musik für - Hochschule für Musik Freiburg
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JAHRBUCH 2009/10 Hochschule FÜR MUSIK Freiburg JAHRBUCH 2009/10 JAHRBUCH 2009/10 INHALT Editorial … 0 0 7 NACHRICHTEN … 0 0 8 Neue Professoren … 0 0 9 Der Aktionstag Musikalische Bildung in Freiburg … 0 1 3 Lucia Schell welcome what happens next. … 0 2 7 Prof. Cornelius Schwehr Bericht aus dem Institut für Musikermedizin … 0 2 8 Prof. Dr. Claudia Spahn und Prof. Dr. Bernhard Richter Freiburger Akademie zur Begabtenförderung (FAB) … 0 3 1 Prof. Christoph Sischka Violinisten aus aller Welt … 0 3 6 Hans-Joachim Schmolski Warschau – Freiburg … 0 4 2 Prof. Sylvie Altenburger CooCooPhasing … 0 4 3 Alexander Grebtschenko La fedeltà premiata … 0 4 8 Auftritt: Teddy … 0 5 0 Prof. Janina Klassen Rara-Bestand in der Bibliothek … 0 5 4 Ursula Wild Neue Präsentationstechnik im Seminarraum 101 … 0 5 5 Hanspeter Brutschin Jahresrückblick des AStA … 0 5 7 Josef Huber Harald Rösch ist gestorben … 0 5 9 Manfred Klimanski Glückwünsche … 0 6 1 Carl Seemann 1910–1983 … 0 7 0 Prof. Michael Leuschner Verabschiedung in den Ruhestand … 0 7 2 Kurz gemeldet … 0 7 3 Neu engagiert … 0 7 9 TEXTE … 0 8 2 Beobachtungen zur Motette der Ars Antiqua … 0 8 3 Markus Bohlen Das »Elegische« an Ferruccio Busonis Berceuse élégiaque … 0 9 5 Klara Baumann Arnold Schönberg und der Harmonie fremde Töne … 1 0 7 Jürgen Stolle Trio für Klarinette, Cello und Vibraphon … 1 1 7 Fredrik Wallberg Schimpfarena … 1 2 8 Hannah Schwegler Neue Musik vermitteln … 1 3 3 Prof. Dr. Andreas Doerne und Prof. Dr. Hans Schneider Untersuchung der Spielbewegung bei Geigern … 1 4 8 Céline Wasmer JAHRESBERICHT 2008/2009 … 1 5 2 Finanzielles … 1 5 3 Personelles … 1 5 4 Was die Verwaltung so treibt … 1 5 5 Und zum Schluss ein Gutsle … 1 5 6 Manfred Klimanski Reflexion der Lehre … 1 5 9 Alte und neue Partnerschaften … 1 6 0 Aktionstag Musikalische Bildung … 1 6 1 Dr. Rüdiger Nolte Studien- und Prüfungsordnungen … 1 6 3 Prof. Helmut Lörscher Bericht des International Office … 1 6 6 Prof. Scott Sandmeier Studienbewerber- und Studentenstatistik … 1 6 9 Personalveränderungen in der Lehre … 1 7 2 Die Hochschule als Musikveranstalter … 1 7 4 Impressum … 1 7 6 Liebe Leserinnen und Leser, Musik ist eine schöne Kunst. Doch bevor sie dazu wird, bedarf es harter Arbeit. Und wenn sie es ist, zeigt sich diese Kunst auch als Kunst der Wettbewerbe und der Konkurrenz. Wir wollen in Freiburg unseren Musikstudierenden möglichst viele Freiräume für ihre künstlerische Entwicklung lassen. Wir wollen sie aber auch auf die Realitäten ihres zukünftigen Berufslebens vorbereiten. So macht es aus vielerlei Gründen Sinn, dass wir uns in Freiburg mit Wettbewerben der internationalen Konkurrenz stellen, 2009 mit dem »Internationalen Klarinettenwettbewerb« und im vergangenen August 2010 mit dem »Internationalen Violinwettbewerb Freiburg«. Diesem eindeutigen Prinzip eindeutiger Konkurrenz stellen wir aber weiterhin unseren Anspruch auf künstlerische Nachdenklichkeit zur Seite und zwar für Orchestermusiker, Schulmusiker, Solisten, Musikpädagogen, Sänger oder Kirchenmusiker gleichermaßen. Wieder berichten wir in unserem Jahrbuch nicht nur von Geschehnissen der vergangenen 12 Monate, sondern zeigen mit »nachdenklichen« Beiträgen von Studierenden, wie weit gefächert sich musikbezogene Reflexionen präsentieren können – als Vielfalt der an unserer Musikhochschule gewünschten umfassenden Qualifizierung. Mit besten Grüßen Dr. Rüdiger Nolte Rektor 006 | 007 NACHRICHTEN Neue Professoren Neil Beardmore Opernkorrepetition Nachfolge Prof. Ulrich Furrer zum 1.10.10 Der Brite Neil Beardmore studierte Musikwissenschaften an der Universität von Durham und danach Klavierbegleitung an der Guildhall School of Music and Drama in London, unter anderen bei Graham Johnson und Geoffrey Parsons. 1991 zog Neil Beardmore nach Frankreich, wo er immer noch lebt. Als Begleiter wirkte er in Konzerten und Liederabenden im Théâtre du Châtelet oder Wigmore Hall mit, als Repetitor an der Opéra Comique, bei Festivals wie Glyndebourne oder Aldeburgh und in Theatern. Er spezialisierte sich im Fach Orchesterleitung und nahm auf Einladung von Louis Langrée eine Stelle als Assistent des GMD an der Nationaloper in Lyon an. Hier arbeitete er bis 2001 und dirigierte Das schlaue Füchslein von Janacek, The Rape of Lucretia von Britten und Der bekehrte Trunkenbold von Gluck. Zwischen 2002 und 2007 arbeitete Neil Beardmore an der Opéra national du Rhin als musikalischer Leiter des Opernstudios, wo er mehre Opernprojekte dirigierte. Im Juni 2007 feierte er seine Premiere als Dirigent an der Nationaloper von Paris, wo er The Rape of Lucretia leitete. Im selben Jahr nahm er auf Einladung von Gerd Heinz eine Stelle an der Hochschule für Musik in Freiburg an, wo er Musikalischer Leiter diverser Opernschul-Projekte war: Patience von Gilbert und Sullivan und Pelléas/Mélisande/Golaud-Projekt V.1–I.1. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Eric Le Sage Klavier Nachfolge Prof. Vitali Berzon zum 1.10.10 Der französische Pianist, geboren 1964, ist einer der führenden Vertreter der französischen Klavierschule, bekannt durch seine Interpretation der großen Romantiker und der französischen Musik. Seit 2006 (und bis 2010) setzt sich le Sage intensiv mit dem Gesamtwerk von Schumanns Klavierkompositionen auseinander. Er ist, zusammen mit dem Klarinettisten Paul Meyer und dem Flötisten Emmanuel Pahud, Gründer und Künstlerischer Leiter des internationalen Kammermusik-festivals »Salon-de-Provence‚ Musique à l’Empéri«. Als Solist und Kammermusiker tritt er in den Konzerthäusern Europas, Südamerikas, der USA und Japans auf. Als Solist musiziert er mit den Dresdner Philharmonikern, dem Orchestre National du Capitole de Toulouse, dem Niederländischen Radio Sinfonieorchester, dem Kölner Kammerorchester, dem Orchestre Philharmonique de Radio France und dem Orchestre National d’Ile de France. Eric Le Sage ist Preisträger beim Internationalen Klavierwettbewerb in Porto 1985, Robert Schumann Wettbewerb in Zwickau 1989, Internationalen Klavierwettbewerb in Leeds 1989. Daraufhin lud ihn Sir Simon Rattle zu einem Konzertprojekt ein. Eric Le Sages CD-Einspielungen erhielten Ausgezeichnungen wie »Diapason d’Or«, »Choc du Monde de la Musique«, »Grand Prix du Disque«, »Victoire de la Musique« und wurden von Fono Forum und Gramophone zur Aufnahme des Monats gewählt. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ 008 | 009 Die 1978 in Straubing geborene Violinistin hat in Basel Geige studiert – bei Adelina Oprean, Raphael Oleg und Chiara Banchini. Zusätzliche Anregungen erhielt sie bei Lukas Hagen in Salzburg. Sie war Primgeigerin des Logos Streichquartetts von 2000 bis 2004 und arbeitet als Leiterin und Solistin des Kammerorchesters Basel, dessen Konzertmeisterin sie seit 2004 ist, regelmäßig mit Sol Gabetta, Pieter Wispelwey, Mariana Mijanovic, Andreas Scholl, Angela Hewitt und Cecilia Bartoli zusammen. Seit 2008 ist sie Gast-Konzertmeisterin des Barcelona Symphony Orchestra. Als Solistin konzertierte sie in renommierten europäischen Konzertsälen, darunter Musikverein Wien, Philharmonie Berlin, Concertgebouw Amsterdam und Barbican Center London. Sie wurde begleitet vom Sinfonieorchester Basel, der Camerata Stuttgart, dem Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks Frankfurt und den Nürnberger Sinfonikern. Bei den Festivals in Davos, Gstaad, Luxemburg, Middlebourg, Barcelona, Amsterdam, Dublin, Stuttgart und Köln trat sie als Kammermusikerin auf. Zu ihren musikalischen Partnern zählen u.a. das Trio Parnassus, Christian Zacharias, Gidon Kremer, Raphael Rosenfeld und Gérard Wyss. Sie war Stipendiatin der FriedelWald-Stiftung. Für ihre CD-Produktion erhielt sie 2008 den Echo Klassik Preis. Julia Schröder Violine Nachfolge Prof. Latica Honda-Rosenberg zum 1.10.10 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ 010 | 011 Der Aktionstag Musikalische Bildung in Freiburg Am 19. November 2009 fanden im Rahmen des Aktionstages Musikalische Bildung an 24 deutschen Musikhochschulen Kooperationsprojekte zur Vermittlung von Musik statt. In Freiburg war dies eine musiktheatralische Produktion mit dem Titel Viel Lärm um Nichts, die in Zusammenarbeit von Musikhochschule und Berthold-Gymnasium Freiburg entwickelt und durch Kooperation mit dem Stadttheater Freiburg dort im Kleinen Haus zur Aufführung kam. Der Aktionstag war eine Initiative der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen (RKM). Ihre Mitglieder sind 24 selbstständige staatliche Musikhochschulen Deutschlands, die sich zu einem Verband zusammengeschlossen haben, um ein hohes Niveau in der Ausbildung von MusikerInnen auf künstlerischer und pädagogischer Ebene sicherzustellen. Der Verband existiert seit 1950, was 2009 der Anstoß für ein Aktionsjahr zum sechzigjährigen Jubiläum und in diesem Rahmen für den Aktionstag im November war. Die deutschen Musikhochschulen wollten damit zeigen, dass sie nicht nur Eliten- und Spitzenförderung betreiben, sondern auch an musikalischer Breitenbildung maßgeblich beteiligt sind. Das Leitbild der deutschen Musikhochschulen, welches am 18. und 19. Januar 2009 bei einer Mitgliederversammlung in Berlin beschlossen wurde, umfasst Selbstverständnis, Ziele und Aufgaben der RKM, sowie Sicherung von Qualitätsstandards durch die RKM. Sie versteht sich als Kompetenzcluster, das bestimmte Standards in der Aus- und Weiterbildung von KünstlerInnen garantiert, sich zu bildungs- und kulturpolitischen Themen äußert und sich somit in Netzwerke von Musikverbänden, Institutionen und politischen Interessenvertretern integriert. Das Leitbild fordert, dass die Mitgliedshochschulen in der künstlerisch-pädagogischen Ausbildung wie auch in der künstlerischmusikalischen Ausbildung ein hohes Niveau anstreben, dass also beide Bereiche als gleichwertig betrachtet werden. Der Verband der deutschen Musikhochschulen will damit einerseits garantieren, dass eine musikalisch-künstlerische Elite gefördert wird, die sich auf dem aktuellen Arbeitsmarkt der BerufsmusikerInnen behaupten kann und auch auf internationaler Ebene repräsentativ und erfolgreich ist. Auf der anderen Seite sollen die pädagogischen Fähigkeiten der Studierenden entwickelt und ausgebildet werden, damit hochwertige musikpädagogische Angebote entstehen, die möglichst vielen Kindern und Jugendlichen verschiedenster Altersgruppen und sozialer Hintergründe zugänglich sind. Die RKM sieht sich also verantwortlich für eine Sicherung der kulturellen Bildung unserer Gesellschaft und unterstützt die These, dass musikalische Projekte mit Kindern und Jugendlichen wie Viel Lärm um Nichts musikalische Breitenbildung fördern und somit zum Erhalt der deutschen Konzertkultur beitragen. Die Mitgliedshochschulen der RKM sehen sich auch für die wissenschaftliche Forschung im musikalischen Bereich verantwortlich. Hohe Qualitätsstandards in Forschung, Lehre und Kunst sollen schließlich die Grundlage dafür sein, dass kompetente MusikvermittlerInnen ausgebildet werden, die auch in Zukunft musikalische Veranstaltungen und Projekte für ein breites Publikum auf höchstem Niveau bieten können. 012 | 013 Der Aktionstag Musikalische Bildung wurde von der »Arbeitsgruppe Musikalische Bildung« der RKM initiiert und vorbereitet, die seit etwa drei Jahren existiert. Ein Mitglied dieses Ausschusses ist Dr. Rüdiger Nolte, seit 2006 Rektor der Musikhochschule Freiburg. Die primäre Zielgruppe des Vermittlungsprojektes Viel Lärm um Nichts war die Klasse 6b des Berthold-Gymnasiums. Die Aktion sollte den SchülerInnen die Möglichkeit bieten, schon in jungen Jahren mit klassischer Musik im Sinne von abendländischer Kunstmusik verschiedener Epochen von Renaissance bis Neuzeit vertraut zu werden. Die elf Jungen und 16 Mädchen der Klasse wurden in sechs Unterrichtsstunden an das musiktheatralische Projekt herangeführt, gefolgt von einer Phase szenischer Proben mit den anderen Beteiligten der Aufführung. Rainer Pachner, der Musiklehrer der Klasse, war stets bei den Unterrichtsstunden anwesend und unterstützte die Vorbereitung. Er stellte dafür jeweils eine der beiden wöchentlichen Musikstunden in der 6b zur Verfügung, welche die Projektleiterin Prof. Agnes Dorwarth mit ihrer studentischen Assistentin und Protokollantin Lucia Schell für eine Unterrichtseinheit mit dem Titel »Was ist und was kann Musik?« nutzen konnte. Schon Wilhelm Busch wusste: »Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden.« Die Einen empfinden sie als Lärm und Zumutung, den Anderen dient Musik als Lebenselixier. Welche Macht und Wirkung Töne haben und vor allem welche Empfindungen sie hervorrufen können, sollten die SchülerInnen durch die Teilnahme an Viel Lärm um Nichts, einer »frechen Geschichte randvoll mit Musik von Bach, Ravel, Stock, Playford, Dorwarth und anderen«, erfahren. Die ersten Unterrichtsstunden der Projektvorbereitung befassten sich mit den Fragen »Was ist Musik?« und »Was bewirkt sie bei uns persönlich?«. Anhand von Hörbeispielen aus verschiedenen Musikrichtungen wurden die Schüler zu ihrem persönlichen Musikgeschmack befragt. Die SchülerInnen erkannten dabei, dass musikalisches Empfinden sehr subjektiv ist. Außerdem besprach Frau Dorwarth mit den SchülerInnen, welche Affekte durch Musik zum Ausdruck kommen und inwiefern die Parameter Tempo, Rhythmus, Lautstärke, Tongeschlecht usw. den Affektgehalt von Musik verändern können. Sowohl verschiedene Vortragsbezeichnungen wie piano, fortissimo oder crescendo wurden in diesem Zusammenhang eingeführt als auch unterschiedliche Affekte von Musik, die durch Hören von Musikbeispielen gemeinsam erarbeitet worden waren. So erfuhren die SchülerInnen, dass Musik mit Freude, Mobilisierung und Ausgelassenheit, aber auch mit Einschüchterung, Verführung oder Beruhigung, mit Besänftigung, Trost, Trauer, Schmerz oder gar Wut verbunden sein kann. Genau diese Erfahrung war besonders wichtig für das Verständnis des Theaterstückes Viel Lärm um Nichts, da Macht und Wirkung von Musik zentrale Aspekte der Handlung waren. Auch die Frage »Wofür brauchen wir Musik?« stellte Frau Dorwarth der Klasse 6b, um mit ihnen die Rolle von Musik im Leben des Menschen und der Gesellschaft zu besprechen. Dass Musik als Entspannung und als Ausgleich zum Lernen oder zur Arbeit dienen kann, dass sie aber auch zum Tanz und zur Bewegung anregen und somit eine wichtige Rolle bei festlichen Anlässen, Feiern und Parties spielt, erwähnten die Kinder aus eigener Erfahrung. Auf Musik in ihrer Funktion als Mittelpunkt bei Konzerten, aber auch als Umrahmung oder Hintergrundmusik, die Stimmungen erzeugen soll, ging Frau Dorwarth ebenso ein wie auf den ritualhaften Charakter von Musik in der Kirche, sowie auf die repräsentative Funktion von Musik beim Militär. Dieser Überblick über Funktionen von Musik in der Gesellschaft bereitete das Einstudieren des Party-Songs für das Theaterstück vor, denn dieser sollte in der Schlussszene als Umrahmung eines Hochzeitsfestes dienen und somit Ausdruck von Freude und Anregung zum Tanz sein. Eine weitere Unterrichtsstunde befasste sich mit dem Thema »Rhythmus, das Rückgrat der Musik«. Anhand verschiedener Rhythmusmuster, die auf einem Arbeitsblatt notiert wurden, erläuterte Frau Dorwarth schwere und leichte Taktteile des 4/4 und des 3/4 Taktes, die in Form von »Bodypercussion«-Elementen anschließend praktisch umgesetzt und somit ganzheitlich-körperlich nachvollzogen werden konnten. Dies leitete direkt die Probe des »Bodypercussion«-Stückes Swing Kings von Murray Houliff ein, das die Klasse später gemeinsam mit drei älteren Schülern im Theater aufführte. In der nächsten Stunde sollte deutlich werden, dass Musik sowohl provokativ, als auch versöhnlich wirken kann. In diesem Kontext wurde die Anfangsszene des Theaterstücks erarbeitet, in der aus provokativen Störgeräuschen das für dieses Projekt von Frau Dorwarth komponierte Stück Flüsterimpro entstehen sollte. In der letzten Stunde der vorbereitenden Unterrichtseinheit stand das Thema »Musik als Weltsprache« im Mittelpunkt. Die Eigenschaft von Musik, auch ohne Worte Menschen erreichen und in ihrem Ausdrucksgehalt verstanden werden zu können, sollte den SchülerInnen den Sinn der musiktheatralischen Produktion näher bringen. Dass verschiedene Ausdrucksformen und Affekte durch Musik auf universellere Weise als durch gesprochene Sprache vermittelbar sind, war nämlich ein zentraler Aspekt in der Handlung von Viel Lärm um Nichts. Inhaltliche Bezüge zum gleichnamigen Stück von Shakespeare in der Form von Zitaten oder sonstigen Parallelen waren nicht beabsichtigt. Bei dem Titel handelte es sich lediglich um einen spontanen Einfall, der als griffige und treffende Bezeichnung unmittelbar auf positive Resonanz stieß. Die Intensivprobenphase vom 15.11.2009 bis zum 18.11.2009 fand im Musiksaal des Berthold-Gymnasiums statt und schloss mit einer öffentlichen Generalprobe im Theater. Mit viel Organisationstalent leitete Frau Dorwarth die heterogene Gruppe, bestehend aus der Klasse 6b, den Tänzerinnen, den Schlagzeugern, den Sängerinnen und anderen Mitwirkenden, die schauspielerisch wie musikalisch zum Einsatz kamen. Die Geschichte von Viel Lärm um Nichts beschreibt das Heranreifen eines Mädchens mit dem Namen Lucy, das sich vom Baby zur Braut entwickelt. Diese Entwicklung war in Szenen zu beobachten, die die verschiedenen Wirkungsweisen von Musik verdeutlichen sollten. Die Handlung wurde rein pantomimisch dargestellt, denn die Musik sollte bei der Theaterproduktion im Zentrum stehen. Wenige Minuten nach zehn Uhr begann das restlos ausverkaufte Konzert im Kleinen Haus des Theaters Freiburg mit einer Szene, in der Frau Dorwarth in der Rolle von Frau Schrullemeier auf der Bühne zwischen Umzugskisten umherwandert. 014 | 015 Zur selben Zeit betrat die Klasse 6b über den Zuschauereingang den Saal, flüsterte und kicherte provokativ und stieg geräuschvoll die Treppe zum Zuschauerraum empor. Das Publikum war sichtlich irritiert über die vermeintlichen »Zu spät-Kommer«, mit denen Frau Schrullemeier von der Bühne aus über vokalperkussive Laute in Kontakt trat, wodurch auf spielerische Art die Flüsterimpro entstand. Danach erschienen zwei Schlagzeuger in »HipHop«-Kleidung auf der Bühne und sollten, aufgefordert von Frau Schrullemeier, die Umzugskisten wegräumen. Stattdessen spielten sie das Stück Grove’n’Move, ein Duo für zwei Umzugskisten. Der Tanz und die laute, perkussive Musik wirkten als Störung und Provokation, worauf die drei von Schülerinnen gespielten Damen mit Wut reagierten. Diese äußerten sie im schimpfenden Wut-Terzett, einer weiteren Komposition von Frau Dorwarth. In der Folgeszene marschierte die Schülerin Elena Crijnen mit ihrer Posaune, die Klasse 6b im Schlepptau, von den Treppen hinab auf die Bühne und provozierte die Damen auf musikalische Weise weiter. Die Provokation steigerte sich, bis Elena mit der Klasse den Damen den Stinkefinger zeigte, woraufhin die Polizei erschien. Das militärisch klingende Trommel-Duo Single flam joke begleitete die Tanzformation der Polizistinnen und wirkte als Einschüchterung, weshalb die Klasse 6b aus Styroporstelen eine Mauer baute, um sich hinter dieser zu verstecken. Es begeisterte durch seine rhythmische Energie und zeigte so, dass Musik auch auf Alltagsgegenständen entstehen kann. Anschließend fanden die Schlagzeuger gemeinsam mit Frau Schrullemeier das Baby Lucy in einer Umzugskiste, woraufhin sie die Umzugskisten wegräumten und Frau Schrullemeier mit dem Baby alleine zurückließen. Frau Schrullemeier wiegte das Baby auf ihrem Schoß, während Studierende der Musikhochschule auf historischen Instrumenten das Stück The Duchess von John Playford spielten. Ganz im Gegensatz zum zeitgenössischen perkussiven Umzugskisten-Duo zeigte das barocke Werk durch den Wiegenliedcharakter einer ruhigen Melodie in Moll eine liebliche Seite von Musik, was eine melancholische Stimmung erzeugte. Die Folgeszene, in der Lucy gehen lernt und ein rosa Kleid angezogen bekommt, wurde vom Stück Articulator VIII begleitet, das die Schülerin Katinka Ludwig in einem schrillen Kostüm mit Lack und Leopardenmuster darbot. Ein Gongschlag änderte schlagartig die Stimmung: Die Klasse 6b kam hinter der Mauer hervor, setzte sich im Halbkreis auf die Bühne und die Polizistinnen stellten sich dahinter auf. Die Kinder bekamen von Lucy, Elena und Ka tinka große Gummiohren ausgehändigt und alle lauschten dem geheimnisvoll anmutenden Stück Ecco, das eine ruhige und besonnene Stimmung erzeugte. Das freche und mit Sprache experimentierende Werk sollte den Prozess des Aufwachsens als Zeit des Ausprobierens und des Spracherwerbs nachstellen. Anschließend lernte Lucy von Frau Schrullemeier das Blockflötenspiel durch das Stück Kopfnuss, eines der zahlreichen zu Unterrichtszwecken komponierten Werke von Agnes Dorwarth. Frau Schrullemeier und Lucy wurden dann durch die 14 Mädchen der Tanz-AG des Berthold-Gymnasiums mit einem HipHop-Tanz zum auf dem Schlagzeug gespielten Stück Crossfire von der Bühne vertrieben, was drei alte Damen von einem Balkon seitlich der Bühne beobachteten. 016 | 017 Ein weiterer Gongschlag leitete eine Traumsequenz ein: Die Klasse 6b und die Polizistinnen legten sich zum Schlafen nieder, während auf zwei Marimbas die versöhnlich und verspielt klingende Französische Suite von Johann Sebastian Bach zu hören war. Derweil stiegen die Damen in ihren Morgenmänteln vom Balkon ab und legten Rokokokostüme an. Als die drei Knaben aus der Zauberflöte sangen sie ein feierliches Terzett und weckten so auf sanfte Weise die Polizistinnen. Das Finale der Aufführung begann mit der vom Barockensemble der Musikhochschule gespielten Pavane von Tielmann Susato aus dem 16. Jahrhundert, die als Umrahmung der Hochzeitszeremonie diente. Dadurch wurde gezeigt, dass Musik als Ausdruck der Freude ein wichtiges Element festlicher Anlässe ist. Daraufhin wurde eine Melodie auf »dubiduda« und ähnliche Sprechsilben gesungen, wodurch eine verjazzte Version der Pavane entstand. Alle Beteiligten auf der Bühne sangen das Lied, während die Tanz-AG in der Bühnenmitte eine HipHop-Choreographie vorführte. Nun traten drei Studentinnen auf, um die verträumte Atmosphäre zu stören: Durch den frechen und aufreizenden Articulator IV, ein Stück für drei Block flöten von Agnes Dorwarth, kombiniert mit einer kurzen Choreographie von drei Schülerinnen in schrillen Kostümen, erwachte auch die Klasse und setzte sich auf. Die drei schrillen Mädchen verwandelten die Polizistinnen und die 6b durch Blumengirlanden in »Hippies«. Beim nächsten Gongschlag wurden die Marimbas in die Bühnenmitte gerückt, denn nun begann ein Konzert der Schlagzeuger, dessen Publikum die SchülerInnen in Blumengirlanden darstellten. Das Stück Alborado del gratioso von Maurice Ravel erzeugte eine festliche Stimmung, die durch die helle Bühnenbeleuchtung unterstützt wurde. Nun traten die Braut Lucy und Agnes Dorwarth als Vogel verkleidet auf die Bühne. Zu Ape’s Dance, gespielt vom Ensemble der Musikhochschule, tanzte der rote Vogel um die Braut herum, während die Marimbas zur Seite gerückt wurden. Anschließend holte der Vogel den Bräutigam aus dem Publikum und vereinte das Brautpaar. Die nächste Szene leitete das Hochzeitsfest ein: Begeistert stürmte die Klasse 6b als »Hippies« verkleidet nach vorne, wo sie auf die Schlagzeuger traf. Eine Discokugel wurde herabgelassen und begann sich zu drehen, während die drei Schlagzeuger mit Unterstützung durch die Klasse 6b das BodypercussionStück Swing Kings vortrugen. 018 | 019 Frau Dorwarth im Vogelkostüm und die Klasse 6b führten anschließend eine Polonaise an, in die sich nach und nach alle Mitwirkenden bis auf die InstrumentalistInnen einreihten und weiter die Melodie der »Jazz-Pavane« sangen. Zum Abschluss wurden die Blumengirlanden und der Brautstrauß in die Höhe geworfen. Der begeisterte Applaus des Publikums zeigte, dass die Aufführung ein voller Erfolg war. Dem Publikum wurden durch eine bunte und abwechslungsreiche Produktion verschiedenste Arten von Musik dargeboten, deren Affektgehalt durch visuelle Reize in Form von Bühnenbild und Beleuchtung, sowie schauspielerische und tänzerische Einlagen der DarstellerInnen, verdeutlicht wurde. Nicht nur das bunt gemischte Publikum, das sich unter anderem aus Schulklassen und LehrerInnen, StudentInnen, MusikerInnen, sowie MusikhochschuldozentInnen und Familienangehörigen der Mitwirkenden zusammensetzte, äußerte sich im Anschluss positiv über die Aufführung. Auch ein Artikel in der Badischen Zeitung lobte das Stück als unterhaltsames und besonders in musikalischer Hinsicht lohnenswertes Ereignis. Viel Lärm um Nichts war als Musikvermittlungsprojekt aber auch in vielerlei anderer Hinsicht ein Erfolg: Insbesondere die beteiligten SchülerInnen profitierten von dem Projekt, weil ihnen neben musikalischen Fähigkeiten und Grundkenntnissen soziale Kompetenzen vermittelt wurden. Darüber hinaus lernten sie nicht nur Wirkungsweisen und Affekte von Musik kennen, sondern erwarben auch Kompetenzen in den Bereichen Rhythmus, Tanz und Musik als Sprache und Kommunikationsmittel. Ebenso wurden ihre Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit, ihre schauspielerischen Fähigkeiten, sicheres Auftreten, bewusstes Zuhören und das Einordnen von Musikstilen geschult. Die Aufführung bot ihnen die Möglichkeit, auf der Bühne eines renommierten Theaters aufzutreten, was für sie eine Herausforderung war, deren Bewältigung sie mit großem Stolz erfüllte. Besonders die Situation, von einer Professorin der Musikhochschule unterrichtet zu werden und mit professionellen MusikerInnen auftreten zu dürfen, spornte die SchülerInnen an und bewegte sie zur ernsthaften Auseinandersetzung mit Klassischer und Neuer Musik. Neben der Herausforderung bedeutete das Kooperationsprojekt für die Klasse auch Spaß und Spielfreude, was ihre Einstellung zur Musik sicherlich positiv beeinflusst hat. Auch die am Projekt beteiligten StudentInnen, darunter angehende LehrerInnen, empfanden das Projekt als bereichernde Erfahrung. Frau Dorwarths Umgang mit der heterogenen Schülergruppe war in pädagogischer Hinsicht sehr lehrreich, ebenso wie das Kennenlernen der nötigen Organisations- und Leitungskompetenz. Sie konnten erleben, welch enormer Aufwand hinter einer großen Theateraufführung steckt und wie viele Details dabei zu klären sind. Der Rektor als Mitinitiator des Aktionstages erlebte das Projekt Viel Lärm um Nichts als besonders gelungene Aufführung, da das musikpädagogische Projekt, bei dem SchülerInnen verschiedener Gymnasien, aber auch StudentInnen der Musikhochschule mitwirkten, durch Musizieren auf höchstem Niveau überzeugen konnte. Vermittlungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen müsse sich eben nicht inhaltlich so reduzieren, dass ein Konzertprogramm allenfalls die Bezeichnung »Schulveranstaltung« tragen kann. Viel Lärm um Nichts, so Rüdiger Nolte, sei ein Beweis dafür, dass durch ernsthafte Vorbereitung und die Bereitschaft von SchülerInnen, sich auf ein Projekt einzulassen und sich dafür einzusetzen, ein gelungenes Konzert entstehen kann, das in der Darbietung eines abwechslungsreichen Programms auf hohem Niveau ein breites Publikum überzeugt. Der Aktionstag zur Unverzichtbarkeit musikalischer Bildung, der alle 24 Mitgliedshochschulen der RKM zu Kooperationsprojekten anregen sollte, war somit in Freiburg ein voller Erfolg. Dies ist maßgeblich der kompetenten künstlerischen und pädagogischen Leitung von Prof. Agnes Dorwarth zu verdanken, die für das Konzept und die Umsetzung des Projektes hauptverantwortlich war. Des Weiteren kann der Erfolg dem Einsatz aller beteiligten SchülerInnen und der Unterstützung verschiedener Lehrkräfte des Berthold-Gymnasiums Freiburg zugeschrieben werden. Auch fünf Studierende der Musikhochschule Freiburg halfen bei der Erarbeitung des Musiktheaterstückes und trugen durch musikalische Beiträge zur Vielfalt des Programms bei. Dies beweist, dass sich Engagement im Bereich Musikvermittlung lohnt und dass Kooperationsprojekte wie Viel Lärm um Nichts etwas bewegen können. Es bleibt zu hoffen, dass weitere Projekte und längerfristige Kooperationen in diesem Bereich folgen werden. Lucia Schell 020 | 021 Agnes Dorwarth Articulator IV für 3 Blockflöten Programm Agnes Dorwarth Frau Schrullemeier Lucia Schreiber Lucy, ihre Tochter Wolfgang Amadeus Mozart 1756–1791 Terzett der drei Knaben aus der Zauberflöte Studierende des Institutes für Historische Aufführungspraxis der Hochschule für Musik Freiburg Juliane Heutjer, Larissa Stelzer, Lucia Schell Blockflöte John McKean Cembalo Anonym 17. Jh Apes Dance für Bockflöte und Basso continuo Murray Houllif Swing Kings 2000 für 3 Bodypercussion-Spieler Schüler des Berthold-Gymnasium Freiburg Lorenz Behringer, Jascha von der Goltz, Gregor Wäschle Percussion Cosima Büsing, Carina Schmieger Gesang Klasse 6b des Berthold- Gymnasium Freiburg | Rainer Pachner Lehrer Jazztanz-AG des Berthold-Gymnasium Freiburg | Nina Weiland Leitung Maurice Ravel 1875–1937 Alborada del Gracioso für zwei Marimbas Tielmann Susato um 1510–1570 Pavane, Galliarde und HipHop-Fassung Schüler und Schülerinnen anderer Freiburger Gymnasien Katinka Ludwig Blockflöte (St. Ursula Gymnsaium) Elena Crijnen Posaune (Goethe-Gymnasium) Franziska Buttgereit Gesang (Kolleg St. Sebastian, Stegen) Constantijn Crijnen junger Mann (Theodor-Heuss-Gymnasium) Viel Lärm um Nichts Chris Stock Crossfire für 8 Toms Es war einmal eine etwas sonderbare, aber sehr einfallsreiche ältere Dame. Die hieß Frau Schrullemeier. Eines Tages kam sie auf recht ungewöhnliche Art und Weise zu einer kleinen Tochter namens Lucy. Die zog sie groß und brachte ihr die Flötentöne bei. Sie hatten viel Spaß miteinander. Doch blieb es im Leben der beiden nicht immer nur friedlich. Im Dorf gab es eine Jugendbande, die bevorzugt ältere Leute ärgerte, besonders drei alte Damen. Die fühlten sich durch den Lärm und die Angriffe der Jugend so gestört, dass sie die Polizei riefen. Das fand Frau Schrullemeier dann aber doch übertrieben und suchte nach anderen Mitteln, die Situation zu retten. Sie setzte die Kraft der Musik ein, um die Streithähne miteinander zu versöhnen. So verwandelten sich die alten schimpfenden Damen in drei singende Knaben aus der Rokokozeit, die Polizei und die lärmende Bande zu fröhlichen Blumenkindern der 70-er Jahre. Die inzwischen groß gewordene Lucy hielt Ausschau nach einem jungen Mann und auch hier half ihr die Musik, den Richtigen zu finden. Zum Schluss feierten alle zusammen ein großes Hochzeitsfest, natürlich mit viel Musik und Tanz. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie heute noch ... Musik aus vier Jahrhunderten: in ganz verschiedenen Besetzungen mit drei Sängerinnen, Percussionsinstrumenten, Posaune, Blockflöten, Cembalo und Violoncello. Mit einer breiten Palette von Instrumentalfarben und musikalischen Stilen erzählen wir unsere Geschichte ganz ohne Worte. Urs Ottmann Single flam joke (1993) für zwei kleine Trommeln Prof. Agnes Dorwarth Agnes Dorwarth Idee & Leitung Agnes Dorwarth Flüsterimpro (2009) für 4 Stimmen Markus M. Sonnegger Groove ‚n’ Move (1970) Duo für 2 Umzugskisten John Playford 17. Jh aus Dancing Master The Duchess für Blockflöte und Basso continuo Agnes Dorwarth Articulator VIII (2006) für Blockflöte Solo Agnes Dorwarth Kopfnuss für 2 Johann Sebastian Bach 1685–1750 aus der Französischen Suite VI, E-Dur, BWV 817 Allemande | Courante Agnes Dorwarth Wutterzett für 3 hohe Stimmen Giovanni Legrenzi 1626–1690 Ecco für drei Blockflöten und Basso continuo 022 | 023 Zur Musikvermittlung Im Zentrum einer guten Musikvermittlungsarbeit steht eine Arbeitsweise, die sich an der Kunst bzw. Musik orientiert. Dies bedeutet, dass der Prozess der Vermittlung als ein künstlerischer Akt betrachtet wird und dementsprechend zu gestalten ist. Es geht dabei eher um unkonventionelle Umgangsweisen mit Musik, um das Kreieren künstlerisch beeindruckender Momente, die Erweiterungen und Vertiefungen des Erlebnis- und Verstehenshorizonts ermöglichen. Ziel ist es, den Konzertbesuchern – in diesem Fall Schüler und Schülerinnen – die Möglichkeit zu eröffnen, ihre eigenen Hör-, Seh-, Sicht-, Interpretationsund Verstehensweisen bewusst wahrzunehmen und in einem nächsten Schritt zu erweitern. Es ist dabei Aufgabe des Vermittlers bzw. aller an der Vermittlung Beteiligten, Kommunikations- und Lernprozesse zu initiieren, welche Erlebnisse ermöglichen und ein Interesse für musikalische Zusammenhänge wecken. Der spezifische Vermittlungsgegenstand »Musik« impliziert dabei eine spezifische Art der Weitergabe von Emotionen, Vorstellungshilfen, Kenntnissen, Fertigkeiten und musikalischem Wissen, welche vornehmlich auf der Erfahrungsebene über verschiedene Sinneskanäle (hörend, sehend, bewegend, spürend) stattfindet und nicht allein über Erklärungen und Erläuterungen (aber auch!) erfolgt. Nach Barbara Stiller (Erlebnisraum Konzert. Prozesse der Musikvermittlung in Konzerten für Kinder. Regensburg 2008) steht an erster Stelle immer die unmittelbare Berührung des Publikums durch die Musik selbst. Die Musik und das Hörerlebnis dürfen letztlich nicht überdeckt und zugedeckt werden mit zu vielen außermusikalischen Aktivitäten. Letztere dienen nur dazu, eine Verbindung zur dargebotenen Musik herzustellen, Verknüpfungen zum Vorstellungsvermögen der Hörer zu initiieren, ein aktives Beteiligt-Sein am Musikalisierungsprozess anzuregen und vor allem zur Förderung eines tieferen Verständnisses für die Musik beizutragen. Der Einsatz verbaler und nonverbaler Dialoge, szenischer Aktionen, von Stimme und Sprache, von Bewegungsaktionen für die sensorische und psychomotorische Sensibilisierung, auch von visuellen Medien für die Sichtbarmachung gehörter Elemente oder diverser Hintergrundinformationen zeichnen sich im positiven Sinne dadurch aus, dass sie das Lauschen, das Horchen, das Erkennen, das Begreifen und Benennen von Musik ermöglichen bzw. verstärken. Prof. Dr. Hans Schneider Bereits eine kleine Tradition: die herbstlichen Aktivitäten der Hochschule im und um das Münster 025 | 025 026 | 027 Das Klavier unter dem Monitor im F oyer ist das Ergebnis eines Konzerts des ensemble recherche vom 13.12.2005 in den Räumen der Sammlung Morath. Im Laufe dieses Konzertes waren einige Stücke zu erfahren die der Fluxus-Bewegung der frühen 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts entstammen. Fluxus allerdings ist keine abgeschlossene historische Angelegenheit, insofern die Auseinandersetzung mit der Dichotomie von Kunst und Leben keine abgeschlossene historische Angelegenheit sein kann, noch nicht einmal an einer Musikhochschule. Nam June Paik, einer der renommierten Vertreter des Fluxus hat an unserer Hochschule bei Wolfgang Fortner studiert; von ihm, von Georges Maciunas, dessen Piano Piece #2 wir unser Foyerklavier verdanken und von einigen ihrer Mitstreiter stammen im folgenden die durchaus grundlegenden und grundsätzlichen Anmerkungen zu Kunst und Leben. FluxusKunstVergnügen darf keinen Waren- oder institutionellen Wert haben. I welcome what happens next. Im Reich Song lebte ein Bauer. Eines Tages, als er das Feld pflügte, lief ein Kaninchen vorbei, prallte an einen Baumstumpf und starb, weil es sich das Genick gebrochen hatte. Der Bauer hörte mit dem Pflügen auf und blieb den ganzen Tag bei dem Baumstumpf stehen, weil er dachte, dasselbe würde nocheinmal geschehen. Wegen solcher Dummheit wurde er zum Gegenstand des Spotts im ganzen Lande. »Fluxus never comes twice.« Fluxus war und ist eine Geisteshal tu ng: Das erklärt die unterschiedlichen, sehr individuellen künstlerischen Ausdrucksformen und die nahtlosen Übergänge vom Musikalischen ins Bildnerische. Wir haben Objekte und Ereignisse realisiert, die ursprünglich sind und auf eine eigenartige und neue Art sich außerhalb aller gewohnten Kategorien ansiedeln. Change your mind. 1964 begleitete ich Professor Nomura zu einem Zen-Musiker in Japan, der, bevor er ein bestimmtes Stück spielte, sagte: »Ich werde jetzt ein Flötenstück für euch spielen, es ist meine beste Komposition, deshalb habe ich es bis jetzt für niemanden gespielt.« (Selbstverständlich wird bei uns ein Stück um so mehr gespielt, je besser es zu sein scheint). Vielleicht sind wir uns im Gefühl einig, dass die Grenzen der Kunst viel weiter gezogen sind, als die Überlieferung es glauben machen will, oder dass die Kunst und ihre Grenzen auf die Dauer nicht sehr nützlich sind. Wenn Natur schöner als Kunst ist, ist sie es nicht wegen ihrer Intensität oder Komplexität, sondern wegen ihrer Vielfalt, ihrer überreichen Fülle, ihrer unendlichen Quantität. Purge the world of dead art, imitation; promote living art, anti-art. Ohne Übertreibung kann gesagt werden, dass Fluxus wie kaum eine andere Idee das Bewußtsein und die Ausdrucksformen von Bildenden Künstlern, Komponisten, F ilmemachern und Theaterl eu ten verändert hat, obwohl Fluxus selbst weitgehend unbekannt geblieben ist. I welcome what happens next. Ich lernte von meiner Schwester wie ein Klavier geöffnet wird, ich lernte von Addi Köpcke wie ein Klavier geschlossen wird. Fluxus is not a movement, a moment in history, an organisation; Fluxus is an idea, a kind of work, a tendency, a way of life, a changing set of people. Fluxus umschließt alle Gegensätze. Meine Events sind sehr privat, wie kleine Ereignisse, die ich meinen Freunden vermitteln will, die dann schon wissen, was sie damit anfangen können. Artists, anti-artists, non-artists, anartists, poets of non-poetry, non-dancers dancing, doers, undoers and non-doers, Fluxus encompasses opposites. Das Wichtigste an Fluxus ist, dass niemand weiß, was es ist. Ich sehe Fluxus wo ich auch hingehe. I welcome what happens next. Vom Publikum werden oft wichtige Merkmale verwechselt, – wenn eine Aktion sich thematisch mit den zerstörerischen Phänomenen unserer Epoche beschäftigt, heißt das noch lange nicht, dass die Aktionsform in sich destruktiv ist. »Fluxus never comes twice.« Die Malaise unserer Zeit ist die schwierige Balance im Verhältnis von Input und Output. Laut Statistik müssen wir jährlich 40000 Werbefilme über uns ergehen lassen, aber wir können uns nur leisten, die in 40 Spots angepriesenen Waren zu kaufen. So dachte ich daran, Dinge in Einklang mit bestimmten Kriterien Bericht aus dem Institut für Musikermedizin Mentorenausbildung 2009/2010 Stimmforum 2010 Prof. Dr. Johan Sundberg und Prof. Dr. Bernhard Richter Im vergangenen Jahr konnte das FIM seine bisherige erfolgreiche Arbeit in den Gebieten Lehre, Forschung und Patientenbetreuung weiter ausbauen. In der Lehre wurden sowohl die Pflicht- als auch Wahlangebote von den Studierenden der Musikhochschule und auch der Medizinischen Fakultät stark nachgefragt und positiv bewertet. In der Forschung konnten zahlreiche Beiträge in international renommierten Fachzeitschriften und Buchpublikationen veröffentlicht werden. Eine Übersicht dieser Arbeiten findet sich auf der homepage des FIM (www.mh-freiburg.de/fim). Zahlreiche Vorträge auf Einladung und Medien-Beiträge rundeten die Außenaktivitäten des FIM ab. Die Nachfrage von Musikern und Sängern, die sich im FIM medizinisch betreuen lassen wollen ist unvermindert hoch, die Betroffenen kamen aus dem ganzen Bundesgebiet und dem angrenzenden Ausland. Im September 2009 konnte die Evaluation der Arbeit des Freiburger Instituts für Musikermedizin (FIM) plangemäß abgeschlossen werden. Die Evaluation beinhaltete eine umfangreiche Bewertung der Bereiche Lehre, Forschung und Patientenversorgung während der vergangenen vier Jahre. Das Evaluationsgremium setzte sich aus sieben internationalen Gutachtern unter dem Vorsitz von Rektor Herrn Dr. Nolte zusammen. Zusammenfassend kamen alle Gutachter darin überein, dass die Etablierung des Instituts sehr gut gelungen ist, dass die Arbeit des Instituts national und international große Anerkennung findet und das FIM deshalb dauerhaft weitergeführt wird. Als weitere positive Bestätigung im Bereich Lehre wurde Frau Prof. Dr. C. Spahn, Herrn Prof. Dr. B. Richter und Dr. E. Volmer für das Mentorenprogramm Musikermedizin für Medizinstudierende durch die Medizinische Fakultät der Universität Freiburg der Lehrpreis für herausragende Lehre verliehen. Von September 2009 bis Mai 2010 konnte in Kooperation mit der Internationalen Musikschulakademie Schloss Kapfenburg und mit Unterstützung der Barmer-GEK erstmals die Mentorenausbildung für Musiklehrer durchgeführt werden. Die Teilnehmer werden hier in Grundlagen und Techniken von Bewegung ohne und mit Instrument, von Atemführung sowie im pädagogischen und präventiven Umgang mit Lampenfieber und Auftrittsvorbereitung fortgebildet. Im Rahmen des Projektes »Gesunde Musikschule« erhalten Musikschulen, deren Lehrkräfte eine Mentorenausbildung in Fragen Musikergesundheit absolvieren und die sich in der Elternberatung und Öffentlichkeitsarbeit aktiv zu gesundheitsrelevanten Themen des Musikunterrichts engagieren, eine Zertifizierung als »Gesunde Musikschule«. Im Juli 2010 erhielten die ersten acht Musikschulen dieses Zertifikat. Im Frühjahr fand turnusgemäß das vierte Freiburger Stimmforum zum Thema »Lyrische und dramatische Stimmen auf der Opernbühne« statt. Es war – wie schon die vorangehenden Veranstaltungen – von Gesangspädagogen, Studierenden, Stimmärzten und -therapeuten gut besucht. Die Teilnehmer konnten sich in Vorträgen und Workshops mit dem Thema beschäftigen und konnten anhand eines gemeinsamen Opernbesuchs der Oper Tosca im Theater Freiburg im anschließenden Künstlergespräch Fragen an die Protagonisten des Abends stellen. Ebenso zeigte das Publikum in einer Podiumsdiskussion Podiumsdiskussion Stimmforum 2010 mit Alexander Dick, Silvia Hablowetz und Sabine Hogrefe reges Interesse. Im Bereich der Nachwuchsförderung konnten insgesamt sieben medizinische Doktorarbeiten in den vergangenen vier Jahren am FIM betreut und abgeschlossen werden. Die wissenschaftliche Arbeit von Frau Céline Wasmer wird auf S. 148 vorgestellt. Herr Priv. Doz. Dr. Mathias Echternach habilitierte sich im Sommersemester 2010 mit seinen wissenschaftlichen Beiträgen zum Thema Registerübergänge bei Sängern und ist damit der erste ärztliche Mitarbeiter des FIM, der die venia legendi der Universität Freiburg erhielt. Als weiteres bemerkenswertes Ereignis ist zu vermelden, dass der international anerkannte Stimmphysiologe Prof. Dr. Johan Sundberg, Stockholm, seit Frühjahr 2010 als »Visiting Professor« an das FIM assoziiert ist und unsere Forschungs- und Weiterbildungsaktivitäten unterstützt. 