SALAM SHALOM Arbeitskreis Palästina-Israel eV
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SALAM SHALOM Arbeitskreis Palästina-Israel e.V. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, wir laden Sie hiermit herzlich ein zu unserem 27. FORUM Leben unter Besatzung – Nachrichten aus dem Flüchtlingslager Balata im besetzten Westjordanland Vorträge – Meinungsaustausch SAMSTAG, 30.08.2014 19:00 Uhr Eine Welt Haus, Großer Saal Schwanthalerstraße 80 (U4/U5 Theresienwiese) Eintritt: EURO 3.Unsere beiden Referenten kommen aus Palästina, Sozialarbeiter im Flüchtlingslager Balata der eine, Psychologe und Therapeut der andere. Mit ihrer Arbeit tragen sie dazu bei, dass die Menschen, mit denen sie zu tun haben, durch die Belastungen, die ihnen das Leben unter einer unmenschlichen Besatzung aufbürdet, nicht erdrückt werden. Indem sie die Menschen stärken und ihnen helfen, ihre Potentiale zu entwickeln, leisten sie auf ihre Weise täglich Widerstand und sorgen dafür, dass diese palästinensische Gesellschaft trotz allem eine Zukunft hat. Sie werden uns von ihrer Arbeit berichten und uns ein wichtiges Stück der palästinensichen Wirklichkeit näherbringen. Mohammad Mussini, im Flüchtlingslager Balata geboren, ist Sozialarbeiter im dortigen „Yafa Cultural Center“(YCC), das vielfältige Bildungs-und Kreativangebote bereithält und in speziellen „Empowerment“-Programmen Kindern, Jugendlichen, Frauen und Senioren qualifizierte Unterstützung bei der Bewältigung des Besatzungsalltags zukommen lässt. Das YCC ist Partnerorganisation der deutschen Organisation Ziviler Friedensdienst (ZFD). Dr. Mohamed Brigieth, klinischer Psychologe, ist Direktor einer Institution mit dem sprechenden Namen „Palestinian Center For Growth and Human Development“ (PCGHD), der es vor allem darum geht, Kinder und Heranwachsende so zu fördern, dass sie später ein selbstbestimmtes Leben führen und die demokratische Zukunft Palästinas mitgestalten können. Dr. Brigieth arbeitet auch mit traumatisierten Kindern – auch in Gaza – und bildet Sozialhelfer für Flüchtlingslager aus. (Der Anhang 2 informiert genauer über Balata und die Arbeit unserer beiden Referenten. Zur weiteren Information hier noch zwei Links: www.pcghd.org und http://librarianswithpalestine.org.s126809.gridserver.com/?pag) 1 Im Folgenden skizzieren wir den gedanklichen Zusammenhang, in dem unsere Veranstaltung steht. 1.Wenn Israel „Sicherheit“ sagt, meint es Sicherung seiner Herrschaft Wer sich ernsthaft mit dem Palästinakonflikt befasst, bemerkt bald das für das Verständnis entscheidende Strukturmerkmal: Es geht um Herrschaft. Der Unterdrücker ist bestrebt, seine Herrschaft auf allen Ebenen, mit allen Mitteln zu sichern: ideologisch, ökonomisch, mit einer entsprechenden Verfassungsstruktur und „Rechts“-ordnung, mit entsprechenden Gesetzen und Verwaltungsvorschriften, mit einem „Sicherheits“-apparat und vor allem natürlich mit dem Einsatz militärischer Mittel, kurz: mit mehr oder weniger offen angewandter Gewalt. 2. Die Blockade tötet – auch ohne Bomben Was die Anwendung physischer Gewalt im Außen anrichtet, ist zur Zeit auf den Bildern aus dem Gazastreifen zu sehen: verzweifelnde, verwundete, getötete Menschen, zerstörte Gebäude, verwüstete Stadtlandschaft. Die seelischen Verletzungen und Zerstörungen entziehen sich der direkten Wahrnehmung, werden durch die Statistik nicht erfasst, bestimmen aber fortan das Leben der betroffenen Menschen. Solche Traumatisierung geschieht Palästinensern, die unter Besatzung leben, nicht nur in Zeiten exzessiver Gewaltanwendung wie gerade im Gazastreifen. Ein Ghetto wie Gaza, in dem 1,8 Millionen Menschen von dem Unterdrücker gefangen gehalten werden, übt seine zerstörerische Wirkung auf die Bewohner aus, auch wenn gerade mal keine Bomben fallen. Physisch sowieso: „Mindestens 57% der Haushalte in Gaza verfügen nicht über ausreichend Lebensmittel und etwa 80% sind von Hilfslieferungen abhängig. Nahrungsmittelmangel und zunehmende Armut bedeuten auch, dass die meisten Menschen ihren täglichen Kalorienbedarf decken können. Gleichzeitig wird über 90% des Wassers als ungeeignet für den menschlichen Konsum eingestuft. […] Ein großer Teil der Kinder ist von menschengemachter Mangelernährung betroffen, die durch die Blockade verursacht wird. Die Verbreitung von Anämie bei Kindern unter zwei Jahren beträgt 72,8%. Die Verbreitung von Schwindsucht liegt bei 34,3%, Unterentwicklung (z.B. Zwergwuchs) bei 31,4% und Untergewicht bei 31,4%.“ (aus dem Gutachten des norwegischen Unfallchirurgen Mads Gilbert vom Juni 2014, zitiert nach Noam Chomsky, „Ungeheuerlich, empörend“, siehe Anhang 3) Psychologen des „Gaza Community Mental Health Project“ berichten von Angststörungen bei Kindern, von Apathie oder aggressivem Verhalten. Viele Kinder haben die Fähigkeit zu sprechen verloren und leiden an Inkontinenz. Jugendliche können wegen Konzentrationsschwierigkeiten die Schule nicht besuchen. Häusliche Gewalt hat zugenommen. (nach Karin Steinbrinker, Die aktuelle Situation im Gazasreifen und Zukunftsperspektiven, Hamburg 2014, Eigenverlag) 3. Die Palästinenser kämpfen für ihre Freiheit Noam Chomsky fasst die Stimmungslage der Menschen im Gazastreifen in dem Satz zusammen: „Es ist besser, in Würde zu sterben, als langsam vom Folterer stranguliert zu werden.“ (Anhang …) Es ist offenbar einhellige Meinung: Eine Rückkehr zu der Situation vor der jetzigen Invasion darf es nicht geben. Deswegen solidarisieren sich die Menschen nach übereinstimmenden Berichten unvoreingenommener Berichterstatter (die es in unseren Leitmedien – sobald es um die Hamas geht - leider nicht gibt) mit den Forderungen der Hamas (s. den Text von Matthias Jochheim, „Leitmedien“, Anhang 5). Der israelische Journalist Noam Sheizaf berichtet, dass auch Menschen in Gaza, die keine Freunde der Hamas sind, Hamas in ihrem Kampf gegen die Belagerung unterstützen, denn das ist auch ihr Kampf, ihr „Unabhängigkeitskrieg“, wie er sagt – etwas, was unsere Peter Münchs offenbar nicht verstehen können. 2 Israel führt keinen Krieg gegen Hamas, sondern gegen das palästinensische Volk, und dieses Volk, zu dem auch die Hamas gehört, kämpft – in diesem Fall mit militärischen Mitteln - für seine Freiheit. Und wir hier haben die moralische Pflicht, diesen Kampf nach Kräften zu unterstützen, was uns nicht hindern darf, auch die Raketen der Hamas als Verstoß gegen das Völkerrecht abzulehnen. Jedenfalls sollten wir uns nicht entmutigen lassen von der Verblendung und Ignoranz unserer Politiker und Meinungsmacher. Dafür nur ein Beispiel: Im Deutschlandfunk-Interview sagt Michael Lüders, ein Ende der Gewalt werde es erst geben, wenn es eine politische Lösung gebe, wenn die Blockade beendet werde, wenn die Grenzen geöffnet würden (das sind auch Forderungen der Palästinenser bei den Gesprächen in Kairo). „Aber dazu ist man auf israelischer Seite nicht bereit“, sagt Lüders. Und nun die deutsche Rundfunkredakteurin: „Herr Lüders, aber mal im Ernst, würden Sie Israel denn raten, das zu tun, die Gazablockade aufzuheben angesichts der Aggression aus Gaza?“ Bei der guten Frau ist offenbar nur die „Aggression aus Gaza“ angekommen. Keine Idee, dass diese „Aggression“ vielleicht ihre Gründe hat. Und dass es zumindest auch eine „Aggression aus Israel“ zu bedenken gilt, die sich doch gerade so eindrücklich zu erkennen gibt. Offenbar nicht eindrücklich genug, um die eingeschliffene Optik zu verändern. (s. Michael Lüders, „Eine Schande für Deutschland“, Anhang 6) 4. Eine politische Lösung wäre möglich Übrigens: Wer die Gepflogenheiten der Hamas über all die Jahre hin kennt, weiß, dass ihr jetziges Angebot eines zehnjährigen Waffenstillstands (Hudna) ein ernstzunehmendes Friedensangebot ist, und dass Israel gut beraten wäre, darauf einzugehen, wenn ihm wirklich daran liegt, seine Bürger zu schützen. Aber um Frieden geht es Israel eben nicht, sondern um Herrschaftssicherung durch Beseitigung jeden Widerstands. (vgl. hierzu den Textauszug aus Jürgen Jungs „Hörbuch Söldner gegen die Zukunft“, in dem er die Vorgeschichte der israelischen Gazainvasion von 2008/09 sehr genau darstellt – verblüffend aktuell: das jetzige Geschehen folgt demselben Muster. Auch damals hatte Israel kein Interesse an einer politischen Lösung. Anhang 4) In diesem Zusammenhang: Wenn Sie des Englischen einigermaßen mächtig sind, nehmen Sie sich doch die Zeit und schauen (und hören) Sie sich das ausführliche Interview mit dem politischen Chef der Hamas, Khaled Meshaal, bei Al-Jazeera an http://www.aljazeera.com/programmes/talktojazeera/2014/08/khaled-meshaal-not-war-choice201481516939516479.html Er sagt u.a.:"Dies ist ein Kampf, den wir nicht gewählt haben, er wurde uns aufgezwungen. Die Aggression ging von der israelischen Besatzungsmacht aus. […] Wir haben uns verteidigt. […] Wir wollen ernsthafte Verhandlungen, die zu einem Ende der Angriffe auf Gaza führen und die Erfüllung der palästinensischen Forderungen garantieren. Wir wollen, dass unsere Menschen in Gaza spüren, dass die Belagerung nach acht Jahren unerträglichen Leidens tatsächlich aufgehoben worden ist.“ 5. Das Leben der Menschen im besetzten Westjordanland, z.B. im Flüchtlingslager Balata bei Nablus wird nicht weniger durch die vom Besatzer ausgeübte Gewalt geprägt, mit vergleichbaren Wirkungen besonders auch bei den Kindern und Heranwachsenden. Hier folgt jetzt noch zur besseren Orientierung eine - weitgehend unkommentierte – Liste der mitgeschickten Anhänge 1. Das Einladungsschreiben 2. Das Flüchtlingslager Balata und YCC – PCGHD 3 3. 4. 5. 6. 7. Noam Chomsky, Ungeheuerlich, empörend Jürgen Jung, Zur Vorgeschichte der israelischen Gaza-Invasion 2008/09 Matthias Jochheim, Leitmedien Michael Lüders, Eine Schande für Deutschland Amira Hass, Grünes Licht aus Europa für das Morden und die Zerstörung in Gaza Eine wunderbar zornige Amira Hass prangert die Mitschuld unserer Regierung an, stellt vor allem die katastrophale Entscheidung von 2006 heraus, den Wahlsieg der Hamas nicht anzuerkennen und die Palästinenser für ihr Votum kollektiv zu bestrafen. Vernichtendes Urteil über die Palästinensische Autonomiebehörde (PA). 8. Holocaustüberlebende und ihre Nachkommen verurteilen in einer Anzeige in der New York Times den Völkermord (!) an den Palästinensern in Gaza und die fortgesetzte Kolonisierung (!) Palästinas. Sie verwahren sich entschieden gegen den Missbrauch ihrer Leidensgeschichte zur Rechtfertigung der israelischen Verbrechen. Wenn wir jemanden fänden, der uns das zu finanzieren hilft, könnten wir diese Anzeige in der SZ veröffentlichen. Wär doch schön. 9. Desmond Tutu, Mein Appell an das Volk Israels: Befreit euch, indem ihr Palästina befreit! Eine starke Botschaft. Wer bei AVAAZ noch nicht unterzeichnet hat, rafft sich jetzt vielleicht dazu auf: https://secure.avaaz.org/de/israel_palestine_this_is_how_it_ends_loc/?copy Es gibt noch drei wichtige Texte, die wir Ihnen etwas später zukommen lassen werden. Für heute soll´s genug sein. Wir freuen uns, wenn Sie den Samstagabend für die Begegnung mit unseren beiden Referenten freihalten und grüßen Sie herzlich Angela Krause Kurt Behrens Eckhard Lenner 4 Das Flüchtlingslager Balata bei Nablus im besetzten Westjordanland Bedrückend und bedrängend eng ist es, als wir mit Mohammed und Mustafa zur Hausbesichtigung aufbrechen. Die Gasse ist kein halber Meter breit doch mehr als 100 Meter lang. Man/frau kann sich nicht kreuzen, kein Sonnenstrahl wird je dieses Halbdunkel erhellen. Und obwohl es schon lange trocken ist, tropft es noch immer von den 2- bis 4-stöckigen Bauten und ist muffig kalt. Dann betreten wir das ‘Haus’: eine Mutter mit drei Kindern wohnt hier: Im Wohnzimmer ein kleiner Laden, wo hauptsächlich Süßigkeiten verkauft werden, womit die Frau vielleicht etwas verdient, zwei kleinste Schlafzimmer und eine erbärmliche Küche. So etwa stelle ich mir das Wohnen in einem Slum vor. Und dies hier besteht seit langen 60 Jahren, dabei ist jeder Tag in diesem Loch ein Tag zuviel. Das Flüchtlingslager ‘Balata’ ist 1951 als eines der ersten durch die UNWRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration) eingerichtet worden. (Balata ist das größte Flüchtlingslager im Westjordanland; es liegt zwischen Nablus und dem Huwara-Checkpoint, Anm.d.Red.). Es sind am Anfang vor allem PalästinenserInnen aus Haifa gewesen: Dort wohlhabende, gut ausgebildete Bürger sind hier plötzlich armselig und arbeitslos notdürftig in Zelten untergebracht worden für zehn lange Jahre. Anschließend, in den 60er Jahren, wurden die ersten Häuser gebaut: In einem Zimmer von drei auf drei Metern wurden ganze Familien zusammengepfercht. 7-8000 Personen fanden damals hier Unterkunft. Heute wohnen in einem einzigen Haus von 120 Quadratmetern zum Teil bis zu 85 Personen. Das Balata-Flüchtlingslager ist eines der kleinsten: Es steht auf nur mal einem Quadrat-kilometer. Und doch ist es eines der größten: 25 000 Personen wohnen heute dort, dazu gibt es drei Moscheen, drei Schulen und ganz viele Gemeinschaftshäuser. Da sind einem die Nachbarn viel zu nahe, man hört und sieht alles – täglich brechen wegen dieser erzwungenen Nähe handfeste Konflikte aus. Doch die Nähe schweißt auch zusammen: Balata ist stark, war und ist führend im Kampf gegen die Besatzung. Darum wird das Flüchtlingslager auch überdurchschnittlich oft von der israelischen Armee heimgesucht. Aus Angst vor Hecken-schützen hat die israelische Armee bei ihren Einsätzen oft auf die Strasse verzichtet und ist von WohnSchlafzimmer zu Wohn-Schlafzimmer vorgerückt, indem sie einfach die Mauern durchbrochen hat. Häuserzüge von mehreren 100 Metern Länge sind so von außen unbeschädigt, innen jedoch weitgehend zerstört worden. Kein Wunder, dass hier über 99 Prozent der Kinder an psychischen Störungen leidet. Und die Erwachsenen auch: Sie haben sich am Anfang clever eingerichtet. Viele konnten früher in Israel arbeiten, durch all die Restriktionen heute haben nur noch etwa drei Prozent der BewohnerInnen eine Arbeit. Eine immense Arbeitslosigkeit! Arbeitslos ist auch Mahmoud geworden, der mir dies alles berichtet und uns einen ersten Einblick gibt. Aber nicht im Balata-Lager. Dort ist er aufgewachsen und dann für zehn Jahre in die USA ausgewandert. So wie viele andere auch: 50-60000 Balata Einwohner sind aus dem aus allen Nähten platzenden Flüchtlingslager weiter geflohen oder weiter gezogen. Mahmoud ist es in den USA gut ergangen. Bis zum 11. September – da wurde ihm gekündigt. Er kehrte nach Balata zurück und arbeitet seither in 5 einem Projekt, das Kindern kreativ helfen will, ihre Traumata zu verarbeiten. Eindrücklich, was yafacult.org alles leistet. Das ist auch bei der ‘Yazour Charitable Society’ so, die wir anschließend besuchen. Yazour ist ein palästinensisches Dorf, das 1948 schon von den Israeli erobert und später zerstört wurde. Der Name soll verhindern, dass das Dorf vergessen geht und erinnert auch an die UNO-Resolution 194, in der das Recht auf Rückkehr oder Vergütung für palästinensische Flüchtlinge bindend festgelegt worden ist. Die Organisation betreibt ein medizinisches Ambulatorium - beim Eintreten sitzen vor allem Frauen im Wartezimmer - und ein ganzheitliches Sozialhilfeprogramm. Im ersten Stock gehen wir an einer kleinen Schulklasse vorbei, Halbwüchsige lernen in lockerer doch intensiver Stimmung gerade Französisch. Also doch Hoffnung? Auch Mahmoud hat davon geredet: Beide Völker sind es doch schon lange satt, dieses zermürbende, einander fertig machende Leben zu leben, und wollen ein friedliches Auskommen. Irgendeinmal muss es doch geschehen, ein neuer Anfang aus diesem unendlichen Gewirr in Israel und Palästina. Und auch wenn alles noch umgekehrt aussieht - dass es nämlich immer noch schlechter wird: Irgendwann muss es wenden, irgendetwas Besseres muss einmal kommen. Ganz vage tönt das. Und doch ist es keine billige Vertröstung. Sondern voller Hoffnung. Hoffnung die den Mut gibt, dran zu bleiben bei jedem einzelnen Kind und seinen seelischen Verletzungen. Seit November 2008 berichten Freiwillige aus dem ökumenischen Begleitprogramm EAPPI laufend von ihren Erfahrungen als MenschenrechtsbeobachterInnen in Palästina/Israel im Blog auf fairunterwegs.org. Anfang April konnten von den geplanten vier SchweizerInnen nur zwei einreisen. Den anderen beiden wurde die Einreise verweigert. Autorin dieses Eintrags vom 7.4.2014: Nina Sahdeva, arbeitskreis tourismus & entwicklung, Basel Das ‚Yafa Cultural Center‘ im Flüchtlingslager Balata Das ‚Yafa Cultural Center‘ (Jaffa Kulturzentrum) ist ein gemeinschaftliches Projekt des Balata Flüchtlingslagers. 1996 durch eine Initiative des Komitees zur Wahrung der Rechte der Flüchtlinge gegründet, bietet es den Bewohnern eine breite Palette an Bildungs- und Kreativprogrammen. Die Bewohner von Balata müssen sich zahlreichen Problemen und Herausforderungen stellen, darunter häuslicher Gewalt, Armut, Drogenkonsum, Arbeitslosigkeit und unzureichender Gesundheitsfürsorge. Die Schulen des Lagers sind überfüllt, die Analphabetenrate liegt bei 45 Prozent. Zu den mit viel Engagement von Freiwilligen durchgeführten Programmen zählen Dabke-Tanzgruppen von Jugendlichen, Theatervorführungen und Workshops zur Produktion von Dokumentarfilmen. Die Bibliothek für die Kinder des Jaffa Kulturzentrums versorgt Hunderte von Kindern und Jugendlichen aus Balata. Das Zentrum nahm im April 2014 an der Nationalen Lesewoche teil, führte Bücherausstellungen, Workshops, Diskussionen und ein Literaturfestival durch. Das ‚Palestinian Center For Growth and Human Development‘ – PCGHD 6 (Palästinensisches Zentrum für Wachstum und menschliche Entwicklung) Das PCGHD versteht sich als unabhängige, gemeinnützige, den Menschenrechten verpflichtete Nichtregierungsorganisation. Es beschäftigt sich in erster Linie mit der Förderung palästinensischer Kinder im Alter von 5 bis 18 Jahren, um sie zu befähigen, ihre Zukunft selbst zu gestalten und damit die Zukunft Palästinas. Das Zentrum bündelt deshalb eine Reihe von Entwicklungsdiensten deren Zielgruppe diejenigen Kinder sind, die Opfer politischer, familiärer und gesellschaftlicher Gewalt – einschließlich Gewalt in der Schule – wurden. Dazu zählen auch Kinder mit besonderen Bedürfnissen, Kinder die Opfer gesellschaftlicher und geografischer Marginalisierung wurden, aber auch Frauen und Familien allgemein. Diese Dienste umfassen psycho-soziale Therapien für die Kinder und ihre Familien, Bildung und Aufklärung der Kinder über ihre Rechte und die soziale Wiedereingliederung von Kindern, die Schlimmes erlebt haben. Diese Dienste stehen in engem Kontakt mit den Entscheidungsebenen, damit diese sich für neue Gesetze zugunsten der Rechte der Kinder einsetzen - und sie auch umsetzen. Die Achtsamkeit sowohl der Familien als auch der Gesellschaft insgesamt für diese Kinderrechte soll gesteigert werden. PCGHD wurde 2002 durch eine Gruppe Freiwilliger, Studierender und Hochschulabsolventen, als Antwort auf die zunehmende Verschlechterung des Menschenrechtsstatus palästinensischer Kinder aller Schichten gegründet. Der Direktor, Dr. Mohammad Brigieth, sagt dazu: „Den Zivilisationsgrad einer Gesellschaft kann man nur daran messen, in welchem Maße sie die Rechte armer und an den Rand gedrängter Gruppen respektiert, sowie durch die Bereitstellung psycho-sozialer und gesundheitlicher Unterstützung für Kinder und Frauen, speziell für diejenigen, die ihrer besonders bedürfen, indem man ihr Recht auf Gesundheit, Bildung, Spiel, normale gesellschaftliche Teilhabe und allgemeines Wohlbefinden respektiert.