Bulletin 2014 - Hellasfreunde Bern
Transcription
Bulletin 2014 - Hellasfreunde Bern
Hellasfreunde Bern Kulturelle Vereinigung der Hellasfreunde, 3000 Bern Bulletin 2014 - 2 / September 2014 1 Titelbild:Bootswerft in Ag. Isidoros (Samos) Vereinsadresse: Kulturelle Vereinigung der Hellasfreunde 3000 Bern Kontakt: Internet: www.hellasfreunde.ch Mail: hellasfreunde.bern@bluewin.ch Tel. Fred Wyss: +41 (0) 031 931 02 13 2 Das Bulletin wird auch auf unserer Website als PDF aufgeschaltet, sogar in Farbe allerdings mit ca. 2 Monaten Verzögerung: Mitglieder sollen Vorrang haben! Zum Inhalt Fred Wyss 22. 02. 2013 Inhaltsverzeichnis Zum Inhalt Redaktion 3 Die Insel wo die Menschen vergessen zu sterben Michael Hugentobler in „DAS MAGAZIN“ 4 Heizöl für die Schulen (auf Ikaria) Ursula Kastanias, www.ikaria.ch 9 Oskar und die Abschlussklasse Oskar Senn, Münchenstein, www.ikaria.ch 10 Glück und Unglück - die nächste griechische Katastrophe Marianna Moser, www.lesvosreisen.ch 12 Sparta reloaded Nera Ide auf www.chronologs.de 13 Der „Bevölkerungsaustausch“ von 1922/23 Zentrum gegen Vertreibungen, Wiesbaden 16 Die Megali Idea und ein Dorf wie Livisi Theo Schlag, http://theo48.wordpress.com 18 Keine Frauen auf dem heiligen Berg Athos Gerd Höhler in der Griechenlandzeitung 24 Sougia – ein Dorf auf Kreta Klaus Bötig, www.klaus-boetig.de 25 Langsamer Abschied von der Zykladeninsel Kurt Schneider, Hellasfreunde 26 50 Jahre «Schweizerische archäologische Ausgrabungen in Griechenland» Newsletter des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation SBFI 29 Auf der Suche nach dem Heiligtum der Artemis Amarysia Interview mit Prof. Karl Reber (ESAG) Die Ausstellung „ Das Antikythera-Wrack” ist ... www.graktuell.gr 33 Neuer Tauchgang bei Antikythera Griechenland Zeitung 34 Nichts ist griechischer als der Retsína Marianthi Milona im Griechenland Journal 35 Die genussreichen Seiten Griechenlands Rita Antenen im Landbote, 21.5.2014 38 Halloumi (Χαλλούμι) Fred Wyss aus Wikipedia und anderen Q. 38 Okra-Schoten - einfach eine Delikatesse Wilfried Jakisch, www.argolis.de 39 Φιλόγελως: ich lache gern Christine Müller-Tragin, Hellasfreunde 40 Eine Begegnung der anderen Art Fred Wyss, Hellasfreunde 41 Kurzmeldungen aus der Presse Griechenland Zeitung und andere 42 Interessante Veranstaltungen Redaktion 44 31 Zum Inhalt Abgestimmt auf die Vorträge vom 12. November (Ikaria) und vom 3. Dezember (Bevölkerungsaustausch) bringen wir zu diesen zwei Themen gleich mehrere Artikel. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Archäologie. Dazwischen finden sie einen bunten Strauss von anderen Themen, ernstere und weniger ernste, zum Teil geschrieben von Mitgliedern. Am Schluss erfahren wir einiges über den griechischen Wein und über andere kulinarische Köstlichkeiten. „Aufgefüllt“ wird das Bulletin mit interessanten Pressemeldungen, hauptsächlich aus der Griechenlandzeitung. Ein ganz herzliches Dankeschön an alle Autoren! Zum Veranstaltungsprogramm Wie bereits letztes Jahr, stehen zu Beginn der Saison noch nicht alle Themen fest – zum Teil sind wir noch am Verhandeln. Die Veranstaltungen welche noch im 2014 stattfinden werden, finden Sie bereits im Veranstaltungskalender auf der letzen Seite dieses Bulletins. Das provisorische Programm für die ganze Saison 2014/2015 erhalten Sie als separaten Flyer. 3 Die Insel wo die Menschen vergessen zu sterben Auf Ikaria leben die Menschen länger als anderswo in Europa. Woran liegt das? Michael Hugentobler „DAS MAGAZIN“, 18.7.2014 Am östlichen Rand Europas liegt eine Insel, auf der die Menschen sehr alt werden. Ich fahre dorthin, weil ich sehen will, was für ein Leben die Menschen führen. Auf dem Schiff sitzt ein alter Mann an einem Kaffeetisch, ein Heft mit Kreuzworträtseln vor sich. Er trägt eine Sonnenbrille, einen abgewetzten schwarzen Kittel und eine staubige Mütze. Manchmal döst er, und manchmal schreibt er Buchstaben in die Quadrate, und einmal pro Stunde steht er auf, um auf dem offenen Deck eine Zigarette zu rauchen. Als wir auf der Insel angekommen sind, geht er die Mole entlang, setzt sich in einen weissen Fiat und fährt davon. Ich schätze ihn auf etwa achtzig Jahre. Evdilos, der Hafen von Ikaria - eine Reihe von weissen Häusern, die in einem Halbkreis um türkisfarbenes Wasser herumstehen. Im Wasser schaukeln drei Fischerboote auf und ab. Es ist vier Uhr am Nachrnittag. Ein Erpel schnattert. Magere Katzen gehen lautlos vorbei. In einem Café sitzen junge Männer im Schatten, lassen Würfel in einen hölzernen Kasten hüpfen und trinken Bier. Das Klacken der Würfel liegt über allem. Die Kellnerin zeigt auf meine Uhr und sagt, ich sei wohl nicht von hier - hier trage niemand eine Uhr. «Mein Grossvater hörte mit 84 Jahren auf zu rauchen, weil ihm der Doktor sagte, es sei schlecht für ihn. Jetzt ist er 92.» «Ich war seit zwei Jahren nicht mehr dort, aber ich habe das hier», sagt er und wühlt in seinem Hüftbeutel. Er zieht ein gelbes Feuerzeug hervor, auf dem die Umrisse der Insel zu sehen sind. Das Alter der achttausend Bewohner von Ikaria wurde in den letzten Jahren in Studien untersucht. Die Menschen werden zehn Jahre älter als der Rest der Europäer. Es gibt viele, die über neunzig und hundert werden. Sie haben weniger Krebs, weniger Herzinfarkte, weniger Depressionen und weniger Demenz. Aber Sex bis ins hohe Alter. Die Universität Athen kam zum Schluss, es habe mit dem Kaffee zu tun. Andere Studien sehen den Grund im Wein, im Tee, in der guten Luft. Ein amerikanisches Team von «National Geographic» untersuchte fünf Gegenden auf der Welt, wo die Menschen besonders alt werden. Einen Tag zuvor habe ich in Athen eine junge Frau aus Ikaria getroffen. Drei Zitate von ihr: «Auf Ikaria existiert keine Zeit.» «Man kann dort gar nicht aufhören zu leben.» «Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an meine Insel denke.» Drei Zitate eines Taxifahrers in Athen: «Meine Grossmutter starb mit I02 Jahren auf der Insel, meine Urgrossmutter mit 107.» 4 Das sieht der 96-jährige Evangelos Fradelos genauso. Für die 92-jährige Eftichia Plakas aus Ikaria gibt es täglich was zu Lachen. gegessen werden. Sie analysierten Cholesterol, Vitamine und Kalzium. Als sie eine 100Jährige fragten, warum die Leute hier so alt würden, zuckte die Frau nur mit den Schultern und sagte, ach, hier vergesse man halt zu sterben. Eines Abends treffe ich den 94-jährigen Nikolas Fountoulis und seine 89-jährige Ehefrau Kalliopi. Sie sitzen unter einem Maulbeerbaum vor ihrem Haus. Das Haus steht am Ende einer steilen Strasse, von der eine schiefe Treppe zu einer Veranda führt. Das Erste, was auffällt, ist der Geruch. Es riecht nach Gardenien, sie wachsen in Kübeln vor dem Haus. Hin und wieder kräht ein Hahn. Zwischen den Blättern der Bäume hindurch ist weit unten das Meer zu sehen, jenseits der Berge und Hügel. Nicht Arbeits- oder Freizeit - nur Lebenszeit Nikolas Fountoulis hat einen starken Händedruck und eine tiefe Stimme. Er sitzt in einem weissen Plastikstuhl, und wenn er aufsteht, hinkt er. Vor zehn Jahren hat er ein Bein gebrochen. Seither könne er nur noch die Ziegen melken, die Gewürze schneiden, die Aspasia Plstaka ist sogar schon 98 Jahre alt und immer noch gut gelaunt. Die Amerikaner verbrachten Monate auf Ikaria, sie kontrollierten Geburtsurkunden und berechneten die Anzahl Gramm an Früchten, Gemüse, Fleisch und Fisch, die pro Person 5 Trauben pflücken und einen Kilometer zu Fuss den Berg hochgehen zu seinem Maisfeld. «Wir tun die Dinge mit der Sonne, nicht mit der Uhr», sagt Nikolas. Auf Ikaria ist es üblich, dass man sein Schiff nach Athen verpasst oder dass man sich mit jemandem verabredet und erst ein paar Stunden später auftaucht. Stress kommt kaum auf: Wir trinken Kaffee aus kleinen weissen Tassen, in denen sich der Kaffeesatz am Boden sammelt. Während dem Gespräch sagt die Ehefrau kaum etwas, und ich kann nicht herausfinden, warum. Es mag sein, dass sie einfach keine Lust hat. Oder es mag mit alten Regeln auf der Insel zu tun haben: Man sollte niemandem sein Alter nennen, denn das bringt Unglück. Auch das Bewahren von Geheimnissen hat eine lange Tradition. Im siebzehnten Jahrhundert war die Insel ein beliebtes Versteck für Piraten, und die Inselbewohner zogen sich so weit in die Berge zurück, bis man vom Meer aus den Eindruck hatte, hier wohne keiner. Die Menschen lebten in engen Tälern. Sie bauten ihre Häuser im Schutz von Felsen und Bäumen. In den Dörfern stand auf zwei Verbrechen die Todesstrafe: auf Mord und Geheimnisverrat. Wo sich grundsätzlich niemand an einen Zeitplan hält, gibt es auch für niemanden einen Grund, sich selbst unter Druck zu setzen. Nikolas und seine Besucher sind sich einig: Wer ein langes Leben führen will, muss eine Arbeit tun, die Spass macht. Man dürfe auf gar keinen Fall einen Chef haben, das sei schlecht für die Gesundheit. Man müsse genügend Feste feiern und roten Wein trinken. Zudem sei eine Stadt wie ein Gefängnis, in Städten dürfe man nicht leben. Wenn die Inselbewohner vom Hafen reden, von Evdilos, dann reden sie von der Stadt. Dreitausend Menschen leben hier. Ich wohne etwa hundert Meter vom Meer entfernt in einem blauen Zimmer, wo zwei weisse Ruder an der Wand hängen. Nachts kann man vom Balkon aus den Bergrücken beobachten, wo sich der Grat langsam vom schwarzen Hintergrund abzuzeichnen beginnt, und dann erhebt sich der Mond über die Insel. Frauen singen, Katzen miauen, und Messer und Gabeln klappern auf Tellern. Am Hafen spielen Kinder bis Mitternacht Fussball. Die Apotheke, der Kiosk und die Bäckerei sind bis spät in die Nacht geöffnet. Manchmal gehe ich da rein, und niemand ist da. Ich rufe, und niemand antwortet. Ich warte, aber niemand kommt. Während ich bei den Fountoulis sitze, kommt ein übergewichtiger Mann die Treppe hochgehinkt. Es ist der Neffe von Nikolas. Er hat Probleme mit den Knien. «Er ist so fett, weil er den ganzen Tag in seinem Gemüseladen hockt und sich nicht bewegt», sagt Nikolas. Alle lachen, auch der Neffe. Dann kommt die Ehefrau des Neffen die Treppe hoch und schliesslich der Sohn von Nikolas. Auch dies ist eine der Regeln der Insel: Besuch ist wichtiger als Arbeit. Einen Besucher wegzuschicken, weil man etwas zu tun hat, ist nicht erlaubt. Solche Besuche können dreissig Minuten dauern, aber auch den halben Tag oder die ganze Nacht. Durch die vielen Besuche kennen fast alle Inselbewohner einander. Fragt man nach einer Person, die fünfzig Kilometer entfernt wohnt, heisst es: «Ah, die Nedelina habe ich seit Wochen nicht mehr gesehen.» Das Konzept von Arbeitszeit und Freizeit gibt es nicht, beides verschwimmt ineinander. Man tut die Arbeit, bis sie erledigt ist, und sollte sie verspätet werden, ist das nicht so schlimm. Auf Ikaria haben die meisten Türen Schlösser, aber sie werden selten benutzt. Es ist üblich, dass man ins Haus des Nachbarn gehen und Kartoffeln, Auberginen und Tomaten holen kann, auch wenn der Nachbar nicht zu Hause ist. Diese Praxis geht allerdings allmählich verloren, da mehr Fremde auf die Insel kommen, und man sagt, ab und zu würden Dinge gestohlen, Zweimal sehe ich einen Polizisten, der in einem weissen Jeep Cherokee um den Hafen herumfährt, aber er macht nicht den Anschein, als hätte er viel zu 6 tun. Ich frage eine junge Frau, wann das letzte schwere Verbrechen auf der Insel begangen wurde, und sie sagt, das sei sicher hundert Jahre her. Hin und wieder gebe es eine Schlägerei, wenn zwei zu viel getrunken hätten, aber einen Tag später seien die beiden wieder dicke Freunde. und das Charisma eines Dorfchefs. Nur einmal versehatten sich seine Augen. Als er vom Tod seines Sohnes erzählt. «Ich würde mich heute jünger fühlen, wenn das nicht passiert wäre», sagt er. Am 25. März 1968 sei der Sohn bei einem Schiffsunglück vor der englischen Küste ertrunken. Seine Familie habe damals in Athen gelebt. Er sei allein auf Ikaria gewesen und habe darüber nachgedacht, sich zu erschiessen. Aber jeden Abend hätten ihn Freunde zum Essen und zum Reden eingeladen. An einem heissen Morgen fahre ich durch die Berge zur Südseite der Insel. Ziegen grasen an kargen Hängen und werden von hungrigen Hunden bewacht. Ein alter Mann sitzt auf einem Esel und ist unterwegs ins nächste Dorf. Links und rechts der Schotterstrasse wachsen Eichen, und die Luft ist süss von Blumen. In einem Dorf namens Christos trinkt ein älterer Herr unter einem Baum Wein und isst Brot dazu. Hier soll vor vielen Jahren ein Doktor aus Athen durchgekommen sein. Man erzählt sich, es sei Winter gewesen und die Menschen hätten draussen gesessen, in kurzärmligen Hemden und offenen Schuhen. Der Arzt blieb einen Monat, er ass das Brot und trank den Wein und beobachtete die Menschen. Nach einem Monat soll er gesagt haben: «Ihr braucht mich nicht, ich gehe zurück nach Athen.» «Sie haben mich geheilt», sagt Gabriel. Hermioni tischt Gurken und Fetakäse auf. Gabriel sagt, seine Kinder leben noch heute in Athen, sie würden zwar jeden Tag anrufen und fragen, wie es den Eltern gehe, aber es mache ihn traurig, dass sie so weit weg sind. Er und seine Frau gehen sie jeweils besuchen, und dann bleiben sie für zwei bis drei Monate. «Ich reise mit meinem Mädchen hin“, sagt er und legt Hermioni den Arm um die Schultern. Hermioni lächelt verschämt, und Gabriel streicht ihr über den Kopf. «Lasse ich sie hier, kommt ein anderer Mann und schnappt sie mir weg», sagt er. In Karkinagri treffe ich Gabriel und Hermioni Fradelos vor ihrem Haus. Hermioni ist eine ruhige Frau von 88 Jahren, die sich beim Gehen an den Rücken fasst. Gabriel ist ein zappeliger Mann, der immer wieder von seinem Stuhl aufsteht, um den Tisch zu verrücken oder ins Haus zu gehen. Er ist leicht verletzt. Auf seinem Handrücken klebt ein Pflaster. Am Morgen hat er sich an einem Ast des Pfirsichbaums die Haut aufgekratzt. Er war auf den Baum geklettert, um Pfirsiche zu pflücken. Gabriel Fradelos ist 93 Jahre alt. Wir sitzen unter Bäumen an einem hölzernen Tisch, das Meer ist nicht weit, irgendwo bellt ein Hund, Grillen zirpen. In der Ferne ist das Knattern eines Motorrads zu hören. Es dauert kaum eine halbe Stunde, und schon kommt wieder Besuch. Der Erste ist ein Mann in einem weissen Overall, der auf einem gelben Quad heranfährt. Auf dem Kopf trägt er einen Fischerhut, auf den ein Ferrari-Zeichen gestickt ist. Er nennt sich Kapitän Georg, da er ein eigenes Fischerboot hat. In der Hand hält er eine durchsichtige Tüte, in der eine Meerbrasse liegt. Es ist elf Uhr morgens, und Gabriel öffnet eine Literflasche selbst gemachten Schnaps. Er stellt kurze Gläser bereit und füllt sie mit einer farblosen Flüssigkeit. Er hält sein Gläschen hoch und sagt: «Prost.» Tsipouro, eine Art Grappa, trinke er jeden Morgen, normalerweise um zehn Uhr. Zum Mittagessen trinke er Wein. Zum Abendessen ebenfalls. «Ich bin noch ein Kind - ich bin ja erst 82», sagt Kapitän Georg und setzt sich. Als Nächster kommt der 96-jährige Herr Vagelis, er trägt einen weissen Strohhut, der ihm am Hinterkopf klemmt. Herr Vagelis hat Gabriel besitzt den Charme eines Filmstars 7 lustige Augen und einen schön getrimmten Bart um den Mund. Faktoren der Ernährung dafür verantwortlich, der Tee, das Olivenöl, das Brot, das Gemüse. Die meisten Menschen essen und trinken Produkte, die aus dem eigenen Garten stammen. Sie essen wenig Fleisch, und wenn, dann braten sie es nicht, sondern kochen es. Zudem ist es üblich, dass man nach dem Mittagessen eine Stunde schläft, um sich auszuruhen. Der wichtigste Punkt ist aber das Gemeinschaftsgefühl. Er sagt: «Ich bin auf der Suche nach einer Frau.» Er sei zweimal verheiratet gewesen, aber beide Ehefrauen seien gestorben. Das grosse Gemeinschaftsgefühl Etwa