028 | 029 Prof. Dr. Claudia Spahn, Prof. Dr. Bernhard Richter Freiburger Akademie zur Begabtenförderung (FAB) Senatsbeschluss zur Verzahnung der Grundlagenfächer mit dem regulären Studienangebot Das im vergangenen Jahr mit den beteiligten Theorie- und Gehörbildungsdozenten erarbeitete dreistufige Leistungssystem wurde in der Senatssitzung am 19. Mai 2010 einstimmig beschlossen. Es legt in Stufe 1 die Grundlagen, ermöglicht in Stufe 2 ein Vorholen der Aufnahmeprüfung in Theorie und Gehörbildung für die Bachelorstudiengänge und bei Bestehen können in Stufe 3 Studienleistungen der Musikhochschule Freiburg vorgeholt werden (Module Musiktheorie 1 und 2; Gehörbildung 1, schriftlich und mündlich). Durch diese Verzahnung wird einerseits die Bedeutung der Grundlagenfächer verdeutlicht, andererseits eine wesentliche Erleichterung und Flexibilisierung für das eigentliche Studium erreicht. Die Kultusministerkonferenz hatte dies schon in einem Beschluss vom September 2008 unter der Bezeichnung »Anrechnung von außerhalb des Hochschulwesens erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten auf ein Hochschulstudium« gefordert. Des Weiteren kann Klavier als Nebenfach vorgeholt werden sowie die ersten beiden Semester im Hauptfachmodul bei einer entsprechend hohen Punktzahl in der alle zwei Jahre stattfindenden Zwischenprüfung. Die Stuttgarter Zeitung berichtete über die Anerkennung von Studienleistungen in der FAB ausführlich in einem Artikel am 11. Juli 2010. Forschung über Begabtenförderung In einer Masterarbeit aus der Schweiz, die sich mit den Möglichkeiten einer integrativen Begabungs- und Begabtenförderung auseinandersetzt, wird das Konzept der Freiburger Akademie zur Begabtenförderung durch die Einbeziehung improvisatorischer Lerntechniken in den Grundlagenfächern als beispielhaft, gerade im Vergleich mit anderen Frühförderungskonzepten, herausgestellt (Ya-Wan Chen: »Begabtenförderung – eine Mozartfabrik?«, 5. November 2009, Masterarbeit am Institut Weiterbildung und Beratung der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz). Viele Fragestellungen harren noch der wissenschaftlichen Erforschung. Zahlreiche Wettbewerbserfolge beim Bundeswettbewerb Jugend musiziert 030 | 031 Beim Bundeswettbewerb Jugend musiziert, der dieses Jahr vom 21. bis 29. Mai in Lübeck stattfand, schnitten die VorstudentInnen der FAB mit drei 1. und acht 2. Preisen in acht Wertungskategorien hervorragend ab, sie erreichten hierbei jeweils 22 bis 25 Punkte, was in Anbetracht der strengen Bewertungsrichtlinien um so höher zu einzuschätzen ist. Rund 2400 Jugendliche nahmen in Lübeck an dem europaweit größten Jugendmusikwettbewerb teil. Erste Preise erhielten: Manuela Felicitas Frey, Violine (Klasse Prof. Gottfried von der Goltz): Altersgruppe V, 25 Punkte; Milena Wilke, Violine (Klasse Prof. Rainer Kussmaul): Altersgruppe III, 24 Punkte; Heike Schäfer, Kontrabass (Klasse Prof. Božo Paradžik): Altersgruppe V, 24 Punkte Annette Fabriz, Orgelklasse Prof. Martin Schmeding, wurde beim 1. Heidelberger Orgelwettbewerb für junge Organistinnen und Organisten, 23. bis 25. Oktober 2009 in der Altersgruppe unter 21 Jahre mit dem mit 700 € dotierten 1. Preis ausgezeichnet. Zweite Preise erhielten: Caroline Frey, Violine (Klasse Prof. Muriel Cantoreggi): Altersgruppe IV, 23 Punkte; Shih-Yu Tang, Viola (Klasse Prof. Sylvie Altenburger): Altersgruppe IV, 22 Punkte; in der Wertung Klavier-Kammermusik (Vorbereitung: Prof. Sylvie Altenburger): Shih-Yu Tang, Klavier (Prof. Pi-hsien Chen), Manuela Felicitas Frey, Violine (Prof. Gottfried von der Goltz), Caroline Frey, Violine (Klasse Prof. Muriel Cantoreggi), mit externen Mitspielerinnen: Altersgruppe IV, 23 Punkte (2. Preis); in der Wertung »Duo: Klavier und ein Blechblasinstrument«: Tobias Bockstahler, Trompete (Prof. Anthony Plog) und Daniel Reith, Klavier (Prof. Christoph Sischka): Altersgruppe VI, 23 Punkte (2. Preis) sowie in der Wertung Ensemble »Alte Musik« (Vorbereitung: Prof. Agnes Dorwarth): Daniel Reith, Cembalo (Prof. Christoph Sischka, Cembalounterricht: Michael Behringer) mit externen Blockflötistinnen: Altersgruppe IV, 22 Punkte (2. Preis) Annette Fabriz und Raphael Bürkle, Orgelklasse Prof. Martin Schmeding, erhielten Auszeichnungen im Rahmen der vierten Phase des Wettbewerbs »Jugend musiziert«, dem »Wochenende der Sonderpreise« (WESPE), das vom 25. bis 27. September 2009 an der Freiburger Musikhochschule durchgeführt wurde. Annette Fabriz gewann dabei Preise in den Kategorien »Verfehmte Musik« und »Werk einer Komponistin« für die Interpretation der Sonate I von Paul Hindemith und des Te Deum von Jeanne Demessieux. Raphael Bürkle wurde in der Wertung »Klassische Moderne« mit Olivier Messiaens Zyklus L’Ascension ausgezeichnet. Preise von Kulturstiftungen Felicitas Frey erhielt aufgrund ihrer hervorragenden Leistung im Fach Violine solo beim Bundeswettbewerb Jugend musiziert den Eduard-Söring-Preis im Fach Streicher der Deutschen Stiftung Musikleben, ein Jahresstipendium in Höhe von 6000 € und durfte in der Konzertreihe »Foyer junger Künstler« in Hamburg auftreten. Konzerte Andru Matuschka (geboren 1996), Kompositionsklasse Prof. Cornelius Schwehr, erhält den Kulturhoffnungspreis der Europäischen Kulturstiftung. Der Preis wurde am 13. Juni 2010 in Baden-Baden verliehen. Annette Fabriz, Orgelklasse Prof. Martin Schmeding, erhielt im September 2009 das Stipendium der Sparkassenstiftung Waiblingen. Preise bei nationalen und internationalen Wettbewerben Die 14-jährige Milena Wilke aus der Klasse Prof. Rainer Kussmaul gewann beim 1. Internationalen Violinwettbewerb Freiburg den Sonderpreis für den besten jungen Interpreten in Höhe von 2500 €. Zu dem Wettbewerb, der vom 23. bis 31. August 2010 in den Räumen der Musikhochschule ausgetragen wurde, hatten sich Teilnehmer aus 17 Ländern angemeldet. Die 14jährige Hao Zi Yoh aus der Klavierklasse Prof. Elza Kolodin erhielt beim 10. Wettbewerb der belgischen Sektion der EPTA (European Piano Teachers Association) den 1. Preis in ihrer Altersgruppe. Der Wettbewerb fand vom 26. bis 31. Januar 2010 im belgischen Waterloo statt. Dominik Stadler aus der Klavierklasse Prof. Christoph Sischka gewann beim 17. internationalen Wettbewerb »Vittoria Caffa Righetti« in Cortemilia/Italien in der Alterskategorie bis 19 Jahre den 1. Preis. Der Wettbewerb fand vom 21. bis 25. Oktober 2009 statt. Die neunköpfige Jury wurde von Marcello Abbado, dem ehemaligen Direktor des Mailänder Konservatoriums, geleitet. Raphael Bürkle aus der Orgelklasse Prof. Martin Schmeding wurde beim HändelJugendwettbewerb 2009/10 der Internationalen Händelgesellschaft Karlsruhe mit einem 1. Preis ausgezeichnet. Das öffentliche Preisträgerkonzert fand am 28. Februar im Schauspielhaus des Badischen Staatstheaters Karlsruhe im Rahmen der Händel-Festspiele statt. 032 | 033 In jedem Semester finden Konzerte für die Akademieschüler statt, wobei die Auswahl hierzu über ein internes Vorspiel im Konzertsaal erfolgt. Als Juroren sind alle Professoren der Hauptfächer sowie die Dozenten der Grundlagenfächer eingeladen, aus den etwa zweieinhalbstündigen Programmbeiträgen ein repräsentatives Konzertprogramm zusammen zu stellen. Das Hauptkonzert findet jeweils im Konzertsaal der Hochschule unter dem Titel »Die Großen von morgen« statt. Die nicht berücksichtigten Beiträge werden in einem zweiten Konzert in der KUMEDI in Riegel der Öffentlichkeit präsentiert. Am 23. Januar 2010 spielten im Konzertsaal der Hochschule Annette Fabriz (Orgel), Hao Zi Yoh (Klavier), Caroline Frey (Violine), Daniel Reith (Klavier), Milena Wilke (Violine), Chen-Yu Li (Klavier), Shih-Yu Tang (Viola), Dominik Stadler (Klavier), Manuela Felicitas Frey (Violine), Tobias Bockstahler (Trompete) und Daniel Reith (Klavier), Shih-Yu Tang (Klavier solo) sowie im Klavierquintett mit Manuela Felicitas Frey (Violine), Caroline Frey (Violine), Mara Zickgraf (Viola) und Nina Behrends (Violoncello) Werke von Bach, Chopin, Saint-Saëns, Smetana, Milstein, Vieuxtemps, Liszt, Zimmermann, Bitsch, Rachmaninoff und Schostakowitsch. Die Matinee in der KUMEDI in Riegel am 24. Januar 2010 bestritten Hao Zi Yoh (Klavier), Manuela Felicitas Frey (Violine), Shih-Yu Tang (Klavier), Heike Schäfer (Kontrabass) und wiederum das Klavierquintett mit Shih-Yu Tang (Klavier), Manuela Felicitas Frey (Violine), Caroline Frey (Violine), Mara Zickgraf (Viola) und Nina Behrends (Violoncello). Die Kritik in der Badischen Zeitung am 29.1.10 war »Junge Künstler ganz groß – Sechs Musikerinnen beeindrucken bei Konzert in der Kumedi« überschrieben. Als »Die Großen von morgen« konzertierten am 20. Juli 2010 Jannik Trescher (Orgel), Shih-Yu Tang (Viola), Dominik Stadler (Klavier), Milena Wilke (Violine) und Myriam Böck (Klavier), Heike Schäfer (Kontrabass), Shih-Yu Tang (Klavier), Szu Ni Shen (Klavier), Milena Wilke (Violine solo), Sarah Ennouhi (Horn) und Shih-Yu Tang (Klavier), Sarina Zickgraf (Viola) und Annette Fabriz (Orgel) mit Werken von Buxtehude, Zelter, Beethoven, Schumann, Bottesini, Chopin, Ravel, Lipinski, Dukas, Bloch und Reger. In der gut besuchten Matinee in Riegel traten am 25. Juli 2010 Szu Ni Shen (Klavier), Milena Wilke (Violine) und Shih-Yu Tang (Klavier) mit Werken von Ravel, Ysaÿe, Wieniawski, Lipinski und Chopin auf. »Vielversprechender Wille zur Leistung« war die Kritik in der Badischen Zeitung am 27. Juli überschrieben. Eine Auswahl sonstiger Konzertaktivitäten zeigt, wie gefragt die FAB-Vorstudenten sind: Duokonzerte im Sprachenkolleg Freiburg 17.10.09 und Bremen 25.10.09 (Milena Wilke, Violine; Myriam Boeck, Klavier) Klaviersoirée im Kurhaus Bad Herrenalb, 1.11.09 (Daniel Reith, u. a.) Konzert im Rahmen der IBC-Kulturwoche, Bürgersaal Konstanz 14.11.09 (Milena Wilke, Violine; Myriam Boeck, Klavier; Shih-Yu Tang, Klavier) Konzert für die Klinikclowns, Historischer Kaufhaussaal Freiburg 29.11.09 (Milena Wilke, Violine; Myriam Boeck, Klavier, u. a.) Solokonzert im Augustinum Freiburg, 21.2.10 (Milena Wilke, Violine) Klavierabende für den Kulturkreis Ubstadt-Weiher, 27. und 28.2.10 und Klaviersoirée im Kurhaus Bad Herrenalb, 2.4.10 (Dominik Stadler) Duoabend auf der Bühler Höhe/Max-Grundig-Klinik, 15.5.10 (Tobias Bockstahler, Trompete; Daniel Reith, Klavier) Abschlusskonzert der Schulmusiktage im Schloss Bruchsal, 4.7.10 und Umrahmung des Festaktes zum Bürgermeisterwechsel vor 600 geladenen Gästen, Ubstadt 29.7.10 (Dominik Stadler, Klavier) Klavierabend in Waghäusel, 11.7.10 (Daniel Reith, Klavier) Duokonzert in Claira/Frankreich (Clarissa und Myriam Boeck, Flöte und Klavier) Duo-Konzert auf Mallorca, 3.9.10 (Milena Wilke, Violine; Myriam Boeck, Klavier) Klavierabend im Kurhaus Bad Herrenalb, 5.9.2010 (Daniel Reith und Dominik Stadler, Klavier) Zeitungsberichte über Wettbewerbserfolge bzw. Konzertkritiken veranlassten den Fernsehsender R.TV, in kurzen Features über Daniel Reith (Bühl/BadenBaden, 21.04.2010) und Dominik Stadler (Bad Herrenalb/Karlsruhe, 7.04.2010) zu berichten. Prof. Christoph Sischka Die 14-jährige FAB-Vorstudentin Milena Wilke erhielt beim Internationalen Violinwettbewerb Freiburg den Sonderpreis für den besten jungen Interpreten 034 | 035 Violinisten aus aller Welt Der 1. Internationale Violinwettbewerb Freiburg an der Hochschule für Musik Freiburg vom 23.–31. August 2010 Es war ein Marathon! Von über sechzig Bewerbungen ließ die Jury unter dem Vorsitzenden Professor Rainer Kussmaul 58 Kandidaten zum Wettbewerb zu. Für die letzten vier Runden kamen letztendlich 28 Violinistinnen und Violinisten aus 20 Ländern nach Freiburg. Dr. Rüdiger Nolte, Rektor der Hochschule für Musik und Vorsitzender der Internationalen Musikwettbewerbe Freiburg, begrüßte am 22.8.2010 die Anwesenden. Die Reihenfolge der Vorspiele wurde per Los festgelegt. Schon nach den ersten Auftritten in der ersten Runde zeigte sich das hohe künstlerische und technische Niveau der Teilnehmer! Dort wurde von Bach u. a. die Chaconne aus der Partita d-Moll (BWV 1004), 2 Capricen von Wienawski, Lipinski oder Paganini und eine Solosonate von Ysaÿe verlangt. Es war wirklich »Geige pur« was vom 23.–25.8. die sieben Juroren aus Japan, China, Russland, Großbritannien und Deutschland zu hören bekamen. Schnell, eindeutig und souverän fiel die Entscheidung für die 2. Runde, an der noch 12 Musikerinnen und Musiker teilnehmen durften. Jetzt kamen zu den »Klassikern« Saint-Saëns, Waxmann, Sarasate und Bazzini für die Solovioline, Sonaten mit Klavierbegleitung von Beethoven, Schumann oder Brahms hinzu – sowie, als ganz spezielle Ausrichtung beim Freiburger Wettbewerb, ein Werk eines Komponisten aus dem Heimatland des vortragenden Musikers, das nach 1950 entstanden ist. Wieder galt es für die Teilnehmer zu warten. Dann wurden die glücklichen Sechs bekannt gegeben, die nun mit dem Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim ein Violinkonzert von Mozart einstudierten und auch leiten mussten. Neben den drei Finalisten erreichten Anna Markova aus Weißrussland, Chiril Maximov aus Moldavien und Martha Cohen aus Deutschland diese Runde. Das Konzert am 29. August wurde von rund 500 Zuhörern genossen. Die Wahl, welche drei Künstler nun mit der Baden-Badener Philharmonie eines der großen Violinkonzerte spielen soll, war schwer. Wer würde so kurz vor dem Ziel, gehen müssen? Aber wieder war sich die Jury schnell einig! Der in einem Interview der Badischen Zeitung mit Prof. Kussmaul geäußerte Satz, dass Klang Geschmacksache sei, wurde insofern relativiert, als zumindest die Jury eine gemeinsame Werteskala zu haben schien. Im ausverkauften Konzertsaal der Hochschule hatten es dann die Zuhörer in der Finalrunde am 31.8.2010 nicht leicht, für sich zu entscheiden, ob die Interpretin des Sibelius Violinkonzertes oder einer der Interpreten von Prokofieffs zweitem Violinkonzert den ersten, den großen Preis erhalten soll. Über 250 Zuschauer harrten bis zuletzt aus, um das Ergebnis gegen 22.00 Uhr zu erfahren. Ein junger 24 Jahre alter Israeli, der in New York studiert, Itamar Zorman, erhielt schließlich den 1. Preis und den Preis für die beste Interpretation eines Mozart-Violinkonzertes aus den Händen von Ministerialdirektor Klaus Tappeser, der als Vertreter der Landesregierung auch ein Grußwort überbrachte. Der Applaus des Publikums war einhellig! Der Vorsitzende der Internationalen Wettbewerbe Freiburg, Rektor Nolte, dankte in seinem Schlusswort den Beteiligten auf und hinter der Bühne für die geleistet Arbeit und wies auch darauf hin, dass die gute Martin Yavryan 3. Preis Elena Graf 2. Preis Itamar Zorman 1. Preis Milena Wilke Sonderpreis Ausstattung der Preise nur Dank der Unterstützung des Landes, aber auch von Seiten eines privaten Mäzens möglich war. Der Marathon war zu Ende. Das allgemeine Fazit war positiv. Die Wettbewerbsteilnehmer freuten sich über die gut Organisation und die einzigartige Möglichkeit, während ihres gesamten Aufenthaltes in einem eigenen Zimmer üben zu können. Die Jury war erfreut über das beachtliche Niveau der jungen Künstler. Und die Organisatoren der internationalen wettbewerbe freiburg waren über die Resonanz in der Fachwelt und beim Publikum erfreut. Preisträger: 1. Preis (15.000 €) und Sonderpreis für die beste Interpretation eines Mozart Violinkonzerts (2.500 €) gingen an Itamar Zorman. Den 2. Preis (10.000€) erhielt Elena Graf aus Deutschland, den 3. Preis (7.500 €) empfing Martin Yavryan aus Armenien. Den Sonderpreis (2.500 €) für den besten jungen Interpreten erhielt Milena Wilke (14 Jahre jung) aus Freiburg. Das Publikum: An jedem Tag des Wettbewerbs kamen reichlich interessierte Zuhörer. Die Zustimmung wurde von Tag zu Tag größer. Die Orchester: Sie waren nicht nur sehr gut vorbereitet, sondern auch mit Rat und Tat und auch Geduld bei der Sache. Jeder Kandidat hatte die gleiche Chance durch die nie nachlassende Aufmerksamkeit der Orchestermusiker! Die Jury: Sieben Charaktere die sich immer in der Sache einig waren und sich auch persönlich schätzen lernten: Prof. Rainer Kussmaul (Freiburg), Prof. Ulf Hölscher (Kralsruhe), Prof. John Holloway (Dresden), Prof. Sergej Kravchenko (Moskau), Prof. Takumi Kubota (Tokio), Prof. Hu Kun (London) und Alexander Dick (Freiburg). Preise von: Land Baden-Württemberg, Dr. Georg F. Drischel A. Schmolski 036 | 037 Prof. Rainer Kussmaul Präsident und künstlerischer Leiter des Wettbewerbs Alexander Dick Freiburg Prof. John Holloway Dresden Prof. Ulf Hoelscher Karlsruhe Prof. Hu Kun London Prof. Sergej Kravchenko Moskau Prof. Takumi Kubota Tokyo Itamar Zorman Elena Graf Martin Yavryan 038 | 039 Rektor Dr. Rüdiger Nolte Ministerialdirektor Klaus Tappeser Preisträger Prof. Takumi Kubota Prof. Ulf Hoelscher Prof. Hu Kun Itamar Zorman Prof. John Holloway Elena Graf Martin Yavryan Ministerialdirektor Klaus Tappeser Milena Wilke Rektor Dr. Rüdiger Nolte Prof. Rainer Kussmaul Prof. Sergej Kravchenko Alexander Dick 040 | 041 Warschau – Freiburg CooCooPhasing 8.5.–14.5.2010 und 20.5.–25.5.2010 Shanghai EXPO 2010 Um es klar zu sagen: Der Austausch mit der Warschauer Frederik-ChopinHochschule in war ein einziger Succès. Die Konzerte in Warschau, Freiburg und Allensbach überzeugten das zahlreiche Publikum von der Qualität der beiden Ensembles (von jeder Hochschule ein Streichquartett), die dann beim Oktett von Mendelsohn zu einer wunderbaren Einheit zusammenwuchsen. CooCooPhasing ist eine Komposition für die Installation CooCooChoir (Realisation: Torsten Belschner) und ein Beitrag der Stadt Freiburg zur EXPO 2010 in Shanghai. CooCooChoir besteht aus acht Kuckucksuhren, deren Figuren computergesteuert erscheinen und die Schnäbel sowie Flügel synchron zum jeweiligen musikalischen Ereignis bewegen. Das Stück CooCooPhasing besteht aus einem computergenerierten Prozess. Das anfänglich simultane »Kuckuck« aller Uhren geht allmählich in die ersten Takte des berühmten Präludiums in C-Dur von J.S. Bach (BWV 846) über. Die einzelnen Sechszehntel des Präludiums sind ähnlich einem Lauflicht auf die acht Kuckucksuhren verteilt. Eine Besonderheit dieser Metamorphose ist, dass jede Uhr isoliert betrachtet, nichts anderes tut, als ihre zwei Kuckuckstöne in gleichen Abständen zu wiederholen. Der Eindruck eines Musikstückes wird aus der Summe der einzelnen, für sich autonomen Bewegungsabläufe in der Wahrnehmung des Hörers zusammengesetzt. Das Tempo wird dabei soweit beschleunigt, bis die Kuckucksuhren an ihren physikalischen Grenzen stoßen und (musikalisch) »abstürzen«. Das Märchen der absoluten Kontrolle ist zu Ende. Oktett in der Gnadenkirche Allensbach Das Engagement der Studenten/innen, der Professoren/innen und der Verwaltungen auf beiden Seiten haben unsere Reise nach Warschau und den Besuch der polnischen Seite bei uns ermöglicht. Dabei hat sich wieder gezeigt wie wichtig Kommunikation und Austausch in der Musik sind. Dies mag zwar als Binsenweisheit erscheinen, es zeigt sich aber immer wieder in der Praxis als notwendig und ist daher aktuell. Alexander Grebtschenko Geboren 1975 in Varna, Bulgarien. Studierte bis 2002 Komposition bei Prof. Cornelius Schwehr und Elektronische Musik bei Prof. Mesias Maiguashca an der Musikhochschule Freiburg. Ab 2004 unterrichtet er an den neugegründeten Studios für elektronische und elektroakustische Musik an der Musikschule Konstanz und ist auch am Studio für Elektronische Musik und Akustik der Musikhochschule Freiburg tätig. Diverse Stipendien u.a. Landesgraduiertenförderung im Fach Akustik, Stipendium des Bundespräsidenten, Stipendium im Rahmen der Donaueschinger Musiktage. Radiosendungen im Deutschlandradio Kultur, SWR, RDL, WDR. Aufführungen in vielen europäischen Ländern sowie Kanada und USA. Kompositionsaufträge von ensemble recherche, duo contour, Duo Fluktuation, Ensemble Alarm, Ensemble Chronophonie u.a Kammermusik lebt nicht nur von der Arbeit, von dem Talent, sondern auch von der Offenheit zu Neuem, Unbekanntem, Fremdem – von der Neugier. Das sollte in einem Studium nie fehlen, weder auf der Seite der Studenten/innen noch auf der Seite der Professoren/innen. Dies ist in Warschau passiert. Last but not least sind wir auch durch die Stadt und ihre Umgebung auf die Spuren Chopins geführt worden. Neben der wertvollen Arbeit haben wir wunderbare Momente in der Stadt erlebt. Ganz herzlich möchte ich mich bei dem Quartett, das mitgereist ist, bedanken, nämlich bei Anne Schintz, Mona Gansczyk, Kayo Kida und Clara Pouvreau und natürlich auch dem Meccore Quartett aus Warschau und Professor Wlodzimierz Prominski. Diese Reise war dank Magdalena Rezlers Engagement möglich. Auch ein herzliches Dankeschön an sie. Nun bleibt mir nur zu hoffen, dass in Zukunft weitere, möglichst zahlreiche Austauschmöglichkeiten stattfinden werden, mit Warschau oder anderen Partnern unserer Hochschule. Prof. Sylvie Altenburger 042 | 043 044 | 045 Delegation des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK) vor der Installation CooCooChoir im Pavillon der Stadt Freiburg auf der EXPO 2010 in Shanghai Dr. Hai Sun, Projektleiter, MWK Prof. Thomas Schadt, Geschäftsführer Filmakademie Baden-Württemberg GmbH Staatssekretär Dr. Dietrich Birk MdL, MWK Dr. Nolte, Rektor der Hochschule für Musik Freiburg Ministerialrat Joachim Uhlmann, MWK Prof. Udo Dahmen, Geschäftsführer Popakademie Baden-Württemberg GmbH Ines Busch, Ref.-Leiterin, Ref. f. intern. und EU-Angelegenheiten MWK 046 | 047 JOSEPH HAYDN 1732–1809 La fedeltà premiata Dramma pastorale giocoso in tre atti Libretto von Giambattista Lorenzi Institut für Musiktheater Aufführungen Juni/Juli 2010 im Konzertsaal Jutta Lauer, Carolin Neukamm Celia (Fillide) Alvaro Zambrano Fileno Roxana Herrera Diaz, Lena Laferi Amaranta Marcelo de Souza Felix, Manfred Plomer Perrucchetto Agnes Knoop, Susana Schnell Nerina Moritz Kallenberg, Dritan Mustaka Lindoro Martin Beilicke, Sergiy Zinchenko Melibeo Sophie Catherin, Claudia Mundi Diana Vokal-Ensemble der Hochschule für Musik Freiburg Torsten Meyer Einstudierung Erina Yashima Cembalo Orchester der Hochschule für Musik Freiburg Aziz Kortel, Hans Kretz, Andreas Vogelsberger Musikalische Leitung Alexander Schulin Inszenierung Fabian Lüdicke Bühnenbild Esther Dandani Kostüme 048 | 049 Moritz Kallenberg Carolin Neukamm Susana Schnell Marcelo de Souza Felix Alvaro Zambrano Sergiy Zinchenko und bedient zu werden, beflügelten schon antike Erzählungen wie den Pygmalionmythos (vgl. Urchs 2002, S. 24 ff). Die Geschichte selbsttätiger Klangapparate lässt sich historisch bis ins Mittelalter zurückverfolgen. Mechanische Spielwerke wurden zur Unterstützung der Illusion oft mit einem skulpturalen menschen- oder tierähnlichen Gehäusen umbaut wie Gianello Torianos Mandolinenspielerin von 1540 oder diverse zwitschernde Kunstvögel im 18. Jahrhundert (vgl. Schott-music.com/Musikmaschinen). Auch musizierende Roboter werden verstärkt als Humanoiden (menschenähnlich) gebaut, weil sie damit leichter zu akzeptieren sind (http://www.robot.watch.impress. co.jp). Denn bei aller Maschinenfaszination bedeutet die Perfektion selbst musizierender oder gar komponierender Automaten immer auch eine »doppelte anthropologische Kränkung« (Harenberg /Weissberg 2010, S. 9), auf die historisch unterschiedlich reagiert wurde und die auch heutige »MenschMaschine«-Diskussionen immer wieder beherrscht. Die thermischen Metaphern »warm« und »kalt« gelten dabei dem lebendigen Leib und der toten Maschine. Strawinskij zog sich listig aus der Affäre, als er den von Hans Christian Anderson literarisierten Märchenstoff eines Wettstreits zwischen einer künstlichen und einer natürlichen Nachtigall in seinem Stück Le Rossignol vertonte, wie Lukas Macher im Seminar »Musik-Bewegung-Maschine« demonstrierte. Der Komponist bezieht sozusagen eine ästhetische Metaebene und erschafft musikalisch beides: die künstliche wie die (ebenso künstliche) »natürliche« Nachtigall, und zwar mit einem konventionellen Klangapparat, nämlich Stimme und Orchesterinstrumenten. Dabei ist der Diskurs nicht stehen geblieben. Vor allem die Entwicklung elektronischer Musik und die digitale Klang- und Bilderzeugung haben das Spektrum an Möglichkeiten grundlegend verändert. Nach Urchs hängt die Entwicklung intelligenter Apparate mit der jeweiligen Definition eines kognitiven Systems zusammen (Urchs 2002, S. 23). Inzwischen gibt es einen speziellen Forschungsbereich der Künstlichen Intelligenz, der sich mit musikalischer Robotik befasst. In Bremen fand 2006 das »First Symposium on Music, Art, and Robotics« statt (Schmidt/Seifert 2006, S. 44 ff). Auch Grebtschenkos Teddy mit seinen bescheidenen Möglichkeiten gehört in diese Sparte. Doch mindestens ebenso spannend wie die ästhetischen Fragen, die der Einsatz des Teddys aufwirft, ist die spezifische Rezeption. Auftritt: Teddy Elektronische Musik und Emotion Im »YouTube«-Konzert, am 7. Juli 2010 im Kammermusiksaal unserer Hochschule, hatte er seinen mit Spannung erwarteten Auftritt: ein etwa ein Meter großer whiskyfarbener Teddy, eines jener liebenswerten, überdimensionierten Plüschmonster, die oft schnell noch auf der Heimreise beim Spielzeugdiscounter erstanden werden, weil die versprochenen Mitbringsel für die Kinder glatt vergessen wurden. Es sollen auch schon welche am Schießstand oder beim Losverkauf auf der Messe gewonnen worden sein. Dieser Teddy wurde indessen liebevoll ausgewählt, auseinander genommen, mit Hebel- und Drehgelenken beweglich gemacht und durch eine kleine Bordelektronik aufgerüstet von Alexander Grebtschenko. Er ist programmier- und durch einen Con troller steuerbar. Im Konzert nutzte Sophie Catherin den Teddy wie ein ferngesteuertes Objekt, stellte ihn auf Blickkontakt, ließ ihn ihre auf Video aufgezeichneten Armbewegungen nachmachen, und sie ahmte ihrerseits Teddys Bewegungsradius nach. Mensch und Maschine kommunizierten in gestischer Interaktion, so jedenfalls die Illusion. Dabei wurde auch noch Klang erzeugt, der allerdings aus weitgehend unspezifisch ausgeführten Bewegungen resultierte. Das wirkte erheiternd, etwas gewollt dilettantisch (dem programmatischen »YouTube«-Thema entsprechend) und war lustig anzuschauen. Am meisten freute sich ein noch minderjähriger Besucher, der spontan aufsprang und begeistert mitging, als der Teddy sich zu bewegen begann, den Kopf drehte und die Arme hochriss. Man wartete gespannt auf Teddys nächsten Einsatz. Etwas ernsthafter als in dieser spielerischen Version war Teddys Premiere am 23. Juni 2010 im Münchener Gasteig. Hier musizierte das Stofftier in einem musica viva-Konzert auf der Bühne des Carl Orff-Saals gleichberechtigt neben fünf weiteren InstrumentalistInnen bei der Uraufführung von Orm Finnendahls Stück Gegenüberstellung I-III für Bassflöte, Bassklarinette, Posaune, Viola, Schlagzeug, Roboter und Live-Elektronik. Wie die einzelnen Musikerinnen und Musiker, die während ihrer live-elektronischen Perfomances optisch aus der ansonsten schwarzen Bühne herausgehoben wurden, so erschien auch der Teddy bei seinen Auftritten in einen Lichtkegel getaucht. Er saß wie die übrigen Ausführenden vor einem Laptop, bewegte Kopf und Arme, schien auf den Tasten herumzuhacken und fegte gelegentlich geräuschvoll verschiedene Gegenstände vom Pult, etwa eine rasselnde Kette. In diesem Fall führte der Teddy vorprogrammierte Schritte aus. Er wurde als musizierender Roboter eingesetzt. Beim Schlussapplaus verbeugte sich nicht das Stofftier, sondern sein Techniker und Mentor Alexander Grebtschenko, der dem Teddy sozusagen das Leben eingehaucht, indem er ihn mit der eingebauten Mechanik und mit elektronischen Steuerungsmöglichkeiten musikfähig gemacht hat. Androiden (zusammengesetzt aus dem griechischen »andros«, Mensch, und »eides«, ähnlich), Roboter (aus dem spätmittelhochdeutschen »robat«, Frondienst, Zwangsarbeit), Automaten (griechisch »automatos«, aus eigener Bewegung handelnd) oder Maschinen (lateinisch »machina«, Werkzeug mit festen und beweglichen Teilen), die Menschen erzeugen, um sich ihrer zu bedienen Der über 100 Jahre alte »Teddybär«, um dessen Erfindung offenbar noch gestritten wird (Cockrill 2001), ist ein hoch emotional besetztes charismatisches Kuscheltier, das starke Empathie auslöst. Kindern kann der Teddy als Objekt dienen, das sie einerseits bemuttern und das ihnen andererseits in unsicheren Situationen Zuflucht bietet. Erwachsene erinnern sich an diese frühe Liebe und bewahren den Gefährten aus der Kindheit oft sogar auf (wiki/ Teddybär#Psychologie, 2010). Sein Einsatz in Neuer Musik ist indessen ungewöhnlich. Um die Klangereignisse zu produzieren, die in den Ausschnitten, in denen der Teddy in Finnendahls Stück auf der Bühne agiert, zu hören waren, hätte es keines Stofftiers bedurft. Im ersten Moment zieht der Überraschungseffekt die Aufmerksamkeit sogar von der Musik ab. Der Teddy bleibt ein Fremdkörper im ritualisierten Aufführungsrahmen Neuer Musik, der gewöhnlich von einer gewissen visuellen schwarzen Strenge, viel elektronischem Equipment und einer Atmosphäre technischen Sachverstands gekennzeichnet ist. Als »charming« Objekt im falschen Ambiente bricht der Auftritt des Teddys diese Strenge mit liebenswürdiger Ironie. 050 | 051 Die im 19. Jahrhundert sich im Konzertsaal herausbildenden Präsentationsrituale artifizieller Musik förderten eine spezifische Rezeptionshaltung, nämlich das konzentrierte Zuhören bei körperlichem Stillstand. Im Idealfall soll- ten auch die Augen geschlossen sein, um sich ausschließlich dem Höreindruck zu widmen. Allerdings war die Klangerzeugung an instrumentale Körpergesten gebunden. Durch technische Entwicklungen wie die Signalübertragung per Telefon und Radio und die Möglichkeiten der Schallaufzeichnung ließ sich indes schon Ende des 19. Jahrhunderts ein vom Körper losgelöster Klang erfahren. Dieser Aspekt wurde durch die Verbesserung und Kommerzialisierung musikalischer Speichermedien und der elektronischen Klanger zeugung revolutioniert und radikalisiert. Für Pierre Schaeffers »musique concrète«, die auf dem Mix vorproduzierter Klangereignisse beruht, und die ersten rein elektronisch generierten Kompositionen brauchte man im Konzertsaal nur noch Abspielgeräte, Lautsprecher und die Raumakustik kontrollierendes tontechnisches Personal am Mischpult. Dazu erklang eine oft äußerst spröde und sperrige Musik. An diese sinnlich extrem reduzierte »Blackbox«-Erfahrungen knüpfen heutige Körperdiskurse meist an, wenn elektronische Musik dem Vorwurf lebloser Kälte ausgesetzt ist. Lit.: Caroline Cockrill: 100 Jahre Teddybären, München 2001 Golo Föllmer / Julia Gerlach: Audiovisionen. Musik als intermediale Kunstform, in: http://www.medienkunstnetz.de/themen/bild-ton-relationen/audiovisionen/1/, eingesehen am 18. 11. 2009 Michael Harenberg / Daniel Weissberg (Hg): Klang (ohne) Körper. Spuren und Potentiale des Körpers in der elektronischen Musik, Bielefeld 2010 Axel Hübler: Das Konzept »Körper« in den Sprach- und Kommunikationswissenschaften, Tübingen, Basel 2001 Lüder Schmidt / Uwe Seifert: musikalische robotik. Körperlichkeit und Musik, in: NZfM 4, 2006, S. 44 f. Max Urchs: Maschine, Körper, Geist, Frankfurt am Main 2002 http://de.wikipedia.org/wiki/Teddybär#Psychologie, eingesehen am 13. 8. 2010 http://www.Schott-music.com/Musikmaschinen, eingesehen am 30. 3. 2010 Janina Klassen Professorin für Musikwissenschaft, veranstaltete im Sommersemester 2010 ein Seminar über »Musik-Bewegung-Maschine« Anders als noch Schaeffer und die Pioniere synthetisch erzeugter Klänge geht man in neuerer Wahrnehmungsforschung davon aus, dass Musik kein ausschließlich akustisches Medium ist, sondern intermedial vermittelt wird (Föllmer/Gerlach 2009). Visuelle Reize wie das Beobachten der instrumentalen Aktion sowie die Mimik der Musizierenden tragen zur akustischen Informationsverarbeitung wesentlich bei. Allerdings ist bei digital generierten Klängen keine instrumentenspezifische Bewegung nötig. Das heißt, die technische Entkopplung von Geste und Klang führt zu einer Unabhängigkeit der Gesten. Sie können als eigenes Gestaltungsmittel bewusst inszeniert werden und eine eigene Ausdrucksebene bilden. Auf diese Weise bekommen Körper auf der Bühne eine neue Funktion. In Live-Elektronik-Konzerten spielen dagegen die auf der Bühne musizierenden Instrumentalisten eine wichtige Rolle. Ihre körperliche Präsenz und die situationsabhängige Tagesform bringen mit der Illusionen körperlicher Wärme gegen die empfundene Kälte der Technik (tatsächlich dürften die Geräte die Bühne mehr aufheizen als die Körper) eine gewisse unkontrollierbare Materialität ein, die zum ästhetischen Konzept gehört. Sowohl im »YouTube«-Konzert als auch in Finnendahls Gegenüberstellung I-III standen die Musikerinnen und Musiker mit ihren Klang produzierenden Gesten und Gesichtszügen einem Roboter mit Glasaugen und ungelenken Hebelbewegungen gegenüber. Obwohl sie den Roboter als Maschine entlarvten, blieb der niedliche Teddy sympathisch. Gerade darin liegt die Ironie seines Einsatzes. Das Phänomen gleicht Erfahrungen, die man in Animationsfilmen machen kann. Eine wichtige Komponente für die Auslösung von Empathie ist das charismatische Objekt selbst, mit allem, wofür es symbolisch steht, eine weitere steckt in der Bewegung. Gesten wirken emotional, weil sie als Ausdruck innerer Bewegung rezipiert und interpretiert werden. Diese bereits in der antiken Rhetorik reflektierte Erfahrung trifft auch auf die Begegnung mit dem Roboterteddy zu. Wenn er uns den Kopf zuwendet so rührt diese Geste, und wir beleben sie mit der Projektion, die Glasaugen sähen uns an. Auf Teddy warten weitere Auftritte. Neue Kompositionen für ihn sollen schon begonnen worden sein. München Gasteig Orm Finnendahl Gegenüberstellung I-III 052 | 053 Rara-Bestand in der Bibliothek Neue Präsentationstechnik im Seminarraum 101 Die Bibliothek der Musikhochschule ist durch die Schenkung verschiedener Nachlässe unter anderem in den Besitz der unten aufgelisteten Titel gelangt. Es handelt sich um teilweise sehr seltenes Notenmaterial, das der Hochschule nun zur Verfügung steht. In diesem Jahr wurde begonnen, den Bestand an die Zentralredaktion von RISM (Répertoire International des Sources Musicales = Internationales Quellenlexikon der Musik) in Frankfurt zu melden. In RISM werden Musikdrucke nachgewiesen, die zwischen 1500 und 1800 gedruckt wurden. In diesem Quellenlexikon sind weltweit die Bestände von Bibliotheken und privaten Sammlungen verzeichnet. Der Bestand wird hier in der Hochschulbibliothek separat verwaltet und aufbewahrt. Die Medien erhalten den Signaturzusatz »RARA« und können nur auf Anfrage eingesehen werden. Mitte Januar 2010 ist vom technischen Dienst der Hochschule und verschiedenen Firmen in einem aufwändigen Umbau unter anderem ein interaktives Hitachi FX DuoBoard installiert worden. Diese »digitale Tafel« ist eine elektronische Projektionswand bzw. eine Weißwandtafel, die in Verbindung mit einem Computer und einem Beamer funktioniert. Nachdem digitale Tafeln bzw. interaktive Whiteboards immer mehr Einzug in Universitäten halten, hat sich die Hochschulleitung dazu entschlossen, diesen Seminarraum mit neuster Technik auszustatten. Die Vorteile der digitalen Tafel Bessere Präsentationsmöglichkeiten von Unterrichtsinhalten, ein hohes Maß an Motivation und eine Vielzahl von Interaktionsmöglichkeiten für unsere Studierenden, viel Spaß beim Unterrichten und Vorteile für die Lehrkräfte beim Vorbereiten und Speichern der Unterrichtsinhalte bietet das Medium. Letztendlich können mit Hilfe von interaktiven Whiteboards alle Medien wie Text, Grafik, Bilder, Animationen, Töne und Filme präsentiert werden. Über einen Computer werden die an der Boardoberfläche mit einem Stift oder einer Fingerposition eingegebenen Daten transformiert und das errechnete Bild unmittelbar über den Beamer auf die Boardoberfläche projiziert. Dadurch entsteht der Eindruck eines unverzögerten realen Tafelbildes. Diese digitalen Seitenbilder können abgespeichert und bei Bedarf immer wieder aufgerufen werden. Die Dateneingabe kann aber auch direkt am Computer/Laptop erfolgen. Neben dem StarBoard wurde in dem Raum eine hochwertige THX-zertifizierte Soundanlage mit neuster Blu-ray-Technik eingebaut. Folgende 5 Titel sind bis jetzt gemeldet: 1. Mozart: Andante varié pour le clavecin ou piano-forté, par Monsieur Mozart. Œuvre 40me [KV 614/2]. – Offenbach, J. André, No. 657. – ca. 1793 RISM A, M 6066 2. Bach, Carl Philipp Emanuel: Wq 57. Clavier-Sonaten [a, d, f] nebst einigen Rondos [E, G, F] fürs Forte-Piano für Kenner und Liebhaber … dritte Sammlung. – Leipzig, Autor, 1781 RISM A1.1–88 Flexible Präsentationen mit dem Visualizer Eine weitere Technik die in unserer Hochschule Einzug hält, ist der zunehmend beliebte Visualizer vom führendem Hersteller Wolfvision, der den Standard Overhead-Projektor nicht nur ersetzt sondern in allen Bereichen weit übertrifft. Ein Visualizer ist das flexibelste aller modernen Präsentationsgeräte. Er kann jede Art von Vorlagen (Bücher, Fotos, dreidimensionale Gegenstände, etc.) schnell und einfach aufnehmen und liefert ein hochauflösendes Bild für Beamer, und Smart Bords. Verglichen mit eher »steifen« Power Point Präsentationen ist eine Präsentation mit einem Visualizer viel flexibler und »lebendiger«, denn hier kann alles zu jeder beliebigen Zeit präsentiert werden, ohne vordefinierte Reihenfolge und ohne langwierige Vorbereitung. Typische Anwendungen für Visualizer sind: Schulungen, Meetings, Konferenzen, Seminare, Produktpräsentationen. Benutzer, die sich mit standardmäßiger Computertechnologie auskennen, werden in kürzester Zeit auch mit dem Visualizer und dem FX-Board vertraut sein. Der technische Dienst bietet allen Interessenten individuelle Einführungen an. Dies ist nicht nur für Lehrkräfte, sondern auch für Studierende möglich, die Präsentationen bzw. Vorträge erarbeiten wollen. 3. Beck, Christian Friedrich: Six menuets et trios à quatre mains pour le clavecin ou Piano-Forte, Offenbach sur le Main: André, ca. 1790 4. Mozart: Idomeneo. Re di Creta. Opera seria in tre atti, di W. A. Mozart. Idomeneus, König von Creta. Ernsthafte Oper in drey Aufzügen, im Klavierauszuge von A. E. Müller – ib., Breitkopf & Härtel, No. 2286. – 1797 RISM A, M 4191 5. Förster, Emanuel Aloys: Emanuel Alois Förster’s practische Beyspiele als Forsetzung zu seiner Anleitung des Generalbasses. – Wien : Artaria., 1819. – Bd. 1–3 RISM A, F 1429 Ursula Wild Hanspeter Brutschin 054 | 055 Jahresrückblick des AStA Im Folgenden finden Sie einen kurzen Überblick über die Arbeit des AStA in der Amtszeit 2009/10.Neben den individuellen Zielsetzungen der einzelnen Mitglieder, war es uns allen ein wichtiges Anliegen, die weit reichenden Impulse des vorangegangenen AStA weiterzuführen und auszubauen. Hochschulselbstverwaltung An einer kulturpolitisch bedeutenden Einrichtung wie unserer Hochschule ist eine konsequente Beteiligung der Studierenden, etwa in Fragen der Gestaltung des Lehrbetriebs oder einer effektiven Hochschulselbstverwaltung, unumgänglich. Teilweise kann man die studentischen Einflussmöglichkeiten an unserer Hochschule im Blick auf vergleichbare Institutionen großzügig nennen. Dass der derzeitige Zustand dennoch als ausbaufähig empfunden wird, zeigen die Bestrebungen der letzten Jahre, die studentische Mitsprachemöglichkeit gezielt auszuweiten. Erfreulicherweise ist es nun mit der lang ersehnten Genehmigung der neuen Grundordnung durch das zuständige Ministerium im Juni 2010 rechtskräftig, dass • im Hochschulrat – sozusagen dem Aufsichtsrat der Hochschule – ein internes Mitglied aus den Reihen der Studierenden gestellt werden kann (ab 1.10.10 der Fall), • im Senat ein zusätzlicher Sitz für einen studentischen Vertreter geschaffen wird. Somit wirken in diesem Gremium ab dem Wintersemester 2010/11 vier AStA-Mitglieder mit. • zu Fachgruppensitzungen und Arbeitsgruppen Studierende offiziell als Sachverständige hinzutreten können. Ein großes Problem stellte in der AStA-Tätigkeit bislang der Umstand dar, dass eine kontinuierliche Arbeit nur schwer gewährleistet werden konnte. Die zweisemestrige Amtszeit war mit einem längeren Herantasten und Vertrautwerden mit den neuen Aufgaben verbunden; ihren Erfahrungsschatz konnten die Vorgänger oft nur bedingt an einen neuen AStA weitergeben. Auch wenn inzwischen eine interne Regelung (durch Wiederwahl mit vorzeitigem Rücktritt aus »persönlichen Gründen«) etabliert werden konnte, wird dieses Vorhaben zukünftig durch ein rotierendes Wahlsystem deutlich vereinfacht. Es sieht die semesterweise Wahl von jeweils der Hälfte der AStA-Mitglieder vor. Dieser Vorschlag wurde vom Senat einstimmig angenommen, eine Genehmigung durch das Ministerium steht aber noch aus. Stipendienfonds 056 | 057 Neben unserem normalen Etat, der für Sachkosten, Integration von Studenten des ersten Semesters u. a. zur Verfügung steht, konnte ein vom AStA verwalteter Stipendienfonds eingerichtet werden. Er kommt Studierenden zu Gute, die in besonderer Weise Engagement in der Hochschulselbstverwaltung zeigen (AStA-, Studienkommissionsarbeit) oder sich als MentorInnen in der Erstsemesterbetreuung engagieren. Zudem ist es in einer Notlage möglich, finanzielle Unterstützung in kleinerem Umfang in Form eines »Notfall-Stipendiums« zu beantragen. Bereits vier Studierende konnten bzw. mussten davon schon Gebrauch machen. Die Höhe des Stipendienfonds wird mit jedem Haushaltsjahr neu festgelegt, er beläuft sich aber derzeit auf 15 Tsd. €. Harald Rösch ist gestorben Kommunikation... Am 6. August 2010 verstarb einer der besten Freunde der Musikhochschule Freiburg sprichwörtlich plötzlich und unerwartet im Alter von 74 Jahren. Harald Rösch war lange Jahre von 1984 bis 1996 Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde der Musikhochschule Freiburg und hat sich in dieser Funktion nicht nur engagiert für den Bau des Kammermusiksaals eingesetzt, der durch Spenden der Bürgerschaft in Höhe von 1.000.000 DM möglich wurde, sondern insbesondere auch hunderte von »kleineren« Entscheidungen für Stipendien zugunsten der Studierenden der Hochschule verantwortet. Der damalige Vorstand des Fördervereins, neben Harald Rösch noch der ehemalige Rektor Professor Johann-Georg Schaarschmidt, der stellvertretende Vorsitzende Dr. Heinz Tomas und der »Schriftführer« Manfred Klimanski war nicht nur besonders fleißig für die Anliegen des Vereins und damit der Hochschule tätig, sondern auch berüchtigt für seine Skatrunden, mit Vorliebe im (alten) Walfisch. 