Unsere Steinkohle - Route der Industriekultur
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Unsere Steinkohle - Route der Industriekultur
Benno Bergmann erklärt Unsere Steinkohle und das Revier Woher kommt die Steinkohle? Was bedeutet sie für uns? Inhalt 1. Teil Aus Kohle wird Wärme, Strom und Stahl Licht an! – Strom verändert die Welt – Ohne Sonne geht gar nichts 4 4 6 Wie kam die Kohle in die Erde? 8 Die Kohle kommt ans Tageslicht14 – Moderne Steinkohlenbergwerke in Deutschland 14 16 – Von Kopf bis Fuß – Ein Blick in die Grubenwarte 18 19 – An der Hängebank – Unter Tage 20 – Die Kohle ist über Tage 26 – Die Kohle ist ein wichtiger und vielseitiger Rohstoff 28 Strom: Energie, die aus der Kohle kommt30 Aus Steinkohle wird Koks34 Leuchtendes Europa36 2. Teil Wie das Ruhrgebiet entstand und sich entwickelte Die Sage vom Muttental Aus Bauern werden Bergleute38 Das Ruhrgebiet entsteht42 – Die Dampfmaschine bekommt Räder 44 Das Ruhrgebiet der Urgroßeltern46 Wanderung der Arbeiter ins Revier48 Traditionen entwickeln sich50 3. Teil Unterwegs im Revier Auf Spurensuche54 – Kohleabbau verändert die Landschaft 55 Museen und Besucherbergwerke58 Begriffe aus dem Bergbau59 2 Hallo Dein Name Zuerst will ich mich mal vorstellen: Ich bin Benno Bergmann. Und ich heiße nicht nur Bergmann, ich bin auch einer. Ich arbeite im Steinkohlenbergbau. Altmodisch, meinst du? Mein Beruf ist von vorgestern? Wozu heute noch Steinkohle fördern? Da habe ich eine Überraschung für dich. Klar, kaum jemand hat noch einen Kohleofen zum Heizen in der Wohnung. So wie Oma und Opa früher einen hatten. Aber Steinkohle wird trotzdem gebraucht. Denn aus Kohle wird Strom erzeugt, und davon verbrauchen wir jede Menge. Außerdem wird Steinkohle für die Erzeugung von Stahl und in anderen Bereichen der Industrie benötigt. Auch in Deutschland gibt es Steinkohle. Sie wird hier „unter Tage“ in Bergwerken gefördert. Zwar sind viele davon in den letzten Jahrzehnten geschlossen worden, doch die verbliebenen Betriebe sind hochmoderne Industrieanlagen mit einer großen Fördermenge. Wie die Steinkohle vor Jahrmillionen in die Erde kam und wie die Kohle an das Tageslicht gefördert und verarbeitet wird, davon berichte ich in diesem Heft. Du kannst mich begleiten und abtauchen in die Vergangenheit, als in unserer Heimat noch Urwälder wuchsen und Saurier lebten. Im zweiten Teil dieser Broschüre erfährst du, wie die Kohle an der Ruhr entdeckt worden ist, warum der Bergmann die Steinkohle auch das „schwarze Gold“ nennt und wie das Ruhrgebiet sich entwickelte. Ich begleite dich. Ich gebe dir Tipps zum Nachlesen, zum Basteln und natürlich für schöne Ausflüge. Denn, wer so viel über Kohle gelernt hat wie du, der hat sicher Lust, auf eine Entdeckungsreise zu gehen. Im dritten Teil findest du einige Anregungen dazu. Bergbau- und Naturkundemuseen, Besucherstollen, Bergehalden und stillgelegte Zechen geben dir einen guten Eindruck, wie die Arbeit eines Bergmanns war und ist und wofür unser Land die Steinkohle heute noch verwendet. Denk mal darüber nach, wenn du heute Abend die Nachttischlampe anknipst. Auch der Strom in deiner Wohnung wird zum Teil aus Kohle gemacht. Glück auf! 3 1. Teil: Aus Kohle wird Wärme, Strom und Stahl Licht an! Strom verändert die Welt Der Wecker klingelt, wir knipsen das Licht an. In der Küche läuft die Kaffeemaschine, im Toaster werden Toastscheiben geröstet. Die Heizung verbreitet eine wohlige Wärme. Ein Morgen wie jeder andere. Aber nur, solange die Stromversorgung funktioniert. Ohne Strom wäre es in der Wohnung kalt und dunkel. Das kann man sich kaum vorstellen. Aber selbstverständlich ist dies nicht. In vielen Ländern der Welt haben die Menschen zu wenig oder gar keinen Strom. Wer weiß aber, dass bei der Stromversorgung auch Kohle eine wichtige Rolle spielt? Sie wird in Kraftwerken zu Strom umgewandelt. Und der kommt dann aus der Steckdose und macht unser Leben angenehm und bequem. Kein Computer funktioniert ohne Strom Meine Oma hat früher darüber gestaunt, wie ausdauernd ich im Garten getobt habe. Sie hat dann immer gesagt: „Der Benno hat ja viel Energie!“ Überlegt mal, wo euch der Begriff „Energie“ in der Alltagssprache schon begegnet ist. Das Wort Energie kommt aus dem Griechischen . Das spricht man „energeia“, und das bedeutet so viel wie „wirkende Kraft“. Die Energie selbst ist unsichtbar, aber man kann ihre Wirkung sehen und spüren: energeia Zum Beispiel als Licht, als Wärme oder in der Bewegung von Maschinen. Als elektrischer Strom kann Energie über große Strecken transportiert werden. Auch in den Materialien selbst ist Energie enthalten, so wie z. B. in der Kohle. Energie kann nicht erzeugt oder vernichtet werden, sondern immer nur von einer Energieform in eine andere Energieform umgewandelt werden. Info: Strom Strom ist elektrische Energie Wasser Wind Erdöl Erdgas 6% 2% Schau Dir einmal das Tortendiagramm an. Es zeigt, woraus unser Strom in Deutschland erzeugt wird. Von welchen dieser „Energieträger” wird besonders viel benötigt? Sonstige 3% 10 % 18 % Steinkohle 13 % 25 % Kernenergie 23 % Braunkohle = 43 % Kohle Der größte Teil der Energie, der zu Strom umgewandelt wird, stammt aus der Erde: Dort finden Geologen Kohle, Erdöl und Erdgas. Die Kohle hat sich vor Millionen von Jahren aus Resten von Pflanzen gebildet. Erdöl und Erdgas entstanden aus großen Massen von abgestorbenen kleinsten Tieren und Pflanzen. Außerdem wird Uran aus der Erde gewonnen, das in Kernkraftwerken eingesetzt wird. Alle diese Energiequellen sind irgendwann aufgebraucht. Auch aus der Sonnenstrahlung, dem Wind und der Wasserkraft kann man nutzbare Energie gewinnen. Mit Hilfe von Solardächern, Windparks und Wasserkraftwerken wird Strom erzeugt. So wird die Stromversorgung ergänzt. Ersetzen können diese Energien Kohle, Öl und Gas aber nicht, dazu ist die erzeugte Strommenge viel zu gering. Kohle ist also sehr wichtig für die Stromerzeugung in Deutschland. Früher wurde sehr viel Kohle gebraucht, um Maschinen anzutreiben und Wohnungen zu beheizen. Aber in der Kohle steckt noch mehr. Aus Kohle werden auch Koks und Briketts gemacht. Koks benötigt man, um Stahl zu erzeugen und Briketts kann man zum Heizen benutzen. Farben, Kunststoffe und Medikamente können aus Kohle und Erdöl hergestellt werden. Doch der Strom ist für uns das wichtigste Produkt. In der Industrie und in unseren Haushalten wird er eingesetzt, um Licht und Wärme zu erzeugen und Maschinen anzutreiben. 5 Du kannst es den Steinzeitmenschen nachmachen und selbst versuchen, mit Hölzern Feuer zu machen. Dazu benötigst du zwei trockene Brettchen, einen runden Stab und ein langes Band. Das wird um den Stab gewickelt. Nun zieht einer abwechselnd an den beiden Bandenden, damit sich der Stab dreht, während ein Zweiter das obere Brettchen festdrückt. Bald wirst du feststellen, dass durch das Reiben und Drücken Hitze entsteht. Mit viel Ausdauer und Geschick beginnt es zwischen den Brettchen zu kokeln. Das solltest du aber nur mit einem Erwachsenen zusammen machen – und nicht im Wohnzimmer! Ohne Sonne geht gar nichts Unsere Sonne ist die älteste Energiequelle. Ohne sie wäre Leben auf der Erde nicht möglich. Bis die Steinzeitmenschen vor vielleicht 400.000 Jahren lernten Feuer zu machen, war die Sonne ihre einzige Licht- und Wärmequelle. Mit dem Feuer konnten sich die Menschen seitdem vor Kälte schützen. Sie konnten ihre Nahrung nun kochen oder braten. Durch den Lichtschein des Feuers konnten sie auch nach Sonnenuntergang noch arbeiten. 6 Schon vor 10.000 Jahren nutzten die Steinzeitmenschen das Feuer auch zur Arbeitserleichterung. Sie erhitzten Kalkgestein sehr stark und gossen dann kaltes Wasser darüber. Die Steine zersprangen, und der im Kalkstein enthaltene Feuerstein wurde freigelegt. Aus dem Feuerstein sind dann Waffen und Werkzeuge hergestellt worden. Info: Feuerstein Mit Feuerstein kann man auch Feuer machen. Wenn die Steine aneinandergeschlagen werden, entstehen Funken. 1. Teil Aus Kohle wird Wärme, Strom und Stahl Später haben die Menschen häufig Tiere genutzt, um sich ihre Arbeit zu erleichtern. So wurden zum Beispiel Ochsen vor einen Pflug gespannt. Doch auch durch menschliche Muskelkraft allein wurden beeindruckende Dinge geschaffen. Unzählige Arbeiter haben Pyramiden, Brücken und Paläste gebaut. Gleichzeitig haben die Menschen schon seit langem Wind- und Wasserkraft genutzt. So gab es vor 2000 Jahren Wasserräder als Schöpfvorrichtung. Inder, Ägypter und Chinesen nutzten sie zur Bewässerung ihrer Felder. Bereits vor über 1000 Jahren gab es in Persien, dem heutigen Iran, Windmühlen. Segelschiffe nutzten schon vorher auf allen Meeren die Windenergie. Mit der Erfindung der Dampfmaschinen in England um 1765 brach ein neues Zeitalter an. Diese Maschinen wurden mit Steinkohle befeuert und erleichterten die Arbeit des Menschen erheblich. Um 1900 begann eine weitere gewaltige industrielle Entwicklung. Die Stromerzeugung war erfunden worden und schon wenige Jahre später wurde in großen Kraftwerken Kohle in Strom umgewandelt. Seitdem können wir jeden Morgen sagen: Licht an! Heute Altertum Steinzeit 7 Wie kam die Kohle in die Erde? Deutschland heute Deutschland in der Kreidezeit Deutschland lag einmal am Äquator. Das ist kaum vorstellbar, aber wahr – allerdings war das vor rund 300 Millionen Jahren! Die Kontinente haben seitdem ihre Form und Lage stetig verändert. Sie wandern immer noch, vier bis zehn Zentimeter im Jahr – so schnell wie Fingernägel wachsen. Wie sich die Lage Deutschlands im Laufe der Zeit