NL20 - Incomindios
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NL20 - Incomindios
Newsletter Nr. 20 August 2005 2 5 7 9 12 13 14 15 16 16 News aus der Schweiz News aus Südamerika News aus Nordamerika Als «Campamentista» in Chiapas «Unser Land zu verlieren bedeutet einen langsamen spirituellen Tod» Abschied von einem grossen, sanften Krieger «Education is the only key» Eine Zukunft für indianische Kinder Reise auf den Spuren der Siedler und Indianer Lexikon über die Indianer Nordamerikas News aus der Schweiz Überraschung an der UNOMenschenrechtskommission von Helena Nyberg Mit der Geschäftsleiterin Christa Luginbühl reisten wir am 11. April nach Genf an die UNO: an jenem Tag wurden die indigenen Delegierten an der Menschenrechtskommission angehört. Wir wollten den Anlass nutzen und zudem den Kanadiern einen Brief zur Unterstützung der Lubicon – die immer noch auf ihr Reservat warten – vorlegen und Zeugenaussagen zu Menschenrechtsverletzungen in Papua Neuguinea einreichen, deren Originale wir vertraulich erhalten hatten. Am Abend waren wir an den von INCOMINDIOS mitunterstützten Empfang unserer Mutterorganisation International Indian Treaty Council IITC eingeladen. Nach 30 Jahren Kampf: Sieg für Indianervölker in Brasilien! Aber der Tag sollte erstmals eine riesige Überraschung bringen: Da einmal mehr die UNOComputer ausgerechnet beim Akkreditierungsvorgang abgestürzt waren, standen Indigene, Diplomaten, NGO-Delegierte bunt gemischt in der Schlange vor den Schaltern der Akkreditierungsbüros und mussten sich in Geduld üben. Vor mir standen brasilianische Diplomaten, die sich über Pine Ridge in den USA unterhielten. Ich spitzte meine Ohren und wartete einen geeigneten Moment ab, um den einen distinguiert aussehenden Herrn in ein Gespräch zu verwickeln – so wie halt Lobbyarbeit oft funktioniert. Nach einer gegenseitigen Abtastungsrunde wagte ich meine Frage zu stellen, die mir von Anfang an auf der Zunge gebrannt hatte: Wie es der brasilianische Hoffnungsträger und Präsident Lula da Silva eigentlich mit seinen Versprechen halte? Er gebe zwar den Munduruku im Amazonas 2,4 Mio. Hektar Land zurück, aber halte die Völker in Raposa/Serra do Sol 2 an der Grenze zu Venezuela hin – diese warten seit fast 30 Jahren auf die Demarkierung ihres 1,6 Mio. Hektar grossen Gebietes. Was für eine Machtpolitik stecke da dahinter? Ich wollte schon unserer Entrüstung freien Lauf lassen, als er mich unterbrach: «Lady, don’t worry, nächsten Freitag wird Lula unterschreiben, darauf können Sie Gift nehmen», sagte er mit einem überzeugenden Diplomatenlächeln. Ich war baff und konnte es nicht glauben. Nach einem intensiven Tag und einem bewegenden Empfang des IITC unter Anwesenheit der UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte Louise Arbour kehrten wir nach Zürich zurück. Am besagten Freitag, den 15.4.05 hörte ich um acht Uhr früh im Radio: „Präsident Lula besiegelt die Demarkation eines riesigen Indianergebiets“!! Es war also wahr, ich wollte es aber von Giorgio da Ben, unserem Partner vor Ort in Raposa bestätigt haben und erhielt umgehend die folgende Mail: Cara Helena, Deine Annahme stimmt: es handelt sich tatsächlich um Raposa/Serra do Sol; Lula hat das Dekret soeben unterzeichnet, mit dem das Gebiet demarkiert und so für die Indigenen geschützt ist. Es brauchte 35 Jahre Kampf und Einsatz. Wir haben es geschafft, mit der Hilfe unzähliger Freunde – einschliesslich Dir und INCOMINDIOS –, die nicht nachgelassen haben in der Unterstützung der Forderung dieser Indi- genen, die an ihren Sieg geglaubt haben und sich gut organisierten. (…) Sie zwangen die Behörden, auch gegen ihren Willen die verfassungsmässigen Rechte endlich anzuerkennen. (...) In diesem Sinn sei allen FreundInnen bei INCOMINDIOS herzlich gedankt. Con amicizia Giorgio daBen Nachtrag: Die Indigenen an der UNO kämpften um den Beibehalt des Deklarationsentwurfs für die Rechte der indigenen Völker, der Gefahr lief, gekippt zu werden, da in 10 Jahren erst 2 der 46 Artikel verabschiedet worden sind. Zum Glück fielen alle Abstimmungen der UNO-Menschenrechtskommission zu indigenen Angelegenheiten positiv aus, so ist die Weiterarbeit an der Deklaration vorerst gesichert. Infos siehe www.freewebs.com/sezin_rajandran Ein weiterer Lichtblick in Brasilien ist die Gründung eines Nationalen Rats für Indigene Politik – so beschlossen an einer Audienz des Justizministers Márcio Thomaz Bastos am 28.04.2005 mit 30 indigenen Vertretern. Dieser Rat, dem indigene Völker, ihre Organisationen und die Regierung angehören sollen, soll die Richtlinien der Politik für die indigenen Völker formulieren und gestalten. Alle Fotos: Helena Nyberg Tour-de-Suisse der PorträtAusstellung Die zusammen mit der GfbV und dem Fotografen Patrik Fuchs konzipierte Fotoausstellung «Portäts eines Kampfes um Anerkennung» machte Halt bei der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA in Bern. Stand von ZOCH, mit Rita, Susanne und Eric WORLD PEACE AND PRAYER DAY Der Weltfriedens- und Gebetstag (WPPD) wurde 1997 von Arvol Looking Horse initiiert und ist ein internationaler Aufruf, am 21. Juni für den Weltfrieden zu beten. Die Menschen sollten sich daran erinnern, ihre eigenen heiligen Stätten zu schützen und Lösung für die dringenden Umweltprobleme zu finden. Die Regionalgruppe Zürich-Ostschweiz organisierte einen Anlass in der Zürcher Helferei. Arvol Looking Horse ist das spirituellen Oberhaupt der Lakota, Dakota und Nakota in den USA und der 19. Hüter der heiligen Pfeife der Weissen Büffelkalbfrau. An der Sonnenwende fliesst nach alter Lakota-Weisheit die Energie des Schöpfers durch eine offene Tür. Wir folgten diesem Aufruf und organisierten in Zusammenarbeit mit dem Kulturhaus Helferei des Grossmünsters einen Weltfriedens- und Gebetstag in Zürich. Obwohl wegen des heissen Sommerwetters nicht viele Leute kamen, beschlossen wir, den Anlass nächstes Jahr wieder durchzuführen. Zur wunderschönen Ambiance im geschmückten Raum trug der Flötenbauer Andy Schumacher (und Partnerin) mit einem zauberhaften Flötenspiel und der Geschichte der indianischen Liebesflöte bei. Nach der Filmvorführung («In the Spirit of Crazy Horse» von Michel Dubois, mit Milo Yellow Hair) leitete er uns noch durch ein Dankgebet. Ihm, seiner Partnerin und allen Aktiven der RG ZOCH sei herzlich für den Einsatz gedankt. ZOCH-Gruppenbild mit Andy Schumacher (hinten links) vor der Helferei Stand von Flötenbauer Andy Schumacher Fotograf Patrik Fuchs inmitten seiner Porträts Für zwei Wochen im Juli hingen in der luftigen Lobby des DEZA-Hauptsitzes die porträtierten Gesichter der indigenen Delegierten an der UNO, begleitet von ihren spannenden Geschichten. Nur schade, dass ausser der Kommunikationsverantwortlichen niemand zur offiziellen Eröffnung kam. Die Wanderausstellung ist ohne Unterbruch seit dem Jubiläumsanlass im November 2004 unterwegs gewesen und kann weiterhin ausgeliehen werden. Patrik Fuchs war übrigens wieder an der WGIP in Genf dabei und hat seine Porträtsarbeit fortgesetzt – wir sind gespannt, was sich daraus alles entwickelt. 