1996 wurde er für seinen Einsatz zugunsten des im Jahre 2000 eingeweihten Kammermusiksaals mit der Ehrensenatorenwürde der Hochschule ausgezeichnet, die bis dahin nicht verliehen worden war. ist leicht gesagt, aber nur schwer zu gewährleisten. Der AStA baut darauf, dass ein überwiegender Teil der Studierenden die wichtigsten Informationen und Termine durch Aushänge, über den AStA-Newsletter per Email-Verteiler, Banner im Foyer und die studentische Hochschulzeitschrift Synkope zur Kenntnis nimmt. Eine Mitbenutzung der Bildschirme im Foyer ist mit dem Rektorat besprochen und wird in Zukunft über den Zeitraum der Aufnahmeprüfungen hinaus ausgeweitet. Natürlich haben wir auch versucht, möglichst viele Gelegenheiten zu persönlicher Rückmeldung zu geben. Abgesehen von unserer wöchentlichen Sprechstunde und vielen Einzelgesprächen dienten hierzu z.B. die AStA-meets-Gespäche zu Beginn, die Vollversammlungen gegen Ende des Semesters sowie ein neu geschaffener Termin für ein FoyerGespräch in lockererem Rahmen mit Rektor Dr. Nolte. Viel Energie ist auch in Lösungsversuche im »Dirigierkonflikt« geflossen – etwa wiederholte Bemühungen um Mediation, Schreiben an das Ministerium etc. – leider ohne jeglichen Erfolg. Das vielfältige Engagement der Studierenden hat dabei klar gezeigt, welch hohen Stellenwert das Fach Dirigieren in der Schul- und Kirchenmusik-Ausbildung genießt. Es bleibt zu hoffen, dass in den kommenden Semestern eine erfolgreiche Neustrukturierung des Faches und eine Glättung der Wogen stattfinden kann. Auch die Kommunikation mit anderen Allgemeinen Studierendenausschüssen wird gepflegt. Hier sind z.B. die Ausrichtung der Musik-Landes-Astenkonerenz (MuLAK) im Februar 2010 an unserer Musikhochschule in Freiburg und die Teilnahme an einem Bologna-Kongress in Stuttgart zu nennen. Doch mit dem Rückblick auf das, was das letzte Jahr aus unserer Sicht geprägt hat, richten wir unseren Blick zugleich auf das kommende Semester. Wir wünschen dem neuen AStA, dass er gut in unserer Hochschule Fuß fassen möge, mit Fantasie, Beharrlichkeit und Freude den Bedürfnissen der Studierenden Ausdruck zu verleihen mag – und, wenn nötig, ein konstruktives und entscheidendes Wörtchen mitzureden hat! Aber Harald Rösch war der Hochschule nicht nur in diesem Amte verbunden, sondern auch in seiner eigentlichen Tätigkeit als Musikchef des Landestudios Freiburg des vormaligen Südwestfunks Baden-Baden. So wie er den Musikern des gesamten Einzugsbereichs des Landesstudios verbunden war und sie förderte, wo er konnte. In vielen Fällen hat er mit einem Mitschnitthonorar ein Konzert erst möglich gemacht, in anderen Fällen mit einer Studioproduktion Solisten und Ensembles geholfen, so hat er Swatoslav Richter zu einem Zubrot verholfen, von dem die mächtige UdSSR nichts wusste und Richter deshalb auch nix davon abzugeben hatte an den sowjetischen Staat. Er war eine Institution als Kultur- und Musikförderer einer ganzen Region auch deshalb, weil er niemanden fragen musste, weil er sich eine Kompetenz erarbeitet hatte, gegen die niemand »anstinken« konnte und weil die Strukturen damals dem entgegen kamen. Im Gegensatz zu heute. Wenn man sich in Erinnerung ruft, dass in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch ein eigenes Orchester des Landesstudios Freiburg unter Leitung des legendären Willy Stech existierte… Josef Huber für den AStA 09/10 Und er war mein ganz persönlicher Freund. Wir sehen uns. Der AStA 09/10 Antoine Billet, Kerstin Hornig, Josef Huber, Martina Petzold, Francesca Schenk, Anne Schinz, Helen Willis, Yoko Yamanaka. Frau Hornig und Frau Petzold sind mit Beginn des Sommersemesters für Frédérique Renno und Bernhard Schmidt nachgerückt. Manfred Klimanski Der AStA 10/11 Antoine Billet, Christian Buchholz, Victoria Gäbel, Kerstin Hornig, Josef Huber, Sangmoon Oh, Martina Petzold, Kira Valkema. 058 | 059 Reinhold Hammerstein Klaus Huber, 85 9. 4.1915 – 22. 4. 2010 Der letzte aus der Gründungsriege der Freiburger Hochschule, der Musikwissenschaftler Professor Dr. Reinhold Hammerstein, verstarb kurz nach seinem 95. Geburtstag in Freiburg. In München und Freiburg studierte er und promovierte 1940. Nach seiner Zeit im Krieg habilitierte er sich 1954. Von 1946 bis 1959 lehrte er als erster Dozent für Musikgeschichte an der soeben gegründete Hochschule für Musik, dann bis 1961 an der Albert-Ludwigs-Universität als Nachfolger von Willibald Gurlitt und ging 1963 als ordentlicher Professor bis zu seiner Emeritierung 1980 an die Universität Heidelberg. Sein Wirken ging über die Fachgrenzen hinaus, weil seine Interessen weit gespannt waren. Die Charakterisierung als Ikonograph der Musik ist nicht nur durch seine Habilitationsschrift »Die Musik der Engel« (1962) berechtigt. Darin untersucht er exemplarisch die Vorstellungswelt der Antike und des Mittelalters von der himmlischen Musik anhand von Texten und Bildwerken. Aber er war nicht nur der Theorie verhaftet. Als glänzender Pianist und Sänger konnte er seinen Zuhörern selbst demonstrieren was er erklären wollte. Mit Fritz Neumeyer (ebenfalls ein Lehrer der ersten Stunde) verband ihn die Neigung zur Alten Musik und der historischen Aufführungspraxis, ein damals neues Gebiet in der Musik. In Freiburg wurde seine Idee vom Fach Musikwissenschaft durch seinen Schüler Professor Dr. Wohlfarth weiter gereicht. Dieser war es auch, der zum 50. Geburtstag Hammersteins den Homunkulus »Momostra« erfand und zeichnete, eine im wahrsten Sinne »Kunstfigur«, geformt aus den Lieblingskomponisten seines Lehrers: Monteverdi (Spitzbart und Kragen), Mozart (Perücke) und Strawinski (Profil und Brille). 060 | 061 Professor Klaus Huber wurde 1924 in Bern geboren. Nach der Ausbildung am Lehrerseminar in Küsnacht und anfänglichem Schuldienst im Berner Oberland studierte er von 1947 bis 1955 in Zürich Violine bei Stefi Geyer (bis 1949) und Komposition zunächst bei Willy Burkhard, seinem Patenonkel und danach bei Boris Blacher in Berlin. 1959 hatte er als Komponist mit Des Engels Anredung an die Seele bei den Weltmusiktagen in Rom seinen internationalen Durchbruch. Von 1960 bis 1963 lehrte Klaus Huber Musikgeschichte am Konservatorium in Luzern, ab 1964 die Fächer Musiktheorie, Komposition und Instrumentation an der Musik-Akademie der Stadt Basel. Von 1973 bis 1990 hatte er schließlich eine Professur für Komposition an der Hochschule für Musik Freiburg inne. 1969 gründete er das Internationale Komponistenseminar Boswil in der Schweiz. Klaus Huber hat zahlreiche Preise erhalten, 1970 den Beethoven-Preis der Stadt Bonn, 2009 den Musikpreis Salzburg und den Ernst von Siemens Musikpreis. Er ist Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, der Akademie der Künste Berlin, der Freien Akademie der Künste Mannheim, Ehrenmitglied der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik IGNM und Ehrendoktor der Universität Straßburg. Zu seinen Schülern zählen u. a. Wolfgang Rihm und Brian Ferneyhough. Klaus Huber hat ein reiches und weitverzweigtes vokales wie instrumentales Werk geschaffen in dessen geistigem Zentrum der Mensch, der Kampf gegen das Unrecht und die Utopie einer gerechten Weltordnung stehen. In den vergangenen Jahren wendete er sich verstärkt dem Studium der arabischen Musik, deren harmonischer und melodischer Systematik zu, um sie für sein eigenes Schaffen fruchtbar zu machen. Hier zeigt sich einmal mehr sein kulturübergreifender kompositorischer Ansatz, der, ohne notwendigen Konfrontationen aus dem Weg zu gehen, die Integration der Abgrenzung vorzieht. Albrecht Meyerolbersleben, 85 Ludwig Doerr, 85 Professor Albrecht Meyerolbersleben wurde 1924 in eine musikalische Familie geboren – der Vater war Opernsänger und Musikprofessor – und studierte schon neben der Schule am Konservatorium Dresden das Fach Flöte. Nach Notabitur, Wehrdienst und Kriegsgefangenschaft studierte er Dirigieren und Klavier am Staatskonservatorium Würzburg und anschließend Gesang an der Musikhochschule Hannover. Als Flötist war er am Coburger Landestheater engagiert, dann als privater Assistent (Klavier) bei Professor K. Leonhardt (1947–1951). Seine Stationen als Bassist waren das Landestheater Hannover (1952–1957), die Städtischen Bühnen in Münster (1957–1959) und Gelsenkirchen (1959–1962) sowie die Vereinigten Bühnen Krefeld-Mönchengladbach (1962–1964). Als Dozent war er an der Mannheimer Musikhochschule von 1964 bis 1971 tätig, danach an der Hochschule für Musik in Freiburg bis 1976. Dort erfolgte die Berufung zum Professor und er unterrichtete bis 1994, zuletzt im Rahmen von Lehraufträgen. Professor Ludwig Doerr war einer der prägenden Lehrer an der Hochschule für Musik Freiburg. Über sich selber soll er gesagt haben: »Ein bisschen Ahnung von Kirchenmusik habe ich ja auch.« Nach 45 Jahren Dienst an Bischofskirchen ein verständliches Statement. 1925 in Speyer geboren studierte er an den Musikhochschulen in Köln und Stuttgart, u. a. bei Anton Nowakowski und Karl Marx. Sein Studium beendete er mit dem staatlichen A-Examen für Kirchenmusik und der Konzertreifeprüfung für Orgel. Beim internationalen Bach-Wettbewerb 1950 in Leipzig errang er den Bach-Preis. Seine beruflichen Stationen begannen 1952 als Domorganist am Kaiserdom zu Speyer mit gleichzeitiger Lehrtätigkeit am Bischöflichen Kirchenmusikalischen Institut Speyer und der Pädagogischen Hochschule in Landau und von 1964 bis 1970 auch der Hochschule für Musik in Saarbrücken. 1970 erhielte Ludwig Doerr den Ruf an die Hochschule für Musik Freiburg, wo er auch als Domorganist am Freiburger Münster wirkte. Seinen Bekanntheitsgrad verdankt er seiner Improvisationskunst und seiner stupenden Kenntnis des Bachschen Œuvres. Doerr setzte die von seinem Vorgänger Prof. Carl Winter gegründete »Reihe der alljährlichen Münsterkonzerte« in der jeweiligen Sommersaison fort. Bei seinen eigenen Konzerten faszinierte (und schockierte) er sein Publikum mit originellem Einsatz von Clustern (Cluster=Klanggebilde, dessen Töne nahe beieinander liegen; mehrere Nachbartasten werden gleichzeitig angeschlagen, sei es mit fünf Fingern, der Faust, der Handfläche oder dem Unterarm) beim Improvisieren. Im Bach-Jahr 1985 spielte er das gesamte Orgelwerk Bachs verteilt auf 16 Konzerte im Freiburger Münster. Zahlreiche Organisten, die aus seiner Orgelklasse hervorgingen, bekleiden nun einflussreiche kirchenmusikalische Ämter als Professoren, Domorganisten und Kantoren. 062 | 063 Martin Gotthard Schneider, 80 Eva Brinck-Hillemann, 80 Professor Martin Gotthard Schneider wurde 1930 in Konstanz geboren. Mit sechs Jahren erhielt er ersten Klavierunterricht und mit zehn Jahren komponierte er sein erstes Stück. Weil es im zweiten Weltkrieg in Konstanz kaum Cellisten gab, lernte er Cello, spielte zunächst im Schulorchester, dann bei Messen in Katholischen Kirchen und später zwangsverpflichtet von der französischen Besatzung in ad hoc zusammengestellten Orchestern. Später lernte er Orgel und begann, von der Kirchenmusik fasziniert, für Gottesdienste kleine Kantaten und Chormotetten zu komponieren. Nach dem Studium der Theologie und Kirchenmusik in Heidelberg, Tübingen und Basel wurde er Vikar in Heidelberg und später Religionslehrer am Kepplergymnasium in Freiburg (1960–1970). 1961 gründete er die Heinrich-Schütz-Kantorei in Freiburg. Seine Lehrtätigkeit an der Hochschule für Musik Freiburg begann 1962 mit Lehraufträgen, 1980 folgte die Berufung zum Professor (bis 1997). Von 1974 –1995 war er außerdem Kirchenmusikdirektor und Landeskantor der Evangelischen Landeskirche Baden. Mit seinen Kompositionen für den modernen Gottesdienst erntete er viele Preise – das Lied Danke (1961) war als bisher einziges Kirchenlied sechs Wochen lang in den Charts der deutschen Hitparade – aber natürlich auch Kritik. 1969 wurde seine Kantate Kraft der Armen bei den Donaueschinger Musiktagen uraufgeführt. Außerdem ist er Autor zahlreicher Publikationen. Professor Eva Brinck-Hillemann wurde 1930 in Odense/Dänemark geboren. Ihre Studien führten sie an die Musikakademie Wien und das Mozarteum in Salzburg wo sie auch ihre künstlerische Reifeprüfung ablegte. Engagements in Wien (Staatsoper), Bonn (Stadttheater), Hannover (Opernhaus) folgten Gast- und Stückverträge in Hannover, Köln, Hagen, Oberhausen, Bregenz (Festspiele), Wien (Volksoper), Venedig (La Fenice), Aix-en-Provence (Festspiele) und Salzburg (Festspiele). Zu Beginn der 70er Jahre gab sie verstärkt privaten Gesangsunterricht. Von ihrer Lehrtätigkeit (1974) als Gesangslehrerin am Königlichen Musikkonservatorium Kopenhagen wurde sie 1977 auf eine Gesangsprofessur an der Freiburger Hochschule berufen. Die nun folgenden Jahre (bis 1992) auch und gerade in der engen Zusammenarbeit mit Frau Professor Beata Heuer-Christen werden von ehemaligen Studierenden als eine sehr fruchtbare Ära beschrieben. Denn Frau Brinck-Hillemann war eine ausgewiesene Kennerin der Neuen Musik. Eine Reihe herausragender Sängerinnen und Sänger kamen aus Brinck-Hillemanns Klasse und geben nun ihrerseits das Erlernte weiter an die nachfolgenden Generationen. 064 | 065 Hans Musch, 75 Beata Heuer Christen, 75 Professor Dr. Hans Musch wurde 1935 in Sankt Leonhard bei Leutkirch im Allgäu geboren. Er studierte in Freiburg, Rom und München die Fächer Schulmusik, Katholische Kirchenmusik, Dirigieren, Musikwissenschaft, Klassische Philologie und Romanistik. Mit seiner Arbeit »Constanzo Festa als Madrigalkomponist« promovierte er 1967 bei Hans Heinrich Eggebrecht an der AlbertLudwigs-Universität Freiburg. An der Hochschule für Musik Freiburg wirkte er zunächst im Rahmen eines Lehrauftrages (1966–1970), dann als Hochschullehrer (bis 1980) und später (bis 2000) als Professor. Ungezählte Absolventen seiner Klasse sind als Organisten, Bezirks- und Landeskantoren, Lehrer an Gymnasien und auch Professoren an Musikhochschulen tätig. In seinen Schriften befasste er sich mit der Geschichte der Orgel- und Kirchenmusik. Als Herausgeber fungierte er beim Kompendium »Musik am Oberrhein« und beim zweibändigen Handbuch »Musik im Gottesdienst«. Sozusagen im Nebenamt war er als Erzbischöflicher Orgelinspektor tätig. Seine profunde Kenntnis der Geschichte des Orgelbaus, sowie der Restaurierung und Renovierung von Orgeln verdankt die Region eine Fülle von sachgerechten Erhaltungsmaßnahmen. Zu nennen ist dabei an prominenter Stelle die Rekon struktion der Johann-Andreas-Silbermann-Orgel in der Benediktinerkirche Villingen. Als Organist konzertierte er in Europa und den USA. Frau Professor Beata Heuer-Christen, Jahrgang 1935, studierte Gesang in Bern und Freiburg im Breisgau bei Professor Margarete von Winterfeld. Es folgte eine langjährige Tätigkeit als Konzertsängerin, mit Oratorien und Liederrezitals sowie bei Funk- und Fernsehaufnahmen in verschiedenen Ländern. Sie erhielt auch mehrere nationale und internationale Preise. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit lag in der Interpretation Neuer Musik, mit zahlreichen Uraufführungen unter der Leitung von Wolfgang Fortner, Hans Zender und Arturo Tamayo. Methodische Fortbildung erfuhr sie bei Kursen u.a. bei Professor Paul Lohmann und in Zusammenarbeit mit Kollegen an Hochschulen aus dem Bereich Körperarbeit für Sänger. Nach einer Dozentur an der Freiburger Hochschule (seit 1962) erfolgte ihre Berufung als Professorin (1980 bis 2005). Danach entwickelte sie eine rege Unterrichtstätigkeit mit Opern- und Konzertsängerinnen und -sängern bei Meisterkursen z.B. an der Hochschule für Musik Frankfurt a. M., der Landesakademie Baden-Württemberg in Ochsenhausen und in Wiesbaden oder mit Sängern der Theater in Basel, Bern, Zürich, Frankfurt a. M., Stuttgart oder Karlsruhe. Natürlich ist sie auch immer noch bereit, ihren ehemaligen Studenten den gesuchten Rat zu geben und ihr reichhaltiges Wissen weiter zur Verfügung zu stellen. Denn einer ihrer Merkund Leitsätze, nach denen sie sich selbst richtete und weiterhin lebt, lautet: Gesang will einen ganz! Dazu gehört eine fundierte Kenntnis in Stimmbildung, in Musik und Literatur, sowie ein kräftiger Schuss Psychologie. Sängerinnen und Sänger die jetzt an den großen Opernhäuser Europas arbeiten oder an Hochschulen tätig sind wurden von ihr zum Erfolg geführt. 066 | 067 Martin Hackbarth, 75 Gerd Heinz, 70 Professor Martin Hackbarth wurde 1935 in Pommern geboren. Nach einer Ausbildung zum Diakon hat er in Dresden Kirchenmusik (C) an der Kirchenmusikschule studiert und abgeschlossen. Seine Tätigkeit als Kantor in St. Egidien (Sachsen) brach er ab, um dem Leben in der damaligen DDR zu entfliehen. 1960 kam er nach Frankfurt a. M. wo er sich zunächst als Lagerarbeiter durchschlagen musste, bevor er an den Hochschulen von Detmold und Freiburg (bei Prof. Horst Günter) begann, Gesang zu studieren. Nach seinem Abschluss 1968 erhielt er zunächst einen Lehrauftrag an der Freiburger Hochschule, der dann 1974 in eine Festanstellung mündete. 1980 wurde Martin Hackbarth als Gesangsprofessor berufen. Die Festspielleitung von Bayreuth engagierten ihn jahrelang für den Festspielchor. Diesen Wirkungsbereich und seine Lehrtätigkeit die er »gerade mal« 30 Jahre lang an der Hochschule für Musik Freiburg ausübte, beendete er beide 1998 »vor der Zeit«. Professor Gerd Heinz wurde 1940 in Aachen geboren. Nach der Schulzeit studierte er Germanistik und Philosophie. Seine Lehr- und Wanderjahre als Schauspieler und Regisseur verbrachte er in Aachen, Kiel, Essen, Hamburg (Schauspielhaus) und Bochum. Von 1970 bis 1973 war er Schauspieldirektor in Darmstadt. Als freier Regisseur wirkte er am Thalia Theater Hamburg bei Boy Gobert, aber auch am Wiener Burgtheater, den Festspielen Hersfeld und dem Schauspielhaus Zürich. Er erhielt eine Dozentur an der Hamburger Hochschule für Musik und Darstellende Kunst. In den Jahren 1982 bis 1989 folgte die Intendantur am Schauspielhaus Zürich und die Verleihung des Skraub-Preises Wien (1988). Als freier Regisseur arbeitete er bis 1993 für Oper, Schauspiel und Film. Von 1993 bis 1997 war er am Theater Freiburg als leitender Regisseur des Musiktheaters und als Mitglied der Operndirektion tätig. 1997 erfolgte seine Berufung als szenischer Leiter der Opernschule an die Hochschule für Musik Freiburg, wo er bis zu seiner Emeritierung 2008 wirkte. Einen herausragenden Schlusspunkt setzte er mit seiner Inszenierung der Zauberflöte, außerdem erhielt er 2008 den ETA-Hoffmann-Preis Freiburg. Seiner Initiative ist es zu danken, dass das Institut für Musiktheater an der Hochschule installiert wurde, in dem die Opernschule nun eingebettet ist. Als Mitglied des Hochschulrates begleitete er die Geschicke der Hochschule von 2000 bis 2008. Operninszenierungen führten ihn seitdem an bedeutende Häuser wie das Residenztheater München, Stadttheater Bern, die Dresdner Semperoper und das Teatro Real in Madrid. Im Jahr 2010 wurde ihm der Publikumspreis Meiningen verliehen. Nebenbei spielte er die Rolle eines Pathologen in den Tatort-Krimis mit Kommissarin Lena Odenthal, schrieb Sprechertexte für u.a. Matrimonio Segreto von Cimarosa oder Roi Pausole von Honneger und bereiste Bühnen und Theater mit Lesungen, alleine oder mit Kollegen wie Charles Brauer oder dem Altphilologen Prof. Dr. Dr. h.c. Eckard Lefèvre. Die Freude an der Sprache, am Wort, ist ihm bei all seinen Unternehmungen immer anzumerken. 068 | 069 Carl Seemann 1910–1983 Am 8. Mai 2010 wäre der bedeutende Pianist, Lehrer und Rektor der Freiburger Musikhochschule (von 1964–1974) 100 Jahre alt geworden. Carl Seemann hat nicht nur die Klavierabteilung der Freiburger Hochschule aufgebaut und zu internationalem Ruhm verholfen, sondern auch wie kaum ein anderer in der Nachkriegszeit eine ganze Generation von jungen Pianisten ausgebildet und nachhaltig geprägt. Zahlreiche ehemalige Schüler wurden Professoren an deutschen und ausländischen Musikhochschulen, allein in Freiburg lehren noch heute die ehemaligen Schüler Michael Baumann, Andreas Immer, Michael Leuschner, und Hans-Peter Müller als Professoren. Seemann wurde in Bremen geboren, studierte in Leipzig Orgel (bei Günther Ramin) und Klavier (bei Carl Adolf Martienssen), lehrte dann zunächst in Kiel und Straßburg, ehe er 1946 Professor an der gerade gegründeten Freiburger Musikhochschule wurde. In den 50er Jahren errang er internationalen Ruhm als Interpret Bachs, der Werke der Klassik und besonders als Interpret der damals Neuen Musik (Strawinsky, Bartók, Hindemith, Fortner, Genzmer und zahllosen anderen Komponisten). Zusammen mit seinem Duopartner, dem Geiger Wolfgang Schneiderhan, bereiste er die ganze Welt und noch heute sind die wiedererschienen Aufnahmen der Beethoven- oder Brahms-Violinsonaten Maßstab setzende Interpretationen. Sein Interpretationsstil war durch die damals zeitgemäße Sachlichkeit und unbedingte Werktreue geprägt, die als Gegenreaktion auf die oft willkürliche und bisweilen extrem individualistische Spielweise der noch aus dem 19. Jahrhundert stammenden romantischen Pianisten zu verstehen war. Sparsamer Pedalgebrauch, ein öfter auch trockener und manchmal durchaus spröder Klang, ein unbedingt stabiles Tempo mit stets vorhandenem Blick für die Architektur des gesamten Werks ließen seine Interpretationen zu zeitlos gültigen Werkauslegungen werden. Muss man sich beim Wiederanhören etwa der gesamten Mozart-Sonaten zwar erst einmal in diese heute vergessene Klanglichkeit einhören, so fesselt doch nach kurzer Zeit Seemanns Sinn für das Wesentliche der Musik und sein Spiel erscheint als selbstverständlich und natürlich. Es verwundert nicht, dass die Zeit der großen Romantiker wie Chopin, Schumann oder Liszt nicht so sehr seine Welt war und entsprechend wenig Raum in seinem Repertoire einnahm, wohl aber Brahms, den er liebte und dessen frühe Sonaten, Klavierstücke oder das d-Moll Konzert er fesselnd zu spielen vermochte. Als Lehrer war Carl Seemann vor allem bei schüchternen asiatischen Studentinnen wegen seiner oft etwas rauen Art gefürchtet und so manche arme Studentin verließ den Unterricht in Tränen. Er erwartete denkende und selbstbewusste Studenten und konnte dann durchaus auch konträre Meinungen akzeptieren. Er war ein durch und durch kompetenter und unbestechlicher Musiker, mit einem ungetrübten Blick für das echte und ehrliche Musizieren. Sein anfeuerndes Mitbrummen beim Spiel der Studenten ist mir noch in deutlicher Erinnerung und ich bin persönlich Carl Seemann noch immer sehr dankbar für ganz entscheidende Impulse. Nach seiner Emeritierung widmete er sich wieder mehr der Konzertkarriere, die besonders während seiner Zeit als Rektor der Hochschule oft etwas zu kurz gekommen war. Als Juror war er stets bei Wettbewerben sehr gefragt und sein plötzlicher Tod im November 1983 – übrigens nur wenige Stunden vor dem tragischen Tod auch seiner Nachfolgerin an der Freiburger Hochschule, der unvergessenen spanischen Pianistin Rosa Sabater, bei einem Flugzeugabsturz nahe Madrid – wirkte wie ein Schock auf seine Familie, die ehemaligen Schüler und die gesamte Hochschule. Allen, die ihn persönlich kannten oder seine Interpretationen heute noch hören, wird er immer als bedeutender Musiker und prägender Pädagoge in Erinnerung bleiben. Prof. Michael Leuschner 070 | 071 Verabschiedung in den Ruhestand Kurz gemeldet Prof. Betty Vergara Pink – Klavier Betty Vergara-Pink wurde in Sydney geboren. Nach Klavierstudien am Melbourne University Conservatorium setzte sie ihr Studium an der Musikhochschule Freiburg fort und wurde Meisterschülerin von Carl Seemann (Klavier) und Helmut Barth (Klavierkammermusik). Betty Vergara-Pink ist Preisträgerin zahlreicher australischer Klavierwettbewerbe. Konzertreisen führten sie als Solistin und Kammermusikerin nach Australien, Asien und Europa. Von 1971 bis 1975 war sie Lehrbeauftragte für Klavier in Freiburg und ab 1976 Professorin an der University of Brisbane und hatte eine Gastprofessur (1988) in Matsusaka, Japan. 1993 beendete sie ihre Lehrtätigkeit in Brisbane und folgte einer Berufung als Professorin für Klavier an die Musikhochschule Freiburg bis 2010. Bei ihrem bemerkenswerten Abschiedskonzert am 20.4.2010 spielten mit ihr und für sie Kollegen, Schüler und Alumni. Tilman Krämer Tilman Krämer, Dozent für Klavier, wurde für seine Einspielung der Sonaten op. 1 und op. 2 sowie des Scherzos op. 4 von Johannes Brahms, die beim Label »Coviello classics« erschienen ist, mehrfach ausgezeichnet. Die Aufnahme erhielt neben dem »Supersonic Award« des europäischen Musikmagazins »Pizzicato« (Luxembourg) die Höchstwertung in der Tageszeitung »Die Welt« und wurde auf NDR Kultur als »CD der Woche« prämiert. Zudem wurde die CD für den »Preis der deutschen Schallplattenkritik« nominiert. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Prof. Helmut Deutsch Prof. Helmut Deutsch wurde in die Jury eines der weltweit renommiertesten Orgelwettbewerbe berufen: »St Albans International Organ Competition«. Der Wettbewerb findet im Juli 2011 zum 26. Mal statt. Er wurde 1963 von dem international bekannten Konzertorganisten und damaligen Titular der St Albans Cathedral Peter Hurford gegründet und ist Teil des ältesten bestehenden Festivals seiner Art weltweit. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Prof. Vitali Berzon – Klavier Vitali Berzon wurde 1945 in Joschkar-Olga (Wolga) geboren und erhielt den ersten Klavierunterricht im Alter von drei Jahren. Mit sieben Jahren wurde er in die Spezialschule für Musik am Rimski-Korssakow-Konservatorium im damaligen Leningrad aufgenommen. Mit 14 Jahren gab er sein Debut und spielte zahlreiche Konzerte in der ganzen Sowjetunion. Nach seinem Studium am St. Petersburger Konservatorium 1966 studierte er Komposition bei den Professoren Sawschinski, Nielsen und Flier. 1965 gewann Vitali Berzon den nationalen Klavierwettbewerb in Moskau, 1967 wurde er Preisträger des Long-Thibaut-Wettbewerbs in Paris und erhielt außerdem den Sonderpreis für die beste Interpretation eines zeitgenössischen Werkes. Seine internationale Karriere wurde jedoch durch ein Ausreiseverbot unterbrochen. In den folgenden Jahren spielte Vitali Berzon als Solist der Leningrader Kammerphilharmonie und wurde deren Künstlerischer Leiter. Er arbeitete mit vielen bedeutenden Orchestern der damaligen Sowjetunion, mit Dirigenten wie Kondraschin, Jansons, Temirkanov und Dmitriew und wurde zu einem der populärsten und gefeiertsten Künstler seiner Heimat. 1986 wurde er mit dem Ehrentitel »Verdienter Künstler Rußlands« ausgezeichnet. Nachdem 1990 sein Reiseverbot im Rahmen der Reformen Gorbatschows aufgehoben wurde, unternahm Berzon Konzertreisen nach Finnland, Deutschland, Österreich, Italien, Norwegen, Schweden, in die Schweiz und die Niederlande und spielte u. a. in der Züricher Tonhalle, dem Berliner Schauspielhaus, dem Leipziger Gewandhaus und dem Amsterdamer Concertgebouw. Vitali Berzon unterrichtete am St. Petersburger Konservatorium sowie an der Sibelius-Akademie in Helsinki. Seit 1995, also 15 Jahre lang, war er Professor an der Hochschule für Musik in Freiburg. Mit einem Lehrauftrag wird er seinen Unterricht für die Studierenden bis zu deren Abschluss weiter führen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kaija Saariaho Die finnische Komponistin Kaija Saariaho erhält den mit 600.000 Kronen (rund 80.000 €) dotierten Léonie-Sonning-Musikpreis. Das dänische Preiskomitee betonte, dass die Komponistin »eine der herausragenden zeitgenössischen Komponisten« sei. Kaija Saariaho wurde 1952 in Finnland geboren und lebt seit 1982 in Paris. Sie studierte Komposition bei Paavo Heininen an der Sibelius Akademie in Helsinki und später an der Musikhochschule Freiburg bei Brian Ferneyhough und Klaus Huber, wo sie 1983 ihr Diplom erhielt. Der Leonie-Sonnig-Preis wird seit 1959 verliehen. Vergangene Preisträger waren unter anderem der estnische Komponist Arvo Pärt, der Dirigent Daniel Barenboim sowie der Cellist Yo-Yo Ma. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Prof. Martin Schmeding, Professor für Orgel an der Hochschule für Musik Freiburg, wurde als »Instrumentalist des Jahres« mit dem Echo Klassik 2010 ausgezeichnet. Seine Einspielung der Goldberg-Variationen von Joh. Seb. Bach an der historischen Silbermann-Orgel der Dresdener Hofkirche beim Düsseldorfer Label Cybele erhält damit eine der bedeutendsten weltweiten musikalischen Auszeichnungen. Weitere Preisträger sind u.a. Tabea Zimermann, Albrecht Mayer und Lang Lang. 072 | 073 Prof. Bernhard Wulff erhielt für seine Verdienste um die mongolische Kultur die Ehrendoktorwürde der Universität von Ulan Bator und wurde von der mongolischen Regierung zum Kulturbotschafter der Mongolei ernannt. Bernhard Wulff, der die Schlagzeugklasse der Hochschule für Musik Freiburg und das Freiburger Schlagzeugensemble leitet, tritt seit Jahren mit sparten- wie kulturenübergreifenden Projekten hervor. Hochschulratspreis 2010 im Fach Streicher-Duo Da die Qualitätsdichte der 8 angetretenen Duos so eng war, entschloss sich die Jury keinen ersten Preis zu vergeben, sondern zwei Preise und einen dritten Preis. Den 3. Preis in Höhe von 1000 € erhielt • das Duo Siping Wang – Viola (Klasse Prof. Sylvie Altenburger) und Tong Zhang – Violoncello (Klasse Prof. Adriana Contino) Die anderen Preise in Höhe von je 2000 € gingen an: • das Duo Sebastian Keim – Kontrabass (Klasse Prof. Božo Paradžik) und Alexander Vay – Violoncello (Klasse Prof. Martin Ostertag, Hochschule für Musik Karlsruhe) • Duo Susanne Schmidt – Violine (Klasse Prof. Rainer Kussmaul) und Gideon Wieck – Viola (Klasse Prof. Wolfram Christ) ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Aus dem hochschulinternen Auswahlverfahren zum Hochschulwettbewerb 2010 für die Fächer Akkordeon und Oboe am Freitag, 29. Januar 2010 gingen als Preisträger hervor: 1. Preis, Carl-Seemann-Preis 1.000 € Volodymyr Oliynyk Akkordeon, Klasse Prof. Teodoro Anzellotti 2. Preis 400 € Julia Büttner Oboe, Klasse Prof. Hans Elhorst 3. Preis 250 € Julia Hantschel Oboe, Klasse Prof. Hans Elhorst ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Musik-Preis der Museumsgesellschaft Freiburg 2010 Im 6. Wettbewerb um den Musik-Preis der Museumsgesellschaft Freiburg für Studierende im Fach Orgel an der Hochschule für Musik Freiburg vergab die Hochschul-Jury am 13. Juli 2010 in der Ludwigskirche folgende Auszeichnungen. Von den sechs im Fach Interpretation teilnehmenden Organisten erhielten Johannes Sieber (Klasse Prof. Helmut Deutsch) den mit 800 € dotierten 1. Preis und Christian Drengk (Klasse Prof. Martin Schmeding) den mit 600 € dotierten 2. Preis. Von den drei Organisten, die im Fach Improvisation angetreten waren, erhielt Sebastian Küchler-Blessing (Klasse Prof. Karl-Ludwig Kreutz) den mit 1000 € ausgestatteten Musikpreis 2010. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Im Rahmen eines feierlichen Preisträgerkonzertes wurde am 29. 4. 2010 der Gustav-Scheck-Preis 2009 verliehen. Der mit 5.000 € dotierte Förderpreis der Commerzbank-Stiftung ist nach dem Gründungsrektor der Freiburger Musikhochschule benannt. Preisträger sind Manfred Plomer Bariton, Klasse Prof. Reginaldo Pinheiro und das Klarinettenquintett Julien Laffaire Klarinette Klasse Prof. Jörg Widmann | Virgile Demillac Violine Klasse Prof. Magdalena Rezler, Anne Schinz Violine Klasse Prof. Rainer Kussmaul | Jan Melichar Viola Klasse Prof. Wolfram Christ | Eva Catharina van Ooij Cello Klasse Prof. Christoph Henkel ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Jérémie Abergel (KA Flötenklasse Prof. Felix Renggli) hat den 3. Preis beim internationalen Domenico Cimarosa Flötenwettbewerb in Aversa, Italien gewonnen. Die Ergebnisse der FAB-VorstudentInnen beim Bundeswettbewerb Jugend Musiziert vom 21.–28. Mai 2010 in Lübeck Solowertung Violine Milena Wilke (Klasse Prof. Rainer Kussmaul): Altersgruppe III, 24 Punkte (1. Preis) Caroline Frey (Klasse Prof. Muriel Cantoreggi): Altersgruppe IV, 23 Punkte (2. Preis) Felicitas Frey (Klasse Prof. Gottfried von der Goltz): Altersgruppe V, 25 Punkte (1. Preis) Solowertung Viola Shih-Yu Tang (Klasse Prof. Sylvie Altenburger): Altersgruppe IV, 22 Punkte (2. Preis) Solowertung Kontrabass Heike Schäfer (Klasse Prof. Božo Pardžik): Altersgruppe V, 24 Punkte (1. Preis) Wertung Klavier-Kammermusik (Vorbereitung: Prof. Sylvie Altenburger) Shih-Yu Tang Klavier (Prof. Pi-hsien Chen), Felicitas Frey Violine (Prof. Gottfried von der Goltz), Caroline Frey Violine (Klasse Prof. Muriel Cantoreggi), Mara Zickgraf Viola, Nina Behrends Violoncello: Altersgruppe IV, 23 Punkte (2. Preis) Wertung Duo Klavier und ein Blechblasinstrument (Vorbereitung: Prof. Anthony Plog und Prof. Christoph Sischka) Tobias Bockstahler Trompete (Prof. Anthony Plog) und Daniel Reith Klavier (Prof. Christoph Sischka): Altersgruppe VI, 23 Punkte (2. Preis) Wertung Ensemble »Alte Musik« (Vorbereitung: Prof. Agnes Dorwarth) Felicitas Eckert und Luisa Spindler Blockflöte, Daniel Reith Cembalo (Prof. Christoph Sischka, Cembalounterricht: Michael Behringer): Altersgruppe IV, 22 Punkte (2. Preis) ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Désirée Arnet aus der Gesangsklasse von Prof. Dorothea Wirtz, hat den Studienpreis beim Gesangswettbewerb des Migros-Kulturprozentes gewonnen. Dies ist ein Stipendium für ein Jahr. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Anna-Victoria Baltrusch (Stud. Kirchenmusik B, Orgelklasse Prof. Martin Schmeding) wurde beim Deutschen Musikwettbewerb vom 15.–27. März 2010 in Bonn mit einem Stipendium und der Aufnahme in die Reihe »Konzerte junger Künstler« des Deutschen Musikrats ausgezeichnet. Dies ist nach dem Gewinn des Internationalen Bach-Wettbewerbes Wiesbaden im Oktober 2009 bereits ihr zweiter Wettbewerbserfolg innerhalb eines Semesters. Sie wurde auch als Stipendiatin in das Evangelische Studienwerk Villigst, die Begabtenförderung der evangelischen Kirche in Deutschland, aufgenommen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Mark Barden (Student in der Kompositionsklasse von Prof. Jörg Widmann / prof. mathias spahlinger) erhält einen von zwei Stipendienpreisen der Akademie der Künste in Berlin. Der Preis beinhaltet einen dreimonatigen Aufenthalt in Berlin, 5000 € und ein Konzert in der Akademie der Künste. Mit seinem neuen Werk leggiero furioso ist er zum Internationalen Musikfestival Heidelberger Frühling eingeladen. Dort wird das Stück für Kontrabass solo im Rahmen des Heidelberger Ateliers (ein Forum für junge Komponisten europäischer Musikhochschulen) am 26.3. von Peter Schlier (Kontrabassist beim Münchner Rundfunkorchester) uraufgeführt. 074 | 075 Ekaterina Kaukalina (KA/ML Flötenklasse Prof. Felix Renggli) hat den 2. Preis beim Internationalen Domenico Cimarosa Flötenwettbewerb in Aversa, Italien gewonnen. Beim XVII. International Music Competition »Vittoria Caffa Righetti Prize« in Cortemilia/Italien gewann der Pianist Sebastian Bausch in der Kategorie bis 23 Jahre mit 90 Punkten den 2. Preis. Er studiert in der Klasse von Prof. Christoph Sischka. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Sebastian Küchler-Blessing (Kirchenmusik B, Klasse Orgelimprovisation: Prof. Karl-Ludwig Kreutz) erhielt beim 3. Westfälischen Wettbewerb für Orgelimprovisation (13.–14. November 2009) den Publikumspreis zugesprochen. Dies ist bereits die dritte Auszeichnung bei einem internationalen Improvisationswettbewerb innerhalb eines Jahres für Sebastian Küchler-Blessing. Felix Benkartek (Studierender Schulmusik 5. Semester, Klavier Bachelor 3. Semester bei Prof. Andreas Immer) wurden als Stipendiaten in die Bischöfliche Studienförderung der katholischen Kirche (Cusanus-Werk) aufgenommen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Jan Esra Kuhl wurde als Stipendiat in die Bischöfliche Studienförderung der katholischen Kirche (Cusanus-Werk) aufgenommen. Anja Bihlmaier, Absolventin 2006 der Dirigierklasse Prof. Scott Sandmeier, übernimmt zum Beginn der Spielzeit 2010/11 die Stelle als 2. Kapellmeisterin und Assistentin des GMD der Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Das Orgelwerk »Stumme Schreie« (2009) von Jan Esra Kuhl wird im Rahmen des Internationalen Orgelfestivals Haarlem am 23. Juli 2010 uraufgeführt. Er schrieb das Stück im Rahmen des Unterrichtes in der Hauptfachklasse Musiktheorie. Jan Esra Kuhl begann das Studium der Kirchenmusik 2008 an der Hochschule für Musik Köln. Seit Sommersemester 2009 ist er Student an der Hochschule für Musik Freiburg: Kirchenmusik (Orgel-Literaturspiel bei Prof. Martin Schmeding, Orgel-Improvisation bei Prof. Karl-Ludwig Kreutz) und Musiktheorie (Prof. Otfried Büsing), ab SS 2010 auch Komposition (Prof. Jörg Widmann). Raphael Bürkle, Student der Freiburger Akademie zur Begabtenförderung (FAB), Orgelklasse Prof. Martin Schmeding, wurde beim Händel-Jugendwettbewerb 2009/10 der Internationalen Händelgesellschaft Karlsruhe mit einem 1. Preis ausgezeichnet. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Beim 4. Bertold-Hummel-Wettbewerb, der vom 27.–29. November in Regensburg im diesjährigen Instrumentalfach Orgel ausgetragen wurde, war der Student des Fachbereichs Kirchenmusik Christian Drengk (Kirchenmusik B, Orgelklasse Prof. Martin Schmeding und BA Klavier Klasse Prof. Gilead Mishory) erfolgreich und erhielt den 2. Preis. Außerdem wurde Christian Drengk nach einem mehrstufigen Auswahlverfahren als Stipendiaten in die Studienstiftung des Deutschen Volkes aufgenommen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Johannes Lang Student der Kirchenmusik (Orgelklasse Prof. Martin Schmeding und BA Cembalo, Klasse Prof. Dr. Robert Hill) gewinnt als Jüngster den 1. Preis beim 2. Internationalen Buxtehude-Orgelwettbewerb in Lübeck. Johannes Lang wurde auch nach einem mehrstufigen Auswahlverfahren als Stipendiaten in die Studienstiftung des Deutschen Volkes aufgenommen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Annette Fabriz (Studentin der Freiburger Akademie zur Begabtenförderung, Orgelklasse Prof. Martin Schmeding) wurde beim 1. Heidelberger Orgelwettbewerb für junge Organistinnen und Organisten in der höchsten Altersgruppe mit dem 1. Preis ausgezeichnet. Anne Cecil Litolf (Absolventin SS 2008 der Klavierklasse Prof. Vitali Berzon) hat beim 14. Internationalen Wettbewerb »Pro Piano-Rumania« vom 15.–20. Juni 2010 in Bukarest den ersten Preis errungen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Maryam Haiawi (Studierende Kirchenmusik B, Orgelklasse Prof. Martin Schmeding und ML Klavier, Klasse Prof. Christoph Sischka) wurde als Stipendiatin in die Bischöfliche Studienförderung der katholischen Kirche (CusanusWerk) aufgenommen. Marius Mack, Student 2. Sem. BA Kirchenmusik und Schulmusik (Orgelklasse Prof. Martin Schmeding), wurde beim »2. Internationalen Daniel Herz Orgelwettbewerb Brixen/Italien« mit dem 1. Preis ausgezeichnet. Der Wettbewerb fand Anfang September an der großen Orgel des Brixener Doms vor einer international hochkarätig besetzten Jury statt. Zugelassen waren Teilnehmer bis zum Alter von 40 Jahren. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Beim Internationalen Klavierwettbewerb Vila de Capdepera/Mallorca hat Aleksandra Jablczynska (Klasse Prof. Elza Kolodin) den 1. Preis in ihrer Altersgruppe gewonnen. Beim Internationalen Wettbewerb 10. Münchner Klavierpodium der Jugend (1.–4. Juli 2010) wurde sie mit mehreren Preisen ausgezeichnet, u.a. mit Konzerten in Wien und Deutschland. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Nobuaki Matsumoto (Klavierklasse Prof. Michael Leuschner) erhielt ein Diplom beim 29. Intenationalen Piano Competition Delia Steinberg in Madrid und hat beim 11. Internationalen Klavierwettbewerb »Citta di Rocchetta« in Italien einen 1. Preis gewonnen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Young Eun Jang, Absolventin Orgelklasse Prof. Helmut Deutsch, wurde beim Concours international pour orgue de St. Maurice mit dem 2. Preis und für die beste Bachinterpretation ausgezeichnet. Der renommierte Wettbewerb wurde vom 12. bis 22. August 2009 in St-Maurice d’Agaune im Wallis, Schweiz, durchgeführt. Der 2. Preis ist mit 6.000 Franken dotiert, der Sonderpreis für die beste Interpretation der Werke von J.S.Bach mit 2.000 CHF. Andru Matuschka (*1996), Jung-Student der Freiburger Akademie zur Begabtenförderung in der Kompositionsklasse Prof. Cornelius Schwehr, erhält den Kulturhoffnungspreis der Europäischen Kulturstiftung. Der Preis wird am 13. Juni 2010 in Baden-Baden verliehen. 076 | 077 Neu engagiert Alexander Niehues (Student Kirchenmusik Master, Orgelklasse Prof. Martin Schmeding) wurde mit dem Kulturstipendium der Gesellschaft »Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz« ausgezeichnet. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Volodymyr Oliynyk (Akkordeon-Klasse Prof. Teodoro Anzellotti) erhielt beim 58. Deutschen Hochschulwettbewerb einen von drei mit 600 € dotierten Förderpreisen. Der Wettbewerb fand vom 14. bis 18. Mai 2010 in Trossingen statt. Die Jury vergab im Fach Akkordeon zwei 2. Preise, ein erster Preis wurde nicht vergeben. Matthias Maierhofer, Absolvent der Solistenklasse Orgel, Klasse Prof. Martin Schmeding, wurde zum Sommersemester 2010 als hauptamtlicher Dozent für Orgel (Künstlerisches und liturgisches Orgelspiel) an die Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy« Leipzig berufen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Jun-Byung Park (Klasse Prof. Klemens Schnorr) wurde beim 4. Internationalen Valeri-Kikta-Wettbewerb für Orgel-Interpretation in Moskau mit dem 3. Preis ausgezeichnet. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Bereits im November 2009 begann David Mesquita als Dozent für Musiktheorie an der Folkwang Universität Essen. Er hatte 2000–2005 in Freiburg Dirigieren bei Hans Michael Beuerle und Musiktheorie bei Otfried Büsing studiert. Danach erfüllte er bis WS 09/10 Lehraufträge für Musiktheorie an der Musikhochschule Freiburg und an der Musikhochschule Trossingen. Beim 4. Bertold-Hummel-Wettbewerb, der vom 27.–29. November 2009 in Regensburg im diesjährigen Instrumentalfach Orgel ausgetragen wurde, erhielt der Student des Fachbereichs Kirchenmusik Johannes Sieber (Kirchenmusik B, Orgelklasse Prof. Helmut Deutsch) den 3. Preis. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Anya Muminovich (Violinklasse Prof. Rainer Kussmaul und Violaklasse Prof. Wolfram Christ) wird zur Saison 2010/11 ihre Stelle als stellvertretende SoloBratschistin bei der Staatskapelle Dresden antreten. Sie studiert derzeit im 9. Semester im Studiengang künstlerische Ausbildung (KA). Beim XVII. International Music Competition »Vittoria Caffa Righetti Prize« in Cortemilia/Italien gewann der Pianist Dominik Stadler (Vorstudent in der Freiburger Akademie zur Begabtenförderung bei Prof. Christoph Sischka) in der Alterskategorie bis 19 Jahre mit 100 von 100 möglichen Punkten den 1. Preis. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Moeka Sugiyama (Klavierklasse Prof. Michael Leuschner) erhielt sowohl den Vincenzo Vitale Preis als jüngste Finalistin sowie auch den Ninetta Mangoni Preis als beste weibliche Finalistin beim 7. Sigismund Thalberg Wettbewerb in Neapel. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Peter Pudil, Absolvent der Klasse Prof. Božo Paradžik (KA, Juli 2009), wird Solokontrabassist im Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim. Nach erfolgreichem Probespiel und Probeprojekten im Herbst 2009 tritt er seine neue Stelle ab März 2010 an. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Christoph Waltle (Student in der Gesangsklasse Prof. Reginaldo Pinheiro) errang beim Gesangswettbewerb der Opernakademie Baden-Baden einen vierten Preis. Manuel Schattel aus der Kontrabassklasse Prof. Božo Paradžik (9. Semester KA) erhält zum Herbst 2010 eine Festanstellung als Kontrabassist beim Staatstheater Stuttgart. Er studierte zuerst an der FAB und seit 2006 im Studiengang Künstlerische Ausbildung bei Prof. Božo Paradžik. Siping Wang (Student in der Violaklasse Prof. Sylvie Altenburger) erhielt beim Viola-Wettbewerb im Rahmen des Festivals »Weingartner Musiktage Junger Künstler« den 3. Preis. Nagisa Shibata aus der Schlagzeugklasse Prof. Bernhard Wulff tritt zum Beginn der Spielzeit 2010/11 ihre Stelle als Schlagzeugerin im Orchester der Oper Frankfurt an. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Myeongjin Yeo (Klasse Prof. Klemens Schnorr) hat beim 3. Internationalen Orgelwettbewerb von Faiano (Italien) den Preis des Publikums gewonnen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Doesjka van der Linden (Klasse Kirsten Ecke) ist ab Januar 2011 als Soloharfenistin an das Staatliche Ballett- und Opernorchester Samsun (Türkei) berufen worden. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Il Hong – Baß (Gesangsklasse Prof. Markus Goritzki) hat nach seinem Engagement im Studio an der Bayerischen Staatsoper München ab der nächsten Spielzeit ein festes Engagement am Landes Theater Detmold. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Die 14jährige Hao Zi Yoh aus der Klavierklasse Prof. Elza Kolodin in der Freiburger Akademie zur Begabtenförderung erhielt beim 10. Internationalen EPTA-Wettbewerb Belgien den ersten Preis in ihrer Altersgruppe. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Das Schlagzeugensemble der Musikhochschule realisiert im September im Auftrag der Crespo-Foundation ein Projekt für Frankfurter Schulen mit sozialem Brennpunkt. Max Riefer, Schlagzeugklasse Prof. Bernhard Wulff, übernimmt eine einjährige Lehrstuhlvertretung am Conservatorio Lugano, Schweiz und wird als Koordinator im September für Mehrklang Freiburg den Freiburger Beitrag im deutschlandweiten Sounding D Projekt betreuen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Das Freiburger Schlagzeugensemble der Musikhochschule auf Reisen: nach Konzertreisen im ersten Halbjahr 2010 zu Festivals in Vietnam, Indonesien, Ukraine und in die Mongolei, erhielt das Schlagzeugensemble weitere Einladungen zu Festivals in Lemberg, Ukraine im August 2010 und Baku, Azerbaijan im April 2011. 078 | 079 Vanja-Therese Lagnes, Absolventin der Orgelklasse Prof. Helmut Deutsch, erhält die hauptamtliche Kantorenstelle der evangelischen Kirche in Tjöme/ Südnorwegen. Sie war zum Wintersemester 2005/06 als Erasmus-Studentin an die Freiburger Musikhochschule gekommen. Sie tritt ihre Stelle am 15. März 2010 an. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Carolin Neukamm, Gesangsklasse Prof. Angela Nick, erhielt am Staatstheater am Gärtnerplatz in München einen Zwei-Jahres-Vertrag als Solistin für die Spielzeit 2010/11 – parallel zu ihrem Stückvertrag am Staatstheater in Darmstadt. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Karolin Pöche, Absolventin des Studiengangs Kirchenmusik A (Orgel: Prof. Martin Schmeding, Liturgisches Orgelspiel/Improvisation: Prof. Carsten Klomp, Dirigieren: Prof. Morten Schuldt-Jensen), wurde als Kantorin an die ev. Ludwigskirche Freiburg im Rahmen des evangelischen Stadtkantorats berufen. 074 | 081 TEXTE Markus Bohlen Beobachtungen zur Motette der Ars Antiqua am Beispiel von »Mout me fout grief – Robin m’aime – Portare« Die Motette entstand im Rahmen der Pariser Notre-Dame-Schule wohl um 1200 nach Christus und konnte sich im Laufe der folgenden 100 Jahre zur Hauptgattung einer ganzen Epoche entwickeln und dabei die älteren Gattungen Organum, Klausel und Conductus in den Hintergrund treten lassen. Wie erklärt sich der große Erfolg dieser neuen Gattung? Es scheint, als habe sie den Komponisten viele interessante neue Möglichkeiten geboten. Um verstehen zu können, was das Besondere und Neue an der Motette war, ist es wichtig, zunächst kurz auf ihre vermutliche Entstehungsgeschichte einzugehen und anschließend einen kleinen Überblick über die verschiedenen Ausprägungen der Gattung und somit über die Möglichkeiten zu bekommen, die sich beim Komponieren einer Motette boten. Anschließend werden einzelne Aspekte am Beispiel der Motette (297) Mout me fout grief – (298) Robin m’aime – Portare (M22)1 verdeutlicht. Die Motette als Entwicklung der Klausel? Die frühesten Aufzeichnungen von Motetten stammen aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Sie sind in den Handschriften erhalten, die den Magnus Liber Organi de Gradali et Antifonario überliefern, hauptsächlich jedoch in F und W2, so benannt nach ihren heutigen Aufbewahrungsorten Florenz und Wolfenbüttel.2 Diese beiden Handschriften sind um das Jahr 1250 zu datieren, allerdings sind es Sammlungen von Stücken, die 30 bis 70 Jahre früher entstanden. Auch die zwei Traktate, die über die Entstehung des Magnus Liber berichten,3 entstanden so viel später, dass man für die einzelnen Kompositionen kein genaues Entstehungsjahr feststellen kann. Nach der klassischen Enstehungshypothese, von Wilhelm Meyer 1898 ent wickelt, entstand die Motette »durch die Tropierung melismatischer Passagen in den Choralvertonungen der Notre-Dame-Schule«.4 Friedrich Ludwig konnte durch sein 1910 erschienenes Repertorium des Notre-Dame-Repertoires zeigen, dass viele Motetten in der Tat melodisch und rhythmisch weitgehend identisch mit den Klauseln5 aus dem Magnus Liber sind. Seitdem bildet die Theorie, die Motetten seien aus textlichen Tropierungen der Oberstimmen von Klauseln entstanden, die in der Literatur am häufigsten anzutreffende und bis heute 1 082 | 083 Die Nummerierung der Klauseln und Motetten geht hierbei zurück auf Ludwig, Friedrich: Repertorium Organorum Recentioris et Motetorum Vetustissimi Stili, 2. erweiterte Auflage hrsg. von Dittmer, Luther A. (Halle: Niemeyer, 1968) 2 Es handelt sich um vier Handschriften: W1 (Wolfenbüttel: Herzog-August-Bibliothek, 628), F (Florenz: Biblioteca Medicea Laurenziana, Plut. 29.1), W2 (Wolfenbüttel: Herzog-August-Bibliothek, 1099) und Ma (Madrid: Biblioteca Nacional, Ms. 20486), vgl. Eggebrecht, Hans Heinrich: Musik im Abendland, Prozesse und Stationen vom Mittelalter bis zur Gegenwart (München: Piper, 72008), S. 103ff. 3 Johannes de Garlandia: De mensurabili musica (um 1240, überliefert von Hieronymus de Moravia, in: Tractatus de musica gegen Ende des 13. Jahrhunderts) und der Musiktraktat des Anonymus 4 (um 1280), siehe Eggebrecht (72008), S. 106 4 Kügle, Karl: Art. Motette Teile A, B I-III, in: MGG2, Sachteil 6 (Kassel u. a: Bärenreiter, 1997), Sp. 500 5 Klauseln sind Ersatzkompositionen zu Discantus-Partien der Choralbearbeitungen der Notre-Dame-Schule. Das heißt ein meist melismatischer präexistenter Tenor wurde ordiniert und es wurde anschließend mindestens eine Oberstimme dazu geschrieben. Über einem bestimmten Choralabschnitt gibt es so oft mehrere verschiedene zwei- bis vierstimmige Vertonungen. Diese konnten dann anstelle des überlieferten Repertoires aufgeführt werden. »allgemein anerkannte Entstehungshypothese«.6 Auch die Thematik der Motettentexte deutet in diese Richtung. So dürfte also durch Tropierung von Klauseln erst die lateinisch-geistliche Motette entstanden sein, die sich dann in einem zweiten Schritt durch Kontrafaktur, also Neutextierung, zur französischen oder weltlichen Motette wandelte.7 parallelen Quinten abwärtslaufen. Zudem integrieren Tenor und Motetus die Sequenz auch in die Tonverläufe und nehmen ihre kurzen Tonfolgen jeweils einen Ton tiefer wieder auf. Interessanterweise nimmt das Triplum auch hier die Sequenz der Stützklänge auf, verzichtet auf sie jedoch auf melodischer Ebene.11 Das Kunstverständnis des Mittelalters und seine Auswirkungen auf die Motettenkomposition Für weitgehend textlose Stücke haben Zahlen, Proportionen und Symmetrien eine große strukturelle Bedeutung. Die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Stimmen können diese inneren Strukturen entweder verdeutlichen oder auch verschleiern. So gibt Mark Everist in French Motets in the Thirteenth Century (1994) als erstes Notenbeispiel mit der Klausel Docebit (M26) ein Stück an, dessen Tenor ein Mal vollständig wiederholt wird, wodurch es in zwei Teile geteilt wird. Interessanterweise weicht der Komponist jedoch die Symmetrie auf, indem er im zweiten Durchgang den Tenor anders ordiniert als im ersten. Damit wird dieser Teil etwas länger als der erste. Auch in den Oberstimmen gibt es Wiederholungen, die teilweise mit der Wiederholung des Tenors übereinstimmen. Die Phrasen von Duplum und Triplum überlappen hierbei meist, so dass ein kontinuierlicher Klangfluss entsteht. Nur in der Mitte des ersten Tenordurchgangs und bei Wiederholungen pausieren sie plötzlich gleichzeitig, was ein klares Hervorheben des formalen Aufbaus des Stücks bedeutet.8 Auch durch das Verhalten der Oberstimmen kann Struktur entstehen. Es gibt Motetten, bei denen sich die beteiligten Oberstimmen nahezu gleich verhalten. Ein besonders deutliches Beispiel können hier die so genannten »Conductus-Motetten« geben.9 Denkt man etwa auch an Perotins vierstimmiges Organum Viderunt Omnes, wird deutlich, wie stark rhythmisch gleich verlaufende Stimmen mit gemeinsamen Zäsuren ein Stück strukturieren. Der Wert eines Artefaktes, ob musikalischer, poetischer oder darstellender Art, maß sich im gesamten Mittelalter nicht in erster Linie an dessen Originalität, sondern vor allem an der Art, wie mit präexistentem Material umgegangen wurde und mit welcher Kunstfertigkeit Bekanntes in neue Kontexte gesetzt wurde.12 Ein ›Com-ponist‹ einer Motette galt im Sinne des Wortes als ›Zusammen-steller‹ von neuem und altem Material, sowie von musikalischen und textlichen Elementen. Dies gilt besonders bei Verwendung einer Klausel und deren Erweiterung im Sinne des Tropierens, entweder mit Text, mit weiteren Stimmen, oder mit beidem. Intertextuelle Komplexität und Allusionen waren dabei ebenso wichtig wie musikalische Innovation und die Zusammenhänge zwischen textlicher und musikalischer Form. Im Laufe des 13. Jahrhunderts änderte sich dabei jedoch das Bestreben der Komponisten. Mark Everist schreibt dazu: »When we compare the earliest motets with mid-century works, we may see that the former tend to borrow and elaborate an entire musical structure, but that, although the latter are termed ›newly-composed‹, they are still based on pre-existing tenors. Despite this difference in the use of pre-existent materials, both (…) are characterised by a balance between the creation of the new and the carefully crafted reuse of the old.«13 Besonders interessant ist es, wenn weiterer Text zum musikalischen Material hinzutreten soll. Zusätzlich zum Ausgleich zwischen Alt und Neu war offenbar auch der Zusammenhang zwischen Text und Musik von hoher Priorität. Aus dem Vergleich von Motetten mit ihren jeweiligen Klauseln wird ersichtlich, dass darauf geachtet wurde, dass der Text keinen Gegensatz zur Musik darstellt und umgekehrt, dass auch die Musik den Text unterstützt, dass also Phrasenlängen und Phrasenschwerpunkte der textierten Stimme mit Verslängen und -betonungen übereinstimmen. Offensichtlich erschien es nicht sinnvoll, wenn der Text nur einen unwesentlichen Zusatz darstellte, der mit der Musik in keinem Zusammenhang stünde. So besteht beispielsweise in der oben erwähnten Motette (635) Ad veniam perveniam – Tanquam (O2) der Reim des Motettentextes fast ausschließlich aus der Silbe »-am«. Nur während die ›Sequenz‹ erklingt, ändert sich der Reim zu »-eo«. Nach zwei anschließenden Versen auf »-is« kehrt der Komponist für den Rest des Texts zurück zum »-am« Reim.14 Eine weitere Möglichkeit zur Strukturierung eines Stücks bietet sich in der klanglichen, das heißt der melodischen sowie intervallischen Anlage der Stimmen. Ein Beispiel hierfür gibt Everist mit einer »Ad veniam« - Motette,10 in der es auch wieder zwei Tenordurchgänge gibt. Beim ersten Durchgang wechseln sich Tenor und Motetus mit kurzen Phrasen ab, wobei es kaum zu Klauselbildungen (hier im Sinne von Schlussbildungen im melodischen Verlauf) kommt. Im zweiten Teil hingegen werden wesentlich häufiger Klauseln gebraucht. Obwohl diese sicherlich stark einschneidende und somit strukturierende Wirkung haben, vermeidet sie der Komponist im ersten Tenordurchgang. Hier benutzt er ein anderes Mittel. Er lässt die Stimmen sequenzartig in 6 Kügle (1997), Sp. 500 7 Es gibt auch eine zweite Hypothese, die maßgeblich zurückgeht auf Wolf Frobenius. Vgl. Frobenius, Wolf: Zum genetischen Verhältnis zwischen Notre-Dame-Klauseln und ihren Motetten, in: Eggebrecht, Hans Heinrich (Hrsg.): Archiv für Musikwissenschaft 44 (Stuttgart: Steiner, 1987). Vgl. hierzu: Kügle (1997), S. 500f, sowie Eggebrecht (72008) S. 145ff. Diese konnte sich aber bisher in der Literatur nicht durchsetzen. Everist schreibt zum Beispiel hierzu: »The challenge to the conventional view of the priority of clausula over motet (…) is ill directed. Frobenius gives substantially insufficient weight to the question of the clausula’s liturgical context and (critically) is unaware of any of the problems surrounding the definition of refrains and the role they play in polyphony.«, Everist, Mark: French Motets in the Thirteenth Century, music, poetry and genre (Cambridge: Cambrigde University Press, 1994, S. 16) Ich werde mich daher im Folgenden an die klassische Hypothese halten. 8 Vgl. Everist (1994), S. 16ff. 9 Diese Stücke, deren Oberstimmen den gleichen Text haben und in gleichem Rhythmus deklamieren, wurden von Ludwig so genannt, da der Tenor in den Handschriften, die diese Motetten überliefern, manchmal fehlt. Dadurch sahen sie so aus wie Conductus. Siehe: Everist (1994), S. 24 10 Es ist die Motette [(635) Ad veniam perveniam] – (635) Ad veniam perveniam – Tanquam (O2) Vgl. Everist (1994), S. 30ff. 084 | 085 11 Auch die Zusammenklänge der Stimmen untereinander und der relative Tonraum können von großer Bedeutung sein. Ich klammere hier diesen Aspekt aus und verweise hierzu auf Seel, Ludwig: Studien zu Klangraum und Klangordnung in der Motette der späten Ars Antiqua (Diss.) (Kassel u.a: Bärenreiter, 1987) 12 Mary Carruthers schreibt in The Book of Memory: A Study of Memory in Medieval Culture (Cambridge: Cambridge University Press, 1990), S. 214: »No modern reader would think of adapting and adding to the work of someone else in the way that medieval readers freely did, sometimes indicating the difference by writing their own work in margins, but often not. (…) Rather than condemning them for this, we should understand that such wholesale private commentary is a form of compliment, a readerly contribution to the text’s continuation, and a judgement that it is worthy to be a public source for memoria.« (zit. nach Pesce, Dolores: Beyond Glossing: The Old Made New in Mout me fu grief/Robin m’aime/Portare, in Pesce, Dolores (Hrsg.): Hearing the Motet, Essays on the Motet of the Middle Ages and Renaissance, (Oxford, New York: Oxford University Press, 1997), S. 28-51, insbesondere S. 37. 13 Everist (1994), S. 7 14 Vgl. Everist (1994), S. 33f. »The musical background was, by and large, respected whenever possible. When the simple relationship between words and note became strained, however, the composers had no hesitation in modifying the clausulae, either for reasons of necessity, or for those of artistic choice.«15 Diese Zeilen aus Everists French Motets in the Thirteenth Century belegen, dass es auch wichtig war, das textlose Original so weit wie möglich zu erhalten. Wenn dies nicht möglich war, konnten die Veränderungen gegenüber der Klausel vom einfachen Auflösen des Gebrauchs der rhythmischen Modi (z.B. Teilen des Schemas ›lang-kurz‹ in drei kurze Werte) bis hin zum kompletten Umkomponieren kleinerer Phrasen gehen. »Störvers«, der nicht ins Schema passt, sondern zu kurz ist. Nachdem so die Aufmerksamkeit der Hörer auf den Motetus gelenkt wurde, setzt direkt der Refrain ein. Der Refrain selbst ist den anderen Versen des Motetus wieder relativ ähnlich. Beide Refrainverse haben eine ähnliche Silbenzahl und einen Reim, der ins vorherrschende Schema passt. Auch im Triplum dieser Motette gibt es einen Refrain. Er taucht hier nicht am Ende des Textes auf, sondern mitten im Text. Im ganzen Triplum gibt es viele unterschiedliche Verslängen. Während die anderen Phrasen des Triplums recht konsequent im ersten rhythmischen Modus komponiert wurden, schwankt der Refrain plötzlich zwischen erstem und sechstem Modus. Auch das Reimschema ändert sich durch das Auftauchen des Refrains: Zunächst wechseln sich verschiedene Reime ab. Die erste Zeile des Refrains hat dann einen eigenständigen Reim. Ab der zweiten Refrainzeile wechselt der Reim nicht mehr, sondern bleibt bei der Endung der zweiten Zeile. Man sieht, dass das Auftauchen der Refrains die Struktur der gesamten Motette beeinflusst.21 Refrains – textlich-musikalisches Material der Motettenkomposition Wie bereits angedeutet, fand im Laufe des 13. Jahrhunderts ein Wandel statt. Motetten wurden immer häufiger neu komponiert und beruhten somit nicht mehr auf ganzen Klauseln, sondern oft nur noch auf einem präexistenten Tenor. Wenn jedoch das einzige vorgegebene Material der Tenor ist, oder wenn zunächst nur der Text der Oberstimme(n) vorliegt und eine komplette Neukomposition geschaffen wird, kann nicht mehr von einer Vorherrschaft des musikalischen Materials gesprochen werden, das nur in Ausnahmen an den Text angepasst wird. Der Text muss hier als mindestens gleichberechtigt angesehen werden. Im zweiten Fall wäre sogar der Text als Grundlage der Komposition zu sehen. Die Motetten der Ars Antiqua sind offenbar sehr vom Wechselspiel zwischen altem Material und neuem, sowie zwischen Text und Musik als bestimmenden Merkmalen beherrscht. Hinzu kommt die Möglichkeit, lateinische oder volkssprachliche (französische) Texte zu verarbeiten oder auch geistliche oder weltliche Thematik zu benutzen. Je nachdem, wie diese Elemente miteinander interagieren, kann das Erscheinungsbild einer Motette stark variieren. Everist betrachtet in French Motets in the Thirteenth Century fünf Ausprägungen der französischen Motette des 13. Jahrhunderts und kommt zum Schluss, dass die verschiedenen Unterscheidungen wie »Kurzmotette«, »Refrainmotette«, »Rondeau-Motette«, »Refrain Cento« (eine Motette, bei der mindestens eine Oberstimme vollständig aus Refrains gebildet wird) oder »Motet Enté« (Motette mit aufgeteiltem Refrain am Anfang und am Schluss) bis auf spezielle Ausnahmen nicht gut zu gebrauchen sind. Für ihn ist es wichtiger, Motetten dahingehend zu untersuchen, wie sich die verschiedenen genannten Parameter zueinander verhalten.22 Er kommt so zu einer Interpretation musikalischliterarischer Werke, die sich auf die Interaktion der verschiedenen kompositorischen Möglichkeiten stützt. »It is an interpretation in which the status of a given work is determined by the ways in which elements interact, and in which they are projected as dominants. This establishes the work’s position within the environment of the kind, and, ultimately, within the context of musico-literary history.«23 Am deutlichsten kann man dies bei den Motetten beobachten, in denen »Refrains« vorkommen. Ein solcher »Refrain« besteht in seiner einfachsten Form aus zwei Versen mit ihrer jeweiligen Musik. Sie dürften meist aus einstimmigen Chansons, darunter speziell aus Rondeaux, stammen. Sie bieten die attraktive Möglichkeit, Zusammenhänge zwischen verschiedenen Stücken oder Texten herzustellen. Meist wurde angenommen, dass die Refrains in Motetten aus anderen Werken entliehen oder zitiert wurden. Es gibt jedoch Hinweise, dass sie manchmal ursprünglich aus Motetten kamen und in anderen Gattungen zitiert wurden.16 Yvonne Rokseth zeigte sogar, dass es im Codex Montpellier (=Mo)17 durchaus Motetten gibt, in denen Refrains vorkommen, auch wenn diese Motetten von Klauseln abstammen.18 Auch im Manuskript F gibt es solche Motetten. Da zu einem Refrain sowohl Musik als auch Text gehören, ist dies speziell bemerkenswert. Entweder hat der Komponist in solchen Fällen den Text eines Refrains entlehnt und ihn auf eine Klausel übertragen, oder er hat durch die Textierung der Klausel einen Refrain geschaffen, der dann an anderer Stelle wieder zitiert wurde.19 Die Motette »Mout me fout grief – Robin m’aime – Portare«: ein vorbestehender Motetus Es gibt nun Motetten, in denen Refrains auf spezielle Weise eingebunden sind. Dies kann von ihrem einfachen Auftauchen bis hin zur Komposition vollständiger Oberstimmen aus präexistenten Refrains gehen. In beiden Oberstimmen der Motette (11) Je m’en vois – (12) Tiex a mout le cuer hardi – Omnes (M1) aus dem Codex Montpellier werden zum Beispiel Refrains verwendet.20 Im Motetus sind die Verse einander relativ ähnlich. Sie haben 6 bzw. 7 Silben und einen Reim auf »-i« oder »-er«. Direkt vor dem Refrain jedoch gibt es eine Art 15 Everist (1994), S. 28 16 Vgl. Everist (1994), S. 55 17 Das Manuskript H196 der Bibliothek der Faculté de Médecine de Montpellier (=Mo) gilt als Hauptquelle für Motetten der Notre-Dame-Epoche und vor allem der Ars Antiqua. Mit über 300 Motetten in 8 Faszikeln stellt es die umfangreichste Motettensammlung des Mittelalters dar. 18 Vgl. Everist (1994), S. 66ff. 19 Everist hält die zweite Möglichkeit für wahrscheinlicher. Vgl. Everist (1994), S. 70f. 20 Vgl. hierzu Everist (1994), S. 57ff. Schauen wir uns ein konkretes Beispiel einer Ars-Antiqua-Motette an (Noten im Anhang). Die Motette (297) Mout me fout grief – (298) Robin m’aime – Portare (M22) begegnet uns im Codex Bamberg (Ba 81), sowie im 7. Faszikel des Kodex Montpellier (Mo 7,265).24 Es gibt keine Konkordanzen zu Klauseln aus dem Notre-Dame-Repertoire.25 Es dürfte sich also um eine neu komponierte Motette 21 22 23 24 086 | 087 Everist (1994), S. 57ff. Vergleiche hierzu Everist (1994), Kapitel 4-8, insbesondere S. 178ff. Everist (1994), S. 180 Im Anhang an diese Arbeit befindet sich unter Abbildung 1 die Übertragung der Motette aus dem Kodex Bamberg nach Anderson, Gordon A (Hrsg.): Compositions of the Bamberg Manuscript, (Neuhausen-Stuttgart: Hänssler, 1977), S. 113 (Corpus Mensurabilis Musicae 75) mit eigenen Eintragungen. 25 Siehe Anderson (1977), S. LXVI handeln. Um die Motette näher zu betrachten, empfiehlt es sich zunächst zu schauen, welches Material der Komponist aus anderen Kontexten verwendet hat. Hierbei empfiehlt sich die etwas ungewöhnliche Reihenfolge, erst den Motetus, dann den Tenor und zum Schluss das Triplum zu behandeln, da sich die Zusammenhänge zwischen den Stimmen so am besten zeigen lassen. Zwischenstation auf e’, wieder auf c’ herabgeführt. So sind die Verse 2, 5 und 8 ausgesetzt. In beiden Phrasen ist deutlich c’ als Finalis zu spüren. Der Text des Rondeaus hat jedoch noch einen Vers, »Aleuriva!«, der keine eigenständige musikalische Entsprechung erhält, dessen Vortrag aber dem Schluss von Phrase B/b entspricht. Dieses »Aleuriva!« wird als sechster Vers vor dem zweiten Refrain eingeschoben, musikalisch allerdings als Teil der fünften Phrase gestaltet. Er ist viel kürzer als die anderen Verse. Wie oben schon anhand einer anderen Motette gesehen, wirkt dieser Vers vorbereitend für die Wiederkehr des Refrains. Durch seine Vorwegnahme des »-a« Reims wird die Aufmerksamkeit auf den Refrain gelenkt, der dann sofort einsetzt. Bemerkenswert ist in der zweiten Phrase der Gebrauch des fis’ als Vorbereitung zum g’. Es ist in einem durch c geprägten Kontext eine auf den ersten Blick eher ungewöhnliche Tonstufe, die sich jedoch durch die Transposition des Rondeaus von f-lydisch nach c-lydisch ergibt. Dies hat weit reichende Konsequenzen für die klangliche Wirkung der Motette. Der Motetus stammt aus dem Jeu de Robin et de Marion von Adam de la Halle (siehe Abbildung 2 im Anhang). Dort handelt es sich sogar um den Eröffnungsgesang.26 Wobei der Motetus allerdings für die Verse 3 bis 5 einen anderen Text bietet. Text des Motetus:27 1. Robins m’aimme, Robins m’a; 2. Robins m’a demandee, si m’ara. 7a 10 a Robin liebt mich, Robin hat mich; Robin hat mich gefragt, ob er mich haben wird 3. Robins m’achata couroie 8b Robin hat mir einen Kranz gekauft 4. et aumosniere de soie, 8b Und eine seidene Börse, 5. et pour quoi ne l’ameroie? 8b Warum sollte ich ihn dann nicht lieben? 6. Aleuriva! 4a Auf geht’s! 7. Robins m’aimme, Robins m’a; 7a Robin liebt mich, Robin hat mich; 8. Robins m’a demandee, si m’ara. 10 a Der Tenor »Portare« entstammt einem Alleluia der liturgischen Einstimmigkeit (siehe Abbildung 3). Es handelt sich um das Melisma über dem Wort »portare«, beziehungsweise (so in Abbildung 3) »sustinere« aus dem Alleluia Dulce lignum.29 In der Motette erscheint der Tenor leicht verändert: Das f wurde zu fis alteriert, der erste Ton h wurde zu c30, und der letzte Ton g wurde durch c ersetzt. Dies setzt die Finalis für den Tenorausschnitt auf c und stellt somit eine bedeutsame Änderung gegenüber der Vorlage dar. Die Begründung dieser Adaption liegt im Motetus und der dort durch die Transposition bereits festgelegen Finalis c. Die Tenor-Tonfolge erscheint drei Mal ganz und ein Mal nur zum Teil. Es lassen sich zwei Teile unterscheiden, C/c und D. Im ersten Teil (C) finden wir einen regelmäßigen zweiten Modus vor, ab und zu unterbrochen durch Teilung des längeren Notenwertes in zwei kürzere. Dieser Teil wird mit einer Pause abgeschlossen. Der zweite Teil (D) erscheint rhythmisch freier, jedoch lassen sich gut Parallelen zum Rhythmus des Motetus erkennen, so zum Beispiel bei »(Robins m’a) demandee«. Auch der musikalische Verlauf zeigt, wie gut der Tenor auf das Rondeau abgestimmt wurde. Meist verhalten sich die beiden Stimmen in Gegenbewegung zueinander. Sehr deutlich wird dies direkt am Anfang des Stücks in den ersten vier Perfectiones. Die Wiederholungsstruktur des Tenors ist ebenfalls parallel zu der des Motetus. Sie lässt sich mit CD c CD CD beschreiben. Zwar ist der C-Teil um zwei Perfectiones länger als der A-Teil des Motetus, doch dies wird durch den entsprechend kürzeren D-Teil wettgemacht. Nur ab Mensur 8, wo der A-, beziehungsweise der C-Teil direkt wiederholt werden, könnte dies zum Problem werden, und in der Tat wird davor der C-Teil so gekürzt, dass er am Ende von Mensur 7 gleichzeitig mit dem A-Teil abschließt und mit diesem in Mensur 8 direkt neu beginnen kann. Robin hat mich gefragt, ob er mich haben wird. Die Verse »Robins m’aimme, Robins m’a« / »Robins m’a demandee si m’ara« und »Aleuriva!« sind Refrains.28 Lässt man den Vers »Aleuriva!« zunächst unbetrachtet, da ihm, wie wir sehen werden, eine besondere Rolle zuteil wird, so erhält man ein siebenzeiliges Rondeau. Zu Beginn und zum Schluss steht der Refrain »Robins m’aimme, Robins m’a / Robins m’a demandee si m’ara«. Dazwischen stehen drei Verse, »Robins m’achata couroie / et aumosniere de soie, / et pour quoi ne l’ameroie?«, die sich zwar im Reim vom Refrain unterscheiden und auch nicht selbst als Refrains in Erscheinung treten, aber mit den gleichen Melodieteilen vertont werden. Es ergibt sich somit nicht die – zumindest später – eher übliche Rondeau-Form AB aA ab AB, sondern eine etwas andere Struktur: AB a ab AB. Gerade durch das Reimschema grenzt sich der Refrain (im Sinne der Rondeau-Struktur und im Sinne des Refrains in der Motette), dessen Verse auf »-a« enden, deutlich vom Additamentum ab, dessen Verse (anders als im Original von Adam de la Halle) hier auf »-oie« enden. Diese etwas ungewöhnliche Form spiegelt sich auch im musikalischen Aufbau des Motetus wieder. Er besteht aus zwei verschiedenen musikalischen Phrasen (A/a, Mensuren 1 und 2, sowie B/b, Mensuren 3 bis 5). Beiden liegt der zweite rhythmische Modus zugrunde. Zwar wird dies durch die Unterteilung der beiden Grundwerte (Brevis / Longa) in kleinere Einheiten verschleiert, doch der Text wird im ganzen Stück generell in der Folge kurz-lang deklamiert. Der Tonverlauf der ersten Phrase (A/a) beginnt auf c’, beschreibt zwei Bögen über e’, um (mit einer Ausnahme) auf dem Schlusston c’ zur Ruhe zu kommen. Diese Phrase dient dem Vortrag der Verse 1, 3, 4 und 7. Die zweite Phrase (B/b) beginnt auf e’, erreicht direkt den Spitzenton g’ und wird dann langsam, unter Gebrauch von Umspielungen und einer 26 Siehe Anderson (1977), S. LXVI, sowie Seel (1987), S. 300 27 Nach Anderson (1977), S. CXV 28 Sie werden in Rondeaux et Refrains du XIIè siècle au début du XIVè gelistet und bilden dort die Refrains Nr. 1633, beziehungsweise Nr. 1879. Vgl. van den Boogard, Nico H. J: Rondeaux et Refrains du XIIè siécle au début du XIVè, Collationnement, Introduction et Notes, (Paris: Klincksieck 1969) 088 | 089 29 Die Alleluias werden nach dem Incipit des Verses benannt. Das Alleluia Dulce lignum ist das Alleluia zum Fest der Kreuzerhöhung. Siehe Graduale Triplex (Solesmes, 1979), S.598f. Es scheint hier jedoch mehrere Überlieferungen und verschiedene Textfassungen zu geben, bei denen entweder »portare« oder »sustinere« gebraucht wurde. Die Wahl des Texts kann jedoch weitreichende Konsequenzen haben. Vgl. Pesce (1997) S. 29 und 34ff. 30 Offen bleibt, ob dieses c zu Beginn des Tenors bereits eine Adaption des Originals an die Anforderungen in der Motette darstellt, oder ob es sich um eine andere Überlieferung handelt. Es ist in Gesängen im 8. Modus wie bei diesem Alleluia oft der Fall, dass im Laufe der Jahrhunderte die Rezitationsstufe h zu c (mi zu fa) erhöht wurde. Möglicherweise lässt sich das mit der Gesangspraxis erklären. Die subsemitonale Stufe fa ist spannungsärmer und somit leichter zu singen. Zu Zeiten mündlicher Überlieferung könnte sich so der Gebrauch dieser Stufe eingeschliffen haben. Auffallend ist die Alteration des f zu fis am Ende des A-Teils. Sowohl der 7. als auch der 8. Modus gebrauchen das fis normalerweise nicht (im Gegenteil ist die so genannte Mixolydische kleine Septe sogar charakteristisch für diese Modi). Diese Tonstufe kommt auch weder in der einstimmigen liturgischen Vorlage noch in anderen »Portare«-Tenores vor,31 und sie fällt zudem auch in der Motette aus dem klanglichen Rahmen ein wenig heraus. Denn die meisten Klänge auf den Perfektiones werden über c, a oder g gebildet. Nur drei Mal, immer am Ende des A-Teils, wird ein Klang auf dem Fundament fis gebildet, beim ersten Mal in Mensur 3 sogar für ein Mal mit einem QuartOktav-Klang. Diese Situation verweist wiederum deutlich auf die Adaption des Tenors in Rücksicht auf den übernommenen Motetus. Wenn dort das fis erklingt, so liegt es aus Sicht der Diskant-Lehre des 13. Jahrhunderts nahe, es mit einer perfekten Oktave fis zu unterstützen. Ein solcher Tenor ist insgesamt ungewöhnlich. Dies gilt für die Struktur der Wiederholungen wie auch für die recht freie Rhythmik gerade des zweiten Teils. Das heißt, die Tenorordinierung entspricht nicht dem Normalfall einer Motette der damaligen Zeit. Die rhythmischen und melodisch-klanglichen Zusammenhänge zum präexistenten Rondeau einschließlich der Änderungen, die der Komponist am Tenor gegenüber der liturgischen Melodie vornahm und die prominente Rolle von Robin m’aime als Eröffnungsgesang des Jeu de Robin et de Marion lassen vermuten, dass das Rondeau hier als Ausganspunkt der Komposition zu gelten hat, dem der Tenor angepasst wurde. Wobei man in der Versetzung des ursprünglich f-lydischen Rondeaus um eine Quinte nach oben zu einem c-lydischen Motetus umgekehrt auch eine gewisse Anpassung an den »Portare«-Tenor sehen kann. Ludwig Seel schreibt hierzu: »Obwohl der Tenor nur als Begleitstimme fungiert, ist es bemerkenswert, dass nicht das Choralmelisma, sondern das Rondeau, also der Cantus prius factus – um eine Quinte nach oben – transponiert wurde. Das bedeutet, dass der Motetus zwar die Form der Motette bestimmte, dass er hinsichtlich seines Erklingens auf absoluter Tonhöhe jedoch, wie üblich, dem Tenor angeglichen wurde.«32 Einige musikalisch-textliche Phrasen, nämlich die Verse 1, 6, 7, 8, 10, 12 und 13 stammen aus einem anderen Triplum Mout me fu gries (196), das uns beispielsweise schon im dritten Faszikel des Codex Montpellier, nämlich bei der Motette (196) Mout me fu gries – (197) In omni – In seculum (M13) (Mo 3,37 oder Ba 47) begegnet34. Für die restlichen Phrasen gibt es keine Konkordanzen zu anderen Stücken, so dass diese wohl neu komponiert sein dürften. Wie verhält sich aber nun das Triplum zu Motetus und Tenor? Zunächst fällt auf, dass sich das Triplum nicht wie die anderen beiden Stimmen mit einer Rondeaustruktur beschreiben lässt. Es pausiert auch selten mit ihnen zusammen, sondern meist so, dass sich die Phrasen überlappen, die von Motetus und Tenor gebildeten Zäsuren überspielt werden und so die offensichtliche Rondeau-Form verschleiert wird. Andererseits fallen Pausen im Triplum manchmal auch mit Pausen im Tenor zusammen, so dass der Motetus als einzige Stimme zu hören ist. Genau bei einigen dieser »solistischen« Stellen lassen sich interessante Beobachtungen anstellen. In Mensur 3 beispielsweise wird durch den Schritt von fis’ zu g’ der c-lydische Modus gefestigt (fis ist die charakteristische Stufe und g der Rezitationston dieses Modus) und somit klar gezeigt, dass der Motetus und nicht der Tenor die Klanglichkeit der Motette bestimmt. Auch die allgemeine Lage des Triplums verstärkt dies. Die Melodie bewegt sich insgesamt im Raum h-c’’, hauptsächlich aber im Bereich g’-c’’, und hat dabei ein fis vorgezeichnet. Somit erklingt hier der für ein Triplum typische obere Oktavraum, aber eben des c-lydischen Modus und nicht der des ursprünglich achten Modus des Tenors. In Mensur 5 überlappen die Stimmen so, dass der Motetus die Melodie von e’ zur Finalis c’ führt. Dieses c wird eine Oktave höher vom Triplum aufgegriffen und herabgeführt und eine Perfectio später vom Tenor in tieferer Lage wiederholt. Auch wenn diese Figur im Motetus auf einer anderen Tonstufe beginnt als in den anderen Stimmen und jede Stimme auf eine eigene Art weitergeführt wird, hört man diesen Abschnitt aufgrund der Ähnlichkeiten doch als eine Art Imitation, die man bei den Parallelstellen in Mensur 12 und 14 wieder erkennt. Durch die vorübergehend auf Einstimmigkeit reduzierte Klanglichkeit ist an solchen Stellen auch der Text der Stimmen und der Dialog der Stimmen untereinander besonders gut verständlich. Es ergeben sich so neue Zusammenhänge wie »m’ara« / »comme rose« (er wird mich haben / wie eine Rose) in Mensur 5, oder auch – trotz des dort mitklingenden Tenors – die vorübergehend eintextigen Passagen »Robins m’a« / »dame de valour« (Robins hat mich / Dame von Wert) in Mensur 14. Es liegt nahe anzunehmen, dass diese Art der Bezugnahme der Stimmen untereinander durchaus beabsichtigt wurde. Das Beispiel dieser einzelnen Aspekte soll hier für die Analyse des Triplums genügen. Eine eingehende Betrachtung vor allem des Textes und der intertextuellen Bezugnahme der Texte von Motetus und Triplum unter Berücksichtigung der verschiedenen Überlieferungen des Tenors (»portare« oder »sustinare«) würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Es sei an dieser Stelle nur angedeutet, dass die Textanalyse Aspekte aus geistlichen (Kreuzigung, Marienthematik) und weltlichen Bereichen (pastorale Liebe und Minne) miteinander in Verbindung bringen muss. Eine ausführliche Behandlung des Triplums bietet zum Beispiel Dolores Pesce in ihrem Artikel Beyond Glossing.35 Nachdem nun sowohl Tenor als auch Motetus aus entlehntem Material gebildet wurden, ist es nicht verwunderlich, dass auch das Triplum zu großen Teilen aus einer anderen Quelle stammt. Text des Triplum:33 1. Mout me fu griés li departirs de m’amiete, 13 a Das Scheiden von meiner Lieben schmerzt mich sehr, 2. la jolie au cler vis 6 b die Hübsche mit dem strahlenden Gesicht 3. qui est blanche, vermeillete 8 a die weiß und rot ist 4. comme rose par desus lis, 8 b wie Rosen auf Lilien, 5. ce m’est avis; 4 b so scheint mir; 6. ses tres douz ris 4 b ihr so süßes Lachen 7. mi fait fremir 4 c macht mich erzittern 8. et si vair ieull riant languir. 8 c und ihre glänzenden, lachenden Augen mich sehnen. 9. Hé, Dieus! cum mal la laissai, 7 d O Gott! Welch Weh, sie zu verlassen, 10. blanchete comme flour de lis! 8 b weiß wie die Lilie! 11. Quant vous verrai, 4 d Wann sehe ich Euch wieder, 12. dame de valour, 5 e teure Dame, 13. vermeille comme rose en mai? 8 d rot wie die Rose im Mai? 14. Por vous sui en si grant doulour. 8 e Wegen Euch leide ich so großen Schmerz. 31 Vgl. Seel (1987), S. 301 32 Seel (1987), S. 301 33 Nach Anderson (1977), S. CXV 090 | 091 34 Vgl. Ludwig, Friedrich: Repertorium organorum Recentoris et Motetorum Vetustissimi Stili, Band 1-2, (Halle: Niemeyer, 1978), S. 433 35 Pesce (1997), siehe Anm. 29. So bemerkenswert und erstaunlich es ist, dass diese drei in großem Maße vorgeformten Stimmen zusammen erklingen können, hat ihre Kombination wohl auch klangliche Opfer gefordert.36 Beispielsweise laufen in Mensur 14 und 15, wo alle Stimmen aus entlehntem Material gebildet wurden, Tenor und Triplum längere Zeit in Oktaven parallel, was in einer Motette der Ars Antiqua eher ungewöhnlich und bemerkenswert ist. Man kann sich allerdings fragen, ob es Zufall ist, dass dies gerade dort geschieht, wo mit dem erwähnten hervortretenden Text »(Robins) m’a« / »dame de valour / vermeille …« die Verbindung der beiden beteiligten Personen besonders deutlich ausgesagt ist? Abbildung 1: Die Motette (297) Mout me fu griés – (298) Robins m’aimme – Portare (M22)38 Es zeigt sich jedenfalls, dass die ganze Kombinationsvielfalt und damit auch Kunstfertigkeit dieser Motette (297) Mout me fu grief – (298) Robins m’aime – Portare (M22) nur zu erkennen ist, wenn man sich mit ihr genau auseinandersetzt. Sie repräsentiert insgesamt auf überzeugende Weise die Vielschichtigkeit und Komplexität der Zusammenhänge zwischen den einzelnen Aspekten, die in ihren Kompositionsvorgang eingeflossen sind. Die Ars-Antiqua-Motette – Attraktivität durch Vielseitigkeit Die Motette der Ars Antiqua hat sich mir im Laufe dieser Arbeit als enorm vielseitig dargestellt. Wie Mark Everist zeigt, ergeben viele der »althergebrachten« Klassifizierungen wenig Sinn, da sie entweder so weit gefasst sind, dass fast alle Motetten hineinpassen, oder so speziell sind, dass nach näherem Hinschauen kaum mehr als ein Stück die Kriterien erfüllt. Stattdessen gibt es sehr viele verschiedene durchaus komplexe Möglichkeiten der motettischen Kombination von altem Material mit neuem, von Text mit Musik, geistlichen mit weltlichen Themen oder auch des Spiels mit mehreren dieser Aspekte. Genau diese Vielseitigkeit macht die Beschäftigung mit diesem Thema so spannend. Jede Motette hat wohl ihre eigenen Besonderheiten. Jede der Motetten zeigt auf eine andere Weise die Experimentierfreude und die Kombinationslust ihrer Komponisten. Da das Musizieren von Motetten dieser Art jedenfalls um 1300 herum weniger zur Unterhaltung des Volkes als vielmehr für Kreise einer Elite gedacht war,37 konnten ihre Verfasser ihr gesamtes Wissen sowohl im musikalischen als auch im theologischen oder literarischen Gebiet einsetzen. Für den Kenner öffnet sich hier eine Welt voller musikalischer und literarischer Anspielungen, komplexer Zusammenhänge und Querverbindungen. Ich denke, es war genau dieser Aspekt der Motette, der maßgeblich zum Erfolg der neuen Gattung beitrug. Ein Komponist konnte hier Einflüsse aus allen Bereichen miteinander verbinden und war so in der Lage, Artefakte von enormer, bis dahin möglicherweise unerreichter Vielschichtigkeit zu schaffen. Markus Bohlen wurde 1989 in Freiburg im Breisgau geboren. Mit sechs Jahren erhielt er seinen ersten Klavierunterricht. Über die langjährige Mitgliedschaft bei den Freiburger Domsingknaben kam er in Kontakt zur Kirchenmusik. Seit 2007 studiert er Kirchenmusik an der Hochschule für Musik Freiburg bei Prof. Klemens Schnorr. 36 In der Tat ist für Ludwig deutlich, dass »es ihm [dem Komponisten] aber nicht gelungen ist, damit ein auch nur dem Durchschnitt der übrigen Motetten gleichwertiges Kunstwerk zu schaffen« Ludwig (1978), S. 433f.. Auch für Seel und Everist liegt der Fokus der Motette klar auf der Kombination der Stimmen und nicht auf der klanglichen Wirkung. Vgl. auch Seel (1987), S. 301f. und Everist (1994), S.107f. 37 Everist schreibt im Vorwort zu French Motets in the Thirteenth Century: »Even he [Johannes de Grocheo, ein Theoretiker des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts] only went as far as proposing that the motet was more suited to the literati than to the laici vulgares.« Vgl. Everist (1994), S. xi 092 | 093 38 Nach Anderson (1977), S. 113 Klara Baumann Abbildung 2: Das Rondeau von Adam de la Halle39 Das »Elegische« an Ferruccio Busonis Berceuse élégiaque – mehr als eine Trauermusik zum Gedenken an die verstorbene Mutter? Unter dem Titel »Sechs Elegien« fasst Ferruccio Busoni (1866-1924) in seinem Werkverzeichnis von 1922 sechs verschiedene Orchesterstücke zusammen, die zwischen 1909 und 1919 unabhängig voneinander entstanden sind: Berceuse élégiaque (1909), Nocturne Symphonique (1912/13), Rondò Arlecchinesco (1914/15), Gesang vom Reigen der Geister (1915), Sarabande (Dezember 1918) und Cortège (Januar 1919). Die Berceuse élégiaque hat als einziges Orchesterstück im Titel den Begriff »elegisch«. Der Gattungsbegriff der Berceuse ist zunächst der eines Charakterstückes: eines Wiegenliedes. Der Untertitel »Des Mannes Wiegenlied am Sarge seiner Mutter« und die Widmung »In Memoriam Anna Busoni n. Weiß, † 3. Okt. MCMIX«41 unterstützen die Charakterisierung élégiaque und verweisen auf die elegische Bedeutung des Stückes als Trauermusik zum Gedenken an Busonis verstorbene Mutter. Die Tatsache aber, dass Busoni die Berceuse élégiaque mit anderen Werken zu dem Werkkomplex Sechs Elegien zusammenfasst, die nicht im ursprünglichen Sinne der Elegie als einer Trauermusik zuzuordnen sind, lässt darauf schließen, dass nach Aspekten des Elegischen gesucht werden kann, die auf alle Stücke anwendbar sind. Ergänzend zum Buch Busoni – the composer42 von Antony Beaumont hält sich der vorliegende Beitrag bei dieser Untersuchung in erster Linie an den Aufsatz von Joseph Willimann Facetten des Unerreichbaren: Busonis sechs Elegien für Orchester43, der eine weiterfassende Definition der Elegie nach Schiller – die Elegie als Gegenstand der Trauer über das unerreichbare Ideal – auf vier Ebenen anwendet: Es sind dies die Entstehungsgeschichte, das Sujet, die Faktur und der eigene Stellenwert, den Busoni den Stücken beimisst. Auf diesen Ebenen soll aufgezeigt werden, inwiefern die Berceuse élégiaque eine wichtige Etappe für Busoni in der Auseinandersetzung mit seinem Ideal der Tonkunst darstellt und inwieweit sie damit im Schillerschen Sinn elegisch ist. Diese Auseinandersetzung Busonis schlägt sich auch in verschiedenen musikreflektierenden Schriften nieder. An erster Stelle und als wichtige Quelle zu nennen ist sein Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst44, neben Schriften wie Selbst-Rezension45 und Etwas über Instrumentationslehre46. Abbildung 3: Das Alleluia – Dulce lignum40 mit dem Melisma »sustinere« Entstehungsgeschichte Die Berceuse élégiaque ist als erste von Busonis »Sechs Elegien« entstanden und zwar über Umwege: Sie ist eine Bearbeitung des Klavierstückes Berceuse, das 39 De Coussemaker, E (Hrsg.): Adam de la Halle, Œuvres Complètes, (Genève: Slatkine 1970), S. 347f. Bemerkenswert und fraglich ist, warum Coussemaker in der Übertragung trotz des lydischen Modus ein b einführt. 40 Graduale Triplex, (Solesmes, 1979), S. 589f. 094 | 095 41 Vgl. Ferruccio Busoni: Berceuse élégiaque für Orchester Op.42 / Busoni Werkverzeichnis 252a, Studienpartitur PB5126, Breitkopf & Härtel: Wiesbaden 1990. 42 Beaumont, Antony: Busoni – the composer, Faber: Bloomington 1985. 43 Willimann, Joseph: Facetten des Unerreichbaren: Busonis sechs Elegien für Orchester, in: Busoni in Berlin – Facetten eines kosmopolitischen Komponisten, hrsg. von Albrecht Riethmüller und Hyesu Shin: Stuttgart 2004, S.107-123. 44 Ferruccio Busoni: Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst. Kommentierte Neuausgabe, hrsg. von Martina Weindel: Wilhelmshaven 2001. 