“ SALAM SHALOM Arbeitskreis Palästina-Israel e.V. www.salamshalom.ev.de salamshalom.ak@googlemail.com 7 Noam Chomsky Ungeheuerlich und empörend 1. August 2014 http://de.scribd.com/doc/235726627/Outrage-re-Gaza-by-Noam-Chomsky Zweierlei Maß Fast jeder Tag bringt neue Nachrichten von fürchterlichen Verbrechen, aber einige sind derartig abscheulich, grauenhaft und bösartig, dass sie alles andere in den Schatten stellen. Einer dieser seltenen Vorfälle ereignete sich am 17. Juli, als Malaysian Airlines MH17 im Osten der Ukraine abgeschossen und 298 Menschen getötet wurden. Der Tugendwächter im Weißen Haus brandmarkte dies als eine „Gräueltat unvorstellbaren Ausmaßes“, die er „russischer Unterstützung“ zuschrieb. Seine UN-Botschafterin donnerte: „Wenn 298 Zivilisten beim entsetzlichen Abschuß eines Verkehrsflugzeugs getötet werden, dürfen wir uns bei der Suche nach dem Verantwortlichen durch nichts aufhalten lassen und ihn seiner gerechten Strafe zuführen“. Darüber hinaus forderte sie Putin auf, die schamlosen Bemühungen zu beenden, seine eindeutige Verantwortung von sich zu weisen. Wahr ist, dass „der irritierende kleine Mann“ mit dem „rattenhaften Gesicht“ (Timothy Garton Ash, britischer Historiker) eine unabhängige Untersuchung gefordert hatte, aber dies natürlich nur wegen der Sanktionen, die die USA verhängt hatten - das einzige Land, das dazu den Mut gehabt hatte, während die Europäer sich ängstlich wegduckten. Auf CNN versicherte der frühere Botschafter in der Ukraine, William Taylor, der Welt, dass der irritierende kleine Mann „eindeutig verantwortlich für den Abschuß dieses Fluzeugs“ sei. Wochenlang wurde in Titelgeschichten über den Kummer der Familien berichtet, das Leben der ermordeten Opfer, die internationalen Bemühungen, an die Leichen heranzukommen, die Wut über das entsetzliche Verbrechen, das „die Welt schockiert“, wie die Medien in grausigen Details berichteten. Jedem informierten Menschen, und ganz gewiß jedem Redakteur und Kommentator, fiel sofort jenes andere Ereignis ein, als ein Flugzeug mit einem vergleichbaren Verlust an Leben abgeschossen wurde: Iran Air 655 mit 290 Toten, darunter 66 Kinder, die in iranischem Luftraum auf einer eindeutig identifizierten kommerziellen Flugroute zum Absturz gebracht wurde. Dieses Verbrechen wurde weder mit „amerikanischer Unterstützung“ begangen, noch war sein Urheber je ungewiß. Es war der Lenkwaffenkreuzer USS Vincennes, der im Persischen Golf in iranischen Gewässern operierte. Der Kapitän eines in der Nähe kreuzenden US-Schiffs, David Carlson, schrieb in „U.S. Naval Proceedings“, dass er „es kaum glauben konnte“, als „die Vincennes ihre Absicht bekundete“, ein eindeutig ziviles Flugzeug anzugreifen. Er vermutete, dass der Lenkwaffenkreuzer „Robo Cruiser“, wie die Vincennes wegen ihres aggressiven Verhaltens genannt wurde -, „das Bedürfnis hatte, die Funktionstüchtigkeit von Aegis (dem hochentwickelten Flugabwehrsystem des Kreuzers) im Persischen Golf zu beweisen und dass sie sich nach einer Gelegenheit sehnten, ihr Zeug zu demonstrieren“. Zwei Jahre später wurde dem Kapitän der Vincennes und dem für die Luftabwehr verantwortlichen Offizier ein Orden [Legion of Merit award] verliehen für „die außerordentlich verdienstvolle Ausführung eines hervorragenden Dienstes“ [in the 8 performance of outstanding service] und für die „besonnene und professionelle Atmosphäre“ bei der Zerstörung des iranischen Airbus, der in der Auszeichnung nicht erwähnt wurde. Präsident Ronald Reagan beschuldigte die Iraner und verteidigte die Aktion des Kriegsschiffs, das „bestehende Anordnungen und breit veröffentlichte Verfahrensweisen“ befolgt habe. Sein Nachfolger, Bush I., erklärte: „Ich werde mich niemals für die Vereinigten Staaten ent-schuldigen – die Fakten sind mir egal....Ich bin kein Entschuldigt-bitte-AmerikaTyp“. Kein Abstreiten der Verantwortung hier, wie bei den Barbaren im Osten. Es gab seinerzeit kaum Reaktionen: keine Empörung, keine verzweifelte Suche nach den Opfern, keine leidenschaftliche Anprangerung der Verantwortlichen, keine eloquenten Klagen des US-Botschafters bei der UNO über den „unermeßlichen und herzzerreißenden Verlust“, als das Flugzeug abgeschossen wurde. Iranische Verurteilungen wurden gelegentlich registriert, aber als „die üblichen Angriffe auf die Vereinigten Staaten“ (Philip Shenon, New York Times) abgetan. Kein Wunder also, dass dieses unbedeutende frühere Ereignis den amerikanischen Medien jetzt nur hie und da eine Erwähnung wert war während des gewaltigen Aufruhrs wegen eines wirklichen Verbrechens, in das der teuflische Feind möglicherweise indirekt verwickelt war. Eine Ausnahme gab es in der Londoner Daily Mail, wo Dominick Lawson schrieb, daß obwohl “Putins Apologeten” den Angriff auf das iranische Flugzeug anführen könnten -, der Vergleich eher unsere hohen moralischen Werte zeige im Gegensatz zu den erbärmlichen Russen, die ihre Verantwortung für MH 17 zu leugnen versuchen, während Washington sofort erklärt habe, dass das US-Kriegsschiff das iranische Flugzeug – zu Recht - abgeschossen habe. Kann es einen überzeugenderen Beweis für unseren Edelmut und ihre Verworfenheit geben? Wir wissen, warum Ukrainer und Russen sich in ihren Ländern befinden, aber man könnte sich die Frage stellen, was genau die Vincennes in iranischen Gewässern verloren hatte. Die Antwort ist ganz einfach. Sie verteidigte Washingtons engen Freund Saddam Hussain bei seiner mörderischen Aggression gegen Iran. Für die Opfer war der Abschuß durchaus keine kleine Angelegenheit. Er war ein wesentlicher Anstoß zur Einsicht der Iraner, dass man nicht länger kämpfen könne, so der Historiker Dilip Hiro. Es lohnt sich, an das Ausmaß von Washingtons Zuneigung für Freund Saddam zu erinnern. Reagan strich ihn von der Terrorliste, so dass ihm Hilfe zuteil werden konnte, um seinen Angriff auf Iran zu intensivieren, und später leugnete er, Reagan, dessen fürchterliche Verbrechen an den Kurden, einschließlich des Einsatzes von chemischen Waffen, und blockierte die Verurteilung durch den Kongreß. Er gewährte Saddam auch ein Privileg, das ansonsten nur Israel zugestanden wurde: es gab keine ernsthafte Reaktion, als Irak die USS Stark mit Raketen angriff, wobei 37 Besatzungsmitglieder umkamen, ganz ähnlich wie im Fall der USS Liberty, die 1967 wiederholt von israelischen Kampfjets angegriffen wurde, was 34 Opfer zur Folge hatte. Reagans Nachfolger, George Bush I., setzte die Hilfe für Saddam fort, die dieser nach dem Krieg gegen Iran, den er angezettelt hatte, dringend benötigte. Bush lud auch irakische AtomIngenieure in die USA ein zur Fortbildung in der Waffenproduktion. Im April 1990 entsandte Bush eine hochrangige Senatsdelegation, die vom späteren republikanischen Präsidentschafts9 kandidaten Bob Dole geleitet wurde, um seinem Freund Saddam die wärmsten Grüße zu übermitteln und ihm zu versichern, dass er die unverantwortliche Kritik in der „arroganten und verwöhnten amerikanischen Presse“ ignorieren solle und dass derartige Übeltäter bei Voice of America entlassen worden seien. Die Schmeicheleien gegenüber Saddam gingen weiter, bis er sich einige Monate später in Hitler verwandelte, weil er Befehle missachtete, oder sie vielleicht missverstand, und in Kuweit einmarschierte – mit aufschlussreichen Konsequenzen, die nochmals zu bedenken sich lohnt, auf die ich allerdings hier nicht eingehen kann. Andere Fälle waren schon längst als bedeutungslos dem Gedächtnis entschwunden. Ein Beispiel ist das libysche Verkehrsflugzeug, das 1973 in einem Sandsturm verschwand, nachdem es von israelischen Kampfflugzeugen aus amerikanischer Produktion abgeschossen worden war, zwei Flugminuten von Kairo entfernt, wohin es unterwegs war. Es waren in diesem Fall nur 110 Opfer zu verzeichnen. Israel beschuldigte den französischen Piloten und wurde von der New York Times unterstützt, die hinzufügte, die israelische Tat sei „im schlimmsten Fall...eine Rücksichtslosigkeit, die noch nicht einmal mit der Barbarei vorheriger arabischer Untaten gerechtfertigt werden kann“. Der Zwischenfall wurde in den Vereinigten Staaten ohne sonderliche Kritik rasch in Schweigen gehüllt. Als die israelische Ministerpräsidentin Golda Meir vier Tage später in den USA empfangen wurde, hatte sie nur wenige peinliche Fragen zu gewärtigen und kehrte mit dem Geschenk zusätzlicher Militärflugzeuge nach Hause zurück. Die Reaktion war weitgehend die gleiche, als - neben anderen Beispielen - Washingtons bevorzugte angolanische Terrororganisation UNITA etwa zur gleichen Zeit den Abschuß zweier Zivilflugzeuge meldete. Wenden wir uns wieder dem eigentlichen und wahrhaftig horrenden Verbrechen zu. Die New York Times berichtete, daß die amerikanische UN-Botschafterin Samantha Power „aus der Fassung geriet, als sie von den Kindern sprach, die beim Absturz des malaysischen Flugzeugs in der Ukraine umkamen, [und] der holländische Außenminister, Frans Timmermans, kaum seinen Ärger unterdrücken konnte, als er die Bilder von ‚Strolchen’ in Erinnerung rief, die Opfern die Eheringe von den Fingern zogen“. Bei derselben Sitzung [des Sicherheitsrats], fährt der Bericht fort, habe es „eine lange Aufzählung von Namen und Alter palästinensischer Kinder gegeben, die bei der jüngsten israelischen Gaza-Offensive getötet wurden“. Die einzige Reaktion, die erwähnt wurde, war die des palästinensischen Gesandten Riyad Mansour, der während der Aufzählung „ganz still wurde“. Der israelische Angriff auf Gaza im Juli rief jedoch Empörung in Washington hervor. Präsident Obama „wiederholte seine ‚scharfe Verurteilung’ von Raketen- und Tunnelangriffen der militanten Gruppe der Hamas auf Israel“, wie das Weiße Haus verkündete. Obama „brachte auch seine >wachsende Sorge< zum Ausdruck wegen der steigenden Zahl ziviler palästinensischer Opfer in Gaza“, aber nicht , dass er sie verurteilte. Der Senat füllte diese Lücke, indem er das israelische Vorgehen in Gaza einstimmig unterstützte, und zugleich „die unprovozierten Raketenangriffe [von Hamas] auf Israel“ verurteilte und „den Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas,“ aufrief, „die Einheitsregierung mit der Hamas aufzulösen und die Angriffe auf Israel zu verurteilen“. 10 Was den Kongress betrifft, sollten wir uns vielleicht den 80 Prozent der [amerikanischen] Bevölkerung anschließen, die sein Verhalten missbilligen, obwohl das Wort „missbilligen“ in diesem Fall eher zu schwach ist. Aber zu Obamas Verteidigung: möglicherweise hat er keine Ahnung, was Israel in Gaza treibt mit den Waffen, die er ihm freundlicherweise liefert. Schließlich muß er sich auf den amerikanischen Geheimdienst verlassen, der möglicherweise zu beschäftigt ist mit dem Sammeln von Telefonaten und E-Mail-Nachrichten der Bürger, als dass er sich groß mit derartigen Marginalien abgibt. Es könnte daher sinnvoll sein, sich dessen zu vergewissern, was wir alle wissen sollten. Israels Ziel war lange ein ganz einfaches: „Ruhe für Ruhe“, eine Rückkehr zur Normalität (obwohl es jetzt möglicherweise noch mehr verlangt). Was aber ist die Normalität? Die Normalität im Westjordanland besteht darin, dass Israel seinen illegalen Bau von Siedlungen und Infrastruktur fortsetzt, um sich, was immer ihm wertvoll erscheint, einzuverleiben, während es den Palästinensern nicht lebensfähige Kantone zuweist und sie einer intensiven Unterdrückung und Gewalt unterwirft. Seit 14 Jahren ist es Normalität, dass Israel jede Woche zwei palästinensische Kinder tötet. Der jüngste israelische Amoklauf wurde durch den brutalen Mord an drei israelischen Jungen aus einer Siedlergemeinde im Westjordanland ausgelöst. Einen Monat zuvor waren zwei palästinensische Jungen im Westjordanland erschossen worden. Dies rief keine Aufmerksamkeit hervor, was verständlich ist, weil es [Besatzungs-]Alltag ist. „Die institutionalisierte Missachtung des palästinensischen Lebens im Westen hilft, nicht nur den Rückgriff der Palästinenser auf Gewalt zu begreifen“, berichtet der geachtete Nahost-Analytiker Mouin Rabbani, „sondern auch Israels jüngsten Angriff auf den Gazastreifen“. „Ruhe für Ruhe“ hat Israel auch ermöglicht, sein Programm der Trennung Gazas vom Westjordanland umzusetzen. Dieses Programm ist rigoros vorangetrieben worden, immer mit amerikanischer Hilfe, seit die USA und Israel die Oslo-Vereinbarungen akzeptierten, in denen die zwei Landesteile zu einer untrennbaren territorialen Einheit erklärt wurden. Ein Blick auf die Karte erklärt das Grundprinzip. Gaza stellt Palästinas einzigen Zugang zur Außenwelt dar. Sind die zwei Teile also getrennt, würde jede Form der Autonomie, die Israel den Palästinensern im Westjordanland zugestehen könnte, sie effektiv einsperren zwischen feindlichen Staaten: Israel und Jordanien. Die Einsperrung wird umso schlimmer, als Israel sein Programm der systematischen Vertreibung der Palästinenser aus dem Jordan-Tal und des Baus von israelischen Siedlungen dort fortsetzt, während es sich der „Ruhe für Ruhe“ erfreut. Die Normalität in Gaza wurde detailliert vom heroischen norwegischen Unfallchirurgen Mads Gilbert beschrieben, der [in früheren Jahren] während Israels grausamster Verbrechen in Gazas Haupt-Krankenhaus gearbeitet hatte und anlässlich des gegenwärtigen Gemetzels zurückkehrte. Im Juni 2014 übermittelte er einen Bericht über den Gaza-Gesundheitssektor an UNWRA, die UNOOrganisation, die sich ohne nennenswerte Finanzmittel verzweifelt um die Flüchtlinge kümmert. „Mindestens 57% der Haushalte in Gaza verfügen nicht über ausreichend Lebensmittel und etwa 80% sind von Hilfslieferungen abhängig“, so Gilbert. „Nahrungsmittelmangel und zunehmende Armut bedeuten auch, dass die meisten Menschen nicht ihren täglichen Kalorienbedarf decken können. Gleichzeitig wird über 90% des Wassers als ungeeignet für 11 den menschlichen Konsum eingestuft“, eine Situation, die sich noch verschlimmert, weil Israel wieder die Wasser- und Abwassersysteme angreift, was für über eine Million Menschen noch gravierendere Störungen der grundlegenden Lebensvoraussetzungen zur Folge hat. Gilbert berichtet, dass „palästinensische Kinder fürchterlich leiden. Ein großer Teil von ihnen ist von menschengemachter Mangelernährung betroffen, die durch Israels Blockade verursacht wird. Die Verbreitung von Anämie bei Kindern unter 2 Jahren beträgt 72,8 Prozent, während die Verbreitung von Schwindsucht, Unterentwicklung, Untergewicht bei 34,3, 31,4 und 31,45 Prozent liegt.“ Und der Bericht wird fortschreitend immer schlimmer. Der angesehene Menschenrechtsanwalt Raji Sourani, der seit Jahren brutalen israelischen Terrors in Gaza ausharrt, berichtet: „Der übliche Satz, den ich zu hören bekam, wenn die Leute über eine Waffenruhe sprachen, lautet: Es ist für uns alle besser zu sterben, als zu der Situation zurückzukehren, die wir vor diesem Krieg hatten. Das wollen wir nicht wieder. Wir haben keine Würde, keinen Stolz; wir sind bloß „weiche Ziele“ und wertlos. Entweder verbessert sich diese Situation wirklich, oder es ist besser, einfach zu sterben. Ich spreche von Intellektuellen, Akademikern, von normalen Leuten: alle sagen das.“ Dieser Gedanken ist in Gaza allgemein zu hören: es ist besser, würdevoll zu sterben, als langsam vom Folterer stranguliert zu werden. Rückzug aus dem Gazastreifen 2005 Die Pläne für diese Normalität in Gaza wurden unumwunden von Dov Weissglass, einem Vertrauten von Ariel Sharon erläutert, der den Rückzug israelischer Siedler aus dem Gazastreifen 2005 verhandelte. Dieser Rückzug, der in Israel und von seinen Anhängern und Irregeleiteten anderswo als großzügige Geste bejubelt wurde, war in Wirklichkeit ein sorgfältig inszeniertes „nationales Trauma“, das von informierten israelischen Kommentatoren entsprechend lächerlich gemacht wurde, unter ihnen der führende, mittlerweile verstorbene israelische Soziologe Baruch Kimmerling. Tatsächlich erkannten israelische Falken, angeführt von Sharon, dass es durchaus Sinn machte, die völkerrechtswidrigen Siedler aus ihren subventionierten Gemeinden im zugrunde gerichteten Gazastreifen, wo sie zu ausufernden Kosten ausgehalten wurden, in subventionierte Siedlungen in den anderen besetzten Gebieten, die Israel zu behalten gedenkt, zu transferieren. Aber anstatt sie einfach umzusiedeln, was leicht zu bewältigen gewesen wäre, machte es ganz klar mehr Sinn, der Welt Bilder von kleinen Kindern zu präsentieren, die Soldaten anflehten, nicht ihre Häuser zu zerstören, inmitten von „Nie-wieder“-Rufen, mit der unvermeidlichen [Holocaust-]Assoziation. Was diese Farce noch durchschaubarer machte, war die Wiederholung des inszenierten Traumas von 1982, als Israel den ägyptischen Sinai räumen musste. Aber sie war sehr wirkungsvoll für das anvisierte Publikum zu Hause und im Ausland. Weissglass lieferte seine eigene Sicht des Siedlertransfers: „Mit den Amerikanern habe ich mich klipp und klar darauf geeinigt, dass über die größeren Siedlungsblöcke des Westjordanlandes überhaupt nicht verhandelt wird, und über den Rest wird verhandelt, wenn die Palästinenser zu Finnen geworden sind“ – aber zu einer speziellen Sorte von Finnen, die die Herrschaft einer fremden Macht hinnehmen würde. „Die Bedeutung [dieser Vereinbarung] besteht im Einfrieren des politischen Prozesses“, fuhr Weisglass fort. „Und solange er eingefroren ist, kommt es nicht zur Bildung eines palästinensischen Staates und auch nicht zu einer Diskussion über die Flüchtlinge, die Grenzen und Jerusalem. Kurz, das ganze Paket namens „Palästinensischer Staat“ - mit allem was dazugehört - ist für unbegrenzte Zeit von der Tagesordnung. Und all dies mit der Autorität und der Erlaubnis des amerikanischen 12 Präsidenten [George W. Bush] und der Absegnung durch beide Häuser des [amerikanischen] Kongresses.“ Weissglass erläuterte weiter, dass die Gaza-Bewohner „auf Diät“ bleiben sollten, „aber so, dass sie nicht Hungers sterben müssen“ – was Israels verblassender Reputation nicht helfen würde. Mit ihrer vielgepriesenen technischen Effizienz bestimmten israelische Experten ganz genau, wie viele Kalorien pro Tag die Menschen in Gaza zum nackten Überleben benötigen. Gleichzeitig wurden ihnen Arznei- und andere Mittel für ein anständiges Leben vorenthalten. Das israelische Militär sperrte sie – so ganz richtig der britische Premierminister David Cameron – in ein Gefangenenlager, das von Land, Luft und See her verschlossen ist. Der israelische Rückzug ließ Israel die totale Kontrolle über Gaza, folglich bleibt Israel gemäß Völkerrecht Besatzungsmacht. Und um die Gefängnismauern noch undurchdringlicher zu machen, versperrte Israel den Palästinensern einen breiten Streifen längs der Grenze, der ein Drittel des knappen nutzbaren Bodens umfasst. Die Rechtfertigung dafür ist Israels Sicherheit, die genauso erreicht werden könnte durch die Errichtung dieser Sicherheitszone auf der israelischen Seite der Grenze, oder noch besser: durch die Beendigung der barbarischen Besatzung und anderer Strafmaßnahmen. Die offizielle Version lautet, dass die Palästinenser, nachdem Israel ihnen huldvoll Gaza übergeben habe, in der Hoffnung, dass sie ein blühendes Gemeinwesen errichten würden, ihre wahre Natur zeigten, indem sie Israel unaufhörlichen Raketenangriffen aussetzten und die eingesperrte Bevölkerung zwangen, Märtyrer zu werden, nur um Israel in ein schlechtes Licht zu rücken. Die Wirklichkeit sieht allerdings ziemlich anders aus. Wahlsieg der Hamas in den besetzten Gebieten 2006 Wenige Wochen nach dem Truppenrückzug, der – wie gesagt - die Besatzung keineswegs beendete, begingen die Palästinenser ein schweres Verbrechen. Im Januar 2006 wählten sie bei einer sorgfältig überwachten Wahl „falsch“ und bescherten der Hamas die Mehrheit im Parlament. Die Medien werden nicht müde zu betonen, dass die Hamas sich zum Ziel gesetzt hat, Israel zu zerstören. In Wirklichkeit haben ihre Führer wiederholt und explizit klargestellt, dass Hamas eine Zwei-Staaten-Lösung gemäß dem internationalen Konsens akzeptiert, der seit 40 Jahren von den USA und Israel unterlaufen wird. Im Gegensatz dazu hat Israel – abgesehen von gelegentlichen bedeutungslosen Worten - sich zum Ziel gesetzt, Palästina zu zerstören, und dieses Ziel verfolgt es beharrlich. Es ist wahr, Israel hat die von Präsident Bush initiierte Road Map akzeptiert, die zur ZweiStaaten-Lösung führen sollte. Sie wurde vom [Nahost-]Quartett - USA, EU, UNO und Rußland – übernommen, das die Aufsicht über ihre Realisierung übernahm. Aber bei der Annahme der Road Map fügte Premierminister Sharon ihr 14 Einschränkungen hinzu, die sie praktisch aufhoben. Diese Fakten waren Aktivisten bekannt, aber einer breiteren Öffentlichkeit wurden sie erst durch Jimmy Carters Buch „Palästina: Frieden, nicht Apartheid“ enthüllt. In Medien-Bericht-erstattung und Kommentaren werden sie weitgehend totgeschwiegen. Das seit 1999 unveränderte Programm von Israels regierender Partei, Netanyahus Likud, „lehnt die Errichtung eines palästinensischen arabischen Staates westlich des Jordans entschieden ab“. Und für diejenigen, die zwanghaft auf bedeutungslosen Chartas herumreiten: der Kern des Likud, Menahem Begins Cherut-Partei, muß sich immer noch von ihrer Gründungsdoktrin verabschieden, nämlich dass das Territorium auf beiden Seiten [!] des Jordans Teil des Landes Israel ist. 13 Das „Verbrechen“ der Palästinenser vom Januar 2006 wurde sofort bestraft. Die USA und Israel, Europa schändlicherweise im Schlepptau, verhängten harte Sanktionen gegen die irregeleitete Bevölkerung, und Israel verschärfte seine Gewaltpolitik. Bis zum Juni [2006], als die Angriffe eskalierten, hatte Israel bereits mehr als 7700 (155 mm) Granaten auf den Norden des Gazastreifens abgeschossen. Geplanter Militärputsch gegen die gewählte Hamas 2007 Die USA und Israel entwickelten rasch Pläne für einen Militärputsch, um die gewählte Regierung zu stürzen. Als die Hamas die Frechheit besaß, diese Pläne zu vereiteln, wurden die israelischen Angriffe und die Belagerung erheblich intensiviert. Gerechtfertigt wurde dies mit der Behauptung, dass Hamas den Gazastreifen gewaltsam übernommen habe – was nicht gänzlich falsch ist. Allerdings wird dabei die entscheidende Tatsache [des geplanten Putsches] unterschlagen. Es erübrigt sich wohl, die schauerliche Bilanz der Ereignisse noch einmal Revue passieren zu lassen. Die erbarmungslose Belagerung und die barbarischen Angriffe werden unterbrochen durch Phasen des „Rasenmähens“, um Israels neckischen Ausdruck für seine periodischen Übungen im „Fische-imTeich-Schießen“ zu verwenden, während des von ihm so genannten „Verteidigungskriegs“. Sobald der Rasen gemäht ist und die verzweifelte Bevölkerung sich irgendwie von der Verwüstung und den Morden zu erholen versucht, gibt es einen Waffenstillstand. Solche Waffenstillstände wurden, wie Israel selber zugibt, von der Hamas regelmäßig eingehalten, bis Israel sie mit erneuter Gewalt verletzte. Der jüngste Waffenstillstand wurde nach Israels Angriff im November 2012 geschlossen. Obwohl die Besatzungsmacht ihre verheerende Belagerung aufrecht erhielt, hielt sich Hamas an die vereinbarte Waffenruhe, wie israelische Offizielle zugeben. Die Situation änderte sich im Juni, als Fatah und Hamas ein Einheitsabkommen beschlossen, das zur Bildung einer neuen Regierung von Technokraten ohne [personelle] Beteiligung von Hamas führte und sämtlichen Forderungen des Nahost-Quartetts nachkam. [1] Israel war natürlich erbost, um so mehr, als sogar die USA ihre Zustimmung signalisierten. Das Einheitsabkommen unterlief nicht nur Israels Behauptung, es könne nicht mit einem gespaltenen Palästina verhandeln, sondern stellte auch Israels langfristiges Ziel in Frage, Gaza vom Westjordanland zu trennen und seine destruktive Politik in beiden Regionen fortzusetzen. Israels achtzehntägiger Amoklauf im Westjordanland Irgendwas musste geschehen, und eine Gelegenheit dazu bot sich kurz darauf, als die drei israelischen „Jungen“ im Westjordanland umgebracht wurden. Die Netanyahu-Regierung wusste zwar sofort, dass sie tot waren, gab dies aber nicht zu, was Anlaß für einen Amoklauf lieferte, der auf Hamas abzielte. Netanyahu behauptete, über sicheres Wissen zu verfügen, dass Hamas verantwortlich sei. Auch dies war eine Lüge, die schon frühzeitig als solche erkannt wurde. Es gab nicht einmal die Vortäuschung eines Beweises. Einer von Israels führenden Hamas-Experten, Shlomi Eldar, berichtete fast sofort, dass die Mörder vermutlich einem dissidenten Clan in Hebron entstammen, der lange schon ein Stachel im Fleisch der Hamas ist. Eldar fügte hinzu: „Ich bin mir sicher, dass sie kein grünes Licht von der Führung der Hamas bekommen haben. Sie dachten halt, dass die Zeit zu handeln gekommen sei.