3 Gedenkfeier für den Regenwaldschützer Bruno Manser Bruno Manser, Zeichnung: BMF Über 500 Personen nahmen am 21. Mai 05 an einer Erinnerungsfeier für Bruno Manser in der Offenen Kirche Elisabethen in Basel, teil. Über ihre Erinnerungen an Manser und die Bedeutung seines Lebenswerkes sprachen die frühere Bundesrätin Ruth Dreifuss, der Kabarettist Franz Hohler und weitere Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben. Auch INCOMINDIOS ehrte den Freund und langjährigen Partner mit der Anwesenheit von Mitgliedern der RG Basel. «Verschollen, nicht vergessen» sei der Menschenrechtler und Begründer des Bruno Man- ser Fonds, dessen Spur sich am 23. Mai 2000 irgendwo im Regenwald von Sarawak auf der Insel Borneo verlor. Jahrelang machte er mit spektakulären Aktionen zum grössten Missfallen der malaysischen Regierung auf das existenzbedrohende Schicksal der Penan aufmerksam. Kopfgeld war auf ihn, den Staatsfeind der Malayen, ausgesetzt, als er auf Wunsch der Penanhäuptlinge illegal die Landesgrenze übertrat und nicht mehr gesehen wurde; noch immer leiden die Penang unter dem Kahlschlag ihrer Lebensgrundlagen, der Einsatz für sie und den Erhalt des Tropenwaldes geht weiter... Quelle: Bruno Manser Fonds, Online Reports (P. Knechtli) Es war einmal eine Krähe und ein Rabe Ida Calmegane (links) und Sharon Shorty (Yukon) pflegen das Traditional Yukon Storytelling und kennen sich gleichzeitig mit Heilpflanzen aus. INCOMINDIOS durfte am 13. April 05 in der Lobby des Stadelhofen-Theaters einen Stand am Zürcher Auftritt der beiden spannenden Frauen machen, der von NONAM und Helvetas unterstützt worden ist. «Meine Geschichten sind mein Reichtum.» Nach dieser Überzeugung lebt und erzählt Ida Calmegane, so wie das vor ihr schon die Mutter, Grossmutter und Urgrossmutter getan haben. Sie ist Kaax’ ansh’ee, eine Älteste und Matriarchin der Diesheetaan Nation. Sharon Shortys Vorfahren stammen von den Tlingit und aus Norwegen. Ihre Geschichten stammen von ihren Grossmüttern und Tanten. Das zahlreiche Publikum lauschte den lebendig erzählten Legenden und liess sich für eine Stunde in die Welt der traditionellen YukonIndigenen entführen. Die Storytellers und ZOCH-Mitglieder 4 Fotos: Helena Nyberg News aus Südamerika Tod am Amazonas Der Amazonasregenwald ist noch Hort der Artenvielfalt und Heimat einzigartiger Indianervölker. Aber unerbittlich fressen sich Viehzucht, Landbau und Abholzung tiefer und tiefer in die grüne Lunge Südamerikas hinein. Europäische Konsumgewohnheiten tragen stark dazu bei. Umweltschützer haben kaum eine Chance ohne unser Umdenken. Der Umweltzerstörung hat sich in den Osten und Süden des Amazonasbeckens verlagert. Europas Konsumverhalten und seine Wirtschafts- wie Agrarpolitik heizen die WildwestSituation und vermeintliche Goldgräberstimmung in Brasilien noch an. Die Worte, die den einen Verheissung und den anderen Fluch bedeuten, heissen Holz, Rinder und Soja – alle drei nachgefragte Güter in der Europäischen Union. Die brasilianische Behörde FUNAI, die sich eigentlich um die Belange der Indianer kümmern soll, ist zu klein, mangelhaft ausgestattet und in Teilen auch korrupt, so kommt es immer wieder zu Übergriffen auf Indianerland. Häufig kommen dabei die Urwaldvölker auch mit den Eindringlingen und deren Krankheiten in Kontakt, was ihr Immunsystem überfordert und sie sterben lässt. Einsatz mit dem Leben bezahlt. Wie einst Chico Mendes setzte sich die amerikanische Ordensschwester Dorothy Strang vorbildlich wie gewaltlos für die Menschenrechte kleiner Landbesitzer und den Schutz des Regenwaldes ihrer Wahlheimat ein. Auftragsmörder richteten sie am 12. Februar 2005 auf dem Weg zu einer Versammlung im brasilianischen Bundesstaat Pará regelrecht hin: Selbst als sie von dem bezahlten Todeskommando mit Gewehren bedroht wurde, nahm sie nur ihre Bibel und sagte: «Dies ist meine Waffe!» Die derart «bewaffnete» 73-jährige Nonne starb durch sechs aus nächster Nähe abgefeuerte Kugeln. Dorothy Stang wird dadurch nicht wieder lebendig, aber die Proteste innerhalb Brasiliens und aus den USA bewirkten immerhin, dass Präsident Lula 2000 Soldaten nach Pará sandte, um die ausufernde Gewalt einzudämmen. Das Mordkommando wurde gefasst (die Hintermänner allerdings noch nicht). Und schliesslich richtete Lula per Dekret ein riesiges Waldschutzgebiet in der Region ein, um so den Raubbau zumindest zu bremsen. Ihn wirklich stoppen kann allerdings nur ein Konsumwandel in unserer Gesellschaft. Quelle: Daniel Lingenhöhl, spektrumdirekt, 19.3.05; http://www.tropenwaldnetzwerk-brasilien.de/aktuell/news/news.brasil.20050319/ index.html Eduardo Guerra, den Gründer der Friedensbewegung von San José. Er nahm als solcher im Jahr 2003 an verschiedenen Initiativen in den USA und Europa teil, unter anderem auch am Friedensmarsch von Perugia nach Assisi sowie am Forum ColombiaVive! Später wurde eine Grube mit den völlig verstümmelten Leichen der sieben Personen entdeckt. Luis Eduardo Guerra war auch dabei. Die GfbV verurteilt die abscheulichen Morde aufs Schärfste und fordert die internationale Staatengemeinschaft dazu auf, Kolumbien unter Druck zu setzen, damit die Mörder ausfindig gemacht und verurteilt werden können. Quelle: www.gfbv.it/3dossier/colombia/sanjose-es.html Bolivien: Mehr als nur ein Krieg um Gas Kolumbien: «Wir wollen Gerechtigkeit!» Immer wieder kommt es zu Gewalttaten, sanktioniert vom Staat. Nach dem fürchterlichen Massaker vom Februar 05 verlangen die Bewohner von San José de Apartado Gerechtigkeit. Die Einwohner von San José de Apartadó sind geschockt: «Wir können nichts mehr sagen; der Schmerz trifft uns so tief, dass wir nur noch weinen. Der Staat Kolumbien hat wieder einmal ein unglaubliches Massaker durchführen lassen, das unser Land mit Blut durchtränkt.» Zu den Fakten: Die kolumbianische Armee hat am 21. Februar 2005 sieben Personen von zwei Familien umgebracht, darunter Luis Die von indigenen Kräften angeführten massiven Proteste schütteln das ärmste Land Südamerikas noch immer. Es geht um weit mehr als um den Kampf der Erdgasressourcen Boliviens, die nach dem Willen des Volkes nicht privatisiert werden sollen. Die mehrheitlich indigene Bevölkerung fordert ihre Rechte ein und wehrt sich mit einer breiten Allianz aus indigenen Gemeinschaften, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Bewegungen gegen pro-amerikanische Interessen, welche mit Multis paktieren, um die Privatisierung des Landes voranzutreiben. Die Indigenen sind aber mit der Stossrichtung des charismatischen Oppositionsführers Evo Morales nicht einverstanden: In ihren Augen habe er sich verkauft und sei unnötige Kompromisse 5 eingegangen. Ein Grossteil der Bevölkerung unterstützt ihre Anliegen nach einer vollständigen Verstaatlichung der Erdgasindustrie und einer diesbezüglichen Verfassungsrevision. Morales hat sich zwar für eine hohe Besteuerung der ausländischen Gasfirmen eingesetzt – und der bolivianische Senat hat im Mai auch ein Gesetz verabschiedet, das 50% der Gewinne ausländischer Energieunternehmen besteuert – aber das sei noch nicht genug, «unsere Ressourcen gehören uns», sagen die Indigenen... und der Konflikt schwelt weiter. Quelle: http://www.democracynow.org/article. pl?sid=05/05/25/1414214 URGENT ACTION: Helfen Sie den Huaorani-Frauen in Ecuador! Am 30. Juni 05 erreichte uns die Bitte der Organisation «Rettet den Regenwald», eine Internet-Kampagne mitzumachen, zur Unterstützung indigener Frauen, die ein Friedenscamp gegen die Ölausbeutung in Ecuador unterhalten. Die Vereinigung der Huaorani-Frauen im ecuadorianischen Amazonas blockieren die Ölstrasse in Ecuador und bitten um Hilfe: Mit ihrem Friedenscamp im YasuniNationalpark wollen sie das traditionelle indianische Stammesgebiet vor der Zerstörung durch Ölausbeutung schützen. Der Yasuni-Park gehört zu den artenreichsten Gebieten der Welt und ist seit Jahrhunderten Lebensraum von etwa 2500 Huaoranis. «Rettet den Regenwald» hat 5000 Dollar Soforthilfe für das Huaorani-Friedenscamp zur Verfügung gestellt. Bitte unterstützen Sie die Huaorani-Frauen und protestieren Sie noch heute bei der ecuadorianischen Regierung. Hier gehts direkt zur Protestmail: http://www.regenwald.org Bitte leiten Sie diese Mail an möglichst viele Freunde und Bekannte – herzlichen Dank! 6 Schulprojekt mit Breitenwirkung letztes Jahr vom Centro de Educacion Mapuche erarbeitet wurde, eingesetzt. Interkulturelle Erziehung der Mapuche in Neuquen 1. Treffen: «Wiedererlangen der MapucheKenntnisse» (in Aluminé, 15.