45 Ferruccio Busoni: Selbst-Rezension in Ferruccio Busoni: Von der Einheit der Musik, kritische und kommentierte Neuausgabe von Martina Weindel (Quellenkatalog zur Musikgeschichte Nr. 36): Wilhelmshaven 2006, S.64-65. 46 Ferruccio Busoni: Etwas über Instrumentationslehre in Ferruccio Busoni: Von der Einheit der Musik. kritische und kommentierte Neuausgabe von Martina Weindel (Quellenkatalog zur Musikgeschichte Nr. 36): Wilhelmshaven 2006, S.29-30. Busoni im Juni 1909 komponierte und später den sechs Klavier-Elegien von 1907/1908 als siebte hinzufügte.47 Wesentliche Elemente der Klavier-Berceuse bleiben in der instrumentalen Version »für sechsfaches Streichquartett [i.e. 6 Vl, 6 Va, 6 Vc und 6 Kb] mit Sordinen, 3 Flöten, 1 Oboe, 3 Klarinetten [inkl. Bassklarinette], 4 Hörner, Gong, Harfe und Celesta«48 erhalten, sie werden erweitert, neue Elemente und Schichten werden hinzugefügt, sodass sich insgesamt eine Verlängerung von 81 Takten auf 118 Takte ergibt.49 Noch 1906 arbeitete Busoni nachweislich an einem Aladdin-Libretto und setzte sich dabei ausführlich mit der dramatischen Dichtung Aladdin oder die Wunderlampe von Adam Oehlenschläger auseinander. Zwar steht drei Jahre später der Anlass für die Wiederaufnahme der Arbeit an der Berceuse zunächst offensichtlich im Zusammenhang mit dem Tod von Busonis Mutter Anna, wie der Untertitel und die Widmung erkennen lassen. Doch liegt die Inspiration zur Umarbeitung ausgerechnet der Klavier-Berceuse zu »Des Mannes Wiegenlied am Sarge seiner Mutter« vermutlich im Aladdin-Stoff. Dies wird deutlich bei Betrachtung von Oehlenschlägers Text: Auch Aladdin steht am Grabe seiner Mutter und tut so, »als wenn er sie wiegte, und singt: Schlafe Kind!«50. Beaumont zitiert in diesem Zusammenhang Busoni aus dessen Programmheft für die Uraufführung vom 21.Februar 1911 in New York: »...my spirits returned to the strange mood of the Berceuse; I took up the composition again, penetrated deeper into it and conceived the extended orchestral arrangement of the little work. In the intervals between some London concerts I was compelled to write the score, frequently working until deep into the night, in order to free my mind of it.«51 Anna Busoni war am 3. Oktober 1909 gestorben und trotz anstehender Konzerte stellte Busoni die Berceuse élégiaque schon wenige Wochen später am 27. Oktober 1909 fertig. Bevor er sie 1910 zur Veröffentlichung gab, probte er die Berceuse élégiaque am 1. November 1909 mit dem Queen’s Hall Orchestra um sich der Klangwirkung zu versichern, wie er später im Programmheft zur Uraufführung in New York begründet: »…as it contains a number of singular harmonic and instrumental combinations which have not yet been approved«52. Noch im Jahr der Veröffentlichung probten die Berliner Philharmharmoniker die Berceuse élégiaque unter Oskar Fried, reagierten aber eher befremdet darauf und führten sie nicht auf.53 Hugo Leichtentritt, Musiktheoretiker und Freund Busonis, bemerkte zu den Proben: »Neither the conductor nor the players knew what to do with the strange piece which evoked the barely suppressed mirth of the orchestra and Fried’s great embarrassment. Its polytonality, its collisions of major and minor triads, its strange enervated harmony, its symphony of sighs appeared altogether novel in 1910.«54 Uraufgeführt wurde die Berceuse élégiaque dann während Busonis Amerika-Tournee am 21. Februar 1911 unter der Leitung von Gustav Mahler in der Carnegie Hall in New York. Die New York Times kommentierte: »It is a gruesome work in a modern composer’s most modern manner. However, it was applauded and Mr. Busoni, who sat in a box with Mr. Toscanini, rose to bow his thanks.«55 Die klanglichen Neuerungen – wie z.B. bitonale Schichtungen, Mixturklänge, Quartenklänge, sehr freie Linienführung der Stimmen –, deren sich auch 47 Vgl. Willimann 2004, S.110 48 Vgl. Studienpartitur der Berceuse élégiaque, S.[2] 49 Ein Vergleich der Berceuse élégiaque mit ihrer Vorgängerversion der Klavier-Berceuse stellt ein eigenes Thema dar, das hier mit den kurzen zusammenfassenden Bemerkungen nur am Rande erwähnt bleiben soll. 50 Zitiert nach Willimann 2004, S.111 51 Zitiert nach Beaumont 1985, S.141 52 Zitiert nach Beaumont 1985, S.145 53 Vgl. Beaumont 1985, S.145 54 Zitiert nach Beaumont 1985, S.145. 55 Zitiert nach Beaumont 1985, S.146. Busoni hörend noch versichern wollte, haben also allerorts Aufsehen erregt. Doch sei an dieser Stelle noch kurz erwähnt, dass ein Einfluss von Arnold Schönbergs zweitem Klavierstück op.11, das dieser Busoni am 20. Juli 1909 zusandte, eher gering ist, da die wesentlichen Neuerungen auf klanglicher Ebene schon in der im Juni abgeschlossenen Klavier-Berceuse vorhanden waren. Etwa ein Jahr nach der Uraufführung in New York, am 19. Januar 1912, war die Berceuse élégiaque schließlich in Berlin innerhalb eines Konzertes der Berliner Gesellschaft der Musikfreunde zu hören, das ausschließlich Busonis Musik gewidmet war.56 Die Berceuse élégiaque als traditionelle Elegie und Berceuse Die Berceuse élégiaque vereint im Titel zwei Gattungsbegriffe: den der Berceuse mit dem der Elegie. Die Berceuse als Wiegen- oder Schlummerlied hat ihren Ursprung in der Vokalmusik und fand in der Romantik als lyrisches Genrestück Einzug in die Instrumentalmusik. Bei der Berceuse steht das Verhältnis der Mutter zum Kinde im Zentrum, sie ist Begleitung, während die Mutter das Kind in den Schlaf wiegt. Die Musik ist geprägt durch Monotonie (häufig BassOstinati) und gleichmäßige Rhythmik der Melodik.57 Der Begriff der Elegie wurde aus der Dichtung in die Musik übernommen. Zunächst verband sich mit dem Wort keine nähere inhaltliche Bestimmung, sondern es bezog sich auf das Versmaß. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich in der Vokalmusik eine eindeutige inhaltliche Konnotation, die mit der Gattung selbst in die Instrumentalmusik übernommen wurde: Elegie als Totenklage und Trauermusik zum Gedenken an einen Verstorbenen.58 Die Berceuse élégiaque ist, wie der Widmung zu entnehmen ist, eine Klage- und Trauermusik auf den Tod von Busonis Mutter und damit im engeren Sinne eine Elegie. Mindestens ebenso wichtig wie der adjektivische elegische Anteil im Titel ist der Gattungsbegriff der Berceuse, das Wiegenlied. Wie der Untertitel besagt, ist es das Wiegenlied »des Mannes […] am Sarge seiner Mutter«. Beigefügt ist noch folgendes Gedicht von Busoni: Schwingt die Wiege des Kindes, Schwankt die Wage seines Schicksals, schwindet der Weg des Lebens, Schwindet hin in die ewigen Fernen…59 Dem Beginn mit der schwingenden Wiege, also der Geburt des Kindes, stellt Busoni schon das drohende Ende gegenüber, da das Leben von nun an immer kürzer wird, bis es schließlich für immer verschwunden ist. Geburt und Tod scheinen nicht weit voneinander entfernt. Auf dem Hintergrund des Untertitels »Des Mannes Wiegenlied am Sarge seiner Mutter« verdeutlichen dies zwei Metaphern: Die Wiege steht für den Sarg und gewiegt wird nicht in den nächtlichen, sondern in den ewigen Schlaf, den Tod. Dabei sind die Rollen vertauscht: Es wiegt nicht die Mutter das Kind, sondern das Kind die Mutter. Die Alliterationen heben die Bewegungsverben zu Beginn der Verse hervor und betonen die durchgängige Unbeständigkeit des menschlichen Lebens. 096 | 097 56 57 58 59 Vgl. Beaumont 1985, S.146 Vgl. Schneider, Herbert : Art. »Berceuse«, in MGG2, Sachteil 1 (1994), Sp. 1398-1402. Vgl. Draheim, Joachim [Kahl, Willi]: Art. »Elegie«, in MGG2, Sachteil 2 (1994), Sp. 1710-1717. Zitiert nach der Studienpartitur Berceuse élégiaque, S.[2] Die Berceuse élégiaque soll die Mutter in den ewigen Schlaf begleiten und ist gleichzeitig die Totenklage des Hinterbliebenen. Sie verzahnt also die beiden Gattungen Berceuse und Elegie nicht nur begrifflich im Titel, sondern auch inhaltlich. Auch auf musikalischer Ebene sind beide Gattungen berücksichtigt. Für die Berceuse charakteristisch sind die nahezu ständig bestehenden ostinaten, pendelnden Figuren, oft an Orgelpunkte geknüpft (Beispiel 1a und 1b). Sind diese weniger ausgeprägt, ist eine motivisch pendelnde Melodie im Vordergrund, wie beispielsweise in Takt 40ff (Beispiel 1c). In Takt 81ff pendeln statt einer ostinaten Figur Celesta und Harfe jeweils für sich in Umkehrungen und ergeben zusammen ein rhythmisch wiegendes Akkordpendel, das abstrakt betrachtet auf harmonischer Ebene zwischen zwei Tonarten pendelt, hörend vermischen sich die Klänge (Beispiel 1d). Die Tempoangaben bewegen sich meist im fürs Wiegen angebrachten Rahmen: Andantino calmo, calmissimo, di nuovo calmissimo. Die Dynamikangaben sind häufig im Pianobereich, mp bis ppp, die Streicher spielen nur mit Dämpfer. Spielanweisungen wie dolce, dolcissimo, molto intimamente unterstützen die zurückgehaltene Dynamik. Die Melodie ist eine chromatisch gefärbte Klage, die von Trauer zersetz scheint: Sie ist sehr kleinschrittig und gleicht eher Melodiebruchstücken. Das Motiv der kleinen Terz mimt kurze Seufzer und Klagen, sowie in seiner rhythmisch prägnanten Fortsetzung Schluchzer (Beispiel 2). Doch gibt es aus der wiegenden und klagenden Ruhe heraus auch Momente der Steigerung. Die Melodiebruchstücke werden in Dichte und Ambitus der Instrumentierung expressiver. Dazu steigert sich das Tempo zu einem un poco agitato (T. 73), die Dynamik reicht bis ins forte, unterstützt durch Sforzati und Angaben wie appassionato, molto espressivo. Man könnte deuten, dass für kurze Momente die Verzweiflung über den Tod die wiegende Klage durchbricht. unerreichbaren Ideal gesetzt: »Entweder ist die Natur und das Ideal ein Gegenstand der Trauer, wenn jene als verloren, dieses als unerreicht dargestellt wird. Oder beide sind ein Gegenstand der Freude, indem sie als wirklich vorgestellt werden. Das erste gibt die Elegie in engerer, das andere die Idylle in weitester Bedeutung.«64 Nach Schiller stellt die Elegie das Ideal als unerreicht und damit als Gegenstand der Trauer dar. In diesem Sinne lassen sich nach Willimann bei Busonis Sechs Elegien gemeinsame elegische Momente auf verschiedenen Ebenen feststellen: »in Umständen der Entstehungsgeschichte, in der kompositorischen Faktur, im mehr oder weniger offen gelegten Bezug auf ein Sujet und in dessen Bedeutungshorizont, sowie schließlich im hohen Stellenwert, den der Komponist gerade diesen Stücken hinsichtlich der eigenen Entwicklung beimaß«.65 Dies soll im Folgenden für die Berceuse élégiaque kurz referiert werden. (1) Entstehungsgeschichte: Wie oben beschrieben ist die Entstehungsgeschichte der Berceuse élégiaque nicht geradlinig. Es scheint zu keinem Zeitpunkt Werkpläne gegeben zu haben, die gezielt das Endprodukt verfolgten66. Die fertige Klavier-Fassung erweist sich aus späterer Sicht als Zwischenstation, an der Busoni durch einen Impuls, der außerhalb des kompositorischen Schaffens lag, fortsetzend arbeitet. Der Entstehungsprozess ist Teil einer experimentierenden Suche Busonis nach einer eigenen kompositorischen Sprache, nach seinem Ideal der Tonkunst. Innerhalb dieser Auseinandersetzung um das Ideal stellt die Berceuse élégiaque eine wichtige »elegische« Zwischenstation dar. (2) Sujet: Neben dem elegischen Sujet des Todes von Busonis Mutter lässt sich der Aladdin-Stoff zwar nicht unbedingt in direkten, aber doch in indirekten Zusammenhang mit der Berceuse élégiaque bringen. Denn die Klavier-Berceuse ist noch vor dem Tod von Busonis Mutter entstanden. Die intensive Beschäftigung Busonis mit dem Aladdin-Stoff nur wenige Jahre vor deren Entstehung scheint in Zusammenhang mit der Schillerschen Auffassung der Elegie nicht unbedeutend: In Oehlenschlägers dramatischer Dichtung Aladdin oder die Wunderlampe strebt Aladdin nach dem Ideal, das er am Schluss auch erreicht. Inwieweit die Berceuse élégiaque auf den Aladdin-Stoff tatsächlich Bezug nimmt, muss offen bleiben. Doch ist bemerkenswert, dass die oben beschriebene Szene Aladdins am Grab seiner Mutter eine Zwischenstation auf dessen Suche nach dem Ideal darstellt und analog dazu ist für Busoni die Berceuse élégiaque »eine der wichtigsten Stationen bei der eigenen kompositorischen Sprachfindung«.67 Sowohl die Szene im speziellen als auch die Figur des Aladdin im Allgemeinen bieten jedenfalls ein hohes Identifikationspotenzial für Busoni. Das Elegische im weiteren Sinne Auch wenn in der Berceuse élégiaque neben den Charakteristika eines Wiegenliedes ihr elegischer Wesenszug im traditionellen Sinne von Trauermusik aufgewiesen werden kann, erscheint diese Begrenzung des Begriffs der Elegie mit Blick auf den ganzen Werkkomplex der Sechs Elegien eingeschränkt. Keines der anderen Orchesterstücke ist als Trauermusik einem Verstorbenen gewidmet. Ihre Ausdruckswelten sind sehr unterschiedlich; das Rondò Arlecchinesco, ein Allegro molto, ist beispielsweise von sehr aufgewecktem Charakter. Dass sie dennoch alle mit dem Begriff der Elegie zusammenfassend betitelt sind, gibt Anlass für ein weiter gefasstes Verständnis des Begriffs der Elegie, das allen Sechs Elegien gerecht wird. Beaumont verweist zwar darauf, dass der mit Busoni im schweizer Exil bekannt gewordene Dichter Rainer Marie Rilke den Begriff der Elegie für seine Duineser Elegien, die etwa zeitgleich zu Busonis Elegien entstanden sind, rein als »Klage« verwendet.60 Busoni hingegen habe sich gegen ein zu enges Verständnis des Begriffs gewehrt und habe geschrieben: »A German should at least know his Goethe and are this prodigy’s »Roman elegies« songs of lament? Practically the opposite«.61 Aber Beaumont ist anschließend auch der Meinung, die Elegien Busonis verbinde weder Stil noch Ausdruck62. Dagegen führt Willimann eine übergeordnete Bedeutung des Elegischen nach Friedrich Schiller an, anhand derer er Gemeinsamkeiten der Stücke untersucht und damit den zusammenfassenden Werktitel begründet findet.63 In Schillers Schrift Über naive und sentimentalische Dichtung ist die Elegie in Beziehung zum 60 Vgl. Beaumont 1985, S.102 f 61 Zitiert nach Beaumont 1985, S.103 62 Beaumont 1985, S.103: «These elegies are neither linked stylistically nor in expression; all they have in common is their brevity – non exceeds ten minutes – and a certain subdued quality of gesture and tone colour.« 63 Vgl. Willimann 2004, S.109 (3) Faktur: Auf Busonis Weg zur eigenen Tonsprache sollen anhand der Berceuse élégiaque drei Aspekte der Faktur untersucht werden, die er auch theoretisch reflektierte: die Form (a), die Instrumentation (b) und die Harmonik (c). (a) Um eine Auseinandersetzung Busonis mit einem schon bestehenden Formprinzip kann es bei einer formalen Analyse nicht gehen. In seinem Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst68 wendet sich Busoni gegen die einengende Verwendung von »architektonischer«69 Form, denn die Komponisten seien »der wahren Natur der Musik am nächsten [gekommen], wo sie glaubten, die symmetrischen Verhältnisse außer acht lassen zu dürfen und selbst unbewußt frei 098 | 099 64 65 66 67 68 69 Zitiert nach Willimann 2004, S.109 Willimann 2004, S.108 Vgl. Willimann 2004, S.110 Willimann 2004, S.115 Busoni Entwurf, S.14 ff Busoni Entwurf, S.19 aufzuatmen schienen«70. Er stellt fest: »Ists nicht eigentümlich, daß man vom Komponisten in allem Originalität fordert und daß man sie ihm in der Form verbietet?«71 Für eine Analyse macht meines Erachtens die Untersuchung des formalen Aufbaus aber Sinn, wenn diese der Strukturierung dient und man den Ausdrucksgehalt dieses Aufbaus erfasst. Die Berceuse élégiaque lässt sich folgendermaßen formal gliedern: A (T 1-19), A’ (T 20-39), B (T 40-53), A’’ (T 5480), B’/Coda (T 81-118). Feststellen lässt sich ein wellenartiger Aufbau: Der erste klagende Abschnitt A wird zweimal wieder aufgegriffen und erfährt jeweils eine Steigerung – knapp zusammengefasst – in der Besetzung, in der kontrapunktischen Dichte des Satzes, in der Lage und bezüglich des Ambitus, in der Dynamik und im Tempo (un poco agitato in A’’). Diese Steigerung hin zu Verzweiflung wird durch einen ruhigeren (calmissimo), wenn auch bedrohlich wirkenden Teil B unterbrochen, was das gesteigerte Gefühl in A’’ aber mehr verstärkt als mindert. Im Schlussteil B’ (Coda) beruhigt sich die Musik nach kurzen aufflackernden Momenten aus den Abschnitten A und pendelt langsam ins ppp verschwindend aus. Die Ruhe des Schlusses schlägt vor allem mit dem dreitaktigen F-Dur Pendel in der Harfe über dem Orgelpunkt F, das den Beginn des Stückes aufgreift (Streicher und Harfe), den abgerundeten Bogen. Der Ausdrucksgehalt durchläuft also verschiedene Stadien: Nach Phasen oder Wellen von Trauer, Klage bis hin zur Verzweiflung kehrt die Berceuse élégiaque erschöpft zurück zur einsamen Ruhe des Beginns (Vergleiche Beginn und Ende Beispielgruppe 3). In seiner Selbstrezension stellt Busoni 1912 zufrieden fest, dass es ihm bei der Berceuse élégiaque zum ersten Mal gelungen sei, »die Form in Empfindung aufzulösen«72, er also seinem Ideal näher gekommen sei. (b) Die Berceuse élégiaque schreibt Busoni »für sechsfaches Streichquartett [i.e. 6 Vl, 6 Va, 6 Vc und 6 Kb] mit Sordinen, 3 Flöten, 1 Oboe, 3 Klarinetten [inkl. Bassklarinette], 4 Hörner, Gong, Harfe und Celesta«73. Diese außergewöhnliche Besetzung und Zusätze wie Flageoletts in den Streichern und in der Harfe ermöglichen außergewöhnliche Klangmischungen, wie zum Beispiel zu Beginn das nahezu schwebende Ostinato in den Streichern und Harfe (Beispiel 3a), in Takt 81 die Klangmischung von Harfe und Celesta (Beispiel 1d) oder die letzten fünf ausklingenden Takte (Beispiel 3b) mit Streichern, Harfe, Celesta und Gong (der hier seinen einzigen Auftritt hat). Willimann sieht in solchen »aparten Klangmischungen mit gleichsam ätherischer Wirkung […] die Entsprechung zu dem […], was Busoni im ästhetischen Diskurs mehrfach als die »Immaterialität« der Musik ansprach«.74 Des Weiteren ist die Berceuse élégiaque ein Musterbeispiel für »jene notwendige Einrichtung […], die im Orchester die Funktion des »Pedales« im Klavier übernimmt«.75 Wie schon beschrieben existieren fast beständig ostinate Pendelfiguren, oft über mehrere Instrumente geteilt (Beispielgruppe 1). Wird die Melodie in Abschnitten von verschiedenen Instrumenten gespielt (Beispiel 3a), so überlappt als Orchesterpedal ein »instrumentaler Rest«,76 der auf die Instrumentationslehre von Hector Berlioz zurückgeht. (c) In seinem »Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst« beschäftigt sich Busoni mit verschiedenen Möglichkeiten das Tonsystem zu erweitern und die »gefesselte« Tonkunst zu »befreien«77. Grundlegend stellt er fest, dass es »überhaupt Dissonanzen nicht geben kann!«78 und die »Vermischung zweier 70 71 72 73 74 75 76 77 78 Busoni Entwurf, S.16 f Busoni Entwurf, S.16 Busoni Selbst-Rezension, S.65 Studienpartitur Berceuse élégiaque Vgl. Willimann 2004, S.112 Busoni Etwas über Instrumentationslehre, S.29 Vgl. Willimann 2004, S.112 Vgl. Busoni Entwurf, S.13: »Frei ist die Tonkunst geboren und frei zu werden ihre Bestimmung.« Busoni Entwurf, S.44 Tonarten in Harmonie und Melodie«79 sehr wohl möglich sei. In der zweiten Auflage von 1916 fügt er hinzu, eine »polyphone Harmonik dürfte noch so manches Klangphänomen erzeugen können«80. Er empfindet das bestehende Tonsystem als »ein gewaltsam beschränktes«81, »denn unser ganzes Ton-, Tonart- und Tonartensystem ist in seiner Gesamtheit selbst nur der Teil eines Bruchteils eines zerlegten Strahls jener Sonne ›Musik‹ am Himmel der ›ewigen Harmonie‹«.82 Und er stellt fest: »Wir haben nur eine einzige Tonart. Aber sie ist sehr dürftiger Art.«83 Deswegen berichtet er von seinem Unterfangen, alle Möglichkeiten von 7-Ton-Skalen zu entwickeln und kommt auf 113 Skalen, welche ebenso wie die Tonarten noch transponiert werden könnten.84 Noch weiter führt sein Vorschlag der Drittelton-Abstufung – bzw. halbtönig verschoben ergibt sich folgerichtig daraus eine Sechstelton-Abstufung – mit der Absicht sich der unendlichen Abstufung der Oktave zu nähern.85 Busoni befreit sich in der Berceuse élégiaque nicht ganz vom bestehenden Tonsystem. Die beiden zuletzt genannten Punkte berücksichtigt er gar nicht. Doch gibt es harmonisch avancierte Stellen, die ein neues Verständnis von Dissonanz-, Akkordbehandlung und Linienführung erkennen lassen. Zunächst gibt es noch eine scheinbare Tonalität, F-Dur, in den ersten Takten noch sehr klar, gefestigt durch einen lange anhaltenden Orgelpunkt bis Takt 16, obwohl die Tonalität schon verlassen ist. Dieser kehrt am Ende ab Takt 114 wieder. Obwohl der Schlussakkord nicht F-Dur ist, sondern eine Quartenschichtung über der Quinte f-c, hört man das Stück doch tonal geschlossen, da durch die Dynamik, die einheitliche Streicherfarbe und vor allem durch die im Bass liegende Quinte dem Quartklang das Sperrige und Scharfe genommen wird (Beispiel 3b). Quartklänge setzt Busoni auch an einer anderen Stelle ein: In A’’ ab Takt 58, hängen auf der zweiten Takthälfte unter der Melodie Quartschichtungen (Beispiel 4a). Zu Beginn von A’ ab Takt 20 arbeitet Busoni mit Mixturtechnik, indem er zunächst Septakkorde halb- und ganztönig verschiebt (Beispiel 4b), ab Takt 25 sind es verminderte Akkorde. In den jeweiligen B-Teilen finden sich bitonale Felder: Takt 40ff (Beispiel 4c) bilden Klarinetten und Flöten as-Moll, Harfe, Horn und Bassklarinette F-Dur (Bratschen pendeln zwischen den Akkorden, ebenso der Bass in der Umspielung des Orgelpunktes C), in Takt 44ff wechseln die Klänge nach es-Moll und C-Dur, danach erhöht sich die Frequenz des Wechsels. Das Verhältnis der Tonarten ist mediantisch, sodass der andere Akkord jeweils die Terz der Varianttonart enthält. Dadurch kann die Melodie in den Violinen chromatisch zwischen den Tonarten und Tongeschlechtern changieren. In B’ pendelt die Celesta in Umkehrungen von A-Dur und die Harfe rhythmisch komplementär in c-Moll (Beispiel 1d). Die Melodien entwickeln sich harmonisch ungebunden und sind chromatisch eingefärbt. Im weitesten Sinne kontrapunktisch dazu gibt es viele chromatisch langgestreckte Linien. Beispiele hierfür sind die Bratschen ab Takt 6, die die Spitzentöne der ostinaten Pendelfigur chromatisch von c1 nach des2 nach oben führen, oder der Bass, der ab Takt 60 chromatisch von b nach g abfällt. Hiermit sind einige Beispiele herausgegriffen, die zeigen sollen, inwieweit Busoni in der Berceuse élégiaque die Tonkunst »befreit« hat. Die »Vermischung zweier Tonarten« macht Busoni an den zwei genannten bitonalen Stellen wahr. Dass er keine Dissonanzen kennt, zeigt sich sowohl hierin, als auch in der Mixturtechnik, die Spannungsakkorde aneinanderreiht, ohne dass sich 100 | 101 79 80 81 82 83 84 85 Busoni Entwurf, S.49 Busoni Entwurf, S.42 Busoni Entwurf, S.45 Busoni Entwurf, S. 47 Busoni Entwurf, S. 47 Vgl. Busoni Entwurf, S. 49 f Vgl. Busoni Entwurf, S.50 f. deren Dissonanzen je auflösen. Die später von Busoni so benannte »Polyphone Harmonik« räumt der Melodieführung Vorrang gegenüber der Harmonik ein. So scheint es auch hier: Zwar ist die Berceuse élégiaque noch von einer entfernten F-Tonalität eingerahmt, doch wird dieser Rahmen nicht mit Kadenzharmonik gefüllt. Melodien scheinen sich frei zu entfalten ohne einem harmonischen »Bauplan« zu folgen. Dadurch ist es Aufgabe der Akkorde und damit der Harmonik im weitesten Sinne als Klangfarben die Melodien zu grundieren. So wird zum Beispiel die Melodie der Abschnitte A, A’, A’’ neben der instrumentalen Klangfarbe akkordisch auf unterschiedlichste Arten beleuchtet: zuerst mit dem tonalen Zentrum F-Dur, dann anfangs von A’ mit Dominantseptakkorden und in A’’ abwechselnd mit Quartenakkorden und verminderten Dreiklängen. Beispielgruppe 1 a) Takt 1ff: Harfe Vl, Va, Vc, Kb (4) Stellenwert: Schließlich ist kurz daran zu erinnern, dass Busoni selbst der Berceuse élégiaque, wie den meisten seiner Sechs Elegien, einen hohen Stellenwert einräumt. In seiner Selbstrezension schreibt er: »Bei diesem Stücke […] gelang es mir zum ersten Male, einen eigenen Klang zu treffen«86. Schlussbemerkungen In der Berceuse élégiaque gelingt es Busoni, einzelne seiner musikästhetischen Postulate auf der Ebene der Form, der Harmonik und der Instrumentation zu realisieren. Seine zufriedene Feststellung, einen ersten »eigenen Klang« getroffen zu haben, kann als Bestätigung gesehen werden, dass die Berceuse élégiaque einen wichtigen Schritt innerhalb seines kompositorischen Schaffens darstellt und damit auch innerhalb der Auseinandersetzung Busonis mit einem Ideal der Tonsprache. Denn eine Auseinandersetzung mit dem Thema des Ideals war beständig präsent in Busonis Leben. Das zeigt sich in der Wahl von Sujets wie des Aladdin-Stoffes oder später des Faust-Stoffes oder in seinen über Musik reflektierenden Schriften. Der Aladdin-Stoff fand inhaltlich zumindest indirekt Niederschlag in der Berceuse élégiaque; wohl vor allem deshalb, weil er Identifikationspotential mit einer Figur bietet, die nach dem Ideal sucht. Doch stimmt Busoni im Gegensatz zum Aladdin-Stoff mit der von Schiller als elegisch charakterisierten Haltung überein, wenn der Komponist festhält: »Ein Ideal ist etwas, das noch nicht verwirklicht ist«.87 Aus dieser Sicht ist die Berceuse élégiaque eines der Stücke, die Busoni offensichtlich »für besonders gelungene Annäherungen an sein kompositorisches Ideal« hält88. Und Beaumont charakterisiert das Stück folgendermaßen: »The Berceuse élégiaque […] is the compulsive grasping and setting down of a vision«89. Man kann also für die Berceuse élégiaque die Bedeutung des Begriffs Elegie um die Komponente »Trauer um ein noch nicht erreichtes Ideal« erweitern. Ob dieses Verständnis des Elegischen für Busoni wirklich der Anlass war, seinen Orchesterstücken den zusammenfassenden Titel Elegien zu geben, kann letztendlich nur vermutet werden. Immerhin scheint es zumindest für einen musikästhetisch reflektierten Menschen wie Busoni eher unwahrscheinlich, dass ein solcher Titel unbedacht gewählt ist. b) T. 54ff: Va, Vc, Kb Klara Baumann begann zum Sommersemester 2006 mit Schulmusik ihr Studium an der Musikhochschule Freiburg. Nach dem Examen im Oktober 2010 bleibt sie mit den später hinzugenommenen Studiengängen Diplom-Musiklehrer für Querflöte und Bachelor Musiktheorie weiterhin Studentin der Musikhochschule. d) Takt 81ff: Celesta und Harfe 86 87 88 89 Busoni Selbstrezension, S. 65 Zitiert nach Willimann 2004, S. 109 Willimann 2004, S.109 Beaumont, 1985 S.145 c) Takt 40ff : Vl, Va, Vc, Kb 102 | 103 Beispielgruppe 2 Takt 1 ff: Kl (in A), BKl (in A), Hr (in F) Beispielgruppe 3 a) Takt 1ff b) Takt 117 bis Schluss: Fl, Hr, Gong, Cel, Hrf, Vl, Va, Vc, Kb 104 | 105 Beispielgruppe 4 Jürgen Stolle Arnold Schönberg und der Harmonie fremde Töne a) Takt 58ff: hier Vl (auch in Fl, Kl) b) Takt 20ff: Va, Vc Dass es in einer von »Harmonie« bestimmten Musik keine der Harmonie fremden Töne geben könne, ist eine der bekanntesten und markantesten Aussagen Arnold Schönbergs – und es ist zugleich eine seiner missverständlichsten. In Schönbergs Begriff des »harmoniefremden Tons« bündelt sich alles, was man von einem »konservativen« Revolutionär erwartet: Das grenzenlose Bekenntnis zur Dissonanz, der Bruch mit den fest gefügten und im Traditionalismus erstarrten Ansichten der von ihm scharf kritisierten, zeitgenössischen Musiktheorie. Andererseits steckt in ihm aber auch eine große Traditionsverbundenheit, jener für Schönberg und seine Schule so bezeichnende Respekt vor den »Meistern« der Vergangenheit, deren Denken sowohl fortzusetzen als auch wiederzugeben, mit großer Autorität beansprucht wird.117 Fast immer wird der Begriff des »harmoniefremden Tons« in der SchönbergForschung mit dem des »akkordfremden Tons« und somit auch mit dem des harmonischen »Ornaments« gleichgesetzt. Aus dieser Gleichsetzung, der Schönberg selbst durch seine wenig deutliche begriffliche Trennung Vorschub geleistet hat, kann einige Verwirrungen entstehen, die den Blick auf zentrale Konzepte der Schönbergschen Musiktheorie zu verstellen vermag. Man kann Schönbergs Konzept der »Harmoniefremdheit« nicht angemessen verstehen, ohne die technischen und ästhetischen Hintergründe seines Ornament-Begriffs zu berücksichtigen. Ursprünglich stammt der Terminus »Ornament« aus der Architektur, der bildenden Kunst bzw. dem Kunsthandwerk, wie etwa dem Textilhandwerk. In Johann Heinrich Zedlers Universal-Lexicon etwa, einem der umfangreichsten enzyklopädischen Werke des 18. Jahrhunderts, wird der Begriff »Ornament« unter dem Stichwort »Zierrath« folgendermaßen definiert: c) Takt 40ff: Fl, Ob, Kl (in A), Hr (in F), Cel, Harf, Vl, Va, Vc, Kb »Zierrath, Lat. Ornamenta, Franz. Ornemens, heist in der Baukunst, alles was an einem Bau, ausser den wesentlichen Stücken, allein ihm ein schönes oder prächtiges Ansehen zu geben, befindlich, als da sind Simse, Einfassungen, Schnitzwercke, Fruchtschnüre, Gemählde, Bilder, u.d.g. Alle Zierrathen sollen nach dem Zwecke und der Art des Gebäudes gerichtet seyn, damit ihrer nicht zu viel und nicht zu wenig auch keine fremde und unschickliche angebracht, sondern aus der Sache selbst hergenommen werden.«118 In der musikalischen Literatur findet der Ornament-Begriff erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts regelmäßig Anwendung. Im 18. Jahrhundert entspricht ihm am ehesten der Begriff der »Manier«. Dass Schönberg den 106 | 107 117 Schönberg, Harmonielehre (im Folgenden abgekürzt durch »HL«), S. 412: »Daß ein wirklicher Meister nie etwas so Unkünstlerisches getan hat, selbst nicht geschützt durch die Ausrede der harmonischen Skizze, die später ausgearbeitet wird, müsste eigentlich jeder erkennen«. Besonders hier zeigt sich Schönbergs starke Neigung zum antirationalistischen Mystizimus: Kompositionsgeschichte ist letztlich eine Geheimwissenschaft, in der sich das Wissen gleichsam von Meister zu Meister vermittelt: Nur ein Genie kann das Genie lesen und verstehen, nur ein Genie kann die geheime Entwicklungsgeschichte der Emanzipation der Dissonanz lesen und verstehen. Aus diesem Denken resultiert auch Schönbergs Verachtung der »akademischen«, an der Oberfläche verharrenden Analyse. 118 Zedler, Universal-Lexicon, Band 62, S. 663. Begriff »Ornament« verwendet ist jedenfalls kein Zufall: Explizit beruft er sich auf jenen modernen, »handwerklichen« Ornamentbegriff der bildenden Künste.119 In der Kunst wurde auf je unterschiedliche Weisen »verziert«. Dem Ornamentalen wurde je nach Epoche mehr oder weniger große Bedeutung zugemessen. Auf eine der Hochzeiten der Ornamentfreundlichkeit, dem 17. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der Epoche des Barocks, folgte die Zeit des sog. »galanten Stils«, die von einem Streben nach Einfachheit und Klarheit im Ausdruck (»simplicité«) geprägt war: das Verständnis von Ornamentik wandelte sich in der Folge grundlegend. Eine vergleichbare, wenn auch noch extremere Entwicklung vollzog sich in der Architektur um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert: Dem dominierenden Jugendstil, dessen Vertreter das Ornament in völlig neuartiger, aus der Natur inspirierter Weise wieder aufleben ließen, trat der neue Bauhausstil entgegen bzw. an die Seite, der das Ornament radikal aus der Kunst zu verbannen suchte: Aus diesem Zwiespalt entspringen auch die scheinbaren Widersprüchlichkeiten in Schönbergs Ornamentauffassung. Auch die Werke aus Schönbergs früher Schaffensperiode sind von diesem Zwiespalt der Stile gekennzeichnet: Schönberg ist sowohl ein Gefolgsmann des radikalen Ornamentfeindes Adolf Loos, wie seine eigenen kunsthandwerklichen Arbeiten, sein bildnerisches Werk und seine ästhetischen Präferenzen durchaus Affinitäten zum Ornamentbegriff des Jugendstils aufscheinen lassen. Schönbergs Harmonieverständnis unterscheidet sich grundlegend vom gängigen Harmoniebegriff. Das traditionelle, fachspezifische Verständnis von Harmonie fußt letztlich auf einer fein abgestuften Unterscheidung von Konsonanz und Dissonanz. Bereits bei Zarlino wird der Harmoniebegriff über den Zusammenklang von Konsonanzen definiert. Dissonanzen erscheinen dabei lediglich als Zusätze unterschiedlicher Art. Johann Crüger unterscheidet in einer für das beginnende 17. Jahrhundert typischen Weise zwei Arten von Dissonanzen: Die durchgehenden (»celeritate«) und die in die Harmonie hineinragenden Dissonanzen (»ritardatio«, d.h. Synkopendissonanzen).120 Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts wandelt sich der Dissonanzbegriff: Es entstehen Unterkategorien. Bestimmte Dissonanzen werden freier behandelt als andere, so dass es schließlich solche gibt, die vorbereitet werden müssen, und solche, die vorbereitet werden können, deren Vorbereitung jedoch nicht mehr zwingend eintreten muss. Einige Musiktheoretiker des frühen 18. Jahrhunderts betrachten ein Intervall, wie den Tritonus nicht mehr als Dissonanz, sondern als »Semi-Dissonanz«, bzw. »Semi-Konsonanz«. Die erweiterte Dissonanzbehandlung und die im 19. Jahrhundert immer weiter fortschreitende harmonische Verdichtung, sowie das neoramistische Prinzip der »Terzenschichtung« führte schließlich dazu, dass Theoretiker wie Georg Capellen zu Beginn des 20. Jahrhunderts sogar den »Sept- und Nonklang« als quasikonsonante »Naturharmonien« ansahen.121 Schönberg, der die Schriften Capellens kannte und schätzte, geht hier noch einen Schritt weiter: Sein Harmoniebegriff liegt in der Naturtonreihe begründet. Schönberg geht davon aus, dass der Hörer alle Oberschwingungen der klingenden Töne jederzeit bewusst oder unbewusst wahrnimmt und dass der 119 Immer wieder zieht er diesen Vergleich auch im Zusammenhang mit dem Ornamentieren: Das zweckfreie Ornament auf der einen Seite, das Aufgrund von »Materialersparnis« und »künstlerischer Ökonomie« (HL, 326) nur von den »Schönheitssuchenden Ästhetikern« angestrebt wird und ansonsten künstlerisch, handwerklich »unmoralisch« sei. Andererseits die »Zweckmäßigkeit der Ornamente«, die nicht erkannt, neben der »sinnlosen Anbringung«, auch zu »unüberlegter Weglassung« führt. (HL, 415 Anm.) 120 Crüger, Synopsis musicae, S. 127: »Dissonantiae, concentum musicum magnopere exornantes, ingrediuntur Harmoniam duobus modis. Vel enim celeritate obliterantur, vel syncopationibus.« 121 Capellen, Fortschrittliche Harmonie- und Melodielehre, S. 6. Mensch in seiner psychologischen und physiologischen Entwicklung immer mehr dahin gelangen wird, alle Töne als zur Harmonie zugehörig zu empfinden, was nach und nach zu einer geschichtlich sich permanent weiterentwickelnden »Emanzipation der Dissonanz« führt. Im Folgenden soll Schönbergs Auffassung von Ornamentik bzw. »harmoniefremden Tönen«, wie sie sich in der Harmonielehre findet, dargestellt werden. Harmonielehre als »Darstellungssystem« Eine Harmonielehre zu schreiben, bedeutete für Schönberg, alles radikal nur aus der Perspektive eines rein harmonischen Systems zu betrachten. Vom harmonischen Standpunkt aus gesehen, ist ihm alles Harmonie, so wie ihm vom kontrapunktischen Standpunkt aus alles Kontrapunkt wäre: Es kommt nur auf den jeweiligen Blickwinkel an. Schönbergs Harmoniebegriff umfasst dabei die Gesamtheit dessen, was natürlicherweise zusammen klingt bzw. zusammen klingen kann. In diesem Verständnis, erzeugt die Natur gleichsam aus sich selbst heraus »Harmonie«.122 Jeder einzelne Ton ist durch seine Obertöne bereits in sich selbst ein umfassender Klang. »Harmonielehre« hat dabei die Funktion eines »Darstellungssystems«, welches diese »natürliche« Harmonie in ein, vom Menschen erfassbares System bringen soll. Einer konsequenten Logik folgend sollte demnach alles, was klingt, dem harmonischen Darstellungssystem zugehörig und damit harmonisch erklärbar sein. Letztlich führt das zu der Schlussfolgerung, dass es keine harmoniefremden Töne geben kann, denn auch »harmoniefremde Töne« müssen harmonischen Ursprungs und damit mit Hilfe des harmonischen Darstellungssystems erklärbar sein, denn sonst wäre das System an sich unzureichend. Ein Darstellungssystem, wie Schönberg betont, vermag es nicht »ein Maßstab zur Ermittlung des Kunstwerts« (HL, 3) zu sein: Ein System an sich, kann nicht aus »Schönheitsgesetzen« bestehen: »Die Grundsätze des Systems ergeben einen Überschuß der möglichen Fälle über die wirklich vorkommenden.« (HL, 6) Der Mensch gewöhnt sich an gewisse Wendungen, andere werden ungebräuchlich, auch wenn die Regeln eines Systems diese Möglichkeiten nicht ausschließen würden. Das macht die verschiedenen Wendungen für den Hörer jedoch nicht »schön«, oder »unschön«, sondern eben lediglich »gebräuchlich« oder »ungebräuchlich«. Derartige Schönheitsgesetze haben für Schönberg also allgemein in der Kunst nichts verloren. Ästhetik, so Schönberg, führe nur zu ein paar »hübschen Phrasen«, die jedoch über das Werk an sich nichts aussagten und »nichts mit der Anlage des Ganzen zu tun« (HL, 5) hätten. Vermeintliche, satztechnische »Fehler« würden nach »ästhetischen« Kriterien vorverurteilt werden, statt dass man sich über deren Wirkung, die ihr eigentliches Wesen ausmachten, klar würde, um sie dann gezielt, »am richtigen Platz« (HL, 283) einsetzen zu können. Wirkliche Schönheitstheorie müsse, wie Schönberg Schopenhauer zitiert, immer vom »betrachtenden Subjekt« ausgehen, also auf das Gehör zurückgeführt werden (HL, 13). Der Sinn des Systems sei es aber nur, die Vorgänge zu beschreiben, zu Vergleichen, einen Überblick zu verschaffen, »scheinbar fernliegende Ideen zu verbinden, durch Einheitlichkeit der Darstellung die Faßlichkeit zu fördern.« (HL, 6) Zum Begriff der »Fasslichkeit« in der Musik hat sich Schönberg immer wieder geäußert123: Musik, die »in erster Linie zum Hören bestimmt ist«, also Zeit als 108 | 109 122 Dass in diesem Begriff von Harmonie das mittelalterliche Verständnis der »musica mundana« weiterlebt, ist immer wieder festgehalten worden. Allerdings wird das pythagoreische Erbe hier in einem neuzeitlichen, »lebensphilosophischen« Sinne aktualisiert und dabei mystisch überhöht. 123 Schönberg, Der Musikalische Gedanke und die Logik, Technik, und Kunst seiner Darstellung, S. 118ff. entscheidendes Kriterium mit einbezieht, und somit ein »längeres Verweilen bei einem unverstandenen Gedanken«124 nicht ermöglicht, muss sich für Schönberg nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten richten, damit der Hörer folgen kann. Diese Gesetzmäßigkeiten führen durch verschiedene Mittel, wie z.B. die Wiederholung, zu einer Strukturierung und Gewichtung der musikalischen Gedanken. Die Darstellbarkeit mit Hilfe eines Systems soll dem Zweck der »Fasslichkeit« dienen. Wobei »Fasslichkeit« bedeute, dass der Hörer innerhalb eines Stückes »immer Antwort wüsste auf die Frage: ›Wie kommt das hieher?‹«125. Fasslichkeit unterliegt dabei je nach Zielgruppe jeweils anderen Voraussetzungen. Ist eine Harmonielehre im Schönbergschen Sinne also eine Darstellungsform, welche die »Erscheinungen« beschreibt und fassbar macht, diese jedoch nicht von sich aus erklären kann, impliziert das für Schönberg, dass tonales Komponieren etwas Determiniertes ist, etwas, das Regeln und Gesetze benötigt. Das Darstellungssystem ist somit für Schönberg so etwas wie ein »Korsett« aus Regeln und Gesetzen, denen man sich, will man tonal schreiben, unterwerfen muss. können. Dass es ihm dabei auch um die Rechtfertigung der eigenen avancierten, musikalischen Sprache ging, liegt auf der Hand. Durch die Vereinheitlichung und Ausweitung eines Systems bis zu dem Punkt, dass es schließlich »alle Ereignisse einschließt [...], [nämlich] genau so viele Ereignisse, als es wirklich gibt« (HL, 5), bringt es in letzter Instanz nichts anderes als die »Naturgesetzlichkeit« selbst zur Darstellung. Schönberg ist überzeugt, dass seine Musiktheorie die Möglichkeit eröffnet, gleichsam überhistorisch alle musikalischen Stile ausgehend von einer einheitlichen Grundlage zu analysieren. Man wird Schönberg in dieser Überzeugung heute nicht mehr folgen wollen, seine Harmonielehre bleibt aber eine der zentrale Quellen für das kompositionstechnische Denken, das hinter seinen tonalen Werken und denen seiner Schüler steht. Die Emanzipation der Dissonanz Schönbergs Erklärung des Harmonieempfindens stützt sich auf die Obertonreihe. »Das Material der Musik ist der Ton.«(HL, 14) In ihm wurzelt demnach alles, was später auf die Harmonie übergeht. Seiner Theorie zufolge, die vom Denken seiner Zeit geprägt von einer permanenten »dynamischen« Weiterentwicklung des Menschen ausgeht, ist »die Verwendung der Dissonanzen erst nach und nach geschehen«. Die Behandlung der Dissonanzen, die für ihn die entfernteren Obertöne sind, wurde somit erst »gelegentlich und mit großer Vorsicht unternommen« (HL, 51). Diese Entwicklung folgt nach Schönberg aus dem »Dilemma«, das durch »zwei Triebe, die im Menschen streiten«, verursacht wird: »Das Verlangen nach Wiederholung der angenehmen Reize« einerseits und »das Bedürfnis nach Abwechslung, nach Veränderung, nach neuen Reizen« (HL, 53) andererseits. Die dialektische Spannung, die durch die gegensätzlichen Triebe entsteht, führe zu dem »relativ ordinären Raubtiertrieb [...] Besitz zu ergreifen«: Das Besitzergreifen des neuen, interessanten Reizes durch ein System, durch »Methoden, die ihn [den Reiz] hervorrufen« führte nach und nach dazu, dass die entfernter liegenden Obertöne benutzbar wurden und man somit dem »Bedürfnis nach einer weniger zufälligen, willkürlich hervorgebrachten Wiederholung« entgegenkam: Das System sollte zum einen ermöglichen, den Reiz einer bestimmten Dissonanz zu wiederholen, zum anderen sollte es aber auch vor »Übermaß« schützen. Aus diesen Trieben128 resultiert nach Schönbergs Auffassung die Dissonanzbehandlung, also die Verwendung der »harmoniefremden Töne«: Das »Besitzergreifen« durch ein System soll dazu geführt haben, dass die Entscheidung darüber, ob »Wiederholung oder Erneuerung der Reize vorzuziehen sei«, gleichsam dem System selbst überlassen wurde. So verstand man Dissonanzen als Durchgangs-, oder Wechselnoten, Vorhalte, oder Antizipationen der Wohlklänge. Da nun aber im Material, also im Ton, jederzeit alle Obertöne stärker oder schwächer mitschwingen und da das »musikalische Ohr den Versuch einer genauen Analyse hier zwar aufgibt«, sie aber dennoch vom »Unterbewußtsein aufgenommen« (HL, 16) wird, entwickelte sich, wie Schönberg behauptet, die Dissonanzwahrnehmung stetig weiter, bis sie sich schließlich in seiner Musik und in der, seiner modernen Zeitgenossen vollkommen emanzipierte: Dissonanz ist nach Schönberg kein Gegensatz zur Konsonanz, sondern lediglich ein gradueller Unterschied. Das Akkordverständnis Schönbergs Im Gegensatz zur Harmonie verstanden Schönberg und seine Zeitgenossen unter Akkord im Allgemeinen einen Zusammenklang, der als solcher als Einheit – beispielsweise über das Terzschichtungsmodell – erkannt und durch einen Grundton repräsentiert wird. Dieser Grundton, dieses »Fundament« ist es demnach, welches das »Triebleben der Klänge« bestimmt, da aus ihm die Obertöne hervorgehen, die nach Schönbergs Ansicht zur Bildung des Akkordes führen. Die Fundamentschritte, die bei einer harmonischen Progression entstehen, unterteilt Schönberg in »starke« und »fallende« Fundamentschritte, wobei er sich des Sechterschen »harmonischen Bindemittels« bedient: Gemeinsame Töne verbinden Klänge miteinander.126 Das »harmonische Band« wird für Schönberg zu einem Grundprinzip harmonischer Fortschreitung, das über eine bloße Stimmführungsanweisung weit hinausgeht. In Verbindung mit der »Emanzipation der Dissonanz« und dem Sechterschen Analogiedenken, demzufolge das Urbild einer einfachen V-I-Kadenz auf alle Stufen übertragen werden kann (die sog. »Nebendominanten«), war es nun zwar prinzipiell möglich, in einer einzigen Tonart fast alle Klangverbindungen auszudrücken, in letzter Instanz führte jedoch dieser erweiterte Tonalitätsbegriff zu einer völligen Entfunktionalisierung der Stufen.127 Das Spezifische des Schönbergschen Systems ist es, dass man auf der einen Seite ein ganzes Stück als Ausdruck einer einzigen Tonart erklären und die übergeordnete tonale Einheit darstellen kann, dass man zugleich aber auch eine bestimmte Stelle wie durch ein Vergrößerungsglas betrachten und ihre »lokale« Tonart isolieren kann. Das ausgeführte System der Harmonielehre einschließlich der Ausführungen über »vagierende Akkorde«, »harmoniefremde Töne« und »Quartenakkorde«, zeigt, dass es Schönberg vor allem darum ging, alle denkbaren harmonischen Erscheinungsformen in ein harmonisches System zu integrieren, um so letztlich auch alle vermeintlich »harmoniefremden Töne« harmonisch erklären zu 124 Ebd. 125 Ebd. 126 Holtmeier, Vom Triebleben der Stufen, S. 94. 