“ Die israelische Polizei sucht seither nach zwei Mitgliedern des Clans, und behauptet immer noch ohne Beweis -, es seien „Hamas-Terroristen“. 14 Mit dem 18-tägigen Amoklauf gelang es indes, die gefürchtete Einheitsregierung zu unterminieren und die israelische Repression zu verschärfen. Nach Angaben des israelischen Militärs nahmen israelische Soldaten 419 Palästinenser fest, darunter 335 Hamas-Angehörige, und töteten sechs Palästinenser. Darüber hinaus durchsuchten sie Tausende Objekte und konfiszierten Bargeld und Eigentum im Werte von 3 Millionen Dollar [2]. In Gaza wurden Dutzende Angriffe durchgeführt, wobei allein am 7. Juli 5 Hamas-Mitglieder ermordet wurden. Der Angriff auf den Gaza-Streifen: Operation “Protective Edge” Schließlich reagierte Hamas mit den ersten Raketen seit 19 Monaten - so offizielle israelische Stellen -, die Israel den Vorwand lieferten für Operation Protective Edge [etwa „Schützende Front“] am 8. Juli. Es gab Berichte im Überfluß von den Heldentaten der selbsternannten „moralischsten Armee der Welt“, die - so der israelische Botschafter in den USA - den Friedensnobelpreis verdient hätte. Bis Ende Juli waren etwa 1500 Palästinenser umgebracht worden, was die Opferzahl der „Geschmolzenes Blei“-Verbrechen [2008/9] überstieg. 70 % davon waren Zivilisten, darunter Hunder-te Frauen und Kinder. Und 3 Zivilisten in Israel. Weite Bereiche des Gazastreifens liegen in Trümmern. Während kurzer Bombardierungspausen suchen Angehörige verzweifelt zerfetzte Leichen oder Haushaltsgegenstände in den Ruinen ihrer Häuser. Das Hauptkraftwerk wurde angegriffen – nicht zum ersten Mal, das ist eine israelische Spezialität -, was die ohnehin eingeschränkte Stromzufuhr radikal drosselte und, schlimmer noch, die minimale Verfügbarkeit von Trinkwasser noch einmal verringerte. Ein weiteres Kriegsverbrechen. Währenddessen wurden Rettungsmannschaften und Krankenwagen wiederholt angegriffen. Obwohl die Gräueltaten überall im Gazastreifen zunahmen, behauptete Israel, sein Ziel sei die Zerstörung der Tunnel an der Grenze. Vier Krankenhäuser wurden angegriffen, jeweils ein weiteres Kriegsverbrechen. Das erste war das Al-Wafa-Rehabilitationszentrum in Gaza-Stadt, das am Tag, als die Bodentruppen in das Gefängnis Gaza eindrangen, attackiert wurde. Ein paar Zeilen in der New York Times, in einer Reportage über den Beginn der Bodenoffensive, berichteten, „dass die meisten, aber nicht alle 17 Patienten und Ärzte und Pflegekräfte evakuiert wurden, bevor der Strom ausfiel und schwere Bombardierungen das Gebäude weitgehend zerstörten. Ärzte erzählten: „Wir haben sie unter Beschuß evakuiert.“ Und Dr. Ali Abu Ryala, ein Krankenhaussprecher: „Krankenschwestern und Ärzte mussten die Patienten auf ihrem Rücken hinaustragen, einige fielen die Treppen hinunter. Es herrschte eine beispiellose Panik im Krankenhaus.“ Dann wurden drei Krankenhäuser, die noch in Betrieb waren, angegriffen, Patienten und Personal waren bei der Flucht sich selbst überlassen. Ein israelisches Verbrechen wurde allgemein verurteilt: der Angriff auf eine UNO-Schule, die 3300 verängstigte Flüchtlinge aufgenommen hatte, die auf Befehl der israelischen Armee den Ruinen ihrer Wohnviertel entflohen waren. Der empörte UNWRA-General-Kommissar Pierre Kraehenbuehl meinte: „Ich verurteile diese schwere Verletzung des Völkerrechts durch israelische Streitkräfte auf das Schärfste....Die Welt steht heute beschämt da.“ Es gab mindestens drei Angriffe auf den UN-Schutzraum, der den Israelis wohlbekannt war. „Die präzise Lokalisierung der JabaliaGrundschule für Mädchen und die Tatsache, dass Tausende Flüchtlinge dort Unterschlupf gefunden hatten, waren der israelischen Armee 17 mal übermittelt worden, um ihren Schutz sicherzustellen “, sagte Kraehenbuehl, „das letzte Mal um 10 vor 9 gestern Nacht, nur wenige Stunden vor dem tödlichen Beschuß.“ 15 Der Angriff wurde auch „in den schärfstmöglichen Worten“ vom üblicherweise eher zurückhaltenden UNO-Generalsekretär, Ban Ki-moon, verurteilt: „Nichts ist schändlicher, als schlafende Kinder anzugreifen.“ Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die US-Botschafterin bei der UNO diesmal „aus der Fassung geriet, als sie von den Kindern sprach, die [bei dem israelischen Angriff] umkamen“ – oder überhaupt beim Angriff auf den Gazastreifen. Aber die Sprecherin des Weißen Hauses reagierte tatsächlich: „Wir sind extrem besorgt, dass Tausende von Flüchtlingen, die vom israelischen Militär aufgerufen worden waren, ihre Häuser zu verlassen, in den von der UNO ausgewiesenen Schutzräumen nicht sicher sind. Wir verurteilen auch jene, die dafür verantwortlich sind, dass Waffen in UN-Anlagen versteckt wurden“, fügte sie hinzu, wobei sie zu erwähnen vergaß, dass diese Anlagen leer waren und die Waffen vom UNWRA-Personal gefunden wurden, die diejenigen verurteilten, die sie dort versteckt hatten. Später stimmte die [amerikanische] Regierung ein in schärfere Verurteilungen dieses besonderen Verbrechens – während sie gleichzeitig weitere Waffenlieferungen an Israel freigab. Dabei meinte Pentagon-Sprecher Steve Warren jedoch gegenüber Reportern: „Es ist klar, dass die Israelis mehr tun müssen, um ihren hohen Maßstäben zum Schutz von Zivilisten gerecht zu werden – den hohen Maßstäben, die sie während vieler Jahre beim Einsatz von amerikanischen Waffen immer an den Tag gelegt haben, so wie auch heute wieder.“ Angriffe auf UN-Einrichtungen, die Flüchtlinge beherbergen, ist eine weitere israelische Spezialität. Ein berüchtigter Fall ist die israelische Bombardierung des eindeutig identifizierten UN-Flüchtlingslagers in Qana [1996] während der mörderischen „Grapes-of-Wrath“ [Früchte des Zorns]-Kampagne der Simon Peres-Regierung, bei der 118 libanesische Zivilisten getötet wurden, die dort Zuflucht gesucht hatten, unter ihnen 52 Kinder. Selbstverständlich ist Israel nicht allein mit dieser Praxis. Zwanzig Jahr zuvor hatte sein südafrikanischer Alliierter einen Luftschlag tief nach Angola hinein auf Cassinga verübt, ein Flüchtlingslager, das von der namibischen Widerstandsbewegung SWAPO betrieben wurde. Israelische Regierungsvertreter rühmen die Humanität ihrer Armee, die so weit gehe, dass Bewohner vorher informiert werden, wenn ihr Haus zerbombt wird. Diese Praxis sei „scheinheilig als Barmherzigkeit verkleideter Sadismus“, so die israelische Journalistin Amira Hass. „Eine aufgezeichnete Botschaft, die Hunderttausende Menschen auffordert, ihre bereits ins Fadenkreuz geratenen Häuser zu verlassen für einen anderen, 10 Kilometer entfernten, gleichermaßen gefährlichen Ort.“ Tatsächlich gibt es [in Gaza] keinen vor Israels Sadismus geschützten Ort. Für manche Menschen ist es schwierig, aus Israels Fürsorglichkeit Nutzen zu ziehen. Ein Appell an die Welt von der Katholischen Kirche Gazas zitiert einen Priester, der die verzweifelte Lage der im „Haus Christi“ lebenden Insassen schildert, einem Pflegeheim für behinderte Kinder. Weil die Gegend zum Zielobjekt der israelischen Armee wurde, quartierte man sie um in die „Kirche der Heiligen Familie“. Aber jetzt, schreibt er, habe „die Kirche Gazas einen Evakuierungsbefehl bekommen. Sie werden die Zeitun-Gegend bombardieren, und die Menschen fliehen bereits. Das Problem ist, dass Bruder George und die drei Nonnen des Mutter-Teresa-Ordens 29 behinderte Kinder und neun alte Damen, die sich nicht bewegen können, in ihrer Obhut haben. Wie sollen sie es schaffen zu fliehen? Wenn irgendjemand einen Menschen mit Einfluß kennt, soll er bitte etwas unternehmen.“ Das sollte in der Tat nicht so schwer sein. Israel hat dem Wafa-Rehabilitationszentrum die entsprechende Anweisung schon zukommen lassen, und glücklicherweise intervenieren 16 zumindest einige Staaten bereits, so gut sie können. Fünf lateinamerikanische Länder – Brasilien, Chile, Ecuador, El Salvador und Peru – haben ihre Botschafter aus Israel zurückgerufen. Sie folgten dem Kurs Boliviens und Venezuelas, die als Reaktion auf vorhergehende Verbrechen Israels die Beziehungen zu ihm abgebrochen haben. Dieses prinzipientreue Verhalten ist ein weiteres Zeichen des bemerkenswerten Wandels in den internationalen Beziehungen, da ein Großteil der Länder Lateinamerikas sich von der westlichen Vorherrschaft zu befreien beginnt und dabei denen gegenüber zuweilen ein Vorbild zivilisierten Verhaltens abgibt, die sie 500 Jahre lang unter Kontrolle hielten. Die erwähnten hässlichen Enthüllungen riefen allerdings beim „moralischsten Präsidenten der Welt“ eine andere Reaktion hervor, die übliche: große Sympathie für die Israelis, scharfe Verurteilung der Hamas und Aufrufe zur Mäßigung an beide Seiten. In seiner Pressekonferenz vom 1. August brachte er tatsächlich seine Sorge um die Palästinenser zum Ausdruck, „die ins Kreuzfeuer geraten sind“ (wo bitte?), während er wiederum das Recht Israels vehement unterstützte, sich zu verteidigen – so wie jeder andere Staat auch. Allerdings nicht jeder – die Palästinenser natürlich nicht. Sie haben kein Recht, sich zu verteidigen. Allemal nicht, wenn Israel sich gut benimmt und sich an den Grundsatz „Ruhe für Ruhe“ hält und ihnen ihr Land raubt, sie aus ihren Häusern vertreibt, einer barbarischen Belagerung unterwirft und sie regelmäßig mit den vom Schutzherrn gelieferten Waffen angreift. Die Palästinenser sind, so wie die Schwarzafrikaner, die namibischen Flüchtlinge im Cassinga-Lager zum Beispiel, alles Terroristen, für die das Selbstverteidigungsrecht nicht gilt. Ein 72-stündiger Waffenstillstand sollte am 1. August in Kraft treten. Kaum hatte er begonnen, brach er schon zusammen. Während ich dies schreibe, wenige Stunden später, gibt es widersprüchliche Berichte, und einiges bleibt unklar. Nach einer Pressemitteilung des Al Mezan-Zentrums für Menschenrechte in Gaza, das für seine Zuverlässigkeit bekannt ist, hörte einer seiner Mitarbeiter in Rafah, an der ägyptischen Grenze, um 8.05 Uhr israelisches Artilleriefeuer. Nach Berichten, dass ein israelischer Soldat in Gefangenschaft geraten sei, begann gegen 9.30 Uhr ein schweres Luft- und Artilleriebombardement Rafahs mit wahrscheinlich Dutzenden von Toten und Hunderten Verletzten, die nach Hause zurückgekehrt waren, nachdem der Waffenstillstand in Kraft getreten war; bisher liegen allerdings keine bestätigten Zahlen vor. Am Tag zuvor, am 31. Juli, hatte das Coastal Water Utility, das einzige Wasserwerk im Gazastreifen, verkündet, dass es wegen Treibstoffmangels und häufiger Angriffe auf sein Personal kein Wasser oder sanitäre Dienste mehr zur Verfügung stellen könne. Al Mezan berichtet, dass „fast sämtliche Gesundheitsdienste eingestellt wurden wegen Mangels an Wasser, an Müllbeseitigung und Umweltschutzmaßnahmen. Auch die UNWRA hat vor der Gefahr unmittelbar bevorstehender Verbreitung von Krankheiten aufgrund des Wassermangels und des Zusammenbruchs des Abwassersystems gewarnt“. In der Zwischenzeit töteten und verwundeten israelische Flugzeug-Raketen am Vorabend des Waffenstillstands überall im Gazastreifen immer mehr Menschen. Und wie weiter? Israel hofft, wenn die gegenwärtige Phase des Sadismus schließlich beendet ist - wann auch immer das sein wird -, seine kriminelle Politik in den besetzten Gebieten ohne Beeinträchtigung fortsetzen zu können, und dies mit amerikanischer Unterstützung, derer es sich in der Vergangenheit stets erfreute: in militärischer, ökonomischer, diplomatischer und auch in ideologischer Hinsicht, weil sich amerikanische und israelische Interpretation der 17 Kernfragen decken. Die Menschen im Gazastreifen werden in ihrem von Israel betriebenen Gefängnis zur „Normalität“ zurückkehren dürfen, während sie im „friedlichen“ Westjordanland zuschauen können, wie Israel langsam zerstört, was von ihrem Besitz noch übrig geblieben ist. Das ist das wahrscheinliche Ergebnis, falls die USA ihre entscheidende und wahrlich einseitige Unterstützung für Israels Verbrechen sowie ihre Zurückweisung des seit langem bestehenden internationalen Konsenses für eine diplomatische Regelung des Konflikts aufrechterhalten. Ganz anders allerdings wird die Zukunft aussehen, wenn die USA diese Unterstützung zurückziehen. In diesem Fall wäre es tatsächlich möglich, zu einer „nachhaltigen Lösung“ für Gaza zu kommen, zu der Außenminister Kerry aufrief, was auf hysterische Ablehnung in Israel stieß, denn diese Formulierung könnte als Aufruf zur Beendigung der israelischen Belagerung Gazas und der regelmäßigen Angriffe interpretiert werden. Und sie könnte – was für eine Horrorvorstellung! – verstanden werden als Aufruf zur Respektierung des Völkerrechts in den besetzten Gebieten. Nun ist es keineswegs so, dass Israels Sicherheit durch Beachtung des Völkerrechts bedroht würde. Sie würde höchstwahrscheinlich sogar erhöht. Aber wie vor 40 Jahren der israelische General Ezer Weizman, der spätere Präsident, erklärte, könnte Israel dann nicht mehr „mit den hohen Werten, dem Geist und der Qualität, für die es jetzt steht, weiterexistieren“. Es gab ähnliche Fälle in der jüngeren Geschichte. Indonesische Generäle schworen, dass sie niemals aufgeben würden, was der australische Außenminister Gareth Evans „die indonesische Provinz Ost-Timor“ nannte, während er ein Geschäft zum Diebstahl timoresischen Öls abschloß. Und solange die indonesischen Generäle auf die jahrzehntelange amerikanische Unterstützung zählen konnten, war ihr Ziel durchaus realistisch. Schließlich aber bedeutete Präsident Clinton ihnen, unter beträchtlichem innenpolitischen und internationalem Druck, sang- und klanglos, dass das Spiel vorbei sei, und sie zogen sich umgehend zurück – während Evans sich seiner neuen Karriere als lautstarker Apostel der „Schutzverantwortung“ [„Responsibility to protect“] zuwandte, die selbstverständlich so konzipiert wurde, dass sie den westlichen Rückgriff auf Gewalt nach Belieben erlaubt. Ein weiterer relevanter Fall in diesem Zusammenhang ist Südafrika. 1958 teilte der südafrikanische Außenminister den USA mit, solange die amerikanische Unterstützung andauere, habe es nichts weiter zu bedeuten, daß sein Land zu einem Paria-Staat geworden sei. Seine Einschätzung erwies sich als ziemlich zutreffend. 30 Jahre später war Ronald Reagan der letzte bedeutende Realitätsverweigerer, der das Apartheid-Regime unterstützte, das immer noch durchhielt. Innerhalb weniger Jahre schloß sich Washington dann allerdings der übrigen Welt an, und das Regime brach zusammen – natürlich nicht aus diesem Grund allein. Ein entscheidender Faktor war die bemerkenswerte Rolle, die Kuba bei der Befreiung Afrikas spielte, was im Westen allgemein ignoriert wird, nicht allerdings in Afrika. Vor 40 Jahren fällte Israel die verhängnisvolle Entscheidung, die Expansion der Sicherheit vorzuziehen, indem es den umfassenden Friedensvertrag zurückwies, den Ägyptens Präsident Sadat für den Rückzug vom Sinai angeboten hatte, wo Israel intensive Siedlungsund Entwicklungsprojekte begonnen hatte. Es hält bis heute an dieser Politik fest, auf der Basis derselben Einschätzung wie Südafrika 1958. 18 Im Falle Israels wären die Auswirkungen, wenn die USA sich dem Rest der Welt anschlössen, bedeutend größer. Im Zweifel setzt sich das tatsächliche Machtverhältnis durch, was sich immer wieder zeigte, wenn Washington von Israel verlangte, langgehegte Zielvorstellungen aufzugeben. Darüber hinaus kann Israel gegenwärtig auf wenig zurückgreifen, nachdem es sich einer Politik verschrieben hat, die es von einem höchst bewunderten zu einem gefürchteten und verachteten Land gemacht hat, ein Kurs, den es heute mit blinder Zielstrebigkeit verfolgt, auf dem entschlossenen Marsch zu moralischem Verfall und letztendlich möglichem Untergang. Könnte die Politik der USA sich ändern? Unmöglich ist das nicht. Die öffentliche Meinung hat sich in den letzten Jahren erheblich gewandelt, besonders unter den jungen Menschen, und das kann nicht völlig ignoriert werden. Seit einigen Jahren gibt es eine solide Basis für die öffentliche Forderung, dass Washington seine eigenen Gesetze einhalten und die Militärhilfe für Israel aussetzen solle. Das US-Gesetz verlangt, dass „keinem Land Sicherheitsbeistand geleist wird, dessen Regierung einem durchgängigen Muster grober Verletzungen international anerkannter Menschenrechte folgt“. Israel macht sich dieser Verletzungen zweifelsfrei und seit langen Jahren schuldig. Deshalb hat Amnesty International während Israels mörderischer Operation „Geschmolzenes Blei“ [„Cast Lead“] in Gaza zu einem Waffenembargo gegen Israel (und Hamas) aufgerufen. Senator Patrick Leahy, Autor dieser gesetzlichen Bestimmung, hat ihre mögliche Anwendbarkeit auf Israel in bestimmten Fällen thematisiert, und mit gut geführten, organisierten und aktivistischen aufklärerischen Anstrengungen ließen sich solche Initiativen erfolgreich realisieren. Dies könnte eine sehr bedeutsame Wirkung in sich selbst haben und gleichzeitig ein Sprungbrett für weitere Aktionen nicht nur zur Bestrafung Israels für sein verbrecherisches Verhalten sein, sondern auch Washington nötigen, selbst Teil „der internationalen Gemeinschaft“ zu werden und das Völkerrecht sowie menschlichen Anstand und moralische Prinzipien zu beachten. Nichts könnte den tragischen palästinensischen Opfern so vieler Jahre der Gewalt und der Unterdrückung gerechter werden. Anmerkungen: [1] 1. Anerkennung Israels 2. Gewaltverzicht 3. Anerkennung geschlossener Verträge [2] http://www.inamo.de/index.php/israel-palaestina-beitrag-lesen/items/israelisches-militaer-stiehlt-3-mio-usdollar-und-eigentum-von-palaestinensern-in-der-westbank.html Quelle: http://de.scribd.com/doc/235726627/Outrage-re-Gaza-by-Noam-Chomsky Übersetzung: Jürgen Jung Redaktion: Eckhard Lenner SALAM SHALOM Arbeitskreis Palästina-Israel e.V. www.salamshalom-ev.de salamshalom.ak@gmail.com 19 Textauszug zur Gaza-Problematik aus dem Hörbuch von Jürgen Jung: „Söldner gegen die Zukunft“ Hörbild zum Zionismus [Anmerkung des Autors: Da es sich um den Text aus einem Hörbuch handelt, finden sich hier keine Anmerkungen und Quellenangaben. Der Leser darf versichert sein, dass all das hier Zusammengestellte sorgfältig recherchiert und zitiert wurde.] Der 1994 verstorbene Naturwissenschaftler und Religionsphilosoph Yeshayahu Leibowitz - der israelische Staatspräsident Ezer Weizman nannte ihn „eine der größten Gestalten im Leben des jüdischen Volkes und des Staates Israel in den letzten Generationen.