion, gleichem Liganden und gleichem Abstand Ligand-Zentralion beträgt die 4 9 tetraedrische Aufspaltung nur ∆T(Tetraeder) = 4 9 von der im oktaedrischen Feld: ∆O (Oktaeder) Prinzipiell sollte es für die Konfiguration d3 , d4 , d5 und d6 high-spin- und low-spin-Anordnungen geben. Wegen der kleinen Ligandenfeldaufspaltung sind aber nur high-spin Komplexe bekannt. Co2+ bildet mehr tetraedrische Komplexe als jedes andere Übergangsmetallion. Dies stimmt damit überein, dass für Co2+(3d7 ) die LFSE in tetraedrischen Komplexen (-12 Dq T) größer ist als bei anderen Übergangsmetallionen. t2 3(DqT ) 4(-6DqT ) e Konfiguration Zahl der ungepaarten Elektronen LFSE e4t23 3 -12DqT (365) Auswirkung der Aufspaltung der d -Elektronenzustände im Ligandenfeld Die Abbildung zeigt die Auftragung der Ionenradien für zweiwertige 3d-Ionen in Oxiden MO (M = Metall) mit oktaedrischer Ligandenumgebung im high-spin Zustand: eg lg . t2g 1,05 t2g Ionenradius [Å] 0,95 . 0,85 . . o 0,75 . . o . . 0,65 Ca 2+ d0 Sc2+ d1 Ti2+ d2 V 2+ d3 Cr2+ d4 Mn2+ Fe2+ d5 d6 Co2+ d7 Ni2+ d8 Cu2+ Zn2+ d9 d10 Generell erwartet man innerhalb einer Periode aufgrund der zunehmenden Kernladung eine kontinuierliche Kontraktion der Elektronenhülle und damit eine stetige Abnahme der Radien. Eine solche stetige Abnahme findet man für die Ionenradien beim Vergleich von Konfigurationen bei denen alle fünf d-Orbitale symmetrisch besetzt sind, also entweder alle leer (Ca2+, t0 2g e g0 ), einfach (Mn 2+, t32g e g 2) oder doppelt besetzt (Zn 2+, t6 2g e g4). Die dünne Linie in der Abbildung veranschaulicht diese Abnahme. Die Werte der Ionenradien der übrigen 3d-Ionen sind nun aber kleiner als man erwarten würde, und es treten im Vergleich der Radien relative Minima auf, bei d3 -V2+ und bei d8 -Ni2+. Eine Erklärung kann über die Orbitalaufspaltung und die damit unsymmetrische Ladungsverteilung der d-Elektronen gegeben werden. Entsprechend der in der Abbildung dargestellten Besetzung für die Konfiguration d1 bis d3 gelangen die Elektronen zunächst in die t2g -Niveaus und damit in Orbitale, die zwischen den Liganden liegen. Die Abschirmung des Metallions gegenüber den Liganden oder die Abstoßung der negativen (366) Elektronenwolken zwischen Ligand und Metall ist dadurch etwas verringert, und die Liganden können sich dem Metallzentrum weiter nähern, als es bei einer symmetrischen Verbindung der Metall-Valenzelektronen der Fall wäre. Beim d4 -Cr2+-Ion gelangt dann erstmals ein Elektron in die egOrbitale, die entlang der Metall-Ligand-Verbindungsachse liegen, woraus gegenüber dem d3 -V2+-Ion eine Radienzunahme resultiert. Der Kurvenverlauf wiederholt sich nochmal bei den d6 - bis d9 -Ionen. Eine Auftragung der Gitterenergien U g für die Difluoride MF2 der ersten Übergangsreihe ähnelt der in obiger Abbildung gegebenen Radienauftragung. Gitterenergien für die Difluoride der 3d-Metalle: d0 Ca2+ . 