verschoben hat, kann man auf den Karten sehen. Deutschland in der Karbonzeit Info: Tiere im Karbon Äquator 8 Die Libelle „Meganeura monyi“ lebte im Karbon und war mit 75 cm Flügelspannweite eines der größten Insekten aller Zeiten. Amphibien und Lurche sind Tiere, die als Larven meistens im Wasser leben und nach einer Umwandlung später auch an Land leben können. Sie leben häufig in der Nähe von Gewässern, so auch der Frosch. Reptilien sind Wirbeltiere, die sich an Land kriechend fortbewegen. Das Krokodil gehört dazu. 1. Teil Aus Kohle wird Wärme, Strom und Stahl Geologische Zeittafel Heute Quartär Mammut vor 2,5 Millionen Jahren Tertiär Krokodil vor 65 Millionen Jahren Kreide Ammonit vor 140 Millionen Jahren Jura Flugsaurier vor 210 Millionen Jahren Trias Landsaurier vor 250 Millionen Jahren Perm Fischsaurier vor 295 Millionen Jahren Karbon Tausendfüßler vor 360 Millionen Jahre Im Zoo waren sicher alle schon einmal – auch im Tropenhaus, wo exotische Tiere in sehr warmer und feuchter Luft leben. Auch ungewöhnliche Pflanzen wachsen hier. So muss man sich das Klima vorstellen, das in Deutschland vor rund 300 Millionen Jahren geherrscht hat: warm und feucht. Damals lebten zahlreiche Insektenarten, auch die Vorfahren der heutigen Libellen. Dinosaurier gab es noch nicht. Es war die Zeit der Amphibien und Lurche. An Land traten die ersten Reptilien auf, die Ähnlichkeiten mit den heutigen Krokodilen hat ten. In den Meeren wimmelte es von Fischen. 9 So stellen sich die Geologen den „Steinkohlenwald” vor. Stell dir einmal folgende Situation in deiner Turnhalle vor: Der stärkste Junge aus deiner Klasse legt sich flach auf den Boden. Er soll die abgestorbenen Pflanzen darstellen. Darüber kommt eine Turnmatte, das soll der Sand sein, der die Pflanzenschicht abdeckt. Dann legt sich wieder ein Schüler darauf, der auch mit einer Matte abgedeckt wird. Noch weitere und schon wirst du hören: „Hört auf, wir werden ganz platt gedrückt und warm ist uns auch.“ Die tropischen Sumpfwälder am Äquator wurden immer wieder von Wasser überflutet. Die Wurzeln verfaulten, so dass die Bäume abstarben und schließlich umstürzten. Meer und Flüsse brachten Sand und Ton in das überschwemmte Gebiet und bedeckten damit die abgestorbenen Pflanzen. Luft kam hier nicht mehr dran. Die Pflanzenteile verfaulten nicht mehr, sondern wurden zu Torf. Der Torf und die Ton- und Sandschichten kamen wie bei einem Sandwich übereinander zu liegen. Dieser Vorgang wiederholte sich mehrere hundert Mal. Dadurch wurden die Schichten immer stärker zusammengedrückt und das Wasser heraus gepresst. Die Torfschicht wird nun Flöz genannt. (1) Die Flözbildung im Karbon Torfflöz Ton Grundgebirge 10 1 1. Teil Aus Kohle wird Wärme, Strom und Stahl Hier bildet sich heute Torf. Der Torf wurde immer fester und in der Tiefe auch immer wärmer. Denn die Temperatur der Erde nimmt zur Tiefe hin zu. Das waren ideale Bedingungen für die Kohleentstehung. Aus dem Torf wurde so über Jahrmillionen Braunkohle. (2,3) Später wurde daraus Steinkohle, die heute in vielen hundert Metern Tiefe lagert. (4) Braunkohle Info: Karbon Diese Zeit, in der die Kohle entstand, nennt man Karbon nach dem lateinischen Wort „carbo“ für Kohle. Steinkohle Flöz E Wasser Sand Torfflöz braunkohleartiges Flöz Ton Sand (Sandstein) braunkohleartiges Flöz Ton (Schieferton) 2 3 Flöz D Flöz C Steinkohleflöz B Flöz A 4 11 Kräfte in der Erde haben diese Schichten später zusammen geschoben, gefaltet, gebrochen und schief gestellt. So entstand in Mitteleuropa am Ende der Karbonzeit ein Gebirge. (5) Deutschland wanderte weiter nach Norden. In der Folgezeit wurde das Klima heiß und trocken, Flüsse und Seen trockneten aus. Das Gebirge wurde durch Wind und Wasser wieder abgetragen. (6) Die Reise Deutschlands ging immer weiter Richtung Norden. In der Kreidezeit war das Klima bei uns wie heute am Mittelmeer. Dinosaurier besiedelten das Land, riesige Tintenfische mit schneckenartigem Gehäuse, die so genannten Ammoniten, die Meere. Sandstein Kohleflöz Schieferton In dieser Zeit senkte sich der Norden des heutigen Europas, und das Meer überschwemmte diesen Bereich. Der Strand dieses Kreidemeeres lag im Süden des Ruhrgebiets. Im Münsterland lagerten sich in der Kreidezeit bis zu 1000 m dicke Schichten aus Kalk, Sand und Ton ab. Da diese wie eine Decke über den alten Gebirgsresten aus der Karbonzeit liegen, nennt man sie auch Deckgebirge. Darunter liegt die Kohle. (7) Steinbruchwand im Muttental Faltung am Ende des Karbon Abtragung im Perm Überdeckung in der Kreide Flö z Flö E z Flö z D C Wasser 12 Deckgebirge 5 6 zB Flö zA Flö F Flölöz z D C zB Flö zA Flö Flö Flö z D z C zB Flö zA Flö 7 1. Teil Aus Kohle wird Wärme, Strom und Stahl Steine mit Pflanzen- oder Schalenabdrücken sehen wunderschön aus. Man kann sie in Bergbau- oder Naturkundemuseen anschauen. Solch ein Kunstwerk der Natur kannst du mit einem Stück Ton, Knete oder Gips und Blättern, Muschelschalen oder Schneckengehäusen auch nachmachen. Dein Werk ist natürlich nicht so alt wie das im Museum, aber sicher genau so schön. Die Bergleute müssen deshalb auch erst einen Schacht durch dieses Deckgebirge treiben, bis sie die Kohlenflöze abbauen können. An der Ruhr im Süden des Ruhrgebiets kommen die Kohlenschichten dagegen bis an die Oberfläche. Der Bergmann sagt dann: „Die Kohle streicht aus.“ (8) Farnabdruck aus dem Karbon Farn heute Norden Süden F Fl l.D .C 1. Sohle 2. Sohle 8 zB Flö zA Flö Info: Fossilien Steinkohlenabbau heute Spuren aus der Zeit der Kohleentstehung findet man heute noch als Fossilien. Das sind die versteinerten Reste von Tieren und Pflanzen. Häufig sind nur die Abdrücke von den harten Pflanzen oder Schalenteile erhalten geblieben. Die meisten Fossilien findet man in Gesteinen, die früher einmal vom Wasser bedeckt waren. Wissenschaftler können die Entwicklung des Lebens auf der Erde erklären, indem sie die versteinerten Tiere und Pflanzen genau untersuchen. Mit Hilfe von Fossilien kann so die Erdgeschichte in einzelne geologische Zeitabschnitte (zum Beispiel Karbon oder Kreide) gegliedert werden. 13 Die Kohle kommt ans Tageslicht Moderne Steinkohlenbergwerke in Deutschland HB HH H D MZ SB SN MD P B Ruhrrevier Marl Dinslaken KampLintfort Hamm r Ruh Saarrevier Osnabrück Saarlouis S e Lipp Recklinghausen Gelsenkirchen Herne Dortmund Bottrop Duisburg Bochum Essen DD EF WI hr Ru KI Sa ar M Saarbrücken Ibbenbüren Bergwerke Bergwerke, die bis 2012/13 stillgelegt werden sollen Nun wollen wir mal sehen, wie die Kohle abgebaut wird. Das kann man sich am besten vorstellen, wenn man den Tagesablauf eines Bergmanns verfolgt. Du erfährst auch, was es mit meiner Kleidung auf sich hat. Die ist sehr praktisch und schützt mich bei der Arbeit. Im Jahr 2009 arbeiteten in Deutschland rund 27.000 Menschen in sechs Bergwerken im Ruhrgebiet, im Saarland und in Ibbenbüren. Sie förderten 14 Millionen Tonnen Steinkohle, die an Kraftwerke und die Stahlindustrie geliefert wurden. ➂ ➀ Förderturm (Kohleförderung) ➀ ➁ ➁ F ördergerüst (Material; Bergleute) ➂ Kohlenaufbereitung ➃ ➄ 14 ➃ Kaue und Verwaltung ➄ Materiallager Luftaufnahme des Bergwerks Auguste Victoria in Marl 1. Teil Aus Kohle wird Wärme, Strom und Stahl Frühmorgens: Auf dem Bergwerk Umziehen in der Schwarzkaue Die anstehende Arbeit wird besprochen Schichtbeginn: Einfahrt in die Grube Transport mit der Bahn zum Arbeitsplatz Der eine Bergmann arbeitet im Streb… … ein anderer arbeitet im Streckenvortrieb Schichtende: Ausfahrt 15 Von Kopf bis Fuß Auf seinem Weg zur Arbeit wird noch niemand den Bergmann an der Kleidung erkennen. In der Weißkaue, so nennt man den großen Umkleideraum auf dem Bergwerk, zieht der Bergmann seine Straßenkleidung aus. Schränke gibt es hier nicht. Die private Kleidung wird an einen Haken gehängt und mit einer langen Kette an die Kauendecke hochgezogen. Die Kette wird mit einem Schloss gesichert. Dann geht er nebenan in die Schwarzkaue. Die heißt so, weil die Bergleute hier ihre Arbeitskleidung, die vom Kohlenstaub häufig schwarz ist, anziehen. Schwarzkaue 16 Die Kopflampe mit dem Akku und den Filter-Selbstretter gibt es in der Lampenstube. Hier werden nach der Arbeit auch die Akkus wieder aufgeladen. 