–21. Januar von Arne Baurecker, Chile 2005) Die traditionellen Ältesten wie Lonko und Pillan Dank der Vermittlung unseres Berner Mitglieds Kushe der Gemeinschaften Kurruwinka, Wiñoy Arne Baurecker konnte über INCOMINDIOS Tayiñ Rakizuam, Lefiman, Niegueihual, Cataein grösseres Projekt zur Förderung einer lan und Ruka Coroy sowie rund 150 Jugendliche indigenengerechten Schulausbildung bei den und Kinder derselben Gemeinschaften nahmen Mapuche lanciert werden. Hier ein erster daran teil. Unter freiem Himmel und auf vor 10 Kurzbericht vor Ort. Jahren zurückerlangten Territorium trugen die Autoritätspersonen das kollektive GedächtHauptziel des Projektes ist es, einen Lehrplan nis, die mündlich überlieferte Geschichte des für interkulturelle Erziehung auf Sekundar- Widerstandes und der territorialen Reduktion stufe (PIE) zu entwickeln. Als eine Grundlage (19. Jhd.) vor. dient dabei die erste interkulturelle Erfahrung der Primarschule Nr. 161 in der Gemeinschaft 2. Treffen: mit ehrwürdigen Autoritätspersonen Kurruwinka. und Ältesten; den Trägern der traditionellen Die ursprünglichen Aktivitäten wurden im Lau- Kenntnisse (Aluminé, 20.–24.Februar 2005) fe der Projektrealisierung aber erweitert. Denn 12 Autoritätspersonen und Älteste sammeln einerseits reichten die vorhandenen traditio- mit dem Centro de Educacion Mapuche sysnellen Kenntnisse nicht aus, da ein Grossteil tematisch traditionelle Kenntnisse (philoverloren gegangen war, andererseits haben sophisch-religiöse Kenntnisse, Medizin, und Gemeinschaften aus der Region Pulmari das Sprachanalyse) Bedürfnis angemeldet, an der Stärkung ihrer Identität und so an der Entwicklung des PIE 3. Treffen: der Kona (Jungen) in Neuquén mitwirken und mit ihrem reichhaltigen Wissen (24.–26. März 2005) und v.a. Sprachkenntnissen beitragen zu wol- Hauptthema waren die Grundrechte der Mapulen – nicht nur ältere Personen, sondern gera- che, die aus Ursprung und Geschichte hervorde die Jungen, die trotz der massiven, fremden gehen. Dazu gehörte auch die Aufarbeitung der Einflüsse an ihrer Kultur festhalten und sie völkerrechtlichen Vereinbarungen zum Schutz stärken wollen. der indigenen Völker und eine Analyse der aktuellen, rechtlichen Situation der GemeinDie Comision Intercultural, die aus 4 Experten schaften der etwa 70 jugendlichen Teilnehmer. der Mapuche und 4 Erziehungsexperten (NichtMapuche) der Universität Comahue besteht, 4. Treffen: Auswertung durch die Comihat zu diesem Zweck vier Arbeitstreffen in sión Intercultural, San Martin de los Andes Aluminé, San Martin de los Andes und Neuquen (23.-26. Juni 2005) Stadt organisiert. Sie ist zudem permanent mit Die Comisión Intercultural wertete ihre Arbeit der Analyse und Selektion der Inhalte und des der letzten 6 Monate und die Treffen aus. ProNiveaus der staatlichen Schulbildung aller am dukt dieses Prozesses ist ein Basisdokument Projekt mitwirkender Gemeinschaften beschäf- des Interkulturellen Lehrplans, das den Ältestigt und bildet das Bindeglied zwischen dem ten der Mapuche zur Analyse und Prüfung vorCentro de Educacion Mapuche, den Gemein- gelegt wird und die Grundlage für die weitere schaften, der Universität und dem staatli- Entwicklung bildet. chen Lehrpersonal. Bei allen Treffen wurde eine systematische Sammlung der Resultate vorgenommen und didaktisches Material, das News aus Nordamerika Leonard Peltier in anderes Gefängnis überführt Nachruf auf Dave Chief, Peltiers spirituellen Beistand Ohne seine Familie oder Anwälte zu benachrichtigen, ist der berühmte politische LakotaGefangene am 30. Juni 05 aus Leavenworth (Kansas) ins Staatsgefängnis von Terre Haute in Indiana überführt und in Einzelhaft gesteckt worden. Leavenworth wird baulich von einem Hochsicherheitsgefängnis zu einem «mittelsicheren» Gefängnis zurückgestuft. Deshalb wurden die Insassen verlegt und zuerst in Isolationshaft gesteckt. Wie lange, wissen wir nicht. Seit über 29 Jahren ist Peltier im Gefängnis, er ist 60 Jahre alt und seine Gesundheit ist angeschlagen. Niemand weiss, wie es ihm geht und ob er die durch gute Führung erhaltenen Privilegien auf Besuch, Religionsausübung, Telefonate, Hobbies, etc. ausüben darf. Russ Redner, der Geschäftsführer des Verteidigungskomitees von Leonard Peltier bestätigt den Umzug des LPDC nach Terre Haute, um die Arbeit für die Freilassung der zweimal lebenslänglich Verurteilten in seiner Nähe fortzusetzen. «Das US-Gefängnissystem ist höchst unmenschlich», meint er, «er benutzt die neueste Technologie, um die brutale Behandlung der Gefangenen zu maskieren; die Hochsicherheitstrakte sind eigentliche verdeckte Todeslager, damit die Bevölkerung nicht merkt, wie brutal und menschenunwürdig die USA ist. Wir beten, dass unser Bruder stark genug ist. Möge der Schöpfer ihn mehr denn je zuvor beschützen.» URGENT ACTION für Leonard Peltier Schreiben Sie dem neuen Gefängnis Briefe, telefonieren sie und senden Sie Peltier Ende August Geburtstagkarten, damit er weiss, dass wir ihn nicht vergessen. Eine Briefvorlage der indigenen Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú Tum für Peltier kann im Büro angefordert werden. Wir danken den SpenderInnen! INCOMINDIOS hatte den Juni-Spendenaufruf auch zugunsten Peltiers gestartet und bedankt sich nun für die bereits eingegangenen Spenden, die gerade rechtzeitig gekommen sind, um einen Beitrag an die Neueröffnung des Büros in Indiana und an die Betreuung von Peltier zu leisten. Spenden sich weiterhin willkommen! Informationen: Russ Redner, LPDCGeschäftsführer, (001) 866-534-6151; Barry Bachrach, LPDC-Anwalt, (001) 508-926-3403 Kontaktieren Sie das Gefängnis: USP Terre Haute U.S. Penitentiary 4700 Bureau Road South Terre Haute, IN 47802 Phone 812-244-4400 Fax 812-244-4789 THP/EXECASSISTANT@BOP.GOV Schreiben Sie der Gefängnisverwaltung: Federal Bureau of Prisons 320 First Street NW Washington, DC 20534 202-307-3198 info@bop.gov Am 13. Juni 2005 verstarb David Chief, der langjährige spirituelle Beistand Peltiers und Führer der Lakota. Er war ein allseits respektierter Mann. «Meine Beileidsbezeugnisse sind an seine Familie und unser ganzes Volk gerichtet», schreibt Peltier. «Ich bete, dass wir uns vereinigen können auf dem Weg, den er gegangen ist.» Mitglieder von INCOMINDIOS lernten Dave Chief im Dezember 2000 an einer Sonnenaufgangszeremonie zu Ehren Peltiers unweit des World Trade Centers in New York kennen und waren von seiner Präsenz beeindruckt. Dave Chief segnet das vom Schweizer Antiquitätenhändler Raffi Huser überbrachte Geschenk für L. Peltier – ein Zeremonialstab aus der Zeit von Wounded Knee. Quellen: Paula Ostrovsky-LPDC Media PR; http://leonardpeltier.org 14.12.2000, Battery Park, NY Foto: Helena Nyberg 7 Good News: Navajo-Stammesrat stimmt gegen Uranabbau Window Rock, Arizona. Mit der Unterschrift von Präsident Joseph Shirley tritt ein Gesetz in Kraft, das den Uranabbau und die Uranverarbeitung auf dem Land der Navajo untersagt. «Die Beine des Uranmonsters sind damit abgehackt», meinte ein Delegierter. Obwohl der Navajo Nation einmal mehr Geld und Infrastrukturen angeboten und sie mit teuren Gerichtsklagen bedroht wurden, blieben sie hart und stimmten mit 63 gegen 19 Stimmen gegen einen weiteren Uranabbau auf ihrem Land. Sie stellten sicher, dass auch keine Einzelpersonen durch die Maschen des Gesetzes fallen, indem sie den Text genau abfassten: «Keine Person darf auf irgendwel- Grafik: Desert Morning News Endlagerfrage in den USA ungelöst Yucca Mountain, Nevada: Da sich die Pläne der Regierung, ein riesiges Endlager für radioaktive Abfälle im heiligen Berg der Shoshone einzurichten, ständig verzögern, verlangen Gesetzgeber und Atomindustrie eine alternative Lösung und drohen mit Milliardenklagen, falls die US-Regierung es nicht schafft, innert 2010 eine Endlagerstätte anzubieten. 