“ Leibowitz fasste die israelische Politik gegenüber den Arabern im November 1973 folgendermaßen zusammen. Seit der Staatsgründung... “Seit 25 Jahren haben wir uns nicht um Frieden bemüht – alle dahingehenden Erklärungen waren nie mehr als blumige Behauptungen oder bewusste Lügen.... Es muss .... betont werden, dass wir nicht nur keine Versuche unternommen haben, Frieden zu erreichen, sondern bewusst und vorsätzlich jede Möglichkeit dazu sabotiert haben.... Die Richtschnur unserer Politik war immer die Vorstellung, dass eine permanente Situation des Nicht-Friedens und ein latenter Krieg für uns das Beste ist, und dass dies unter allen Umständen so bleiben muß.... Wir werden Jahr für Jahr stärker in dieser Situation des drohenden Krieges, in der es immer möglich ist, dass von Zeit zu Zeit Kämpfe ausbrechen. Solche Kriege werden normalerweise kurz sein und das Ergebnis wird von vornherein feststehen, da die Lücke zwischen uns und den Arabern sich ständig vergrößert. Auf diese Weise schreiten wir voran von Besetzung zu Besetzung ... Diese kriminelle und bösartige Politik hat uns in die Krise geführt, in der wir jetzt stecken.“ Yeshayahu Leibowitz - 1973! 20 Jahre später sagte er – in einem Spiegel-Interview -, dass die Gewalt das Bewußtsein und die Gesellschaft Israels korrumpiere. Insofern seien Israels demokratische Fundamente in Gefahr: (Seit unserem Sieg im Sechstagekrieg 1967) – - den er an anderer Stelle als historische Katastrophe für Israel bezeichnet hatte – Seit 1967 halten wir Millionen Palästinenser in unserer Gewalt, denen alle bürgerlichen und politischen Rechte geraubt worden sind. Ist das Demokratie? Dann war Südafrika in der Vergangenheit auch eine Demokratie - schließlich gab es für die fünf Millionen Weißen dort freie Wahlen.“ Zur in Israel gängigen Infragestellung der Palästinenser als Volk meinte er: „Der Slogan: Es gibt kein palästinensisches Volk, - so etwa die israelische Ministerpräsidentin Golda Meir - „...dieser Slogan bedeutet Völkermord! Nicht im 20 Sinne einer physischen Vernichtung des palästinensischen Volkes, sondern im Sinne der Vernichtung einer nationalen oder politischen Einheit.“ Im übrigen: “Israel ist kein Staat, der eine Armee unterhält, es ist eine Armee, die einen Staat besitzt.“ Das Kernproblem formulierte er in einer Auseinandersetzung mit Ben-Gurion so: “Ben-Gurion war sehr zornig auf mich, als ich ihm erklärte, seine Betonung der Staatlichkeit werde zwangsläufig zum Faschismus ausarten...Er verstand nicht, dass man auf einen Hitler, wenigstens aber auf einen Mussolini zusteuert, wenn man den Staat zum höchsten Wert erklärt.“ Soweit Yeshayahu Leibowitz. Schon 1961 hatte Martin Buber in einem Aufsatz für die hebräische Zeitschrift Ner (= die Kerze) gleich mehrere zionistisch-israelische Mythen radikal in Frage gestellt: „Nur eine innere Revolution kann die Kraft haben, unser Volk von seiner mörderischen Krankheit grundlosen Hasses zu heilen....Dann erst werden die Alten wie die Jungen in unserem Land erkennen, wie groß ihre Verantwortung für das Elend der arabischen Flüchtlinge ist, in deren Städten wir Juden angesiedelt haben, die von weit her gebracht wurden; deren Häuser wir geerbt haben, auf deren Feldern wir jetzt säen und ernten; deren Früchte aus Gärten und von Weinbergen wir einsammeln; und in deren Städten, die wir geraubt haben, wir Häuser der Erziehung, wohltätiger Einrichtungen und des Gebets errichten, während wir herumfaseln, dass wir „das Volk des Buches“ und „das Licht für die Völker“ seien.“ ERICH FRIED: DAS BITTERE Du willst mich nicht hören denn du willst dir nicht rauben lassen das von dem ich dir sage es ist ein Unrecht. Glaubst du ich sage es leichthin und ohne Zögern? Glaubst du es macht mir Spaß gegen Menschen zu sprechen von denen viele nur durch Verfolgung und durch Verzweiflung auf den Irrweg getrieben wurden auf dem sie verrannt sind? Glaubst du es ist sehr leicht zu rufen in alle vier Winde daß einige meiner Verwandten die der SS entgingen das Tun ihrer Mörder zu ihrem Vorbild nahmen? Ich sage das fast so ungern wie du es hörst 21 Die Frühgeschichte des israelischen Staates wurde hier [im Hörbuch!] einigermaßen ausführlich thematisiert, weil die damals auf der Basis einer exklusionistischen und expansiven Ideologie vorgenommenen Entscheidungen und Festlegungen nach wie vor die Politik des Landes dominieren. Diese These soll im Folgenden vor allem am Beispiel des Gaza-Massakers von 2008/2009 und des 2010 erfolgten Piratenaktes gegen die „Free Gaza“-Flotte plausibel gemacht werden. Der gängige Diskurs über den sog. Gaza-„Krieg“ besagt, er sei in Folge des Raketenbeschusses der Hamas unvermeidlich gewesen und außerdem habe diese ihn ja durch die Aufkündigung des Waffenstillstandes, der am 19. Juni 2008 in Kraft getreten war, selbst provoziert. Die Bundesregierung richtete an die Hamas die Aufforderung, den Beschuss von israelischen Siedlungen mit Raketen «sofort und dauerhaft» einzustellen. Zugleich äußerte sie sich davon überzeugt, dass Israel alles unternehme, um bei seinen Luftangriffen auf den Gazastreifen zivile Opfer zu vermeiden. Diese Überzeugung teilte die Bundesregierung offensichtlich mit Ehud Barak, dem israelischen Verteidigungsminister, der nicht müde wird zu betonen, dass die israelische Armee „die moralischste Armee der Welt“ ist.“ dass sie „chirurgisch“ operiere, dass die Zerstörung Gazas selbstverständlich „auf humane Weise“ vor sich gehe. Resultat dieses humanen Vorgehens: Gaza war ein Trümmerhaufen, als wäre es einem schweren Erdbeben zum Opfer gefallen. Aber das Ziel der Bombardierungen war, so heißt es, ausschließlich die Terrorgruppe der Hamas, deren Raketenbeschuß ein für alle mal unterbunden werden müsse. Kein Staat auf der Welt kann sich sowas schließlich bieten lassen. Die Ausschaltung des militärischen Potentials der HAMAS also – so geht diese Logik - sei eine Voraussetzung für den Frieden in der Region. Alle anderen Behauptungen, wie die, dass die HAMAS bewusst Zivilisten als menschlichen Schild benutze, dass sie den Tod von Zivilisten bewusst einkalkuliere, erscheinen dann ganz logisch als Konsequenz ihrer Friedensunwilligkeit und fanatischen Militanz. Dabei wird systematisch Israels Anteil an dem Konflikt ausgeblendet: Dazu unmittelbar nach dem Krieg die Politikwissenschaftlerin Ivesa Lübben: Der Raketenbeschuss israelischer Siedlungen hat strukturelle Gründe. Er ist das Ergebnis der über 40 Jahre währenden Besatzung und der fortgesetzten Blockade des Gazastreifens und nicht das Resultat der politischen Option einzelner Gruppen. Das bedeutet aber auch, dass sich eine Befriedung Südisraels nicht durch die Ausschaltung der HAMAS lösen lässt, sondern nur durch die Behebung der 22 strukturellen Ursachen, die der Gewalt zugrunde liegen. Auch ohne HAMAS wird sich der Widerstand immer wieder neu formieren. Es ist im Gegenteil zu befürchten, dass eine Nicht-Behebung der strukturellen Krise zu immer radikaleren Formen des Widerstandes..... führen wird. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass zwei Drittel der Menschen im Gazastreifen Flüchtlinge aus dem heutigen Südisrael sind, die seit ihrer Vertreibung 1947/48 - von der Weltöffentlichkeit vergessen - in einer “closed zone”, einer „geschlossenen Zone“ leben. Ivesa Lübben: Ohne positive Lebensperspektiven und die Wiederherstellung von Gerechtigkeit für die Menschen in Gaza wird das historisch an ihnen begangene Unrecht der Vertreibung - gerade wegen der großen Nähe zu ihrer ehemaligen Heimat - ständig im kollektiven Gedächtnis reproduziert werden und neuen Hass und neue Gewaltbereitschaft hervorrufen. Rückblende: 25. 1. 2006: Die Hamas gewinnt - gegen alle Vorhersagen – in den besetzten Gebieten die absolute Mehrheit bei den Wahlen zum palästinensischen Parlament. Israel, USA und EU erkennen das Ergebnis der Wahl nicht an – die Hamas sei schließlich eine Terrororganisation! Demokratie schon, ja, ja, aber nur solange die richtigen Leute gewählt werden. Diese Politik der gespaltenen Zunge dürfte der Idee der Demokratie im Nahen Osten nicht gerade förderlich sein. Der große alte Mann der israelischen Friedensbewegung, Uri Avnery, mittlerweile 88 Jahre alt, u. a. Träger des Alternativen Friedensnobelpreises und des Aachener Friedenspreises, stellt die gebetsmühlenartig von der Hamas verlangte Anerkennung Israels grundsätzlich in Frage. In einem Beitrag vom 1. März 2008 – also lange vor Ausbruch des Krieges, schrieb er: Die Sache mit der Anerkennung ist Unsinn, ein Vorwand, um Gespräche zu vermeiden. Wir brauchen von niemandem „anerkannt“ zu werden. Als die USA Verhandlungen mit Vietnam begannen, forderten sie auch nicht, als angelsächsischer, christlicher... Staat anerkannt zu werden. Wenn A mit B einen Vertrag unterschreibt, heißt das, A erkennt B an. Alles andere ist Firlefanz Die Charta der Hamas erinnert an die damalige Charta der PLO. Ein ziemlich unwichtiges Dokument, das von unseren Repräsentanten jahrelang dazu benützt wurde, Gespräche mit der PLO zu verweigern. Himmel und Erde wurden bewegt, um die PLO dazu zu bringen, die Charta zu annullieren. Wer erinnert sich heute noch daran? Wichtig sind die Taten von heute und morgen, nicht Papiere von gestern. Hegt Uri Avnery etwa Sympathien für die sog. „radikal-islamische“ Hamas? Überhaupt nicht. Ich bin ein säkularer Mensch. Ich bin gegen jede Ideologie, die Politik und Religion vermengt – sei sie jüdisch, islamisch oder christlich, in der arabischen Welt wie in Amerika. 23 Das hat mich aber nicht gehindert, mit Hamas-Leuten zu sprechen, wie ich auch mit anderen Leuten gesprochen habe, mit deren Meinung ich nicht übereinstimme. Es hat mich nicht gehindert, in ihrem Hause zu Gast zu sein, Meinungen auszutauschen, zu versuchen, sie zu verstehen. Im übrigen weist Avnery darauf hin, daß Israel erheblich zur Entstehung der Hamas beigetragen hat. In den ersten zwanzig Jahren der Besatzung sah die israelische Regierung in der PLO ihren Hauptfeind. Deshalb unterstützte sie palästinensische Organisationen, die die PLO unterminieren konnten.... Sie glaubte, die Gründung einer islamischen Körperschaft würde die säkulare PLO schwächen... Die Ironie des Schicksals bringt es mit sich, dass die israelische Führung jetzt die PLO unterstützt, um Hamas zu untergraben. Es gibt wohl kein deutlicheres Zeichen für die Dummheit unserer „Fachmänner“ in allen arabischen Angelegenheiten, eine Dummheit, die ihren Ursprung hat in Überheblichkeit und Verachtung.... Der Grund für den Wahlsieg der Hamas 2006 war – so Uri Avnery: die wachsende Überzeugung bei den Palästinensern, dass sie auf gewaltlosem Wege bei den Israelis nie etwas erreichen würden.... Außerdem: Die Korruption, die sich in den Führungskreisen der Fatah breit gemacht hatte, erreichte Dimensionen, die die Mehrheit der Palästinenser empörte.... Hamas dagegen galt als sauber, ihre Führer wurden als nicht korrupt eingeschätzt.“ Um den Wahlsieg der Islamisten zu verhindern, hätte eine israelische Regierung, die wirklich am Frieden interessiert ist “...der Fatah-Führung weitreichende Konzessionen machen müssen: Ende der Besatzung, Unterzeichnung eines Friedensvertrages, die Gründung eines palästinensischen Staates, Rückzug hinter die Grenzen von 1967, eine vernünftige Lösung des Flüchtlingsproblems, Entlassung der Gefangenen. Das hätte der Hamas sicher Einhalt geboten. Aber.... Abbas wurde nicht die geringste politische Errungenschaft zugestanden. Die Verhandlungen wurden – unter amerikanischer Schirmherrschaft – zum Witz... und Hamas errang einen überwältigenden Sieg bei den palästinensischen Wahlen – den demokratischsten Wahlen, die je in der arabischen Welt abgehalten worden waren.“ Uri Avnery sieht als Konsequenz der Gaza-Invasion: ag für Tag, Nacht für Nacht sendet der arabische Aljazeera-Kanal die grauenhaftesten Bilder: Berge von verstümmelten Leichen, weinende Verwandte, die unter den Dutzenden von Leichen, die neben einander liegen, nach ihren Lieben suchen. Eine Frau zieht unter den Trümmern ihre junge Tochter hervor, Ärzte versuchen, ohne Medikamente das Leben der Verletzten zu retten...Millionen sehen diese schrecklichen Bilder.....Tag für Tag. Diese Bilder werden sich ihnen auf immer ins Gedächtnis einbrennen: schreckliches Israel, abscheuliches Israel, unmenschliches Israel. Eine ganze Generation von Hassenden wird heranwachsen. Das ist der schreckliche Preis, den wir werden zahlen müssen, wenn längst alle anderen Folgen des Krieges in Israel vergessen sind. Erich Fried: Das Bittere Glaubst du es läßt mich kalt 24 einen Brief zu bekommen von einer alten Mutter deren drei Söhne in Auschwitz vergast worden sind und die mich fragt wie könne ich sprechen gegen meine eigenen Leute da schon soviel vergossen wurde von unserem Blut? Zwar weiß ich daß ich nicht wirklich gegen die Juden spreche sondern nur gegen den Irrweg jener Juden die glauben auf Verbrechen gegen die Palästinenser läßt sich ein Land und eine Zukunft bauen Zwar weiß ich daß ich versuche die Juden in Israel und ihre Kinder retten zu helfen indem ich beizeiten Klage erhebe gegen jene Verbrechen begangen in ihrem Namen die sonst ihr Untergang werden Doch vor dem Brief der Frau mit den toten Söhnen ist es kein Trost daß ich es besser weiß Nach dem Wahlsieg der Hamas im Januar 2006 versuchten Israel und die USA, ihr das Regieren - u. a. durch einen Finanzboykott - unmöglich zu machen, indem etwa Israel die Gelder, die der Autonomiebehörde aus den Zolleinnahmen zustehen, nicht mehr überwies und USA und EU, die größten internationalen Geldgeber, ihre Zahlungen einstellten. Die abgewählte Fatah des Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas dagegen wurde von Israel und den USA mit Geld und Waffen ausgestattet und zu einem Putsch gegen die Hamas ermuntert. Es war also mitnichten die Hamas, die – wie es in unseren Medien immer heißt – durch einen Putsch im Gazastreifen die Macht an sich riss, sondern sie kam dem geplanten und schon vorbereiteten Militärschlag der abgewählten Fatah zuvor und übernahm die ihr durch die gewonnene Wahl zustehende Regierungsgewalt. 25 Daraufhin verschärfte Israel die seit Juni 2006 – also bereits ein Jahr vor der Machtübernahme der HAMAS in Gaza – verhängte Blockade, und die Staatengemeinschaft stellte alle Kontakte und Überweisungen ein. Seither leben die Menschen dort unter einem unvorstellbaren israelischen Staatsterror: Schutzlos in einem riesigen Freiluftgefängnis eingesperrt, aus dem es kein Entrinnen gibt, gänzlich abhängig von der hochgerüsteten Militärmacht Israel, die Wasser, Elektrizität, Lebensmittel, Medikamente nach Belieben in dieses Ghetto „Gaza“ hineinlässt oder auch nicht. Darüber hinaus hat Israel ein Drittel der frei gewählten palästinensischen Parlamentsabgeordneten der Hamas verhaftet, wenn nicht ermordet. Dazu muß man wissen, dass ohnehin - sage und schreibe – an die 10 000 Palästinenser, zu einem erheblichen Teil ohne Prozeß, in israelischen Gefängnissen und Lagern sitzen. Die Menschenrechtsverletzungen, für die die ganze Welt die USA empört angeklagt hat – Stichwort Guantanamo und Abu Ghraib –, praktiziert Israel schon seit Jahrzehnten – straflos. Der ehemalige amerikanische Präsident und Friedensnobelpreisträger Jimmy Carter bezeichnete diese vom Westen unterstützte Politik als ein schweres Verbrechen am palästinensischen Volk. Ist es angesichts all dessen verwunderlich, daß Hamas Raketen nach Israel hineinschießt? Die Hamas-Führer von Gaza machten geltend - so Jimmy Carter: „dass die Raketen nur eine Methode seien, um auf ihr Eingesperrtsein zu reagieren und auf die humanitäre Not aufmerksam zu machen.“ Haben die Palästinenser nicht jedes – übrigens auch völkerrechtlich legitimierte Recht auf Widerstand? Im Juni 2008 kommt auf Vermittlung von Jimmy Carter - der selbstverständlich auch die „verfemte“ Hamas in seine Gespräche einbezog - ein halbjähriger Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas zustande. Obwohl die Hamas nachweisbar alles tut, um ihn aufrecht zu erhalten - sogar Mitglieder der anderen, etwa 10 Widerstandsgruppen, die noch vereinzelt Raketen auf Israel schießen, festnimmt und ins Gefängnis wirft -, weigert sich Israel, die Blockade des Gazastreifens, wie vereinbart, aufzuheben. Darüber hinaus kommt es fast täglich zu israelischen Übergriffen: Beschuss von Fischern unter Verletzung der palästinensischen Hoheitsgewässer, Beschuss von Bauern und Schäfern, deren Felder und Häuser hinter dem Grenzzaun liegen, Verletzung des Luftraums, Militärpatrouillen, die in den Gazastreifen eindringen. Und dennoch hält die Hamas den Waffenstillstand weiter ein. Von Juni bis zum 5. November, also annähernd 5 Monate lang, wird so gut wie keine Rakete mehr 26 abgeschossen – was übrigens zunächst sogar auf der Website des israelischen Verteidigungsministeriums dokumentiert wird. Der Raketenbeschuss Israels ließ sich also sehr wohl ohne einen Krieg abstellen. Am 4. November aber - in der Nacht, in der die Aufmerksamkeit der Welt auf die amerikanische Präsidentenwahl gerichtet war – kommt es zu einem größeren israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen während der Waffenruhe, unter dem Vorwand, man habe einen Tunnel entdeckt, der zerstört werden müsse. Dreizehn Palästinenser werden bei den darauf folgenden Gefechten getötet. Daraufhin erst – das betont auch Jimmy Carter in einem Beitrag für die Washington Post vom 8. Januar 2009 mit dem bezeichnenden Titel „An Unnecessary War“ ( Ein unnötiger Krieg ) – daraufhin erst nimmt auch die Hamas den Raketenbeschuß wieder auf. Bleibt festzuhalten: Es war eindeutig und nachweislich Israel, das den Waffenstillstand gebrochen hat. Aber unsere Medien wiederholen stereotyp die israelische Behauptung, es sei die Hamas, die den Waffenstillstand gebrochen habe. Dennoch war sie bereit - wie wir durch Carter wissen –, mit Israel über eine Verlängerung des Waffenstillstands zu verhandeln. Carter macht ganz unzweideutig klar, daß der Hauptgrund für die NichtVerlängerung des Waffenstillstands Israels Weigerung war, die Blockade des Gazastreifens aufzuheben, also endlich wieder die normale Versorgung der ausgehungerten Bevölkerung zuzulassen. Sein Fazit: „Ich weiß aufgrund meiner persönlichen Beteiligung, dass die verheerende Invasion von Gaza durch Israel leicht hätte vermieden werden können.“ Am 26. Dezember 2008 stellt die israelische Regierung der Hamas ein 48-stündiges Ultimatum, aber schon am folgenden Tag beginnt die groß-flächige Bombardierung. D.h.: man hat der Hamas und der Bevölkerung des Gazastreifens eine Falle gestellt, was auch die vielen Toten der ersten Angriffswelle erklärt. Ein zentraler Vorwurf Israels an die Adresse der Hamas lautet, dass die „fundamentalistischen Chaoten“, nachdem Ariel Sharon im Jahr 2005 - friedenswillig und großzügig! - die israelischen Siedlungen in Gaza aufgegeben hatte, den Streifen – statt ihn in einen blühenden Landstrich zu verwandeln - zu einer Abschussrampe für Raketenangriffe auf die israelische Zivilbevölkerung gemacht habe. Dazu Henry Siegman, früherer Direktor des American Jewish Congress, eine der einflussreichen jüdischen Stimmen in den USA, gegenwärtig Gast-Professor an der Universität von London und Leiter des US Middle East Project in New York: „(Dieser) Vorwurf ist eine doppelte Lüge. Erstens hat die Hamas …in Gaza für Gesetz und Ordnung gesorgt in einem Maße, das in den vorange-gangenen Jahren unbekannt war...Nicht-praktizierende Muslime, Christen und andere Minderheiten hatten mehr religiöse Freiheit unter der Hamas-Regierung, als sie beispielsweise in 27 Saudi-Arabien oder unter vielen anderen mit uns verbündeten arabischen Regierungen haben. Die zweite und größere Lüge: Sharons Rückzug aus Gaza sei gedacht gewesen als erster Schritt zu weiteren Rückzügen und zu einem Friedensvertrag.