zwei. Kilometer ausserhalb von Evdilos liegt auf einer Klippe am Meer das Regionalspital. Im Empfangsraum steht ein schmales Büchergestell, in dem schwarze und gelbe Bundesordner nebeneinander aufgereiht sind. Auf dem Gestell steht ein Blumentopf, aus dem ein Farn wächst, und über dem Farn hängt eine Uhr, die um fünf Minuten nach eins stehen geblieben ist. Daneben hängt ein Bild von Jesus, mit gefalteten Händen und abgewandtem Kopf. Es sieht aus, als würde Jesus auf die Uhr schauen. «Es kommt vor, dass jemand zu mir kommt und ich eine Depression feststelle, und am selben Abend treffe ich die gleiche Person an einem Fest - und sie tanzt und singt und hat alles vergessen.» Die Menschen auf der Insel leben im Wissen, dass sie nicht allein gelassen werden. Jeden Tag tauschen sich Alte mit Jungen aus. Getrennte Generationen gibt es hier nicht. Wird jemand bettlägerig, zieht eines der Kinder oder ein Enkelkind ein, um zu pflegen. Oder Freunde. Niemand stirbt im Spital, sie sterben zu Hause. Als ich ankomme, ist der Empfangsraum voller Menschen. Eine alte Frau wird auf eine Bahre gelegt und in ein Zimmer geschoben. Eine junge Frau steht gekrümmt neben einer Topfpflanze und hält sich den Bauch. Ein Mann mit Dreitagebart streckt einem Arzt seine Hand hin, die gerötet und verschorft ist. Ein kleines Mädchen mit einer Beule neben dem Auge steht vor dem Snackautomaten und zeigt auf einen Schokoriegel. Die Ärzte von Medecins du Monde sind auf der Insel. Sie kommen einmal pro Jahr, mit Kinderärzten, Dermatologen und Orthopäden. Spezialärzte gibt es kaum auf der Insel, und wer es sich leisten kann, reist dafür nach Athen. Aber nur wenige können es sich leisten. «Die Menschen hier sind nicht glücklicher als anderswo», sagt Katte, «aber sie führen ein besseres Leben.» Kurz bevor ich auf die Fähre zurück nach Athen gehe, schlendert ein alter Mann um den Hafen herum. Er geht an den Cafés vorbei, wo Menschen sitzen, Zigaretten drehen und Tsipouro trinken. Er begrüsst die einen mit einem Kniff in die Schulter, winkt den anderen zu. Als er zur Alpha Bank kommt, zieht er sein Portemonnaie aus der Tasche. Er geht die zwei Treppenstufen zum Eingang hoch und will die Tür aufziehen. Die Tür bewegt sich nicht. Er stösst, aber die Tür ist verschlossen. Die Chefärztin am Regionalspital entschuldigt sich für das geschäftige Treiben. Sie sagt, das sei nicht üblich. Normalerweise sei es viel ruhiger. Kalliopi Katte ist eine kleine Frau mit schwarzen Haaren, die leise spricht und zur Begrüssung sehr lange meinen kleinen Finger festhält. In ihrem Sprechzimmer stehen eine Liege, ein Tisch und zwei Stühle. Sie sagt, heute seien zwei Männer über hundert bei ihr gewesen. Ein weiterer ihrer Patienten sei 102 Jahr alt. «Ist heute Samstag?», fragt er. Er steckt seine Brieftasche wieder ein. Es ist Samstag. Erschienen im Das Magazin, die Samstagsbeilage von Tages-Anzeiger, BaslerZeitung, BernerZeitung und Der Bund, Ausgabe 27-28/2014 «Er ist so fit, für mich ist das ein Wunder», sagt sie. Gemäss Katte sind verschiedene Mehr über den Autor auf: www.grandtour.freitag.ch 8 Heizöl für die Schulen (auf Ikaria) Usula Kastanias www.ikaria.ch Am 12. November wird Ursula Kastanias bei uns einen Vortrag über die Insel Ikaria halten. Ursula lebt und tanzt nicht nur auf dieser Insel, sie engagiert sich mit einer Sammlung für die vom Staat vernachlässigten Schulen. Mit einer Kollekte werden wir sie dabei anlässlich ihres Vortrages am 12. November unterstützen. Hier die Information dazu von Ihrer Website. einer sehr großzügigen Spende aus Bremen und vielen kleinen Spenden aus der Schweiz und Deutschland ist so der Grundstein für ein Spendenkonto und damit für konkrete Hilfe gelegt worden! So fing es an: Spendenaufruf 2013 Durch die Recherchen für den Artikel “Ikaria Unterstützerkreis” von Kirsten Grimm, wurde uns klar, dass insbesondere die Schulen finanzielle Unterstützung brauchen. Hier macht sich die Sparpolitik der Regierung unmittelbar bemerkbar. Wo Gelder für Lehrergehälter und für den Transport der Schüler aus den umliegenden und entfernteren Dörfern (wie zB. Karkinagri mit 1 Std. Fahrweg) teilweise ersatzlos und ohne weitere Aussicht gestrichen wurden. Es sprach sich herum, dass das Heizöl für den Winter vom Staat nicht mehr bezahlt werde. Unsere große Sorge war nun, dass die Kinder nicht mehr in beheizten Räumen unterrichtet werden können! Ich habe sofort mit den Schulleitern persönlich Kontakt aufgenommen und, nachdem mir bestätigt wurde, dass dies leider die Wahrheit sei, gebeten, abzuklären, ob wir sie finanziell unterstützen könnten, indem wir die Heizkosten oder mindestens einen Teil davon für den kommenden Winter sammeln, und von welchem Betrag wir überhaupt ausgehen müssten. Sie waren sehr bewegt über unseren Wunsch, die Schulen zu unterstützen! Dank Die Schulen haben den ganzen Winter Heizöl von der Tankstelle auf Pump erhalten. Einiges davon hatten wir „Ikaria-Freunde“ schon bezahlt, dann tröpfelte wieder eine kleine Geldsumme vom Ministerium herein, danach kam wieder nichts mehr. Wir haben zugewartet. Das Ministerium hatte Gelder zugesagt, diese sind aber nie eingetroffen. Die Schulen blieben ihr Heizöl dem Tankwart schuldig. Die Heizsaison war nun definitiv vorbei und nach langem hin und her und viel Geduld allerseits hatte ich entschieden, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen war, den Schulen das Geld aus unserer Spendensammlung zu überweisen. Insgesamt haben wir mit gesammelten 6000 € rund 240 Kinder in drei Schulhäusern warm halten und einen Teil an die angefallenen Heizkosten beitragen können. Stand 2014: Wir sammeln weiterhin für die Schulen! In den Bergdörfern Ikarias kann’s im Winter richtig kalt werden 9 Materiell fehlt es an allen Ecken und Enden. Kaputte Fensterscheiben müssen ersetzt werden, die Schulen neu gestrichen werden, einen Basketballkorb für den Pausenplatz der Kleinen, Tintenpatronen für den Drucker, Kopierpapier. Nicht einmal das haben sie! Die Schüler müssen Kopierpapier kaufen und in die Schulen bringen, damit die Lehrer ihnen Vervielfältigungen austeilen können! Gar nicht zu sprechen von den grösseren Ausgaben: die Oberstufen bräuchten beispielsweise ein paar Computer für den Unterricht, da eine ganze Klasse von zwanzig Kindern an ein zwei Computern in die Welt der Informatik eingeführt wird und viele Kinder keinen PC zuhause zur Verfügung haben. Oder Bälle für den Sportunterricht, die Kinder müssen ihre eigenen mitbringen und so weiter und so fort. Man weiss gar nicht, wo man beginnen soll! Oskar und die Abschlussklasse Oskar Senn, Münchenstein auf www.ikaria.ch Als seit 20 Jahren enthusiastischer Schweizer-Fan der griechischen Musik, des Volkstanzes, aber auch der Geschichte, besuchte ich zum ersten mal im Jahre 2010 das Tanzseminar von Ursula Kastanias in Ikaria. Ich war so begeistert und voller Freude, dass ich heute Ikaria als ‘meine Insel in der Ägäis’ auserkoren habe. Im Jahr 2011 kam ich wieder und da vernahm ich, dass die Abschlussklasse – wo Ursulas Tochter Selina Kastanias Mitschülerin war – ihre Abschlussreise womöglich nicht durchführen kann. Dies aus Geldmangel, was wir ja im übrigen Europa seit Monaten mitverfolgen können. Das gab mir sehr zu denken und mein Inneres war über diesen Sachverhalt äußerst aufgewühlt. Ja wohin wollen sie denn, war meine Frage. Nach Kreta, aber das kann doch nicht wahr sein, dass Kinder aus Ikaria keine Reise nach Kreta unternehmen können! Einige Familien, so erfuhr ich, konnten den notwendigen Betrag nicht aufbringen und obwohl die Klasse wie in Ikaria üblich, verschiedene Anlässe mit Musik und Tanz und Tombolas zu Gunsten der Abschlussreise organisierte, konnte auch sie den fehlenden Betrag dieses Jahr partout nicht zusammenbringen. Wouw, das ist mir bis heute noch nie passiert! Ich kenne inzwischen 21 Griechische Inseln in der Ägäis, Nord-Griechenland auf den Spuren Alexanders und den Peloponnes. Aber eine Griechische Insel im Winter, das war etwas Neues und Besonderes. Also, ich buchte meine Flüge. Ursula hatte für mich in Rahes ein Zimmer-Appartement gemietet und am 25. Dezember 2011 landete ich dann in Ikaria. Mein Mietwagen stand bereit und so fuhr ich quer über die winterliche Insel nach Rahes. Dies alles erfuhr ich, als im Spätherbst Ursula in der Schweiz weilte. Ich musste also handeln, d.h. ich habe Ursula beim Abschied ein Couvert mit dem ‘Nötigen’ in die Hände gedrückt, mit der Bitte, ja dazu Sorge zu tragen, und sie solle es erst zu Hause in Ikaria öffnen. Ich durfte in diesen Tagen Griechenland von einer ganz anderen Seite kennen lernen, das echte Griechenland, nicht das von der Hotelterrasse aus. Es waren einmalige Erlebnisse! So startete dann das Schulfest am 29. Dezember mit Speis und Trank, alles von den Kindern und Müttern zubereitet. Selbstverständlich gab es eine Live-Musik, also auf zum Tanz! Da hielt mich natürlich nichts mehr! Als Ausländer, und dann noch aus Elvetia, tanzte ich mit einer Begeisterung mit, Kurz darauf kam dann überraschend eine Einladung nach Ikaria zu kommen, zwischen Weihnachten 2011 und Neujahr 2012. Die Schule wolle zu Gunsten der Klassenkasse ein Fest organisieren und dazu sei ich herzlich eingeladen. 10 dies zur offensichtlichen Freude der Anwesenden. Ich fühlte mich ganz herzlich willkommen an diesem Anlass. Nie mehr werde ich vergessen, als eine Schulmutter mich fast umarmte und mir für die Spende dankte. Leider kann ich bis heute nicht Griechisch, aber ich verstand alles, was sie mir sagte, musste ihr nur in die Augen schauen. Ursula hat es dann anschließend für mich ‘übersetzt’. Es wurde ziemlich spät, resp. früh. Einmalig und unvergesslich!!! einige Worte dazu geschrieben, was durch Selina ins Griechische übersetzt wurde. Ich war einfach überwältigt von diesem Erlebnis! So durfte ich einen Teil für ihre Kreta-Abschlussreise möglich machen. Anlässlich des Tanzseminars im Mai dieses Jahres hat mir dann Selina ein Präsent und Geschenk aus Kreta, das die Klasse für mich als Erinnerung und Dank gekauft hatte, überreicht, was mich natürlich sehr gefreut hat. Absoluter Höhepunkt war dann am 31. Dezember. In Rahes ist es Brauch, dass die Schüler von Haus zu Haus gehen und Neujahrslieder singen und gute Wünsche fürs Neue Jahr aussprechen, Im Gegenzug erhalten sie in jedem Haus Süßes und etwas Geld für ihre Klassenkasse eben. Wir kennen in der Schweiz etwas Ähnliches – bei uns nennen wir das ‘Sternsingen’. Es regnete in Strömen, ja sintflutartig, da rief mich Ursula an und meldete, dass die Schüler zu mir in mein kleines Heim kommen, um für mich zu singen und mir ein gutes neues Jahr zu wünschen! Ich war total überrascht. Zum Glück hatte ich im Kamin ein gutes Feuer brennen, so dass die nassen Gestalten sich ein wenig trocknen und wärmen konnten. 8 Schüler und Schülerinnen sangen für mich in „meiner Stube“ 4 Lieder mit Musikbegleitung. Ich musste mit den Tränen kämpfen. Ursula hatte mir zum vornherein das Couvert wieder in die Hände gedrückt und mir gesagt: ,,Du kannst es ihnen persönlich übergeben, dann wissen sie, von wem es kommt.” Ich habe dann noch Was mich aus dieser Geschichte ebenfalls freut, ist die Freundschaft, die sich mit Ursula und ihrer Familie ergeben hat. Ist es Schicksal? Ist es Zufall? Wenn man das Wort Zufall trennt, dann heißt es ja Zu-Fall, das heißt, es wird einem etwas zufallen, resp. geschenkt. Und alles das erleben zu dürfen, ist für mich wirklich ein großes Geschenk und ich bin dankbar, dass ich im 2010, fast wie Ikarus in Ikaria, nicht abstürzen, aber gut habe landen dürfen. 11 Glück und Unglück - die nächste griechische Katastrophe Marianna Moser Lesvosreisen GmbH www.lesvosreisen.ch Die Arbeitslosigkeit in Griechenland ist enorm hoch. Nicht nur junge Menschen oder solche ohne Ausbildung leiden darunter. Die Jungen haben keine Zukunftschancen und können sich eine Familie schlichtweg nicht mehr leisten. Alle überleben dank Zuwendungen seitens der Familienmitglieder. Vielen bleibt kein anderer Ausweg, als zurück zum Bauernleben zu gehen. Studium hin oder her. Mirsini, die siebenundvierzig jährige Griechin ist glücklich und unglücklich. Gleichzeitig! Glücklich ist die studierte Agronomin, weil sie nach über zweijähriger Arbeitslosigkeit endlich wieder eine Anstellung gefunden hat. "Weisst du, die Abhängigkeit von der Familie war schlimm für mich". In ihren Augen sehe ich ein Leuchten dank dieser Befreiung. Im gleichen Augenblick, trüben sich ihre Augen jedoch wieder. Sie kommt auf ihre Arbeitsbedingungen zu sprechen. Der schriftliche Vertrag sieht eine tägliche Arbeitszeit von 4 Stunden à 4 Euro in der Bäckerei, in der sie die Anstellung gefunden hat, vor. Und das für fünf Tage in der Woche. Auf der Basis dieses Vertrages hat sie der Chef sogar auch ordentlich angemeldet und bezahlt die entsprechenden Prämien und Versicherungen. Mirsini hat allen Grund, glücklich zu sein. Weit gefehlt! Mirsini muss acht Stunden am Tag arbeiten und das erst noch sechs Tage in der Woche. Die zusätzliche Arbeitszeit leistet Mirsini unentgeltlich. Ihr Chef hat ihr klar gemacht, dass, wenn sie die Bereitschaft dazu nicht habe, sofort zehn weitere bereit seien, ihre Arbeit zu übernehmen. Dank Grossvaters Hilfe überleben viele die Krise Kostas war Steuerbeamter in Athen, seine Frau ist studierte Lehrerin. Als Lehrerin muss man auf eine Liste und erhält, mit viel Glück, frühestens 3 Jahre nach Lehrabschluss eine Anstellung. Sie wurde auf die Insel Mitilini, nach Petra geschickt. Darauf hin hat ihr Mann Kostas eine Anstellung auf derselben Insel beantragt und einen Job in Kalloni, der Inselmitte, erhalten. Es hat beiden auf Lesvos so gut gefallen, dass sie sich entschlossen haben, ein Haus in Molyvos, in der Nähe der Schule, zu erwerben und sich dort nieder zu lassen. Bald kam das erste Kind. Dann begann das Drama mit der Krise. Die Steuerbehörde in Kalloni wurde geschlossen, der Mann in die Hauptstadt nach Mitilini versetzt. Der Arbeitsweg hat sich mehr als verdoppelt. Kurze Zeit darauf wurde auch die Steuerbehörde in der Hauptstadt geschlossen, Kostas wurde nach Larissa versetzt! Jetzt arbeitet er auf dem Festland und hat nur noch selten die Möglichkeit, seine Familie auf der Insel zu besuchen. In Larissa muss er nun eine kleine Wohnung mieten und zusätzlich den aufgenommenen Kredit für sein Haus in Molyvos abbezahlen. Beide bereuen ihren Entscheid, Panagioti, der 24 jährige studierte Technologe, hat endlich in einer Sicherheitsfirma Arbeit gefunden. Für 5 Tage in der Woche erhält er 750 Euro monatlich. Ein stolzer Betrag für einen jungen Menschen. Doch er ist meist ausserhalb Athen, seinem Wohnort, tätig. Heute schläft er da, morgen dort, selbstverständlich auf seine eigenen Kosten. Auch am Samstag muss er arbeiten, doch die Bezahlung für Samstagsarbeit kassiert der Chef in seine eigene Hosentasche. Ob es Panagioti passt oder nicht, schlussendlich muss er froh sein, überhaupt Arbeit zu haben. 