8 chen Standorten innerhalb des Navajo Indian Country den Abbau oder die Verarbeitung von Uran betreiben.» – «Uran tötet», war das durchschlagende Argument in den Sitzungen des Navajo Stammesrates gewesen... Quelle: Ryan Hall, The Farmington Daily Times, 20.04.2005 PS: Anfangs Mai wurde bekannt, dass die französische Energiefirma Cogema (Saskatchewan!) geologische Untersuchungen in einem insgesamt über 800 km2 grossen Gebiet in Südfinnland durchführen will! Man hoffe auf reiche Uranfunde... Kee Watchmann, der verstorbene Vertreter der traditionellen Dineh von Cactus Springs, dahinter seine Supporter Daniel Zapata (links) und Sylvain Duez Foto: Beatrice Weyrich Alessandrini Pikantes Detail: Erst vor kurzem sickerte durch, dass Regierungsbeamte womöglich Dokumente gefälscht haben könnten, um den Start des umstrittenen Endlagers zu beschleunigen. Das Energieministerium steht unter Druck, eine temporäre Lösung zu finden. Bis 2010 hätten 77’000 Tonnen radioaktives Waffenmaterial und abgebrannte Brennstäbe für 10’000 Jahre in der Wüste 90 Meilen nordwestlich von Las Vegas begraben werden sollen. Der Berg sei unsicher, hatten die Indigenen schon lange nachgewiesen, erst der Widerstand von Las Vegas und seinem populären Bürgermeister brachte aber die nötige Unterstützung gegen das Projekt. Nun will man mit privaten Mitteln ein Endlager auf Indianerland (!) in Utah einrichten, dabei werden aber immer mehr Stimmen laut, es sei besser, das radioaktive Material dort zu lagern, wo es eingesetzt wird: In 39 Staaten warten ca. 55’000 Tonnen Reaktorabfälle und 16’000 Tonnen hochradioaktives Militärmaterial auf die Entsorgung. Die ursprünglichen Baupläne von überwachten zugänglichen Lagerstätten (interim «monitored retrievable storage» facilities) wurden Ende 1980er, anfangs 1990er Jahre leider «zugunsten» Yucca Mountain aufgegeben… Quelle: Erica Werner, Associated Press, 25. 3. 2005 Standort des grössten US-Atomendlagers: Yucca Mountain Als «Campamentista» in Chiapas «Der Frieden ist wie eine Glut, die jederzeit wieder zu einem Feuer ausbrechen kann». von Evelyne Frei Fotos: Evelyne Frei «Wie bist du auf die Idee gekommen, einen Einsatz als Menschenrechtsbeobachterin zu machen?» Diese Frage höre ich immer. Nun, die indigenen Völker Amerikas interessierten mich seit meiner Kindheit, und es war immer mein Traum, eines Tages in einem Projekt vor Ort einen Einsatz zu leisten. Ausschlaggebend war 1996 der Berner Besuch von Don Samuel Ruiz, des ehemaligen Bischofs von San Cristobal de las Casas und Vermittler zwischen den Zapatisten und der mexikanischen Regierung. In unserem ersten Dorf werden wir von einer Schar neugieriger Kinder begrüsst, welche uns in den folgenden zwei Wochen fast täglich besuchen kommen. Ganz wild sind sie nach Fotos und wollen auch alle fotografiert werden. Unsere mitgebrachten Bilder aus der Schweiz schauen sie interessiert an und sind besonders von den Pferden im Schnee fasziniert! Ganz komisch finden sie meine kurzen, gefärbten Haare und fragen mich öfters warum ich sie abgeschnitten und wer sie mir denn eingefärbt habe. Während dieser Veranstaltung wurde das Projekt der Friedensbeobachter in Chiapas (Campamento Civil por la Paz) vorgestellt und für mich war danach klar: So etwas will ich einmal machen! Im Februar 2005 war es dann endlich soweit! Bis im April sollte ich als «campamentista» in Chiapas einen Einsatz leisten... Der Verantwortliche für uns «campamentistas» zeigt uns unsere Unterkunft und die Küche, bringt uns Brennholz und erzählt uns etwas über das Dorf. Nuevo San Pedro wurde 1994 während des Aufstandes der Zapatisten gegründet, ein Grossteil der ca. 50 TzeltalFamilien sind aber erst in den letzten paar Jahren hierher gezogen. Bei den Zapatisten Um uns herum Grün in allen Varianten, vorbei an kleinen Dörfern aus Holzhäusern mit Blechdächern, Maisfeldern und Bananenbäumen, so fahren wir mit der Camionetta (offener Pickup) zur Ortschaft La Garrucha, einem der fünf Caracoles, den autonomen zapatistischen Verwaltungszentren mit der lokalen Regierung «Junta de buen Gobierno», welche im August 2003 im Bundesstaat Chiapas eingesetzt wurden. Wir melden uns bei der «Junta» an, zeigen unser Empfehlungsschreiben vom Frayba (dem Menschenrechtszentrum in San Cristobal de las Casas, welches die Einsätze koordiniert und die Beobachter in die Gemeinden schickt) und erhalten die Erlaubnis der Zapatisten, in das vom Menschenrechtszentrum zugewiesene Dorf weiterreisen zu können. Die Menschen leben hauptsächlich von der Land- und Viehwirtschaft (Mais, Bananen, Bohnen, Kühe, Hühner), was nur wenig einbringt. Die Häuser sind einfach, ausser ein paar wenigen Solaranlagen, gibt es in den meisten Dörfern keinen Strom. Die Stromanschlüsse, Wasserleitungen und Lehrer (viele Dörfer haben manchmal über ein Jahr lang keinen Lehrer in ihrer Schule) würde der Staat finanzieren, jedoch akzeptieren die Zapatisten weder Geld noch sonstige Unterstützung der Regierung. Sie versuchen, so rasch es geht Abhilfe zu schaffen, aber das braucht viel Zeit und Geld. Dieses Verhalten erweckt bei vielen Leuten Unverständnis, ich finde es jedoch bemerkenswert, dass die Zapatisten ihrem eingeschlagenen Weg treu bleiben, auch wenn er lang und steinig ist! Unter dem Mangobaum… Am ersten Morgen werden wir um 7 Uhr geweckt: die Tortillas sind da! Was bei uns das Brot, ist in Mexiko die Tortilla; Grundnahrungsmittel und bei allen Mahlzeiten dabei! Langweilig? Keineswegs; denn ob mit Honig, Frischkäse, Bohnen, Tomatensauce, Rührei oder Guacamole, Tortillas schmecken mit allen möglichen Beilagen hervorragend. Nach dem Frühstück geht es auf den «Posten» unter dem Mangobaum. Unsere Aufgabe besteht darin, jegliche Bewegung der Armee zu notieren, Anzahl und Art der Fahrzeuge und der Soldaten. Dabei ist es wichtig, dass wir in guter Sichtweite zur Strasse sitzen, denn schliesslich sollen sie vor allem uns sehen! An manchen Tagen passieren bis zu 30 Militärfahrzeuge die sonst friedlich erscheinende Gegend. Niemand kann die extreme Armeepräsenz im Bundesstaat Chiapas verleugnen, denn sie ist offensichtlich! Überall sind kleinere und grössere Stützpunkte, und ausserhalb der Provinzstädte wurden ganze Militärkolonien aus dem Boden gestampft! 