127 Ebd., S. 98: »Indem die harmonische Funktionalität der Kadenz so vollständig von den einzelnen Klängen abgezogen und auf die ›nackten‹ Fundamentschritte übertragen wird, ist der Prozess der ›Entfunktionalisierung der Klänge‹ endgültig vollzogen. Das ›Triebleben der Klänge‹ ist eigentlich nur ein Triebleben der Fundamente.« 110 | 111 128 Schönberg schreibt hierzu: »Die Vorsicht des Hörers, der den Reiz genießen, aber vor der Gefahr doch nicht zu sehr erschrecken will, stimmt überein mit der Vorsicht des Sängers. Und der Autor, der es sich mit beiden nicht verderben darf, ersinnt Methoden, die dem Zweck fröhnen: wie spanne, erschrecke ich den Hörer und gehe doch nicht so weit, dass ich nicht noch immer die Möglichkeit habe zu sagen: ›Es war ja nur Spiel‹.« (HL, 53f) Harmonie erklingt, denn vom Formgefühl aus betrachtet, ist die Harmonie an ihrem Ort kein zufälliges Ereignis, sondern ein wichtiges Teilmoment, das den harmonischen Gesamtverlauf beeinflusst. Es ist von einem anderen Gesichtspunkt aus betrachtet jedoch ebenfalls kein Zufall, dass die Melodie in Zusammenwirkung mit der Harmonie, bestimmte Klänge hervorbringt. Schönberg geht also davon aus, dass Melodie und Harmonie bestimmten, durch das »Formgefühl« entstandenen Gesetzmäßigkeiten folgen, und dadurch wiederum gesetzmäßig zusammentreffen. Das scheinbar zufällige Ereignis wird also je nach Perspektive eben doch gesetzmäßig verursacht. Insofern sind all jene Ornamente die dem »Formgefühl« folgen, die aus dem Zusammenwirken von Melodie und Harmonie entstehen, die zum Gesamtgefüge beitragen, Ornamente mit tieferem Sinn und keine bloßen »Zufälle«, zählen also nach Schönberg zu jener Gruppe von Ornamenten, die, wenn man deren Zweckmäßigkeit erkennt (s. Anm. 3), nicht einfach weggelassen werden können, ohne dass das Ergebnis »so holprig [würde], daß es von einem Ornamentenfreund sein könnte« (HL, 413). Für Ornamente bedeutet das, dass auch diese, sinnvoll gesetzt oder nicht, das Stück harmonisch beeinflussen, da eventuell entstehende Dissonanzen heutzutage ebenfalls als gleichsam natürliche Teile der Harmonie erfasst werden können. Wenn man diese grundlegenden Überzeugungen berücksichtigt, dann wird Schönbergs Ablehnung des traditionellen »Skeletts«, also des kompositorischen Ausarbeitens eines Gerüstsatzes verständlicher. Formgefühl und Zufälligkeiten In der Forschung wird immer wieder auf die Ähnlichkeiten zwischen JeanPhilippe Rameau und Arnold Schönberg hingewiesen. Denn im Kern ist Schönberg sehr ramistisch und viele Ansichten, die er in der Harmonielehre vertritt, finden sich genau so oder zumindest sehr ähnlich auch bei Rameau. So zum Beispiel die Auffassung über das Verhältnis von Melodie und Harmonie. Denn auch bei Rameau handelt es sich keineswegs um ein primitives oder einseitiges Verhältnis: Auch bei ihm sind Harmonie und Melodie auf eine ganz elementare Weise miteinander verbunden. Harmonie ist bei Rameau ein Überbegriff der letztlich auf die Melodie zielt. Er geht davon aus, dass im Schaffensprozess dem Komponisten zuerst die Melodie einfällt, von welcher der Kompositionsprozess auszugehen hat. Was bei Rameau das Harmonisieren einer gegebenen Melodie ist, findet sich bei Schönberg, wie so oft, in radikalisierter Form: Nicht eine Melodie wird harmonisiert, »sondern man erfindet [sie] mit der Harmonie«: »Es liegt eine harmonisch gegliederte Melodie vor, deren Harmonie und Gliederung ihrem Autor bewusst ist, und an der er nur Änderungen vornimmt« (HL, 345). Die Melodie entsteht somit zusammen mit der Harmonie aus dem »Formgefühl« heraus, das es zu entwickeln gilt. Melodie ist für Schönberg eine in sich logische Einheit, die aus der Harmonie entspringt, und da alles Harmonie ist, entsteht eine Wechselwirkung zwischen beiden: Die Melodie beeinflusst die Harmonie und umgekehrt. Ein Ornament, das nur einen Ton verziert und sonst keinen tieferen, harmonischen Sinn hat, gefährdet das vom Formgefühl bestimmte Gesamtgefüge. Da aber »jede Melodie […], soweit sie nicht bloß die Töne des unter ihr liegenden Akkords nimmt [...], und wenn sie nur einigermaßen schneller geht als die unter ihr liegende Harmonie, fortwährend solche [dissonanten] Klänge hervorbringen« muss (HL, 375), stellt sich die Frage, ob es nicht auch Ornamente mit tieferem Sinn gibt, also solche, die nicht bloß durch »Zufall« entstanden sind. Was Schönberg unter »Zufall« versteht129, verdeutlicht er im Kapitel »Harmoniefremde Töne«. Dort zieht er den Vergleich mit einem Unfall heran, bei dem ein Passant von einem Ziegelstein getroffen wird (HL, 375): Es ginge darum, hinter dem Zufall »die Gesetzmäßigkeit zu erkennen« und zu begreifen, dass es allein »auf den Gesichtspunkt [ankommt], den man wählt, wenn man etwas als Zufall bezeichnet«. Das durch dieses Beispiel veranschaulichte Verständnis von Zufall kann folgendermaßen auf die Musik und auf das »Eintreffen« von harmoniefremden Tönen übertragen werden: Es ist kein Zufall, dass die Melodie an der »Unfallstelle«, also an der den harmoniefremden Ton verursachenden Harmonie »vorbeigeht«, denn sie hat ihren Verlauf und muss, da sie diesen »Weg« eingeschlagen hat zwangsläufig irgendwann dort auf diese Weise ankommen. Schönberg geht also von einem durch das Formgefühl vorherbestimmten »Weg« der Melodie aus, der einmal eingeschlagen, fortan unausweichlich ist. Des weiteren ist es kein Zufall, dass an dieser Stelle eben diese bestimmte 129 Er deutet dies bereits beiläufig im Vorwort der Harmonielehre an: »Ist das Zufall? Es sieht so aus, aber ich glaube nicht daran. Denn es steckt ein Gedanke dahinter.« Adolf Loos’ Einfluss auf Schönberg Der Sinn der Musik, der durch das Formgefühl erfasst wird, wird für Schönberg dadurch bestimmt, dass man »nur jene Mittel [aufwendet], die zur Hervorbringung einer bestimmten Wirkung unerläßlich notwendig sind« (HL, 326). In dieser Beschränkung auf das Notwendige erkennt man deutlich den Einfluss von Adolf Loos, der dem zweckfreien Ornament, der schmückenden Verzierung, eine Ästhetik der funktionalen Zweckmäßigkeit, der glatten Flächen und direkten Wege gegenüber stellt. Innerhalb dieser ästhetischen Vorstellungswelt gilt der Leitsatz »form follows function«, der besonders in der Architektur und im Kunsthandwerk der »neuen Sachlichkeit« eine große Rolle spielte: Funktion sollte sich direkt in der Form ausprägen und umgekehrt sollten aus der gestalteten Form direkte Rückschlüsse auf die Funktion zu ziehen sein. Bei Loos ist der Begriff der ästhetischen Moderne radikal an den des Ornaments geknüpft. In seinen Schriften spricht er sich gegen die Ornamentik aus, die »verschwendete Kunst am Gebrauchsgegenstand«130 sei. In seinem, überbietungsdynamischen Geschichtsbild stellt sie das Festhalten an einer Entwicklungsphase dar, die eigentlich schon gesellschaftlich und künstlerisch überwunden sei. Dabei propagiert er jedoch nicht die generelle Abschaffung des Ornaments, sondern lediglich die des nicht zeitgemäßen und damit funktionslosen Ornaments.131 Ornamentlosigkeit führe nicht zu einer »sinnlichen« Verarmung, sondern schlage im Gegenteil in eine neue, moderne und zeitgemäße Form von »Reiz« um: »Die Mühle, die nicht klappert, weckt den Müller«132. In der Tat beeinflusste die freundschaftliche Beziehung zu Adolf Loos in großem Maße Schönbergs Ansichten. Dieselbe Art, in der Schönberg die Unterschiede zwischen dem Theoretiker und dem Komponisten, dem Handwerker aufzeigt, in derselben Art, in der er überhaupt über den Theoretiker spricht, klagt Adolf Loos gegen den »Architekten«, den Konstrukteur der keine Kunst schafft, sondern nur »ein Maurer [ist], der Latein gelernt hat«133. Er vertritt 112 | 113 130 Adolf Loos, Ornament und Erziehung, 1924, Zitiert aus »Ornament und Verbrechen – Ausgewählte Schriften«, S. 214. 131 Ebd., S. 215f: »Ich habe aber damit niemals gemeint, was die Puristen ad absurdum getrieben haben, dass das Ornament systematisch und konsequent abzuschaffen sei. Nur da, wo es einmal zeitnotwendig verschwunden ist, kann man es nicht wieder anbringen.« 132 Ebd., S. 214. 133 Adolf Loos, Ornament und Erziehung (Anm. 130), S. 216. auch dieselbe Ansicht, was das Verhältnis von Ästhetik und Handwerkslehre betrifft: Einer der berühmtesten Sätze aus Schönbergs Harmonielehre lautet: »Ich habe den Kompositionsschülern eine schlechte Ästhetik genommen, ihnen dafür aber eine gute Handwerkslehre gegeben« (HL, 6).134 Und genau wie Schönberg, spricht Loos gegen die Ornamentik: »Ornamente haben nur jene Gegenstände, die von einem Teil der Menschheit – ich nenne ihn den kulturlosen Teil – abhängig sind: den Architekten«135. Loos’ radikale Ansichten zur Ornamentik, drückt er in Ornament und Verbrechen u.a. wie folgt aus: »Die Tätowierten, die nicht in Haft sind, sind latente Verbrecher oder degenerierte Aristokraten«136. In der Harmonielehre bezieht sich Schönberg auf diesen Vergleich von Ornamentik und »tätowieren« (HL, 410). Arnold Schönberg, Der Wanderer, op. 6, Nr. 8, aus: Structural Functions of Harmony, revised Edition, London 1969, S. 110: Schönbergs Ornamentik Anhand des Beispiels des Chorals »Was mein Gott will, das g’scheh’ allzeit« aus der Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach versucht Schönberg zu belegen, dass selbst Bach schon in Bezug zur Ornamentik auf genau dieselbe Art wie er gedacht und gefühlt habe. Er habe nur das Notwendigste notiert, somit also keine Ornamente im eigentlichen Sinne verwendet. Er zeigt, dass es sich bei diesem Choral viel mehr um vier Melodien handele, »die oft ebenso schön sind, wie die Choralmelodie selbst« (HL, 413). Somit seien diese Ornamente melodiebedingt und aus dem Formgefühl entstanden. Bach konnte außerdem diese »Ausschmückungen«, wie Schönberg es von seinen Schülern verlangte, als »harmonisches Ereignis ansehen« (HL, 358). Im Folgenden möchte ich nun versuchen anhand einiger Takte eines Werkes von Schönberg selbst, seine Haltung zur Ornamentik in seinen eigenen Stücken zu betrachten. Es handelt sich um das Lied Der Wanderer aus den Acht Liedern für eine Singstimme und Klavier, op. 6. In seiner Harmonielehre beschränkt sich Schönberg fast ausschließlich auf Übungsbeispiele und es wird nicht ein einziges Werk von ihm selbst analysiert. Das Beispiel ist daher seinem in Amerika entstandenen Buch Structural functions of Harmony entnommen.137 Die Durchgangsnote in Takt 2 dieses Beispiels weist Schönberg zwar selbst als Durchgangsnote aus, andererseits deutet die darunter stehende Stufenbezeichnung darauf hin, dass es sich um einen Septnonenakkord handelt, dass also jene »Durchgangsnoten« auch harmonisch einzuordnen sind. In ähnlicher Weise können (u.a. durch die Möglichkeit der Alteration und durch das Analogiedenken) im erweiterten System viele scheinbar harmoniefremde Töne eben doch harmonisch erklärt werden. Die Durchgangsnoten ab Takt 4 sind tatsächlich melodisch zu begründen. Hier wird das zu Beginn aufgestellte Motiv durchgeführt. Dasselbe gilt für Takt 7 und 8, wo die Melodie der ersten zwei Takte durch Umschichtung leicht abgewandelt über den veränderten Harmoniestufen gebracht wird. Es handelt sich, wenn man so will, um Variationen des Motivs aufgrund von veränderten harmonischen Verhältnissen. Die »hamoniefremden Töne« entstehen hier also durch das vom Formgefühl bestimmte Zusammentreffen von Melodie und Harmonien. Über diese »Rechtfertigung durch das Melodische«140 schreibt er selbst: »Alle diese sogenannten harmoniefremden Töne: Vorhalte, Durchgangsnoten, Wechselnoten, Vorausnahmen sollen in unsern Übungen also so dargestellt werden, daß sie durch melodische Vorkommnisse entstehen.« (HL, 400). Dasselbe hat Schönberg bereits in dem genannten Bach-Choral gezeigt. Der Sinn dieser kurzen Betrachtung des Stückes war es, zu zeigen, wie sich jenes, durch das »Formgefühl« bestimmte dialektische Verhältnis von Melodie und Harmonie im Sinne Schönbergs ergibt. Man kann innerhalb des Stückes klar erkennen, dass kein melodischer Ton zufällig entsteht, und dass kein harmonisches Ereignis ohne Einfluss auf das gesamte Stück ist. Somit kann also auch das Zusammentreffen von Melodie und Harmonie nicht zufällig entstehen und das heißt wiederum, dass es keine harmoniefremden Töne geben kann. Auffällig an dieser Analyse sind die durch die Fußnoten bezeichneten »Durchgangsnoten und freien Vorhalte«. Schönberg schreibt hierzu: »The apparently free passing notes and suspensions (marked +) are merely melodic but not harmonic.«138 In der Tat findet man diese, ihm selbst widersprechende Art der Erklärung immer wieder in diesem Buch. So auch auf S. 77 zu einem anderen Notenbeispiel: «a harmony appears which seems difficult to explain. But if one considers the e as a mere passing note […]«.139 Die Erklärung für die »harmoniefremden Töne« als Durchgangs und Vorhaltsnoten wird hier als Notbehelf angesehen, da diese Noten sonst kaum in das System einzuordnen wären. Es handelt sich also, wie er es selbst ausdrückt, um »Unzulänglichkeiten dieses Systems« (HL, 396), das hieße aber nicht, dass sie nicht harmonisch gehört würden. 134 Holtmeier, Vom Triebleben der Stufen: »Eine verbindliche »Handwerkslehre« hat Schönberg uns nicht hinterlassen, wohl aber einen Wegweiser zum Verständnis seiner tonalen und frühatonalen Werke, in denen die späteren Entwicklungen bereits vorgeprägt sind.« 135 Adolf Loos, Ornament und Erziehung (Anm. 130), S. 214. 136 Adolf Loos, Ornament und Verbrechen, 1924, Zitiert aus »Ornament und Verbrechen – Ausgewählte Schriften«, S. 193. 137 Vgl. Dazu Holtmeier. 138 Schönberg, Structural functions of harmony, S. 110. 139 Ebd., S. 77. 114 | 115 140Rexroth, Arnold Schönberg als Theoretiker der tonalen Harmonik, S. 377. Schlussbemerkung Fredrik Wallberg Trio für Klarinette, Cello und Vibraphon Schönberg geht davon aus, dass alles in der Musik zur Harmonie gehört, wenn man sie vom harmonischen Standpunkt aus betrachtet. Er geht ferner davon aus, dass jeder Melodie ihr eigener harmonische Verlauf zugrunde liegt. Insofern vertritt er die These, dass alle Erscheinungen (d. i. alle Töne), seien sie nun harmonisch oder »harmoniefremd«, Einfluss auf das harmonisch-melodische Formgeschehen haben und somit nicht »zufällig« sind. Wie Schönberg am Bach-Choral gezeigt hat und wie ich selbst anhand eines Stückes von Schönberg versucht habe zu zeigen, betrachtete Schönberg harmoniefremde Töne von einem höheren Standpunkt aus: Ornamente, die zwar vom Gehör harmonisch aufgefasst werden, aber nicht vom harmonischen System erklärt werden können, müssen nach Schönberg einen Zweck erfüllen. Dass sich in diesem Denken ein organizistischer Kunstbegriff manifestiert, ist oft festgehalten worden, und es ist bekannt, welche Rolle Goethes Pflanzen- und Farbenlehre für Schönberg gespielt hat. In Goethes Nachlass findet sich folgende Passage: Trio für Klarinette, Cello und Vibraphon wurde im Frühjahr 2010 geschrieben. Der kompositorische Fokus liegt auf der Intonation innerhalb des Ensembles. Das Cello hat eine unregelmässige Skordatur, bei der natürliche Flageolets bestimmte Partialtöne unterschiedlicher temperierter Grundtöne erzeugen. Für sich genommen klingen diese auf unterschiedlichen Saiten gespielten Flageolets ungewohnt und in ihrem gegenseitigen Bezug unklar. Die Hinzufügung der temperierten Bezugstöne durch die anderen Instrumente lassen diese Klänge in einem anderen Licht erscheinen und integrieren sie klanglich. Auf diese Weise entsteht ein spannungsvolles Wechselverhältnis zwischen temperierter und reiner Stimmung, das andere musikalische Eigenschaften in den Hintergrund treten lässt. Trio ist meinem guten Freund und Kollegen Jonatan Liljedahl gewidmet. »Daher denn jene mannichfaltigen phantastischen Mahlereyen entstanden, wo ein jeder Künstler, was es auch war das er vermochte, willkommen und anwendbar erschien. Daher denn jenes Rohrwerk von schmächtigen Säulchen, lattenartigen Pföstchen, jene geschnörkelten Giebel und was sich sonst von abenteuerlichem Blumenwesen, Schlingranken, wiederkehrenden seltsamen Auswüchsen daraus entwickeln, was für Ungeheuer zuletzt daraus hervortreten mochten. Dessen ungeachtet aber fehlt es solchen Zimmern nicht an Einheit, wie es die colorirten Blätter unserer Sammlung unwidersprechlich vor Augen stellen.«141 Fredrik Wallberg wurde 1983 im Ramlösa, Schweden, geboren. Nach akademischen Studien in Chinesisch und Kompositionsstudien am Royal College of Music in Stockholm, siedelte er 2008 nach Freiburg um und studierte seitdem bei Mathias Spahlinger, Orm Finnendahl und Brice Pauset. Diese Einheit ist für Schönberg in der Musik durch das Motiv, die Melodie, den Klang und die Form gegeben und wird von einem übergeordneten Gedanken getragen. Literatur: Capellen, Georg, Fortschrittliche Harmonie- und Melodielehre, Leipzig 1908 | Crüger, Johann, Synopsis musica, Berölin 1630 | Goethe, Johann Wolfgang, Nachgelassene Werke, Bd. 4 (= Goethes Werke. Vollständige Ausgabe letzter Hand, Bd. 44), Stuttgart/Tübingen 1833 | Holtmeier, Ludwig, Vom Triebleben der Stufen. Gedanken zum Tonalitätsbegriff Arnold Schönbergs, in: Musik und ihre Theorien. Clemens Kühn zum 65. Geburtstag, hg. von Felix Diergarten, Ludwig Holtmeier u.a., Dresden 2010, S. 84–108 | Loos, Adolf, Ornament und Verbrechen. Ausgewählte Schriften, hg. v. Adolf Opel, Wien 2000 | Rexroth, Dieter, Arnold Schönberg als Theoretiker der tonalen Harmonik, Bonn 1971 | Schönberg, Arnold, Harmonielehre, Wien/Leipzig 1911 (3. Auflage 1922) Aus Gründen der leichteren Verfügbarkeit folgen die Seitenangeben der 1966 in Berlin von Josef Rufer herausgegebenen 7. Auflage. | Ders., Structural functions of harmony, revised Edition, London 1969 | Ders., The Musical Idea and the Logic, Technique, and Art of Its Presentation, hg. v. Patricia Carpenter u. Severine Neff, New York 1995 | Zedler, Johann Heinrich (Hg.), Grosses vollständiges Universal-Lexicon, Halle/Leipzig 1732 Jürgen Stolle wurde 1985 in Villingen-Schwenningen geboren und wuchs in Furtwangen, im Schwarzwald, auf. Nach seinem Abitur 2005 studierte er Klavier bei Felix Gottlieb an der Musikhochschule Freiburg. Seit 2008 studiert er Musiktheorie bei Ludwig Holtmeier. Er setzte sich seit dem vergangenen Jahr intensiv mit Schriften Arnold Schönbergs, insbesondere mit seiner Harmonielehre auseinander. 141 Goethe, Nachgelassene Werke, Bd. 4, S. 143 116 | 117 118 | 119 120 | 121 122 | 123 124 | 125 0127 | 0127 sowie das Verhältnis von Wirklichkeit und Fiktion. Ausgangspunkt bildet die These von Dieter Mersch, Kunst sei der Motor der Medienreflexion91. Der Fokus liegt dabei nicht auf einer Gesamtbetrachtung des Verhältnisses von zeitgenössischer Kunst und Medien, sondern speziell auf den akustischen Medien, der modernen akustischen Umwelt und dem damit verbundenen »Medienhören«92 Hannah Schwegler Schimpfarena »(Klang-)Kunst als Motor der Medienreflexion«? Ästhetische Errungenschaften der Klangkunst Am Ende des 20. Jahrhunderts kann die Klangkunst als neue Kunstform und als ein Ergebnis der Auseinandersetzungen von Musik und Technik betrachtet werden. Allgemeiner formuliert: »Medienumbrüche gestalten den Entwicklungsprozess der Künste im 20. Jahrhundert aktiv mit.«93 War bis zur Erfindung des Phonographen die Notenschrift das unbestrittene Medium der Musik, wird diese im Laufe des Jahrhunderts sukzessive durch das Medium Tonträger und seine Begleitmedien abgelöst.94 Seine Verbreitung bricht das »Bedingungsgefüge zwischen Aufführung, schriftlicher Fixierung und musikalischer Differenzierung« auf.95 Saxer bezeichnet die Möglichkeit der Tonträger, Musik von der Live-Aufführung abzukoppeln und damit apparatevermittelte Darbietungssituationen herzustellen als ihren wesentlichen Charakter.96 Das Ausmaß der Veränderungen bezogen auf Darbietung, Rezeption und Wahrnehmung von Musik wird jetzt erst, fast hundert Jahre später, fassbar. Auf vielfältigste Art und Weise setzt sich die Klangkunst mit diesem Phänomen auseinander. Ästhetisch profitiert beispielsweise die »Musique concréte« in den 1950er Jahren erstmals von der Errungenschaft, Klänge unabhängig von ihrer Quelle zu verwenden. Helga de la Motte-Haber formuliert in diesem Zusammenhang: »Das entscheidend Neue war jedoch die Ablösung der Klänge vom Hier und Jetzt ihrer Entstehung, weil diese zu neuen Formen der Auseinandersetzung mit der Realität auffordern.«97 Hat das Hören von unverorteten, aber konkreten Klängen, wie sie die »Musique concréte« verwendete, anfangs zu Schwierigkeiten bei den Rezipienten geführt98, stellten die synthetischen Klänge in Kompositionen der Kölner Schule zusätzliche Anforderungen an den Hörer. Primäres Problem scheint dabei nicht das Hören von Musik aus Lautsprechern zu sein, sondern die Abstraktheit der Klänge. Aus heutiger Perspektive sind musikalische Abbilder der Wirklichkeit, oder Musikphotographien nichts Ungewöhnliches. Hört man beispielsweise ein klassisches Konzert über Radio, so ist man in der Lage sich mental in die Konzertsituation hineinzuversetzen. Nach Supper wird dabei mittels unseres Weltwissens eine neue Realität erzeugt. Er fasst zusammen: »Jede Art von Musik wird überwiegend über Lautsprecher wahrgenommen. Bei einer Rundfunkübertragung wird der Hörer am Lautsprecher eine Realität erzeugen, die seine Erfahrung außerhalb des Radiohörens abbildet.«99 Den Wiener Burgring in Richtung Museumsquartier verlassend, überquert man große Straßen und Plätze. Die akustische Umwelt, in der man sich dort bewegt, ist geprägt vom Lärm der Autos, Straßenbahnen, Fiaker, Fahrräder und Fußgänger – Hupen, Rasseln, Pferdegetrappel, Kingeln, Lachen, Rufen, Gesprächsfetzen, Handytöne und mehr. Begibt man sich nun auf den Platz im Inneren des Museumsquartiers, passiert man die TONSPUR_passage zwischen Hof 7 und 8. Dämpfen die dicken Mauern des Fischer-von Erlach-Trakts den Lärm der Straßen bereits ab, taucht man in diesem Durchgang in einen völlig veränderten akustischen Raum. Ringsum sind dort 8 Lautsprecher angebracht, die die verschiedensten Geräusche und Töne, manchmal auch Sprache von sich geben. Plötzlich wird man aus einem dieser Lautsprecher begrüßt, der nächste flüstert: »bye bye« oder eine schnoddrige Stimme berichtet von ihrem Klavierunterricht aus Kindertagen, jemand spielt Klavier, ein andermal formieren sich schimpfende Stimmen auf französisch, kroatisch und anderen Sprachen zu einer ganzen Schimpfarena. Eine fiktive Fliege surrt durch die Lautsprecher und zerplatzt. TONSPUR für einen öffentlichen Raum nennt Kurator Georg Weckwerth das Projekt, welches er zusammen mit dem technischen Leiter Peter Szely 2003 zunächst in der »Erste Bank Arena« in Wien startete. 35 Tonspuren wurden in den letzten Jahren gelegt, in Berlin, Wien, Prag und weiteren Städten. Tonspur, ein Ausdruck aus der Filmtechnik, bezeichnet in diesem Kontext das Verfahren öffentliche Räume mit Klangkunst zu erweitern. Die bewusste Beschallung öffentlicher Räume setzt Besucher und Passanten unverhofft einer ästhetischen Erfahrung aus, die in der Lebenswelt nicht vorkommen. Solche Erfahrungen sollen bereichern und ein Bewusstsein für Kunst und neue Kunstformen aufschließen, das zu einer veränderten eigenen Wahrnehmung von Klang, Licht, Raum, Geschichte und damit zu einer neuen Rezeptionshaltung führt. Klangkunst, die Kunstform, zu der die »Tonspuren« gezählt werden, wäre ohne Audiotechnik, also ohne technische Medien, nicht umsetzbar. Sie ist geradezu ein Resultat aus dem zunehmenden Zusammenwachsen von technischen Medien und Musik. Ihre gegenseitige Beeinflussung hat zu neuen unst- und Rezeptionsformen geführt. »Am Anfang des Jahrhunderts steht [...] ein ästhetischer Paradigmenwechsel, neue Medien beeinflussen die ästhetische Reflexion von Kunst und Wirklichkeit.«90 Der Einsatz von Medien bewirkt neue Konzeptionen in der Kunst. Aber beeinflusst die Kunst auch die Medien und wie kann sie das bewerkstelligen? Am Beispiel der Klangkunst, konkret an dem Projekt TONSPUR für einen öffentlichen raum soll diese Frage diskutiert werden. Wie und in welcher Weise reflektiert Klangkunst das Verhältnis des Menschen zu den Medien, den Einfluss der Medien auf die Menschen, 90 Helga de la Motte-Haber: »Die gedanklichen und geschichtlichen Voraussetzungen«, in: Klangkunst. Tönende Objekte und klingende Räume, hrsg. v. dies. (= Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert 12), Laaber: Laaber 1999, S. 11-61, hier S. 11. 128 | 129 91 Vgl. Mersch, Medientheorie zur Einführung, S. 226. 92 Vgl. Golo Föllmer: »Klangorganisation im öffentlichen Raum«, in: Klangkunst. Tönende Objekte und klingende Räume, hrsg. v. Helga de la Motte-Haber (= Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert 12), Laaber: Laaber 1999, S. 191-226, hier S. 209. 93 Marion Saxer: »Klangkunst im Prozess medialer Ausdifferenzierung«, in: Klangkunst, hrsg. v. Ulrich Tadday (= Musikkonzepte: Sonderband, N.F, 11 2008), München: edition text + kritik 2008, S. 174-191, hier S. 174. 94 Vgl. ebenda, S. 176. 95 Ebenda, S. 177. 96 Vgl. ebenda, S. 178. 97 De la Motte-Haber, Die gedanklichen und geschichtlichen Voraussetzungen, S. 40. 98 François Bayle hat für das Konzert seines Acousmoniums (Lautsprecherorchester) die Membranen der Lautsprecher abgenommen, um den Zuhörern das Leben der Übertragungstechnik anschaulich zu machen (vgl. Elena Ungeheuer: »Anders-Statements I: Analoges«, in: Elektroakustische Musik, hrsg. v. dies. (= Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert 5), Laaber: Laaber 2002, S. 19-35, hier, S. 31). 99 Martin Supper: Elektroakustische Musik & Computermusik, Darmstadt: Wolke 1998, S. 30. Erst technische Medien ermöglichen die Trennung von Klang und Klangquelle, von Produzent und Rezipient und erschaffen damit die Möglichkeit einer neuen Hör- und Wirklichkeitserfahrung. Das Aufkommen eines neuen Mediums für die Musik, der Tonträger, führt also nicht nur zur Verschiebung der klassischen Aufteilung von musikalischer Differenzierung, schriftlicher Fixierung und Aufführung, sondern auch zu neuen Rezeptionshaltungen. Aus diesen Bedingungen heraus findet nun in Folge der Tendenzen in den 1960er Jahren eine performative Aufladung von elektronischer Musik in Form von Live-Elektronik und Klanginstallationen statt. Die Möglichkeit der Trennung von Interpret und Rezipient erlaubt fortan nicht nur den Zuschauer selbst aktiv werden zu lassen, sondern auch den »Rückzug des ästhetischen Subjekts«.100 Künftig steht im Kunstschaffen die Umsetzung von Rahmenbedingungen für unmittelbare ästhetische Erfahrungen im Zentrum. Die gängige Dichotomie von Subjekt und Objekt erfährt folglich eine Neubestimmung. Der Rückzug des künstlerischen Subjekts ermöglicht eine größere Eigenständigkeit des Kunstwerks, diese wiederum ermöglicht dem Rezipienten, es zum Objekt eigener Wahrnehmungen und Interpretationen zu machen. Die Klangkunst kann solche Rahmenbedingungen beispielsweise durch die besondere Ausstattung eines Raumes mittels Schallquellen schaffen. Ihre ungewohnte Anordnung führt dann zu einer neuen Erfahrung von Raum durch Sound.101 Manche Klangkünstler entwerfen ganze elektroakustische Architekturen. Mittels der Simulation solcher »akustischer Ereignisräume« entstehen damit Klangräume, die in der »realen«, empirischen Wirklichkeit nicht existieren.102 So lässt beispielsweise Werner Reiterer in der 20. TONSPUR, genannt A fly with the consciousness of a bullet mittels einer fiktiven Fliege Raum entstehen. Er beschreibt: »die fliege, die keine ist, denkt wie eine pistolenkugel, die sie nicht ist. was sie aber nicht weiß und wir nicht sehen, aber dafür ganz schnell hören und räumlich denken.«103 Raums, beispielsweise durch gezielte Reduktion der Lautstärke etc. das Bewusstsein der Passanten schärfen. »Solche Strategien zielen auf eine Verschränkung von Kunst und Realität, Schein und Wirklichkeit, die der Annäherung an die empirische, vorgefundene Wirklichkeit Intensität verleiht.«107 Als einer der bekanntesten Medienkünstler, sowie Medientheoretiker formuliert Peter Weibel, Medienkunst müsse Medienkritik mit Sozialkritik verbinden und durchschaubar machen, wie die Medien Wirklichkeit konstruieren.108 Denn, wie das Beispiel der Klangkunst zeigt, sind Medien nicht bloße Überträger von Botschaften, »sondern entfalten eine Wirkkraft, welche die Modalitäten unseres Denkens, Wahrnehmens, Erfahrens, Erinnerns und Kommunizierens prägt.«109 Künste und Kunstformen die mit Medien arbeiten müssen also medial vermittelte Wahrnehmungsweisen künstlerisch reflektieren, aufbrechen, verändern und erweitern. Die Klangkunst kann als eine der modernen Kunstformen betrachtet werden, der genau dieses gelingt. Gehen wir davon aus, dass Technik generell als Medium verstanden wird, so muss diese nach Krämer in zwei Funktionsweisen unterschieden werden.110 Erstens Technik als Werkzeug, zweitens Technik als Apparat. In diesem Zusammenhang interessant ist die Technik als Apparat, welche künstliche Welten hervorbringt. »Diese eröffnet Erfahrungen und ermöglicht Verfahren, die es ohne Apparaturen nicht etwa abgeschwächt, sondern überhaupt nicht gibt. Nicht Leistungssteigerung, sondern Welterzeugung ist der produktive Sinn von Medientechnologie.«111 Der Fokus dieser Betrachtungen liegt also auf »konstruktivistischen Medientheorien« und damit auf der Möglichkeit der Wirklichkeitskonstruktion durch Medien, nicht der Wirklichkeitsrepräsentation.112 »Medien, so kann man wohl ohne Übertreibung sagen, sind in der Tat unsere alltäglichen Instrumente der Wirklichkeitskonstruktion, die sich in vielen Bereichen ihrer vier Komponenten der Bewusstseinsfähigkeit entziehen und die Abhängigkeit aller Inhalte von Medientechnologie und den sozialsystemischen Institutionalisierungen verschleiern.«113 Neben der Audiotechnik als konstitutives Element der Klangkunst, spielt der öffentliche Raum eine wesentliche Rolle. Im Zuge der Industrialisierung nahm die Lärmbelastung in den Städten rapide zu. In seinen Ausführungen über seine Beobachtungen als Stadtforscher in Wien skizziert Peter Payer Auswirkungen von Lärm auf den städtischen Bürger: »Ein typischer ›Großstadtwirbel‹ (Felix Salten) war entstanden, neue Modalitäten der Aufmerksamkeit bildeten sich heraus, die gesamte auditive Kultur begann sich zu wandeln.«104 Die Reaktionen der Bürger auf die neuartigen Belastungen waren heftig und reichten über das initiieren von Leidensgenossenschaften bis hin zu Zeitschriften. Der deutsche Arzt Robert Sommer soll 1913 sogar die Errichtung öffentlicher Ruhehallen empfohlen haben.105 Auch im Einbezug des öffentlichen Raumes tritt an Stelle der Aktion des Künstlers die Gestaltung eines akustischen Umfelds, dessen Mittelpunkt der Rezipient bildet. Hinter diesen Klangkonzepten steht die Idee der Sensibilisierung für die akustische Dimension des urbanen Lebens.106 Diese Klangkunst will durch die bewusste Veränderung und Beeinflussung des öffentlichen 100De la Motte-Haber, Zwischen Performance und Installation, S. 233. 101 Vgl. Kurt Dahlke: »Die Rehabilitierung des Körpers in der elektronischen Musik«, in: Gendertronics. Der Körper in der elektronischen Musik, hrsg. v. Club transmediale und Meike Jansen, Suhrkamp: Frankfurt a. M. 2005, S. 45-51, hier S. 51. 102 Vgl. Föllmer, Klangorganisation im öffentlichen Raum, S. 209. 103 Werner Reiterer: Flyer zur TONSPUR für einen öffentlichen Raum, 2007 104Peter Payer: Blick auf Wien, Wien: Czernin Verlag 2007, S. 116. 105 Vgl. ebenda, S. 120. Ein »Raum der Stille« existiert heute noch am Brandenburger Tor 106Vgl. Sabine Sanio: »Ästhetische Erfahrung als Wahrnehmungsübung?«, in: Klangkunst, hrsg. v. Ulrich Tadday (= Musikkonzepte: Sonderband, N.F, 11 2008), München: edition text + kritik 2008, S. 47-66, hier S. 60. Die Vielzahl der Medien, sowie medienvermittelte Klänge, Geräusche, Bilder, Nachrichten etc. die uns alltäglich umgeben, haben das Verhältnis von Fiktion und Wirklichkeit, von Wirklichkeit und Kunst verändert, zum oszillieren gebracht. So folgert Helga de la Motte-Haber, dass es die Aufgabe der Künste heute sei, zusätzliche Irritationen zu schaffen. »Je mehr die uns umgebenden Ereignisse simuliert werden können, umso mehr erhält die Kunst die Aufgabe, dem wahrnehmenden Subjekt Reflexionen über seine eigene Realität zu ermöglichen.«114 Klangkunst wird damit zum Bewusstseinsexperiment für den Rezipienten. Angesichts einer in variablen Zeichenkonstellationen aufgelösten Welt werde ihm damit die Frage nach seinem subjektiven Standort 130 | 131 107 Vgl. ebenda, S. 59. 108Vgl. Peter Weibel: »Freies Hirn im Cyberspace. Peter Weibel über Kunst und Medien der ›Zweiten Moderne‹«, in: Der Spiegel, 3/1999, S. 187-189, hier S. 189. 109Sybille Krämer: »Was haben die Medien, der Computer und die Realität miteinander zu tun?«, in: Medien. Computer. Realität, hrsg. v. dies., Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1998, S. 9-26, hier S. 14. 110 Vgl. Siegfried J. Schmidt: Kalte Faszination. Medien, Kultur, Wissenschaft in der Mediengesellschaft, Göttingen: Velbrück Wissenschaft 2000, S. 77. 111 Sybille Krämer: »Das Medium als Spur und als Apparat«, in: Medien. Computer. Realität, hrsg. v. dies., Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1998, S. 73-94, hier S. 85. 112 Vgl. Schmidt, Kalte Faszination. 113 Ebenda, S. 100. 114 De la Motte-Haber, Die gedanklichen und geschichtlichen Voraussetzungen, S. 42. gestellt (vgl. ebd.). »Was zu sehen und zu hören ist, setzt sich in Relation zu den vorhandenen Bewusstseinsstrukturen des Rezipienten.«115 Prof. Dr. Andreas Doerne und Prof. Dr. Hans Schneider Neue Musik vermitteln – methodische und ästhetische Fragestellungen Besonders an der Klangkunst ist dabei, dass sie Bewusstseinsexperimente entstehen lässt, die über die menschlichen Sinne, besonders aber das Ohr in Gang gesetzt werden. Zwar sind die synästhetischen Erfahrungen, die sie ermöglicht ebenfalls Teil der Errungenschaften von ablösbaren Klängen, jedoch erzeugt der Fokus auf der Wahrnehmung durch Hören eine besondere Wahrnehmung von Welt und Wirklichkeit. Die abschliessende These und Antwort auf übergeordnete Frage ist letztlich einfach: Klangkunst, treibt als eine moderne, vorwiegend akustische, Kunstform den Prozess »medialer Ausdifferenzierung«, entscheidend voran, welcher für das gesamte 20. Jahrhundert und die Gegenwart prägend ist (vgl. Saxer, 2008, S. 175).116 Im Folgenden finden sich Texte zum Thema »Hören« – vor allem neuer Musik –, die im Vorfeld des Symposiums und des dazu angebotenen Seminars »Neue Musik vermitteln – methodische und ästhetische Fragestellungen« (Mai 2010) von den Teilnehmern und den beiden Leitern des Seminars, Prof. Dr. Andreas Doerne und Prof. Dr. Hans Schneider, zusammengestellt wurden. Um die Intention dieser Textzusammenstellung verständlicher zu machen, wird hier der Ablauf der ersten beiden Seminarsitzungen in Stichpunkten dargestellt Hannah Schwegler geb. 1984 in Schwäbisch Hall, studierte Schulmusik und Germanistik in Freiburg im Breisgau und Wien. Für die musikwissenschaftliche Dokumentation der permanenten Klanginstallation TONSPUR für einen öffentlichen raum in Wien und Berlin erhielt sie 2010 ein Stipendium der Postgraduiertenförderung der Musikhochschule Freiburg. Seit Herbst 2010 arbeitet sie als Volontär an zahlreichen Projekten von TONSPUR mit. Ablauf Sitzung 1 1. Klangsuche Lauschen Sie ihre Umwelt auf Klänge ab, die Sie noch nie bewusst gehört haben. Bringen Sie einen solchen Klang in der Erinnerung mit. 2. Klangrealisation Versuchen Sie nun, diesen im Geiste »mitgebrachten« Klang so genau wie möglich zu imitieren/reproduzieren. Womit Sie das tun, ist Ihnen völlig freigestellt. Ggf. kann aus diesen Einzelklängen ein Musikstück gestaltet werden. 3. Musik hören 1 Drei Musikstücke, deren Titel und Komponist erst nach dem Hören aller Stücke angesagt werden. 4. Textarbeit Einleitung aus dem Buch »Komposition im 20. Jahrhundert« von Walter Gieseler • lesen • kurze Plenumsrunde zur Klärung allgemeiner Fragen zu Inhalten des Textes bzw. zu Gedanken, die einem beim Lesen des Textes kommen 5. Musik hören 2 • 3er Gruppen bilden. Jede Gruppe bekommt 2-3 Schlagbegriffe, die in der Gruppe noch einmal genau diskutiert, geklärt und ggf. weitergedacht werden sollen • Im Anschluss stellt jede Gruppe die Ergebnisse den anderen Seminarteilnehmern vor. 115 De la Motte-Haber, Raumkompositionen und Klanginstallationen, S. 23. 116 Saxer, Klangkunst im Prozess medialer Ausdifferenzierung, S. 175. 132 | 133 6. Musik hören 3 Drei Musikstücke, deren Titel und Komponist vor dem jeweiligen Stück angesagt werden. Zudem gibt es kurze Infos zum kompositionsästhetischen Hintergrund und eine kurze Reflexion der Hörerfahrungen im Plenum nach jedem Titel. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Denn eher als eine öde Gegend ist die Wüste Land der Stille und des Hörens; Land der Stille und dem unendlichen Hören zugetan, wo die Stille sich am eigenen Echo von überallher berauscht, und das Hören an all den Klängen inmitten der Stille. 7. Textsammlung Die Seminarteilnehmer erhalten eine Auswahl von Texten zum Thema »Neue Musik« bzw. »Hören«, die als Anregung für Diskussionen, eigene Gedanken, neue Perspektiven und vor allem als Inspiration für die Suche nach eigenen Texten dient (Texte I). Denn bis zur nächsten Sitzung erhalten alle folgende Hausaufgaben: Edmund Jabès Der vorbestimmte Weg, Berlin 1993, S. 102 Edmund Jabès, ein jüdischer Philosoph mit großem Einfluss auf das Spätwerk von Luigi Nono • Suchen Sie ein Stück neue Musik heraus, das Ihnen ans Herz gewachsen ist; das sie schön, interessant, reizvoll finden; das Sie in Irgendeiner Art und Weise berührt/anspricht; das sie mögen – und bringen Sie dieses zur nächsten Sitzung mit. • Suchen Sie einen kurzen Textausschnitt aus einem literarischen Werk, einer wissenschaftlichen Publikation, einer Zeitung o.ä. heraus, in dem sich eine für Sie spannende Bemerkung zum Hören findet (Texte II). ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Desto mehr verschiedene und andere Möglichkeiten Zu erfassen eben im bisher Unmöglichen Desto mehr verschiedene und andere Hörbarkeiten Wahrzunehmen eben im bisher Unhörbaren Desto mehr verschiedene und andere Lichter Zu lesen eben im bisher Unsichtbaren Bisher Unsagbaren – Ablauf Sitzung 2 1. Vorstellung der mitgebrachten Stücke und Texte Beides wird gemeinsam angehört – dabei kann sich der einzelne Vortragende selber entscheiden, ob zuerst die Musik und dann der Text präsentiert oder umgekehrt oder vielleicht sogar ein Text zur Musik gelesen wird. Im Anschluss an jede Präsentation folgt eine kurze Besprechung im Plenum unter folgender Fragestellung: »Was kann man an dieser Musik reizvoll/ interessant finden (auch wenn ich diese Musik nicht mag)?« 2. Übung in Höroffenheit Primäre Intention dieser Einheit – neben der Sekundärintention verschiedenste Musiken und Text kennen zu lernen – ist eine Öffnung gegenüber Neuem, Fremdem und Ungewohntem. Luigi Nono in einem Artikel, den er Helmut Lachenmann gewidmet hat Für Helmut Helmut Lachenmann: Musik als existentielle Erfahrung, Schriften 1996–1995, hrsg. von Josef Häusler. Wiesbaden 1996, S. XV ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Meister Eckhart: Vom Unwissen. Dann sprach ein Meister, dass die Kraft des Hörens auf viel höherer Stufe stände als die Kraft des Sehens, denn man lernt mehr Weisheit mit dem Hören als mit dem Sehen und lebt hier mehr in der Weisheit. Man erzählt on einem heidnischen Meister, dass seine Jünger, als er im Sterben lag, in seiner Anwesenheit von viel Kunst und größerer Erkenntnis redeten, da hob er sein Haupt noch als Sterbender auf und hörte zu und sagte: »Fürwahr, ich möchte diese Kunst noch lernen, dass ich sie in der Ewigkeit anwenden kann.’ Das Hören bringt mehr herein, aber das Sehen zeigt mehr hinaus. Und darum werden wir im ewigen Leben viel seliger sein in der Kraft des Hörens als in der Kraft des Sehens. Denn das Werk des Hörens des ewigen Wortes ist in mir, und das Werk des Sehens geht von mir, und beim Hören bin ich empfangend und beim Sehen wirkend.