12 sich auf der Insel Lesvos nieder gelassen zu haben und fragen sich nun, wie lange sie sich das noch leisten können. Ihr Familienleben leidet unter der finanziellen Belastung und vor allem unter der grossen räumlichen Distanz. egal wie sie sich ob der miserablen Situation fühlen. Sie haben schlichtweg keine Wahl, um ihre Misere zu verändern. Und wenn sie vom Leid der andern hören, können sich erst noch glücklich wähnen, überhaupt Arbeit zu haben! Wenn sie dann nämlich ihren heiss begehrten Job verlieren sollten, bliebe ihnen nichts anderes mehr übrig, als zurück aufs Land ihres Grossvaters zu gehen und wie er, das Leben mit Landarbeit und Schafen zu bestreiten. So wie Mirsini, Panagioti und Kostas Familie geht es im Moment Tausenden von Griechen. Und sie alle können nicht aufbegehren. Sie benötigen das Einkommen und erst recht die Einzahlungen in die sozialen Versicherungen, Nera Ide , 24. März 2014 auf www.chronologs.de Sparta reloaded Athen, an einem Tag Ende Februar, im Jahr sechs der Krise. Auch wenn EU, EZB und IWF hierzulande ein eisiges Klima schaffen, haben die neuen Griechen wie weiland die alten in Sachen Wetter die Götter auf ihrer Seite. Als wäre immer noch Spätsommer, lässt Zeus auch heute die Sonne strahlen, die noch mehr wärmen könnte, wollte man es nicht so warm in den eigenen vier Wänden haben. Die Athener heizen nun mal, wenn der Kalender Winter vorschreibt, dabei ist’s heuer allein die Stimmung, die auf dem Gefrierpunkt ist, die Temperaturen sind es keinesfalls. Doch der gemeine Südländer hat es gern heißer, hat am liebsten alle Tage Sommer in seinem saloni, was jetzt die Regierung hintertreibt. Der Finanzminister hat per Sondersteuer – die gefühlt tausend und xte seit Ausbruch der Krise - das Heizöl so teuer wie Diesel gemacht, weil er verhindern will, dass in den Zeiten der Not die Swimmingpools geheizt werden. So seine Erklärung – ja, auch die Zeugnisse werden immer ärmer in diesem Land, wo man doch einst auf die Logik kam. Die Normalbürger haben keine Swimmingpools und die Reichen immer noch genug Geld, die ihren zu beheizen. Nera Ide Geboren in Deutschland; Vater und Mutter - der eine klassischer Archäologe, die andere Altphilologin – brainwashten ihr einziges Kind bereits im zarten Alter, lasen ihr z. B. als Gute-NachtGeschichte die „Odyssee“ vor – auf Altgriechisch. Studium der Vor- und Frühgeschichte und Alter Geschichte in Tübingen, Oxford und Athen. Weil es ihr die alten Griechen angetan haben, zog sie nach ihrem Examen in deren Land; und lebt gern hier, auch wenn die neuen Griechen nichts unversucht lassen, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Sie arbeitet hier als Archäologin; flüchtet mitunter – wenn Abstand von Griechenland angeraten ist – in ihren Blog und zu Grabungen in die Türkei, den Vorderen Orient, Mittleren und Hinteren Orient. www.chronologs.de gehört zur Zeitschrift „epoc“ alten Anverwandten auf den Dörfern und deren altmodischen Methoden, einen Raum warm zu bekommen. Bulleröfen mussten her, und kein apothiki (warum nur haben die deutschen Pharmazeuten für ihr Etablissement das griechische Wort für Abstellkammer oder Schuppen gewählt? Und für sich die Berufsbezeichnung Abstellkämmerer?!) war zu abseits, zu verrümpelt, zu zugemüllt, um nicht durchstöbert zu werden. Wer auch auf den zahlreichen Flohmärkten der Stadt nicht fündig wurde, nahm den offenen Kamin in Betrieb, der bis dahin in den modernen Appartements nur Zierrat war. Es wurde Winter, es wurde kühler und all die neu installierten Zentralheizungen in Athen blieben kalt. Die Hausverwaltungen teilten ihren Mietern mit, dass diese wegen der exorbitant gestiegenen Kosten fürs Öl doch bitte das Heizen selbst in die Hand nehmen sollten. Die Großstädter entsannen sich der 13 Aber womit heizen? Womit all die Öfen und Feuerstellen füllen? Na, mit Holz, denkt sich da der Nordländer. Holz ist auch der erste Gedanke eines Griechen. Doch leicht gedacht in einem Land, das schon in der Antike kahlgeschlagen wurde. Mittlerweile gibt es wieder Wälder, es wird aufgeforstet, fast aber will es scheinen, als hätte da ein gewisser Sisyphos das Amt des Oberförsters übernommen. Kaum stehen die Schösslinge in frischem Grün, kommt der Sommer und mit ihm die Brände, die Bäumlein wie Bäume in Asche legen. Schonungen werden hier nicht geschont, entweder machen die Wildschweine sie nieder oder die Schweine von Wilderern, die es nicht auf die Wildsauen (der griechische Jäger, zwar ausgerüstet wie zur Großwildjagd, wagt sich an nichts Größeres als Singvögel heran), sondern auf die Bäume abgesehen haben. lagen ins Land fließen.) Ein Problem, das gen Himmel stinkt - im wahrsten Sinn des Wortes. Aus tausenden von Rohren ballern die Kanonenöfen ihr Gift in die Luft. Über der Stadt, die ohnehin immer mit Abgasen zu kämpfen hat, liegt seit Wochen ein schmutziggelber Rauchpilz, der die Sonne ihrer Strahlkraft beraubt. Und den der Grieche, der gern all das Üble schönredet, für das er die Verantwortung nicht auf andere abwälzen kann, niedlich nefos, die Wolke, nennt. Mein Tankwart tut das seine zum Nefos dazu. Mit einem weit antikeren Heizkörper, als es die Bulleröfen sind. Er sitzt vor der Tankstelle, die nicht mehr die seine ist, weil ihn die Mineralölgesellschaft wegen mangelnden Umsatzes vor die Tür gesetzt hat. Da kann er erst mal bleiben, bis ein Nachpächter gefunden ist, was dauern wird in einer Stadt, wo keiner mehr Heizöl kauft und auch Benzin nicht länger ein Verkaufsschlager ist. Die Tankstelle liegt in einem so gut wie SUVfreien Viertel; die meisten Bewohner hier sind vom Kleinwagen wieder aufs Moped umgestiegen. Jetzt will ich den Athenern nicht unterstellen, dass sie es waren, die den Baumbestand am Berg Olymp übel dezimiert und die Wäldlein rund um die Hauptstadt noch mehr gelichtet haben. Na ja, nicht direkt, aber indirekt, denn ihr Begehr, die Stube zu heizen, hat auch den Holzmarkt angeheizt. Da aber auch Holz seinen Preis hat und wegen der großen Nachfrage bald unerschwinglich wurde, sann man auf neue zündende Ideen in puncto Brennmaterial. Um die Zimmertemperatur in diesem warmen Winter der Außentemperatur anzugleichen, landet schließlich alles in den Öfen, was brennt: Gestrüpp aus den Stadtparks, Paletten, Obstkisten, Pappkartons, Verpackungsmaterial, alte Möbelstücke, ja ganze Bibliotheken sollen schon verheizt worden sein, erzählt man sich jedenfalls in den Kafeneions. Jede Wohnung betreibt ab diesem Winter, besieht man es genau, ihre eigene Müllverbrennungsanlage. Ohne irgendeinen Filter. (Es existieren bis dato weder staatliche noch städtische Müllverbrennungsanlagen in Griechenland. Es gibt nur die Kippen, wo der Müll hin- und hergeschoben wird, bis er – das walten die Götter – versickert. Wie man es auch mit den Geldern hält, die von der EU regelmäßig für den Bau moderner An- Kein Platz ist in der Hauptstadt derzeit so friedlich wie eine Tankstelle. So auch die einstige meines Tankwarts, wo er an diesem Februartag wie alle Wintertage zuvor gemütlich mit zwei Freunden um ein Holzkohlebecken sitzt. Diese Metallschüsseln auf drei Beinen, auf denen einst die ganz alten Griechen den Göttern Fleischopfer brieten. Die nicht ganz so alten Griechen brieten daran in erster Linie sich selbst. Noch bis in die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts war der Dreifuß die einzige Wärmequelle in vielen bergdörflichen Kafeneions. Wenn die Männer nachts nach Hause gingen, packte ein jeder ein bisschen Glut in den Eimer, um es daheim auch ein bisschen warm zu haben.An dem antiken Dreifuß geben sich mein Tankwart und seine Freunde nun dem hin, was die Athener bereits vor 2500 Jahren taten: Sie philosophieren. „Wie einst in Sparta!“ meldet sich der zu Wort, der seine Hände demonstrativ über die Glut hält, um sie aufzuwärmen. 14 „Die Spartaner hatten keine Öfen!“ Tankwart behauptet, erst dieses Schleudern verleihe dem griechischen Kaffee den richtigen Biss. „Das nennst du Ofen?“ „Die Spartaner haben überhaupt nicht geheizt!“ „Die Spartaner haben das Geld abgeschafft!“ „Wie bei uns!“ „Wie bei uns!“ „Sie haben winters wie sommers ohne Decke und nackt geschlafen!“ „Was denn? Wir haben doch noch Geld!“ „Wird bei uns auch noch kommen!“ „Nein“ „Hast du noch Geld!“ „Sie haben nur ihre Blutsuppe gegessen!“ schüttelt sich der, der seit dem Frühstück an einem Sesamkringel mümmelt. „Also!“ „Nimmt man es genau“, versucht sich mein Tankwart an einem Fazit, „dann waren es Griechen, die die Austerität erfunden haben. Die Troika ist bei den Spartanern in die Schule gegangen!“ „Wie bei uns!“ „Blutsuppe! So ein Graus! Würde ich nie anrühren!“ „Wie? Du rennst doch zweimal am Tag in Markthalle um deine patsás zu essen. Das ist Schlachtsuppe und Schlachtsuppe ist gleich Blutsuppe!“ Eine weitere Tugend der Spartaner kommt dieser Krisentage wieder zum Tragen: die Wertschätzung der Alten. Erst abgeschoben, werden sie jetzt schleunigst zurückgeschoben, aus den Altersheimen zurück in den Schoß der Familie geholt, da deren Renten helfen, auch wenn sie noch so klein sind, das immer karger werdende Haushaltgeld aufzubessern. In der Krise jedem seine Oma, auch wenn‘s nicht die eigene ist. Es ist zu wünschen, dass sich die Wahlverwandten besser um die Alten kümmern, als die Kirche – siehe letzter Blog. „In meiner patsás ist kein Blut drin!“ „Ist es doch!“ So vom Essen redend, beschließen die Drei, noch eine Runde gehaltvoller Kaffees zu bestellen, diese Mokkas mit ordentlich Satz in der kleinen Tasse. Minuten später trifft der fahrende Kellner ein, der, die eine Hand an der Lenkstange seines Mopeds, in der anderen Hand das Henkeltablett schwenkt. Mein _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________________ Griechenland: Arbeitslosigkeit steigt unaufhörlich 13.02.2014, Griechenland Zeitung / rs Auf neue Rekordhöhen kletterte die Arbeitslosigkeit in Griechenland im November vergangenen Jahres. Nach Angaben der Statistikbehörde ELSTAT vom 13.2. erreichte sie 28 %, gegenüber 26,3 % im Vergleichsmonat 2012 und 27,7 % im Oktober 2013. Nach Schätzungen von ELSTAT lautet die absolute Zahl für den November 2013 1.382.062 Arbeitslose; die Anzahl der Beschäftigten in diesem Zeitraum belief sich auf 3.550.679; die Anzahl des wirtschaftlich nicht aktiven Teils der Bevölkerung lag bei 3.376.643 Personen. Das Heer der Arbeitslosen wuchs somit von Okt. 2013 bis Nov. um 5,698 und gegenüber dem Nov. 2012 um 78.041. Am stärksten von dem Phänomen betroffen sind die Altersklassen 15 bis 24 (61,4 %) und 25 bis 34 (38,4 %). Geographisch aufgeschlüsselt ist die Arbeitslosigkeit in Makedonien-Thrakien am höchsten (29,7 %), in Westgriechenland-Ionische Inseln am niedrigsten (25 %). Zusatzrenten von einer Million Pensionären abermals beschnitten 25.07.2014, GZ / eh Griechenlands Versicherungskassen dürfen nach Vorgaben der Troika der internationalen Geldgeber keine Defizite mehr aufweisen. Aus diesem Grund kommt es immer noch zu Kürzungen in diesem Bereich. Davon betroffen sind eine Million Pensionäre, die Zusatzrenten von der „Einheitskasse für Zusatzversicherung“ (ETEA) erhalten. Die betreffenden Zusatzrenten werden voraussichtlich noch im August um 3 % gekürzt. Bereits im Juli wurden sie um 5,2 % beschnitten. 15 Der „Bevölkerungsaustausch“ von Griechen und Türken 1922/23 Im Laufe der Balkankriege 1912/13 und des Ersten Weltkriegs erblühte unter den Griechen erneut die „Megali Idea“, d. h. die Idee von einem Nationalstaat, der alle griechisch besiedelten Gebiete auf dem Balkan und in Kleinasien (die Stadt Istanbul, die Marmara-Region, Kappadokien und den Pontus an der Schwarzmeerküste) umfassen sollte. Der Megali Idea der Griechen stand die jungtürkische Nationalbewegung unter Mustafa Kemal (der sich später „Atatürk“ nannte) entgegen. Beide nationalistischen Ambitionen mündeten in den griechisch-türkischen Krieg 1919 1922, an dessen Ende die griechische Armee zur Räumung Kleinasiens gezwungen wurde. Hauptleidtragende jedoch waren die Zivilisten. Die in Griechenland „kleinasiatische Katastrophe“ genannte militärische Niederlage kulminierte in der Zerstörung der Hafenstadt Smyrna am 13.9.1922. Dem Großbrand und den türkischen Gewalttätigkeiten fielen etwa 15.000 Flüchtlinge und Einwohner zum Opfer, darunter auch der Erzbischof Chrysostomos von Smyrna. Tausende versuchten per Schiff zu fliehen. Nach diesem Initialereignis setzte ein großer Flüchtlingsstrom über Land und über die Ägäische See ein. Die Friedensverhandlungen mündeten in den Lausanner Vertrag vom 24.7.1923. Zugleich wurde auf der Grundlage eines Papiers von Fridtjof Nansen, des damaligen Flüchtlingskommissars des Völkerbundes, ein Umsiedlungsabkommen vereinbart. Es sanktionierte rückwirkend die bereits durchgeführten Vertreibungen der Griechen aus Kleinasien sowie der Muslime vom hellenischen Festland und den Inseln in die Türkei und besiegelte die Zwangsaussiedlung und -ausbürgerung der noch verbliebenen religiösen Minderheiten. Um der nationalstaatlichen Logik und des „Friedens“ willen mussten beide Bevölke- Zentrum gegen Vertreibungen Wiesbaden http://erzwungenewege.z-g-v.de rungsgruppen, ohne jede Wahlmöglichkeit, ihre Wohngebiete – mit Ausnahme von Istanbul und Teilen Westthrakiens – aufgeben. Es folgte eine sich über Jahrzehnte erstreckende schwierige Integration der Flüchtlinge und Zwangsumgesiedelten. Die Megali Idea und der GriechischTürkische Krieg 1919-1921 Schon im 18. Jahrhundert entstand die Idee eines Groß-Griechenland, in dem nach antikem Vorbild die griechischen Siedlungsgebiete in Thrakien, Kleinasien und auf den Inseln in einem Nationalstaat vereint sein würden. Aufschwung erhielt diese Idee am Anfang des 20. Jahrhunderts durch den griechischen Regierungschef Elefthérios Venizelos, der nach den Eroberungen in den Balkankriegen 1912/ 1913 Kleinasien angliedern wollte. Forciert wurden die Ansprüche Venizelos’ durch den Sieg der Entente-Mächte im Ersten Weltkrieg, die im Vertrag von Sèvres 1920 weitgehende Gebietsaufteilungen Kleinasiens vornahmen. Im Auftrag der Alliierten besetzte die griechische Armee im Mai 1919 Smyrna und drang von dort weit ins anatolische Festland vor. Sie sicherte ihre Eroberungen durch Niederbrennen und Plündern der türkischen Dörfer. Sie stieß hier auf die militärische Gegenwehr der neuen türkischen Nationalbewegung unter General Mustafa Kemal, von denen die griechischen Verbände 1922 aus Kleinasien zurückgedrängt wurden. Dem militärischen Rückzug der Griechen folgte die Flucht großer Teile der christlichen Bevölkerung aus Kleinasien Der „Bevölkerungsaustausch” und das Lausanner Abkommen 1923 Der Griechisch-Türkische Krieg 1919-1922 hatte weitreichende Folgen für die politischdemographische Neuordnung in Griechenland und in der jungen Republik Türkei. 16 Die Hauptsiedlungsgebiete der Griechen in Kleinasien und der Türken in Griechenland bis 1922 sowie der Bevölkerungsaustausch von Muslimen aus Griechenland und Christen aus Kleinasien nach 1923. © Stefan Walter, Berlin Die Friedensverhandlungen der Alliierten mit der Türkei führten im Juli 1923 zum Lausanner Vertrag, der u. a. Gebietsregelungen und eine Konvention beinhaltete, die den Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei regeln sollte. Damit wurden die gegenseitigen Vertreibungen nachträglich legitimiert. Es wurden gemischte Kommissionen zur Beaufsichtigung des Austauschs einberufen. Nach Schätzungen des Völkerbundes waren insgesamt etwa 1.200.000 anatolische Griechen und etwa 356.000 griechische Muslime betroffen. Der Lausanner Vertrag setzte einen Schlusspunkt unter die ethnisch und religiös motivierten Vertreibungen und legitimierte das Streben der tür Smyrna Der ersten Flüchtlingswelle, welche die Kapitulation der Griechen im September 1922 im unmittelbaren Kriegsgeschehen begleitete, folgte von 1923 bis 1926 der nahezu vollständige Exodus der verbliebenen griechisch-orthodoxen Bevölkerung aus Kleinasien. 