9 An unserem Platz unter dem Mangobaum kommen auch viele Dorfbewohner vorbei, und so ergeben sich öfters interessante Gespräche, sei es über Politik, Religion oder die Unterschiede der Schweiz zu Mexiko. Die Männer machen öfters eine Pause für einen Schwatz («Wie viele Kühe besitzen die Bauern bei euch, welche Pflanzen werden angebaut?»), die Frauen sind zurückhaltender, viele sprechen auch schlecht oder gar kein Spanisch. Diese interessieren sich mehr dafür, wie viele Kinder die Schweizer Familien haben, und in welchem Alter bei uns geheiratet wird. So wird es einem unter dem Mangobaum nie langweilig! Die Kirche ist ein zentraler Treffpunkt in jedem Dorf. Nicht nur für Gottesdienste und Katechismusstunden trifft Mann und Frau sich hier, sondern auch für Besprechungen. Wer etwas zu sagen hat, stellt sich für seine «Rede» vor die anwesende Gemeinschaft, danach wird oft stundenlang diskutiert und abgestimmt. Übrigens kommen bei den Zapatisten auch die Frauen immer zu Wort! Leider haben wir nie viel mitbekommen, da jeweils die Maya-Sprache Tzeltal gesprochen wurde... Zwei Wochen später haben wir uns von diesen freundlichen Menschen verabschiedet und kehrten zurück nach San Cristobal de las Casas. Gerne wären wir noch länger in diesem gemütlichen Dorf mit seinen freundlichen Menschen geblieben. Sociedad Civil de las Abejas Zurück in der Stadt hiess es, Bericht schreiben und im Frayba abgeben. Das Menschenrechtszentrum sammelt alle Daten zu jedem begleiteten Dorf und kann anhand dieser die Veränderungen im jeweiligen Dorf, sowie die militärische Präsenz in der Zone verfolgen und einschätzen. Nach dem Auswertungsgespräch kaufen wir auf dem Markt in San Cristobal Gemüse und Früchte ein, und dann kann es wieder losgehen! Der nächste Einsatz führt uns durchs Hochland von Chiapas, eine gute Stunde von San Cristobal entfernt, in eine etwas von der Strasse abgelegene Abeja-Gemeinde. Die Abejas (Bienen) sind eine sehr religiöse Gemeinschaft (eine Mischung aus Katholizismus und Maya10 Der Konflikt in Chiapas San Cristobal de las Casas, 1. Januar 1994: «Ya basta, es reicht!» Damit begann der bewaffnete Aufstand der Zapatisten in Chiapas. Ausschlaggebend für diesen Schritt waren jahrhundertealte Unterdrückung und Diskriminierung der indigenen Bevölkerung Mexikos, kaum Zugang zu Boden, Bildung und gesundheitlicher Versorgung, geschweige denn einem gerechten und korruptionsfreien Rechtssystem. Die Regierung antwortete mit der Besetzung grosser Teile von Chiapas durch die Armee und der Errichtung von unzähligen Militärstützpunkten in der gesamten Region. Paramilitärische Gruppierungen terrorisieren seither die Zivilbevölkerung – von der mexikanischen Armee unterstützt. Mehr als 20’000 Menschen mussten vor diesem Terror flüchten. Die zähen Verhandlungen der Konfliktparteien führten zu ersten Friedensabkommen 1996 und den Verträgen von San Andres 1998, welche etliche Gesetzeslücken bezüglich der Indigenen schliessen sollten. Nur wurde das Gesetz 2001 vom Kongress derart verwässert und wesentliche Teile (v.a. über die Autonomie der indigenen Dörfer) ausgeklammert, dass es zu heftigen Protesten kam. Dies jedoch wurde von Regierungsseite her einfach ignoriert und eine erneute Verschärfung der Situation akzeptiert. Seither ist der Dialog zwischen den Parteien abgebrochen, die EZLN (Ejercito Zapatista de Liberación Nacional) hat sich zurückgezogen; beharrt aber, zusammen mit anderen indigenen Organisationen weiterhin auf der Einhaltung der ursprünglichen Verträge von San Andres. Im Juli 05 ergriff die EZLN eine gewaltfreie landesweite Initiative für eine neue linke Allianz. religion), mit der Gewaltlosigkeit als oberstes Kredo. Politisch verfolgen sie die gleichen Ziele wie die Zapatisten und sind mit ihnen verbunden. Traurige Berühmtheit hat die Ortschaft Acteal erlangt, als am 22. Dezember 1997 45 Tzotzil-Indigenas von einer paramilitärischen Gruppe überfallen und ermordet wurden. Militäreinheiten waren damals in der Nähe stationiert und hörten angeblich den Lärm und die Schreie der Menschen nicht… ein weiterer Beweis für die Tolerierung der Paramilitärs durch Armee und Regierung. Ein Grossteil der Täter ist noch immer auf freiem Fuss, zudem hat die Regierung Gutierrez vor 4 Jahren verurteilte Täter trotz heftiger Proteste bereits wieder frei gelassen! In Acteal zuhause ist auch der jährlich zu wählende Rat der Abejas, die mesa directiva. Auch die Abejas streben das Recht auf Selbstbestimmung an; im Gegensatz zu den Zapatisten akzeptieren sie aber staatliche Hilfe, da sie der Auffassung sind, dass Zugang zu Bildung, Gesundheit, Wasser und Strom Grundrechte sind, die für alle mexikanischen Bürger gelten – daher auch für sie. Das neue Dorf am Fuss des Raben Wir werden mit offenen Armen und einer Herzlichkeit empfangen, die uns alle tief bewegt; die Menschen sind so arm, und trotzdem teilen sie das Wenige, was sie besitzen mit uns! Wir werden oft eingeladen, die verschiedenen Familien zu besuchen, wo wir dann bei einer Tasse Kaffee aus eigenem Anbau ins Gespräch kommen und sehr viel über das Leben im Dorf und die politische Situation erfahren. Nuevo Ybeljoj existiert erst seit 4 Jahren; seine Bewohner wurden 1998 mit Gewalt aus dem alten Dorf vertrieben, von den eigenen Nachbarn, welche sich einer paramilitärischen Gruppierung angeschlossen haben. Drei Jahre lang lebten die Menschen vom «alten» Ybeljoj in einem Flüchtlingslager, wo furchtbare hygienische Zustände herrschten, viele wurden krank und sind gestorben, vor allem Kinder und alte Menschen. Nach 3 Jahren war es den Leuten möglich, mit Hilfe eines reichen Mexikaners einige Kilometer vom alten Dorf entfernt Land zu kaufen und dort eine neue Existenz aufzubauen. Inzwischen ist Nuevo Yebjoj ihre neue Peace Watch Switzerland – Unterwegs für Menschenrechte Peace Watch Switzerland entsendet BeobachterInnen zur Begleitung von Dorfgemeinschaften in Konfliktgebieten. Das Ziel ist, durch die internationale Präsenz gewalttätige Übergriffe auf die Zivilbevölkerung zu verhindern. Peace Watch Switzerland sucht freiwillige BeobachterInnen in der Schweiz, bildet sie aus und entsendet sie für 2-3 Monate in eines der Projekte in Mexiko, Guatemala und Palästina. Infos unter: Peace Watch Switzerland Quellenstrasse 31 8005 Zürich info@peacewatch.ch www.peacewatch.ch Weitere Links: Direkte Solidarität mit Chiapas www.chiapas.ch Menschenrechtszentrum Frayba www.laneta.apc.org/cdhbcasas/ Ejercitio Zapatista de Liberacion Nacional www.ezln.org/ Heimat geworden. Nun wird die Strasse ausgebaut, weitere Wasserleitungen gelegt und eine neue Kirche geplant. Ebenfalls erfahren wir, dass im Rahmen des höchst fragwürdigen Megaprojektes «Plan Puebla Panama» 3 Staudämme in der Region Chenalhó geplant sind, was für die angestammten Bewohner eine Zwangsumsiedlung bedeuten würde. Wie so oft kommen die Interessen der Multis vor den Indigenen und deren Grundrechten! Ein besonders eindrückliches Erlebnis ist der Besuch des Gottesdienstes: Dank der Übersetzung folgen wir einigermassen der auf Tzotzil gehaltenen Predigt. Der Katechist bedankt sich bei uns und betont, wie wichtig es für sie ist, dass wir Zeugen ihres Alltags sind und zu Hause erzählen, wie die Situation in Chiapas wirklich ist! Auch hier fällt der Abschied von diesen herzlichen Menschen schwer; genauso wie Margarita müssen auch wir uns ein paar Tränen aus den Augenwinkeln wischen. Wir hoffen, eines Tages wieder nach Chiapas reisen zu können. Urgent Action: Briefkampagne gegen neue Vertreibungen In der Zona Norte von Chiapas wurden am 3. Juli 05 erneut Familien gewaltsam von Paramilitärs aus ihren Gemeinden vertrieben. Bei den Vertriebenen handelt es sich um BewohnerInnen der Gemeinde Andrés Quintana Roo in Sabanilla. Seit 1996 werden dort die ehemals zapatistischen Familien, heute Sympathisanten der PRD, von ihren bei der paramilitärischen ‘Paz y Justicia’ organisierten Nachbarn bedroht. Paz y Justicia, die einflussreichste und aggressivste paramilitärische Organisation in der gesamten Zona Norte, hatte zwischen 1995 und 2000 3000 Menschen aus verschiedenen Gemeinden vertrieben, 37 Personen ‘verschwinden’ lassen, und 87 Menschen getötet. Seit Beginn dieses Jahres wurden wieder zunehmende Wellen der Aggression von MenschenrechtsbeobachterInnen registriert. Die Mobilisierungen der Paramilitärs, ihre Wiederbewaffnung und die neuen Vertreibungen sind kein gutes Zeichen für die Region, in der die Zapatistas eben eine neue, explizit friedliche Initiative für eine nationale linke Allianz ergriffen haben. Wandbild in La Garrucha INCOMINDIOS Schweiz hat sich an einer Briefkampagne an die Adresse der Regierung beteiligt und den Schutz der ansässigen Bevölkerung und die Entwaffnung der Paramilitärs gefordert. 