“ Siegman zitiert hier Dov Weisglass, wichtigster Berater des damaligen israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon und zugleich sein Chef-Unterhändler für Vereinbarungen mit den Amerikanern, der sich (über den Rückzug aus Gaza) in einem Interview mit Ha’aretz schon im August 2004 folgendermaßen äußerte: “Mit den Amerikanern habe ich mich klipp und klar darauf geeinigt, dass über die größeren Siedlungsblöcke der Westbank überhaupt nicht verhandelt wird … Die Bedeutung (dieser Vereinbarung) besteht im Einfrieren des politischen Prozesses. Und solange er eingefroren ist, kommt es nicht zur Bildung eines palästinensischen Staates und auch nicht zu einer Diskussion über die Flüchtlinge, die Grenzen und Jerusalem. Kurz, das ganze Paket namens Palästinensischer Staat - mit allem was dazugehört - ist für unbegrenzte Zeit von der Tagesordnung. Und dies mit der Absegnung durch… beide Häuser des (amerikanischen) Kongresses.“ Daran knüpft Henry Siegman die Frage: „Glauben die Israelis und die Amerikaner, dass die Palästinenser keine israelischen Zeitungen lesen?..... Es ist zu einfach, Hamas lediglich als eine „TerrorOrganisation“ zu beschreiben.... Zwar fordert die offizielle Ideologie der Hamas, den palästinensischen Staat auf den Ruinen des Staates Israel zu errichten. Dies ist für die tagtägliche Politik von Hamas jedoch ebenso wenig maßgebend, wie es die gleichlautende Erklärung in der PLO-Charta für die tatsächliche Politik der Fatah (unter Yassir Arafat) war.“ Die Charta hat übrigens auch Itzhak Rabin nicht daran gehindert, mit Arafat in Verhandlungen einzutreten. Die Siegman’schen Schlussfolgerungen sind nicht etwa die eines HamasApologeten. Auch Ephraim Halevy, der frühere Mossad-Chef und nationale Sicherheitsberater von Ariel Sharon, schrieb in Yedioth Ahronoth, die HamasFührung habe sich „direkt vor unseren Augen“ verwandelt. Sie hat zur Kenntnis nehmen müssen,...dass ihr ideologisches Ziel unerreichbar ist und für alle absehbare Zukunft bleiben wird. Sie ist nun bereit und willens, einen palästinensischen Staat in den … Grenzen von 1967 zu akzeptieren…..“ In einem früheren Artikel hatte Halevy dargelegt, dass es absurd sei, Hamas mit alQaida in Verbindung zu bringen, daß Israel also nicht nur für seine eigene Verteidigung sorge, sondern zugleich Teil nehme am Kampf der westlichen Demokratien gegen den Terrorismus. Halevy: „In den Augen von al-Qaida sind die Hamas-Mitglieder Häretiker, Abtrünnige, seit sie (zumindest indirekt) an Verständigungs- oder Vereinbarungs-Verhandlungen mit Israel beteiligt zu werden wünschen.“ Halevy bezieht sich u. a. auf eine Erklärung von Khaled Mashal, dem Chef des Politbüros von Hamas, der im März 2008 in einem Interview feststellte: „Die meisten palästinensischen Kräfte, auch Hamas, akzeptieren einen Staat Israel in den Grenzen von 1967… Auch die arabischen Länder stimmen zu; dies ist eine einmalige historische Situation.....“ Eine Chance, die Israel und die USA aber ungenutzt verstreichen ließen. 28 Palästina Ein Gedicht von Gerhard Schönberner: Der Publizist und Schriftsteller Gerhard Schoenberner ist u. a. Gründungsdirektor der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz in Berlin. Palästina Wenn du in mein Haus trittst dich ungebeten hinsetzt und mir freundlich erklärst ab heute wohntest du hier und ich müsste gehen ist das völlig in Ordnung Wenn ich laut werde und mich zur Wehr setze wenn ich mich weigere mein Feld herzugeben mache ich mich der Aggression schuldig das ist eindeutig. Wenn ich im Gefängnis sitze und du in meinem Haus. wirst du den Vorübergehenden die nach mir fragen, erklären: Ich musste mich verteidigen er ist ein Gewalttäter So ist das. Beide Parteien, sagt man uns hätten Fehler gemacht und müssten jetzt Frieden schließen Ein Kompromiss wäre: Ich werde entlassen Dafür verzichte ich auf meine Felder Das wäre ein Zeichen von Einsicht und gutem Willen auf beiden Seiten Er bleibt in meinem Haus Ich erhalte eine Kammer und werde sein Diener Eine gerechte Lösung von salomonischer Weisheit Das lässt sich nicht leugnen Die Frage bleibt natürlich, warum? 29 Warum hat Israel den Gaza-Krieg begonnen, wenn er – wie Jimmy Carter meinte doch so leicht vermeidbar gewesen wäre? Eine weiter ausholende Antwort auf die Frage nach den Kriegszielen gibt der amerikanische Politologe Norman Finkelstein in einem Aufsatz vom 19. Januar 2009: „Ausschlaggebend für den jüngsten israelischen Angriff auf Gaza (ist) zum einen, den Glauben an Israels Abschreckungsfähigkeit wiederherzustellen; zum andern, die Drohung einer neuen palästinensischen Friedensoffensive abzuwehren,...die Drohung einer neuen palästinensischen Friedensoffensive abzuwehren.“ Die Abschreckungsfähigkeit zu erhalten, hat immer eine vorrangige Rolle in der israelischen Strategie-Doktrin gespielt. In diesem Sinne warnte schon 1967 kurz vor dem 6-Tage-Krieg ein gewisser Ariel Sharon, damals Divisions-Kommandeur, jene Mitglieder des israelischen Kabinetts, die zögerten, einen Erstschlag gutzuheißen: „Israel ist im Begriff, seine Abschreckungsfähigkeit zu verlieren – unsere wichtigste Waffe – die Furcht vor uns.“ Also brach Israel den Krieg von 1967 vom Zaun - so der israelische StrategieAnalytiker Zeev Maoz im Jahr 2006 - „um die Glaubwürdigkeit der israelischen Abschreckung wiederherzustellen.“ Die Vertreibung der israelischen Armee aus dem Libanon durch die Hisbollah im Mai 2000, nach 18 Jahren Besatzung, stellte Israels Abschreckungskraft aufs Neue in Frage. Norman Finkelstein: „ Die Tatsache, dass Israel eine demütigende Niederlage erlitten hatte, die in der gesamten arabischen Welt gefeiert wurde, machte einen weiteren Krieg so gut wie unausweichlich. Israel bereitete sich sogleich auf einen neuen Waffengang vor. Im Sommer 2006 fand es den Vorwand dafür. Hisbollah hatte zwei israelische Soldaten gefangen genommen (einige weitere waren in dem Gefecht getötet worden) und verlangte zum Austausch die Freilassung von libanesischen Gefangenen in israelischer Hand. Obgleich Israel die Furie seiner Luftwaffe losließ und seine Bodentruppen in Marsch setzte, erlitt es abermals eine schmähliche Niederlage.... Daraufhin sank der Glaube an die Fähigkeit Israels, Terror auszuüben, weiter ab. Höchste Zeit, ein nicht verteidigungsfähiges Zielobjekt zum Vernichten zu finden. So kommt Gaza, Israels Lieblings-Schießbude, ins Visier. Dort hatte die islamische Bewegung Hamas, schwach bewaffnet wie sie war, dem Diktat Israels getrotzt und ( es ) im Juni 2008 sogar gezwungen, einem Waffenstillstand zuzustimmen. Während des Libanon-Kriegs 2006 hatte Israel einen südlichen Vorort von Beirut, Dahiya, wo die Hisbollah großen Rückhalt in der Bevölkerung hatte, dem Erdboden gleichgemacht. In der Folgezeit sprachen israelische Offiziere von der „DahiyaStrategie“: Ein Oberst der Reserve am Israelischen Institut für Nationale Sicherheitsstudien erläuterte: „Im Fall von Feindseligkeiten muß Israel sofort, entscheidend und mit einer Kampfkraft außerhalb jeder Proportion reagieren… Eine solche Antwort zielt darauf ab, Schaden zu verursachen und Strafe auszuteilen in einem Ausmaß, das einen lang andauernden und kostspieligen Wiederaufbau erfordert.“ Gaza sollte das erste Ziel für diese Blitzkrieg-und Blutbad-Strategie sein. 30 Während Israel auf Schulen, Moscheen, Krankenhäuser, Krankenwagen und UNSchutzgebäude schoß, während es Gazas wehrlose Zivilbevölkerung abschlachtete und verbrannte, schrieben israelische Kommentatoren, etwa in Ha’aretz, „dass Gaza sich zum Libanon verhält wie ein zweiter Examenstermin zum ersten – eine zweite Chance, es richtig zu machen....Israel hat seine Abschreckungskraft wiedergewonnen, weil der Krieg in Gaza die Mängel des zweiten Libanonkriegs ausgebügelt hat. … Kein einziger Araber kann nun noch behaupten, dass Israel schwach sei“ Über die Wiederherstellung des israelischen Abschreckungspotentials hinaus war das zweite ausschlaggebende Motiv für den Gaza-Krieg - so Norman Finkelstein die Abwehr der drohenden palästinensischen Friedens- bzw. Verhandlungsbereitschaft . Er schreibt: „Während der letzten drei Dekaden hatte die internationale Gemeinschaft immer wieder für eine Beilegung des israelisch-palästinensischen Konflikts auf der Basis von zwei Staaten, einem vollständigen Rückzug der israelischen Truppen auf die Grenzen von 1967 und einer „gerechten Lösung“ des Flüchtlingsproblems auf der Basis von Rückkehrrecht und Entschädigung plädiert....In jüngster Zeit hat die Hamas mehrmals ihre Zustimmung zu einer solchen Lösung signalisiert.........Für Israel bedeutete diese Entwicklung eine richtiggehende Katastrophe. Es konnte nicht länger rechtfertigen, die Hamas zu ignorieren, und es war nur eine Frage der Zeit, bis internationaler Druck zu verhandeln ausgeübt werden würde... (Also mußte) Israel die Palästinenser ... radikalisieren oder zerstören, um sie als legitimen Verhandlungspartner auszuschalten. Anfang Dezember 2008 stellte Außenministerin Tzipi Livni klar, dass Israel lediglich eine begrenzte Zeit der Ruhe mit Hamas anstrebe; ein länger andauernder Waffenstillstand würde – Zitat -„Israels strategischen Zielen schaden, die Hamas aufwerten und den Eindruck erwecken, dass Israel die Bewegung anerkennt“. Finkelstein: „Im Klartext: eine längere Feuerpause würde die Glaubwürdigkeit von Hamas stärken und Israels strategisches Ziel, die Kontrolle über das Westjordanland zu behalten, unterminieren. Bereits im März 2007 hatte Israel sich entschlossen, die Hamas anzugreifen. Den Waffenstillstand handelte es nur deshalb aus, weil... So konnte man in Ha’aretz am 8. Januar 2009 lesen: „weil die israelische Armee Vorbereitungszeit brauchte. Als die Vorbereitungen abgeschlossen waren, bedurfte Israel nur noch eines Vorwands.“ Und diesen Vorwand lieferte am 4. November besagter Tunnel, der just in der Nacht der amerikanischen Präsidentenwahl angeblich einen militärischen Einfall in den Gazastreifen notwendig machte und 13 Palästinenser das Leben kostete. Finkelstein: „Es war Israel vollkommen klar, dass diese Operation einen Gegenschlag provozieren würde. Der Tunnel, schrieb Ha’aretz Mitte November, stellte keine unmittelbare Gefahr dar. Sein Vorhandensein war die ganze Zeit bekannt. Seine Benutzung hätte auf der israelischen Seite leicht verhindert oder zumindest hätten die dort stationierten Soldaten aus der Gefahrenzone entfernt werden können.... Aber nachdem die Hamas, wie vorauszusehen, ihre Raketenangriffe zur Vergeltung wiederaufgenommen hatte, konnte Israel wieder einmal eine mörderische Invasion vom Stapel lassen mit dem Ziel, eine weitere palästinensische Friedensoffensive zu vereiteln.“ 31 Erich Fried Ihr habt die überlebt die zu euch grausam waren Lebt ihre Grausamkeit in euch jetzt weiter? Eure Sehnsucht war so zu werden wie die Völker Europas die euch mordeten Nun seid ihr geworden wie sie Ich sage das nicht für die die euch immer schon Feinde waren und nur neue Vorwände suchen für ihren alten Haß auch nicht für die unter euch die lernten von ihren Hassern sich selbst zu hassen Doch ich sage das gegen die die sich heute erschaffen wollen nach dem Ebenbild ihrer Vernichter um selbst Vernichter zu werden denn wenn die euch beherrschen vernichten sie trotz ihrer Siege zuletzt sich selbst wie das eure Vernichter taten Im Herbst 2009 wurde der sog. Goldstone-Bericht der UNO veröffentlicht, benannt nach dem aus Südafrika stammenden Juden Richard Goldstone - hochangesehener Jurist und Völkerrechtler, u. a. Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda. Im Auftrag des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen untersuchte die nach Goldstone benannte Kommission mögliche Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen aller Parteien während der Militäroperation im Gazastreifen. Natürlich wurde der Bericht von Israel sofort mit den absurdesten Begründungen, u. a. der Jude und bekennende Zionist Goldstone sei ein Antisemit, zurückgewiesen. Die fürchterlichen Einzelheiten, die der äußerst akribische, 800 Seiten starke Bericht präzise auflistet, können hier nicht dargestellt werden, dafür aber ein fiktives Interview, zusammengestellt aus Veröffentlichungen von und Interviews mit Richard Goldstone. Dieses „Gespräch“ macht deutlich, was Goldstone bewog, den Auftrag der UNO-Menschenrechtskommission anzunehmen und worum es ihm bei der GazaMission ging. Herr Goldstone, mich interessiert zuerst die Frage nach Ihrer Motivation: was hat Sie als Jude - der Israel, wie Sie geschrieben haben, sein ganzes Leben lang unterstützt hat -, bewogen, den Gaza-Auftrag zu übernehmen. 32 Nun, das war eine Gewissensfrage...Ich habe schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen untersucht in meinem Heimatland Südafrika während der Apartheid, später auf dem Balkan, in Ruanda, und ich wurde übrigens stets massiv angefeindet....Jude zu sein kann doch kein Grund sein, Israel anders zu behandeln als die genannten Länder oder zu sagen, weil ich Jude bin, untersuche ich all diese Länder, Israel aber nicht. Sie bezeichnen sich als Zionisten. Was meinen Sie damit? Daß ich Israels Existenzrecht voll unterstütze. In ihrem Bericht wird Israel beschuldigt, Krieg gegen ein ganzes Volk geführt zu haben. Das ist eine scharfe Verurteilung Israels. In der Tat, denn beispielsweise die Zerstörung der Infrastruktur in Gaza war meiner Ansicht nach in keiner Weise zu rechtfertigen. Haben Sie persönlich das Resultat dieser Zerstörung gesehen? Ja, ich habe die einzige Getreide-Fabrik in Gaza gesehen, ein Trümmerhaufen. Ich habe die Felder gesehen, die von israelischen Panzern umgepflügt worden waren, die Hühner-Farmen zur Eier-Produktion, total zerstört, Zehntausende von Hühnern – alle tot. Ich habe Familien getroffen, die ihre Angehörigen in Häusern verloren haben, in denen sie Schutz vor den israelischen Bodentruppen gesucht hatten. Ich habe emotional aufwühlende Gespräche mit Vätern geführt, deren kleine Töchter umgebracht wurden......21 Angehörige einer einzigen Familie waren durch israelische Granaten umgekommen. Es war eine sehr schwierige Untersuchung. Ich werde für den Rest meines Lebens Albträume haben. Im Krieg passieren immer schreckliche Dinge. Was genau macht diese Aktionen zu Kriegsverbrechen? Nun, der Kern des humanitären Völkerrechts ist das „Prinzip der Unterscheidung“. Es verlangt von allen am Krieg Beteiligten die Unterscheidung zwischen unschuldigen Zivilisten und Kombattanten. Und darüber hinaus stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit. Sog. Kollateralschäden müssen in einem angemessenen Verhältnis zum militärischen Ziel stehen... Da gibt es natürlich Ermessensspielräume, es werden Fehler gemacht. Letztendlich ist es eine Frage der Absicht und der Sorgfalt, mit der vorgegangen wird. Haben Sie Beweise für absichtliches Fehlverhalten gefunden? Nun ja, es gibt immerhin Äußerungen von politischen und militärischen Führern, die ganz offen von unverhältnismäßigen Angriffen gesprochen haben. „Falls der Raketenbeschuß nicht aufhört, werden wir unverhältnismäßig zurückschlagen. Wir werden euch dafür bestrafen.“ Und so etwas ist durchs Kriegsrecht selbstverständlich in keiner Weise gedeckt.“ Und dann wurde tatsächlich genau das gemacht, was angekündigt worden war? 33 Ja, und die israelische ist eine der fähigsten Armeen der Welt. Wenn sie eine Moschee oder eine Fabrik angreifen – und es wurden über 200 Fabriken bombardiert ! -, dann lässt sich das nicht auf einen Irrtum zurückführen. Das ist eindeutig mit voller Absicht geschehen....Auch die Bombardierung des Legislativrats, also des Parlaments, ist illegal. Es stellt kein militärisches Ziel dar. Aber es ist doch nicht immer möglich, zwischen Zivilisten und Kämpfenden zu unterscheiden. Vor allem wenn sich die Kämpfer der Hamas in Häusern, in Krankenhäusern, Schulen in dicht besiedelten Gegenden verschanzen. Was soll die israelische Armee da tun? Nun, zum Beispiel mit Hilfe von Kommandounternehmen die Militanten angreifen und nicht die Zivilisten. Um die Raketenangriffe zu unterbinden, musste man nicht das ganze Land zerstören.....Die landwirtschaftlichen Flächen, die wahllos verwüstet wurden, gehörten ja schließlich nicht der Hamas, oder die Wasserwerke, das Abwassersystem, die Kanalisation von Gaza-Stadt, deren Bombardierung übrigens zu einer Überflutung einer Fläche von mehr als einem Quadratkilometer mit Abwässern und Fäkalien führte. Aber könnte dies nicht in der Folge von Angriffen gegen Militante passiert sein? Es ist gänzlich ausgeschlossen, dass die Hamas die erwähnten 200 Fabriken betrieb. Der Besitzer der schon erwähnten Getreidefabrik etwa besaß sogar eines jener seltenen israelischen Dokumente, das ihm die Einreise nach Israel ermöglichte. Er machte Geschäfte mit seinen israelischen Partnern. Interessanterweise erhielt er eine telephonische Bombenwarnung: er solle sein Haus verlassen. Also evakuierte er seine Belegschaft. Aber nichts geschah. Sie kehrten zurück, und er holte in Israel Erkundigungen mit Hilfe eines Freundes ein, der beim Militär nachfragte und ihn dann beruhigte: „Keine Sorge, sie werden deine Fabrik nicht bombardieren.“ Ein paar Tage später kriegt er wieder einen Anruf mit der Aufforderung zu evakuieren. Wieder verlassen sie das Gelände. Erneute Erkundigungen: „Keine Sorge, wir bombardieren nicht.“ Also gehen sie wieder zurück. Schließlich kommt eine dritte Warnung, und dann wird tatsächlich bombardiert. Die Israelis wussten genau, mit wem sie es zu tun hatten, schließlich besaß er ja jenes Dokument. Es ist dieses Verhalten, das auf die Absicht schließen lässt, die Zivilisten in Gaza, also im Prinzip alle für das zu bestrafen, was einige wenige getan haben. Stellen Sie sich vor, die USA würden beim Kampf gegen die Taliban die komplette Nahrungsinfrastruktur der Menschen bombardieren, die dort leben, wo sich die Taliban aufhalten, indem sie Felder verwüsten, Nahrungsmittelfabriken bombardieren usw. Ich glaube nicht, dass das amerikanische Volk dies als legitim akzeptieren würde. Kritiker werfen Ihnen vor, dass Sie sich in erster Linie mit dem Verhalten Israels auseinandersetzen, dass Sie Israel die größere Verantwortung anlasten. Es ist schwierig, einen Staat mit einer hochgerüsteten Armee, mit Marine und Luftwaffe einerseits und andererseits die Hamas mit ihren improvisierten, unpräzisen Waffen gleichzusetzen. Das bedeutet aber nicht, dass man beider Handlungen nicht genau untersuchen muss. Sie als Zionist werden von vielen Israelis beschuldigt, ihr Volk verraten zu haben. 34 Nun ja, das ist Ausdruck derselben Krankheit wie in Südafrika....Es handelt sich hier um eine Form des Rassismus. Warum sollte mich mein Judesein daran hindern, Israel zu untersuchen? Das kann ich nicht nachvollziehen....Ich denke, wahre Freunde kritisieren ihre Freunde, wenn sie etwas Falsches machen. Ihr Bericht empfiehlt beiden Seiten, eigene Untersuchungen vorzunehmen und falls Kriegsverbrechen nachgewiesen würden, die Verantwortlichen ... in ihren Ländern zu bestrafen. Das ist ja der Ausweg für Israel und die Hamas – wenn sie eine ehrliche Untersuchung durchführen, bedeutet dies das Ende jeglicher Untersuchung auf internationaler Ebene, denn der Internationale Strafgerichtshof etwa ist ja nur die letzte Instanz, die über keine Jurisdiktion verfügt, wenn die Parteien selbst tätig werden Warum brauchen wir eigentlich einen internationalen Strafgerichtshof? Bis 1993 gab es keine Möglichkeit, Kriegsverbrecher vor Gericht zu stellen. Zuhause mussten sie keine Ahndung fürchten, galten sie doch normalerweise als Kriegshelden...Das hat sich geändert. Heute haben Kriegsverbrecher Schwierigkeiten, in so manches Land zu reisen. Und das ist auch die Sorge der israelischen Regierung, dass sie nämlich mit Untersuchungen in einigen europäischen und afrikanischen Ländern rechnen muss, falls sie keine eigene Untersuchung anstellt. Diese liegt also in ihrem ureigenen Interesse. Israel erwartet ja von den USA, dass sie im Sicherheitsrat wie üblich ihr Veto einlegen werden, um jedes rechtliche Vorgehen gegen Israel zu verhindern. Und das US- Außenministerium hat Ihre Untersuchungsergebnisse sofort als unfair gegenüber Israel bezeichnet. Ich fordere die US- Regierung auf, mir mitzuteilen, inwiefern der Bericht fehlerhaft oder unausgewogen ist. Bisher ist noch niemand auf den Inhalt unserer Darlegungen eingegangen, auf den konkreten einzelnen Fall. Und falls wir Fehler gemacht haben sollten, wäre ich der erste, der dies zugeben würde. Israel sagt, der Bericht sei ein Hindernis für den Frieden, Sie sagen, er sei die Voraussetzung für den Frieden. Inwiefern? In der Folge ernsthafter Verletzungen der Menschenrechte lässt sich kein Frieden erreichen, wenn man Groll und Rachegefühlen in der Opferbevölkerung nicht begegnet. Was die Opfer brauchen, ist Anerkennung, die offizielle Anerkennung ihrer Opferrolle. Das heißt, die Wahrheit ist eine wesentliche Brücke zu einem dauerhaften Frieden. Am 1. April 2011, also etwa anderthalb Jahre nach der Veröffentlichung des UNReports, stellte Richard Goldstone in einem Gastbeitrag für die Washington Post überraschenderweise seinen eigenen Bericht zumindest in einem Punkt in Frage. 