17 kischen Nationalisten nach einer Homogenisierung der Bevölkerung in Anatolien. Der Bevölkerungsaustausch war hauptsächlich entlang der religiösen Zugehörigkeit vollzogen worden. Andere Kriterien wie etwa die Sprache wurden weniger beachtet. Das führte in vielen Fällen zu Integrationsproblemen und zu gebrochenen Biographien: Viele der griechischen Muslime sprachen kaum Türkisch; ihnen waren die anatolischen Sitten zunächst ebenso fremd wie den orthodoxen Christen Kleinasiens das hellenische Festland. Die aus Kappadokien stammenden orthodoxen Karamanlides etwa sprachen Türkisch und schrieben es mit griechischen Buchstaben. Die Ansiedlung der Vertriebenen und Flüchtlinge Auf dem griechischen Festland wurden die „Mikrasiates“ vor allem im Umkreis der Großstädte Athen und Thessaloniki angesiedelt. Auf dem Land führten die Flüchtlinge neue Anbaumethoden (u. a. für Tabak und Baumwolle) und Hausbauweisen ein. In den Städten entstanden ganze Viertel in neuartiger Bauweise, z. B. Kalamaria in Thessaloniki oder Nea Smyrna in Athen. Die aus Griechenland ausgesiedelten Muslime konnten aufgrund ihrer geringeren Zahl relativ problemlos in die Türkei integriert werden. Sie wurden hauptsächlich auf die ländlichen Gebiete verteilt. Doch auch hier war aufgrund der kriegsbedingten Verwüstungen der Neuanfang schwer. Neben dem Flüchtlingsfonds des Völkerbundes halfen vor allem das Internationale Rote Kreuz und die American Relief Administration, die Infrastrukturen in den neuen Ansiedlungsgebieten aufzubauen. Die Megali Idea und ein Dorf wie Livisi Theo Schlag http://theo48.wordpress.com “Es kommt ein Punkt im Leben, wo jeder Überlebende sich fühlt wie ein Gespenst, das versäumt hat, im rechten Augenblick zu sterben.” Louis de Bernières Nachdem ich vor kurzem gelesen habe, daß ein Drittel aller Deutschen nicht wissen, in welchem Jahr die Berliner Mauer Richtung Westen geöffnet wurde, und daß noch mehr Bundesdeutsche die Jahreszahlen des I. bzw. II. Weltkrieges nicht nennen konnten, komme ich mir etwas weniger blöd vor als damals … in dem Moment, als ich im März 1986 zum ersten Mal in den skelettartigen Resten der Stadt Livisi (Kayaköy) südlich von Fethiye an der türkischen Ägäisküste stand. Vom griechisch-türkischen Krieg von 1922 wußte ich damals überhaupt nichts. Blick auf Livisi/Kayaköy von Südwesten Wir sollten uns doch mal diese “ghost town” oben auf dem Berg ansehen. Diese Stadt wurde früher nur von Griechen bewohnt, erzählte mir der türkische Campingplatz-Vermieter in Ölüdeniz. Aha. Und …? Wo sind die alle hin? Unser Vermieter hatte auch keine Ahnung. Er stamme ja auch gar nicht aus dieser Gegend hier, so entschuldigte er sich: “No idea. There was this exchange of people, once …” Keine Ahnung. So so. Schließlich hatte doch Kemal Atatürk dafür gesorgt, daß es in den türkischen Schulen einen gründlichen Geschichtsunterricht über die jüngste nationale Vergangenheit gab. Wenn es nicht gerade um 18 die Kurden oder Armenier ging. Aber das mit der Vertreibung der Griechen war doch bestimmt ein Thema, oder? 1864 kamen die Ionischen Inseln dazu, 1881 auf dem Festland die Provinz Thessalien und die gesamte Region von Arta. 1912 schlägt die bulgarisch-serbisch-griechische Allianz die Ottomanische Armee im Ersten Balkankrieg. Der Frieden in der Allianz dauert nicht lange, bereits 1913 vereinigen sich Griechen und Serben gegen die Bulgaren (Zweiter Balkankrieg). Griechenland wird wieder größer, Makedonien, das EpirusGebiet um Ioannina, Kreta und die ostägäischen Inseln kommen dazu. 1918 schlägt sich Griechenland etwas zögerlich auf die allierte Seite, kämpft dann gegen die mit Kaiser Wilhelm verbundenen Bulgaren an der makedonischen Front. Wieder wird Griechenland größer, im Vertrag von Sèvres von August 1920 fällt nun West-Thrakien an das Land, und für die Region Smyrna (aus dem inzwischen zerfallenen Osmanischen Reich) gibt es ein “vorläufiges” Mandat. Darüber soll später eine Volksabstimmung entscheiden. Tür der Taxicharis Kirche in Livisi / Kayaköy Die Volksabstimmung wollen die Griechen nicht abwarten. Das mit der Megali Idea (Μεγάλη Ιδέα) (alles, was mal byzantinisch war, soll nun nationalgriechisch werden) hat über die letzten Jahrzehnte so gut geklappt, jetzt wollen sie sich schnellstmöglich den Rest holen, die Gebiete am Schwarzen Meer, Kappadokien, die Stadt Konstantinopel … Die Griechen marschieren also in Anatolien ein. Aber die Türken unter General Mustafa Kemal (Atatürk) machen es wie zu den Zeiten, als Napoleons Armee locker quer durch die Weiten Rußlands marschierte, um dann kurz vor Moskau an mangelndem Rückhalt von hinten zusammenzubrechen! Die Türken lassen die Griechen zügig weit vorstoßen in Nordanatolien, und bremsen sie erst dort im August 1922 hart ab. Aber der griechische Nachschub ist noch längst nicht organisiert! Der Vormarsch der griechischen Front bricht zusammen, die Armee verliert innerhalb einer Woche ihre Waffen und ihre Euphorie, und flüchtet panikartig zurück zur Ägäisküste. Die Platz vor der Taxicharis-Kirche, 1986 noch völlig verwahrlost ALSO HIER EIN KURZER BLICK ZURÜCK: Das 1830 begründete Königreich Griechenland war noch sehr klein. Der Peloponnes, die Kykladen und das Festland bis zu einer Linie vom Golf von Arta (Ionisches Meer) bis zu den Sporaden (Ägäisches Meer) wurde vom Osmanischen Reich abgetrennt und war nun König Ottos Mini-Reich der Hellenen (1832, Vertrag von Konstantinopel). 19 sen, alle 500.000 Muslime das griechische Territorium. In Livisi lebten im Jahr 1914 noch mehr als 7000 Menschen in 3000 Häusern, zum größten Teil Griechen. (Man findet Angaben mit bis zu 25.000 Einwohnern, aber die beziehen sich vielleicht auf den ganzen Bezirk!) In Livisi gab es Schulen (auch für Mädchen), Ärzte und Geschäfte. Der Ort ist seit dem 13. Jahrhundert bekannt. Die Türken (die meist Landwirtschaft betrieben) wohnen unten im Tal, die Griechen (in Handel, Handwerk und Gewerbe aktiv) oben an den Hängen. Die Bezeichnungen Livisi und Kaya (Kayaköy, Kayakoyu) waren vor dem Bevölkerungsaustausch gleichberechtigt. Über die aus Livisi vertriebenen Griechen ist wenig bekannt. Die meisten haben sich still integriert. Sie sollen sich zum größten Teil in der Nähe des Golfs von Marathon niedergelassen haben, und zwar in der neugegründeten Ortschaft Nea Makri (Makri war der griechische Name von Fethiye, dem Nachbarschaftsort von Livisi). Barbaros Tanc hat (für eine Arbeit für die Universität Portsmouth, Quelle siehe ganz hinten) im Jahr 1999 noch einen aus Livisi stammenden griechischen Zeitzeugen in Piräus aufgetrieben, Nikandros Kepesi (geb. 1914), KKE-Mitglied, ELAS-Kämpfer, Vizepräsident der Griechischen Union der Widerstandskämpfer (PEAEA), Schriftsteller und Parlamentsmitglied. Kepesi hatte im Alter noch einmal den Ort aufgesucht, in dem er als Kind gelebt hatte. (Tanc hatte bei seiner Feldforschung von ihm im Café in Kayaköy erfahren.) Es hat Kepesi sehr erschüttert, vor den Trümmern des Hauses seiner Familie zu stehen, und dort, wo der alte Friedhof war und seine Mutter begraben wurde. Was ihn noch mehr irritierte, war, daß dieser unbewohnte Ort zu einem Touristenziel geworden war. (Beide Fotos GoogleEarth) An der Naheinstellung erkennt man den Unterschied zwischen dem landwirtschaftlich genutzten Tal und den Ruinen der Siedlung auf den Hängen (links von der Bildmitte: der TaxicharisKirchplatz). Katastrophe des brennenden (bis dahin griechisch dominierten) Smyrna, in dem sich die Flüchtlinge (mit und ohne Uniform) zusammendrängten, ist das Symbol, an das man sich heute noch erinnert. 1923 regelt der Vertrag von Lausanne die Folgen: Es soll ein Bevölkerungsaustausch stattfinden, alle 1.500.000 christlich-orthodoxen Griechen sollen die Türkei verlas- Tanc erinnert daran, daß zum Zeitpunkt des Bevölkerungsaustausches praktisch alle männlichen Griechen Livisi schon verlassen 20 “Heute erzählt man sich in Kayaköy, daß die Moslems aus Griechenland nicht in die verlassenen Häuser von Levissi ziehen wollten, weil es dort spuke. Inzwischen wird sogar Eintritt für die Besichtigung der toten Stadt verlangt. Der Wärter sitzt vor seinem kleinen Häuschen und hat ein geruhsames Leben. Wenn er seinen Blick über die Ruinen schweifen läßt, sagt er: “Das war wirklich überhaupt nicht gut, was den Menschen 1923 passiert ist.” Und dann hält er inne. “Anderseits kämen heute keine Touristen nach Kayaköy. So hat doch alles im Leben auch eine gute Seite.” Der Mann könnte glatt aus einem Roman von Louis de Bernières stammen.” (“Leben in der toten Stadt”, Iris Alanyali, welt-online 15.01.05) Das Cafe (der “Tea Garden”) in Kayaköy, 1987. Mehr als ein einziger Tisch ist nicht nötig. Aber es war vorsorglich schon mal etwas Platz für weitere Gäste betoniert. Tanc findet einen weiteren Zeitzeugen, Mehmet Gokce (geb. in Livisi 1909), der sich gerne an die Zeit vor 1922 erinnert, als Christen und Muslime noch friedlich gemeinsam im Ort wohnten. Sie vertrauten sich, halfen sich bei der Ernte, feierten gemeinsam (!) ihre religiösen Feste: “The muhacirs (Vertriebene aus Griechenland) burned the beautiful houses and destroyed the place while people from the surrounding villages and government watch them. Tax collectors and officials took all of the belongings of the orthodox Christians. We used to cultivate tobacco together, and everywhere there were beautiful grapes and figs. If Christians were still here, this place would be a paradise. …. We used to harvest together and visit each other in our religious festivities. There was trust then.” Fortschritt: Im Gegensatz zum Vorjahr durfte 1987 die Tochter des Wirts auch kellnern und kassieren. Gokce weiß noch von einem Besuch von exilierten Griechen etwa 25 Jahre nach der Vertreibung. Sie waren erstaunt über die sinnlosen Zerstörungen im verlassenen Ort, und darüber, daß die mittellosen Türken aus der Umgebung die Stadt nicht nutzen konnten. Die Griechen wußten nichts von Vandalismus, Brandstiftungen und Diebstählen bzw. von Beschlagnahmungen der Äcker durch örtliche Behörden, in der Regel zugunsten der Großgrundbesitzer. Und die nach Kayaköy verwiesenen muslimischen Flüchtlinge aus Makedonien wurden gewöhnlich mehr oder weniger subtil in der Ansiedlung behindert. hatten, um Repressionen zu entgehen. Jetzt wurden ihre Familien, ihre Frauen und Kinder, mit Gewalt vertrieben. Sie wurden nur mit dem, was sie tragen konnten (und ohne Wertgegenstände), zum Hafen gebracht. Alle Haushaltseinrichtungen mußten zurückbleiben. (Die Familien sollten später in Griechenland für den Wert der Häuser entschädigt werden. Die Schiffe transportierten sie zunächst auf die Insel Kea, und von da aus auf das griechische Festland.) In die leeren Häuser von Livisi sollten Muslime aus Makedonien ziehen. 21 Bevölkerungsaustausch im Dezember 1922 waren sie in Griechenland schon eingetroffen. Der Transport der Muslime aus Griechenland hinaus begann aber erst am 01.05.1923 – und dauerte acht Monate! In der Zwischenzeit hatte ein entvölkertes Dorf wie Livisi andere Interessen geweckt … einheimische Bauern übernahmen das freie Ackerland, Häuser wurden geplündert, korrupte lokale Behörden verschoben die Eigentumsverhältnisse. Als die Flüchtlinge aus Makedonien dann im Ort ankamen, standen sie vor großen Problemen. Sie waren meist Bauern aus dem makedonischen Flachland, die dort Weizen (!) angebaut hatten. In Livisi baute man jedoch Kayaköy, mitten im verlassenen Ort. Daß sich die vertriebenen Bauern aus Makedonien hier fürchteten, wundert einen nicht. Frühjahr 1987: Die alte Kirche zwischen den Äckern März 1986, die Felder an der Panagia Pyrgiotisas werden bestellt “Although Muslim refugees from Greece left in an orderly way, the property that they had expected to occupy (houses and land vacated by the Orthodox Greeks) had been occupied by other Turks or destroyed. Many refugees as a result found themselves without food, clothing and shelter.” (Barbaros Tanc). Der Bevölkerungsaustausch hatte große Schwierigkeiten, in beiden Richtungen: Die 1.5 Millionen oft völlig mittellosen Vertriebenen bedeuteten für den Staat Griechenland mit seinen damals 4,5 Millionen (!) Einwohnern eine riesengroße Belastung. Es kam auch noch die Übergangszeit und die Koordinationsschwierigkeiten der beiden verfeindeten Staaten als Problem dazu: Die meisten orthodox-christlichen Griechen haben Anatolien in kürzester Zeit verlassen, meist schnell nach dem Fall von Smyrna am 09.09.1922. Spätestens beim Vertragsabschluß über den Die Dimensionen der Kirche erinnern an eine größere orthodoxe Gemeinde 22 Oliven, Feigen, Wein und Tabak an! Und es gab schließlich wenig freies Land, das die Griechen zurückgelassen hatten! Die Griechen von Livisi waren ja meist keine Bauern, sondern Händler, Lehrer, Handwerker! Die Differenzen zwischen den alteingesessenen türkischen Einwohnern des Ortes und den aus Griechenland Vertriebenen waren also erheblich. Viele der enttäuschten Vertriebenen verließen Karaköy nach kurzer Zeit. Und ließen Geschichten zurück über den “Spuk” in den verlassenen Häusern … 1986/1987 wohnten nach meiner Einschätzung tatsächlich höchstens ein gutes Dutzend Bauernfamilien in den Tal-Lagen des “Spukortes”. Es war schwer zu schätzen … genutzte und ungenutzte Häuser unterschieden sich oft nur geringfügig. Die Bauern waren bitterarm. (Heute sollen dort 600 Personen sein.) Und die einzige Infrastruktur war der Stadtbrunnen und eine äußerst schlicht eingerichtete Teestube. Ansonsten herrschte ländliche Stille. Kein einziges Auto. In der Kirche Panagia Pygiotisas tauchten 1987 jedoch plötzlich einige Bauarbeiter auf, denen ich damals eher zugetraut hätte, illegal die letzte Reste der Inneneinrichtung zu demontieren, statt sie zu restaurieren. Wahrscheinlich haben sie Touristen wie uns ja auch für potentielle Plünderer gehalten … Heute steht Kayaköy (Livisi) unter Denkmalschutz. Die UNESCO hat Kayaköy zum “World Friendship And Peace Village” erklärt. Es gibt übernationale Einrichtungen, die dort aktiv sind, und ebenfalls ein Museum. Und es hat sich sogar eine Art Kayaköy-Ausflugstou- Nur ein tradionelles Lokal in Karaköy 1986, aber auf Touristen war man schon eingestellt: Nach links bitte! rismus entwickelt, der in der Stadt sogar ein paar “traditionelle” Restaurants und ein paar Läden unterhält. Louis De Bernières (der Autor von “Corellis Mandoline”) hat sich von Kayaköy für seinen Roman “Birds Without Wings” (Traum aus Stein und Federn, 2005) inspirieren lassen. Der Ort ist das Vorbild für das Dorf Eskibahce in seinem Buch: “(…) the town of Eskibahce, whose Greek name in the Byzantine age was ‘Paleoperiboli’, slumbers on in death, without an epitaph, and with no one to remeber it. When the town was alive, the walls of the houses were rendered with mortar and painted jaintily in dark shades of pink. Its steets were so narrow as to be more like alleyways, but there was no oppressive sense of disclosure, since the buildings were stacked up one slope of the valley, so that every dwelling received light and air. In truth, the town seemed to have been marvellously designed by some ancient genius whose name has been lost, and there was probably no other place like it in all of Lydia, Caria or Lycia.” aus: Louis de Bernières, Birds Without Wings, (7) The Dog. Die wichtigste Quelle für diesen Text: Barbaros Tanc “Where local trumps national: Christian orthodox and Muslim refugees since Lausanne”, in Balkanologie, Vol. V, Nr. 1-2, Dezember 2001: http://balkanologie.revues.org/index732.html … aber plötzlich ist die Totenstille in der Ruine vorbei: Bauarbeiter! 