« (S. 30) In: Meister Eckharts mystische Schriften. Berlin 1903, S. 24–33 Texte I ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Roland Barthes: Zuhören Beim »Anhören« eines klassischen Musikstücks wird der Zuhörer aufgefordert, dieses Stück zu »entziffern«, das heißt (durch seine Bildung, seinen Fleiß, seine Sensibilität) dessen Aufbau zu erkennen, der genauso kodiert (vorbestimmt) ist wie der eines Palastes derselben Epoche; beim »Anhören« einer Komposition (das Wort ist hier in seinem etymologischen Sinn zu verstehen) von Cage jedoch höre ich jeden einzelnen Ton nacheinander, nicht in seiner syntagmatischen Ausdehnung, sondern in seiner rohen und gleichsam vertikalen Signifikanz: Indem sich das Zuhören dekonstruiert, veräußerlicht es sich und zwingt das Subjekt zum Verzicht auf seine »Intimität«. Das gilt mutatis mutandis für viele andere Formen der modernen Kunst von der »Malerei« bis zum »Text«; und dies ist natürlich mit Schmerz verbunden; denn kein Gesetz kann das Subjekt zwingen seine Lust dort zu finden wo es nicht hin will (welches auch die Gründe seines Widerstands sein mögen), kein Gesetz ist in der Lage, unser Zuhören zu erzwingen: Die Freiheit des Zuhörens ist ebenso unerlässlich wie die Freiheit des Sprechens. Deshalb ist dieser anscheinend bescheidene Begriff (das Zuhören taucht in den Lexika der Vergangenheit nicht auf, es fällt unter keine anerkanntes Fachgebiet) letztlich wie ein kleines Theater, in dem jene zwei modernen Gottheiten ringen, eine böse und eine gute: Die Macht und das Begehren. Roland Barthes:, Der entgegenkommende und stumpfe Sinn. Frankfurt am Main 1990, S. 263 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Friedrich Nietzsche 134 | 135 »Etwas Neues hören ist dem Ohre peinlich und schwierig; fremde Musik hören wir schlecht«, schreibt Friedrich Nietzsche in Jenseits von Gut und Böse (Nietzsche 1886, , S. 113) »Man muss lieben lernen«, heißt es anderer Stelle bei Nietzsche, wobei der Akzent auf lernen liegt. »So geht es uns in der Musik: erst muß man eine Figur und Weise überhaupt hören lernen, heraushören, unterscheiden, als ein Leben für sich isolieren und abgrenzen; dann braucht es Mühe und guten Willen, sie zu ertragen, trotz ihrer Fremdheit, Geduld gegen ihren Blick und Ausdruck, Mildherzigkeit gegen das Wunderliche an ihr zu üben -: endlich kommt ein Augenblick, wo wir ihrer gewohnt sind, wo wir sie erwarten, wo wir ahnen, dass sie uns fehlen würde, wenn sie fehlte; und nun wirkt sie ihren Zwang und Zauber fort und fort und endet nicht eher, als bis wir ihre demüthigen und entzückten Liebhaber geworden sind, die nichts Besseres ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Dieter Schnebel: MO-NO – ein Buch zum Lesen von der Welt mehr wollen als sie und wieder sie. – So geht es uns aber nicht nur mit der Musik: gerade so haben wir alle Dinge, die wir jetzt lieben, lieben gelernt. Wir werden schließlich immer für unsern guten Willen, unsere Geduld, Billigkeit, Sanftmütigkeit gegen das Fremde belohnt, indem das Fremde langsam seinen Schleier abwirft und sich als neue unsägliche Schönheit darstellt -: es ist sein Dank für unsre Gastfreundschaft. Auch wer sich selber liebt, wird es auf diesem Wege gelernt haben: es gibt keinen anderen Weg. Auch Liebe muß man lernen« (Nietzsche 1882, S. 559) NACHTMUSIK FÜR HÖRER regungslos ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Ferdinand Schmatz Da da silence, beschwört (echo, john cage) Bitte seien Sie nun ruhig! den Atem anhaltend konzentriert und LAUSCHEN SIE! wie diese Stille klingt was da lebt, atmet, sich bewegt, knistert, knarrt, summt, schwirrt, rauscht, hallt, verhallt, vibriert, schwingt - tönt nichts mehr verführung lockt an klang im wort sucht hertz mir heim um laut am ort ist mitte tag nacht bricht auf uns – pracht, legt ohr, ganz, aber sacht: Musik Ihres Lebens berührung weckt uns wach zu pflügen – frucht – mit mund als hand geführtes auf gesang, im sehnen glut, auch im verlust – durch feuernd – nie mal, dunst, klärt schwingend ein wie aus uns auf im tönen wandelt sich selbst, was entlärmt, in eine art versöhnen: die sonst die gehörte ungehört begleitet Eine Stille wo nichts mehr von draußen hereintönt – vielleicht Ruhe riesiger Weite – über den Wolken … Ozean • wo nur noch der kaum wahrnehmbare Klang des Raums: das Schwingen und Flattern seiner Luftteilchen … wo dann auch die, welche sich im Raum befinden, ihn mit ihren intrakorpuskulären Klängen erfüllen, dass eine Polyphonie von Atemvorgängen der regungslos Dasitzenden entsteht, die sich vom Hintergrund des Kontrapunkts, welchen die schlagenden Herzen dieser vielen bilden, deutlich abhebt, worüber sich die punktuelle Musik unwillkürlicher Regungen legt (zuckt es im Gesicht? hat sich eine Zehe bewegt? will der Magen knurren?); außerdem die Heterophonie der tickenden Armbanduhren. knisternd ruht, gesummt – nie stumm – auf schrei der säle rührt der kehlen beben uns ins leben: hallend schallt es, pfeifts uns was, das: prall und schall, nie ganz bloss hülle, nackt nur in der fülle – im spiel halt los zwischen flöte und spröde – umgestimmt – was öd uns benimmt, ja flüstern wir weiter, stille, die post – verrührung, erspürung, sei lenz aller ort (rauschen wir zart aus der muschel: hart sich zart, harpsichord) 136 | 137 Wo man aber so sehr bei sich selbst ist, dass man von alledem nichts wahrnimmt, nicht einmal das Rauschen im Ohr DuMont-Verlag, Köln 1969, o.S. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Rainer Maria Rilke An die Musik los sind. Das könnte uns zu der Annahme führen, Tonalität sei das Ergebnis irgendeines Naturgesetzes, ein natürliches Phänomen und keine menschliche Erfindung. Das paradoxe Verhältnis zwischen Tonalität und dem Zwölftonsystem – also der Aufhebung der Tonalität – ist ein Beispiel für das Widersprüchliche im menschlichen Wese: Ein Teil unserer Psyche strebt, ohne sich um die Folgen zu kümmern, nach Freiheit und Unabhängigkeit, wie der ständige Kampf um Loslösung von der Tonalität es verdeutlicht, während der andere Teil weiter nach jeder Sicherheit verlangt, die eine Hierarchie, eine Autorität, das Vertraute bieten können, wie unser trotz allem existierendes Verlangen nach der Tonalität, nach dem Geordneten also, zeigt. (40f.) München 2009 Musik: Atem der Statuen. Vielleicht: Stille der Bilder. Du Sprache wo Sprachen enden. Du Zeit, die senkrecht steht auf der Richtung vergehender Herzen. Gefühle zu wem? O du der Gefühle Wandlung in was? -: in hörbare Landschaft. Du Fremde: Musik. Du uns entwachsener Herzraum. Innigstes unser, das, uns übersteigend, hinausdrängt, heiliger Abschied: da uns das Innre umsteht als geübteste Ferne, als andre Seite der Luft: rein, riesig, nicht mehr bewohnbar. Rainer Maria Rilke, 11. und 12.1.1918, München, Gesammelte Werke, Band III (1927) ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ George Crumb: Hat die Musik eine Zukunft? Bereits erwähnt habe ich das Formproblem der neuen Musik, welches in erster Linie eine Folge des Zerfalls traditioneller, auf der funktionalen Tonalität beruhender Formen ist. […] Zwei derartige, bereits in älterer Musik vorkommende Formtypen scheinen die heutigen Komponisten denn auch in besonderem Maße zu interessieren – zwei Formtypen, die einander im Übrigen diametral entgegengesetzt sind. Der eine beruht auf dem Prinzip [298] der »Nicht-Wiederholung«, nach welchem sich ein musikalischer Verlauf geradlinig und ohne jeden Rückverweis abzuspielen hat. Den anderen könnte man den »repetitiven« Typus nennen: Er besteht normalerweise darin, dass eine Idee – sei diese nun ein rhythmisches Motiv, ein Akkord oder eine melodische Tonfolge – ad infinitum wiederholt wird. In Schönbergs Musik sind interessanterweise beide Typen vertreten: das Prinzip der »Nicht-Wiederholung« in den verschiedensten Werken, das »repetitive« Prinzip insbesondere in »Sommermorgen an einem See (Farben)« aus den Fünf Orchesterstücken. Natürlich müsste man, wollte man ganz korrekt sein, diese beiden Formtypen eher als dynamische Formungsprinzipien denn als fest gefügte Formschemata (wie es etwa Sonate und Rondo) bezeichnen. Fest steht aber jedenfalls, dass sie sich kaum für den Aufbau großer Formen eigenen; werden sie allzu sehr ausgedehnt, so wirken sie nämlich nur ermüdend und monoton. (S. 297) Amerikanische Musik seit Charles Ives. Hg. Von Ermann Danuser, Dietrich Kämper und Paul Terse. Laaber 1987, S. 292-299 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Daniel Barenboim: Klang ist Leben. Die Macht der Musik Für das Ohr ist Wiederholung eine Art von Akkumulation, und sie wird daher zu einem essenziellen Bestandteil der Musik. Musik entwickelt sich in der Zeit und daher nach vorne, voran. Doch während das Ohr dieser Progression zuhört, kann parallel dazu das erinnert werden, was bereits wahrgenommen wurde. Das Zuhören geschieht somit rückwärts oder, genauer gesagt, gleichzeitig, indem es Vergangenheit und Gegenwart bewusst macht. Wenn wir die erste Note einer Komposition hören, können wir noch keine Erinnerung an einen Klang haben, doch schon bei der zweiten Note werden wir deren Beziehung zu der ersten gewahr, weil nämlich das Ohr die erste nicht vergessen hat. (34) Das Verständnis dieser physischen Dimension des Klangs führt uns zu der metaphysischen Schlussfolgerung, dass exakte Widerholung nicht möglich ist, weil nämlich die Zeit vorangeschritten ist, wodurch das erneute Ereignis, das »Wiederkommen«, in einen anderen Kontext eingefügt und von einer anderen Perspektive aus wahrgenommen wird. Das Hören schafft die Verbindung zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit und übermittelt dem Gehirn Signale bezüglich dessen, was für die Zukunft zu erwarten ist. Wenn wir einer musikalischen Sequenz zuhören, erinnern wir uns an ihr erstes Erklingen, und das Erinnerungsvermögen des Ohres löst in uns die Erwartung aus, das Gleiche noch einmal zu hören. Der größte Teil der westlichen Musik, gleich welcher Form, orientiert sich, was die Struktur betrifft, an eben diesem Prinzip. (35) In seinen frühen Werken wie Verklärte Nacht oder Pelleas und Melisande ging Schönberg einen ähnlichen Weg, ehe er sich am Ende ganz von der Tonalität verabschiedete und jeder Note auf der Zwölftonleiter denselben Wert zuwies. Das war ein radikaler Bruch mit der Hierarchie, die in jeglicher tonaler Musik herrscht. Das menschliche Ohr sucht aber oft natürliche harmonische Verbindungen aufzuspüren, selbst dort, wo diese nicht existieren oder bedeutungs- Texte II ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Fastnachtsrede von Florestan Gehalten nach einer Aufführung der letzten Sinfonie von Beethoven Florestan stieg auf den Flügel und sprach: Versammelte Davidsbündler, d. i. Jünglinge und Männer, die ihr totschlagen sollet die Philister, musikalische und sonstige, vorzüglich die längsten […] Ich schwärme nie, Beste! – Wahrhaftig, ich kenne die Sinfonie besser als mich. Kein Wort verlier’ ich drüber. Es klingt alles so totledern darauf, Davidsbündler. Ordentliche ovidische Tristien feierte ich, hörte anthropologische Kollegien. Man kann schwerlich wild über manches sein, schwerlich viele Satieren mit dem Gesichte malen, schwerlich tief genug als Jean Paulscher Giannozzo im Luftballon sitzen, damit die Menschen nur nicht glauben, man bekümmere sich um selbige, so tief, tief unten ziehen zweibeinige 138 | 139 Gestalten, die man so heißt, durch eine sehr enge Schlucht, die man allenfalls das Leben nennen könnte. – Gewiß, ich ärgerte mich gar nicht, so wenig als ich hörte. Hauptsächlich lachte ich über Eusebius. Ein rechter Schelm war er, als er einen dicken Mann so anfuhr. Der hatte ihn nämlich während des Adagios heimlich gefragt: «Hat Beethoven nicht auch eine Schlachtsinfonie geschrieben, Herr?« – »Das ist eben die Pastoralsinfonie, Herr«, sagte unser Euseb gleichgültig. – »Ah, ah, richtig« – dehnte der Dicke fort sich besinnend. Der Mensch muß wohl Nasen verdienen, sonst hätte ihm Gott keine gegeben. Viel vertragen sie, diese Publikums, worüber ich die herrlichsten Dinge berichten könnte; z. B. als ihr, Kniff, mir einmal umwendetet im Konzert bei einem Fieldschen Notturno. Das Publikum besah sich zur Hälfte schon inwendig, es schlief nämlich. Unglücklicherweise erwisch’ ich auf einem der abgelebtesten Flügelschweife, der sich je in eine Zuhörerschaft schwang, statt des Pedals den Janitscharenzug, glücklicherweise piano genug, als dass ich mir den Wink des Zufalls konnte entgehen lassen, das Publikum glauben zu machen, es ließe sich in der Ferne eine Art Marsch hören, den ich von Zeit zu Zeit in leisen Schlägen wiederholte. Natürlich trug Eusebius das seinige zur Verbreitung bei; das Publikum rauchte aber vor Lob. Ähnliche Geschichten fielen mir während des Adagios eine Menge ein, als der erste Akkord im Endsatz einbrach. »Was ist er weiter, Kantor (sagte ich zu einem zitternden neben mir), als ein Dreiklang mit vorgehaltener Quinte in einer etwas verzwickten Versetzung, weil man nicht weiß, ob man das Pauken-A oder das Fagotten-F für Baßton nehmen soll? Sehen Sie nur Türk. 19. Teil, S. 7!« – Ah, Herr, Sie sprechen sehr laut uns spaßen bestimmt.« – Mit leiser, fürchterlicher Stimme sagte ich ihm ins Ohr :« Kantor, nehmen Sie sich vor den Gewittern in acht! Der Blitz schickt keinen Livreebedienten, eh’ er einschlägt, höchstens einen Sturm vorher und darauf einen Donnerkeil. Das ist so seine Manier.« – »Vorbereitet müssen solche Dissonanzen dennoch« - da stürzte schon die andere herein. »Kantor, die schöne Trompetenseptime vergibt euch.« – Ganz erschöpft von meiner Sanftmut war ich, ich hatte gut mit meinen Fäusten gestreichelt. – Jetzt gabst du mir eine schöne Minute, Musikdirektor, als du das Tempo des tiefen Themas in den Bässen so herrlich auf der Linie trafst, daß ich vieles vergaß vom Ärger am ersten Satz, in dem trotz des bescheidenen Verhüllens in der Überschrift: »un poco maestoso« die ganze langsam schreitende Majestät eines Gottes spricht. »Was mag wohl Beethoven sich unter den Bässen gedacht haben?« – »Herr«, antwortete ich, »schwerlich genug; Genies pflegen Spaß zu machen – es scheint eine Art Nachtwächtergesang« - - Weg war die schöne Minute und der Satan wieder los. Und wie ich nun diese Beethovener ansah, wie sie dastanden mit glotzenden Augen und sagten: »Das ist von unserem Beethoven, das ist ein deutsche Werk – im letzten Satz befindet sich eine Doppelfuge – man hat ihm vorgeworfen, er prästiere dergleichen nicht – aber wie hat er es getan – ja, das ist unser Beethoven.« Ein anderer Chor fiel ein: »Es scheinen im Werk die Dichtgattungen enthalten zu sein, im ersten Satz das Epos, im zweiten der Humor, im dritten die Lyrik, im vierten (die Vermischung aller) das Drama – Wieder ein anderer legte sich geradezu aufs Loben: ein gigantisches Werk wär’ es, kolossal, den ägyptischen Pyramiden vergleichbar. Noch andre malten: die Sinfonie stelle die Entstehungsgeschichte des Menschen dar – erst Chaos – dann der Ruf der Gottheit: »Es werde Licht« – nun ginge die Sonne auf über den ersten Menschen, der entzückt wäre über solche Herrlichkeit – kurz, das ganze erste Kapitel des Pentateuchs sei sie - Ich ward toller und stiller. Und wie sie eifrig nachlasen im Text und endlich klatschten, da packte ich Eusebius beim Arm und zog ihn die hellen Treppen hinunter mit ringsum lächelnden Gesichtern. Unten im Laternendunkel sagte Eusebius wie vor sich hin: «Beethoven – was liegt in diesem Wort! schon der tiefe Klang der Silben wie in eine Ewigkeit hineintönend. Es ist, als könne es kein anderes Schriftzeichen für diesen Namen geben« – »Eusebius«, sagte ich wirklich ruhig, »unterstehst du dich auch, Beethoven zu loben? Wie ein Löwe würde er sich vor euch aufgerichtet und gefragt haben: »Wer seid ihr denn, die ihr das wagt?« – Ich rede nicht zu Dir, Eusebius, du bist ein Guter – muß denn aber ein großer Mann immer tausend Zwerge im Gefolge haben?« Ihn, der so strebte, der so rang unter unzähligen Kämpfen, glauben sie zu verstehen, wenn sie lächeln und klatschen? Sie, die mir nicht Rechenschaft vom einfachsten musikalischen Gesetz geben können, wollen sich anmaßen, einen Meister im ganzen zu beurteilen? Diese, die ich sämtlich in die Flucht schlage, lass’ ich nur das Wort Kontrapunkt fallen – diese, die ihm vielleicht das und jenes nachempfinden und nun gleich ausrufen: » Oh, das ist so recht auf unser Korpus gemacht« – diese, die über Ausnahmen reden wollen, deren Regeln sie nicht kennen – diese, die an ihm nicht das Maß bei sonst gigantischen Kräften, sondern eben das Übermaß schätzen – seichte Weltmenschen – wandelnde Werthers Leiden« – rechte verlebte großtuige Knaben – diese wollen ihn lieben, ja loben? - Davidsbündler, im Augenblick wüßt’ ich niemanden, der das dürfte, als einen schlesischen Landedelmann, der vor kurzem so an seinen Musikhändler schrieb: »Geehrter Herr, Nun bin ich bald mit meinem Musikschrank in Ordnung. Sie sollten ihn sehen, wie er prächtig ist. Innen Alabastersäulen, Spiegel mit seidenen Vorhängen, Büsten von Komponisten, kurz prächtig. Um ihn aber auf das köstlichste zu schmücken, bitte ich mir noch sämtliche Werke von Beethoven zu schicken, da ich diesen sehr gern habe.« Was ich aber sonst noch zusagen hätte, wüßt’ ich meines Erachtens kaum. Robert Schumann: Schriften über Musik und Musiker, Hrsg. Josef Häusler Reclam 2010 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Joachim Ernst Berendt: Der Klang der Seele Der menschliche Embryo ist noch keinen Zentimeter groß (sieben oder acht Tage nach Befruchtung der weiblichen Eizelle), da sind bereits mikroskopisch kleine Ansätze unverhältnismäßig schnell, und viereinhalb Monate nach der Befruchtung ist unser eigentliches Hörorgan, das so genannte Labyrinth mit der Cochlea, komplett fertig. Sogar die für unser erwachsenes Bewusstsein so wichtige Gabe des Geschlechtes beginnt sich erst nach etwa sechs Wochen auszuprägen. Aber das Ohr nach sieben bis acht Tagen! Wie früh der Hörsinn in der Ontogenese des Lebens einsetzt, wird noch deutlicher bei Wesen, deren Lautsinn ähnlich reich entwickelt ist wie der der Menschen: bei den Vögeln. Da piepen und zirpen die kleinen noch nicht ausgeschlüpften Küken bereits im unversehrten Ei. Sie täten das nicht, wenn sie nicht hören könnten – in ihrer dünnen, sie schützenden Schale. Die moderne Sterbeforschung hat gezeigt: Wenn wir sterben – wenn alle unsere Sinne erlöschen – wenn wir vor lauter Schmerzen, die wir dann vielleicht haben, schon lange nichts mehr fühlen können – schon längst die Augen geschlossen halten – schon nichts mehr schmecken und nichts mehr riechen -, dann ist der Sinn, der bei der Mehrzahl der Menschen als letzter erlischt, der Hörsinn. 140 | 141 ehrharben und magjestätig in seinen goltinnen Spuren und sein eyesehrnärr Fürrär und seine quadrat praschenen Holzlattschen und seine magnattische StumpfBinnder und sein bankuckisches Bestes und Golliars Golloschen und seine puhlowpuhnäsischen Wächthor. Das ist sein großes weites Fairt. Tip. Das ist der drei Lipoleumsche Boyn, der hinuntercrouchte in den leebenden Grarben. Das ist ein feintöttender Inglitschmann, das ist ein Scottische Lauhs, das ist ein Tagfel der sich undteerwirft. Das ist der Box Lipoleum, wie er die Lipoeumsche NachHut mohrdet. Ein Fuschsuhldatt arschumentiert. Das ist der w-arme Lippoleumsche Junge, der wedder Flisch noch Feisch war. Eßraicht, esraicht! Zündloch Fitz Zitzenwitz. Matsch MacMuffel. Und der Haaricke O´Harry. Alle sinn Arminnisch-Wahrunshafte. Dies ist Delian Alps. Dies ist Mont Tiffel, dies ist Mont Tipsi, dies ist der Grand Mons Injun. Das ist das Krimelanische der AhlPen, die hopffen die drei Lippoleums zu schutzdachten. Das ist das Ginnieß, das sich mit ihren Legahorns einfittete, um in ihrren handgefährtickten Büchern der Strahlegie zu leesehn, während ihrr Kriech den Willingtun unstierblich machte. Das Ginnieß ist eine Kohnickinn, ihre Hand und das Giennieß ist ein Rarbinn ihres Harres und der Willingtun kriecht das Bannt um. Dies ist das grohße Willingtun Ehrinnärrungs-Tolleskopp, der Wunddertäter bellackert an den Flahnken des Ginnieß. Sexcalliburische Pförtegerafft. Tip. Das Lauschen wir einen Augenblick dem Wort »aufhören« nach. Die Sprache kann es nur deshalb gebildet haben – nur deshalb macht es seiner linguistischen Struktur nach Sinn -, weil Sprache, lange bevor unser Kopf dies erkannt hat, ahnt, fühlt, weiß: Wenn wir aufhören zu hören, dann hören wir auch mit irgendeiner Tätigkeit, die uns gerade beschäftigen mag, auf. Dann hören wir auf, etwas zu tun, zu gehen, zu reden, zu leben, hören letztlich auf zu sein. Und dass dieses Wort außerdem noch die andere Bedeutung hat: Aufhören! Mit besonderer Achtsamkeit und Bewusstheit hören!, das macht diesen Befund noch relevanter. Viele Menschen denken, wenn jemand sagt »Ich höre – also bin ich«, an das berühmte Wort des Descartes: »Ich denke – also bin ich« – ein Wort, das drei Jahrhunderte abendländischen Denkens begleitet und geformt hat wie kaum ein anderes. Es bildet eine Grundlage unseres modernen Wissenschaftsdenkens. Es ist dieses Wort – »Cogito, ergo sum« - , das dazu geführt hat, dass wir Existenz immer mehr auf den Kopf reduzierten und unsere leib-seelische Einheit – die Erfahrung des ganzen Menschen und des wahren Seins in seinem Reichtum und seiner Fülle – verloren haben. Wie ist es möglich, dass uns die Absurdität dieses Satzes während rund zehn Generationen menschlichen Denkens, Forschens, Lebens nicht aufgefallen ist? Am intensivsten bin und lebe ich doch gerade dann, wenn ich nicht denke. Im Erlebnis einer Landschaft. Auf dem Gipfel eines Berges. Vor – oder gar in – den Wellen des Meeres. Eingetaucht in den Klangwellen der Musik. Es ist auch an der Zeit, dass wir uns den Hochmut und die Überheblichkeit dieses Satzes »Ich denke – also bin ich« vergegenwärtigen. Hochmütig ist er insofern, als er den vielen, vielen Lebewesen auf diesem Planeten, die nicht – oder wenig? – denken, das Seinsrecht abspricht. Ich konstruiere das nicht. In der Tat hat Descartes’ Satz jenes Wissenschaftsdenken begründet, das seinerseits die Basis einer Wissenschaftspraxis ist, die dazu geführt hat, dass heute täglich (!) etwa fünfzig Arten – jede einzelne unter ihnen eine in Millionen von Jahren entwickelte und bewährte Lebens- und Seinsform – unwiederbringlich ausgelöscht werden. James Joyce: Finnegans Wake (1939), S.8, London: Faber & Faber (dt. Übersetz. 2. Aufl. 2009) ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Ganz bestimmt haben Sie Recht. Dennoch es ging ja um die These, dass »Neue Musik« die Musikhörer »überfordert«. Ich meine sie »überfordert« sie nicht, sie ist ja oft sehr simpel gestrickt im Vergleich zu Beethovens oder Schuberts letzten Werken, sondern sie schreckt sie ab. Natürlich kann jeder seiner Experimentierfreude (auch um die Last der Tradition abzuschütteln) - wie Schönberg - freien Lauf lassen. Aber er kann nicht verlangen, dass das Publikum gehorsam folgt. Die Menschen, die klassische Musik hören, sind ja nicht gerade diejenigen, die immer zu den gleichen Töpfen eilen wollen. Mozart und die anderen haben immer für ein Publikum komponiert. Goethe sagte zu Eckermann: Selbst wenn Sie nur 5 Leser erwarten, schreiben Sie so als handelte es sich um fünf Millionen. Die Komponisten der neuen Musik schreiben offensichtlich gegen das Publikum, in der Regel für Meriten innerhalb der eigenen Gemeinde. Und sind beleidigt, wenn das »breite Publikum« ausbleibt. Ich wollte einmal in ein Konzert in der Philharmonie mit neuer Musik: Ausverkauft. Ich habe trotzdem eine Karte ergattert und war dann erstaunt, dass ein Drittel der Plätze frei war. Die Abonnenten waren weggeblieben. Sollte man sie deshalb beschimpfen? Bahnen wir nicht auch mit der Überschätzung unseres Seh- und der Unterschätzung unseres Hörsinns jenen Zustand an, auf den die moderne Gesellschaft zusteuert – den der Entfremdetheit, des Abgeschnittenseins, des Getrennt- und Isoliertseins? Der Kommunikation allenfalls noch über den Bildschirm – mit Maschinen statt mit Menschen? Schon Immanuel Kant wusste: »Nicht-sehen trennt den Menschen von den Dingen. Nicht-hören trennt den Menschen vom Menschen.« Joachim Ernst Berendt: Ich höre also bin ich, Verlag: Herder Spektrum Kommentar eines anonymen Users auf einen Artikel von Claus Spahn im Onlinearchiv der ZEIT (http://www.zeit.de/2009/45/N-Musik-Replik?page=all). ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Dies ist der Weg zum MusseumsRauhm. Piß beim Eintritt auf deinen Huppf auf! Nun biest duh im Willingtunschen MuckseumsRaum. Das da ist eine Pruhsische Bückse. Dies ist eine frinzeusische. Tip. Das ist eine Flicke der Pruhsehn, die Tasche und die UntairTasche. Das ist die Kuhgell, die die Flugge der Pruhsehn pengte. Dies ist der Frinzoose, der die Kugull feierte, die die Flugge der Prihsehn pengte. Saalluht der Kroitz-Kannonne. Hoch mit euren Picken und Gabeln! Tip. (BullsViehs! Hüppsch!) Das ist der dreieinigste Hut von Lippoleum. Tip. Lippoleumhurt. Das ist Willingtun auf seinem selbigen wheißen Värt, dem Kuckenhaffen. Das ist der große Schliechder Willingtun, ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Wir haben gesagt: Das Hören bringt Intensität ein. Die größte Intensität – wir erfahren das in der Liebe – ist Einswerden. Die Frage »Wer hört was?« mag wichtig sein, aber sie bleibt an der Oberfläche. Es ist eine Seh-Frage. Der Sehende steht da und blickt irgendwohin; dorthin sendet er seinen Seh-Strahl. Sehen ist nicht möglich ohne Trennung in Subjekt und Objekt. Aber der Hörende nimmt auf – nimmt in sich hinein. Er löst die Trennung auf. Hören löst »Sonderungen« auf. Niemand hat das schöner gesagt als Bhagwan Shree Rajneesh: »Ob du mir zuhörst, oder einem Flötenspieler zuhörst, oder den Vögeln am frühen Mor- 142 | 143 und was wir tief nennen; doch die Gründe darzulegen, warum dies überaus unwissenschaftliche, unsubstantielle Ding, das wir Musik nennen, uns bewegt, wie es das tut, uns so tief berührt, wie es das kann, ist etwas, das niemand je vermocht hat. Und je mehr man nachdenkt über das ganz und gar erstaunliche Phänomen, das die Musik ist, um so mehr erkennt man, wieviel von seiner Wirkung das Produkt der durch und durch künstlichen Konstruktion systematischen Denkens ist. Mißverstehen Sie mich nicht: Wenn ich sage »künstlich«, so meine ich nichts Schlechtes. Ich meine einfach etwas, das nicht notwendig »natürlich« ist, und »notwendig« trägt der Vorsicht Rechnung, daß es sich im Unendlichen herausstellen könnte, daß es schließlich doch natürlich gewesen ist. Doch soweit wir wissen können, ist die Künstlichkeit des Systems das einzige, das für die Musik ein Maß unserer Reaktion auf sie vorsieht. Ist es demnach möglich, daß diese Reaktion ebenfalls simuliert ist? Mag sein, daß auch sie künstlich ist. Vielleicht ist es dies, was das ganze komplizierte Lexikon der Musikerziehung bewerkstelligen soll – eben eine Reaktion zu kultivieren auf eine gewisse Menge von symbolischen Klangereignissen. Und nicht reale Ereignisse, die reale Reaktionen hervorrufen, sondern simulierte Ereignisse und simulierte Reaktionen. Vielleicht, wie Pawlowschen Hunden, schaudert es uns, wenn wir eine vorgehaltene Terzdezime erkennen, und es wird uns warm bei dem sich auflösenden Dominantsextakkord, eben weil wir zu diesen Reaktionen erzogen worden sind. Vielleicht deshalb, weil wir uns haben beeindrucken lassen von unserer Fähigkeit zu reagieren. Vielleicht steckt nicht mehr dahinter, als daß wir Gefallen gefunden haben an uns selbst – daß die ganze Ausübung von Musik die Vorführung einer Reflexwirkung ist. (...) gen zuhörst, oder ob du an einem Wasserfall sitz und ihm zuhörst, es kann die gleiche Erfahrung kommen. Sie kommt nicht aus dem, was du hörst, sie kommt, weil du hörst…« Joachim-Ernst Berendt: Das Dritte Ohr – Vom Hören der Welt, Reinbek bei Hamburg, 1988, S. 96 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ... Das Sehen informiert uns über die äußere Beschaffenheit und den »Zustand« der Welt. Das Hören informiert uns über die innere Beschaffenheit der Welt, vor allem über das Innenleben unserer Mitmenschen, über ihre Gedanken, Stimmungen und Veränderlichkeien. [...] Hören (und insbesondere das Hören von rhythmischen Informationen) ist für den Menschen [...] eine Ur-Wahrnehmung (die lange vor Begriff, Sprache, Logik funktionierte), auf die wir - bei divergierenden Inhalten der Informationen von Auge und Ohr - im Entscheidungsfalle immer vertrauen. Das Ohr ist stärker als das Auge, und Musik kann deshalb Bilder stark beeinflussen. ... Norbert Jürgen Schneider: Komponieren für Film und Fernsehen - Ein Handbuch, S. 31+34) ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Van Vliet befindet sich mit seiner kleinen Tochter Lea im Bahnhofsgebäude und kommt vom Zug. Sie sind auf dem Weg nach Hause. Die Tochter hört Musik und folgt dieser. Der Vater muss ihr nachgehen: »Fast schienen die Töne dann wie aus dem Jenseits zu kommen… ein bisschen war es, als spräche Gottes wortlose Stimme zu den atemlos lauschenden Reisenden, die ihre Koffer, Rucksäcke, und Taschen neben sich auf den Boden gestellt hatten und die überwältigende Musik in sich aufnahmen wie eine Offenbarung. Die übrigen Geräusche des Bahnhofs schienen neben der Musik keine Wirklichkeit zu besitzen. Was da an Klängen … kam, besaß eine eigene Wirklichkeit, die, so ging es mir durch den Kopf, selbst von einer Explosion nicht hätte erschüttert werden können. Noch hatte ich … keine Ahnung, als ich nun zu … [Lea] hinunterblickte und ihre Augen sah, mit denen etwas Unglaubliches geschehen war. Lea hielt den Kopf zur Seite geneigt, offenbar, um durch eine schmale Gasse in der Menge eine bessere Sicht … zu haben. Die Sehnen am Hals waren bis zum Zerreißen gespannt, sie war nur noch Blick. Und die Augen leuchteten! … der neue Glanz … ließ sie so aussehen, als habe sich für meine Tochter plötzlich der Himmel geöffnet. Ihr Körper, der ganze Körper, war bis zum Zerbersten angespannt, und die Knöchel ihrer Fäuste hoben sich gegen die restliche Haut ab als kleine weiße Hügel. Es war, als müsse sie ihre ganze Kraft aufbieten, um der verzaubernden Macht der Musik standhalten zu können.« Glenn Gould: Von Bach bis Boulez, Schriften zur Musik, Hrsg. von Tim Page, Übersetzung Hans Joachim Metzger, Piper, München 1986, S. 20/21 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Geld oder Grille Ein Indianer besucht einen weißen Mann. In einer Stadt zu sein, mit dem Lärm, den Autos und den vielen Menschen – all dies ist ungewohnt und verwirrend für ihn. Die beiden Männer gehen die Straße entlang, als der Indianer plötzlich stehen bleibt: »Hörst du auch, was ich höre?« Der Andere horcht: »Alles, was ich höre, ist das Hupen der Autos und das Rattern der Omnibusse.« »Ich höre ganz in der Nähe eine Grille zirpen.« »Du musst dich täuschen. Hier gibt es keine Grillen. Und selbst wenn es eine gäbe, man könnte sie bei dem Lärm nicht hören.« Der Indianer geht ein paar Schritte weiter und bleibt vor einer Hauswand stehen. Wilder Wein rankt an der Mauer. Er schiebt die Blätter auseinander – und da sitzt tatsächlich eine Grille. Der Andere sagt: »Indianer können eben besser hören als Weiße.« »Ich bin nicht sicher«, erwidert der Indianer, lässt sich ein 50-Cent-Stück geben und wirft es auf das Pflaster. Es klimpert auf dem Asphalt, Leute bleiben stehen und sehen sich suchend um. »Siehst du«, sagt der Indianer, »das Geräusch, das das Geldstück gemacht hat, war nicht lauter als das der Grille. Und doch hörten es viele. Wir alle hören eben auf das, worauf wir zu achten gewohnt sind.« Pascal Mercier: Lea, S. 20-26 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Glenn Gould: Auszug aus dem Text Rat an eine Abschlussklasse von 1964 (...) Und Musik, wie Sie wissen, ist eine äußerst unwissenschaftliche Wissenschaft, eine äußerst unsubstantielle Substanz. Niemand hat uns je wirklich vollständig vieles von dem erklärt, was seit Urzeiten offensichtlich ist bei der Musik. Niemand hat uns wirklich erklärt, warum wir hoch »hoch« nennen und tief »tief«. Jeder bringt es fertig, uns zu erklären, was wir hoch nennen Verfasser unbekannt, aus: Typisch! Kleine Geschichten für andere Zeiten, hg. von Andere Zeiten e.V., Hamburg 2005 144 | 145 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ... Ich höre Musik. Vor mir, auf einem kleinen Podium etwa, sitzen oder stehen mehrere Menschen. An Gerätschaften, mechanisch, elektromechanisch oder elektronisch, fuhrwerken sie herum und bringen auf eine untereinander verbundene Art und Weise Klänge hervor; Klangfolgen, die einander hinterherschwingen, sich auftrumpfen oder unterfüttern, die als Melodielinien oder Tonreihen, als Klangereignisse oder Schallbänder, -fäden, -tropfen, -perforierungen mich durchzittern. Diese Musik wurde — meistenteils — nicht zuvor aufgezeichnet, ehe ich sie hier höre. Die Klänge wurden nicht von Membranen bestimmter Form und Größe aufgenommen, die Schwingungen in elektrische Impulse weiterleiteten und analog oder digital speicherten. Diese Musik durchdringt mich. Sie wird hier und jetzt hervorgebracht. Die Reflexions- und Resonanzverhältnisse meines Körpers sind der Ort, an dem die Klänge, die ich höre, widerhallen. Bin ich der Ort der Musik? noch mal lesen, im Text zurückblättern, Zusammenhänge zurückverfolgen. Das kann der Hörer eines Textes alles nicht. Radio zum Beispiel ist ein lineares Medium, welches unaufhaltsam abläuft. - Stoppen wir es, verlieren wir den Anschluss. Dem Hörer fehlt außerdem die visuelle Orientierung, die dem Leser durch das Layout, durch Satzzeichen, Absätze, Fotos und vieles mehr angeboten wird. Wenn der Hörer dem Inhalt eines Hörbeitrages nicht mehr folgen kann, steigt er aus. Lauschen Sie einem Hörbuch, können Sie im Prinzip »zurückspulen«, den Beitrag noch mal hören - aber ganz ehrlich: Wie oft macht man das? Und ist es nicht schöner, alles auf einmal in sich aufzunehmen und dabei auch auf Anhieb zu verstehen? Brigitte Hagedorn:Schreiben fürs Hören ist Schreiben fürs Sprechen ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Es ist eine Hitparade des Grauens, die »Greatest Hits von Guantanamo«: Metallica, Bruce Springsteen, Eminem und der Titelsong der »Sesamstraße«. In diesem Fall macht nicht die Mischung das Grauen aus, sondern die Lautstärke. Diese und viele weitere Songs setzen Verhörexperten der US-Streitkräfte als Folter unter anderem im Gefangenenlager Guantanamo ein. Musik als Folter – was zunächst wie ein Witz klingt, hat Ruhal Ahmed selbst aushalten müssen. Er hat zweieinhalb Jahre ohne offizielle Anklage im amerikanischen Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba gesessen. Er sagt, wie aus Musik Qual wird. Die Folter dauert Stunden, oft sogar Tage. »Du kannst dich nicht mehr konzentrieren, du glaubst, du wirst verrückt«, beschreibt [ein] der Ex-Häftling. Und genau das ist auch das Ziel der Methode: den Willen zu brechen. Um die Häftlinge unter Druck zu setzen, wird gern stressvolle Musik genommen, beispielsweise Rap, Heavy Metal oder Death Metal. Die »Hitliste« der Folterer ist lang: »Hells Bells« und »Shoot to Thrill« von AC/DC, »Enter Sandman« von Metallica, »White America« von Eminem. Aber auch Britney Spears, Christina Aguilera, Neil Diamond oder der Titelsong der »Sesamstraße« sind dazu geeignet, Inhaftierte in den Wahnsinn zu treiben - und das ist in diesem Fall wörtlich gemeint. »Laut abgespielt, löst solche Musik einen Adrenalinschub aus, der Mensch findet keine Ruhe mehr«, erklärt Christine Schoenmakers von Amnesty International. Kombiniert mit ständigem Schlafentzug und taghellem Licht sind die Menschen »letztlich traumatisiert«, sagt die Expertin. Ruhal Ahmed hat die Tortur überstanden – und lebt heute bei Birmingham. Doch auch diejenigen, deren Musik als Folter missbraucht wird, sind damit nicht mehr länger einverstanden. Zusammen mit der Menschenrechtsorganisation »Reprieve« kämpfen Musiker wie David Gray gegen Missbrauch ihrer Kunstwerke. Ausgerechnet Grays eher sanftes Lied »Babylon« wurde auch zur Folter eingesetzt. Die Organisation will Künstler dazu ermutigen, entsprechende Klauseln in ihre Verträge aufzunehmen und sich öffentlich gegen Musikfolter auszusprechen. »Wir sprechen hier von Menschen, die in dunklen Räumen gefangen sind, mit Handschellen gefesselt, mit Säcken über ihren Köpfen und Musik, die auf sie einhämmert.« Um welche Art von Musik es sich handele, sei egal, so Gray. »Es ist Folter.« Holger Schulze: Hören mit dem Körper Quelle:http://dsounds.netzwerkneuemusik.de/ausgabe-1/hoeren-mit-dem-koerper.html ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Bevor Musik beginnen kann, muss Stille sein. Absolute Stille. Nichts darf klingen, und alles scheint möglich. Der Bleistift ruht in einer Hand über dem leeren weißen Blatt. Stille ist der Urzustand jeder Musik. Sie hat etwas Magisches. Je länger sie anhält, desto gespannter warten wir auf das, was kommen wird. Nacheiner langen Stille kann ein einzelner Klang die ganze Welt bedeuten. Das ist so, wie wenn man einen Stein in einen See wirft, der eben noch ganz ruhig dalag. Durch die Berührung mit der glatten Wasser oberfläche entsteht Bewegung. Eine Welle breitet sich Stille aus und setzt sich fort, bis ihre Energie erschöpft ist. Das kann lange dauern und ist wunderschön anzusehen. Der Schlag auf eine Glocke versetzt einen ganzen metallenen Körper in Schwingung. Er sendet Schallwellen aus, nach allen Richtungen. Diese können den entstandenen Klang über weite Entfernungen tragen, wenn der Wind entsprechend weht. Lange klingt er nach. Wir folgen mit unserem Ohr, bis er nicht mehr zu hören ist. So als sei nie etwas gewesen. Ingo Metzmacher: Keine Angst vor neuen Tönen – Eine Reise in die Welt der Musik, S. 110 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ … Bergs Wozzeck ist für manche eine der fesselndsten Opern, [...] Für andere ist Wozzeck bloß ein Wust von Missklängen. Solche Diskussionen werden schnell hitzig; wir reagieren unduldsam auf den Geschmack anderer, bisweilen gar gewaltsam. Andererseits kann uns Schönheit an unerwarteten Orten begegnen. »Wo wir auch sind«, schrieb John Cage in seinem Buch Silence, »wir hören meistens Lärm. Ignorieren wir ihn, stört er uns. Lauschen wir ihm, finden wir ihn faszinierend.« Alex Ross: The rest is noise – Das 20. Jahrhundert Hören, Piper Verlag, München 2009; S.11 f. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Texte, die nicht gelesen, sondern vorgelesen werden, müssen anders geschrieben werden, weil ein Leser den Inhalt anders aufnehmen muss als ein Hörer. Lesen wir einen Text, bestimmen wir selbst das Lesetempo, wir können Sätze Musik als Folter: Die »Greatest Hits« von Guantanamo, Quelle: http://www.stern.de/politik/ausland/ musik-als-folter-die-greatest-hits-von-guantanamo-648547.html (Erscheinungsdatum: 10. Dezember 2008, 15:07 Uhr) 146 | 147 ler nach Pugnani in e-moll mit vorgegebenen Fingersätzen und Strichen, dynamischer Angabe sowie festgelegtem Tempo mittels Metronom (Viertel=80 Schläge /min) jeweils im Stehen und im Sitzen gespielt. Bei den Messungen mittels Posturometer steht oder sitzt der Proband auf der Messplatte. Die Ergebnisse der Messungen werden als Diagramme auf dem Computer wiedergegeben und zeigen im Stehen die Druckpunkte des linken und rechten Fußes und im Sitzen die Druckpunkte der beiden Sitzhöcker . Für die dreidimensionale Bewegungsanalyse mittels des 3D Viconsystems (zwei digitale Kamers mit Peak Motus Software zur Auswertung) wurden Modelle erstellt, welche die Fixierung von Leuchtpunkten an verschiedenen Körperpunkten festlegen. In der Untersuchung wurden die obere und untere Rückenpartie sowie die Stationen des Bogenarms (Abb.1b) gemessen. Céline Wasmer Untersuchung der Spielbewegung bei Geigern im Stehen und Sitzen Einleitung In der gegenwärtigen Konzertpraxis bei größeren Ensembles und Orchestern spielen die Musiker in der Regel im Sitzen in einer konventionell festgelegten Instrumentenposition um den Dirigenten. Ausnahmen bilden hier Orchester wie das Freiburger Barockorchester, die sich der historisch informierten Aufführungspraxis verschrieben haben. Die sitzende Spielposition war jedoch in der Geschichte der Konzertpraxis nicht immer vorherrschend. Noch bis 1850 war eine stehende Gruppe der hohen Streicher im Leipziger Gewandhaus oder in der Meininger Hofkapelle üblich, wodurch »eine größere Freyheit und Kraft des Spielers« verbürgt wurde (Schreiber, 1978). Im Verlauf des 19. Jahrhunderts pflegten - abhängig von den jeweiligen räumlichen Gegebenheiten - die Spieler im Stehen oder im Sitzen zu spielen. Mit zunehmenden Ensemblegrößen bis hin zu den großen Sinfonieorchestern der Spätromantik bürgerte sich vor allem der Übersichtlichkeit wegen allmählich immer mehr die sitzende Position der Musiker ein, so wie sie heutzutage in der Konzertpraxis weltweit üblich ist. Im Gegensatz zu dieser Konzertpraxis jedoch üben Violinisten, wenn sie alleine spielen, gewöhnlich ihre Etüden, Sonaten und Konzerte, aber auch Orchesterstellen im Stehen. In der instrumentalpädagogischen Literatur finden sich zur Bedeutung der Spielposition Stehen oder Sitzen keine detaillierten Angaben, in den meisten Geigenschulen wird das Thema gar nicht erwähnt. Die Diskrepanz zwischen individueller Übesituation und Orchesterpraxis wirft jedoch die Frage auf, ob die Bewegungsabläufe so, wie sie im Stehen einstudiert werden, ohne bewusste Veränderungen auf das Spiel im Sitzen übertragen werden können. Ergebnisse Die statistische Auswertung der Messungen mittels der Posturographie zeigt eine deutliche Ungleichverteilung der Druckschwerpunkte zwischen linkem und rechtem Sitzhöcker im Sitzen in signifikantem Unterschied zu einer nahezu gleichverteilten Balance des Gewichts auf beiden Füßen im Stehen (Abb.2). Diese Unterschiede fanden sich bei allen Probanden mit einer statistisch signifikanten Mittelwertsdifferenz. In der Auswertung der Vorgänge im Rückenbereich präsentieren sich großzügige Bewegungen des ganzen Körpers während des Spielens im Stehen (Abb.3 oben), wohingegen das untere Rumpfsegment im Sitzen bei den meisten Probanden nahezu bewegungslos bleibt (Abb.3 unten) und durch die entstehenden Scherkräfte im Übergangsbereich hohen Belastungen ausgesetzt ist. Die Ergebnisse der Bewegungsanalyse aus seitlicher Perspektive auf den Bogenarm weisen auf ein signifikant kleineres Bewegungsausmaß des Ellbogengelenks im Sitzen als im Stehen hin (Abb.4), was in einigen Fällen durch eine geringer Streichgeschwindigkeit und eine geringere Nutzung der gesamten Bogenlänge im Sitzen kompensiert wird. Zusammenfassung Insgesamt weisen die Ergebnisse der Untersuchung darauf hin, dass in Instrumentalpädagogik und -praxis ein bewusster Umgang mit den Spielpositionen Stehen und Sitzen erfolgen sollte, da beide Spielpositionen systematische Unterschiede in den Spielbewegungen zur Folge haben. Die praktische Anwendung der Ergebnisse könnte darin bestehen, bereits in der Übesituation die spätere Konzertposition einzunehmen. Die Isolierung des unteren Rumpfsegments im sitzenden Spiel stellt einen möglichen Risikofaktor zur Entwicklung von Rückenschmerzen dar, wie sie sich häufig bei Orchestermusikern finden. Hier kann mit entsprechenden Übungen zur Körperwahrnehmung und Bewegungsintegration vorgebeugt werden. Fragestellung Angesichts der Variabilität zwischen stehender und sitzender Spielhaltung bei Geigern interessiert deshalb aus bewegungsanalytischer Sicht die Frage, ob sich zwischen beiden Grundpositionen systematische Unterschiede in den Bewegungsabläufen beim Geigenspiel beschreiben lassen. Stichprobe Diese Fragestellung wurde in einer experimentellen Beobachtungsstudie an 19 gesunden Probanden untersucht. Einschlusskriterien für die Teilnahme an der Studie waren das Lebensalter (20 bis 30 Jahre), sowie eine mehrjährige Instrumentalausbildung auf der Violine (mindestens 10 Jahre). Außerdem sollte der Proband entweder Musik mit Haupt- oder Nebenfach Violine studieren oder Mitglied eines professionell geleiteten Orchesters sein. Ausschlusskriterien waren aktuelle Beschwerden im Zusammenhang mit dem Geigespiel. Auszüge aus der Medizinischen Dissertation von Céline Wasmer aus dem Institut für Musikermedizin Die Arbeit wird als Band 7 der Schriftenreihe des FIM »freiburger beiträge zur musikermedizin« (Hsg. Claudia Spahn) erscheinen. Céline Wasmer absolvierte ein Doppelstudium in Musik und Medizin. Sie hat ihr KA Studium in Konzert- und Operngesang an der Hochschule für Musik Freiburg abgeschlossen und befindet sich aktuell im Medizinstudium im Praktischen Jahr. Methoden Es wurden Messreihen mittels Posturometer und quantitativer dreidimensionaler Bewegungsanalyse vorgenommen. In den Messreihen wurden die ersten sechs Takte des Präludiums aus dem »Präludium und Allegro« von Fritz Kreis- 148 | 149 - 28 - n der Segmente ist wichtig für die Definition der Winkel zwischen zwei reihen - Perspektive auf den Rücken und Perspektive auf die rechte Seite des rden zwei Modelle erstellt (Abb. 4.8, 4.10). 