11 «Unser Land zu verlieren bedeutet einen langsamen spirituellen Tod» Nachruf: Mary Dann, Western Shoshone Mary (rechts) und Carrie Dann Foto von Rebecca von Renate Domnick Mary Dann schien die Sanftmütige, Schweigsame neben ihrer lebhaften, eloquenten Schwester Carrie. Doch jeder wusste, dass es weder für Carrie, die Frontfrau im Kampf um die Rechte der Western Shoshone, noch auf der von ihnen gemeinsam geführten Ranch eine Entscheidung ohne Mary gab. Gemeinsam waren sie das Rückgrat des Widerstandes gegen Landraub, gegen Atomtests und gegen den Goldabbau, der die Gewässer verseucht und ihre heiligen Stätten zerstört. Der Dann-Klan stand von Anfang an im Mittelpunkt der Kämpfe um Land- und Vertragsrechte, denn auch andere Familienmitglieder engagierten sich und wurden so zur Zielscheibe von Schikanen durch Behörden und Gerichte. Mary liebte das Leben und die Arbeit auf der Ranch im abgelegenen Crescent Valley. Sie war die Seele des Hauses, das im Lauf der Jahre Gäste aus vielen Ländern und Kontinenten beherbergt hat, sie galt als berühmte Züchterin weit über Nevada hinaus, und sie war «boss of the Ranch». Und so lag letztlich auch die Verantwortung bei ihr für die Entscheidung, keine Weidegebühren für die Nutzung des Landes zu zahlen. Dies kam einer Nichtanerkennung des Bureau of Land Management (BLM) gleich, einer der mächtigsten Behörden in Nevada, die über Genehmigungen für Bombentestgebiete und Goldminen, und eben auch für Weideland entscheidet. Hartes Leben zwischen Ranch und Gerichtsprozessen. Dass das BLM dies als Kriegserklärung verstand, zeigte sich bei den darauf folgenden Strafaktionen gegen die Danns, darunter militärisch inszenierte Konfiszierungen von 12 Rindern und Pferden, bei denen Bundes- und Staatspolizei, Sheriffs und Hubschrauber zum Einsatz kamen. Mit der Weigerung, für die Nutzung ihres Landes Gebühren zu zahlen, begann auch eine Welle von Prozessen über Land- und Vertragsrechte der Western Shoshone, die bis zum Obersten Gericht und zur Menschenrechtskommission der OAS und der UN führten. Beide Gremien bestätigten die Rechte der Western Shoshone – nur, um von den USA ignoriert zu werden. In solchen Momenten, wenn die USA unverblümt Macht vor Recht ergehen liessen, habe ich Mary unendlich niedergeschlagen erlebt, aber nie kam ihr der Gedanke aufzugeben. Ihre Nichte Pearl erzählte mir beim Russel-Tribunal, dass man in den USA kaum den Namen der Western Shoshone kannte. Das war 1980, und es war hierzulande nicht anders. Ich versprach ihr, das sollte sich ändern und sie lud mich ein zur Ranch der Familie. Als ich dort Mary und Carrie traf, diskutierten wir nächtelang in ihrer Küche. In den folgenden Jahren entstanden in der Küche der Danns in Nachtgesprächen mit Anwälten und Aktivisten entscheidende Strategien der Western Shoshone. Tagsüber mussten sie arbeiten und dass es harte Arbeit war, merkte ich, wenn ich bei 40° im Schatten half, in dem harten Boden Maisstauden zu pflanzen oder Heuschrecken totzuschlagen, die in Dürrejahren die SagebrushWüsten von Nevada heimsuchen. Es war zwar Carrie, die überaus redegewandt in der Öffentlichkeit auftrat – aber oft war es Mary, die die Dinge auf den Punkt brachte, etwa wenn sie die unfaire Berichterstattung über Landrechtsfragen der Western Shoshone nicht hinnehmen mochte. So schrieb sie in einem Leserbrief: «Das BLM behauptet, wir hätten mehr Rinder und Pferde als ˙Permits˙ (Weidegenehmigungen). Was für ein Unsinn – wir haben gar keine Genehmigung beantragt, da unsere Tiere auf dem Land der Western Shoshone weiden. Die USA behaupten, wir hätten es aufgrund ˙allmählicher Besiedelung˙ verloren – welches Gesetz besagt, dass man Land durch fremde Besiedelung verlieren kann – und gilt das für alle Amerikaner?» Wer Mary und Carrie zusammen erlebte, spürte eine Symbiose zwischen beiden, fast wie bei Zwillingen. Und so ist es kein Wunder, dass sie auch alle Auszeichnungen gemeinsam erhielten, u.a. den Alternativen Nobelpreis, der ihnen 1993 im Schwedischen Parlament verliehen wurde. Es war immer Carrie, die die Preise entgegennahm, denn Mary, die selbst in hohem Alter lieber auf einem Pferd ritt als Auto fuhr, wollte nicht fliegen. Am 22. April starb Mary Dann in einem Autounfall, als sie Zäune ihres Landes kontrollierte, «with her boots on and hay in her pocket», wie ihre Nichte Patricia sagte. Sie war die Verkörperung der traditionellen, spirituellen und kulturellen Werte ihres Volkes, so wie Carrie und Mary gemeinsam Vorbilder waren für viele Indigene, insbesondere Frauen, die um ihre Rechte kämpfen. «Mary Dann, geboren am 1. Januar 1923 in Eureka County Nevada Tochter von Dewey und Sophie Dann. Unsere geliebte Tochter, Schwester, Tante, Gagoo, Freundin und Inspiration verliess diese Welt am 22. April 2005. Sie wird zur Mutter Erde zurückkehren, ihre Stimme wird im flüsternden Wind zu hören sein. Sie erinnert uns daran, dass wir geliebt werden. Für ihr Volk wünscht sie, dass es den Kampf für die gute Sache aufnimmt, weiterführt und sich für ihre Rechte einsetzt. Mary mag von uns gegangen sein, aber wir werden sie niemals vergessen.» Am 30. April fand eine von Corbin Harvey, dem spirituellen Führer der Western Shoshone, geleitete Zeremonie zu Ehren von Mary Dann auf ihrer Ranch statt. Abschied von einem grossen, sanften Krieger Nachruf: Kee Watchman, Dineh Kee bei seinen Schafen im Schneewinter Foto: Sky Crosby von Andrea Carmen «In grosser Traurigkeit habe ich die Pflicht, Freunde und Unterstützer zu informieren, dass heute am 25. Juni 05 im Universitätsspital von Tucson in Arizona einer der grössten und liebenswürdigsten Krieger unserer Zeit – Kee Watchman, Sprecher von Cactus Valley/Red Willow Springs und Traditionalist der Dineh Nation – diese Welt verlassen hat, um seinen Weg zur Heimat seiner Vorfahren anzutreten.» Bestürzt lasen wir die Mail von Andrea Carmen, der Geschäftsleiterin des IITC, unserer Mutterorganisation International Indian Treaty Council und schickten umgehend einen Beileidsbrief für die Abdankung. Viele unserer Mitglieder haben den nimmermüden Kämpfer für die Rechte der traditionellen Dineh an der UNO in Genf oder in Arizona getroffen. Seit einigen Monaten litt Kee Watchman an Krebs, aber trotz allem behielt er seinen Mut und eine positive Einstellung. Freunde und Verwandte waren in seiner Todesstunde an seiner Seite. Seit vielen Jahren war Kee im Beirat des IITC und nahm als IITC-Delegierter an Sitzungen der Menschenrechtskommission und der Arbeitsgruppe für die indigenen Völker an der UNO teil. Weltweit war er bekannt als einer der traditionellen Führer des Widerstandes gegen die Zwangsumsiedlung und die Zerstörung seines Landes durch Kohlebergwerke am Big Mountain in Arizona. Nie liess er nach in seinem Engagement für das Überleben seines Volkes, die Menschenrechte indigener Völker, und den Schutz unserer heiligen Mutter Erde. Sein Mut, seine Würde, Bescheidenheit und sanfte Freundlichkeit im Angesicht der unablässigen Unterdrückung inspirierten seine Gemeinschaft und uns alle. Statement an der UNO-Menschenrechtskommission. Seine Worte an die Adresse der 59.Sitzung der UN-Menschenrechtskommission 2003 sollen hier in ehrender Erinnerung erwähnt werden. Sie verdeutlichen sein tiefes Engagement und spirituelles Verständnis des Kampfes gegen die Zerstörung der Natur und der heiligen Stätten und Gewässer, die alles Leben unterhalten. «Wir, die traditionellen Dineh, halten fest an unseren Religionsrechten auf unserem angestammten Land. Alles auf