23 Keine Frauen auf dem heiligen Berg Athos Griechenland weist Forderungen des Weltkirchenrats zurück Es bleibt dabei: Frauen sollen auch in Zukunft, wie seit fast tausend Jahren, keinen Zutritt zum Heiligen Berg Athos haben, der autonomen Klosterrepublik auf der nordgriechischen Halbinsel Chalkidiki. Das bekräftigte am Wochenende die Verwaltung des Agion Oros, wie der Athos von den griechisch Orthodoxen genannt wird. Sie reagierte damit auf Medienberichte, wonach der Weltkirchenrat beschlossen habe, das Zutrittsverbot aufzuheben. Dem Weltkirchenrat gehören rund 350 christliche Kirchen aus aller Welt an. Der Weltkirchenrat sei zwar eine „angesehene Institution“, erklärte Aristos Kasmiroglou, der von der griechischen Regierung eingesetzte zivile Verwaltungschef der Klosterrepublik. Über eine autonome Region Griechenlands könne der Weltkirchenrat aber nicht befinden. Das „Avaton“ („unbetreten“), wie das Verbot für Frauen auf dem Heiligen Berg genannt wird, geht zurück ins Jahr 1060. Damals schrieb der Kaiser von Byzanz diese Regelung in einer Goldenen Bulle fest. Sogar die osmanischen Besatzer, die Griechenland im 15. Jahrhundert eroberten und fast vierhundert Jahre lang beherrschten, respektierten die Autonomie des Athos und ließen die Klöster unangetastet. Auch die EU, der Griechenland 1981 beitrat, erkennt den Sonderstatus der Mönchsrepublik an. Er ist in der Verfassung Griechenlands und im Schengener Abkommen festgeschrieben. Gerd Höhler in der Griechenlandzeitung vom 6.8.12014 Jahrhunderten hernach gründeten auch russische, bulgarische, georgische und serbische Mönche Klöster auf dem Heiligen Berg. Heute gibt es 20 Großklöster auf dem Athos. Sie gehören zum Weltkulturerbe der Unesco. Die etwa 2500 Mönche führen ein weltabgewandtes, ganz dem Glauben gewidmetes Leben. Auf dem Athos gehen die Uhren anders. Der Tag endet nicht um Mitternacht, er beginnt bei Sonnenuntergang. Dann ist es auf dem Heiligen Berg null Uhr. Die Mönche folgen dem julianischen Kalender. Das bedeutet eine Differenz von 13 Tagen zum gregorianischen Kalender, der um 1580 in Westeuropa eingeführt wurde. Die Mönchsrepublik ist für männliche Pilger zugänglich, die dazu jedoch eine Genehmigung benötigen. Man bekommt sie in einer Vertretung der Mönchsrepublik in der Stadt Thessaloniki. Normalerweise erhalten auch Touristen problemlos die Anerkennung als „Pilger“. Dass Frauen der Zutritt verboten ist, sorgte in den vergangenen Jahren immer wieder für Kontroversen. Offiziell wird das Avaton damit begründet, dass damit Maria, die Mutter Jesu, geehrt werden solle. Ihr ist der Heilige Berg gewidmet. Sogar Ausflugsboote müssen mindestens 500 Meter Abstand von der Küste des Athos halten, wenn Frauen an Bord sind. Bereits 2003 forderte das Europaparlament eine Abschaffung des Avaton – ohne Erfolg. Hartnäckig halten sich allerdings Gerüchte, dass es schon mehrfach Frauen gelungen sein soll, in Männerkleidern den Athos zu betreten. Das erste Kloster auf dem Agion Oros wurde schon im Jahr 963 von einem byzantinischen Mönch gegründet. In den Jahrzehnten und 24 Sougia – ein Dorf auf Kreta Am letzten Urlaubstag kommen wir nach Sougia am Lybischen Meer. Der Ort selbst hat viel von seiner alten Schönheit eingebüßt, ist kaum noch wieder zu erkennen, hat fast nichts mehr gemein mit dem, was ich hier vor 35 Jahren sah. Doch seine Einrahmung in die Landschaft ist die gleiche geblieben: Ein langer Strand, ein wenig Sand und viele Kieselsteine, Steilküste nach Osten hin bis zum Horizont. Unterhalb dieser Steilküste keine Öffnung gen Süden, als wolle Kreta, die Heimat der ersten Hochkultur auf europäischem Boden, mit dem gegenüberliegenden Afrika nichts zu tun haben. Klaus Bötig, 27.4. 2013 www.klaus-boetig.de Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Und wenn es dann dunkel wurde, saßen die Schiffer in den Tavernen und erzählten von dem, was die meisten Menschen Südkretas noch nie in ihrem Leben gesehen hatten: von der übrigen Welt, der hinter den Bergen und der jenseits des Meeres. Aber der Grund dafür ist keine Kultur-Arroganz. Die Natur hat alles vorgegeben. Hier an der Südküste gibt es nur ganz wenige Küstenorte - Paleochora, Sougia, Agia Roumeli, Loutro, Chora Sfakio. Als es noch kein dichtes Straßennetz auf Kreta gab, als die hohen Berggipfel noch natürliche Grenzen zwischen Nord und Süd waren, waren sie die Tore zur Welt für die Bergdörfer im Süden Kretas. Doch die übrige Welt lag weit entfernt. Die kleinen Schiffe, die kamen, konnten sich nur an den griechischen Küsten entlang der griechischen Inseln bis in den Süden Kretas vorwagen. Frachtensegler trafen aus Piräus ein, beladen mit allen Gütern, die die große Welt und die griechische Hauptstadt zu bieten hatte. Sie fuhren nicht leer zurück, nahmen die Produkte mit, die die Bauern auf ihren Feldern angebaut, in ihren Häusern genäht, geschnitzt und gewebt hatten. Dadurch waren diese kleinen Orte an der Südküste Kretas wahre Marktplätze, Tag und Nacht geöffnet, denn Schiffe kamen, solange es hell war, von Als ich vor 30 Jahren zum ersten Mal in Sougia war, da zeigten mir die Dorfbewohner noch die alten Kaschemmen, in denen die Fässer standen, in denen Bauern, Matrosen und Kapitäne zusammen Wein tranken. Sie zeigten mir die Keller, in denen die landwirtschaftlichen Produkte lagerten, bis sie von einem der seefahrenden Händler gekauft wurden. Und es gab noch viele Menschen, die jene Zeiten erlebt hatten. Die Straße – Erfolg des Fortschritts – hat hier in Sougia alles verändert. Bedauern mag ich das nicht. Denn: wären wir ohne diese Straße je nach Sougia gelangt? Hätte ich ohne diese Straße jemals von Sougia’s Vergangenheit erfahren? Sicherlich nicht. Alles hat eben seine Zeit und wenn sie vorüber ist, tritt anderes an ihre Stelle. Der Text ist ein Auszug aus meinem Buch „Tage auf Kreta“. Wer Lust hat, kann es auf www.tageaufkreta kostenlos ganz durchblättern (und auch bestellen). 25 Langsamer Abschied von der Zykladeninsel Milos Kurt Schneider Sommer 2014 Über zwanzig Jahre lang hatten wir jeden Sommer, seit der Pensionierung immer mehrere Monate auf unserem schönen "Anwesen" hoch über dem Meerbusen von Milos verbracht, in kato Tripiti. Neben den vielen deutschen Bekannten zu denen der Kontakt sich "wie von selbst" ergeben hatte, waren auch viele der einfachen Bauern, Fischer und Handwerker unsere Freunde geworden. Wir freuten uns jedes Jahr erneut auf ein Wiedersehen, auf all die Geschichten von Kindern und Kindeskindern - kurz, sie Alle waren, ungeachtet aller sprachlichen und kulturellen Schwierigkeiten, ein wichtiger Teil "unserer Familie" geworden. Auch während der Wintermonate blieben wir im Kontakt, beim Austausch über Weihnachtskarten und Ostertelefonate. Doch das Alter rückte vor, die Hin- und vor allem die Ungewissheiten bei der Rückreise erlebten wir als zunehmend beschwerlicher; einmal auf der Insel belastete das viele Treppen auf und ab mit Alltagsgütern die arthrotischen Gelenke. Vor vier Jahren haben wir deshalb alles verkauft. Wer sehen möchte, was wir aufgegeben haben, kann dies auf der Webseite unserer französischen Nachfolgerin (www.venusdemiloslamaison.com) nachsehen: es war ein Traum. Dieses Jahr haben wir auch noch die gemietete Wohnung aufgegeben.... Etsi ine.... Als Abschied und auch als Dank für alles was wir von den Hellasfreunden und insbesondere auch von Fred Wyss in den vergangenen Jahren an Bereicherung erhalten haben, sollen drei kurze Geschichten einen kleinen Eindruck davon geben, wie gross das Spektrum der griechischen Erlebnisse gewesen ist und wie zwiespältig unsere Erinnerungen an "Griechenland" sein weden .... Aktenzeichen ungelöst; die tragische Geschichte einer Sucherin nach dem Paradies auf Erden. Wir hatten die grazile Mittvierzigerin, braungebrannt, flink wie eine Gazelle und geradezu verzweifelt unabhängig sein wollend, vor rund zehn Jahren kennen gelernt. Sie war Aussteigerin aus einem englischen Grossstadt Milieu, eine Künstlerin, die mit wunderschön gemalten Ansichten von milotischen Siedlungen und Landschaften einen 12-seitigen Jahreskalender gestaltet hatte, in der Hoffnung, damit ihre finanziell äusserst prekäre Situation zu verbessern. Sie lebte auf dem absoluten Existenzminimum, hatte sich auf einem alten Lastwagenfahrgestell eine Einzimmerwohnung „Trochospito" erbaut, oben auf einem pittoresken Hügel mit weiter Sicht auf Profitis Ilias, die Ebene des Flugplatzes und den Ostteil der Insel; mitten in der verlassensten Wacholderlandschaft, die man sich vorstellen kann. Das von ihr käuflich erworbe- ne Grundstück hatte sie mit grossem Fleiss in einen bewässerten Garten Eden mit Feigenund Olivenbäumen verwandelt. Ein Hund, eine Katze und mehrere Hühner leisteten ihr über das ganze Jahr hinweg Gesellschaft. Sie lebte das scheinbar glückliche Leben einer völligen Aussenseiterin. Sie bediente sich vom Überfluss der vielen verlassenen Felder. Manchmal erhielt sie auch Geschenke von benachbarten Grundbesitzern, welche die vernachlässigten Äcker kaum benutzten. Als Höhepunkt ihres Komforts hatte sie sich im letzten Jahr zwei Wassertanks und einen Sonnenkollektor zur winterlichen Warmwasseraufbereitung geleistet. Dann das Unerwartete: Vor Wintereinbruch mietete sie sich ein kleines Auto und verschwand damit auf Nimmerwiedersehen. Hatte sie die Einsamkeit nicht mehr ertragen? 26 Gar die hereinbrechende Krise kommen sehen? Das Mietauto verkauft, um sich endlich wieder einmal "etwas leisten zu können"? Eine Tafel beim Eingang zu ihrem Grundstück liest sich wie aus einem Kriminalroman: Das Betreten wird ausdrücklich verboten und mit Aufnahmen von einer versteckten Kamera gedroht. Ein halbes Jahr später wurde das total demolierte Mietauto irgendwo in Piräus gefunden; von der vermissten Frau fehlt unseres Wissens jede Spur. In der benachbarten einsamen Ag. Dimitrios Kapelle, haben wir für sie und für uns, eine Kerze gestiftet. Wir sind immer noch betroffen und denken oft an sie. Vernachlässigtes Kulturgut. Ein milotisch- griechisch- menschliches Dauerthema. Denn auch das Neue fordert seinen Platz. Waren es schon die Römer oder erst viel später die Veneter oder gar erst die Osmanen ... jedenfalls legten sie viele Kilometer lange zum Teil mit grossen Pflastersteinen bedeckte Eselswege an, welche die verschiedenen Landeplätze an der Küste des Golfes mit den höher gelegenen Siedlungen verbunden haben. Heute, wo ausser auf der kleineren Nachbarinsel Kimolos, deren ausgedehnte Pfade noch immer zum Wandern einladen, alles per Moped und Auto erreichbar sein muss, sind diese alten Wege weitgehend von Dornengestrüpp überwuchert und kaum mehr begehbar. Insbesondere im Gebiet nordwestlich der alten Venezianer-Hauptstadt Plaka, dort wo die Römer eine ausgedehnte Stadt mit Amphitheater samt Louvrekostbarkeit Venus von Milos hinterlassen haben und wo nach unserem Empfinden ein mit zyklopischen Steinblöcken übersäter "Nationalpark" sein sollte, haben wir über viele Jahre versucht mit Rodungsaktionen einen Teil der alten Pfade zu erhalten. Vergeblich. Die Behörden haben es sogar zugelassen, dass wunderschön gepflasterte Antikenpfade von neuen Anlegern überbetoniert worden sind. Einzig der Weg von der Kapelle des kleinen Profitis Elias hinunter nach Tramythia, vorbei an den auch von C.G.Jung erwähnten Resten des alten Heiligtums, wird jedes Jahr - zu Ehren des heiligen Nikolaos, des Beschützers der Fischer und Schiffsleute - in Stand gehalten. rand von Tripiti, gerade bevor die Strasse hinunter nach Karodromos geht. Dieser Weg wäre gleichzeitig die kürzeste Verbindung hinunter zur Hafenstadt Adamas. Die mehrere Hundert alten und jungen (!) Bewohner der umliegenden Siedlung ziehen es allerdings vor, falls überhaupt zu Fuss, dann den Weg entlang der mühseligen und gefährlichen Strasse zu gehen; zumindest für Touristen müsste dieser romantische Pfad unbedingt ausgeschildert und instand gehalten werden... Im Frühjahr wenn Felder und Hügel mit gelbrot-blauen Blumen geschmückt sind, ist diese Kurzwanderung besonders eindrücklich: Nachdem wir vom östlichsten/untersten Zipfel von Tripiti kato herkommend die Umfassungsmauern eines stattlichen Anwesens umgangen und uns durch mehrere Meter Gebüsch durchgekämpft haben, vorzugsweise mit Stock und und festem Schuhwerk ausgerüstet, denn es gibt hier wirklich Schlangen und zwar immer wieder auch Ochia/Vipern, gelangen wir auf einen weiteren, von Westen her kommenden alten Saum-Höhenpfad. Dieser stellenweise tief aus dem Sandstein herausgehauene und streckenweise gepflastert Weg verläuft für längere Zeit horizontal nach Südosten. Die Aussicht hinunter ins Tal und hinüber zum Gegenhang offenbart eine vielseitig bewirtschaftete Landschaft mit Olivenhainen, Getreide- Äckern und Bienenhäusern. Wie für Milos typisch, treffen wir immer wieder auf vielfarbig verwitternde kahle Felsformattonen. Zeugen uralter vulkanischer Aktivitäten. Bevor sich der Weg im felsigen Steilhang verliert, mündet nördlich von Karodromos her kommend ein gepflasterter Weg ein. Ein weiterer dieser vernachlässigten Eselspfade ist für Kurzbesucher von Tripiti kato begehenswert. Er beginnt am östlichen Dorf27 Dann in der Tiefe die abrupte Neuzeit: Eine vor rund zehn Jahren gebaute Kläranlage mit grossem Zufahrtsweg für Tanklaster. Dort, wo von der nahen Ag. Iouliani ein weiterer alter Pfad einmündet, ging es bis zum Bau der Anlage weiter im idyllischen, mit Schilfgürteln gesäumten .Fluss"- Tal nach Adamas. Jetzt ist der Weg vollständig mit Schutt und Baum- resten blockiert; kein Wegweiser, nichts. Auf einem gewagten Umweg, über gepflügte Olivenfelder. gelangen wir nach ungefähr 200 Metern wieder hinunter ins ausgetrocknete Flussbett dort wo zwischen hohen rötlichen Steinmauern der "alte Saumpfad" nach Adamas führt. Es gibt sie noch, die "alte griechische Gastfreundschaft". Auch im Zeitalter der e-Kommunikation Über Jahre hatten wir immer wieder, dank Computerfreaks und lokalen Händlern unseren Laptop per OTE und andere Anbieter ans weltweite Netz angepasst und damit die Verbindung zum Rest der Welt aufrecht erhalten. Gleichwohl - weil wir selber immer weniger Schritt halten konnten und weil sich nach unserem Empfinden die Entwicklung immer rasanter vorwärts bewegte - gerieten wir immer mehr "ins Trudeln", neue Modems, WLan und wie die Neuerungen alle heissen, wuchsen uns über den Kopf, unsere Hilflosigkeit endete beinahe in Panikzuständen. In einer Zeit, wo die griechische Post immer weniger zu funktionieren schien, Fähren und Flüge plötzlich streikten, die politische Entwicklung chaotischer und der Zugang zu den griechischen Banken sowohl für Einheimische als auch für uns Ausländer zunehmend unsicherer wurde, erschien es uns bei einem längeren Aufenthalt angebracht, zu "wissen, was draussen so alles läuft". Gelegentlich hatten wir auch die Dienste des Internetkaffees in Anspruch genommen. Sein geradezu diabolisch verwegen aussehender Betreiber hatte uns grosszügig und eigentlich gegen sein eigenes Interesse bei Hausbesuchen unterstützt. Inzwischen musste er aber seinen Laden mit immerhin einem Dutzend PCs dicht machen; die Touristen sparten nicht nur beim Essen in den Tavernen ganz abgesehen davon war ja auch Jedermann per iPhone und WLan direkt im www. Nur wir hatten immer noch unseren alten "Ferien-Laptop" vom Anfang der Nullerjahre. Sollten wir noch extra ein neues Modell kaufen, ausgerüstet mit den vielen neuen Updates und Technologien? Doch Hilfe kommt ausgerechnet wieder von unserem Dimitri. Er setzte sein ganzes technisches Knowhow, inklusive Einsatz von persönlichem Spezialmodem und Programmierkunst ein, um den Empfang von einem nahen WLan Gerät zu ermöglichen. In seiner kargen Freizeit; denn inzwischen musste er in der elterlichen Taverne als Kellner für seine Existenzsicherung sorgen. All das ohne jedes Entgelt! Das hätte er nie zugelassen. Wir sind gute Freunde geworden. Nicht vergessen werden wir auch die beiden Brüder, ehemalige gute Nachbarn, welche nach dem unerwarteten Tod ihrer Mutter erstaunlich gut mit ihrem Haushalt, mit ihren Hühnern, Hunden, Tomatenfeldern und Pflanzplätzen zurechtkamen. Und das alles neben Ihrer Arbeit bei der Bergbaufirma respektive der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft. Nicht nur waren wir immer in telefonischer Verbindung, sie liessen es sich all die Jahre nie nehmen uns mit Feldfrüchten, Pelté (Tomatenmark) und selbstgefangenen RofosFischen zu verwöhnen. Und dann ist auch noch die Familie unseres Maurers, der inzwischen wieder seinem Sohn beim kargen Fischen mithilft. Sie Alle werden Freunde bleiben; noch immer haben wir zwei Koffern mit Kleidern und Kochsachen bei Ihnen im Keller. Wer weiss, vielleicht kehren wir doch wieder einmal zurück .... 