'Wenn ich gewusst hätte, was ich heute weiß, wäre der Goldstone-Report ein 35 anderes Dokument geworden.... Neuere Untersuchungen lassen erkennen, dass Zivilisten nicht absichtlich zum Ziel israelischer Angriffe gemacht worden sind.“ Und er lobt Israel dafür, dass mittlerweile mehr als 400 Fälle von möglichen Vergehen der Armee intern untersucht worden seien. Dabei beruft er sich auf eine seinem Report nachfolgende Untersuchung der UNO unter Vorsitz der ehemaligen New Yorker Richterin Mary McGowan Davis, die allerdings zu dem Ergebnis kommt, dass diese 400 Untersuchungen zu gerade einmal zwei Verurteilungen geführt hätten: Eine zu sieben Monaten Haft wegen Diebstahls einer Kreditkarte, die andere zu einer Bewährungsstrafe, weil ein palästinensisches Kind als menschlicher Schutzschild missbraucht wurde. Im übrigen gebe es - so wörtlich: „... keinerlei Hinweise darauf, dass Israel Untersuchungen begonnen hätte bezüglich der Handlungen derjenigen, die die Operation „Gegossenes Blei“ konzipiert, geplant, angeordnet und geleitet haben. Die Opfer beider Seiten können keine echte Verantwortlichkeit und keine Gerechtigkeit erwarten.“ Selbst der juristische Laie fragt sich, was für einen Wert überhaupt Untersuchungen haben sollen, die von der beschuldigten Partei in eigener Sache durchgeführt werden? Was immer Richard Goldstone gesagt oder später revidiert hat, ändert allerdings kein Jota an der Faktenlage des Massakers. Die umfangreichen Untersuchungsergebnisse der Goldstone-Kommission bestätigen die Darstellungen israelischer und internationaler Menschenrechtsorganisationen wie B’Tselem, Amnesty International, Human Rights Watch und Medico International ebenso wie Zeugenaussagen beteiligter israelischer Soldaten, die im April 2009 von der Zeitung Ha’aretz veröffentlicht wurden. Israels Ministerpräsident Netanjahu nahm Goldstones Stellungnahme zum Anlaß, vom UN-Menschenrechtsrat die Annullierung des Berichts von 2009 zu verlangen, was ein Sprecher der Vereinten Nationen mit dem Argument zurückwies, die private Äußerung eines Kommissionsmitglieds könne nicht zur Revision eines zuvor offiziell erstellten Berichts führen. Auch Goldstone selbst hat Aussagen des israelischen Innenministers Eli Jischai zurückgewiesen, laut denen er den UN-Bericht zurücknehmen wolle. Die drei anderen hochgeachteten Mitglieder der Kommission haben sich übrigens klar von Goldstones Sinneswandel distanziert. Bleibt die Frage nach seinem Motiv? Seit der Veröffentlichung des Reports wurde eine schier unglaubliche Schmutzkampagne gegen den bekennenden Zionisten losgetreten. Er sah sich als angeblicher Antisemit und selbsthassender Jude regelrecht an den Pranger gestellt. Man wollte ihm, dem Verräter, sogar die Teilnahme an der Bar Mitzwa seines Enkels verwehren! 36 Und für Netanyahu gehörte er - neben der iranischen Atombombe und den Raketen der Hamas - zu den „drei strategischen Herausforderungen“, mit denen Israel sich konfrontiert sehe. Angesichts dieser üblen Rufmordkampagne ist es kaum verwunderlich, wenn Roger Cohen am 7. 4. 2011 in der New York Times vermutet, Goldstone sei „gebrochen“ worden. Erich Fried: Widerstand Immer noch suchend wo Gegenwehr möglich ist (möglich bleibt oder wird) nicht nur als Geste oder zumindest als Geste die etwas lebendig unabgestumpft erhalten hilft wenn das vielleicht auch zuerst nur der eigene Abscheu ist Angst die sich weigert sich zu ducken vor dem was so mächtig scheint allmächtig bis auf die Hoffnung daß diesen Abscheu diese Angst diese Weigerung sich zu ducken andere teilen John Ging, der Leiter der UN-Hilfsorganisation für Gaza, in einem Interview vom 28. Mai 2010, also annähernd anderthalb Jahre nach dem Gaza-Massaker: „Die Lage in Gaza ist gekennzeichnet von menschlichem Elend. Die Menschenwürde wird mit Füßen getreten, und die einfachen Menschen kämpfen Tag für Tag ums Überleben. Israel hat das glatt abgestritten. Angesichts der Tatsache, dass 80 Prozent der Menschen In Gaza von Nahrungsmittelhilfe abhängen, lässt sich dies nur als Zynismus bezeichnen. John Ging: Ursache der Tragödie ist, dass es der internationalen Gemeinschaft nicht gelungen ist, die Einhaltung von Grundrechten sicherzustellen.... Die Blockade des Gazastreifens ist eine Art Sippenhaft für ein ganzes Volk – ein Verstoß gegen internationales Recht.... Die internationale Gemeinschaft muß ihre Verantwortung übernehmen und nach praktischen Wegen suchen, die Blockade zu durchbrechen...Wir empfehlen der Welt, Schiffe nach Gaza zu schicken, und wir glauben, dass Israel diese Schiffe nicht aufhalten würde, denn das Meer ist (rechtlich gesehen) frei. 37 Nun, da hat er sich getäuscht, denn am 31. Mai 2010 nimmt eine israelische Marineeinheit die sechs Schiffe der Free-Gaza-Flotte in internationalen Gewässern unter ihre Kontrolle, wobei auf der türkischen Mavi Marmara neun Friedensaktivisten getötet werden. Der emeritierte Professor des Völkerrechts, Norman Paech, selbst an Bord eines der Schiffe des Hilfskonvois, weist in einer längeren Analyse, erschienen kurz nach dem Zwischenfall, darauf hin, dass „dieser Angriff, die Besetzung der Schiffe, die Tötung von mindestens neun und Verletzung von über 20 Passagieren, die Fesselung aller Besatzungsmitglieder und Passagiere sowie Entführung in den Hafen von Aschdod ein schwerer Verstoß gegen geltendes Völkerrecht ist. Es war schlicht ein Akt der Piraterie. ...Man kann nicht ein Schiff angreifen und sich dann auf Notwehr berufen, wenn sich Besatzung und Passagiere wehren.“ Israel hat ja sogar behauptet, dass seine Soldaten sich gegen eine drohende Lynchung durch die angeblichen „Terroristenfreunde verteidigen“ musste. Dazu Ken O’Keefe, früherer US-Marineinfanterist und Golfkriegsveteran, der sich an Bord der „Mavi Marmara“ befand: Obwohl ich davon überzeugt bin, dass Gewaltlosigkeit immer die erste Option sein sollte... schloss ich mich selbstverständlich der Verteidigung der Marmara an. ...Am Morgen des Angriffs war ich direkt an der Entwaffnung von zwei israelischen Soldaten beteiligt. Dies war eine zwangsweise Entwaffnung von Soldaten, die bereits zwei meiner Brüder ermordet hatten, die ich noch kurz zuvor gesehen hatte. Der eine hatte eine Kugel mitten in die Stirn bekommen – das war eine Exekution.. Es war mir klar, die Soldaten hatten einen Mordauftrag, und ich nahm dem einen eine 9mm-Pistole weg. Ich hatte das Ding in meiner Hand, und als ehemaliger Marinesoldat mit Training im Gebrauch von Waffen, wäre es mir durchaus möglich gewesen, die Waffe gegen den Soldaten zu richten, der womöglich der Mörder einer meiner Brüder gewesen war. Aber das genau war es, was weder ich noch ein anderer der Verteidiger des Schiffes tat. Im Gegenteil, ich nahm die Kugeln aus der Pistole raus und versteckte die Waffe. Ich tat dies in der Hoffnung, dass wir den Angriff abwehren und diese Waffe dann in einem Strafverfahren gegen die israelischen Behörden als Beweis ... vorlegen könnten. Ich half auch mit, einem weiteren Soldaten sein Sturmgewehr zu entreißen, das ein anderer dann wohl ins Meer geworfen hat. Ich und mit mir Hunderte andere kennen die Wahrheit, die das ‚tapfere und moralische israelische Militär’ zum Gespött macht. Wir hatten drei völlig entwaffnete und hilflose Soldaten in unserer Gewalt. Diese Jungs waren uns auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Sie waren außer Reichweite ihrer Mordgesellen mitten im Schiff und von Hundert oder mehr Männern umgeben. Ich sah in die Augen der drei Jungs, und sie hatten Todesangst. Sie schauten uns an, als wären wir so wie sie, und ich zweifle nicht daran, dass sie glaubten, diesen Tag nicht zu überleben …. Aber sie standen nicht einem Feind gegenüber, der so unbarmherzig wie sie war. Im Gegenteil, die Frauen leisteten erste Hilfe, und schließlich wurden sie entlassen, verletzt, aber lebendig. Sie erlebten den nächsten Tag.... anders als die, die sie umgebracht hatten. Obwohl wir über den Verlust unserer Brüder verzweifelt waren und eine Stinkwut auf diese Burschen hatten ..., wir ließen sie gehen. Während wir in israelischer Haft waren … wurden wir in jeder nur möglichen Weise misshandelt. Ich wurde geschlagen und gewürgt bis zur Bewusstlosigkeit … Bei all 38 dem begriff ich, dass sie Feiglinge sind – und doch sah ich in ihnen meine Brüder. Egal wie abscheulich und falsch die Israelis sich verhalten… , sie sind doch meine Brüder und Schwestern. Ich habe Mitleid mit ihnen, weil sie das Kostbarste, was Menschen besitzen, aufgegeben haben - ihre Menschlichkeit.“ Prof. Norman Paech betont: die gemeinsame Basis des von der amerikanischbritischen „Free Gaza“-Organisation betriebenen Unternehmens war und ist „der Aufruf an die Weltgemeinschaft zur gewaltfreien Beendigung der Blockade und Hilfe für die Bevölkerung durch Auslieferung von Hilfsgütern... Die Verteilung sollte durch Nichtregierungsorganisationen in Gaza vorgenommen werden. Gleichgültig, ob Christen, Muslime, Buddhisten oder Atheisten, es waren Menschen aus über 30 Staaten auf den Schiffen, die einigen wenigen gemeinsamen Grundprinzipien verpflichtet waren: weder parteipolitische Ziele noch Missionierung, absolute Gewaltlosigkeit und Friedfertigkeit, Verzicht auf jegliche Waffen an Bord und Toleranz untereinander. Es gibt keine Anzeichen, daß diese Grundprinzipien nicht eingehalten wurden.“ Ergänzend dazu der Augenzeugenbericht des kanadischen Lehrers und ehemaligen Zivilingenieurs des Verteidigungsministeriums, Kevin Neish, der sich gleichfalls auf der Mavi Marmara befand: „Als ich an Bord ging, wurde ich gründlich abgetastet, und mein Gepäck wurde auf Waffen hin untersucht. Als Ingenieur hatte ich natürlich ein Taschenmesser bei mir. Das nahmen sie mir ab und warfen es ins Meer. Keiner durfte irgendwelche Waffen mit sich führen. Darauf wurde ganz sorgfältig geachtet....Während der ganzen Zeit an Bord habe ich bis zum Schluss nie eine Waffe in den Händen der Mannschaft oder der Friedensaktivisten gesehen.... Während der Auseinandersetzungen sah ich, wie sie einen der Soldaten herunterbrachten. Er sah sehr verängstigt aus, als wenn er dachte, er würde umgebracht. Aber als ein kräftiger Türke, der gerade schwer verletzte Passagiere gesehen hatte, die von den Soldaten angeschossen worden waren, versuchte, sich auf ihn zu stürzen, drängten ihn die anderen türkischen Entwicklungshelfer zurück und hielten ihn an der Wand fest. Sie schützten diesen israelischen Soldaten. Als das israelische Kommando die Mavi Marmara übernommen hatte, mussten sich Frauen und Männer getrennt auf den Boden setzen und ihre Hände wurden so streng mit Plastikbindern gefesselt, dass sie ganz schnell stark anschwollen. An den Nachwirkungen hat Kevin Neish noch lange gelitten. Sie wiesen uns an, still zu sein. Aber da erhob sich dieser türkische Imam und begann, einen Gebetsaufruf zu singen. Alles wurde totenstill – selbst die Israelis. Aber nach vielleicht 10 Sekunden stürmte ein israelischer Offizier durch die Reihen der am Boden Sitzenden, zückte seine Pistole, richtete sie auf den Kopf des Imams und schrie: „Shut up!“ Der Imam schaute ihm direkt in die Augen - und sang einfach weiter. Ich dachte, um Gottes Willen, er wird ihn töten. Dann dachte ich, nun, dafür bin ich wohl hier und stand auch auf. Der Offizier wirbelte herum und zielte mit seiner Waffe auf meinen Kopf. Der Imam beendete sein Lied, setzte sich ruhig hin, und auch ich setzte mich wieder.“ Die Vorgänge bei der Kaperung der sechs Schiffe sind inzwischen weitgehend bekannt und werden durch weitere Zeugen immer detaillierter ergänzt. In zwei 39 Dingen stimmen sie alle überein: Es gab auf keinem Schiff Waffen, außer den stets in den Medien präsentierten Stöcken, Eisenstangen und Messern. Keine Bilder gibt es von dem Waffenarsenal der israelischen Armee und ihrem tödlichen Einsatz: Blendschockgranaten, Maschinengewehre, Pistolen, PaintbulletPumpguns und Elektroschockwaffen. Kaum Bilder der toten oder verwundeten Passagiere, alle Film- und Fotoapparate der Mitfahrenden wurden konfisziert, ihr Filmmaterial befindet sich im Besitz der israelischen Streitkräfte. Zu sehen waren nur Bilder von verletzten israelischen Soldaten mit Netanyahu an ihrer Seite – deutlicher kann man in diesem Konflikt kaum Partei ergreifen. Die Medien, mit sehr wenigen Ausnahmen, haben allein durch ihre Bildauswahl das Verhältnis von Angreifer und Verteidiger umgekehrt. Die Medien haben sich - so Norman Paech „vollständig der Bilderhoheit der israelischen Armee unterworfen... . Mit der schwindenden Überzeugungskraft des Bildmaterials, mit welchem die israelische Regierung alle internationalen Medien versorgt, beginnt nunmehr der Abwehrkampf an der ideologischen Front. Er wird von vielen Medien bereitwillig aufgenommen und als ...Entlastungsangriff gegen »Free Gaza« und ihre Schiffe geführt. Es geht zum einen darum, die »Free Gaza«-Bewegung zu delegitimieren und zum anderen wird bezweckt, die israelische Aktion als »Selbstverteidigung« zu rechtfertigen. Ansatzpunkt für die Delegitimierung des »Free Gaza«-Unternehmens ist die Beteiligung der IHH, der »Stiftung für Menschenrechte und Freiheit« mit Sitz in Istanbul; sie organisierte als einer der zahlreichen Koalitionspartner von »Free Gaza« die »Mavi Marmara«. Der Vorwurf lautet, es handele sich um eine Ansammlung radikaler Islamisten, Antisemiten und Faschisten, „Eine wohlorganisierte, islamistische Kadergruppe« - o die Frankfurter Allgemeine vom 11.6. Tatsache ist, daß die IHH eine von weltweit 3000 Nichtregierungsorganisationen ist, die beim UN-Wirtschafts- und Sozialrat beratenden Status haben. Die IHH steht auf keiner der berüchtigten Terrorlisten. Norman Paech: “Sie ist mit ähnlichen Entwicklungsprojekten tätig, wie wir sie von Misereor, der evangelischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe, Medico International oder dem Deutschen Entwicklungsdienst kennen. Seit der vollständigen Abriegelung des Gazastreifens durch Israel im Juli 2007 arbeitet die IHH auch in Gaza und sendet Hilfskonvois über ( das ägyptische ) Rafah. Daß sie dabei mit der Hamas kooperiert, ist selbstverständlich und nur noch bei den verbohrtesten Köpfen ein Stein des Anstoßes – schließlich fordert selbst Avi Primor, der ehemalige israelische Botschafter in der BRD, öffentlich Gespräche mit der Hamas.“ Die unterstellte Verbindung zu Al-Qaida oder dem Dschihad erwies sich als eine bloße Verdächtigung, die allein dem Zweck diente, das ganze Unternehmen »Free Gaza« in Misskredit zu bringen. Die zweite Strategie zielt auf die völkerrechtliche Legitimierung des israelischen Angriffs. Ihr Grundtenor lautet: Selbstverteidigung, da man sich mit Gaza im Krieg befinde. Aber auch außerhalb Israels erheben sich Stimmen, die den israelischen Streitkräften ein Recht zur Seeblockade zugestehen wollen. Norman Paech: „Die in Gaza leider üblichen gegenseitigen Gewaltmaßnahmen – vereinzelte Raketen auf die Grenzgebiete Israels und gezielte israelische Tötungen durch Drohnen und 40 Artillerie im Gazastreifen – erfüllen nicht die Kriterien eines Krieges oder bewaffneten Konflikts. Die Militärintervention der israelischen Streitkräfte im Dezember 2008 bis Januar 2009 war ein Krieg....jetzt ist es ein Wirtschaftskrieg, den Israel gegen den Gazastreifen führt – eine Seeblockade außerhalb der eigenen Hoheitsgewässer und der selbsterklärten militärischen Sperrzone ist (daher) völkerrechtlich nicht zu legitimieren. Die israelische Regierung selbst vertritt den Standpunkt, daß Gaza nach dem Rückzug 2005 nicht mehr zu ihrem Besatzungsgebiet im Sinne des Kriegsvölkerrechts gehöre, sie also auch keine Hoheitsrechte in diesem Gebiet mehr habe. Wenn das so ist, dann hat sie damit logischerweise auch nicht das Recht, Gaza vom Meer abzuschneiden und den Hafen für ausländische Schiffe zu sperren. Da sich die Schiffe aber in internationalen Gewässern befanden, gilt für sie das Jahrhunderte alte Prinzip der »Freiheit der Meere«. Norman Paech weiter: “Ist also Kriegsrecht nicht anwendbar, so reduziert sich die Möglichkeit der israelischen Marine, Schiffe auf hoher See zu kontrollieren und zu durchsuchen, auf jene Ausnahmefälle, in denen ein begründeter Verdacht besteht, das Schiff verfolge illegale Ziele und Aktivitäten, wie Schmuggel, Piraterie oder Menschenhandel. Die Güter unserer Flottille waren aber öffentlich verladen und durch die Hafenbehörden kontrolliert worden, es gab nicht den geringsten Hinweis darauf, dass Waffen geschmuggelt werden sollten. Die Israelis haben ja auch keine vorweisen können, was sie sicher gern getan hätten. Selbst wenn man den israelischen Streitkräften angesichts der immer wieder aufflammenden Gewalttätigkeiten ein Selbstverteidigungsrecht oder ein Kontrollrecht der Schiffe einräumen würde, - so Norman Paech „war diese Art Kontrolle - mit Waffengewalt, mit Toten und Verletzten -vollkommen unverhältnismäßig und schon deshalb rechtswidrig. Das internationale Seerecht fordert, das solche Durchsuchungen mit der größten Zurückhaltung vorgenommen werden, denn es handelt sich für gewöhnlich um einen Eingriff in fremde Souveränitätsrechte. Da ein Angriff auf ein Schiff wie ein Angriff auf das Territorium des Heimatstaates zu werten ist, hätte dieser Vorfall sogar zu einer dramatischen Konfrontation mit der Türkei führen können. Denn die Türkei hätte ihrem Schiff militärisch zu Hilfe eilen können.... Wir können froh sein, daß es dazu nicht gekommen ist. Norman Paechs Fazit: Wie man es auch dreht und wendet, ob wir die israelische Position akzeptieren, dass Gaza ein hoheitsfreies Territorium ist und damit Friedensrecht gilt, oder Gaza erneut besetzt ist und sich im Krieg mit Israel befindet und deshalb Kriegsvölkerrecht anzuwenden ist: Die Blockade ist in jedem Fall rechtswidrig. Sie wirkt wie eine Kollektivbestrafung, die nach internationalem Recht verboten ist. Ja, es wäre zu prüfen, ob sie nicht den Tatbestand eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit erfüllt, wie es (im) Römischen Statut von 1998 als...“Angriff gegen die Zivilbevölkerung« definiert wird. Dieser Vorwurf trifft nicht allein Israel, sondern die USA und die EU-Staaten gleichermaßen, da sie in voller Kenntnis des Elends und der Zerstörungen diese Blockade unterstützen. Eine vom UN-Menschenrechtsrat berufene Untersuchungskommission kam im September 2010 gleichfalls zu dem Ergebnis, dass Israel bei der Erstürmung der Hilfsflotte internationales Recht gebrochen habe, und die israelische Blockade des 41 Gazastreifens ungesetzlich sei. Der Menschenrechsausschuss hatte den Angriff auf unschuldige Zivilisten bereits im Juni zuvor mit großer Mehrheit scharf verurteilt. Laut UN-Bericht haben die israelischen Soldaten ein "nicht zu akzeptierendes Maß an Brutalität" gezeigt. Sie hätten sich während und nach dem Einsatz schwerer Rechtsbrüche wie vorsätzlicher Tötung und Folter schuldig gemacht. Israel lehnte die Untersuchungsmission des Menschenrechtsrats als partei-isch ab und verweigerte jede Zusammenarbeit. Dagegen unterstützte es eine von UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon eingesetzte Kommission, die den offiziellen Auftrag hatte, die wegen der Tötung der türkischen Friedensaktivisten zerrütteten Beziehungen zwischen der Türkei und Israel positiv zu beeinflussen. Anders als bei der Kommission des UN-Menschenrechtsrats war Grundlage dieser Untersuchung nicht etwa das Geschehen selbst, sondern nur die Berichte der Türken und der Israelis. Der unparteiische und sorgfältige, auf einer „fact-finding-mission“ beruhende Report des UN-Menschenrechtsrats fand dabei keine Berücksichtigung. Es verwundert daher kaum, dass die israelische Seeblockade des Gazastreifens als "rechtmäßig und angemessen", der israelische Einsatz allerdings als "exzessiv" und "unverhältnismäßig" bezeichnet wurde. Juristisch ist das Ergebnis jedenfalls nach Einschätzung von Experten des Völkerrechts ein Fehlgriff, was – so Norman Paech: „so oft geschieht, wenn die Diplomatie Vorrang hat“. So geriet der Versuch, den Streit zwischen den beiden Ländern auf diplomatischem Wege zu entschärfen, zu einem kompletten Misserfolg. Angesichts der widersprüchlichen Rechtslage wird die türkische Regierung den Fall dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag vorlegen, wo er letztlich auch hingehört. Sie wies zudem den israelischen Botschafter aus und kündigte die militärische sowie die umfangreiche rüstungstechnische Zusammenarbeit auf. Darüber hinaus erwog der türkische Ministerpräsident Erdogan als erster amtierender Regierungschef, dem Gaza-Streifen einen offiziellen Besuch abzustatten, »um die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf die Zustände in Gaza zu lenken und die Internationale Gemeinschaft dazu zu bringen, das von Israel durchgesetzte illegale Embargo zu beenden«. Die Organisatoren der zweiten „Freedom Flotilla“, die im Sommer 2011 einen weiteren Anlauf unternahmen, die israelische Blockade des Gazastreifens zu durchbrechen, sind an den machtpolitischen Realitäten in den internationalen Beziehungen formal zwar gescheitert - da das bankrotte und von den USA und der EU total abhängige Griechenland wohl einen Wink erhielt, die Schiffe der Friedensaktivisten nicht aus seinen Häfen auslaufen zu lassen -, doch in der Wahrnehmung der Weltöffentlichkeit war es nur ein weiterer Pyrrhussieg des „grenzenlosen“ Israels. ERICH FRIED Frage an den Sieger 42 Nach deiner Landnahme als das Blut schrie von der Erde und als man dich fragte „Wo ist dein Bruder im Land?