1. Teil Aus Kohle wird Wärme, Strom und Stahl Nach der Schicht legen sie hier ihre Arbeitskleidung auch wieder ab und ziehen sie zum Lüften unter die Decke. Dann gehen sie in die Dusche. Die liegt zwischen der Schwarz- und Weißkaue. So kommt die saubere Kleidung nicht mit Kohlenstaub in Berührung. Schutzhelm mit Kopflampe Schutzbrille Zunächst zieht der Bergmann natürlich Unterwäsche, Arbeitssocken, Hose, Hemd, Jacke und ein Halstuch an. Dann folgt die Sicherheitsausrüstung: Sicherheitsschuhe mit Stahlkappe, Schienbeinschoner, Schutzbrille, Handschuhe, Helm, Kopflampe mit Akku, Ohrenstöpsel, Staubschutzmaske und der Filter-Selbstretter für Notfälle. Gehörschutz Staubschutzmaske Akku Info: Sicherheit Der Filter-Selbstretter ist eine Atemschutzmaske. Er ist wichtig, obwohl die meisten Bergleute ihn noch nie benutzt haben. Sollte es unter Tage doch mal brennen, so kann der Bergmann damit weiteratmen und zum Schacht kommen. FilterSelbstretter Schutzhandschuhe Schienbeinschoner Sicherheitsschuhe mit Stahlkappen 17 Ein Blick in die Grubenwarte Alles, was unter Tage geschieht, wird über Tage überwacht. In der Grubenwarte sitzen die Mitarbeiter vor Bildschirmen. Mit einem Blick können sie feststellen, ob die Maschinen arbeiten oder still stehen. Maschinenschäden werden sofort angezeigt. Hier können die aktuellen Fördermengen abgelesen, der Stand des Grubenwassers gemessen und die Zusammensetzung der Luft unter Tage überprüft werden. Die Frischluftzufuhr kann von hier genau so gesteuert werden wie die gesamte Stromversorgung und der Zugverkehr. Außerdem kann der Grubenwart per Sprechfunk jederzeit mit den Bergleuten vor Ort Kontakt aufnehmen, wenn es Probleme gibt. 18 Aber nicht nur die Kontrolle geschieht von oben, sogar die Maschinen wie der Walzenschrämlader und die Förderbänder werden von über Tage gesteuert. Das macht die Arbeit für die Bergleute unter Tage leichter. Bevor es nun endlich zum Schacht geht, wird jeder Bergmann an einer Zeitschranke erfasst. Dieses System gibt genau Auskunft, wer sich gerade unter Tage befindet. Nach der Arbeit kommen die Bergleute wieder an der Zeitschranke vorbei und melden sich ab. 1. Teil Aus Kohle wird Wärme, Strom und Stahl Info: Sicherheit An der Hängebank ACHTUNG: Rauchen am Arbeitsplatz unter Tage ist strengstens verboten. Aber auch Uhren mit Batteriebetrieb, Feuerzeuge oder Handys dürfen auf keinen Fall mitgenommen werden. Durch solche Geräte, die nicht speziell für den Einsatz im Bergbau ausgerüstet sind, könnten Funken eine Gasexplosion auslösen - und das ist lebensgefährlich! Die Geschwindigkeit eines Autos wird in Kilometer pro Stunde berechnet. Wie schnell ist der Förderkorb? Kannst du das ausrechnen? An der Hängebank Den Eingang in die Tiefe markiert das Fördergerüst. Unter diesem Wahrzeichen eines Bergwerks befindet sich der Schacht. Der Förderkorb mit mehreren „Etagen“ hängt an einem starken Stahlseil, das über eine riesige Seilscheibe geführt wird. Die Bergleute sammeln sich in der Schachthalle für die Grubenfahrt. Mit einer Geschwindigkeit von acht bis zehn Metern pro Sekunde geht es dann abwärts, oft über 1000 Meter tief. 19 Strecke? Streb? Was ist eigentlich was, werdet ihr euch fragen. Also, von einer Strecke spricht der Bergmann, wenn er die Tunnel meint. Der Streb ist dagegen der eigentliche Abbauraum der Kohle. In dem Blockbild auf der Rückseite dieses Heftes kannst du den Weg des Bergmanns zum Streb verfolgen. Unter Tage Angekommen. In der Bergmannssprache heißt diese Stelle, wo die Strecke am Schacht ankommt, Füllort. Denn hier wurde früher die abgebaute Kohle zum Transport nach über Tage verladen. Hier sieht es kaum anders aus als in einem modernen U-Bahnhof. Groß und gut ausgeleuchtet ist es, und es fahren tatsächlich Züge. Sogar feste Fahrpläne gibt es. Bis zum Arbeitsplatz haben die Bergleute noch ein paar Eisenbahn-Kilometer vor sich. Die Züge transportieren Bergleute und Material zum Streb, wo die Kohle abgebaut wird. Bis zu sieben Meter breit und über fünf Meter hoch sind die Tunnel, durch die die Züge fahren. Spezielle Vortriebsmaschinen graben sich wie riesige Bohrer durch den Berg, um diese Strecken anzulegen. Auch mit Sprengstoff wird dabei gearbeitet. Dazu werden Löcher ins Gestein gebohrt und mit Sprengstoff gefüllt. Der wird 20 Streckenvortriebsmaschine dann gezündet. Die lockeren Gesteinsbrocken werden mit Seitenkippladern auf ein Transportband geladen. Anschließend muss dieser Hohlraum gegen herabfallendes Gestein gesichert werden. Dazu werden zunächst Löcher ins Gestein gebohrt, in die man Eisenstangen schiebt. Diese werden im Gestein verklebt und mit einem Stahlgitter verschraubt. Dieses Korsett nennt man Ankerausbau, weil es im Berg verankert ist. Häufig nutzt man auch Stahlbögen, die das Gestein abstützen. 1. Teil Hier werden die Löcher für die Anker gebohrt. Von den Ankern selbst sieht man anschließend nur noch die Verschraubung. Erst ein System aus zwei Schächten macht die Bewetterung möglich. Durch den Einziehschacht gelangt frische Luft in die Tiefe, durch den Ausziehschacht wird die warme, verbrauchte Luft nach oben geleitet. Info: Wetterführung Unter Tage weht immer eine frische Brise. Wetter nennt das der Bergmann. Frische Luft ist wichtig in dieser Tiefe. Denn je tiefer man in die Erde eindringt, umso wärmer wird es: Alle 100 Meter um etwa drei Grad. So hat das Gestein in 1000 Metern Tiefe eine Temperatur von 45 Grad und mehr. Viel zu warm zum Arbeiten. Durch die frische Luft und mit Kühlmaschinen werden die Wetter gekühlt. Ausziehschacht Einziehschacht Aus Kohle wird Wärme, Strom und Stahl Damit die Luft zirkulieren kann, saugen die Lüfter, die am Ausziehschacht angebracht sind, bis zu 26.000 Kubikmeter Luft in jeder Minute an. Auch in entfernten Winkeln müssen die Bergleute noch genügend Frischluft bekommen. Deshalb wird dort die Luft mit Ventilatoren durch große Kunststoffschläuche geblasen. Sechs Kubikmeter Frischluft in der Minute werden pro Mann gerechnet. Das ist hundert Mal mehr, als ein Bergmann zum Atmen braucht. Und dennoch wird ihm warm bei der Arbeit. 21 Die Luft wird aber noch zu etwas anderem benötigt: In der Kohle sind kleine Mengen Grubengas (Methan) enthalten. Das hat sich bei der Entstehung der Kohle entwickelt. Die frische Luft verdünnt das Grubengas, denn in einer bestimmten Konzentration in der Luft könnte das Grubengas explodieren. Deshalb wird in deutschen Steinkohlenbergwerken die Gaskonzentration ständig gemessen. Sind unter Tage die Werte zu hoch, wird der Strom automatisch abgeschaltet. Die Maschinen stehen dann still. Die Zufuhr von frischer Luft wird sofort erhöht, bis die Werte wieder normal sind. Dann kann der Strom wieder angeschaltet werden. Außerdem werden vor dem Abbau der Kohle die Flöze angebohrt und vorhandenes Grubengas abgesaugt. Durch diese Vorbeugung hat es in Deutschland zum Glück schon lange kein großes Grubenunglück mehr gegeben. Vorbereitung zur Gasabsaugung 22 Computer unter Tage An einem Computer kann der Bergmann unter Tage alle wichtigen Daten abrufen. Auch über das Internet kann er mit dem Service eines Maschinenherstellers Kontakt aufnehmen. Früher war man schon froh, wenn das Grubengas keinen Schaden mehr anrichten konnte. Heute ist es sogar nützlich. Es wird gesammelt, nach über Tage geleitet und kann wie das Erdgas - zur Wärme- und Stromerzeugung eingesetzt werden. 1. Teil Aus Kohle wird Wärme, Strom und Stahl Jetzt wird es lauter. Im Streb ist ein Walzenschrämlader in Aktion. Diese 20 Tonnen schwere Maschine fährt an dem Kohlenflöz entlang. Einschienenhängebahn Von der Haltestelle des Zuges gehen die Bergleute zu Fuß weiter - auch das nennt der Bergmann „fahren“! Auf dem Weg zum Kohlenstreb kommt ihnen eine EinschienenHängebahn entgegen. Gleise können auf dem unebenen Boden der Strecken nicht verlegt werden. Deshalb wird eine Schiene an der Streckendecke aufgehängt. Mit der Hängebahn wird vor allem Material bis vor Ort befördert. Es gibt sogar schon automatisch fahrende Hängebahnen. Von der Strecke gelangt man in den Streb. Hier ist es deutlich wärmer und feuchter als am Füllort. Dunkler und enger ist es auch. Dabei brechen zwei sich drehende Walzen die Kohle los. Ferngesteuert von einem Bergmann erledigen sie, was in früheren Zeiten viele Bergleute in Schwerstarbeit schafften. Mit einer Geschwindigkeit von sechs Metern in einer Minute fährt der Walzenschrämlader. Zahlreiche Düsen sprühen Wasser auf die Kohle, damit es nicht so staubt. Hin und her fährt der Schrämlader und löst jedes Mal 80 Zentimeter von der Kohleschicht aus dem Berg. Die Kohle fällt in eine Stahlrinne. An Ketten befestigte Stege schieben sie bis zur Strecke. Dort wird sie dann auf einem Förderband abtransportiert. Walzenschrämlader 23 Die Bergleute, die den Abbau kontrollieren, tragen Staubmasken und Schutzbrillen. Sie stehen im Streb. Dort sind sie durch Stahlplatten vor herabfallendem Gestein geschützt. Diese Schilde stehen dicht nebeneinander. Sie rücken automatisch nach, je weiter sich der Walzenschrämlader vorgearbeitet hat. Schritt für Schritt. Hinter den Schilden, da wo die Kohle bereits abgebaut worden ist, bricht das Gestein von oben nach. Doch die Bergleute stehen sicher unter dem stählernen Dach. Der Walzenschrämlader wird nur eingesetzt, wenn das Kohlenflöz mächtig genug ist. Wenn die Kohleschicht dünner ist, kommt der Kohlehobel zum Einsatz. Der saust mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 90 Meter pro Minute am Flöz entlang und trägt jedes Mal bis zu zehn Zentimeter Kohle ab. Die Kohle und das Gestein werden von Transportbändern bis zum Füllort gebracht, meist über viele Kilometer. Um das Gebirge abzustützen, braucht man einen Schild. Richtig: Es heißt hier der Schild, so wie der Schild des Ritters. Schließlich ist es kein Verkehrsschild. Für den Nicht-Bergmann ist die Bergmannssprache schon schwierig. Und ein Flöz ist nicht dick, sondern mächtig. Es befindet sich auch nicht in 1000 m Tiefe, sondern Teufe. Hier wird gerade ein Schildausbau in einem sehr mächtigen Streb eingerichtet. 24 1. Teil Aus Kohle wird Wärme, Strom und Stahl Kohlehobel Bandanlage Füllort Am Füllort wird das Material unterirdisch in einem Kohlenbunker gesammelt. Aus diesem Bunker wird die Kohle automatisch in große Behälter gefüllt. Die werden Skips genannt. Mit ihnen kommt die Kohle Millionen Jahre nach ihrer Entstehung ans Tageslicht. Füllort Info: Skip Skip ist das englische Wort für ein geschlossenes Fördergefäß aus Stahl, das ungefähr 17 Meter hoch, 3,50 Meter lang und 2 Meter breit ist. Transportband Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 70 km pro Stunde rasen zwei Skips über 30-mal in der Stunde durch den Schacht von der Oberfläche zum Füllort und zurück – vollautomatisch. Kohlenbunker Skip Wenn der eine Skip unten ist, ist der andere oben. So werden bis zu 1000 Tonnen Kohle in der Stunde gefördert. 