unserem Land ist mit unseren Gebeten, Liedern und unserer Kultur verbunden. So schützen wir unser Land vor dem Zugriff der Energiefirma Peabody Coal Company, der US-Regierung, der Navajo und Hopi Stammesregierungen und dem BIA. Das Gebiet von Cactus Valley/Red Willow Springs Sovereign Community in Big Mountain soll in den nächsten 2–10 Jahren dem Tagebau anheim fallen. Uns gehört nur noch ein kleines Stück Land. Es gibt Vieles her, das mit unserem traditionellen Leben zu tun hat: Zeremonialkräuter, die verschieden farbigen Felsen und Steine für die Sandzeichnungen, die Opfer- und Grabstätten. Viele Älteste folgen unseren religiösen Anweisungen und geben diese an die junge Generation weiter. Peabody Coal Company hat durch den Kohleabbau den Tod gebracht; die mit den Geistern verbundenen Stätten sind zerstört worden. Das Land muss unter die Gesetze des Völkerrechts und der Religionsfreiheit gestellt werden. Die UNO muss sich für unsere Anliegen einsetzen. Uns ist, als ob unsere Gebete und Lieder vom Kohle-Tagebau zunichte gemacht worden seien, weggewaschen mit der Leber (=Kohle) von Mutter Erde, die in Kohleschlammleitungen 287 Meilen weit abgeleitet wird. Unser Grundwasserspiegel senkt sich, und der so gewonnene Strom kommt aber Millionen von Menschen in den Grosstädten zugute, nicht uns. Unsere Grosseltern besitzen das Gebetsbündel noch immer, mit dem sie um die Rückkehr des Wassers und des Schnees bitten können. Unsere Grossmuter Roberta Blackgoat sagte: “Mutter Erde braucht Heilung. Black Mesa muss geheilt werden, sie hat eine grosse Operation erlitten, ihre Leber wurde entfernt. Das können wir nicht mal mit unseren Gebeten heilen; es braucht mehr.” Ihre Worte müssen respektiert werden; sie haben auf unserem heiligen Land Gültigkeit, nichts anderes.» An diese Worte werden wir uns erinnern und sie im Andenken an unseren geliebten Berater und Freund Kee Watchman weitergeben, for all our relations. Empfehlenswert: Themenheft Nr. 3: Black Mesa – Hopi und Dineh im Spannungsfeld von Wirtschaftsinteressen. CHF 10.–. Zu beziehen im Büro von INCOMINDIOS. Link: www.treatycouncil.org 13 Wie ich mich an Kee Watchman erinnern werde Im April 2001 wollte ich Kee in Cactus Springs besuchen und brauchte deshalb genaue Angaben, wie ich ihn in der unerschlossenen Weite von Black Mesa mit dem gemieteten Vierradantriebsauto finden könne. Im März 01 war er an der UN-Menschenrechtskommission und da erreichte ich ihn. Noch heute höre ich seine bedächtige, freundliche Stimme, wie er mir per Telefon von Genf aus während einer vollen Viertelstunde in einem Zug erklärt, welche Schotterstrasse ich an welcher Abzweigung nehmen müsse, an welcher Furt ich links und bei welchem Steinhaufen ich rechts abzuzweigen habe, um überhaupt zu ihm zu gelangen. Brav schrieb ich seine gesamten Erklärungen mit und staunte über sein fotografisches Gedächtnis der Natur. Und wirklich: Vor Ort nahm ich meine Notizen und las vor, derweil mein Reisepartner den Angaben nach über Stock und Stein fuhr, unzählige Furten überquerte, an Widerstandstafeln mitten im Busch vorbei («No forced relocation!»), durch das kleine Wäldchen beim Wasserreservoir, etc. Auf Anhieb fanden wir nach anderthalb Stunden Anfahrt ab Hauptstrasse Kees Anwesen, unweit von den Kohlegruben von Big Mountain, wo er in einer scheinbaren Idylle mit Schafen und Pferden (die sie ihm nicht konfisziert hatten) lebte, meist im traditionellen Hogan wohnte, und nicht im modernen Haus der Regierung, das sie zwar hingestellt hatte, aber es nicht für nötig befand, mit einer Strom- oder Wasserleitung zu versehen... Kee lächelte bloss wissend, als ich mich bei ihm für die gute Wegbeschreibung bedankte... Helena Nyberg «Education is the only key» Schulen sind wichtig für die Weitergabe der Lakota-Kultur Junge Frauen und Männer beim Tanz von Susanne Auer Wie wahrscheinlich die meisten INCOMINDIOSMitglieder verspürte ich seit meiner frühen Kindheit eine Faszination für Indianer, bei mir v.a. für die Oglala Lakota, die auf dem «berühmt-berüchtigten» Pine Ridge Reservat in South Dakota leben. So entschied ich mich für ein Ethnologie-Studium an der Universität Zürich. Im Rahmen des obligatorischen Praktikums konnte ich eine Feldforschung auf dem Pine Ridge Reservat durchführen. Ich wollte das Schulsystem dieses Reservats untersuchen, denn mir war aufgefallen, dass die Schulen immer wieder zur Identitätsbildung der indianischen Kinder eingesetzt worden waren. Abgesehen von einem kurzen Unterbruch vor dem Zweiten Weltkrieg war bis 14 zum Beginn der 1970er Jahre die komplette Assimilation das primäre Ziel der schulischen Ausbildung der indianischen Kinder. Ende der 60er Jahre kam es zu einem Wechsel in der Indianerpolitik der US-Regierung. Assimilation war nicht mehr das Ziel; die indianischen Völker strebten nunmehr eine Selbstbestimmung an, und wollten ihre Kultur und Lebensart beleben. Wiederum wurden die Schulen als geeignetes Mittel zur Identitätsbildung gesehen, dieses Mal jedoch, um das indianische Selbstbewusstsein zu fördern. Durch neue Gesetze wurde es im Laufe der 70er Jahre möglich, dass Indianerstämme eigene Schulen führen konnten. In den sechs Stammesschulen des Pine Ridge Reservats, dem vom Stamm geführten Oglala Lakota College, aber auch in den anderen Schulen wird heutzutage viel Wert auf die Weitergabe der Lakota-Kultur gelegt. Meine Forschung war vor diesem Hintergrund angesiedelt und sie trug den Titel «Bedeutung des Schulsystems für die Weitergabe der LakotaKultur bei den Oglala des Pine Ridge Reservats“. Die angewandten Forschungsmethoden waren Interviews, Fragebogen (welchen ich mehreren Schulklassen verteilte) und teilnehmende Beobachtung. Nachfolgend sind nur die wichtigsten Resultate vorgestellt, für eine detailliertere Beschreibung verweise ich auf meine Lizentiatsarbeit. Schulen unterstützen Identitätsfindung. Es gibt mehrere Argumente, weshalb Lakota-Kultur (bzw. was von den Verantwortlichen darunter verstanden wird) in den Schulen integriert werden sollte. Zum einen ist es an der Zeit, dass in den Schulen «westliche Kultur» nicht mehr als überlegen angesehen und die ursprüngliche indianische Kultur anerkannt wird. Und die Integration der eigenen Kultur in den Unterricht kann den Schulerfolg der Kinder steigern. Der Grund, welcher für meine Arbeit jedoch am wichtigsten war, ist die mangelnde Vermittlung der Lakota-Kultur in den Familien: Viele geben das traditionelle Wertesystem, die Sprache und Gebräuche der Lakota nicht mehr weiter. Von 426 indianischen Schülern, welche den Fragebogen ausgefüllt haben, haben nur etwas mehr als die Hälfte angegeben, dass sie Sprache und den «Lakota way of life» von Familienangehörigen lernen. Es ist umstritten, ob es überhaupt möglich ist, eine Kultur (vorwiegend) durch die Schule weiterzugeben. Natürlich können die Geschichte der Lakota und die politische Organisation des Stammes in der Schule gelehrt werden. Problematisch ist aber der Sprachunterricht. Zur Zeit der Assimilationspolitik der US-Regierung galt an den Schulen die Regel English only. Die «Erfolge» dieser Massnahme sind noch heute sichtbar: Die meisten Lakota sprechen fliessend Englisch, nicht aber die Lakota-Sprache. Heute wird die Lakota-Sprache an mehreren Schulen wieder für einige wenige Stunden pro Woche unterrichtet. Es ist allerdings fraglich, ob dies ausreicht, um die Sprache fliessend sprechen zu lernen. Trotzdem ist der Sprachunterricht an der Schule sehr wichtig: 57% der Schüler nannten die Schule als den Ort, an dem sie die Lakota-Sprache lernen, und fast ein Drittel der Schüler gab an, die Sprache nur in der Schule zu lernen. Wenn es