28 50 Jahre «Schweizerische archäologische Ausgrabungen in Griechenland» Quelle: Newsletter des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation SBFI Entdeckungsreiche griechisch-schweizerische Partnerschaft Seit 1964 erforschen Schweizer Archäologen die Reste der antiken Stadt Eretria auf der griechischen Insel Euböa. Mitte Mai 2014 fand im Rahmen des 50-jährigen Jubiläums der ersten schweizerischen Ausgrabungen in Eretria eine Feier in Athen statt, an der auch Staatssekretär Mauro Dell’Ambrogio teilnahm. An den Ausgrabungsstätten in Eretria traf er zudem mit dem griechischen Staatspräsidenten Karolos Papoulias zusammen und führte Gespräche mit hochrangigen Vertretern des Kulturministeriums. Eretria ist eine Stadt an der Westküste der griechischen Insel Euböa. Diese ist nach Kreta die zweitgrösste Insel und liegt in der Region Mittelgriechenland (Sterea Ellada). Handelsmacht und Kulturzentrum Die reiche Geschichte Eretrias beginnt in der Bronzezeit. Eine erste Blütezeit erlebte Eretria im 8. und 7. Jahrhundert v. Chr., wo sie zu den ersten Städten zählte, die Kolonien gründeten, Handel im Mittelmeerraum trieben und dadurch den kulturellen Austausch zwischen West und Ost förderten. Wegen der Teilnahme am Ionischen Aufstand wurden die Tempel Eretrias 490 v. Chr. von den Persern zerstört. In der klassischen und hellenistischen Zeit blieb Eretria ein wichtiger StadtStaat (polis), dessen Territorium ein Drittel Euböas umfasste. In dieser Zeit entstanden unter anderem zahlreiche herrschaftliche Häuser. 198 v. Chr. und wahrscheinlich wieder im Jahr 88 v. Chr. wurde Eretria von den Römern zerstört. Die jüngsten schweizerischen Ausgrabungen haben jedoch gezeigt, dass Eretria in der Kaiserzeit (1. bis 3. Jahrhundert n.Chr.) erneut eine gewisse Prosperität erlangt hatte. Letzte Spuren des antiken Eretrias finden sich aus dem 6. Jahrhundert n. Chr. Die Ecole suisse d’archéologie en Grèce (ESAG) ist das einzige permanente archäologische Institut der Schweiz im Ausland. In Griechenland verfügt die Schule unter anderem über ein Grabungshaus in Eretria. Bilder: zVg antiken Stadt. 1975 wurde diese schweizerische archäologische Mission als «Schweizerische Archäologische Schule in Griechenland» (Ecole suisse d’archéologie en Grèce, ESAG) offiziell vom griechischen Staat anerkannt. Die ESAG ist das einzige permanente archäologische Institut der Schweiz im Ausland. In Griechenland verfügt die Schule über ein Institut in Athen sowie über ein Grabungshaus in Eretria. Der Schweizer Sitz der ESAG befindet sich an der Universität Lausanne. Direktor der Schule ist seit 2007 Karl Reber, Professor für Klassische Archäologie an der Universität Lausanne. Als Forschungsinstitut trägt die ESAG zur Förderung des akademischen Nachwuchses bei. Studierende von Schweizer Universitäten haben jedes Jahr die Möglichkeit, an den Grabungen und Forschungen in Eretria teilzunehmen. Besonderheit in der archäologischen Forschung Die Ausgrabungen des antiken Eretria wurden Ende des 19. Jahrhunderts begonnen. Seit 1964 erforschen Schweizer Archäologen in Zusammenarbeit mit den griechischen archäologischen Behörden die Reste der 29 tung der Schweizerischen Archäologischen Schule in Griechenland die vom Bund unterstützten schweizerischen archäologischen Forschungen im Ausland. Sie ist dabei eine von vier vom Bund im Bereich der Archäologie geförderten Stiftungen. Neben ihr werden auch die «Schweizerisch-Liechtensteinische Stiftung für archäologische Forschungen im Ausland», die «Hardt Stiftung für Studien des klassischen Altertums» und die «Stiftung Kerma», welche die schweizerische archäologische Mission in Kerma (Sudan) unterstützt, gefördert. Die Unterstützung des Bundes stärkt die Vernetzung innerhalb der Schweiz und eröffnet Projekten, die den Exzellenzkriterien genügen, neue, kompetitiv ausgerichtete Finanzierungsmöglichkeiten über den Schweizerischen Nationalfonds (SNF). Während die Forschungskosten von SNF und Privaten (Stiftungen, Unternehmen, Einzelgönner) übernommen werden können, hängt die Nachhaltigkeit dieser Missionen von der Unterstützung öffentlicher Träger ab. Jede dieser Stiftungen erfüllt einen Bildungs-, Forschungs- und Wertschöpfungsauftrag und kümmert sich um die Publikation der daraus hervorgehenden Resultate. Alle Führungspersonen (Vorsitzende, Vize-Vorsitzende und Direktoren) erfüllen ihren Auftrag unentgeltlich. An den Jubiläumsfeierlichkeiten nahmen auch AltBundesrat Pascal Couchepin, Stiftungspräsident der ESAG, sowie Staatssekretär Mauro Dell'Ambrogio teil. Im Rahmen der Feierlichkeiten des 50-jährigen Jubiläums der ersten schweizerischen Ausgrabungen in Eretria besuchte der griechische Staatspräsident Karolos Papoulias die Ausgrabungsstätten in Eretria. Er begrüsste unter anderem Professor Pierre Ducrey, ehemaliger Direktor der ESAG. Im Jahr 2010 wurde eine externe Evaluation durchgeführt, welche die wissenschaftliche Qualität der Arbeiten, ihre Reputation und den Beitrag der schweizerischen Archäologie zur wissenschaftlichen Ausstrahlung der Schweiz im Ausland unter Beweis stellte. Diese Resultate wurden trotz eines sehr bescheidenen Mitteleinsatzes erzielt. Professor Karl Reber, Direktor der ESAG, erläutert dem griechischen Staatspräsidenten Karolos Papoulias das Modell des Hauses mit den Mosaiken aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. Kontakt Roger Swifcz, SBFI Wissenschaftlicher Berater Abteilung Internationale Beziehungen Tel. +41 58 462 48 81 roger.swifcz@sbfi.admin.ch Unterstützung durch den Bund Der Bund fördert die Schweizer Archäologie im Ausland in den Jahren 2013-2016 im Rahmen der Botschaft über Bildung, Forschung und Innovation (BFI-Botschaft) mit einem jährlichen Beitrag von insgesamt rund 850000 Franken. Seit 2008 koordiniert die von AltBundesrat Pascal Couchepin präsidierte Stif- Weitere Informationen Schweizerische Archäologische Schule in Griechenland: www.unil.ch/esag 30 Auf der Suche nach dem Heiligtum der Artemis Amarysia Interview mit Prof. Karl Reber Direktor der Ecole suisse d’archéologie en Grèce (ESAG) «Mit den Ausgrabungen und Forschungen in Eretria haben sich die Schweizer Archäologinnen und Archäologen ein hochstehendes, internationales Renommee geschaffen», sagt Karl Reber. Er ist Professor für klassische Archäologie an der Universität Lausanne und Direktor der Ecole suisse d’archéologie en Grèce (ESAG). Gerade in Athen, der «Hochburg» der klassischen Archäologie, wo heute insgesamt 17 ausländische archäologische Institute ansässig sind, sei es wichtig, dass die Schweizer Archäologie gut vertreten sei. Die Aktivitäten der ESAG konzentrieren sich zur Zeit auf die Erforschung des Gymnasions und des bedeutendsten extra-urbanen Heiligtums der Stadt. Welches sind die wichtigsten Erkenntnisse, die Schweizer Archäologinnen und Archäologen in den letzten 50 Jahren in Eretria gewonnen haben? Diese Frage lässt sich so schnell nicht beantworten, denn in den vergangenen 50 Jahren haben die Schweizer Archäologinnen und Archäologen enorm viele neue Erkenntnisse zum Leben in einer antiken Stadt in allen verschiedenen Facetten gesammelt. Sehr intensiv ist die Schweizer Forschung der Frage nachgegangen, wie der Gründungsprozess der Stadt im 8. Jh. v. Chr. verlief. Eretria entwickelte sich sehr schnell zu einer der bedeutendsten griechischen Städte, die nicht nur im Mittelmeerhandel aktiv war, sondern auch zu den ersten griechischen Städten gehörte, welche Kolonien in Italien gründeten. Funde von Schriftzeichen auf Vasenscherben lassen vermuten, dass Eretria auch eine zentrale Rolle in der Entwicklung und Verbreitung der griechischen Alphabetschrift gespielt hatte. Karl Reber, Professor für klassische Archäologie an der Universität Lausanne und Direktor der Ecole suisse d’archéologie en Grèce (ESAG). sind nicht nur in den 22 Bänden der Reihe «Eretria, Ausgrabungen und Forschungen» nach wissenschaftlichen Kriterien publiziert, sondern auch in dem reichhaltigen Katalog zusammengefasst, welcher die grosse Ausstellung im Athener Nationalmuseum und im Antikenmuseum Basel in den Jahren 20102011 begleitet hatte. Die ESAG ist auch eine der führenden Institutionen in der antiken Wohnraum-Forschung, oder in der Erforschung des Territoriums der Stadt Eretria, das mittlerweile zu den am besten untersuchten antiken Stadtgebieten zählt. In den jüngsten Grabungen wurden wir erstmals in grösserem Mass mit Befunden aus der römischen Zeit konfrontiert, welche uns gezeigt haben, dass Eretria entgegen früherer Annahmen sicher bis ins 3. Jh. n. Chr. eine gewisse Blütezeit erlebt hatte. Die Liste liesse sich beliebig fortführen. Alle unsere bisherigen Forschungsergebnisse Weshalb sind die Ausgrabungen in Eretria wichtig für die Schweizer Forschung? Die Schweizerische Archäologische Schule in Griechenland ist das einzige, permanente archäologische Institut der Schweiz im Ausland. Mit den Ausgrabungen und Forschungen in Eretria haben sich die Schweizer Archäologinnen und Archäologen ein hochstehendes, internationales Renommee geschaffen. Gerade in Athen, der «Hochburg» der Klassischen Archäologie, wo heute insgesamt 17 31 ausländische archäologische Institute ansässig sind, ist es wichtig, dass die Schweizer Archäologie gut vertreten ist. Den Studierenden und jüngeren Archäologinnen und Archäologen bietet sich so die Möglichkeit, erste praktische Erfahrungen zu sammeln und im Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen der anderen Institute ein wissenschaftliches Netzwerk aufzubauen. Viele der heute etablierten Schweizer Archäologinnen und Archäologen haben ihre Karrieren auf den schweizerischen Ausgrabungen in Eretria begonnen. Nicht zu vergessen ist, dass sich durch die Präsenz der Schweizer Archäologinnen und Archäologen ein reger kultureller Austausch zwischen Griechenland und der Schweiz ergibt. durch ein gutes «Fundament» mitbringen. Auf wissenschaftlicher Ebene findet immer wieder ein gegenseitiger Austausch statt, wenn es etwa um Themen geht, welche beide Kulturbereiche berühren (wie beispielsweise römische Wandmalereien). An der Universität Lausanne, an der ich unterrichte, werden die Studierenden gleichzeitig in klassischer und provinzialrömischer Archäologie ausgebildet, wodurch ihnen ein breites Spektrum an Wissen vermittelt wird, das sie sich in ihrem späteren Berufsleben zu Nutze machen können. Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit mit Griechenland? Generell gesehen haben wir eine ausgezeichnete Zusammenarbeit mit unseren griechischen Kolleginnen und Kollegen und mit den lokalen Behörden. Diese basiert auf gegenseitigem Respekt und Vertrauen. Wie sehr diese Eigenschaften geschätzt werden, zeigt sich auch daran, dass griechische Kollegen unsere Schweizer Archäologen immer wieder zu gemeinsamen Forschungsprojekten einladen. Die Schweizer Archäologen fügen sich sehr gerne in den mediterranen Lebensstil ein, was wiederum von unseren Gastgebern geschätzt wird. Die sprichwörtliche Gastfreundschaft der Griechen hat zur Folge, dass viele Schweizer Archäologinnen und Archäologen Griechenland mittlerweile als ihre zweite Heimat ansehen. Zu den interessantesten Funden in Eretria zählen unter anderem Mosaike aus dem 4. Jahrhundert vor Christus. In welchen Bereichen erwarten Sie in Eretria neue Erkenntnisse in den nächsten Jahren? Unsere Aktivitäten werden sich auf zwei Ziele konzentrieren: Zum einen vertiefen wir unsere Forschungen zum antiken Gymnasion, d.h. zu der Institution, welche in der Antike für Erziehung, Bildung und körperliche Ertüchtigung zuständig war. Neuere Grabungen haben gezeigt, dass das Gymnasion von Eretria viel grösser und bedeutender war als bisher angenommen. Der zweite Schwerpunkt liegt in dem ca. 10 km östlich von Eretria gelegenen Amarynthos. Hier sind die Schweizer Archäologen seit wenigen Jahren auf der Suche nach dem bedeutendsten extra-urbanen Heiligtum der Stadt, dem Heiligtum der Artemis Amarysia. Dieses ist bisher nur aus schriftlichen und epigraphischen Quellen bekannt. Daraus geht hervor, dass es in klassisch-hellenistischer Zeit zu den wichtigsten Heiligtümern von ganz Euböa gehört hatte, und dass sein Kult sogar auch in Athen eingeführt wurde. Den neue- Wie verhält sich die Forschungsarbeit in Griechenland zu Ausgrabungen in der Schweiz? Gibt es Synergien? Direkte Synergien gibt es nicht, aber es gibt immer wieder Berührungspunkte. Wir können beispielsweise methodisch viel von den Grabungen in der Schweiz profitieren. Wir verlangen von unseren Studierenden auch, dass sie bereits Grabungserfahrungen in der Schweiz gesammelt haben, bevor wir sie in Eretria engagieren, im Wissen, dass sie da32 sten Forschungen Schweizer Archäologinnen und Archäologen zufolge kann nun der Ort, an welchem sich dieses Heiligtum befand, lokalisiert werden. Die Erforschung griechischer Heiligtümer ist momentan sehr aktuell. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ESAG arbeiten eng in dem internationalen Netzwerk der verschiedenen Forschergruppen mit. Die zukünftigen Ausgrabungen in Amarynthos werden noch viele spannende Funde und Befunde liefern, die wichtige neue Aspekte zur Form und Funktion griechischer Heiligtümer beisteuern können. Quelle: Newsletter des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation SBFI Die Ausstellung „ Das Antikythera-Wrack” ist mit Besucherrekord zu Ende gegangen Die seit zwei Jahren laufende Sonderausstellung im Archäologischen Nationalmuseum Athen, „Das Schiffswrack von Antikythera: Das Schiff, die Schätze, der Mechanismus“, welche wegen der großen Publikumsanfrage zweimal verlängert wurde, ist am 29. Juni mit einem Besucherrekord zu Ende gegangen. Die Ausstellung war seit dem 6. April 2010 mit über 380 Exponaten in Athen zu sehen. Das Schiff sank etwa im Jahr 50 v.Chr. und war 1900 zufällig von Schwammtauchern vor der Insel Antikythera entdeckt worden. Die erste Bergungsphase fand ein Jahr später statt aber erst 1976 wurden Forschungen im Auftrag der Griechischen Archäologischen Gesellschaft im Meer fortgesetzt. www.graktuell.gr 17. Juli 2014 nomische Ereignisse zu berechnen. An der Ausstellung faszinierte die Veranschaulichung des gesamten Themenkomplexes: die Auffindung, die Ladung, die Schiffstechnik, die Restaurierung der Funde und ihre kunsthistorische Bewertung. Erstmals wurden hier die Ergebnisse aus verschiedenen Forschungsbereichen im Zusammenhang vorgestellt. Ein großer Teil der Ausstellung wird nun im Antikenmuseum in Basel gezeigt werden. Noch viele Museen aus der ganzen Welt interessieren sich auch für die Sammlung. Unterstützt wurden sie hierbei durch das Schiff „Kalypso“ des bekannten französischen Meeresforschers Jacques-Yves Cousteau. Neben Statuen, Gold und Juwelen bargen die griechischen Taucher damals auch eine mysteriöse Apparatur, die den Namen Mechanismus von Antikythera erhielt. Mit ihr soll es möglich gewesen sein, Sonnenfinsternisse, Mondphasen und andere astro33 Neuer Tauchgang bei Antikythera Ein internationales Team von Archäologen und anderen Wissenschaftlern wird vom 15. September bis zum 15. Oktober den Meeresgrund rund um die Fundstelle des berühmten Wracks von Antikythera untersuchen. Das vermutlich im letzten vorchristlichen Jahrhundert gesunkene Wrack war 1900 von Schwammtauchern entdeckt worden und barg neben zahlreichen Kunstschätzen auch den „Mechanismus von Antikythera“, die bislang einzige bekannte antike Rechenmaschine. 