25 Die Kohle ist über Tage Was die Skips ans Tageslicht befördern, ist nur zur Hälfte reine Steinkohle. Die andere Hälfte ist Gestein. Genauer gesagt Sandstein oder Tonschiefer. Denn zwischen diesen Gesteinen lagert die Kohle in den Flözen. Und wenn der Walzenschrämlader oder der Kohlehobel die Kohle aus dem Flöz löst, wird auch viel von diesem Gestein mitgenommen. Der Bergmann nennt das Berge. Als die Bergleute noch mit Schlägel und Eisen und später mit dem Presslufthammer arbeiteten, war das anders. Da haben sie die dicken Gesteinsbrocken gleich vor Ort aussortiert und unter Tage gelassen. Dafür schaffen die modernen Maschinen heutzutage aber viel mehr in einer Schicht als die Bergleute früher. An einem normalen Arbeitstag werden pro Bergmann heute rund 7000 Kilogramm Kohle gefördert. Vor 50 Jahren waren es noch 1500 Kilogramm. Transportbänder bringen die Kohle vom Kohlenbunker am Förderschacht in eine riesige Kohlenmischhalle. Sie sieht fast aus wie ein Ufo, das auf dem Zechengelände gelandet ist. Hier wird die Kohle aufgeschüttet und gemischt. Das macht man, um eine gleichmäßige Qualität der Kohle zu erreichen. Dann wird sie über ein Band zur Aufbereitungsanlage befördert. Dort trennt eine Siebmaschine die Ladung nach der Größe in verschiedene Gruppen, vom dicken Brocken bis zum feinen Kohlenstaub. Und hier wird tatsächlich gewaschen. 26 Kohlensieberei Kohlenmischhalle 1. Teil Nun glaub mal nicht, dass die Bergleute mit Seife an der Kohle herumschrubben. Aber sauber getrennt wird die Kohle schon, denn das mitgeförderte Gestein wird hier aussortiert. Aus Kohle wird Wärme, Strom und Stahl In der Kohlenwäsche wird nämlich die Kohle vom Gestein getrennt. Das ist ziemlich einfach, weil die Kohle etwas leichter ist als das Gestein. So hilft ein sprudelndes Wasserbad, die Materialien zu trennen. Bei der Auf- und Abbewegung der Teilchen im Wasser werden die leichteren Kohlenstücke etwas weiter nach oben getrieben, die schweren Gesteinsteilchen sinken zu Boden. Die Kohle wird an der Wasseroberfläche abgeschöpft, der Sandstein und der Tonschiefer bleiben am Boden. Jetzt muss die Kohle nur noch getrocknet werden, dann ist sie fertig für den Verkauf. Und was macht man mit dem Sandstein und dem Tonschiefer, fragst du dich jetzt bestimmt. Das Bergematerial, so sagen wir Bergleute dazu, wird nun wirklich zu Bergen. Aufgeschüttet bildet das Gestein aus der Erde nun Berge über Tage. Wie schön die sein können, das erfährst du auf den Seiten 55- 57. 27 Förderung Rohkohle Aufbereitung aufbereitete Haushalt und Industrie Wärme Kraft- und Heizwerke Baustoffe Fernwärme Der Einsatz deutscher Steinkohle 1980 28 Kraftwerke42% Stahlindustrie40% Wärmeerzeugung9% Andere Verwendung 9% 2009 Kraftwerke77% Stahlindustrie20% Wärmeerzeugung3% Strom 1. Teil Aus Kohle wird Wärme, Strom und Stahl Straßen, Dämme Berge Grünanlagen Steinkohle Hüttenwerke Kokereien Vergasungsund Hydrieranlagen Koks Eisen und Stahl Industriegas Dünger Chemische Produkte Heizgas Treibstoff Die Kohle ist ein wichtiger und vielseitiger Rohstoff Die Absatzstruktur der deutschen Steinkohle hat sich in den zurückliegenden Jahren erheblich verändert. Heute wird die meiste Kohle an Kraftwerke verkauft. Aus Kohle kann man aber noch mehr als Strom und Koks machen. Chemische Produkte und Treibstoffe werden heute zumeist nicht aus Kohle, sondern aus Erdöl hergestellt. Wird es teurer, so wird sich der Einsatz der Kohle vielleicht wieder ändern. 29 Strom: Energie, die aus der Kohle kommt Strom gehört für uns zum täglichen Leben. Ganz selbstverständlich. Er ist immer da und wird auch jederzeit gebraucht. Zum Kochen, Heizen, Musik hören... Die Steinkohle sorgt mit dafür, dass immer genügend Strom aus der Steckdose kommt. In Kohlekraftwerken wird die Kohle in Strom umgewandelt. Dazu braucht man, neben der Kohle unter anderem auch Wasser. Kohlekraftwerke sind die größten Kunden der Bergwerke. Von 10 t geförderter Steinkohle werden rund 8 t in Strom umgewandelt. Per Bahn oder Schiff wird die Kohle angeliefert. Am Kraftwerk wird die Kohle zunächst auf den Lagerplatz geschüttet und noch einmal gemischt. Von dort geht es über ein Transportband in die Kohlemühle. Hier wird die Kohle zu feinem Kohlenstaub gemahlen. Mit vorgewärmter Luft wird dieser schwarze Staub dann in die Brennkammern eines riesigen Heizkessels geblasen. Bei einer Temperatur von 1300 °C wird der Kohlenstaub dort verbrannt. Die heißen Gase, die dabei entstehen, erhitzen das Wasser in einem Leitungssystem. Dadurch verdampft das Wasser. Schornstein Wasserdampf Kesselhaus Abgasreinigung Steuerwarte und Verwaltung Kühlturm Kanal-Hafen Transportbänder Kohlenmischlager Strommast Steinkohlenkraftwerk Bergkamen 30 1. Teil Aus Kohle wird Wärme, Strom und Stahl Strom Rauchgas Dampf Turbine Wasser Filter Kohle Schornstein Luft Generator Luft Heizkessel Kondensator Wasser Kühlturm Die Kohle wird zunächst in Wärmeenergie umgewandelt. Das Wasser im Leitungssystem wird zum Sieden gebracht und verdampft. Dieser Dampf treibt eine Turbine an. Die Wärmeenergie wird dabei in Bewegungsenergie umgewandelt. Der Generator erzeugt schließlich elektrische Energie – den Strom. Info: Energieumwandlung Um das Prinzip des Wasserkreislaufs im Kraftwerk zu verstehen, kannst du auch mal Dampf machen – aber nur mit deinem Lehrer oder den Eltern! Dazu brauchst du eine Kochplatte, einen Topf mit Wasser, ein Backblech, einige Eiswürfel und natürlich Handschuhe. Nun erhitzt du das Wasser, bis es heftig kocht. In einem Abstand von etwa 40 Zentimetern hälst du dann das Blech mit den Eiswürfeln über den Topf. Du wirst feststellen, dass der aufsteigende Dampf an der Unterseite des Backblechs kondensiert: Es bilden sich Tropfen, die zurück in den Topf fallen. Genauso funktioniert es im Großen auch im Kondensator. 31 Ein kleines Kraftwerk hat jeder Radfahrer an seinem Fahrrad, den Dynamo. Der besteht aus einem Antriebsrad, einem Magneten und einer Spule. Wenn man bei Dunkelheit nun kräftig in die Pedale tritt, dreht das Antriebsrad vom Dynamo einen Magneten in einer Spule aus Kupferdraht. Mehr ist nicht notwendig, um Strom fließen zu lassen. Die Lampe leuchtet auf, solange du trampelst. Antriebsrad Spule Magnet Stromkabel Bei modernen Fahrrädern ist der Dynamo nicht mehr sichtbar, er ist in der Radnabe eingebaut. Der Dampf in den Rohren ist über 500 °C heiß und steht unter hohem Druck. Damit treibt er eine Turbine an, die sich etwa 3000 Mal in der Minute dreht. Diese Turbine ist mit einem Generator gekoppelt. Dort dreht sich ein Magnet in einer elektrischen Spule und erzeugt auf diese Weise Strom. Nachdem der Dampf in der Turbine ganze Arbeit geleistet hat, muss er im Kondensator abgekühlt werden. Der noch heiße Dampf trifft dort auf ein Rohrsystem, durch das kaltes Wasser vom Kühlturm geleitet wird. Hier ist eine Turbine geöffnet worden, um sie zu prüfen. 32 1. Teil Aus Kohle wird Wärme, Strom und Stahl Der Dampf kondensiert an den Rohren. Aus Wasserdampf wird Wasser, das zurück in den Heizkessel geleitet wird. Dort wird wieder Wasserdampf erzeugt. Der Kreislauf des Wassers ist geschlossen. Ein zweiter Wasserkreislauf geht vom Kühlturm zum Kondensator. Dort nimmt er die Wärme des Wasserdampfes aus dem ersten Wasserkreislauf auf. Rund 30 °C warm ist das Wasser, wenn es dann im Kühlturm in die Höhe gepumpt wird. Von da rieselt es nach unten und kühlt dabei wieder ab. Wasserdampf entweicht aber auch nach oben. Dicke weiße Wolken über den Kühltürmen sind ein typisches Bild. Doch das meiste Wasser wird zurück in den Kühlkreislauf geleitet. Bei der Verbrennung der Kohle entsteht auch Rauchgas. Das wird mit Hilfe modernster Filtertechnik von Staub und Schadstoffen gereinigt. Gipsplattenproduktion Erst dann lässt man es über hohe Schornsteine in die Luft entweichen. In der Filteranlage bleiben Asche und Gips zurück. Diese Rückstände bilden die Grundlage für die Herstellung von Bausteinen und Gipsplatten, die in der Industrie eingesetzt werden. Info: Klimaschutz Kg Steinkohle Die gereinigten Rauchgase bestehen vorwiegend aus Kohlendioxid. Dieses Gas wirkt sich auf das Klima aus. Je weniger Kohle für eine Kilowattstunde Strom benötigt wird, desto umweltschonender ist dies. In den letzten Jahrzehnten konnte dieser Wirkungsgrad deutlich verbessert werden, von früher 30 % auf heute schon 45 % – und bald sollen es 50 % oder gar 60 % werden. 2,5 2,0 1,5 So viel Kohle wurde 1950 benötigt, um 1 Kilowattstunde Strom zu erzeugen. 