1 2 3 4 5 9 6 8 7 Abbildung 1: links: Bewegungsanalyse der oberen und unteren Rückensegmente: Modell mit anatomischen Punkten sowie Anbringung der Leuchtmarker am Rücken der Probandin rechts: Bewegunsanalyse des Bogenarms: Modell mit anatomischen Punkten sowie Anbringung der Leuchtmarker bei der Probandin Abbildung 3: Unterschiedliche Bewegungen in der Bewegungsanalyse in den oberen und unteren Rückensegmenten im Vergleich von Stehen und Sitzen beim Geigenspiel (exemplarisch Proband 13): Die Kurven im Stehen zeigen in allen Rückenpartien einen bewegten, ähnlichen Verlauf, während im Sitzen die unteren Rückensegmente gerade Linien, d.h. kaum Bewegung aufweisen, die oberen Rückensegmente jedoch große Bewegungen zeigen .8: Definierte Punkte für die Messungen des Rückens. Modell und Probandin. eihe der Rückenansicht waren folgende neun Punkte definiert, an denen rsuche reflektorische Marker befestigt wurden: occipitalis externa (1), rechte (2) und linke (3) Spitze des Acromions, C4 (4), Brustkyphose ca.T6 (5), Lendenlordose ca. L3 (6), proximales Os rechts und links 7 cm medial der Spinae iliacae posteriores (8, 9). Abbildung 2: Deutliche Gewichtsverlagerung nach links beim sitzenden Geigenspiel, ausgeglichene Gewichtsverteilung zwischen rechts und links beim stehenden Geigenspiel n Winkel wurden in diesem Modell folgendermaßen festgelegt (Abb. 4.9): ker Kopfwinkel zwischen Kopf/C4/rechter oder linker Schulter; Halslordose /Hals/Brust. Außerdem Brustkyphose und Lendenlordose, Schulterwinkel er Schulter/Hals/linker Schulter, Hüfwinkel zwischen rechter Hüfte/Lende/ chter und linker Hüftwinkel zwischen rechter bzw. linker Hüfte/Lende/Brust. Abbildung 4: Bewegungsausmaß im Ellbogengelenk des Bogenarms beim Geigenspiel (exemplarisch Proband 17): Die Kurve mit der größeren Amplitude im Ellbogengelenk zeigt das Spiel im Stehen, die geringere Amplitude im Ellbogengelenk findet sich beim Spiel im Sitzen. 150 | 151 JAHRESBERICHT 2009/10 Jahresbericht 2009/10 der Hochschule für Musik Freiburg, vorgetragen von Rektor Dr. Rüdiger Nolte in der Senatssitzung am 13. Oktober 2010. Finanzielles Gab es im letzten Jahresbericht zu diesem Punkt noch einigermaßen Erträgliches zu vermelden, hat sich die finanzielle Situation im Berichtszeitraum Oktober 2009 bis September 2010 rapide verschlechtert. Dies führte nun doch im Einzelfall zu erheblichen Einschränkungen auch bei bereits fest geplanten Neuerungen (neue Medien) und selbst in festen Zusagen im Rahmen von Berufungsverhandlungen (Tutorate, Institutsbudgets). Allgemein wirken sich jedes Jahr potenziert problematisch aus die festgeschriebenen und seit Jahren nicht an die Inflationsrate bzw. Lohnentwicklung angepassten Beträge für • Investitions- und Sachausgaben • Personalausgaben, soweit diese nicht aus festen Stellen geleistet werden (z. B. Tutoren). Die Einnahmen aus Studiengebühren sind seit Einführung 2008 eingebrochen von rd. 420.000 Euro über rd. 300.000 Euro 2009 auf jetzt rd. 260.000 Euro durch Einführung einer völlig undifferenzierten Geschwisterregelung. Die so genannte globale Minderausgabe, durch die der vom Landtag beschlossene Haushalt gleich mal wieder gekürzt wird, beträgt im Jahre 2010 nun rd. 139.000 Euro statt wie in den vergangenen Jahren rd. 120.000 Euro. Zur Finanzierung eines Innovationsfonds der Universitäten und Hochschulen in Baden-Württemberg wurden die Hauhaltsmittel im Sachbereich um rd. 56.000 Euro gekürzt. Daraus werden Anschubfinanzierungen für Innovationen finanziert. In wie weit Musikhochschulen hieran teilhaben können, bleibt abzuwarten. Erste Erfahrungen im Jahr 2010 ermutigen nicht. Ganz enorm belastend ist das bei weitem nicht ausreichende Budget für die Professuren. Zum 1.1.2005 wurde die W-Besoldung eingeführt und damit ein fester Haushaltsrahmen für die Professorenbesoldung. Dies sollte kostenneutral geschehen; einfach gesagt: Auf der Grundlage der tatsächlichen Gesamtausgaben für die Professorinnen und Professoren im Jahre 2001 wurde ein Besoldungsquerschnitt, also ein Betrag pro Professur festgelegt, der multipliziert mit der Anzahl der besetzten Professuren das Gesamtbudget bildet. Dieser Besoldungsquerschnitt wird jedes Jahr an die Besoldungserhöhungen angepasst. Die Kostenneutralität macht sich in der Theorie ganz prima; den Praxistest allerdings hat diese Formel nicht bestanden. Im Berichtszeitraum gab die Hochschule etwa 95.000 Euro mehr aus für die »C-Professoren« als im Budget vorhanden, obwohl sie auf diese Besoldung weder Einfluss hat noch je hatte. Für die neuen »W-Professoren« hingegen werden rd. 40.000 Euro weniger ausgegeben als eigentlich für diesen Personenkreis vorhanden. Diese jährliche Unterfinanzierung von rd. 55.000 Euro kommt der Streichung einer Professur gleich, was ganz sicher nicht in der Absicht von irgend jemanden liegt, aber dennoch zu konstatieren bleibt. Auch der Betrag, der aus freien Stellen entnommen und für andere Zwecke der Hochschule verwendet werden kann, ist seit mindestens 2005 nicht erhöht worden. 152 | 153 5 Professuren befanden und befinden sich im Berichtszeitraum in verschiedenen Stadien der Ausschreibung bzw. der Vorbereitung hierzu. Allein eine gehörige Anzahl von Mitgliedern in die Berufungskommissionen zu finden, ist extrem mühsam; ganz zu schweigen von der enormen Arbeit für den Rektor und die Prorektoren, die mit dem Vorsitz der jeweiligen Prozedur betraut werden. Für den Kanzler allerdings wird sich im Jahre 2011 dann die Arbeit mit den Berufungsverhandlungen ergeben. Auf der anderen Seite ist der Hochschule aufgrund der geschilderten Situation dankenswerterweise ein Betrag von 50.000 Euro aus Zentralmitteln des Ministeriums bewilligt worden, um die gröbsten Schräglagen zu mildern. Damit konnte wenigstens ein großer Teil des 2008 bzw. 2009 begonnenen Orgelerneuerungsprogramms zu Ende geführt werden: Orgelmodernisierung im Konzertsaal, neue Übeorgel im Keller sowie neue Orgel in Raum 365. Und ohne einen Zuschuss, den die Hochschule für 4 zusätzliche Studienanfängerplätze die letzten 3 Jahre und noch (und letztmals) 2011 erhält, wären mindestens 4 volle Lehraufträge nicht mehr zu zahlen. Übrigens: Auch die Haushaltsmittel für diesen Personenkreis wurden seit mehr als 7 Jahren nicht angepasst… Erhebliche Unruhe gab es in Teilen der Professorenschaft in der Frage der in einigen Fällen gewünschten Verlängerung von Dienstverhältnissen über die Pensionsgrenze hinaus. Das Rektorat hatte zu diesem Punkt in der Vergangenheit durchaus die eine oder andere Verlängerung beschlossen, musste aber Anfang 2010 die genannte höchstproblematische Finanzsituation feststellen, die so nicht vorhersehbar war und durch eine aus Sicht der Freiburger Hochschule sehr unglückliche Entscheidung des Ministeriums hinsichtlich der Verteilung des Budgets für die Professorengehälter entstand. Daraufhin wurde beschlossen, grundsätzlich keine Verlängerungen von Dienstverhältnissen mehr auszusprechen, weil sie schlicht und einfach nicht finanzierbar sind. So würde ein verlängertes Dienstverhältnis mit einem C4-Professor Monat für Monat mindestens rd. 600 Euro Mehrkosten mit sich bringen, die nicht gedeckt sind. Das ist nicht möglich und müsste jedem klar sein, der die Grundrechenarten beherrscht. Ganz schlimm ist die Situation im Bereich der Gebäudebewirtschaftung sprich: der Sanierung und Wartung. Im Berichtszeitraum ist der Etat, der von der Bauverwaltung zur Verfügung gestellt wird, so zurückgefahren worden, dass noch nicht mal Dringendstes in Auftrag gegeben wurde. So werden die neuen Flügel und Klaviere in den Übräumen aufgrund der dortigen Trockenheit erheblich beeinträchtigt und laufen reale Gefahr, bald nicht mehr verwendbar zu sein. Dies würde einen Totalschaden von ca. 700.000 Euro bedeuten. Die Hitzeentwicklung im Raum 156 (Chor- und Orchesterprobensaal) im Sommer ist mittlerweile unerträglich und stark gesundheitsgefährdend. Abhilfe ist nicht in Sicht. Von maroden Fenstern und Ähnlichem will man in diesem Zusammenhang gar nicht reden. Oder gar vom Umbau im Hörsaal, damit – so irgendwann wieder Geld vorhanden, z. B. aus dem Innovationsfonds – die geplanten neuen Medien eingerichtet werden können. Die Altersstruktur bei den Akademischen Mitarbeitern im Übrigen ist so strukturiert, dass hier im Gegensatz zu den Professuren kein heftiger Generationswechsel ansteht. Ähnliches trifft auch auf den Personenkreis der Lehrbeauftragten zu. Gerade wegen der anstehenden Übergabe der Geschäfte des Kanzlers am 1.5.2011 ist es ausgesprochen traurig für den Jetzigen nach Jahrzehnten einer guten bis gerade noch akzeptablen finanziellen Ausstattung der Hochschule und der Bauverwaltung, einen solchen Mangel übergeben zu müssen. Im Sommersemester 2010 wurde im Zusammenhang mit der Erarbeitung eines fortgesetzten Struktur- und Entwicklungsplans von einer Arbeitsgruppe des Senats durchaus kontrovers die zukünftige Schwerpunktsetzung der Hochschule bei der Neubesetzung bis 2016 freiwerdender Professuren diskutiert. Diese Diskussion ist noch nicht abgeschlossen. Personelles Wie schon im letzten Jahresbericht angedeutet, beschleunigt sich die Zahl der Neubesetzungen von Professuren. 2009/2010 wurden fünf Neuberufungen abgeschlossen, von denen drei zum 1.10.2010 besetzt werden • 1 Professur für Klavier • 1 Professur für Violine • 1 Professur für Partienstudium und Korrepetition in der Opernschule Zwei weitere Professuren werden zum 1.4.2011 besetzt • 1 Professur für Klavier • 1 Professur für Violoncello Die Berufungsverhandlungen waren bis auf eine sehr unkompliziert. Aber an dieser Stelle darf auch nicht verschwiegen werden, wie beschämend gering der Spielraum bei den Gehaltsgesprächen in der neuen W-Besoldung ist. Ohne Zulagen (und das ist vielfach der zwanghafte Fall) kann eine W2-Berufung nur mit einem monatlichen Bruttogehalt von rd. 4.300 Euro ausgestattet werden (das Endgrundgehalt der alten C2-Besoldung liegt bei rd. 5.350 Euro). W2 liegt gerade mal 100 Euro über dem Gehalt eines Realschullehrers. Auch in W3 muss aufgrund der finanziellen Situation der Hochschule versucht werden, irgendwie das »nackte« Gehalt zu vereinbaren, das bei rd. 5.250 Euro liegt (zum Vergleich: Das Endgrundgehalt C3 beträgt rd. 6.000 Euro, das in C4 ohne Sonderzuschüsse = rd. 6.900 Euro). Das ist weder lustig für den verhandelnden Kanzler noch luxuriös für den zu gewinnenden Professor. Was die Verwaltung so treibt … 154 | 155 Die Verwaltung der Hochschule – und damit ist der gesamte nichtlehrende Betrieb gemeint – hat auch in diesem Berichtszeitraum engagiert, kompetent und treu ihre Arbeit getan, ohne hier Einzelheiten hervorheben zu wollen. Dies kann vor allem beurteilt werden von Angehörigen und ehemaligen Angehörigen der Freiburger Hochschule, die anderweitig Erfahrungen mit Hochschulen gemacht haben. Zusätzlich wurden die Arbeiten für die Stiftungen und Vereine geleistet, die der Hochschule nahe stehen, die da wären • die Rosenbergstiftung mit einem Vermögen von rd. 350.000 Euro, die jedes Jahr Stipendien für besonders begabte Studierende vergibt, seit 2009 aufgrund eines Wettbewerbs. Die insgesamt zur Verfügung stehende Fördersumme beträgt rd. 14.500 Euro jährlich. • die Gesellschaft zur Förderung der Musikhochschule Freiburg, die ebenfalls in erster Linie Stipendien vergibt, ohne sie an eine besondere Begabung zu knüpfen. Die rund 400 Mitglieder erbringen ein Jahresbudget von etwa 17.500 Euro, die unmittelbar verwendet werden müssen. Im vergangenen Jahr wurden an insgesamt 72 Studierende vor allem anlässlich der Teilnahme an Wettbewerben und Meisterkursen Zuschüsse von zusammen rd. auch das Architektenhonorar fällig gewesen), zerschlagen, ersatzweise aber sprang das Wissenschaftsministerium ein und zwar aus einem Bund/Ländertopf zur Ankurbelung der Wirtschaft. Das Werk sollte insgesamt einschl. dann fälliger Architektenhonorare rd. 375.000 Euro kosten. Die zuständige Bauverwaltung allerdings lehnte ab mit der Begründung, dass die Anbindungskosten an das Hauptgebäude der Hochschule nochmals rd. 100.000 Euro kosten würde, die nicht finanziert seien. Billiger und insgesamt wirtschaftlicher sei es, das Studio für Filmmusik an die Hochschule anzudocken, weil hier alle Versorgungsleitungen und -einrichtungen vorhanden seien. Soweit so gut. Die Planungen liefen an. Und der Anbau wuchs in den Planungen und nahm Ausmaße an, von denen der unterzeichnete Kanzler als Laie schon recht bald annahm, dass diese mit den 375.000 Euro, die zur Verfügung standen, nicht zu schultern wäre. So war das dann auch. Das Projekt drohte zu scheitern, nachdem es auf mehr als 600.000 Euro kam. Nach erheblichen Abspeckungen wurde dann ein pragmatischer Plan entwickelt, der aber immer noch etwas mehr als 500.000 Euro kostete. Weitere Abspeckungen führten dann zu einer geringeren Bausumme, waren räumlich aber nicht mehr wirklich vertretbar. Um das Ganze aber doch noch zu einem versöhnlichen Abschluss zu bringen, hat es der Chef des Amtes Freiburg Vermögen und Bau geschafft, die fehlenden Mittel zu einem vertretbaren Anbau in Stuttgart aufzutreiben, um den Planungsstand von etwas über 500.000 Euro zu ermöglichen. Ich sage ganz ehrlich, ich freue mich darüber und ich freue mich auf das Studio für den neuen Studiengang Filmmusik, für die Studierenden und für den »Chef«, Professor Cornelius Schwehr. Aber genauso ehrlich: Wäre das nicht früher, einfacher und vor allem mit einer architektonischen Glanztat, für die als große Ausnahme schon eine Baugenehmigung der Stadt Freiburg vorlag, zum selben Preis gegangen? Denn nach Adam Riese: Baukosten von rd. 375.000 Euro plus Anbindungskosten von rd. 100.000 Euro plus (sind wir großzügig) rd. 40.000 Euro Unwägbares wären auch nicht teurer als der Anbau jetzt. 14.000 Euro gegeben. Darüber hinaus gab es Preise im hochschulinternen Wettbewerb in Höhe von 5.800 Euro. Außerdem wurde aus Sondermitteln eine Machbarkeitsstudie für ein ins Auge gefasstes Bauprojekt (Stadthalle) finanziert. • die Ulrich Vogt-Stiftung fördert nach dem Willen des Stifters die Studierenden der Hornklasse mit internen Preisen und für Fortbildungsveranstaltungen sowie für die Teilnahme an Wettbewerben. Das Stiftungskapital beträgt rd. 150.000 Euro. • die neu gegründete Stiftung Musikhochschule Freiburg hat erstmals 2010 Fördermaßnahmen aufgenommen, nachdem 2009 einige Zinserträge anfielen. Die Stiftung wurde aus der Hochschule heraus 2008 mit einem Stiftungskapital von 50.000 Euro gegründet. Derzeit umfasst es bereits rd. 180.000 Euro. Die Stiftung befindet sich im Aufbau. Zustiftungen sind willkommen. Das Ziel ist – wenn es auch utopisch scheint – ein siebenstelliges Vermögen. Die Aufgaben der Stiftung sind vielfältig. Man kann grob sagen, dass sie für alle Bereiche der Hochschule zur Unterstützung da ist. Finanziert wurde 2009/2010 ein Stipendium für einen Studierenden zum Lebensunterhalt, ein Zuschuss für eine Akademieschülerin und ein Zuschuss für eine Konzertreise der Schola nach Jerusalem. • der Trägerverein »Internationale Musikwettbewerbe Freiburg«, der gegründet wurde, um alle 3 Jahre einen »Internationalen Klarinettenwettbewerb Freiburg« unter der Präsidentschaft von Jörg Widmann und ebenfalls alle 3 Jahre quasi in der Nachfolge des Internationalen Ludwig Spohr-Wettbewerbs einen »Internationalen Violinwettbewerb Freiburg« unter der Präsidentschaft von Rainer Kussmaul durchzuführen. Von dem Plan, im Wechsel auch ein Projekt »Musikpädagogik« auszuschreiben, wurde inzwischen wieder Abstand genommen. Gerade eben ist der 1. Internationale Violinwettbewerb Freiburg zu Ende gegangen und hat ein hervorragendes künstlerisches Ergebnis, tolles Echo in der Öffentlichkeit (Fernsehen, Rundfunk, Presse) und unerwartet hohes Publikumsinteresse (zweimal volles Haus im Konzertsaal in der 3. und der Finalrunde) mit sich gebracht. Die vier Preisträger Itamar Zorman (1. Preis mit 15.000 Euro und Sonderpreis mit 2.500 Euro), Elena Graf (2. Preis mit 10.000 Euro), Martin Yavryan (3. Preis mit 7.500 Euro) und Milena Wilke (Sonderpreis mit 2.500 Euro) wurden ebenso wie die weiteren Wettbewerbsteilnehmer hervorragend betreut und fühlten sich bei allem Wettbewerbsstress ausgesprochen wohl. Ähnliches hörte man aus den Jurykreisen…. Manfred Klimanski Kanzler All diese Aktivitäten, Organisation, Durchführung, Verwaltungsarbeiten wären ohne einen ausgezeichneten, engagierten nichtlehrenden Betrieb auch nicht ansatzweise denkbar. Denn damit sind lauter Arbeiten zusätzlich zum sowieso immer komplizierteren, bürokratischeren und undurchsichtigeren Alltag zu leisten. Nicht zu vergessen die von der Freiburger Musikhochschule erledigten Aufgaben, die mit der in Deutschland einzigartigen Landessammlung Streichinstrumente Baden-Württemberg zusammenhängen. Und zum Schluss ein Gutsele Vielleicht ist noch in Erinnerung, dass dem Rektor der Hochschule, Dr. Rüdiger Nolte, über Professor Dr. Hans Schneider von einem berühmten Architekten der Vorarlberger Schule, Hermann Kaufmann der Entwurf eines Solitärs, eines begehbaren Würfels auf der Wiese der Hochschule zur Unterbringung des Studios für Filmmusik geschenkt wurde. Zwar hat sich die Idee, diesen Entwurf durch private Geldgeber verwirklichen zu lassen (erst dann wäre 156 | 157 Reflexion der Lehre Improvisation Im Laufe des Jahres 2010 ergab sich vermehrt ein Nachdenken über erweiterte Ausbildungsaspekte. Nicht nur als Reflex auf die mit Jazz gegebene improvisatorische Spielpraxis, sondern auch in Erinnerung an traditionelle Ausbildungsqualitäten des 19. Jahrhunderts, an den großen Ausbildungsstätten wie z.B. Paris oder Warschau, entwickelte sich ein von der Musiktheorie thematisiertes und vom Rektorat initiiertes Nachdenken über die Bedeutung von Improvisation für die künstlerische Ausbildung an unserer Hochschule. So wurde vom Rektor als Vorbereitung der Berufung einer W2 Klavierprofessur (Nachfolge Vergara Pink, vornehmlich Ausbildung im Berech Schulmusik) eine von der Berufungs-Kommission unabhängige Arbeitsgruppe eingeladen, um über Sinn und Bedeutung der Improvisation innerhalb der Klavierausbildung nachzudenken. Dies geschah als Vorbereitung für die Arbeit der dann eingesetzten Berufungs-Kommission, die für das Profil dieser Professur »Fähigkeiten im Bereich der Improvisation (klassisch und modern)« formulierte und entsprechend qualifizierte Kandidaten platzierte. In diesem Zusammenhang ist auch die Idee zu verstehen, sich im Juli 2011 in der Hochschule vier Tage dem Thema Improvisation zu widmen. Hierzu ist Prof. Robert Levin, Boston/Harvard, als artist in residence eingeladen. Ansonsten soll sich während dieser Tage dem Thema Improvisation (klassisch und modern!) hausintern in möglichst allen Fachgruppen gewidmet werden. Spitzen- und Breitenausbildung Das Thema Improvisation ergab darüber hinaus die dringende Notwendigkeit, sich dem Verhältnis von Spitzen- und Breitenausbildung an unserer Hochschule zu stellen. In der Spannung dieser zwei grundsätzlichen Ausbildungsaufträge einer Musikhochschule gab und gibt es viel Aufklärungsbedarf, überhaupt die Notwendigkeit direkter Kommunikation. Dafür hatte der Rektor Lehrende zu einem Gesprächskreis eingeladen, die mit ihrer Lehrtätigkeit beide Bereiche repräsentieren. Dieser Kreis soll sich in loser Folge regelmäßig treffen. Freiburger Stadthalle In diesem Zusammenhang gedacht ist auch das vom Rektorat erarbeitete Konzept für die zukünftige Nutzung der Freiburger Stadthalle (ab ca. 2013/14). In Kooperation mit der städtischen Musikschule soll hier Spitzenund Breitenausbildung unter einem Dach in möglichst flexibler und komplexer Transparenz stattfinden und erprobt werden, wozu ein dem zuarbeitender musikpädagogischer Forschungsbereich ebenfalls aufgebaut werden soll, inklusive einer Labormusikschule »Haus der Musik«. Verhandlungen mit Stadt und Land zeigen grundsätzliches Interesse. Eine Machbarkeitsstudie des Architektenbüros Fierz, Basel, zeigt, dass die geplanten Gewerke im Baukörper der Stadthalle unterzubringen sind. 158 | 159 Alte und neue Partnerschaften Aktionstag Musikalische Bildung »Ferne« Partnerschaften 24 deutsche Musikhochschulen verbinden sich in der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen (RKM) und beanspruchen zunehmend, sich als Verband auch politisch zu äußern. In diesem Zusammenhang fand am 19. November 2009 bundesweit ein Aktionstag zum Thema »Musikalische Bildung« statt, an dem der deutschen Öffentlichkeit gezeigt wurde, dass die Musikhochschulen nicht nur Orte elitärer künstlerischer Ausbildung sind, sondern ebenso Orte mit Kompetenz für musikalische Vermittlung und Breitenarbeit. Der Freiburger Beitrag ist auf S. 13 dieses Jahrbuchs dargestellt. Partnerschaften zwischen Hochschulen hängen von denen ab, die sie pflegen, d.h. von den je aktuellen personellen Konstellationen. So war es einer Initiative von Prof. Magda Rezler zu verdanken, dass die Partnerschaft unserer Hochschule mit der Chopin-Universität Warschau wieder zu neuem Leben erwachte. Die praktische Idee war so einfach wie effektiv: Je ein Streichquartett aus Freiburg und Warschau fanden sich in beiden Städten zusammen, um, begleitet von Kursen, aus Freiburg leitete Prof. Silvie Altenburg einen Kurs, ihre Quartette in Konzerten zu präsentieren und zusammen das Streich-Oktett von Felix Mendelssohn Bartholdy zu musizieren. Mit dieser Initiative ergab sich eine neuer, positiver Austausch zwischen den beiden Hochschulleitungen, mit der Absicht, in Zukunft weitere gemeinsame Projekte zu realisieren. Dr. Rüdiger Nolte Rektor Der in 2007 geknüpfte Kontakt zur School of Music der University of Toronto erfuhr Ende September 2009 einen neuen Impuls. Prof. Cornelius Schwehr gab dort einen Kurs für Filmmusik. Die Freiburger Musikhochschule verfolgt diesen Kontakt nach Toronto im Rahmen des Kulturabkommens zwischen dem Staat Ontario und BadenWürttemberg. Ein neuer Kontakt ergab sich mit dem Conservatorio Superior de Música de Aragónin in Zaragoza. Nach einem ersten Besuch des Freiburger Rektors vom 17.09.2009 in Zaragoza unternahmen die spanischen Kollegen vom 21.01.2010 bis 23.01.2010 ihren Gegenbesuch in Freiburg. Ende September 2010 fand in Zaragoza eine offizielle Vertragsunterzeichnung im Beisein der Kulturministerin von Aragon statt. »Nähere« Partnerschaften Dem selbst formulierten Auftrag folgend, die Aktivitäten der Hochschule mehr in die Freiburger Stadt zu tragen, sind die herbstlichen Tage um das und im Münster bereits eine kleine Tradition. Hinzu kommen neue Vereinbarungen mit dem Freiburger Kunstverein sowie dem Augustinermuseum. Im Zusammenhang mit dem Aufbau und Angebot eines Master-Studiengangs Filmmusik wurde eine Zusammenarbeit mit der Internationalen Filmschule Köln (IFS) vereinbart. Prof. Cornelius Schwehr und auf Kölner Seite Prof. Hans Erich Viet haben schnell mit Zusammenarbeiten ihrer Studierenden bei Filmproduktionen begonnen. Im Rahmen der diesjährigen Kölner »summer school« nahmen Freiburger Studierende Teil an der Kooperation zwischen der IFS Köln und der University of California, Los Angeles, School of Theatre, Film & Television. 160 | 161 Studien- und Prüfungsordnungen Studiengänge Bachelor und Master of Music Nachdem der Senat der Musikhochschule in der Sitzung am 15.07.2009 die Prüfungs- und Studienordnungen für den konsekutiven Studiengang Master of Music sowie für die Studiengänge Bachelor und Master Kirchenmusik (katholisch und evangelisch) beschlossen hatte, fand die Arbeit im Rahmen des Bologna-Prozesses im vergangenen Studienjahr ihre konsequente Fortsetzung. Für das Wintersemester 2009/10 bedeutete dies: • Neufassung der Immatrikulationssatzung (vom Senat in der Sitzung vom 18.11.2009 beschlossen) • Beschlussfassung der Studientabellen Bachelor und Master of Music (kon sekutiv) • Erarbeitung der Prüfungs- und Studienordnung für die nicht konsekutiven Masterstudiengänge, deren Einführung für das Sommersemester 2010 vor gesehen war u.a. in den Hauptfächern Filmmusik und Historische Aufführungspraxis (Beschlussfassung durch den Senat in der Sitzung vom 10.02.2010). Der Fächerkanon der nicht konsekutiven Masterstudiengänge wurde in der Sitzung vom 21.04.2010 um das Hauptfach Ensemblegesang ergänzt. Der Hochschulrat hat in der Sitzung vom 23.11.2009 das Einvernehmen zu den Satzungen ausgesprochen. Daraufhin hat das Ministerium für Wissenschaft und Kunst die Zustimmung zur Einrichtung der Bachelor- und Masterstudiengänge (rückwirkend) erteilt mit der Auflage einer »nachlaufenden Akkreditierung«: Nach einer Frist von 5 Jahren (Bachelor) bzw. 4 Jahren (Master) müssen diese Studiengänge akkreditiert sein. Für die Studiengänge Bachelor und Master Kirchenmusik haben die zuständigen Kirchenbehörden ebenfalls ihre Zustimmung erteilt. Noch während wir mit der Umsetzung der wesentlichen Schritte im Rahmen der Bologna-Umstellung beschäftigt waren, wurden auf bildungspolitischer Ebene die kritischen Stimmen am Bologna-Prozess europaweit immer lauter und eine Reform der Reform gefordert. An den Universitäten gab es bundes- sogar europaweit massive studentische Proteste und Streiks. Kern der Kritik ist die Verschulung des Systems, mangelnde Flexibilität und überbordende Prüfungsflut. Vor diesem Hintergrund forderte u.a. das Wissenschaftsministerium BadenWürttemberg alle Hochschulen des Landes auf, für ihre Studierenden eine e-mail Adresse einzurichten, um ihnen die Möglichkeit zu geben, konkrete Vorschläge »zur Optimierung der Bologna-Reform« zu machen und dem Ministerium das ausgewertete Ergebnis bis 15.01.2010 vorzulegen. An unserer Hochschule gingen dazu keine studentischen Rückmeldungen ein. 162 | 163 Inwieweit sich durch die geforderte Reform der Reform die von der Kultusministerkonferenz festgelegten »Länderübergreifenden Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen « modifizieren werden, bleibt abzuwarten. Ein Beschluss ist auf dieser Ebene schon gefasst wor- den: Die Festlegung einer Mindestmodulgröße von 5 ECTS-Punkten. Was auch immer damit bezweckt werden soll: es bedeutet – gerade für kleinere Institutionen wie Musikhochschulen – eine unnötige strukturelle Bindung der Studienpläne sowie die Notwendigkeit, mittelfristig – in Hinblick auf die Akkreditierung – entsprechende Änderungen in den Studienplänen vorzu nehmen. Nach dem neuen Studienplan werden wesentliche künstlerisch-praktische Module nach 6 Semestern abgeschlossen, damit die Studierenden nach der Rückkehr aus dem Praxissemester an einer Schule (7. Sem.) gezielte Schwerpunktbildungen im Sinne vertiefter künstlerischer oder wissenschaftlicher Auseinandersetzung vornehmen können, die u.a. im künstlerischen Erstinstrument mit einer Verlängerung des Studiums um ein Semester einhergeht. Anderseits bedeutet dies in einigen Fachbereichen gegenüber früher mögliche Einschnitte, die teilweise zu kontroversen Diskussionen geführt haben. Es ist zu wünschen, dass die künftigen Erfahrungen zwischen den Fachlehrern und der Studiengangsleitung in einem konstruktiven Austausch erfolgen werden. Was bedeutet das konkret für uns? In Hinblick auf die geforderte Akkreditierung bis spätestens September 2013 (Master) bzw. März 2014 (Bachelor) bleibt uns zunächst einmal Zeit, mit den erst kürzlich beschlossenen Studienordnungen Erfahrungen zu sammeln sowie gleichzeitig die weitere allgemeine Bologna-Diskussion aufmerksam zu verfolgen. In der nächsten Zeit sollten daher keine Satzungsänderungen mehr vorgenommen werden, es sei denn im Falle notwendiger Korrekturen oder gewichtiger inhaltlicher Gründe. Nach ausführlichen Diskussionen im Verlaufe des Semesters hat der Senat der Hochschule in seiner Sitzung vom 14.07.2010 den modularisierten Studienplan endgültig beschlossen, gleichzeitig die Studienordnung. Die Neufassung der Prüfungsordnung sowie die Erarbeitung der Modulbeschreibungen wird dann zu Beginn des kommenden Semesters in Angriff genommen werden. Am 31. März 2010 endete das Beschäftigungsverhältnis von Frau Renate Market als Bologna-Koordinatorin an unserer Hochschule, für deren engagierte Arbeit in den eineinhalb Jahren ich mich ausdrücklich bedanken möchte. Die Modulhandbücher Bachelor und Master Kirchenmusik konnten fertig gestellt werden. Leider weist das Modulhandbuch für den Bachelor of Music immer noch Lücken auf, da von einigen Kollegen die erforderlichen Modulbeschreibungen noch nicht vollständig vorliegen. Ich gehe jedoch davon aus, dass diese Lücken bis zu Beginn des kommenden Wintersemesters endgültig geschlossen werden können und das Modulhandbuch für den Master of Music in Angriff genommen werden kann. Die redaktionelle Betreuung der Modulhandbücher hat nun Frau Jaqueline Pfann übernommen. Für die engagierte und umfassende Arbeit der Studienkommission unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Hans Schneider bedanke ich mich herzlich. Prof. Helmut Lörscher Prorektor Studiengang Schulmusik Eine weitreichende Studienreform steht auch im Studiengang Schulmusik an: Nach dem Beschluss des Ministeriums für Kultus und Sport in Baden-Württemberg werden alle Lehramtsstudiengänge an den Universitäten sowie Kunst- und Musikhochschulen ab dem 1.Oktober 2010 modularisiert, allerdings unter Beibehaltung der Ersten Staatsprüfung. Eine wesentliche strukturelle Veränderung im Fach Musik ist die Festlegung einer (Gesamt-) Regelstudienzeit von 11 bzw. 12 Semestern – je nachdem ob das wissenschaftliche Fach als Haupt- oder Nebenfach studiert wird –, innerhalb derer (und das ist neu) sowohl Musik als auch das wissenschaftliche Beifach an der Universität abgeschlossen werden müssen. Bisher betrug die Regelstudienzeit für Musik 9 Semester, das Beifach konnte jedoch flexibel entweder gleichzeitig, überlappend oder auch im Anschluss an das Musikstudium studiert werden. Dementsprechend war die Studienkommission Schulmusik vor die Herausforderung gestellt, auf Grundlage dieser neuen, restriktiveren Rahmenbedingungen einen Studienplan zu entwickeln, der einerseits die Studierbarkeit des Fachs Musik innerhalb derselben gewährleistet, gleichzeitig den Anspruch eines künstlerisch fundierten Studiums aufrechterhält. Dieser gewichtige künstlerische Anspruch im Schulmusikstudium gehört zum Profil unserer Hochschule und ist für die pädagogische Glaubwürdigkeit eines Musiklehrers für das gymnasiale Lehramt unverzichtbar. 164 | 165 Zwei gut besuchte und sehr erfolgreiche Vortragsabende »EXCHANGE« der Austauschstudierenden fanden jeweils zum Semesterende statt. Diese Vortragsabende bieten talentierten Austauschstudierenden die Möglichkeit, sich neben den Vortragsabenden der jeweiligen Klassen ein weiteres Mal im Semester der Öffentlichkeit zu präsentieren. Durch die fächerübergreifende Programmgestaltung heben sie sich von den übrigen Vortragsabenden ab. Bericht des International Office Studierendenaustausch Im vergangenen akademischen Jahr 2009/10 studierten 12 Studierende der Hochschule für Musik Freiburg im Ausland (outgoings), davon neun im Rahmen des ERASMUS-Programms für Lebenslanges Lernen der Europäischen Union und drei im Rahmen einer direkten Hochschulpartnerschaft, gefördert durch das Baden-Württemberg-Stipendium der Baden-Württemberg-Stiftung. 11 Studierende kamen als Gäste an unsere Hochschule (incomings), in der Mehrzahl gefördert durch das ERASMUS-Programm. Auf Grund der erheblichen Mittelkürzungen für das Baden-Württemberg-Stipendium im vergangenen Hochschuljahr (um ca. 50%) wurde beschlossen, prioritär outgoing-Studierende zu unterstützen, so dass nur eine incoming-Studierende durch das Baden-Württemberg-Stipendium gefördert werden konnte. Eine Übersicht über die Verteilung nach Herkunft und Studienort der Studierenden sowie über den jeweiligen Programmrahmen zeigt folgende Tabelle: incomings outgoings Programm Partner-Institution 1 Direkte Partnerschaft,BW-Stipendium Eastman School of Music, University of Rochester/ USA 2 Direkte Partnerschaft,BW-Stipendium Sydney Conservatorium of Music/Australien 1 Direkte Partnerschaft, ohne Förderung Kyoto City Arts University/Faculty of Music/Japan 2 Erasmus/LLP Conservatoire National Supérieur de Musique de Lyon/Frankreich Erasmus/LLP Conservatoire National Supérieurde Musique de Paris/Frankreich 1 Erasmus/LLP Conservatorio di Musica 'G. Nicolini' di Piacenza/ Italien 2 Erasmus/LLP Real Conservatorio Superior de Música de Madrid/ Spanien Erasmus/LLP Conservatorio Superior de Música de Aragón/Spanien Erasmus/LLP Ionio Panepistimio Corfu/Griechenland Erasmus/LLP Conservatoire de Lausanne/Schweiz 1 Erasmus/LLP Koninklijk Conservatorium Den Haag/Niederlande 1 Erasmus/LLP HAMU Musikakademie Prag/Tschechien 1 Erasmus/LLP Anton Bruckner Privatuniversität für Musik, Schauspiel und Tanz Linz/Österreich 1 Erasmus/LLP Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien/ Österreich 2 Erasmus/LLP Det Kgl. Danske Musikkonservatorium Kopenhagen/ Dänemark 1 Erasmus/LLP Kungl. Musikhögskolan i Stockholm/Schweden 1 Erasmus/LLP Göteborgs Universitet/Schweden 1 2 1 1 1 11 12 Institutionen und Abkommen Im akademischen Jahr 2009/10 wurden neue bilaterale Abkommen im Rahmen des ERASMUS-Programms mit folgenden Institutionen geschlossen: mit dem Royal College of Music Manchester, UK, mit dem Conservatorio di Musica »Arrigo Pedrollo« Vicenza, Italien, mit dem Conservatoire royal de Bruxelles, Belgien. Am Ende des Akademischen Jahres 2009/10 beträgt die Anzahl von aktiven bilateralen ERASMUS-Abkommen 34, neben den sechs direkten Hochschulabkommen mit unseren Partnerhochschulen. Alle Abkommen werden laufend auf ihre Effizienz und strategische Relevanz für unsere Studierenden und für die Hochschule als Institution geprüft. Mobilität von Lehrenden und Personal Bezüglich der Mobilität von Lehrenden erhielt Frau Prof. Pi-Hsien Chen eine Einladung an unsere Erasmus-Partnerhochschule Sibelius Academy Helsinki, der ein Aufenthalt der Kollegin Prof. Hui-Ying Liu-Tawaststjerna an der Hochschule für Musik Freiburg vorausgegangen war. Herr Prof. Aziz Kortel wurde eingeladen an die Partnerhochschule Istituto Musicale »Vincenzo Bellini« Catania für einen workshop zu Liedinterpretation für Sänger und Pianisten. Erstmals kann auch im Bereich der Personalmobilität im Rahmen des EUProgramms LLP/ERASMUS ein outgoing-Aufenthalt auf Verwaltungsebene realisiert werden. Es erfolgt ein Austausch zwischen den Bibliotheken der Hochschule für Musik und der ERASMUS-Partnerhochschule Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien, Österreich. Preise und Stipendien Auch im Jahr 2009 konnte wieder der Preis des DAAD für hervorragende Leistungen ausländischer Studierender verliehen werden. Für diesen Preis werden Studierende vom jeweiligen Hauptfachprofessor vorgeschlagen. Sie nehmen an einem internen Auswahlvorspiel und einem anschließendem Gespräch mit der Jury teil, da der Preis nicht nur für hervorragende musikalische Leistungen, sondern gleichermaßen für Beiträge zu interkulturellem Austausch und gesellschaftlichem Engagement verliehen wird. Ausgezeichnet wurde Stephanie Gurga, Cembalistin in der Klasse von Prof. Robert Hill, für ihre umfassenden musikalischen Interessen und Initiativen. E.T.A.-Hoffmann-Stipendien erhielten Jan Melichar, der im Anschluss an seinen ERASMUS-Aufenthalt an unserer Hochschule sein Bachelor-Studium in der Klasse von Prof. Wolfram Christ beendet sowie Marie Simkova, aus der Violoncello-Klasse von Prof. Christoph Henkel und Kosmas Giannoutakis aus der Kompositions-Klasse Prof. Cornelius Schwehr. Gesamtzahl 166 | 167 Das E.T.A.-Hoffmann-Stipendium beruht auf privater Stiftung und wird an besonders begabte ERASMUS-Studierende vorwiegend aus Osteuropa verliehen. Für Studierende aus osteuropäischen Staaten ist die Finanzierung eines Aufenthaltes in Westeuropa in der Regel mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, wobei die Förderung durch das ERASMUS-Programm nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt abzudecken. Hier unterstützt das E.T.A.Hoffmann-Stipendium mit einer monatlichen Förderung in Höhe von 300 Euro und trägt so wesentlich zum Studienerfolg der Geförderten bei. Studienbewerber- und Studentenstatistik Studienbewerber Wintersemester 2009/10 = 1.078 (Winter 2008/09 = Sommersemester 2010 = 567 (Sommer 2009 = Zusammen = 1.645 ( = Prof. Scott Sandmeier Prorektor 1.130) 662) 1.792) Erschienen zur Aufnahmeprüfung Wintersemester 2009/10 = 490 (Winter 2008/09 Sommersemester 2010 = 289 (Sommer 2009 Zusammen = 779( = 47,4 % der Bewerber = = = = 577) 319) 896) 50 % Bestanden haben Wintersemester 2009/10 = 286 (Winter 2008/09 Sommer 2010 = 147 (Sommer 2009 Zusammen = 433( = 55,6 % der erschienenen Bewerber = 339) = 187) = 526) = 58,7 % Zugelassen wurden Wintersemester 2009/10 = 116 (Winter 2008/09 Sommer 2010 = 59 (Sommer 2009 Zusammen = 175( =40,4 % derer, die bestanden haben = 104) = 72) = 176) = 33,5 % Eingeschrieben haben sich Wintersemester 2009/10 = 103 (Winter 2008/09 = Sommersemester 2010 = 54 (Sommer 2009 = Insgesamt: = 157( = 108) 75) 183) Von 1.645 Bewerbern im Jahre 2009/10 haben sich 157 eingeschrieben = 9,5 %. 2009 waren dies 183 Einschreibungen von 1.792 Bewerbern = 10,2 %. 2009/10 wurden 11 Erasmus-Studenten aufgenommen, 2009 waren dies 16. 168 | 169 Neueinschreibungen 2009/10 2008/09 Schulmusik 27 Musiklehrer - Kirchenmusik (Bachelor) 1 Kirchenmusik (Master) 2 Künstlerische Ausbildung - Bachelor of Music 62 Master of Music 53 Advanced Studies 20 Solistenausbildung 3 Zusammen 168* *einschließlich 11 Austauschstudenten Zahl der Abschlüsse 25 1 5 - 80 48 - 19 5 183 01.10.2010 Bachelor of Music Künstlerische Ausbildung Musiklehrer Schulmusik Kirchenmusik (Bachelor/Master) Master of Music Advanced Studies Soloist Diploma Promotionsstudiengang Studenten insgesamt = = 187 166 60 152 5 8 124121 5 18 107 35 32 31 4 7 1 1 538 539 283 [52,6%] 267[49,5%]) Studierende an der Freiburger Akademie zur Begabtenförderung = 01.10.2010 01.10.2009 Klavier (einschl. Schulmusik) 129 Historische Tasteninstrumente 11 Orgel 42 Gitarre 10 Laute- Harfe 4 Akkordeon 5 Violine 57 Viola 19 Violoncello 34 Kontrabass 10 Viola da Gamba 1 Querflöte 24 Blockflöte 7 Trompete 18 Posaune 13 Fagott 8 Horn 15 Tuba 2 Oboe 9 Klarinette 14 Saxophon 6 Schlagzeug 12 Gesang 54 Dirigieren 5 Komposition/Musiktheorie 19 Promotion 1 Filmmusik 3 Liedgestaltung 2 Rhythmik 2 Traversflöte 2 Zusammen538 am 01.10.2009 Hiervon kommen 141 aus Asien (vorwiegend Japan und Südkorea), 100 aus EU-Staaten (vorwiegend Frankreich) und 19 aus Osteuropa, aus den USA und Australien zusammen 8. Am 01.10.2010 9 104 15 - 1 8 31 160 Studierende nach Hauptfächern (bei Schulmusik: Erstinstrument) Zahl der ausländischen Studenten am 01.10.2010 (am 01.10.2009 2008/09 Studiengang Solistenexamen 4 Künstlerische Ausbildung 80 Musiklehrer16 Bachelor of Music 10 Kirchenmusik B 3 Kirchenmusik A 2 Schulmusik25 Zusammen 140 Im Promotionsstudiengang Musikwissenschaft war im Sommersemester 2010 1 Studierender eingeschrieben. Zahl der Studenten am 2009/10 18 170 | 171 122 9 47 6 - 3 3 64 20 34 14 2 28 11 16 13 10 10 - 10 15 5 10 54 7 22 1 - - - - 539 Personalveränderungen in der Lehre Ausgeschiedene Lehrbeauftragte Neuberufungen Judith Niesert Jens Weber Garo Atmacayan Elisabeth Bauer David Mesquita Nicolas Chumachenco Heidemarie Tiemann Ursula Eittinger Eric Le Sage Julia Schröder Neil Beardmore Prof. für Klavier zum 1.10.2010 Prof. für Violine zum 1.10.2010 Prof. für Opernkorrepetition zum 1.10.2010 Neue Akademische Mitarbeiter Hansjacob Staemmler Hans Aerts Florian Vogt Korrepetition i. d. Streicherklassen ab 1.10.09 Musiktheorie/Gehörbildung ab 1.4.10 Musiktheorie/Gehörbildung ab 1.4.10 Ausgeschiedene hauptberufliche Hochschullehrer Prof. Betty Vergara Pink Prof. Jendrik Springer Prof. Morten Schuldt-Jensen Matthias Killian Klavier ab 1.10.10 Korrepetition für Sänger ab 1.10.10 Chor- und Orchesterleitung ab 1.10.10 Chor- und Orchesterleitung ab 1.10.10 Neue Lehrbeauftragte Matthias Ratzel Elisabeth Bauer Anette Adorf-Brenner Naoko Perrouault-Watanabe Julia Rosenberger Andreas Winnen Helmut Karg Microteaching ab 1.4.10 Microteaching ab 1.10.09 Orch. Studien Cello ab 1.4.10 Korrepetition Bläser ab 1.4.10 Rhythmik ab 1.4.10 Chor- und Orchesterleitung ab 1.4.10 Tuba ab 1.10.10 172 | 173 Rhythmik zum 19.2.10 Schulpraktisches Klavierspiel zum 19.2.10 Orchesterstudien Cello zum 19.2.10 Microteaching zum 19.2.10 Musiktheorie zum 19.2.10 Violine zum 23.7.10 Gesang/Körperarbeit zum 23.7.10 Gesang zum 23.7.10 Die Hochschule als Musikveranstalter Konzertveranstaltungen vom 1.10.09 bis 30.9.10 im Konzertsaaal und Kammermusiksaal der Hochschule Vortragsabende im Wintersemester 2009/10 Oktober: November: Dezember: Januar: Februar: Insgesamt: Hochschulorchester Hochschulchor Kammerorchester (u.a. Benefizkonzert) Institut für Neue Musik Institut für Historische Aufführungspraxis Oper Preisträgerkonzerte (Gustav-Scheck-Preis,Hochschulratspreis) Sonstiges 6 28 34 52 33 153 (u. a.: Avery Gedenkkonzert, Abschied Vergara Pink, Antrittskonzert Chenna, Partnerschafts- Vortragsabende im Sommersemester 2010 April: Mai: Juni: Juli: Insgesamt: 4 3 2 5 3 6 2 33 konzert mit Warschau, 3x Kammermusikfest) Meisterkurs für Junge Talente FAB Dirigentenpodium Baden-Württemberg 11 41 53 66 171 1 2 3 (Kurpfälzischem Kammerorchester, Südwestdeutsches Kammerorchester Pforzheim, Austauschkonzert mit Musikakademie Basel) Brendel Holliger Marathon Zusätzlich zu den 324 Vortragsabenden im WS 09/10 und SS 10 fanden 123 offizielle Konzert- bzw. Opernveranstaltungen in den Sälen der Hochschule sowie außerhalb statt. Damit ist auch in diesem Jahr die Freiburger Musikhochschule mit insgesamt 447 öffentlichen Angeboten der größte Musikveranstalter zumindest im Südwesten Baden-Württembergs. 3 5 auswärtige Konzerte Rund ums Münster Theodor-Egel-Saal Kammerchor 7 1 4 (Freiburg: Christuskirche, Dreifaltigkeitskirche Stuttgart: Stiftskirche, Todtmoos: Wallfahrtskirche) Chor (Zürich und Todtmoos) Jazzhaus (1x Big-Band-Pojekt mit Jiggs Wigham) Kumedi Stadttheater (Viel Lärm um Nichts) Kunst in der Region 2 3 14 1 19 Die Proben und Aufführungen im Theater »Kumedi« sind nun fester Bestandteil im Aufführungsalltag der Hochschule geworden. Auch die Konzerte im und um das Münster herum erfreuen sich eines steten Zuspruchs, wie auch die Auftritte im Jazzhaus. 174 | 175 Impressum Herausgeber Rektor Dr. Rüdiger Nolte Hochschule für Musik Freiburg Schwarzwaldstraße 141 | D-79102 Freiburg i. Br. Postfach | D-79095 Freiburg i. Br. Tel. +49 761 31915-0 | Fax +49 761 31915-42 info@mh-freiburg.de | www.mh-freiburg.de Redaktion Harald Hassler | Hans-Joachim Schmolski Die Verantwortung für namentlich gekennzeichnete Beiträge liegt bei den Autoren Fotos Astrid Ackermann S. 53 Valentin Behringer S. 12, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21 Lena Böhm S. 15, 26, 79, 81, 158 Corinna Gönner S. 56 Axel Killian S. 35, 37, 38, 39, 40, 41, 152, 157, 161, 162 Maurice Korbel S. 2, 25, 48, 49, 69, 82 Jens Schwengel S. 6, 8 Gestaltung Finken & Bumiller, Stuttgart Druck schwarz auf weiss litho und druck gmbh, Freiburg Auflage 500 Hochschule für Musik Freiburg | University of Music Schwarzwaldstraße 141 | D–79102 Freiburg Postfach | D–79095 Freiburg T 0049 (0)761–31 915–0 | F 0049 (0)761–31 915–42 info@mh-freiburg.de | www.mh-freiburg.de