“ da sagtest du „Ich weiß nicht“ und du fragtest „Soll ich der Hüter meines Bruders sein?“ Nun sagst du man muß dich vor der Rache der Sippe deines Bruders von dem du nichts weißt beschützen Und du trägst ein Zeichen das sagt wer dich totschlägt an dem soll siebenfach Rache genommen werden ( kurze Pause! ) Wer bist du? Dies ist wohlgemerkt nur ein Text-Auszug aus dem vom Bayerischen Rundfunk zum „Hörbuch der Woche“ gekürten „Hörbild zum Zionismus“. Bei Interesse: Es kostet € 15.- (einschließlich Versand) und ist zu beziehen direkt über den Autor. Jürgen Jung T. 08441-860855 H. 0179-2950442 juejung@online.de SALAM SHALOM Arbeitskreis Palästina-Israel e.V. www.salamshalom-ev.de salamshalom.ak@gmail.com 43 Matthias Jochheim Leitmedien 13.8.14 Eine mit modernsten Zerstörungsmitteln ausgerüstete Armee überfällt zu Wasser, zu Lande und zur Luft eine dicht besiedelte, abgeriegelte und durch jahrelange Handels- und Reiseblockaden ausgepowerte Enklave, tötet rund 1900 Menschen - zu mindestens zwei Dritteln unbewaffnete Zivilisten, darunter rund 400 Kinder – und erklärt dies zu einer Operation gegen den Terror. Begründet wird dies mit dem Abschuss vorsintflutlicher, ungesteuerter Raketen, ausgelöst durch eine von israelischen Militärs im Gazastreifen durchgeführte extralegale Hinrichtung von Hamas-Militanten und Zivilisten. Diese palästinensischen Geschosse töten drei israelische Zivilisten und richten geringfügigen Sachschaden in Israel an, stören über einige Tage außerdem den zivilen Luftverkehr nach Israel beträchtlich. (In Gaza gibt es nach der kompletten Zerstörung des dort mit EU-Mitteln gebauten Flughafens durch Israel keinerlei Flugverkehr, abgesehen von den häufigen Angriffen durch israelische Bombenflugzeuge und Drohnen). Wie spiegelt sich dies in deutschen „Qualitätsmedien“ wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und der Süddeutschen Zeitung (SZ)? Mit erstaunlicher Uniformität kommentieren „pes.“ (FAZ) und Peter Münch (SZ) in den Zeitungen vom 9.8. (Samstag) diese Vorgänge: verantwortlich ist in erster Linie Hamas, die „endlich einsehen muß, „dass sie ihr Volk nicht weiter der krass überlegenen Kriegsmaschine ausliefern darf.“(!) Das angebliche „Kalkül: Es müssen noch mehr Menschen sterben und noch mehr Lebensgrundlagen zerstört werden, bis am Ende das weltweite Entsetzen so groß ist, dass es den Israelis Einhalt gebietet.“ „Es ist also völlig logisch, dass in Gaza zwei blinde Offensiven aufeinandertreffen. Es ist logisch, dass dies von außen keiner verhindern kann – und jeder vernünftige Mensch muß daran verzweifeln.“ (SZ Kolumne auf S.4) Na – wenn ohnehin nichts daran zu ändern ist, kann die deutsche und erst recht die USRegierung ja ruhig weiter Waffen und Finanzsubventionen an ihre israelischen Regierungsfreunde senden, da muß sich der SZ-Leser nicht mehr darüber Sorgen machen! Die Struktur des FAZ-Kommentars ist ganz ähnlich, da scheint es funktionierende Kommunikationstunnel zwischen Frankfurt und München zu geben: „Hat es im Gazakrieg noch nicht genug Tote gegeben? Wenn man sieht, mit welcher Strategie die Hamas bei den Verhandlungen vorgegangen ist, könnte man auf den Gedanken kommen. Die Palästinenserorganisation hat offenbar munter auf ihren Maximalforderungen beharrt“ (die vorsichtshalber im Text nicht benannt werden). „Aber man darf von einer Regierung nicht erwarten, dass sie die Hände in den Schoß legt, wenn Leib und Leben ihrer Bürger gefährdet sind“ – sondern hat als abgeklärter FAZ-Journalist Verständnis dafür, dass dann eben tausende unbewaffneter palästinensischer Zivilisten getötet und verletzt werden müssen. Abschließend: „Und es stimmt einfach nicht, dass immer Israel an allem schuld ist.“ (!) FAZ = Frankfurter Allgemeiner Zynismus. Die Situation in Gaza wird mit einiger Berechtigung immer wieder mit einem Ghetto verglichen: 1,8 Millionen sind von der Außenwelt abgeriegelt, für ein normales Leben notwendige Versorgungsgüter werden ihnen durch eine Blockade ganz unzureichend geliefert, der Seeweg ebenso wie jeder Flugverkehr ist abgeschnitten. Der Aufstand in diesem Ghetto, gegen die uneingeschränkt überlegene Besatzungs- und Belagerungsmacht, erhebt folgende einfache Forderungen, vom israelischen Journalisten Gideon Levy (Ha’aretz) als faire Grundlage für eine Verständigung eingeschätzt: • Die israelische Armee soll aus dem Gaza-Streifen abziehen und • Den palästinensischen Bauern erlauben, ihr Land bis an den Grenzzaun zu Israel zu nutzen. • Die Palästinenser sollen wieder freigelassen werden, die erst im Austausch für den 44 israelischen Soldaten Gilat Schalit freikamen und dann bald danach wieder inhaftiert wurden. • Die Belagerung muss beendet und die Grenze wieder geöffnet werden; ebenso der Hafen und der internationale Flughafen unter UN-Kontrolle. • Die Fischereizone muss erweitert, der Grenzübergang in Rafah international überwacht werden. • Israel soll eine zehnjährige Waffenruhe zusagen und eine Schließung des Luftraums über dem Gaza-Streifen für israelische Flugzeuge akzeptieren. • Einwohner des Gaza-Streifens erhalten die Erlaubnis, nach Jerusalem zu reisen, um dort an der Al-Aksa-Moschee zu beten. • Israel möge sich nicht in die palästinensische Innenpolitik einmischen, zumal mit Blick auf die Einheitsregierung von Hamas und Fatah. • Und zu guter Letzt soll Gazas Industriezone eröffnet werden. Levy resümiert: „Die Hamas und der Islamische Dschihad fordern Freiheit für den Gaza-Streifen. Es gibt wohl keine Forderung, die verständlicher und berechtigter ist. Wenn wir das nicht akzeptieren, werden wir nicht den gegenwärtigen Zyklus der Gewalt durchbrechen, und in einigen Monaten wird alles so weitergehen wie bisher.“ Es ist schade, dass wir in unseren sogenannten Qualitätsmedien einen so abgewogenen Beitrag zur Meinungsbildung nur mühsam auffinden können. Matthias Jochheim, IPPNW SALAM SHALOM Arbeitskreis Palästina-Israel e.V. www.salamshalom-ev,de salamshalom.ak@gmail.com 45 Michael Lüders im Interview „Eine Schande für Deutschland“ Angesichts der gescheiterten Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern in Kairo hat der Nahost-Experte Michael Lüders den Westen aufgefordert, mehr Druck auf die israelische Regierung auszuüben. Im Deutschlandfunk appellierte er vor allem an die Bundesregierung, ihre Politik gegenüber Israel zu überdenken. Der Nahost-Konflikt werde noch weiter schwelen, er werde immer brutaler, grausamer, sagte Michael Lüders im Deutschlandfunk. Nach Angaben der Vereinten Nationen werde der Gazastreifen im Jahr 2020 nicht mehr bewohnbar sein, weil es dort eine ökologische Katastrophe geben wird. Man könne nicht mehr nur einfach zuschauen. Zur deutschen Staatsräson gehöre auch, dass man den Freunden Israels sage: "Bestimmte Dinge gehen nicht". Die Bundesregierung sei in der Lage, klare Kante zu zeigen, auch gegenüber den Freunden Israels (vielleicht ist „dem befreundeten Israel“ gemeint ?), aber sie habe nicht den Mut, dieses zu tun und das sei bedauerlich. Lüders sieht im Moment nicht die Bereitschaft in der deutschen Politik, eine Neuorientierung vorzunehmen. Es sei ja nicht einmal der Mut vorhanden, einen Ausdruck des Bedauerns darüber zu tätigen, dass so viele Zivilisten getötet worden seien im Gazastreifen. Das sei eine Schande für ein Land wie Deutschland. Das Interview in voller Länge: Christine Heuer: Israel und die Hamas schießen wieder aufeinander, noch vor Ablauf der letzten Waffenruhe, auf die beide Seiten sich geeinigt hatten, wurden Raketen aus dem Gazastreifen abgefeuert, das israelische Militär fliegt wieder Angriffe und konzentriert sich dabei gegenwärtig offenbar auf die Zerstörung bestimmter Wohnhäuser. Gestern Abend nahmen die Israelis das Haus von Mohammed Deif ins Visier, der Hamas-Militärchef gilt Israel als Staatsfeind Nummer eins. Am Telefon ist Michael Lüders, Nahostexperte, selbstständiger Publizist – guten Tag, Herr Lüders! Michael Lüders: Schönen guten Tag, hallo! Heuer: Der Krieg geht also weiter. War etwas anderes überhaupt jemals zu erwarten? Lüders: Nicht, solange es keine politische Lösung gibt für diesen Konflikt. Und das, was die Hamas verlangt, und mit ihr auch gemäßigte Palästinenser im Westjordanland, das ist ein Ende der Blockade des Gazastreifens, ist die Öffnung der Grenze, ist eine Wiederannäherung der Volkswirtschaften im Westjordanland mit dem Gazastreifen. Aber dazu ist man auf israelischer Seite nicht bereit, solche Zugeständnisse zu geben. Man hat gerade einmal den Fischern im Gazastreifen zugestanden, über eine halbe Meile weiter hinaus ins Mittelmeer zu fahren, mehr nicht. Das reicht der Hamas nicht. Und solange es hier keine Lösung gibt, wird dieser Krieg auch weitergehen. Heuer: Herr Lüders, aber mal im Ernst, würden Sie Israel denn raten, das zu tun, die GazaBlockade aufzuheben angesichts der Aggression aus Gaza? 46 Israel kann die Hamas nicht besiegen Lüders: Ein Konflikt wie dieser ist komplex, und es gibt natürlich mehr als nur einen Verantwortlichen. Aber man muss doch klar sagen, dass die Feuerpause zwischen der Hamas und Israel gehalten hat seit der letzten Vereinbarung im Dezember 2012 bis jetzt in den letzten Monat hinein, Juli 2014, nachdem die israelische Armee einen Führer der Hamas, so wie es jetzt gerade wieder geschehen ist, im Norden des Gazastreifens getötet hatte. Zuvor waren drei israelische Jugendliche entführt und ermordet worden, dafür hat man die Hamas verantwortlich gemacht. Erst von dem Moment an begann die Hamas wieder, Israel zu beschießen.[1] Vorher gab es Monate des Friedens, aber man hat sie nicht genutzt, um eine Lösung zu finden, und jetzt hat sich der Konflikt wieder entladen. Wer sollte jetzt den ersten Schritt machen, der eine auf den anderen zugehen, der andere auf den einen? – klar ist, von alleine wird es keine Bewegung geben. Die westliche Politik wäre gefordert, reagiert aber nicht. Heuer: Sie haben das Bombardement des Hauses vom Hamas-Militärchef Deif erwähnt. Ist das eine neue Eskalation? Wird das die Dinge weiter hochschrauben? Lüders: Als Ende Juli die israelische Luftwaffe einen anderen Hamas-Führer getötet hatte, war das der letzte Funken, der das Pulverfass zur Explosion gebracht hat. Von dem Moment an begann das Bombardement Israels, und ich nehme an, dass die israelischen Militärs diese Tat, diesen versuchten Mord, wie es die israelische Zeitung "Haaretz" nennt, veranlasst haben, wissen, dass sie damit die Chancen auf eine diplomatische Lösung nicht gerade erhöhen. Und das Dilemma ist, dass die israelische Seite glaubt, sie könne die Hamas militärisch besiegen. Das kann sie aber nicht. Heuer: Kann sie nicht – warum nicht? Lüders: Das kann sie deswegen nicht, weil sie zu stark geworden ist. Sie ist, nicht zuletzt aufgrund der über 2.000 Toten, die es gegeben hat, davon die allermeisten Zivilisten, mittlerweile die einzige Institution, mit der sich die Menschen im Gazastreifen identifizieren können. Sie ist nicht geschwächt, sondern gestärkt worden. Und vergessen wir nicht, seit 1987 im Zuge der ersten Intifada die Hamas entstand, damals aktiv unterstützt von der israelischen Seite, um die PLO und die Fatah unter der damaligen Führung zu schwächen, Jassir Arafat, da hat man geglaubt, man könnte die Hamas kontrollieren auf Dauer. Das ist aber nicht gelungen. Sie ist immer stärker geworden. Und es bedarf einer politischen Lösung, die wird es aber nicht geben, und es ist unklug, mit ihr nicht reden zu wollen, auch von europäischer Seite nicht mit der Hamas reden zu wollen. Es ist eine Organisation, die man wahrhaftig nicht schätzen muss. Sie hat eine fragwürdige Ideologie, ein sehr fragwürdiges Verständnis von Theologie, aber die Menschen in ihrer Ausweglosigkeit orientieren sich an der Hamas. Das kann man durch Bomben nicht lösen. Heuer: Also die Hamas gewinnt jeden Krieg, und sei es auch nur psychologisch, da verstehe ich Sie richtig. Aber was raten Sie denn nun Israel in dieser Situation? Relaunch der eigenen Politik empfohlen Lüders: Tja, im Grunde genommen einen kompletten Relaunch der eigenen Politik. Es gab ja Friedensgespräche über Jahre hinweg. Die sind alle in einer Sackgasse gemündet, zuletzt im April hat John Kerry, der amerikanische Außenminister, die Friedensgespräche für gescheitert erklärt. Bei diesen Friedensgesprächen wurde der Gazastreifen nicht einmal behandelt. Es 47 ging nur um das Westjordanland. Die sind gescheitert, die Verhandlungen, weil, so John Kerry, die Siedlungspolitik kein Thema sei für die israelische Politik. Es gibt in Israel mittlerweile eine starke Dominanz in der Politik und in der Gesellschaft, die glaubt, man könne mit den Palästinensern nicht reden, keine Kompromisse schließen, man müsse eine Politik der militärischen Härte führen. Aber was soll geschehen mit den sechseinhalb Millionen Palästinensern, die unter israelischer Besatzung leben? Diese Frage beantwortet kein israelischer Politiker. Das geht nicht mit militärischer Gewalt. Man kann ein anderes Volk nicht dauerhaft kujonieren. Nur diese Einsicht ist der israelischen Politik nicht gegeben, und da es keinen Druck gibt von westlicher Seite, hat die israelische Regierung auch keinen Anlass, ihre Strategie zu überdenken. Heuer: Herr Lüders, jetzt sprechen Sie das dritte Mal das Ausland an, mögliche Vermittler, Staaten, die möglicherweise Druck ausüben können. An wen richten sich Ihre Appelle da vor allen Dingen? An die USA? Sie haben die Europäer erwähnt – was sollen die Europäer da ausrichten? Spielen die überhaupt eine Rolle? Lüders: Die Europäer könnten eine Rolle spielen, könnten sich auch lösen von der zu engen Verflechtung amerikanischer Politik und israelischer Politik. Sie sind aber dazu nicht geneigt. Die Europäer folgen der amerikanischen Linie, und das ist nicht nachvollziehbar. Denken wir nur an die Milliardeninvestitionen, die mit Steuergeldern der Europäischen Union auch von uns Deutschen im Gazastreifen geleistet worden sind. Unter anderem ist dort ein Flughafen gebaut worden – alles komplett zertrümmert von der israelischen Armee. Es ist vielen Beobachtern ein Rätsel, warum die Europäische Union nicht dieses jemals der israelischen Regierung in Rechnung gestellt hat. Stattdessen hat die Bundesregierung gerade beschlossen, drei weitere U-Boote nach Israel zu liefern, die atomar bestückt werden können. Das kostet den hiesigen Steuerzahler 400 Millionen Euro. 400 Millionen an Subventionen – muss das sein, in einer solchen Situation, wo wir doch offiziell keine Waffen in Kriegsgebiete exportieren. Heuer: Da würde Ihnen jetzt die Bundesregierung mit der Staatsräson Deutschlands antworten. Aber ich würde Sie gerne noch mal fragen, wer, Herr Lüders, soll es denn richten? Oder reden wir einfach noch Jahrzehnte immer wieder über diesen unauflösbaren, offensichtlich unauflösbaren Konflikt? Der Konflikt ist lösbar Lüders: Er ist lösbar, dieser Konflikt, und jeder weiß, wie er zu lösen wäre: indem es einen palästinensischen Staat gibt an der Seite Israels. Nachfolgende israelische Regierungen haben aber alles dafür getan, dass es diesen Staat nicht geben wird. Und da die Europäer und die Amerikaner die israelische Regierung in dieser Frage nicht in die Pflicht nehmen, keinerlei Druck auf die israelische Regierung ausüben, hat die Regierung Netanjahu keine Veranlassung, ihren Kurs zu ändern. Dieser Konflikt wird noch weiter schwelen, er wird immer brutaler, immer grausamer werden. Die Menschen werden einen hohen Preis bezahlen. Die Vereinten Nationen sagen, dass im Jahr 2020 der Gazastreifen nicht mehr bewohnbar sein wird, weil es dort eine ökologische Katastrophe geben wird. Kein Wasser mehr trinkbar, keine landwirtschaftlichen Flächen mehr zu bebauen. Wir können nicht mehr nur einfach zuschauen und zur Staatsräson, der deutschen Staatsräson gehört sicherlich auch, dass man den Freunden Israels (dem befreundeten Israel?) in aller Freundschaft sagt, bestimmte Dinge gehen nicht. Internationale Rechtsnormen gelten auch für euch. Die Bundesregierung ist in der Lage, klare Kante zu zeigen, auch gegenüber den Freunden Israels (dem befreundeten Israel?), aber sie hat nicht den Mut, dieses zu tun, und das ist bedauerlich, denn es kann nicht 48 sein, dass wir auf eine zu einseitige Art und Weise eine Politik in Israel unterstützen, die auch den gemäßigten Kräften in Israel in den Rücken fällt. Es ist ja mittlerweile für linksliberale Journalisten beispielsweise geradezu gefährlich geworden, offen Kritik an dieser israelischen Politik zu üben. Gideon Levy von "Haaretz" ist dafür das prominenteste Beispiel. Heuer: Herr Lüders, wie optimistisch sind Sie, dass jemand diesem Appell, der ja nicht nur von Ihnen, aber jetzt eben gerade aktuell von Ihnen kommt, Folge leisten wird? Lüders: Politik ist eigentlich nur dann lernfähig, wenn Druck da ist, sich so sehr aufbaut, dass Veränderungen erzwungen werden. Ich sehe im Moment nicht die Bereitschaft in der deutschen Politik eine Neuorientierung vorzunehmen. Es ist ja nicht einmal der Mut vorhanden, einen Ausdruck des Bedauerns darüber zu tätigen, dass so viele Zivilisten getötet worden sind im Gazastreifen. Nicht einmal dazu reicht der Mut. Das ist eine Schande für ein Land wie Deutschland. Das heißt ja nicht, dass man mit Israel bricht, dass man Israel nun auf unangemessene Art und Weise kritisiert. Aber Schweigen im Angesicht dieser Tragödie, die die Palästinenser im Gazastreifen durchleben, das kann man nicht. Und es ist auch zu einfach, nur die Hamas verantwortlich zu machen und zu sagen, sie haben diesen Konflikt allein herbeigeführt. Es gehören immer zwei zum Tango, und die israelische Seite hat auch ihre Verantwortung zu tragen. Heuer: Der Nahostexperte Michael Lüders. Ich danke Ihnen für das Interview! Lüders: Vielen Dank! Quelle: Deutschlandfunk, 20.8.2014 Anmerkung [1] An dieser Stelle drückt sich Lüders missverständlich aus, Die Hamas beendete die im November vereinbarte Waffenruhe nicht im Zusammenhang mit der Entführung und Ermordung der drei jüdischen Jugendlichen. Im Gegenteil, sie hielt sich weiter an die Vereinbarung, auch als die israelische Armee – unter dem Vorwand, nach den entführten Jugendlichen zu suchen - in einer gewaltigen Militäraktion 18 Tage lang im Westjordanland gegen Personen und Einrichtungen vor allem der Hamas wütete. Erst als die Armee am 7. Juli im Gazastreifen 5 Hamaskämpfer getötet hatte (oder nach der von Lüders vertretenen Version: einen Hamasführer), flogen die ersten Hamas-Raketen, die 19 Monate lang nicht geflogen waren. Im nächsten Absatz sagt Lüders das auch so. SALAM SHALOM Arbeitskreis Palästina-Israel e.V. www.salamshalom-ev.de salamshalom.ak@gmail.com 49 Amira Hass Grünes Licht aus Europa für das Morden und für die Zerstörung und Pulverisierung Gazas Wenn die Sicherheit der Juden im Nahen Osten von wirklichem Interesse für europäische Länder wie Deutschland und Österreich wäre, würden sie nicht fortfahren, die israelische Besatzung zu subventionieren. Mit seinem fortgesetzten Schweigen kollaboriert das offizielle Deutschland mit Israel auf dessen gegen das palästinensische Volk in Gaza gerichteten Reise von Zerstörung und Tod. Deutschland ist nicht allein - Österreichs Schweigen ist ebenfalls ohrenbetäubend. Aber warum sollten wir diese beiden Länder aussondern? Am zweiten oder dritten Tag des Krieges, war Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht die einzige, die erklärte, dass sie auf Seiten Israels stand. Die gesamte Europäische Union unterstützte Israel und sein Recht auf "Selbstverteidigung". Ja, Frankreich und Großbritannien haben sich letzte Woche etwas gewunden und machten ein paar schwache Geräusche des Protests. Aber die ursprüngliche Haltung der EU vom 22. Juli hallt noch nach. Sie warf derjenigen Seite, die unter einer langanhaltenden Belagerung durch Israel steht, vor, die Eskalation herbeigeführt zu haben. Es ist die Seite, die sich trotz aller europäischen Erklärungen über deren Recht auf Selbstbestimmung und