1,0 0,5 1900 1950 2000 Zukunft 33 Aus Steinkohle wird Koks Vieles, was wir täglich benutzen, wird aus Eisen oder Stahl hergestellt. Nicht nur Autos, Motor- und Fahrräder, auch viele Dinge im Haushalt wie Töpfe und Besteck sind aus Eisen. Reines Eisen kommt in der Natur aber nicht vor. Um es herzustellen, braucht man vor allem Eisenerz, Schrott und Koks. Das Eisenerz wird in Hochöfen geschmolzen und zu Eisen umgewandelt. Und dazu braucht man Koks. Wasserdampf Kein Auto ohne Kohle! Damit ist nicht das Geld gemeint, das wir ja auch gern so nennen, sondern die echte Kohle, von der in diesem Heft die Rede ist. Denn für die Herstellung eines Autos wird viel Eisen benötigt, und zur Produktion von Eisen wird Kohle gebraucht. Steinkohle, die zuvor besonders behandelt worden ist. Sie wird veredelt und heißt dann Koks. Koks wird in einer Kokerei aus Kohle hergestellt. Eine Kokerei ist im Prinzip nichts anderes als eine Reihe von Backöfen für Kohle. Diese Öfen sind beeindruckend groß: Sechs bis sieben Meter hoch, 15 Meter lang und rund einen halben Meter breit ist jeder Ofen. Weil 35 bis 40 solcher Öfen nebeneinander stehen, spricht man von einer Koksofenbatterie. „Weiße Seite” (Schau auf Seite 28/29) Werkstatt Koksofenbatterie Kokskohlenmühlen und -silo Gasbehälter Kohlenmischlager Kokslöschturm 34 „Schwarze Seite“ Kokerei Prosper in Bottrop 1. Teil Kohle Kohlesilo Kohleeinfüllöffnung Gasreinigung Aus Kohle wird Wärme, Strom und Stahl Füllwagen Löschturm Gassammelleitung Koksdrückstange Koks Koksofenbatterie Koksofenkammer Heizung Löschwagen Jeder dieser Öfen fasst etwa 80 Tonnen Kokskohle. So nennt man die Mischung verschiedener Kohlearten, die zusammen die optimale Koksgüte ergeben. Die Öfen werden einer nach dem anderen befüllt, damit sie nie ausgehen. Bei 350 °C wird die Kohle weich. Bei der weiteren Erhitzung zersetzt sich die Kohle und es entweicht Gas. Dieses sammelt sich im oberen Teil des Ofens und wird abgeleitet. Mit einem Teil des Gases werden die Öfen beheizt. Bei 1200 bis 1350 °C wird die Kohle zu Koks umgewandelt. Nun muss die Kohle im Ofen noch garen. Das dauert 20 bis 30 Stunden. Mit der Zeit wird die zum Koks umgewandelte Kohle wieder fest. Danach ist sie um ein Drittel leichter und hat ganz viele Poren. Sie besteht jetzt beinahe aus reinem Kohlenstoff. Nun werden die seitlichen Ofentüren geöffnet und der „Kokskuchen“ herausgedrückt. Befüllung des Löschwagens Es gibt auch eine „weiße Seite“. So nennt man den Bereich einer Kokerei, in der das Koksofengas gereinigt und aufgearbeitet wird. Die vielen Rohrleitungen und Gasbehälter sehen aus wie eine chemische Fabrik und das ist es auch. Aus dem Koksofengas werden viele verschiedene Stoffe gewonnen, die für die chemische Industrie großen Wert haben. Neben dem Gas werden Stoffe gewonnen, die z. B. zu Düngemittel, Farben und vielen chemischen Produkten weiterverarbeitet werden. „Weiße Seite“ der Kokerei Der glühende Koks fällt in einen Löschwagen. Der bringt ihn sofort zum Löschturm, wo der Koks mit Wasser abgelöscht wird. Sonst würde er an der Luft verbrennen. Der Bereich einer Kokerei, wo die Kohle in Koks umgewandelt wird, heißt „schwarze Seite“. 35 Leuchtendes Europa Leg doch mal einen Atlas neben das Satellitenbild. Welche Länder und Regionen kannst du zuordnen? 36 Europa leuchtet bei Nacht. Von einem Satelliten ist das gut zu erkennen. Das zeigt, dass viel Strom gebraucht wird. 1. Teil Aus Kohle wird Wärme, Strom und Stahl Millionen Kilowattstunden 700 594 550 600 500 Wind Erdgas 468 Mineralöl Kernenergie 400 300 Steinkohle 200 Braunkohle 100 0 Stromerzeugung in Deutschland Ein Teil des Stroms wird – das haben wir in den vorherigen Kapiteln erfahren – aus Steinkohle hergestellt. Doch die allein reicht nicht aus. Auch Braunkohle, Erdgas und Erdöl, Kernenergie und erneuerbare Energien wie Wasser, Wind und Sonne werden heute genutzt. Eine bunte Mischung, doch die ist wichtig. Falls die Lieferung aus einer Quelle mal Schwierigkeiten machen sollte, gibt es zum Glück noch die anderen Energiequellen. Auf die Mischung kommt es also an. Dann ist unsere Stromversorgung gesichert. Und die Kohle spielt dabei auch in Zukunft eine wichtige Rolle – die heimische Kohle, wie die aus dem Ausland. In der Vergangenheit ist der Stromverbrauch ständig gestiegen. Das kann man an der Höhe der einzelnen Säulen erkennen. Wasserkraft und Sonstiges 1980 1990 2009 Und noch etwas sieht man: Der Wind spielt erst in der Gegenwart eine Rolle. Die Kernenergie soll nur noch als Übergang genutzt werden bis die erneuerbaren Energien einen Großteil der Stromerzeugung erbringen können. So steht es im Energiekonzept der Bundesregierung. Es wäre gut, wenn ein Teil der dann noch benötigten Kohle aus eigenen Bergwerken kommt. Mit einem Gesetz wurde allerdings beschlossen, die Bergwerke in Deutschland, die auf Geldzuschüsse vom Staat angewiesen sind, bis 2018 zu schließen. Vielleicht sind aber die Kosten oder die Risiken für die Einfuhr von Energie aus anderen Ländern dann noch höher als heute schon. Man kann daher diskutieren, ob es Sinn macht, Bergwerke auch in Deutschland weiter zu betreiben. Die Bergwerke heute sind bereits auf dem neuesten technischen Stand und weltweit die modernsten. 37 2. Teil: Wie das Ruhrgebiet entstand… Aus Bauern werden Bergleute Niemand weiß genau, wann der Steinkohlenbergbau an der Ruhr begonnen hat. Ebenso wenig kennt man den Ort, an dem die Kohle entdeckt wurde. Es gibt eine Sage, die erzählt, dass sich ein Schweinehirte im Muttental bei Witten abends an einem Feuer gewärmt hat. Am nächsten Morgen fand er noch glühende Steine in der Feuerstelle. Das waren Kohlen. E Ein Junge, der hier einst seine Schweine hütete, sah sich nach einer geeigneten Stelle um, wo er Feuer machen könnte. Er bemerkte, dass ein Mutterschwein (eine Mutte) am Fuße eines Baumes ein Loch gewühlt hatte, das ihm als Feuerstelle passend erschien. Er trieb die Sau weg und machte Feuer, das sich merkwürdiger Weise lange hielt. Selbst am Abend, als er seine Schweine eintrieb, war das Feuer noch nicht erloschen und am anderen Tag, als er wieder zu der Stelle kam, fand er zu seiner Verwunderung eine große Glut, die sich nicht durch Holz, sondern durch schwarze Erde hielt. Zu Hause erzählte er seinem Vater, wie er im Walde schwarze Steine gefunden hätte, die eine viel größere Glut gäben, als das bloße Holz. Der Vater untersuchte die Stelle, die nun „Op de Mutte” genannt wurde und begann, die erste Steinkohle zu fördern. 38 Diese Sage vom Muttental bei Witten an der Ruhr erzählt man sich in ähnlicher Form aber auch in anderen alten Bergbaugebieten. ...und sich entwickelte Mit einiger Sicherheit lässt sich sagen, dass bereits um das Jahr 1000 an der Ruhr nach Steinkohle gegraben wurde. Es gibt eine Urkunde aus dem Jahre 1302, die das Recht erteilte, an der Ruhr bei Dortmund Steinkohle zu brechen. Schmiede Info: Herstellung von Holzkohle Die einzelnen Holzstücke werden zu einem kegelförmigen Haufen geschichtet und mit Erde und Rasen abgedeckt. So ein Haufen wird Meiler genannt. Nur durch kleine Öffnungen im Meiler gelangt Luft unter die Abdeckung. Eine Industrie gab es damals noch nicht, aber Handwerker wie Schmiede, Sattler und Tischler. Köhler stellten aus dem Holz der Wälder Holzkohle her, die vor allem die Schmiede benötigten. Auch Eisen wurde zunächst mit Holzkohle aus Erz erschmolzen. Die meisten Menschen arbeiteten aber in der Landwirtschaft. Das Ziel ist es, möglichst nicht das Holz, dafür nur die aus dem erhitzten Holz entweichenden Gase zu verbrennen. An dem aufsteigenden Rauch kann der Köhler sehen, ob die Verkohlung gelungen ist. Dann verschließt er die Luftöffnungen und der Meiler kühlt langsam wieder ab. Die Holzkohle ist fertig. Heute gibt es in manchen Waldgebieten Köhler, die dieses alte Verfahren vorführen. 39 Die Anfänge des Kohleabbaus im Ruhrgebiet lagen im Tal der Ruhr. Der Fluss hat sich hier tief in die Gesteinsschichten eingeschnitten. An den Hängen traten die Steinkohlenflöze an die Erdoberfläche und konnten leicht gefunden werden. Zu jener Zeit ist noch nicht täglich Steinkohle abgebaut worden. Wahrscheinlich haben die Bauern in den Monaten, in denen sie auf den Feldern wenig zu tun hatten, nach Kohlen gegraben. So haben sie sich etwas Geld dazu verdient. Man sprach damals auch noch nicht von Bergbau, sondern von der „Kohlengräberei.“ Bei der Suche nach neuen Flözen waren Info: Schlägel und Eisen Schlägel und Eisen wurden zum Symbol für den Bergbau. Schon im Mittelalter taucht das Zeichen in vielen Stadtwappen auf. Peißenberg Herne 40 Maulwürfe prima „Spürnasen.“ Dort, wo ihre Hügel schwarz waren, gab es im Untergrund Kohle. Das Grundwasser machte den Kohlengräbern die größten Schwierigkeiten. Um die tiefer in der Erde liegende Kohle erreichen zu können, wurden vom Tal Stollen bis zur Kohle gegraben. Die Stollen hatten ein leichtes Gefälle. So konnte das Grundwasser abfließen. Später wurden diese Stollen mit einem Schacht, der von der Höhe aus im Flöz nach unten führte, unterirdisch verbunden (siehe auch S. 46). Schlägel und Eisen waren im frühen Bergbau die wichtigsten Arbeitsgeräte der Bergleute. Der Schlägel ist ein kurzer Hammer, das Eisen ein spitzer Meißel mit Griff. Damit konnten die Männer Kohle und Gestein abbauen. Das kostete viel Kraft, denn allein der Schlägel wog zwischen 1,5 und 2 kg. Damit haben sich die Bergleute an einem Arbeitstag nur wenige Zentimeter in den „Berg“ vorarbeiten können. Auch heute noch sind Schlägel und Eisen in manchen Stadtwappen enthalten, so zum Beispiel in St. Andreasberg/Harz, wo Erz abgebaut wurde, oder in den Bergbaustädten Gelsenkirchen und Herne im Ruhrgebiet, St. Ingbert im Saarrevier oder Peißenberg in Bayern. Auch auf Landkarten findet man das Symbol als Kennzeichnung für ein Bergwerk. Steht das Zeichen auf dem Kopf, zeigt es ein stillgelegtes Bergwerk an. So sieht das Stollenmundloch der ehemaligen Zeche Friedlicher Nachbar heute aus 2. Teil Wie das Ruhrgebiet entstand und sich entwickelte Zuerst gruben die Bauern an den Berghängen und auf den Höhen nach Kohlen. Wenn das Loch voll Wasser lief, begannen sie daneben neu. So entstanden ganze Reihen von Gruben, auch Pingen genannt. Ein anderer Begriff für diese trichterförmigen Gruben war Pütt. Diesen Ausdruck hört man auch heute noch oft im Ruhrgebiet. Die Gruben hießen „Friedlicher Nachbar“, „Fröhliche Morgensonne“, oder nach den Flözen „Dickebank“ und „Finefrau“. Zahlreiche Straßennamen im Ruhrgebiet erinnern daran. Der Bedarf an Brennstoffen hatte mittlerweile stark zugenommen. Mit Holz und Holzkohle ließ sich die Nachfrage einer beginnenden Industrie und wachsenden Bevölkerung nicht mehr befriedigen. Zu viel Wald wurde gerodet. Daher befahl der Staat, Steinkohle anstelle von Holzkohle zu verwenden. Wer dies nicht befolgte, wurde bestraft. Nun regelte der preußische Staat den Kohleabbau und beendete die Zeit der Kohlengräberei. Aus alten Erzabbaugebieten wurden Bergleute angeworben. Ihr technisches Wissen kam nun dem Bergbau im Steinkohlenrevier zugute. 