1500 [kJ/mol] d1 Sc 2+ d2 Ti2+ d3 V 2+ d4 Cr2+ 2000 d6 Fe2+ d7 Co2+ d8 Ni2+ o d10 Zn2+ 165 kJ . mol-1 o 2500 d9 Cu2+ . o o d5 Mn2+ . o o o 3000 Aus der Abweichung zwischen gemessenen und berechneten Werten für U g kann man die Größe 10 Dq (Ligandenfeldstärkeparameter = Kristallfeldparameter) berechnen. Ni2+ t6 2g eg 2 high spin Ligandenfeldstabilisierungsenergie (LFSE) = Kristallfeldstabilisierungsenergie = -12Dq Ug (exp.) - Ug (ber.) = 165 kJ/mol = 13600 cm-1 = 12 Dq 10 Dq = 11330 cm-1 Eine doppelhöckerige Kurve wird auch für die Hydratationsenthalpien der 3d-M2+-Ionen gefunden. (367) Normale und Inverse Spinelle Spinelle: Doppeloxide AO + B 2O 3 MgAl2O 4 (normales Spinell) r(O2-, KOZ:4) = 138 pm r(Mg2+, KOZ:4) = 57 pm r(Al3+, KOZ:6) = 54 pm O2 -Ionen bilden kdp (kubisch dichteste Kugelpackung) eine kdp von O2 -Ionen bildet n Oktaederlücken und 2n Tetraederlücken NiFe 2O4 (inverses Spinell) Ni2+-Ionen besetzen Fe3+-Ionen besetzen 1 4 1 8 der Oktaederlücken der Tetraederlücken und 1 4 der Oktaederlücken „Ni2+-Ionen haben mit der Hälfte der Fe3+-Ionen die Plätze getauscht“. Die Begründung für diese Verteilung liefert die Ligandenfeldtheorie. Im schwachen Feld der Oxid-Ionen kann das d8 -Ion Ni2+ bei oktaedrischer Koordination im Vergleich zur tetraedrischen Koordination eine höhere LFSE realisieren (Oktaederplatz-Stabilisierungsenergie, vergl. Tab. unten). Für das d5 -Ion Fe 3+ gibt es sowohl im oktaedrischen als auch im tetraedrischen Feld keine LFSE und damit aus Sicht der Ligandenfeldtheorie (Kristallfeldtheorie) keine Bevorzugung für einen Oktaeder- oder Tetraederplatz. Ligandenfeldstabilisierungsenergien LFSE für die oktaedrische und die tetraedrische Koordination und „site preference“ - Energie für den Oktaederplatz (Oktaederplatz-Stabilisierungsenergie): Anzahl der Elektronen Oktaederplatz Konfiguration LFSE in Dq Tetraederplatz LFSE Konfiguration* in Dq Okt.** „site preference“ Energie in Dq LFSEOkt -LFSETetr. _____________________________________________________________________________________ 1 t12g -4 e1 -2,7 -1,3 2 t22g -8 e2 -5,3 -2,7 3 t32g -12 e 2 t1 2 -3,6 -8,4 4 t32g e1 g -6 e 2 t2 2 -1,8 -4,2 5 t32g e2 g 0 e 2 t3 2 0 0 6 t42g e2 g -4 e 3 t3 2 -2,7 -1,3 7 t52g e2 g -8 e 4 t3 2 -5,3 -2,7 8 t62g e2 g -12 e 4 t4 2 -3,6 -8,4 9 t72g e2 g -6 e 4 t5 2 -1,8 -4,2 (368) * ** Die Aufspaltung im tetraedrischen Ligandenfeld ist auf Seite 363 dargestellt. Die Orbitale dz2 und dx2 -y 2 werden als e-Orbitale, die Orbitale dxy , d xz und d xz als t2 -Orbitale bezeichnet. Die Konfigurationen im oktaedrischen Feld werden zusätzlich durch den Index g(gerade) gekennzeichnet, da das Oktaeder ein Symmetriezentrum besitzt, das be im Tetraeder fehlt. Für die Berechnung wird angenommen, dass die tetraedrische Aufspaltung 4/9 der oktaedrischen Aufspaltung beträgt.