1976 untersuchte der bekannte Meeresforscher Jacques-Yves Cousteau das Gebiet erneut. Der neue Tauchgang im Spätsommer und Herbst soll nicht nur der neuerlichen Untersuchung der Fundstelle dienen, sondern auch Aufschlüsse über ein zweites Wrack liefern. Wie Brendan Foley vom Ozeanographischen Institut Woods Hole im US-Bundesstaat Massachusetts gegenüber der Sonntagsausgabe der Zeitung „Kathimerini“ erklärte, liegt das zweite Wrack 250 Meter von der Fundstelle des anderen Schiffes entfernt. Es habe denselben Typ Keramik an Bord gehabt, vielleicht habe es das Schiff mit dem berühmten Mechanismus damals begleitet. An der neuen Unterwassergrabung im September werden sich Experten aus Griechenland, den USA und der Schweiz beteiligen. Sie hoffen auf noch unentdeckte Kleinteile des „ältesten analogen Computers“, wie der Mechanismus auch genannt wird. Außerdem könnten noch unbekannte Kunstschätze im Meeresboden schlummern, ja vielleicht sogar Griechenlandzeitung 9. Juli 2014 weitere Beispiele antiker Hochtechnologie. Eine Hypothese besagt, dass es sich bei der Ladung des „Wracks von Antikythera“ um einen Teil der Beute des römischen Generals Sulla aus der Belagerung und Zerstörung könnte. Falls das zutrifft und falls das vermutete zweite Wrack zu demselben Geleitzug Der „Jüngling von Antikythera“ im Athener Nationalmuseum (Foto: ek/Archiv) gehört hatte, wären bedeutende neue Funde praktisch vorprogrammiert. Anders als 1900, als Schwammtaucher mit Hilfe der griechischen Marine die ersten Funde bargen, und 1976, als Cousteau tauchte, wird sich die jetzige Kampagne nicht auf die oberflächliche Untersuchung des Meeresbodens in 45 bis 60 Metern beschränken, wo das Wrack gefunden wurde. Die Wissenschaftler werden in einen roboterhaft wirkenden Spezialtauchanzug namens „Exosuit“ schlüpfen, der Tauchgänge bis 300 Meter Tiefe und die direkte Datenübermittlung erlaubt. Die neue Forschungskampagne rund um das „Wrack von Antikythera“ soll zwei bis drei Millionen Dollar kosten und wird aus Griechenland, der Schweiz und den USA finanziert. (GZak) Aus der Griechenland Zeitung vom 30.07.2014 Eine zehnköpfige Gruppe fuhr in diesen Tagen auf einem Floß aus Schilf von der Insel Kythira nach Kreta. Damit wollte die zehnköpfige Gruppe der „First Mariners“ beweisen, dass Kreta bereits vor 130.000 Jahren besiedelt werden konnte, und nicht, wie bisher behauptet, erst vor 12.000 Jahren. Ernährt hat sich die Besatzung auf ihrer zweitägigen Fahrt mit Nahrungsmitteln, die auch den antiken Seefahrern zur Verfügung standen: von Nüssen, Honig, Früchten, Eiern und Fischen. Auch der gesamte Bau des elf Meter langen und 2,4 Meter breiten Floßes orientierte sich an den damaligen Möglichkeiten. Benutzt wurden tausende Schilfrohre, vier Zypressenstämme, Ziegenleder und Seile. Das Gefährt wurde mit Hilfe eines Segels aus Schilf und Holzrudern bewegt. (GZeh) Mit einem Floß von Kythira nach Kreta 34 Nichts ist griechischer als der Retsína Von Marianthi Milona im Griechenland Journal, Mai 2014 Fast alles haben die Europäer ihnen genommen, klagen die Griechen. Nur ihre Würde und ihren Retsína nicht. Den könnten sie ihnen nicht streitig machen. Warum der Retsína für die Griechen so wichtig ist, nun, das hat sicher damit zu tun, dass sie ihn schon seit jeher trinken. Noch bevor sie überhaupt angefangen hatten, sich auf der internationalen Weinbühne mit einer großen Auswahl an Weinen zu positionieren. Deshalb ist in Europa auch noch immer die fixe Idee vorhanden, in Griechenland gebe es eben nur den Retsína und allenfalls dann auch noch den Mavrodafne, den süßen Dessertwein von der Peloponnes. Das Griechenland Journal hat in der Nähe von Thessaloniki eine traditionelle Retsína-Winzerin besucht und sich in einem Gespräch darüber aufklären lassen, was Retsína wirklich für ein Wein ist. Im Weinkeller von Kechrís Im Lager der Weinkellerei Kechrís,knappe 15 Kilometer vom Stadtzentrum Thessalonikis entfernt, reift der Retsína-Wein in Eichenfässern. Eléni Kechrí, Önologin und Winzerstochter, flüstert wie in jedem guten Weinkeller dieser Welt. Die Weine sollen nicht einmal durch die Vibration ihrer Stimme in Unruhe versetzt werden, betont sie. Das ist zunächst einmal nichts Neues. Aber als Chefin eines der größten Retsína-Häuser Griechenlands, hat sie diesen typisch griechischen Harzwein im wahrsten Sinne des Wortes revolutioniert. Und damit sein Image international konkurrenzfähig gemacht. Aus gutem Grund: Längst schon ist in der EU der gesetzliche Rahmen dafür geschaffen worden, sowohl den griechischen Schafskäse einerseits als auch den Retsína anderseits als rein griechische Produkte auf dem Markt zu positionieren. Ein Vorteil also für die griechischen RetsínaHersteller, die damit hoffen, ihn dauerhaft für sich nutzen zu können. „Wir haben bisher das „typisch Griechische“ in unseren Produkten nie hervorheben wollen“, sagt Eléni. Der Retsína existiert in Griechenland seit Tausenden von Jahren. Deshalb will das Familienunternehmen Kechrís ganz bewusst dafür werben. keine Qualitätsunterschiede zwischen einem hochwertigen Weißwein und Retsína gemacht. Denn das Vorurteil existiert schon sehr lange auf dem Markt: Retsína sei eben ein billiger, minderwertiger Weißwein. Die junge Winzerin, Eléni Kechrí, betrachtet den Retsína als einen Weißwein, wie jeden anderen auch. Da gibt es also nicht Weißweine und Retsína, betont sie immer wieder. Auch ist der Retsína mit seinen 11,5 Prozent Alkoholgehalt nicht leichter als die herkömmlichen Weißweine. Das Problem mit dem Retsína war, dass die griechischen Winzer es versäumt hatten, ihn genauso sorgfältig wie die anderen Weißweine zu keltern. Diese stiefmütterliche Behandlung erinnerte mehr an antike Herstellungsverfahren, als Retsína beinahe zufällig entstand, erklärt Eléni, während sie in ein Regal mit zahlreichen Weinbüchern greift. Retsína ist eine Weißweinsorte 650 Tonnen Wein werden bei Kechrís im Jahr verkauft. Dabei werden in der Winzerfamilie Reifender Retsína in der Weinkellerei 35 Alles begann ... in der Antike Die alten Griechen haben gewusst, dass der Sauerstoff vom Wein ferngehalten werden muss. Damals bewahrte man den Wein noch in Amphoren aus Ton, die luftdicht geschlossen werden mussten. Zum Abdichten wurde Pinienharz verwendet, weil es damals der einzig bekannte Klebstoff war. Dabei fielen einzelne Tropfen eher zufällig in den Wein. Das war die Geburtsstunde von Retsína. Die Griechen gewöhnten sich allmählich an den harzigen Geschmack des Weins. „So hat sich bis heute der Retsína in unserer Trinkkultur erhalten. Wir glauben sogar, dass er ganz hervorragend mit unseren einheimischen Gerichten harmoniert. Heute dosieren wir ganz bewusst den Weißwein dafür mit dem Harz der Pinie, pinus halepensis. Diesen hochwertig hergestellten Retsína haben wir in unserem Haus mit dem Namen ‚die Träne der Pinie‘ (Dákri tou péfkou) getauft“, erzählt Eléni, während sie stolz im Konferenzraum der KechrísKellerei hin und her schreitet. Eine Familie lebt für den Wein. Retsína zum ersten Mal, noch aus dem Fass, probierten, meinte Eléni zu ihrem Vater: „Damit kriegen wir den 1. Preis“. Das war 2005. Damals wollte man auf den Weinmessen nicht einmal den Namen Retsína aussprechen, geschweige denn verkosten. Stélios Kechrís muss bei der Bemerkung seiner Tochter ziemlich geschmunzelt haben. „Ehrlich gesagt, habe ich selbst es auch nicht wirklich glauben können. Aber es bewahrheitete sich. Seitdem sind wir immer wieder erstaunt, wie gut sich die griechische AssýrtikoRebe mit dem Pinienharz verbindet“, lacht Eléni. Man sieht ihr an, dass sie immer wieder selbst von ihrer Retsína-Kreation fasziniert ist. Keinesfalls ein minderwertiger Wein Eléni weiß heute, dass der Retsína genauso qualitativ hergestellt werden kann wie jeder teure Weißwein auch. Aber den ersten Anreiz dafür erhielt sie von einem deutschen Freund. „Ich war vor ein paar Jahren in Deutschland. Das war noch, bevor ich in Bordeaux Önologie zu studieren begann. Ein Freund, der in einem Weingeschäft arbeitete, fragte mich eines schönen Tages mit leicht ironischem Unterton, wie wir Griechen es nur immer wieder schaffen, als einzige auf der Welt eine eigene Weinsorte mit dem Markennamen Retsína zu besitzen und ihn dennoch in einer solch schlechten Qualität herzustellen“. Das Neue bei den Kechrís war, dass sie nicht die bis dato traditionell übliche Rodítis-Rebe zur Retsína-Herstellung verwendeten, sondern die Assýrtiko-Rebe. Beide sind als typisch griechische Reben seit der Antike bekannt. Mit dem Retsína aus der AssýrtikoRebe konnte die Kechrís-Familie beweisen, dass es durchaus verschiedene RetsínaTypen geben kann. Die „Träne der Pinie“ stellten die Kechrís auch mit einem etwas anderen Verfahren her. Auf die Harzmenge kommt es an Das Gesetz gibt nicht vor, welche Rebe man zur Retsína-Herstellung verwendet, die Gewohnheit aber schon, erklärt Eleni. Vor allem die Menge des Harzes ist für den RetsínaGeschmack wichtig. Für einen gelungenen Retsína sind nicht mehr als 10 Milligramm Harz erlaubt. Das brachte die junge Winzerin auf eine Idee. Sofort begann sie, mit ihrem Vater Stélios zu experimentieren. Inzwischen wissen die Kechrís, dass sie den Retsína-Wein revolutioniert haben. Sie kreierten mit der „Träne der Pinie“ einen geschmacklich bisher einzigartigen Retsína, der inzwischen sämtliche Goldenen Medaillen auf internationalen Weinmessen gewonnen hat. Als sie diesen Die Kechrís fügen dem Wein während des Gärungsprozesses nur zwei bis drei Milli 36 gramm zu. Man kann das Harz nicht nachträglich in den Wein geben. Nur während der Gärung können sich die Aromen von Most und Harz miteinander verbinden. Dass ausgerechnet die Kechrís den Retsína so gut auf dem internationalen Markt etabliert haben, kommt nicht von ungefähr. Eléni hat gemeinsam mit ihren beiden Schwestern bewusst den Namen Kechrís genutzt, um sich zu vermarkten. Hilfreich mag dabei das kleine Wortspiel mit ihrem Namen gewesen sein. 650 Tonnen verkauft Kerchis pro Jahr Der Name Kechrís verpflichtet dabei stolz, dass ausgerechnet die Franzosen, die ursprünglich nichts, aber auch gar nichts von Retsína wissen wollten, der „Träne der Pinie“ den 1. Preis verliehen haben. Insgesamt konnte der Retsína von Eléni Kechrí ganze 22 Preise gewinnen. Kechribári, so hieß die erste Retsínasorte der Kechrís. „Die Träne der Pinie“ wurde erst später erfunden. Kechribári bedeutet im Griechischen „Bernstein“. Im Volksmund verwendete man dieses Wort meist nur im übertragenden Sinn, wenn man vom Retsína sprach, weil nämlich seine Farbe so golden aussehen kann wie Bernstein. Es gibt sogar ein Liebeslied, dass eigens für den Retsína geschrieben wurde. Gleichzeitig ist der Bernstein aber auch ein versteinertes Harz, so dass es wie die Faust aufs Auge für den Retsína der Kechrís passte. Schließlich ist es ja das Harz der Pinie, dass dem Retsína seinen einzigartigen Geschmack verleiht. Wer dann immer noch seine Zweifel bezüglich Retsína hegt, den lässt Eléni einen Schluck kosten und sagt „Die ‚Träne’ hat uns den Weg für den griechischen Retsína geebnet“, erinnert sich Eléni noch immer gerührt. Und vor Kurzem erst hat auch Olivier Poussier, Sommelier du Monde 2000, den Retsína der Kechrís in einer sehr bekannten Zeitschrift über alle Töne gelobt. Er schrieb: „Vergessen Sie alles, was sie bisher vom Retsína gewusst haben. Sie können die ‚Träne der Pinie’ kosten. Dieser Wein ist so verführerisch, dass er sie sofort fesseln wird. Denn er ist von antiker Schönheit“. „Träne der Pinie“ in der Flasche Das „Griechenland Journal“ – Ein Kind der Griechenland Zeitung! Das deutschsprachige Magazin über Griechenland – das „Griechenland Journal“, Ausgabe Nr. 1, herausgegeben von den Machern der Griechenland Zeitung! Infos auf www.griechenland.net 37 Die genussreichen Seiten Griechenlands Von Rita Antenen im Landbote, 21.5.2014 WATTENWIL. Nikos Hadzikalymnios liebt sein ursprüngliches Heimatland. In seiner Wahlheimat vermittelt er mit speziellen Events griechische Lebensfreude. Seit 33 Jahren ist die Schweiz das Zuhause von Nikos Hadzikalymnios. Obwohl er in seiner Wahlheimat sehr gut integriert ist, bleibt der stets gut gelaunte Grieche in seiner alten Heimat verwurzelt. Geboren ist er auf der Insel Leros, die zur Inselgruppe der Südlichen Sporaden gehört. Bis zu drei Mal pro Jahr zieht es ihn und seine Familie zurück nach Griechenland. Nikos Hadzikalymnios schwärmt: «Ich mag das Meer, die Sonne, die Fröhlichkeit, die Offenheit und die Gemütlichkeit der griechischen Landsleute.» Nikos Hadzikalymnios und Emmanuela G. Paternianaki Seit einiger Zeit bringt er zusammen mit seiner Frau Margreth Freunden und Bekannten griechische Spezialitäten näher. Zum Beispiel an Kochkursen oder mit Buffets an Anlässen. Seit sieben Jahren lädt er jährlich zu einem kulinarischen Event. Zahlreiche Gäste degustierten dieses Jahr wieder am Buffet die griechischen Spezialitäten, tunkten das Brot in Olivenöl oder in die verschiedenen Honigsorten und philosophierten über den griechischen Wein. logisch angebauten Trauben spezialisiert hat. Das Unternehmen, das sie gemeinsam mit ihrer Mutter und zwei Schwestern führt, setzt alles daran, den Wein in völliger Harmonie mit der Umwelt zu erzeugen. Die ausgebildete Oenologin und Sommelière weilte zum ersten Mal in der Schweiz: «Mir gefallen die Natur, die hilfsbereiten, ehrlichen Menschen und ich bin begeistert von der Alpenwelt.» Tief beeindruckt hat sie das Qualitätsdenken und die Sauberkeit des Landes. Obwohl die Schweiz für sie sehr teuer ist, plant sie, wiederzukommen und eine Zusammenarbeit mit Nikos Hadzikalymnios anzustreben. Mit Emmanuela G. Paterianaki durfte er einen speziellen Gast begrüssen. Sie kommt aus dem einzigen Familienunternehmen der Insel Kreta, das sich seit 1988 auf die Produktion von qualitativ hochwertigem Wein aus biolo- www.nikos-import.ch / www.paterianakis.gr Halloumi (Χαλλούμι) Fred Wyss Quellen: Wikipedia und andere Halloumi, ein traditioneller Käse aus Zypern. Er hat die besondere Eigenschaft, dass er beim Erhitzen nicht schmilzt und eignet sich deshalb auch zum Grillieren. destens so wichtig wie das tägliche Brot. Er entsteht aus einer Mischung von Schaf- oder Ziegenmilch, manchmal auch Kuhmilch. Der Käse ähnelt optisch dem Mozzarella, ist aber fester und würziger. Anders als die meisten anderen Käse behält er seine Form bei, wenn er erhitzt wird. Gebratener oder gegrillter Halloumi mit hausgemachten Pommes frites gehört in vielen Gaststätten Zyperns zu den Standardgerichten. Mit Spiegelei ist er Bestandteil des zyprischen Frühstücks. Halloumi wird auf Zypern seit über 2000 Jahren hergestellt, also seit zypriotische Hirten ihre Schaf- und Ziegenherden auf der Sonneninsel im östlichen Mittelmeer hüten. Während Jahrhunderten wurde die rustikale Köstlichkeit an den Herdfeuern produziert und noch heute ist Halloumi für die Zyprioten min38 In der Schweiz kriegt man Halloumi in vielen griechischen Restaurants als Vorspeise. Kaufen kann man ihn, zumindest während der Grillsaison, in grösseren Supermärkten (z.B. Megastore von Coop), bei Aldi oder beim Türken. Die Zubereitung ist denkbar einfach: In knapp 1 cm dicke Scheiben schneiden und diese in der Teflonpfanne oder auf dem Grill beidseitig erhitzen, bis sich die Oberfläche goldgelb verfärbt. Mit einem Salatblatt und ein paar Tomaten- und Gurkenscheiben garnieren und die Vorspeise ist fertig. Geschnittener Halloumi mit dem typischen Spalt in der Mitte Übrigens, guter