1755 gab es im heutigen Ruhrrevier an die 200 Zechen und rund 650 Bergleute. Es waren also meist sehr kleine Betriebe und etwa die Hälfte lag still. Eine Grube mit 22 Arbeitern war schon ein Großbetrieb. Im 18. Jahrhundert brauchte eine Postkutsche für die Strecke von Dortmund nach Duisburg rund 15 Stunden! Auf der Karte unten kannst du die Entfernung abschätzen. Wer ist schon einmal mit dem Auto so eine Strecke gefahren? Kannst du dich in etwa an die Fahrtdauer erinnern? 0 5 10 km Dortmund Duisburg Essen Bochum 41 Das Ruhrgebiet entsteht Der Transport der Kohle zum Verbraucher war lange Zeit ein großes Problem. Die Wege waren sehr schlecht und nicht befestigt. Man musste erst breite und feste Wege bauen, um die Kohlen mit Pferdewagen transportieren zu können. Trotzdem konnten auf dem Landweg nur geringe Mengen befördert werden. Segelschiffe auf der Ruhr brachten einen großen Fortschritt. Doch weil die Ruhr ein flacher Fluss mit Gefälle ist, mussten erst 16 Schleusen gebaut werden, um den Fluss aufzustauen. Mit bis zu 150 Tonnen Kohlen beladen fuhren die Lastkähne flussabwärts bis nach Duisburg und sogar bis nach Holland. Wenn die Ruhraaken ihre Ladung gelöscht hatten, wurden sie auf der Ruhr an langen Leinen von Pferden wieder flussaufwärts gezogen. Dazu wurden neben dem Flusslauf Leinpfade angelegt. Heute sind das beliebte Wander- und Radfahrstrecken. Die Lastkähne, auch Ruhraaken genannt, hatten deshalb besonders flache Böden. Im Jahr 1780 war dann eine durchgehende Schifffahrt bis zum Rhein möglich. 42 Dieser Nachbau einer Ruhraake ist in Witten, beim LWL-Industriemuseum Zeche Nachtigall, zu sehen. 2. Teil Wie das Ruhrgebiet entstand und sich entwickelte Noch vor 200 Jahren prägten ausgedehnte Wälder, viele Felder und kleine Dörfer das heutige Ruhrgebiet. Dinslaken Holten Gleichzeitig wurde im Ruhrtal die Steinkohle gewonnen und über die Ruhr verschifft. Viele kleine Metall verarbeitende Firmen hatten sich in den Tälern des nahen Sauerlands anDie Stadt Essen, in der heute 571.000 Bür- gesiedelt. Sie nutzten die Nebenflüsse der ger leben, hatte um das Jahr 1800 nur 3.500 Ruhr und betrieben ihre Maschinen mit WasRecklinghausen Einwohner. Die lebten vom Handwerk und Lünen serkraft. Camen Em sch vom Handel. Auf dem so getnannten Hellweg er Werl reisten die Händler von Duisburg über Essen BesiedelungStraßen FlüsseKanäle Unna Sterkrade und Dortmund bis nach Magdeburg. Dortmund Bochum Ruhrort Duisburg Ruh r Essen Steele Witten n Mühlheim Rhei Menden Lünen Camen Werl Herdecke Wetter Hagen Iserlohn e nn Le Hattingen Holten Sterkrade Werden Em sch er Ruh r Dinslaken Rheinberg Kettwig EisenbahnAutobahn Ruhr Hörde Recklinghausen Schwerte Unna Dortmund hein Bochum Ruhrort Meurs Ruh r Duisburg Herdecke Wetter Hagen Iserlohn Rhe in in Rhe Dinslaken Lünen Bottrop Werl Dortmund Herne Unna Gelsenkirchen Hamborn Bochum Oberhausen Mörs Ruh r Hattingen Rhe in Ruhr Witten Mühlheim Kettwig Uerdingen Hörde Steele Essen Ruhr Duisburg Menden Schwerte Herdecke Wetter Iserlohn Hagen Werden Velbert Lünen Recklinghausen Bergkamen Bönen Voerde in Rhe Gladbeck Dinslaken Rheinberg KampLintfort Altenessen Hamborn Ruhrort Homberg Huckingen Uerdingen Rhe in Das Ruhrgebiet heute Saarn Essen Mühlheim a. d. Ruhr CastropRauxel Huckarde Herne Kettwig Wattenscheid Lütgendortmund Bochum Langendreer Velbert Unna Dortmund Holzwickede Wickede Fröndenberg Hombruch Hörde Schwerte Ruhr Witten Menden Herbede Hattingen Werden Werl Derne Steele Ruh r Ruhr Rheinhausen Borbeck Oberhausen Duisburg Kamen Gelsenkirchen Sterkrade Repelen Herten Buer Horst Bottrop Walsum Moers Kamen Em sch er Buer Rheinberg NeukirchenVluyn e nn Le Werden Recklinghausen Um das Jahr 1900 Menden Ruh r Kettwig Uerdingen Schwerte Witten Mühlheim Hattingen Um das Jahr 1840 Ruhr Hörde Essen Steele Sprockhövel Wetter Herdecke Hagen Haspe Iserlohn Letmathe Hohenlimburg Hemer NeheimHüsten Die Dampfmaschine bekommt Räder Mit der Erfindung der Dampfmaschine veränderte sich die Region. Im Jahr 1835 fuhr in Deutschland die erste Dampfeisenbahn. Das Streckennetz wuchs schnell. Immer mehr Dampfloks brauchten immer mehr Kohle. Gleichzeitig wurde auch viel Kohle für die Produktion von Eisen und Stahl gebraucht, um Schienen und Loks zu bauen. Dieser Zeitpunkt wird als Beginn des Industriezeitalters gesehen. Heute sieht man in den Bahnhöfen moderne Intercity-Züge. Die werden mit Strom betrieben. Auch die Güterlokomotiven, die viele Waggons und Container ziehen, sind Elektroloks. Doch es gibt noch echte Dampfloks. Zum Beispiel im Eisenbahn-Museum von Bochum-Dahlhausen. Das wäre doch mal ein schöner Sonntagsausflug mit der Familie. An manchen Sommertagen kann man mit der historischen Ruhrtalbahn sogar ein Stück fahren. Auch in anderen Regionen Deutschlands kannst du solche historischen Dampflokstrecken noch finden. 44 Dampffördermaschine Auch der Kohleabbau selbst profitierte von der neuen Technik. Die Entwässerung der tieferen Schächte erfolgte mit Pumpen, die durch Dampfmaschinen angetrieben wurden. Nun konnte viel mehr Kohle gefördert werden. 2. Teil Wie das Ruhrgebiet entstand und sich entwickelte Kohleabbau 1925 Im Jahr 1848 wurde die Bergisch-Märkische Eisenbahn von Wuppertal-Elberfeld über Witten nach Dortmund in Betrieb genommen. Dadurch konnten sie die Verkaufsmenge steigern. Außerdem waren sie nicht mehr abhängig vom Wind und vom Wasserstand der Ruhr. Viele Zechen ließen nun ihre Kohle mit der Eisenbahn und nicht mehr auf Ruhrschiffen transportieren. Sie bauten Zubringerbahnen zu dieser Strecke und konnten so noch mehr Kohlen in kürzerer Zeit transportieren. Als im Jahr 1862 auch noch die direkte Eisenbahnverbindung zwischen Witten und Duisburg fertig gestellt war, war das Ende der Ruhrschifffahrt gekommen. 1890 wurde die letzte Ruhraake an Land gezogen. Zeche Sälzer-Neuack in Essen 1880 45 Das Ruhrgebiet der Urgroßeltern Die Entwicklung des Steinkohlenbergbaus ging rasant weiter. Im Jahr 1850 arbeiteten in 198 Zechen 12.700 Bergleute. Das sind im Schnitt jeweils 64 Bergleute auf einer Zeche. Um das Jahr 1910 sind es durch Zusammenschlüsse zwar 25 Zechen weniger, doch arbeiten inzwischen auf einer Zeche im Durchschnitt fast 2.500 Mann, das sind insgesamt über 350.000 Bergleute. Bergmann mit Preßlufthammer (um 1950) Kohlengräberei Stollen Ruhr 2 Stollenbau Zeche Ruhr 1.Sohle 1 öz Fl 3 Tiefbau 46 2 .Sohle Vor allem an Berghängen wurden schon kurze Zeit später waagerechte Stollen in den Hang getrieben, um noch mehr Kohle abbauen zu können. (2) Mit senkrechten Schächten drangen die Bergleute auch zu tief gelegenen Flözen vor. Ein weiterer Schacht versorgte die Bergleute unter Tage mit Frischluft. Schacht öz Fl Zuerst wurde die Kohle an der Erdoberfläche ausgegraben. Deshalb sprach man auch von Kohlengräberei. (1) 2 Aber erst mit der Erfindung der Dampfmaschine konnte in der Tiefe gegraben werden. Denn das Grundwasser konnte nur mit ihrer Hilfe abgepumpt werden. (3) Info: Kohlengräberei 1 2. Teil Wie das Ruhrgebiet entstand und sich entwickelte Die Kohleflöze tauchen im Erdinnern nach Norden hin immer tiefer ab. Die Bergleute folgten ihnen. Im Bereich der Lippe, wo heute die Steinkohle abgebaut wird, liegen die Steinkohlenflöze in 1.400 Meter Tiefe. Seitdem man Schächte senkrecht in die Tiefe bauen kann, ist das Fördergebiet der Kohle im Ruhrgebiet um das Vierfache gewachsen. Aber auch überirdisch hat sich in jenen Jahren viel getan. An vielen Orten entstanden Industriebetriebe wie Krupp, Thyssen und Hoesch, die in Hochöfen Eisen herstellten und verarbeiteten. Das ging nur mit Kohle. Essen um 1890 Um eine Tonne Eisenerz zu Eisen zu schmelzen, brauchte man etwa zwei Tonnen Kohle. Deshalb war es praktisch, die Eisenhütten dort zu bauen, wo man die Kohle ohne weite Wege und ohne teure Transportkosten bekommen konnte. Um 1900 entwickelte sich das Ruhrgebiet zu einer der erfolgreichsten Regionen der Eisen- und Stahlproduktion. Das Schienennetz gehört noch heute zu den dichtesten der Welt. Könnt Ihr die Münsterkirche auf allen drei Fotos erkennen? Essen heute 47 Wanderung der Arbeiter ins Revier Viele Menschen kamen ins Ruhrgebiet, um hier zu arbeiten und zu wohnen. So entstanden rings um die Zechenstandorte Siedlungen. In Essen lebten im Jahr 1900 fast 120.000 Menschen. Nur fünf Jahre später waren es schon 230.000 Einwohner. In den Bergwerken und den Industriebetrieben wurden viel mehr Arbeiter gebraucht, als in der Region lebten. Deshalb wurden Arbeitskräfte im Ausland angeworben. Den Anfang machten Polen, die schon vor rund hundert Jahren nach Deutschland kamen, um hier zu arbeiten. In vielen Gemeinden betrug der Anteil der polnischen Mitbürger um das Jahr 1900 fast 30 Prozent. So manches polnische Wort hat die deutsche Sprache in dieser Zeit aufgenommen. Ein Beispiel ist das polnische Wort „Mlotek“ für Hammer, der im Ruhrgebiet auch heute noch „Mottek“ genannt wird. 48 2. Teil Wie das Ruhrgebiet entstand und sich entwickelte Über die Familiennamen kann man häufig die Herkunft der Familien ableiten. Ein halbes Jahrhundert