darum geht, traditionelle Wertvorstellungen und Lebensgestaltung in der Schule weiterzugeben, ist die Situation komplizierter. Hier hat nicht einmal ein Drittel der Schüler die Schule als Ort des Lernens angegeben. Diese Resultate zeigen, dass die Schule zwar als geeigneter Ort des Lernens der Lako- ta-Sprache gilt, aber nicht für die Vermittlung der Kultur im Allgemeinen, obwohl letzteres zu Hause ebenfalls zu wenig stattfindet. Trotz dieser Vorbehalte scheint die Integration der Lakota-Kultur in der Schule wichtig zu sein: Über 70% der Schüler gaben an, dass ihnen die Schule hilft, eine Lakota-Identität zu entwickeln. Die Schulen scheinen also auf dem richtigen Weg zu sein, auch wenn die Integration noch weiter ausgebaut werden müsste, denn vor allem in den öffentlichen Schulen und der Schule des BIA (Bureau of Indian Affairs) ist die für Lakota-Klassen zur Verfügung stehende Zeit marginal. Als Vorbild könnte die Loneman School in Oglala dienen, welche ein sogenanntes immersion program anbietet, in welchem alle Schulfächer in Lakota unterrichtet und auch viele andere kulturellen Aspekte integriert werden. Dieser kurze Artikel soll aufzeigen, dass die Schule ein wichtiger Ort der Kulturvermitt- lung sein kann, und folglich in mehrerer Hinsicht die gegenwärtige Situation auf dem Pine Ridge Reservat verbessern kann. Eine gute Schulausbildung ist notwendig, um eine bessere Arbeitsstelle zu bekommen; und das Lernen von kulturellen Aspekten kann zu einer gefestigteren Identität führen, was z.B. Suchtproblemen entgegenwirkt. Ich möchte deshalb diesen kurzen Artikel mit dem folgenden Zitat eines Interviewpartners beenden: «Education is the only key». Foto: Susanne Auer Die Arbeitsgruppe Inschu von INCOMINDIOS Schweiz unterhält Kontakt zu indianischen Schulen und unterstützt alljährlich ein schul- oder kulturbezogenes Projekt. Kontakt: Vera und Uli Steinlin uli.steinlin@unibas.ch Eine Zukunft für indianische Kinder Bereichernde Patenschaft über FUTURES FOR CHILDREN von Ueli Fischer Vor 4 Jahren übernahmen meine Frau und ich eine Patenschaft für ein Indianerkind. Seither sind wir als «angegraute Frühsechziger» zufriedene Paten des nunmehr 11-jährigen Navajo-Jungen Rocky, und pflegen trotz etwas eingerosteter Englischkenntnisse regen Briefkontakt mit ihm und seiner Familie und tauschen uns über unseren Alltag und besondere Erlebnisse aus. Wir begleiten ihn so gut wie möglich aus der Ferne durch die Schule, motivieren und ermuntern ihn, wenn nötig. Die Schulleitung informiert uns periodisch über Fortschritte und allfällige Schwierigkeiten. Rockys Briefe amüsieren uns immer wieder köstlich. Es ist erstaunlich, wie abwechs- lungsreich und bunt auch ein scheinbar karges Leben in der Wüste von Arizona sein kann. Er erzählt uns von religiösen Bräuchen, von seinen stets wechselnden Hobbies oder Kontakten mit seinen zahlreichen Cousins und Cousinen. Besonders lustig sind die Abenteuer mit seinem Hund «Killer», welcher am liebsten freilaufende Küken oder Hasen jagt. Seit kurzem hat die siebenköpfige Familie auch ein eigenes Pferdchen, wie es sich für eine echte Indianerfamilie gehört, auf welchem Rocky seine ersten Reiterfahrungen macht. Die Patenschaft ist für uns eine echte Bereicherung. Sie erweitert unseren Horizont sowohl in ethnischer und kultureller wie auch in geografischer Hinsicht. Obwohl wir auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen leider nicht mehr in der Lage sind, eine längere Flugreise anzutreten, so eröffnet sich uns durch Rocky dennoch eine ganz andere, spannende Welt. Es macht uns grosse Freude zu beobachten, wie er heranwächst und was ihn beschäftigt, und es erfüllt uns mit Genugtuung, einen Beitrag zu seiner Ausbildung zu leisten. Unsere Freunde auf dem amerikanischen Kontinent und somit auch Rocky, seine Familie und die Mitarbeiter von FUTURES FOR CHILDREN können wir nicht mehr besuchen. Wir wünschen uns jedoch sehr, dass wir Rocky eines Tages hier in der Schweiz willkommen heissen und ihm ein Stückchen von unserer Welt näher bringen dürfen. Infos über FCC: Peter Nagler, Zumikon, Tel: 01 918 09 85, peter.nagler@bluewin.ch 15 Reise auf den Spuren der Siedler und Indianer 24. Juli - 6. August 2006 von Dirk Schröder Durch viele Reisen zu den Plains-Indianern habe ich als Journalist einen guten Kontakt zu den Lakota bekommen, wie zur Häuptlingsfamilie Red Cloud, den Dull Knives, den Pferdezüchtern White Plume und anderen. Diesen Kontakt möchte ich mit interessierten Menschen teilen. Auf der geführten Reise werden wir uns langsam dem Reservat nähern. Dabei folgen wir den historischen Spuren der europäischen Siedler und ihren ersten Begegnungen mit den Lexikon über die Indianer Nordamerikas gelesen von Nando Stöcklin Wussten Sie, dass «Kokop» ein Clan der Hopi ist? Oder «Stak» eine Siedlung der Duwamish? Bruno Hofmann erläutert in seinem Lexikon über die nordamerikanischen Indianer über 10’000 Stichworte. Diese Zahl stellt vergleichbare Werke, zum Beispiel das Lexikon von Kuno Mauer oder jenes von Ulrich van der Heyden, weit in den Schatten. Weiter fällt auf, dass Hofmann die Begriffe sehr knapp und kompakt erklärt. Inhaltliche Fehlinformationen sind seltener anzutreffen. Allfällige Fehler korrigiert Hofmann laufend auf der Website www.indianlex.com. Ebenfalls dort stopft er inhaltliche Lücken in seinem Werk. Fazit: Bruno Hofmann hat sein Werk in jahrelanger Arbeit sorgfältig zusammengestellt. Das Ergebnis ist eine sehr gute Quelle für eine erste Begriffserklärung. Für einen tieferen Einblick sind weitere Quellen erforderlich. Sympa16 Prärieindianern. Sie werden die Weite der Prärie erleben, die faszinierende Landschaft der Badlands, die Bisonherden in den Black Hills, die historischen Forts Laramie und Robinson, den Oregon-Trail und die Stationen der Pelztierhändler. Im Pine Ridge Reservat erhalten Sie dann einen Eindruck davon, wie die Indianer heute leben. Dort besuchen wir die Familien Red Cloud, Dull Knife u. a. Wir sind bei der Familie White Plume zu Gast und haben die Möglichkeit, mit Indianern zu reiten. Auf dem Programm steht auch ein Besuch der Gedenkstätte Wounded Knee und des heiligen Berges Bear Butte, der zur Visionssuche dient. In den letzten Tagen haben wir die Möglichkeit den großen Powwow in Pine Ridge zu besuchen. Wir sind als kleine Gruppe mit Minibus und Zelten unterwegs. thisch sind der kostenlose Update im Internet und die Selbstverpflichtung des Autors, von jedem verkauften Buch € 2.– (resp. CHF 3.–) der Menschenrechtsorganisation INCOMINDIOS Schweiz zu spenden. Preis ab USA: 1550 €; inklusive Übernachtung auf Campingbasis. Fahrzeug, Verpflegung, Eintritte, deutsche Reisebegleitung durch Dirk Schröder. Weitere Informationen über die Reise und die Leitung: www.Reise-Foto-Text.de Tel. +49 (0) 8031 61 51 52; Fax +49 (0) 8031 61 51 53 ds@reise-foto-text.de www.Reise-Foto-Text.de Tel. +49 (0) 8031 61 51 52 Fax +49 (0) 8031 61 51 53 ds@reise-foto-text.de Impressum: Herausgeberin: INCOMINDIOS Schweiz Adresse: NCOMINDIOS Schweiz Postfach, 8032 Zürich Tel./Fax 01 383 03 35 Bruno Hofmann, Reinhold Liebig Verlag, 2004, 301 S., CHF 43.-, ISBN: 3-9522853-2-3 mail@incomindios.ch www.incomindios.ch Redaktion: Helena Nyberg Südamerika: Elsbeth Vocat Layout: Heinz Waldvogel, Rifferswil Druck: Druckerei Zollinger AG, Adliswil Auflage: 1500 Konto: INCOMINDIOS Schweiz, 8032 Zürich, PC 87-4360-6 Der Newsletter erscheint März, August und November Nächster Redaktions- und Insertionsschluss (Preise auf Anfrage): 1. Oktober 2005 INCOMINDIOS Schweiz hat den Beraterstatus als NGO beim Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) der Vereinten Nationen