Halloumi sollte beim Essen zwischen den Zähnen quietschen! Ausgesprochen wird der Name des Käses korrekt als Chalúmi (Χαλλούμι). Die verbreitete Schreibweise „Halloumi“ ist britischen Ursprungs. Im Englischen gibts bekanntlich kein „CH“, stattdessen wird ein H eingesetzt. Aus dem gleichen Grund steht auf Landkarten und Wegweiser z.B. oft Hania für Chania, Halkidiki statt Chalkidiki ... Gebratener Halloumi mit Beilage Okra-Schoten - einfach eine Delikatesse Im Juli / August ist Okraschotenzeit in Hellas. Häufig trifft man auf die charakteristischen Felder mit den langen Stängeln und den hellgelben Blüten. Die Schoten stehen aufrecht, wie kleine Bleistiftstummel am Stamm. Eine schöne Pflanze! Okraschoten - in Griechenland Bámjes genannt, gibt es leider nur in wenigen Restaurants. Wie alle traditionellen griechischen Ge- Wilfried Jakisch www.argolis.de richte machen sie nämlich etwas Arbeit, aber weniger als gedacht. Zuerst schneidet man nur die trockenen Enden der Stiele ab. In manchen Rezepten wird geschrieben, dass 39 und Knoblauch angebraten wurden. Dann die Schoten ruhig etwas anbräunen lassen. Tomaten zugeben, noch zehn Minuten brutzeln, fertig! Nicht zu lange braten! In anderen Rezepten gibt man noch Karotten oder Petersilie hinzu Kreativität kennt keine Grenzen. man die Okras brühen oder blanchieren solle. Das ist eigentlich Quatsch. Es soll lediglich dazu dienen, die etwas schleimigen Früchte zu säubern. Es reicht, wenn man sie kurz in Essigwasser abwäscht. Dann gibt man sie in die Pfanne, in der zuvor reichlich Zwiebeln Φιλόγελως: ich lache gern Übersetzt von Christine Müller-Tragin Auch in der Antike hat man gern gelacht und Witze über verschiedene Gruppen der Gesellschaft erzählt. Zum Glück ist uns eine Sammlung von Witzen auf Altgriechisch geblieben. Sie heisst „ Φιλόγελως“ und ist ca. 450 n. Chr. Geb. datiert. Im Visier sind Intellektuelle, Geizhälse, Ärzte und andere… Kann man heutzutage noch über dasselbe lachen? Lesen Sie selber: Ein Intellektueller, ein Kahlköpfiger und ein Coiffeur, die zusammen durch eine abgelegene Landschaft reisen, einigen sich darüber, nacheinander vier Stunden wach zu bleiben, um ihr Lager zu bewachen. Als der Coiffeur an der Reihe ist, will er dem Intellektuellen eine Freude machen und rasiert ihn während dem Schlaf. Als seine Stunden vorbei sind, weckt er ihn auf. Der Intellektuelle kratzt sich schlafsturm am Kopf und sagt, als er merkt, dass dieser haarlos ist: „ Scheisse, der Coiffeur hat sich geirrt und hat statt mir den Kahlköpfigen geweckt“. Ein Geizhals, der sein Testament macht, setzte sich selber als Erbe ein. Ein mühsamer, einäugiger Arzt fragt einen Kranken: „Wie geht es dir?“ Dieser erwidert: „Wie du siehst“. Worauf der Arzt sagt: „Wenn es dir aber so ergeht wie ich sehe, dann ist die Hälfte von dir gestorben“. Ein Intellektueller, der schwimmen wollte, ertrank fast. Er schwor dann, nie mehr Wasser zu berühren, bevor er schwimmen gelernt hat. Quelle: https://www.hs-augsburg.de/~harsch/graeca/Auctores/g_alpha.html Übersetzt von: Christine Müller-Tragin 40 Eine Begegnung der anderen Art Fred Wyss Juli 2014 Die zwei untenstehenden, zufällig am gleichen Tag veröffentlichten und gut zusammenpassenden Pressemeldungen erinnerten mich an einen Episode vor zwei Jahren: ... zu faul, zu doof! Nichts können die Griechen, keinen Flughafen ordentlich betreiben, nicht mal eine simple Kasse bedienen, nichts, nichts!!“ So der nette Herr aus Berlin hinter mir, als es an der Kasse des Taxfree-Shops auf dem Flughafen Kos wegen einer Störung zu einer Stockung kommt. Als er Luft holt, um mit seiner Tirade fortzufahren, unterbreche ich ihn: „Entschuldigung, eine Frage: Haben Sie schon mal den Flughafen in Athen gesehen? Das ist ein toller Flughafen und der funktioniert einwandfrei. Und wissen Sie was das Beste ist daran? Der neue Athener Flughafen, der wurde seinerzeit pünktlich auf die olympischen Spiele 2004 hin eröffnet. Wie ist das genau, mit Ihrem Hauptstadtflughafen in Berlin?“ Verdutzt schaut er mich an, holt tief Luft – da legt ihm die Dame hinter ihm (offensichtlich seine Frau) die Hand auf die Schulter: „Jetzt schweig! Genug! Du bist nur noch peinlich und nervst alle schon die ganze Woche“! Griechisches Verkehrschild: klar, eindeutig Er schweigt. Athener Flughafen zu einem der besten Europas gekürt (Griechenland Zeitung, 25.6.2014) Berliner Großflughafen: Eröffnung in 2016 soll "akut gefährdet" sein (Reuters,25.6.2014) Der Internationale Athener Flughafen „Eleftherios Venizelos“ wurde vom Dachverband der Flughafenbetreiber, Airports Council International (ACI), für 2014 zum besten europäischen Flughafen mit einem Jahresaufkommen von 10 bis 25 Millionen Passagieren gekürt. Die Entscheidung wurde am letzten Mittwoch beim Galadiner auf der Jahrestagung der Europasektion von ACI in Frankfurt bekannt gegeben. Athen habe diese Auszeichnung wegen seiner hohen Wirtschaftsleistung in einem sehr herausfordernden Umfeld und wegen der ausgezeichneten Arbeit bei der Neuentwicklung seiner Verkehrsbasis bei gleichzeitigem Fokus auf einem hochqualitativen Service verdient, hieß es in einer Ankündigung des Verbandes. Ebenfalls ausgezeichnet wurden u. a. auch der London City Airport und der Flughafen Stuttgart. (GZak) Berlin - 2012, 2013, 2014, 2015 - kippt jetzt auch 2016? Die Eröffnung des neuen Berliner Großflughafens könnte sich noch weiter verzögern. Ein hochrangiger Mitarbeiter der Flughafengesellschaft, der Architekt und Baufachmann Harald Siegle, habe in einem Brief an mehrere Aufsichtsräte geschrieben, dass eine Inbetriebnahme für das Jahr 2016 "akut gefährdet" sei, berichtet die "Süddeutsche Zeitung". Der neue Berliner Flughafen sollte eigentlich im Juni 2012 eröffnet werden. Wegen technischer Probleme wurde dieser Termin wie später auch noch weitere gekippt. Mehdorn hatte zuletzt einen Start erst 2016 nicht mehr ausgeschlossen. Die Kosten werden inzwischen auf mehr als fünf Milliarden Euro taxiert, ursprünglich waren rund zwei Milliarden angesetzt. 41 Kurzmeldungen aus der Presse Neuer Kreta-Flughafen vor Ausschreibung Griechenland Zeitung, 26.03.2014 Der Bau des neuen internationalen Flughafens von Heraklion auf Kreta soll in Kürze ausgelobt werden. Das kündigte Infrastrukturminister Michalis Chryssochoidis am letzten Mittwoch auf einem Kongress des griechischen Exporteurverbandes an. „In spätestens zwei Wochen werden wir das Projekt des neuen Flughafens in Kastelli ausgeschrieben haben“, sagte Chryssochoidis. Der Flughafen soll den bisherigen Airport „Nikos Kazantzakis“ in der Stadt Heraklion ablösen, der aus den 1970er Jahren stammt und den Ansprüchen des kretischen Tourismus längst nicht mehr gewachsen ist. Er soll im Binnenland auf der Hochebene von Kastelli entstehen, wo es bereits seit den 1940er Jahren einen Militärflughafen gibt. Der Flughafen wird näher an der Ferienhochburg Chersonissos liegen als an der Stadt Heraklion. Zugleich soll er für die Frühgemüseerzeuger im Raum Ieraptera und in der zentralkretischen Messara-Ebene besser erreichbar sein als der bisherige Flughafen. Nach Informationen der kretischen Zeitung „Patris“ soll das Projekt 700 bis 800 Millionen Euro kosten und gegen die Überlassung für 35 Jahre unter Beteiligung privater Investoren gebaut werden, wie schon der Flughafen von Athen zur Jahrhundertwende. (GZak, 26.3.2014) artige Landschaft ausmacht und die Griechenland von der Türkei, Italien, Spanien und anderen Mittelmeerländern unterscheidet. ... Wenn die Urlaubsorte alle homogenisiert werden, wenn man nicht mehr unterscheiden kann, ob man sich an einer Küste in Griechenland oder in Spanien befindet, wird das Erlebnis des Besuchers nicht mehr die gleiche Qualität haben. … Möglicherweise werden wir All-Inclusive-Urlauber anziehen, die im Hotel bleiben. … Die TourismusEinnahmen werden vielleicht steigen. Aber was wird längerfristig passieren?" Wer wurde hier begraben? Wichtiger Fund der Archäologen in Griechenland (Griechenland Zeitung 13.8.2014) Premierminister Antonis Samaras besuchte am Dienstag Amphipoli, Präfektur Serres, wo Archäologen ein antikes, makedonisches Grab gefunden haben. Es handelt sich um eines der größten seiner Art, die je gefunden wurden und umgeben sind von einer ungewöhnlich langen Schutzmauer von rund 500 Metern. Archäologen datieren das Grab auf das letzte Viertel des vierten Jahrhunderts v. Chr. und vermuten, dass es sich um das Grab eines der Generäle Alexanders des Großen handeln könnte. Der General Kassandros und der Admiral Nearchos sind mögliche Kandidaten, wie auch Alexanders ermordete Ehefrau Roxanne. Die Archäologen sind noch nicht bis zur Grabkammer vorgedrungen. Sie sind aber zuversichtlich, dass sie intakt ist und nicht von Grabräubern geplündert wurde. „Ich bin mir sicher, dass wir vor einem außerordentlich wichtigen Fund stehen", sagte Samaras vor Ort und fügte hinzu: „Noch einige Griechenlands Strände nicht verramschen Eleftherotypia, 29. 7. 2014 Nach monatelangem Widerstand der Bevölkerung hat die griechische Regierung einen Gesetzentwurf zur Privatisierung der Strände zurückgezogen, der eine Bebauung der Küste deutlich erleichtert hätte, und will diesen nun überarbeiten. Schriftstellerin Eleni Svoronou teilt in der linksliberalen Eleftherotypia die Befürchtungen, dass das Land durch die Initiative Schaden nimmt: "Es ist die Kombination aus sauberen Stränden, traditionellen Dörfern, Wäldern, einer großen Artenvielfalt und archäologischen Stätten, die unsere einzig42 Tage Geduld!" Archäologische Funde in Makedonien haben für die griechische Regierung auch politische Bedeutung: Sie werden als Trumpf angesehen im Streit Athens mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien (FYROM) über das historische und kulturelle Erbe des antiken makedonischen Reiches. „Die Erde Makedoniens bewegt und überrascht uns weiter, einzigartige Schätze enthüllend, aus denen sich das Mosaik unserer griechischen Geschichte zusammensetzt", sagte Samaras. (GZ/dc) Behra wird die nächsten zwei Monate auf einer anderen Mission in Mexiko sein. Vor seiner Abreise gab er seinen griechischen Kollegen noch einmal hilfreiche Tipps zur besseren Konstruktion der Käfigfallen und zu den Ködern und versprach, nach seiner MexikoMission wieder nach Kreta zu kommen, sollte die widerspenstige Echse noch frei im Stausee herumschwimmen. In den Vortagen hatte Behra, der am Montag letzter Woche auf Kreta eingetroffen war, dreimal versucht, das Krokodil einzufangen. Er sei dazu mit einem kleinen Boot nachts auf den See ausgefahren, bewaffnet nur mit einer Taschenlampe, einer Stange und einem Lasso, wie die Inselmedien berichteten. Zuvor hätte Behra um absolute Stille und Dunkelheit gebeten. Mit Hilfe der Taschenlampe habe er die im Dunkeln wie Katzenaugen funkelnden Augen des Krokodils orten und dieses dann blenden wollen, um es mit dem Lasso einzufangen. Allein, der schlaue „Sifis“ ließ sich gar nicht erst blicken. (GZak) Izmir: griechischer Gottesdienst nach 92 Jahren (Griechenland Zeitung, 27.08.2014) Mehr als neun Jahrzehnte nach der „Kleinasiatischen Katastrophe“ (1922) und der Zerstörung der westanatolischen Hafenstadt Smyrna (heute Izmir) durch türkische Truppen wurde die einzige erhaltene griechischorthodoxe Kirche der Stadt am 17. August wieder eingeweiht. Die Kirche ist dem heiligen Boukolos geweiht, dem christlichen Schutzpatron der Stadt. Nach der Vertreibung der griechischen Mehrheitsbevölkerung 19221923 diente sie als Lagerraum, als Museum und als Konzerthalle, bevor die Stadtverwaltung von Izmir ihre Restaurierung beschloss. Versteinerter Wald auf Lesbos soll Welterbe werden (Griechenland Zeitung, 3.9.2014) Der versteinerte Wald von Sigri auf der Insel Lesbos wird sich um einen Platz auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes bemühen. Der Direktor des dortigen Naturkundemuseums, Nikos Zouros, stellte die Bewerbung am Donnerstag der Öffentlichkeit vor. Der versteinerte Wald von Lesbos entstand vor ungefähr 20 Millionen Jahren, als Vulkanasche den damals dort bestehenden Wald unter sich begrub. Durch die Erosion wurden die versteinerten Baumstämme im Laufe der Jahrtausende teilweise wieder freigelegt. Erste Erwähnung findet der Wald durch Reisende im 19. Jahrhundert. Seit 1985 steht er als Naturdenkmal unter Schutz. Das zugehörige Museum wurde 1994 gegründet. Griechenland hat momentan 17 Monumente auf der Welterbeliste der UNESCO, die überwiegend auf der Liste des Weltkulturerbes stehen. Darunter sind die Athener Akropolis, die Meteora-Klöster, das antike Olympia und die makedonischen Königsgräber von Vergina. (GZak) Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges war Smyrna eine kosmopolitische Stadt. Ungefähr zwei Drittel der Bewohner waren Griechen. Zu den bekanntesten Söhnen der Stadt zählten der Tankerkönig Aristoteles Onassis und der Literaturnobelpreisträger Jorgos Seferis. Heute gibt es eine kleine griechischorthodoxe Gemeinde in Izmir, die auf ein dauerhaftes Nutzungsrecht an der neu geweihten Kirche hofft. (GZak) Krokodil auf Kreta immer noch frei (Griechenland Zeitung, 3.9.2014) Das Krokodil „Sifis“, das im Stausee Limni Potamon nahe Rethymnon auf Kreta lebt, ist immer noch in freier Wildbahn. Am Freitag reiste auch der international renommierte Krokodilexperte Olivier Behra unverrichteter Dinge von der Mittelmeerinsel ab – nach drei fruchtlosen Versuchen, „Sifis“ einzufangen. 43 Interessante Veranstaltungen Aktuelle Infos jederzeit auf http://www.hellasfreunde.ch/Aktuelle_Termine.html Mittwoch 22. Oktober, 19:30 Uhr in Ostermundigen Hellasfreunde Bern Tell-Saal, Bernstrasse 101, 3072 Ostermundigen Griechenland im Ersten Weltkrieg – Historische Lehren 100 Jahre danach. Pavlos Tzermias, der bekannte griechisch-schweizerische Historiker, Journalist und Neogräzist, klärt uns auf, was während des Krieges in Griechenland geschah. Weitere Infos auf: www.hellasfreunde.ch Eintritt frei Freitag, 24. und Samstag 25. Oktober in Kallnach Gasthof Weises Kreuz, 3283 Kallnach Griechischer Abend mit Live Musik und grossem Buffet von Gastkoch Giorgos Preis Fr. 46.-, Kinder bis 14 Jahre Fr. 20.-. Reservation erwünscht: 032 392 14 03 Samstag, 8. November 2014, 19.30 Uhr In Basel Skulpturhalle, Mittlere Strasse 17, Basel. Originale und digitale Technologien im Akropolis-Museum Vortrag auf Deutsch von Prof. Dr. Dimitris Pantermalis, Direktor des Akropolis Museums, Athen. Weiter Infos auf www.kulturverein-griechenland.ch/ Montag, 10. November in Bern Originale und digitale Technologien im Akropolis-Museum Details, Ort und Zeit zu gegebener Zeit auf www.dia-logos.ch Mittwoch 12. November, 19:30 Uhr in Ostermundigen Hellasfreunde Bern Tell-Saal, Bernstrasse 101, 3072 Ostermundigen Ikaria - leben und tanzen auf einer griechischen Insel Ursula Kastanias lebt seit 30 Jahren auf Ikaria. Sie wird uns über das Leben auf dieser Insel erzählen. Im zweiten Teil kommen die lebendige Tanztradition Ikarias und die Bedeutung der berühmten Panigyria/Tanzfeste zur Sprache. Weitere Infos auf: www.hellasfreunde.ch Eintritt frei Mittwoch 3. Dezember, 19:30 Uhr in Ostermundigen Hellasfreunde Bern Tell-Saal, Bernstrasse 101, 3072 Ostermundigen Bevölkerungsaustausch- als Griechen und Türken ihre Heimat verloren Jannis Zinniker hat betroffene griechische und türkische Familien besucht. Tragödien, aber auch wunderbare Zeugnissen der Mitmenschlichkeit, an die sich diese Familien noch erinnern, geben dieser dunklen Zeit ein menschliches Gesicht. Weitere Infos auf: www.hellasfreunde.ch Eintritt frei Redaktionsschluss für das nächste Bulletin ist am 15. November 2014. Beiträge werden bereits gesucht und ab sofort gerne entgegen genommen. 44