später kamen viele Gastarbeiter, etwa aus Italien, Spanien, Portugal, Jugoslawien, der Türkei und Griechenland, weil sie in ihrer Heimat keine Arbeit fanden. Bei uns wurden sie gebraucht. Sie brachten nicht nur ihre Arbeitskraft, sondern auch typische Speisen mit. Allen voran die Italiener. In dieser Zeit wurden im Ruhrgebiet viele Eisdielen und Pizzerien eröffnet. Pizza und Spaghetti gehören heute bei vielen zu den Lieblingsgerichten. Beim Schnellimbiss ist der Döner heute sehr gefragt. Dieses Fleischgericht ist mit der letzten großen Zuwanderung von Arbeitern und ihren Familien aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Es ist die erste große Bevölkerungsgruppe, die einer anderen Religion angehört. Heute erleben wir, wie Muslime in unserer Nachbarschaft den Ramadan und ihr Zuckerfest feiern, in die Moschee gehen und beten. Weil in vielen Familien nicht deutsch gesprochen wird, haben vor allem manche Kinder anfangs Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache. Bei den Eltern war das am Arbeitsplatz nicht anders. Das Zusammenleben war und ist nicht immer einfach, wenn Menschen mit verschiedenen Gewohnheiten, Sitten und Gebräuchen aufeinander stoßen. Im Bergbau hat dies aber recht gut funktioniert: Der Kollege war ein „Kumpel”, jemand auf den Verlass ist. Denn das musste sein: unter Tage muss man sich auf „seinen Kumpel” verlassen können. Die Zuwanderungen zeigen, dass das Ruhrgebiet ein Schmelztiegel vieler Nationalitäten geworden ist. Sie haben mehr mitgebracht als Pizza und Döner. Die Kultur ist vielfältiger geworden. Ansicht des Dortmunder Hauptbahnhofs auf einer Ansichtskarte. 49 Traditionen entwickeln sich Als vor rund 150 Jahren die ersten Zechen im heutigen Ruhrgebiet gebaut wurden, war die Region noch überwiegend von der Landwirtschaft geprägt. Das änderte sich rasch, weil die Zechen viele Arbeitskräfte brauchten. 50 Ganz in der Nähe siedelten sich fast immer kleine Geschäfte und Kneipen an. Auch ein Sportplatz fehlte nicht. Um 1850 lebten hier rund 375.000 Menschen, 1925 waren es fast 3,8 Millionen. Sie alle brauchten Wohnraum. Und so entstanden meist direkt neben den Zechen Bergarbeitersiedlungen. So hatten die Bewohner alles nah beieinander: Arbeiten, Wohnen und Freizeit. Auch Krankenhäuser entstanden in dieser Zeit. Das Bochumer Knappschaftskrankenhaus gibt es heute noch. Es gilt als modernes fortschrittliches Krankenhaus, das mit der Universität Bochum zusammenarbeitet und forscht. Für den Bau von Kirchen und Schulen gaben die Zechengesellschaften Geld dazu. Wichtig war für die Bergleute auch ein eigener Garten, der hinter jedem Häuschen zu finden war. Heute sind die Häuser der ehemaligen Zechensiedlungen meistens modernisiert und sehr begehrt. Die Namen zahlreicher Spieler aus früherer Zeit verraten, dass z. B. viele polnische Zuwanderer den Fußball im Ruhrgebiet berühmt gemacht haben. 2. Teil Wie das Ruhrgebiet entstand und sich entwickelte Der Anbau von Gemüse, Kartoffeln und Obst war ein notwendiges Zubrot für die Familien. Außerdem hielten die Bergarbeiterfamilien oft Tiere, um ihren Speiseplan zu ergänzen. Neben Hühnern, Kaninchen und Schweinen gab es besonders viele Ziegen. Im Volksmund wurden sie auch „Bergmannskühe“ genannt, weil die Familien die Ziegenmilch getrunken haben. Wenn der Vater unter Tage arbeitete oder die Kinder in der Schule waren, schliefen die Untermieter in ihren Betten. Es wurde also nicht nur in Schichten gearbeitet, sondern auch geschlafen. Trotzdem reichte dies alles kaum aus, eine Familie zu ernähren. Durch die Vermietung von Zimmern oder Schlafplätzen wurde die Haushaltskasse aufgebessert. Im Sport fanden viele junge Männer einen Ausgleich zur harten Arbeit unter Tage. Viele bekannte Fußballvereine im Ruhrgebiet wie Schalke 04, BVB 09 (Borussia Dortmund), Rot-Weiss Essen, Hamborn 07 oder der Meidericher SV (heute MSV Duisburg) sind zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden. Im Stadion des VfL Bochum grüßt der Stadionsprecher die Fußballfans heute noch mit dem Bergmannsgruß „Glück auf!“. Diese „Schlafgänger“ machten um das Jahr 1890 in Gelsenkirchen fast ein Viertel der Bevölkerung aus. In Duisburg-Hamborn lebten in einem Bergmannshaushalt oft vier bis fünf Personen, die nicht zur Familie gehörten. Andere alleinstehende Bergleute lebten in Ledigenheimen, wo sie auch ihre Mahlzeiten bekamen. 51 Die heilige Barbara ist die Schutzpatronin der Bergleute. Sie gilt als die Retterin aus Not und Bedrängnis und steht für die Sehnsucht des Bergmanns nach Licht. Der Begriff „Knappe“ kommt dir sicher komisch vor. So wurden früher die Bergleute genannt, wenn sie ihre Ausbildung abgeschlossen hatten. Bei Handwerkern sagt man „Geselle“. Um Steiger und damit „Chef“ zu werden, mussten die Bergleute noch eine weitere Ausbildung machen. Info: Heilige Barbara Noch heute wird der alte Brauch gepflegt, am 4. Dezember, dem Namenstag der heiligen Barbara, einen Kirschzweig in die Vase zu stellen. Nach 21 Tagen, also genau zu Weihnachten, blühen diese Zweige. Die Blüten sind ein Symbol für das Licht. Sie erinnern die Menschen auch daran, dass der Frühling nicht mehr fern ist. Diese Legende wird in vielen Variationen erzählt, hier ist eine davon: Barbara wurde von ihrem Vater in einem Turm gefangen gehalten. So wollte er seine Tochter vom Christentum abbringen. Dennoch ließ sie sich heimlich taufen. Vor der Wut des Vaters flüchtete sie zu den Bergleuten in den dunklen Stollen. Schließlich konnte sie die Finsternis nicht mehr ertragen. Obwohl sie wusste, dass der Vater sie draußen ergreifen würde, verließ sie den Stollen. Der Vater selbst hat sie enthauptet. Nach dieser schrecklichen Tat bekam der Vater umgehend seine gerechte Strafe: Er wurde vom Blitz erschlagen. Die Bergleute ziehen zu besonderen Anlässen ihren Kittel an, das ist eine schwarze Uniform. Eindrucksvoll ist es, wenn sie auf einer Bergparade zusammen mit vielen anderen Bergleuten durch die Straßen ziehen. Vorneweg wird die Fahne des Knappenvereins getragen. An diesem Tage darf auch das Steigerlied „Glück auf“ nicht fehlen. 52 2. Teil Wie das Ruhrgebiet entstand und sich entwickelte Steigerlied Glück auf! Glück auf! hat sein hel - les Licht bei der Nacht Der Stei - ger und er kommt hat sein hel Licht bei der Nacht schon an - ge - zündt, und er - les schon an - ge - zündt, Hat`s angezündt! ´S wirft seinen Schein, {: und damit so fahren wir bei der Nacht: } {: ins Bergwerk ein. :} Ins Bergwerk ein, wo die Bergleut sein, {: die da graben das Silber und das Gold bei der Nacht, :} {: aus Felsgestein. :} Der eine gräbt das Silb´r, der andere das Gold, {: doch dem schwarzbraunen Mägdelein bei der Nacht, :} {: dem sein sie hold. :} Ade, ade! Herzliebste mein! {: Und da drunter im tiefen, finsteren Schacht bei der Nacht, :} {: da denk ich dein. :} Knappenchor Und kehr´ich heim zur Liebsten mein {: dann erschallet des Bergmanns Gruß bei der Nacht :} {: Glück auf! Glück auf! :} Die Bergleute sein kreuzbrave Leut´´ {: denn sie tragen das Leder vor dem Arsch bei der Nacht, :} {: und saufen Schnaps. :} Alle Bergleute waren in einer Knappschaft organisiert. Die Mitgliedschaft war Pflicht, auch die Zahlung eines „Groschen“ für die Sozialkasse. Die Knappschaft war die erste Sozialversicherung: Krankenversicherung und Rentenversicherung. Auch junge Bergleute singen im Knappenchor Aus der „Gnadengroschenkasse“ bezahlten die Knappschaften kranken Bergleuten den Lohn und gaben Beihilfen zum Begräbnis. Witwen und Waisen erhielten eine kleine Pension, die Bergleute bekamen von der Knappschaft nach dem Berufsleben eine Rente. 53 3. Teil: Unterwegs im Revier Auf Spurensuche Betrachtet man eine neue Karte vom Ruhrgebiet (siehe Seite 43), dann ist zu sehen, dass die Städte im Revier noch größer geworden sind. Sie sind nahezu zusammengewachsen. Autobahnen, Bundesstraßen, Eisenbahnschienen und Kanäle durchziehen das Revier. Der Kohleabbau ist noch weiter nach Norden gewandert. Dort sind die Bergwerke, wo heute die Kohle gefördert wird. Die Landschaft an der Ruhr, wo der Kohlenabbau einst begonnen hatte, ist dagegen wieder grün geworden. In vielen Regionen Deutschlands gab es oder gibt es heute noch Bergbau. Hör dich doch einmal um. Wohnst du auch in einer Bergbauregion? Dann findest du auch in deiner Stadt bestimmt einige Straßennamen, die an den Bergbau erinnern. 