einen unabhängigen Staat in der Westbank und im Gazastreifen noch immer unter israelischer Besatzung befindet, nach 47 Jahren. Die EU-Mitgliedstaaten und offensichtlich auch die Vereinigten Staaten gaben Israel grünes Licht, zu töten, zu zerstören und zu pulverisieren. Sie bürdeten die Hauptlast an der Schuld den Menschen auf, die Raketen starten, den Palästinensern. Die Raketen stören die "Ordnung" und die "Ruhe", sie gefährden die Sicherheit Israels, welches so schwach und verletzlich ist und stets ohne jeglichen Grund angegriffen wird. Im Grunde befürworten die Vereinigten Staaten und Europa den Status quo, unter welchem der Gazastreifen von der Westbank abgeschnitten wird. Die israelische Belagerung des Gazastreifens und die Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung in der Westbank sind Israels Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Wer immer es wagt diese zu verletzen, muss bestraft werden. In ihren leidenschaftlichen Deklarationen zu Israels Recht auf Selbstverteidigung verabsäumen es die EU-Beamten, das Recht der Palästinenser auf Sicherheit oder Schutz vor der israelischen Armee zu erwähnen. Europa und die Vereinigten Staaten gaben Israel jenes grüne Licht zur Eskalation - zu zerstören, zu töten und Leid in nie gekanntem Ausmaß zu verursachen – keineswegs erst bei Ausbruch der gegenwärtigen Feindseligkeiten. Sie gaben es ihm bereits im Jahr 2006, als sie sich an die Spitze des Boykott gegen die Hamas-Regierung, die in einer demokratischen Wahlen gewählt worden war, stellten. Selbst damals entschieden sie sich dafür, die gesamte besetzte palästinensische Bevölkerung kollektiv zu bestrafen, und zugleich den Hauptgrund, dafür, dass diese Organisation eine Mehrheit gewonnen hatte, zu ignorieren: Das palästinensische Schoßtier-Regime, das Europa hochgepäppelt hatte – die Palästinensische Autonomiebehörde. Dieses Regime bleibt von zwei Übeln getrübt – Korruption und das Versagen seiner diplomatischen Taktiken, die Unabhängigkeit zu erreichen. Das Verhalten der PA hat zu einer Situation geführt, in der Verhandlungen, die Bereitschaft ein Friedensabkommen mit Israel zu erreichen und sogar die Opposition gegen den bewaffneten Kampf, aus moralischen und praktischen Gründen, zu einem Synonym für die 50 Bereicherung einer kleinen Gruppe geworden ist – neben seiner zynischen Missachtung der Rechte und Bedingungen eines Großteil der Bevölkerung. Weder Ruhe noch Ordnung Man kann verstehen, dass die israelischen Sicherheitsexperten wiederholt die offenen und verborgenen Strömungen, die die palästinensische Gesellschaft durchziehen und die immer und immer wieder die „Ruhe“ stören, missinterpretieren. Diese Expertenhirne sind nicht darauf programmiert, zu begreifen, dass die Ruhe und Ordnung. die sie bewahren sollen, weder ruhig noch in Ordnung sind. Vor zwei Wochen sagte Jacob Perry, der Publikumsliebling und eine Schlüsselfigur in dem Dokumentarfilm "The Gatekeepers", er hoffe, dass der Sicherheitsapparat in der Lage wäre, die neueste Welle von Demonstrationen in der Westbank einzudämmen. "Diese Demonstrationen sind schlecht für sie und für uns", sagte der ehemalige Leiter des Shin Bet-Sicherheitsdienstes in einer typisch paternalistischen Weise. Tatsächlich fährt die Armee, die seinen Ratschlag nicht erst abwartete, damit fort, Demonstranten zu töten, die keine Soldatenleben gefährden. Sie tun dies jede Woche und verwunden Dutzende andere (zwei weitere wurden an diesem Wochenende getötet). Selbst nach 47 Jahren haben die Sicherheitsbeamten nicht begriffen, dass die Unterdrückung nicht zu einer Unterwerfung führt. Sie schiebt höchstens eine weit blutigere Konfrontation auf - wie es jetzt in Gaza geschieht. Aber was ist mit den europäischen Experten, Mitarbeitern von Hilfsorganisationen, Diplomaten und zivilen und militärischen Beratern, und was mit all den Lehren, die sich in den vielen Jahren des Kolonialismus angesammelt haben? Man hätte meinen können, dass all diese Menschen und Ereignisse Europa davon abgehalten hätten, einen solch ungeheuerlichen Fehler im Jahr 2006 zu begehen, aus dem all die Eskalationen entstanden sind, die in palästinensischem Blut getränkt sind. Der Boykott der Hamas, welcher in Wirklichkeit ein politischer Boykott der palästinensischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten war, ermutigte Fatah und den PA-Präsidenten Mahmoud Abbas, die Wahlergebnisse mittels undemokratischer Mittel über den Haufen zu werfen. Der Boykott und die westliche Verachtung für das Wahlergebnis haben Hamas lediglich in extremes und verzweifeltes Fahrwasser getrieben, und sie in einen Märtyrer und in der öffentlichen Meinung in eine respektable Alternative verwandelt. In der Tat war dies nicht ein "Fehler", sondern eine bewusste Entscheidung. Europäische Länder und die Vereinigten Staaten sind bereit, Milliarden von Dollars in den palästinensischen Gebieten für den Wiederaufbau jener Trümmer zu investieren, die erst durch den Gebrauch amerikanischer und wahrscheinlich europäischer Waffen geschaffen wurden. Diese Dollars sind bestimmt für humanitäre Katastrophen, die durch die israelische Besatzung verursacht wurden. Europa und die Vereinigten Staaten sind bereit, Zelte, Nahrung und Wasser zu finanzieren, um eine Führung zu domestizieren, die durch diese Spenden gefangen gehalten wird. Diese Führer versprechen deshalb, die Ruhe und Ordnung nicht zu stören. Was der Westen schätzt und liebt, sind nicht Gerechtigkeit und die Rechte der Palästinenser, sondern es ist die Aufrechterhaltung der "Stabilität". Deutschland und Österreich sind besonders bemerkenswert. Nur ihretwegen entsteht der Eindruck, dass die Europäische Union Israel so unterstütze aufgrund von Schuldgefühlen über die Ermordung der europäischen Juden unter der deutschen Besatzung und aufgrund einer moralischen Verpflichtung gegenüber dem direkten Ableger dieses geschichtlichen Kapitels, dem Staate Israel. Vom Holocaust beschirmt besteht keine Notwendigkeit, die westlichen Interessen, ob amerikanische oder europäische, zu diskutieren. Zu diesen gehören die weitere Kontrolle – durch vertrauenswürdige Mittler – von Öl-und Gasvorkommen, der Schutz der Märkte und 51 die Sicherung der "Sicherheit" Israels als einer westlichen Macht und als eines stabilen Gebildes, das die Veränderungen in der Region eindämmen und dagegen vorgehen kann. Wenn die Sicherheit der Juden im Nahen Osten für die europäischen Länder von wirklichem Interesse wäre, vor allem für Deutschland und Österreich, dann würden sie nicht fortfahren, die israelische Besatzung zu subventionieren. Sie würden Israel nicht permanent grünes Licht zum Töten und Zerstören geben. Übersetzung: Clemens Messerschmid Ha’aretz, 11. August 2014 http://www.haaretz.com/news/diplomacy-defense/.premium-1.609866 SALAM SHALOM Arbeitskreis Palästina-Israel e.V. www.salamshalom-ev.de salamshalom.ak@gmail.com 52 Anzeige in der New York Times Überlebende Juden und Nachkommen von Überlebenden und Opfern des Nazi-Völkermordes verurteilen unmissverständlich das Massaker an Palästinensern in Gaza Diese Anzeige wurde als offener Brief von 327 überlebenden Juden und ihren Nachkommen (vorwiegend aus Europa und USA) unterschrieben Als überlebende Juden und Nachkommen von Überlebenden und Opfern des Nazi-Völkermordes verurteilen wir unmissverständlich das Massaker an Palästinensern in Gaza und die andauernde Besatzung und Kolonisierung des historischen Palästina. Darüber hinaus verurteilen wir die Vereinigten Staaten für die finanzielle Unterstützung der israelischen Aggression, allgemeiner die Staaten des Westens, die ihre diplomatische Macht einsetzen, um Israel vor Verurteilung zu schützen. Völkermord beginnt mit dem Schweigen der Welt. Wir sind alarmiert durch die extreme rassistische Entmenschlichung der Palästinenser in der israelischen Gesellschaft, die einen erschreckenden Höhepunkt erreicht hat. In Israel haben Politiker und angesehene Experten in der Times of Israel und der Jerusalem Post offen zum Völkermord an den Palästinensern aufgerufen, und rechtsgerichtete Israels bedienen sich der Symbole von Neo-Nazis. Darüber hinaus sind wir angewidert und empört, wie Elie Wiesel in dieser Zeitung unsere Geschichte missbraucht zur Rechtfertigung dessen, was nicht zu rechtfertigen ist: Israels umfassender Versuch, Gaza zu zerstören und der Mord an mehr als 2000 Palästinensern, einschließlich Hunderter von Kindern. Nichts kann die Bombardierung von UN-Schutzräumen, Wohnhäusern, Krankenhäusern und Universitäten rechtfertigen. Nichts kann rechtfertigen, dass man den Menschen Strom und Wasser vorenthält. Wir müssen gemeinsam unsere Stimme erheben und gemeinsam all unsere Kräfte einsetzen, um allen Formen des Rassismus ein Ende zu bereiten, einschließlich des fortgesetzten Völkermords am palästinensischen Volk. Wir rufen auf zu einer sofortigen Beendigung der Belagerung und der Blockade des Gazastreifens. Wir rufen auf zu einem vollständigen wirtschaftlichen, kulturellen und akademischen Boykott Israels. „Nie wieder“ kann nur bedeuten: NIE WIEDER, AN KEINEM ORT DER WELT! Übersetzung: Jürgen Jung und Eckhard Lenner http://ijsn.net/gaza/survivors-and-descendants-letter/ http://www.spiegel.de/politik/ausland/israel-luftangriff-bringt-hohes-wohnhaus-zum-einsturz-a-987750.html SALAM SHALOM Arbeitskreis Palästina-Israel e.V. www.salamshalom-ev.de salamshalom.ak@gmail.com 53 Desmond Tutu Mein Appell an das Volk Israels: Befreit euch, indem ihr Palästina befreit 14.8.2014 Erzbischof Emeritus Desmond Tutu ruft in einem exklusiven Artikel für Haaretz zu einem globalen Boykott Israels auf und drängt Israelis und Palästinenser, jenseits ihrer Staatsführer nach einer nachhaltigen Lösung der Krise im Heiligen Land zu suchen. In den vergangenen Wochen erlebten wir beispiellose Handlungen durch Mitglieder der Zivilgesellschaft rund um den Globus gegen die Ungerechtigkeit von Israels unverhältnismäßig brutaler Reaktion auf die Raketenabschüsse aus Palästina. Zählt man alle Menschen zusammen, die sich am vergangenen Wochenende versammelt haben, um Gerechtigkeit in Israel und Palästina zu fordern – in Kapstadt, Washington D.C., New York, Neu-Delhi, London, Dublin und Sydney, und all den anderen Städten – so war dies sicherlich der größte öffentliche Aufschrei für ein einzelnes Anliegen in der Geschichte der Menschheit. Vor einem Vierteljahrhundert nahm ich an einigen gut besuchten Demonstrationen gegen die Apartheid teil. Ich hätte mir nie vorstellen können, wieder Demonstrationen dieser Größe zu sehen. Aber die Teilnehmerzahl am letzten Samstag in Kapstadt war genauso groß, wenn nicht größer als damals. Unter den Teilnehmern waren Junge und Alte, Muslime, Christen, Juden, Hindus, Buddhisten, Agnostiker, Atheisten, Schwarze, Weiße, Rote und Grüne vertreten ... wie man es von einer dynamischen, toleranten, multikulturellen Nation erwarten würde . Ich bat die Menge, mit mir zu skandieren: “Wir sind gegen die Ungerechtigkeit der illegalen Besetzung von Palästina. Wir sind gegen das willkürliche Morden im Gazastreifen. Wir sind gegen die Erniedrigung von Palästinensern an Kontrollpunkten und Straßensperren. Wir sind gegen die von allen Beteiligten begangenen Gewalttaten. Aber wir sind nicht gegen Juden.” Anfang der Woche forderte ich den Ausschluss Israels aus der Internationalen Architektenvereinigung, die in Südafrika tagte. Ich bat die israelischen Schwestern und Brüder, die auf dieser Konferenz anwesend waren, darum, sich persönlich und auch in ihren beruflichen Aktivitäten, aktiv von dem Entwurf und der Konstruktion der Infrastruktur zu distanzieren, durch die das Unrecht aufrechterhalten wird. Dazu zählen sowohl die Trennmauer, die Sicherheitsstationen und die Kontrollpunkte, als auch die Siedlungen, die auf besetzten Gebieten der Palästinenser errichtet wurden. “Ich bitte Sie, diese Botschaft mit auf den Weg zu nehmen: Bitte wenden Sie das Blatt gegen Gewalt und Hass, indem Sie sich der gewaltlosen Bewegung für Gerechtigkeit für alle Menschen in der Region anschließen” sagte ich. In den vergangenen Wochen sind mehr als 1,6 Millionen Menschen weltweit dieser Bewegung beigetreten, indem sie eine Avaaz-Kampagne unterzeichnet haben, die Firmen, die von der israelischen Besetzung profitieren und/oder an der Misshandlung und Unterdrückung 54 von Palästinensern beteiligt sind, auffordert, sich zurückzuziehen. Die Kampagne richtet sich insbesondere gegen den niederländischen Rentenfonds ABP, Barclays Bank, den Anbieter von Sicherheitssystemen G4S, das französische Transportunternehmen Veolia, den Computerhersteller Hewlett-Packard und den Bulldozerhersteller Caterpillar. Letzten Monat haben 17 EU-Regierungen ihre Bürger gedrängt, keine Geschäfte mit oder Investitionen in illegale israelische Siedlungen zu tätigen. Wir wurden kürzlich auch Zeugen des Abzugs zweistelliger Millionenbeträge aus israelischen Banken durch den niederländischen Rentenfonds PGGM, des Kapitalabzugs aus G4S durch die Bill and Melinda Gates Foundation und des Abzugs geschätzter 21 Millionen Dollar aus HP, Motorola Solutions und Caterpillar durch die presbyterianische Kirche der USA. Es ist eine Bewegung, die an Fahrt gewinnt. Gewalt erzeugt Gegengewalt und Hass, was wiederum mehr Gewalt und Hass erzeugt. Uns Südafrikanern sind Gewalt und Hass nicht fremd. Wir kennen den Schmerz, die Außenseiter der Welt zu sein; wenn es scheint, als verstünde niemand unsere Perspektive oder wäre auch nur willens, zuzuhören. Das sind unsere Wurzeln. Wir wissen auch um die Vorteile, die uns der Dialog zwischen unseren Staatsführern schließlich gebracht hat; als das Verbot angeblich “terroristischer” Organisationen aufgehoben und ihre Anführer, darunter Nelson Mandela, aus Haft, Verbannung und Exil entlassen wurden. Wir wissen, dass sich die Beweggründe für die Gewalt, die unsere Gesellschaft zerstört hatte, auflösten und verschwanden, als unsere politischen Führungskräfte miteinander zu sprechen begannen. Terrorakte, die nach Beginn der Gespräche begangen wurden – wie zum Beispiel Angriffe auf eine Kirche und eine Kneipe – wurden fast einhellig verurteilt und der Partei, die man dafür verantwortlich machte, wurde an der Wahlurne die kalte Schulter gezeigt. Das Hochgefühl, das unserer ersten gemeinsamen Wahl folgte, war nicht allein den schwarzen Südafrikanern vorbehalten. Der wahre Triumph unserer friedlichen Einigung war, dass sich alle einbezogen fühlten. Und später, als wir eine Verfassung vorstellten, die so tolerant, mitfühlend und integrativ ist, dass sie Gott stolz machen würde, fühlten wir uns alle befreit. Natürlich war es hilfreich, dass wir einen Kader herausragender Führungspersönlichkeiten hatten. Was diese Führungspersönlichkeiten jedoch letztlich zusammen an den Verhandlungstisch zwang, war die Mischung aus überzeugenden, gewaltfreien Mitteln, die damals eingesetzt worden waren, um Südafrika wirtschaftlich, akademisch, kulturell und psychologisch zu isolieren. Ab einem gewissen Zeitpunkt – dem Wendepunkt – realisierte die damalige Regierung, dass die Kosten für die Aufrechterhaltung der Apartheid den Nutzen eindeutig überstiegen. Der Rückzug verantwortungsbewusster multinationaler Konzerne aus dem Handel mit Südafrika in den 1980ern war schließlich einer der entscheidenden Hebel, der den 55 Apartheidstaat – ohne Blutvergießen – in die Knie zwang. Diese Unternehmen sahen ein, dass sie zur Aufrechterhaltung eines ungerechten Status Quo beitrugen, indem sie zur Wirtschaft Südafrikas beitrugen. Diejenigen, die weiter mit Israel Handel treiben, die zu einem Gefühl der “Normalität” in der israelischen Gesellschaft beitragen, tun den Menschen in Israel und Palästina damit keinen Gefallen. Sie tragen damit nur zum Fortbestehen eines zutiefst ungerechten Status quo bei. Diejenigen aber, die dazu beitragen, Israel für eine gewisse Zeit zu isolieren, sagen damit, dass Israelis und Palästinenser ein gleichwertiges Recht auf Würde und Frieden haben. Letztlich werden die Ereignisse der vergangenen Monate im Gazastreifen testen, wer an den Wert der Menschen glaubt. Es wird immer deutlicher, dass Politiker und Diplomaten einfach keine Anworten finden und dass die Verantwortung, eine nachhaltige Lösung für die Krise im Heiligen Land zu erarbeiten, bei der Zivilgesellschaft und den Bewohnern Israels und Palästinas selber liegt. Abgesehen von der jüngsten Verwüstung im Gazastreifen sind anständige Menschen überall – darunter auch viele in Israel – zutiefst verstört von der Tatsache, dass täglich die Menschenwürde und die Bewegungsfreiheit der Palästinenser an Kontrollpunkten und Straßensperren verletzt wird. Und die Tatsache, dass Israel die illegale Besetzung und die Errichtung von Pufferzonen-Siedlungen auf besetztem Land vorantreibt, verschärft die Problematik, eine zukünftige Einigung zu erarbeiten, die für alle akzeptabel ist. Der Staat Israel verhält sich, als gäbe es kein Morgen. Seine Bewohner werden nicht das friedliche und sichere Leben haben, nach dem sie sich sehnen – und auf das sie Anrecht haben – so lange seine Führung Bedingungen aufrechterhält, die den Konflikt am Leben erhalten. Ich habe diejenigen verurteilt, die in Palästina für das Abfeuern von Geschossen und Raketen auf Israel verantwortlich waren. Sie schüren die Flammen des Hasses. Ich bin gegen alle Manifestationen der Gewalt. Aber wir müssen uns absolut darüber im Klaren sein, dass die Palästinenser jedes Recht haben, für ihre Würde und Freiheit zu kämpfen. Es ist ein Kampf, der von vielen Menschen auf der Welt unterstützt wird. Kein von Menschen geschaffenes Problem ist unlösbar, wenn die Menschen sich mit der ernsthaften Absicht zusammensetzen, es zu überwinden. Frieden ist immer möglich, wenn die Menschen entschlossen sind, ihn zu erreichen. Frieden erfordert von den Menschen in Israel und Palästina, sich selbst und den anderen als menschliche Wesen anzuerkennen, um ihre wechselseitige Abhängigkeit zu verstehen. Raketen, Bomben und ungehobelte Schmähungen sind nicht Teil der Lösung. Es gibt keine militärische Lösung. Die Lösung könnte wohl eher in dem gewaltlosen Instrumentarium liegen, das wir in den 1980ern in Südafrika entwickelt haben, um die Regierung von der Notwendigkeit zu überzeugen, ihre Politik zu ändern. 56 Der Grund dafür, dass dieses Instrumentarium – Boykott, Sanktionen und Kapitalabzug – sich letztendlich als effektiv erwiesen hat, war, dass es eine kritische Masse an Unterstützung erhielt, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes. Die Art von Unterstützung, die wir in den vergangenen Wochen auf der ganzen Welt in Bezug auf Palästina beobachtet haben. Mein Appell an die Menschen in Israel ist es, über den Augenblick hinauszuschauen, über die Wut der andauernden Belagerung hinauszuschauen, und vielmehr eine Welt zu sehen, in der Israel und Palästina koexistieren können – eine Welt, in der gegenseitige Würde und Respekt herrschen. Es erfordert ein Umdenken. Ein Umdenken mit der Erkenntnis, dass jeder Versuch, den gegenwärtigen Status quo aufrechtzuerhalten, künftige Generationen zu Gewalt und Angst verdammt. Ein Umdenken, das damit bricht, legitime Kritik an der Politik eines Staates als Angriff auf das Judentum zu verstehen. Ein Umdenken, das zu Hause beginnt und sich über Gemeinschaften und Länder und Regionen ausbreitet – bis hin zur Diaspora, die über die Welt, die wir teilen, verstreut ist. Die einzige Welt, die wir teilen. Menschen, die sich im Streben nach einem gerechten Anliegen zusammentun, sind nicht aufzuhalten. Gott mischt sich nicht in die Belange der Menschen ein. Er hofft, dass wir wachsen und lernen, indem wir unsere Schwierigkeiten und Differenzen selber lösen. Aber Gott schläft nicht. Die jüdischen Schriften sagen uns, dass Gott vorzüglich auf der Seite der Schwachen und der Vertriebenen steht, der Witwe, des Waisen und des Fremden, der Sklaven freiließ, damit sie auszogen in ein gelobtes Land. Es war der Prophet Amos, der sagte wir sollen Gerechtigkeit wie einen Strom fließen lassen. Am Ende setzt sich das Gute durch. Das Streben danach, die Menschen in Palästina von der Demütigung und Verfolgung durch die Politik Israels zu befreien, ist ein gerechtes Anliegen. Die Menschen in Israel sollten dieses Anliegen unterstützen. Von Nelson Mandela stammt der berühmte Ausspruch, die Südafrikaner würden sich nicht frei fühlen, bis auch die Palästinenser frei sind. Er hätte ebenfalls hinzufügen können, dass die Befreiung Palästinas auch Israel befreien wird. Ursprünglich auf http://www.haaretz.com/opinion/1.610687 erschienen. Übersetzung erfolgte durch die Avaaz-Gemeinschaft. SALAM SHALOM Arbeitskreis Palästina-Israel e.V. www.salamshalom-ev.de salamshalom.ak@gmail.com 57