54 Hier wird Kohle abgebaut: Schacht Prosper 10 im Norden von Bottrop Hier erholen sich viele der rund 5 Millionen Bürger des Ruhrgebiets an Flüssen und Stauseen. Freizeitvergnügen bieten sogar ehemalige Zechenstandorte. Manch ein historisches Gebäude wurde zu einem Museum oder einer Freizeitstätte. Schaut man genau hin, findet man aber überall Spuren des Bergbaus, z. B. in Straßenund Ortsnamen. Die Halde Hohewart in Herten wird noch aufgeschüttet Schieflage Senkung Pressung Zerrung Ursprüngliche Tagesoberfläche Sand Deckgebirge Steinkohlengebirge Kohleflöz Kohleflöz Abgebautes Flöz Schema einer Bergsenkung Kohleabbau verändert die Landschaft Der Kohleabbau unter Tage hat auch die Landschaft über Tage verändert. Nicht nur die Zechengebäude, Fördertürme und Kokereien prägen das Gesicht der Region. Auch die Erdoberfläche selbst ist anders als noch vor hundert Jahren. Einerseits sackte die Landschaft an manchen Stellen ab, weil unter der Erdoberfläche durch den Abbau der Kohle riesige Hohlräume entstanden sind. Durch diese Bergsenkungen haben sich manchmal sogar Seen gebildet. Andererseits wurde das Bergematerial, das mit der Kohle nach oben befördert worden ist, aufgehäuft. So entstanden richtige Berge, Halden genannt, die bis über 100 Meter hoch sein können. Für viele Menschen ist die Bergehalde ein Ort der Erholung: Wandern, Spielen und ein Picknick machen in schöner Natur. Und kaum einer weiß, warum sich in der eigentlich recht „platten“ Landschaft des Ruhrgebiets ein Berg erhebt. Sie sind heute beliebte Ausflugsziele oder bieten zahlreichen Pflanzen und Tieren einen geschützten Lebensraum. Hast du in deiner Nähe eine Bergehalde? Schau dich doch mal dort um. Wo Fuchs und Kaninchen ihren Bau haben, findet man Spuren von dem Material, aus dem die Halde aufgebaut ist. 55 Vor rund 40 Jahren gab es im Revier ungefähr 170 Spitzkegelhalden. Die schwarzen Berge waren ziemlich hässlich. Heute sind sie verschwunden. Das Material wurde wieder abgetragen, im Erd- und Straßenbau verbaut oder zu den neuen Landschaftsbauwerken umgeformt. Und die können sich wirklich sehen lassen. Spitzkegelhalde Früher hatten die Zechen das mit geförderte Gestein einfach über Förderbänder aufgeschüttet. Das Ergebnis waren schwarze spitze Berge. Tafelberg Landschaftsbauwerk Später wurde das Bergematerial mit Lastwagen in Schichten aufgeschüttet und verdichtet. So entstanden gestufte Halden, die man Tafelberge nennt. Heute werden die neuen Halden als Landschaftsbauwerke geplant und gestaltet. Sie sehen natürlich aus und sind vor allem schön bewachsen. Nicht nur zahlreiche Pflanzenarten, auch viele Tiere haben sich hier angesiedelt. Pflanzen und Tiere, die Jahrzehnte lang kaum mehr Platz hatten im Ruhrgebiet. Jetzt sind sie zurückgekehrt. Gestaltete Landschaft einer Halde 56 3. Teil Unterwegs im Revier Alpincenter Bottrop Wer heiß auf Eis ist, findet in Bottrop gleich nebenan eine Bergehalde: Die wurde genutzt, um eine überdachte Skipiste zu bauen. Hier kann man auch im Sommer Ski laufen. Tetraeder in Bottrop So sind diese Landschaftsbauwerke eine Bereicherung für die Region. Ein unverwechselbares Gesicht verliehen ihnen außerdem Künstler. Auf der Bottroper Halde steht zum Beispiel ein Tetraeder. Das ist eine große Pyramide aus Stahl, die man begehen kann. Mutige trauen sich bis oben hinauf, obwohl die Treppenstufen schwanken und man nach unten hindurch sehen kann. 57 Museen und Besucherbergwerke Grubenfahrten in aktiven Bergwerken sind leider nicht möglich. Als Gruppe kann man aber das in einer Halde eingerichtete Trainingsbergwerk der RAG Deutsche Steinkohle besuchen (bitte vorher anmelden): Trainingsbergwerk RAG Deutsche Steinkohle Wanner Straße 30 45661 Recklinghausen Telefon: 0 23 61/30 82 23 E-Mail: uwe.reichelt@rag.de In Deutschland gibt es viele Museen, die über den Bergbau berichten. In einigen kann man sogar in ein Schaubergwerk gehen. Die beiden größten sind: Deutsches Bergbau-Museum Am Bergbaumuseum 28 44791 Bochum Telefon: 02 34/58 77-0 www.bergbaumuseum.de Eine Auswahl von Bergbau-Museen, in denen der Steinkohlenbergbau gezeigt wird, und ein Lehrpfad sind hier aufgeführt: Bergbau Rundweg Muttental (NRW), südlich von Bochum Information: Stadtmarketing Witten GmbH Ruhrstraße 43 58452 Witten Telefon: 0 23 02/1 22 33 Hüttenstollen Osterwald (Niedersachsen), Tourist-Information Hauptstraße 2 31020 Salzhemmendorf Telefon: 0 51 53/8 08 80 www.bergwerk-osterwald.de www.stadtmarketing-witten.de Bergbaumuseum Grube Anna II (NRW), Herzogenratherstr. 101 52477 Alsdorf Telefon: 0 24 04/5 58 78-0 www.bergbaumuseum-grube-anna2.de Saarländisches Bergbaumuseum (Saarland), Niederbexbacher Straße 66450 Bexbach (Saar) Telefon: 068 26/48 87 Bergbaumuseum Peißenberg (Bayern), Am Tiefstollen 2 82380 Peißenberg Telefon: 0 88 03/51 02 www.museen-in-bayern.de Besucherbergwerk Rabensteiner Stollen (Thüringen), Netzkater 8 99768 Ilfeld Telefon: 03 63 31/4 81 53 www.rabensteiner-stollen.de www.saarl-bergbaumuseum-bexbach.de Deutsches Museum (Bergbau-Abteilung) Museumsinsel 1 80538 München Telefon: 0 89/2 17 91 www.deutsches-museum.de Bergbaumuseum Oelsnitz/ Erzgebirge (Sachsen), Pflockenstraße 09376 Oelsnitz/Erzgebirge Telefon: 03 72 98/1 26 12 www.bergbaumuseum-oelsnitz.de Über das Ruhrrevier erfährt man sehr viel im neuen Ruhr Museum: Ruhr Museum Zollverein, Schacht XII, A 14 Kohlenwäsche Gelsenkirchener Straße 181 45309 Essen Telefon: 02 01/8 84 52 00 www.ruhrmuseum.de 58 Über weitere Museen und Lehrpfade informiert die Broschüre Vor Ort des Herausgebers. Adresse siehe rechte Seite. 3. Teil Unterwegs im Revier Begriffe aus dem Bergbau Anker In einem Bohrloch verklebte Stahlstange. Sie wirkt wie eine Schraube in einem Dübel. Damit können Gesteinsplatten zusammen gehalten und Strecken gesichert werden. Ausfahren Das Grubengebäude unter Tage verlassen. Berge Gesteinsstücke, die beim Abbau mitgewonnen werden. Deckgebirge ist die jüngste Ablagerungsschicht, die bis an die Oberfläche reicht und keine Kohlevorkommen enthält. Einfahren Sich in das Grubengebäude begeben. Fahren Sich Fortbewegen unter Tage – auch zu Fuß. Flöz Eine in das Gestein eingebettete Kohleschicht. Förderkorb Mehrstöckiger Fahrstuhl in den Schächten des Bergwerks. (Früher: ein Korb). Füllort Geräumiges Gewölbe am Schacht auf jeder der Untertageetagen (Sohlen). Dort werden die Förderkörbe „gefüllt”. Gebirge Bergleute bezeichnen mit diesem Ausdruck nicht nur Erhebungen wie die Alpen, sondern auch den vom Bergbau erfassten Teil der Erde unter Tage. Glück auf Gruß der Bergleute. Im Erzbergbau wünschte man sich damit gegenseitig Glück beim Auffinden einer Lagerstätte. Halde Die Anschüttung der bei der Kohlegewinnung anfallenden „Berge” (=Gestein). Auch Kohlen- und Kokslager. Hängebank Oberes Ende des Schachtes, wo Material be- und entladen wird und Personen die Förderkörbe besteigen oder aussteigen. Hauer Fachkraft unter Tage. Hobel Gerät, das am Flöz entlanggezogen wird und mit Meißeln Kohle aus dem Flöz wie ein Hobel herausschält. Kaue Umkleideraum der Bergleute. Lampenstube Raum, in dem Grubenlampen gewartet und aufbewahrt werden. Mächtigkeit Dicke eines Flözes. Kettenförderer Stahlrinne, in der Ketten Metallstege ziehen. Auf den Förderer fällt die herausgelöste Kohle und wird von den Stegen aus dem Streb geschoben. Revier Ein Bereich des Grubengebäudes unter Tage. Über Tage wird auch die Gegend, in der Bergbau betrieben wird, als Revier bezeichnet. Schacht Die senkrechte Röhre im Gestein, in dem der Förderkorb auf- und abbewegt wird. Schicht Arbeitszeit des Bergmanns. Schild Stütz- und Schutzgerät auf Gleitkufen, dessen oberer Teil schildartig geschlossen ist. Er wird von hydraulischen Stempeln gegen die Decke des Strebs gepresst, wo die Kohle abgebaut wird. Steinkohlengebirge Alle übereinander folgenden Schichten, in denen Steinkohleflöze auftreten. Seilfahrt Personenbeförderung in einem Schacht. Steiger Ingenieur, der als Aufsichtsperson unter Tage arbeitet. Stollen Tunnel, der von der Tagesoberfläche aus waagerecht in den Berg vorgetrieben wird. Stollenmundloch Eingang eines Stollens. Streb Unterirdischer Gang, in dem Kohle abgebaut wird. Strecke Unterirdischer Tunnel, in dem keine Kohle abgebaut wird. Strecken führen zum Beispiel zum Abbau (Streb). Sie sind die (meistens) waagerechten Gänge im Grubengebäude. Walzenschrämlader Maschine mit zwei rotierenden, mit Meißeln zum Schneiden bestückten Walzen, die sich auf einer Schiene im Streb bewegt und Kohle aus dem Flöz herausschneidet. Wetter Luft unter Tage. Frische Wetter = Frischluft. Zeche Schachtanlage, Grube, Bergwerk. Die vorliegende Broschüre ist insbesondere für Schüler des 4. bis 6. Schuljahres konzipiert. Herausgeber: Gesamtverband Steinkohle e. V., Postfach 101829, 44608 Herne Kommunikation, Shamrockring 1, 44623 Herne, Tel.: 0 23 23/15-43 20 E-Mail: kommunikation@gvst.de, Internet: www.gvst.de Für Unterstützung und Bereitstellung von Fotos bedanken wir uns bei: Bund Deutscher Bergmanns,- Hütten- und Knappenvereine, Deutsches Bergbau Museum, Debriv, Evonik Steag GmbH, LWL Freilichtmuseum Hagen, LWL Industriemuseum, Stadtarchiv Essen, Stadtbildstelle Essen, RAG Aktiengesellschaft, Ruhr Museum. Weitere Fotos: GVSt, Nasa, Riedel Autor und didaktische Beratung: Dr. Herbert Lüftner Redaktion: Dr. Detlef Riedel, Andreas-Peter Sitte Gestaltung und Druckvorstufe: Witzgall-Design GmbH, Bochum Grafiken: Buergle, Witzgall-Design (Benno-Illustrationen von Dieter Müller) Druck: B.o.s.s Druck, Goch 3. Auflage 2010 59 Bergehalde Fördergerüst Nebenschacht Kraftwerk Kühlturm Kohlenlager Kesselhaus 0 Meter Aufbereitung Hauptschachtanlage Das Blockbild zeigt vereinfacht, wie in einem modernen Bergwerk die Lagerstätte der Steinkohle erschlossen wird und wo der Bergmann im Streb die Kohle abbaut. Um die unterirdischen Anlagen im Bild darstellen zu können, musste der Zeichner einen Teil des Gebirges weglassen. Wie das Bild zeigt, führen die Schächte von der Tagesoberfläche senkrecht durch das Deckgebirge in das Steinkohlengebirge. Vom Schacht aus führen tunnelartige Strecken ins Grubenfeld zu den oft weit entfernten Abbau-Revieren. Dort im Streb wird die Kohle – hier mit einem Walzenschrämlader – gewonnen. Jedes Bergwerk verfügt über mehrere Schächte. Sie sind über ein weit verzweigtes, kilometerlanges Streckennetz miteinander verbunden. In den Strecken fahren Züge, die Kohle und Gestein zum Schacht und Material und die Bergleute vor Ort bringen. Die unterirdische Ausdehnung des Bergwerks ist mit der einer Stadt vergleichbar. Deckgebirge Schacht 500 Meter Strecke Steinkohlengebirge Füllort Streb Walzenschrämlader Flöz Bandförderung Einschienenhängebahn 1000 Meter Streckenvortrieb 2