15.07.2008 - Oberschlesien eine Region in Europa Portal

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15.07.2008 - Oberschlesien eine Region in Europa Portal
G 9638
Schlesische Nachrichten
Zeitung für Schlesien
Herausgeber: Landsmannschaft Schlesien – Nieder- und Oberschlesien
Redaktionsanschrift: Dollendorfer Str. 412, 53639 Königswinter, Tel. (0 22 44) 92 59-0
Nummer 14/2008
Einzelpreis 2,00 Euro
15. Juli 2008
Vertrag über die abschließende
Regelung in Bezug auf Deutschland
Zwei-plus-Vier-Vertrag
Peter Großpietsch, stellv. Bundesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien
A
usgehend vom Potsdamer Protokoll hätte es eigentlich zu einem
Friedensvertrag kommen müssen.
Die Gründe, warum nicht, sind vielfältig und sind nur den daran beteiligten deutschen Politikern bekannt. Zu
einer Diskussion, zu einer öffentlichen Auseinandersetzung – warum
kein Friedensvertrag – ist es weder im
Bundestag noch in der medialen Öffentlichkeit gekommen. Unterhalb der
parlamentarischen Ebene gibt es in
interessierenden Kreisen Deutschlands zwei sehr unterschiedliche
schlagwortartige Bewertungen des
„Zwei-plus-Vier-Vertrages“. Sie lauten:
– Mehr war nicht zu erreichen oder
– Versailler Diktat Nr. 2 – jedoch in diplomatischer Verpackung!
In jedem Falle fehlte es deutscherseits bis zum heutigen Tage gravierend
an der erforderlichen und verantwor-
Bild
aus der Heimat
Die Falkenberge aus dem Hirschberger Tal gesehen
tungsbewußten Aufrichtigkeit gegenüber dem Volk, denn damit ist der Friedensvertrag, an den immer noch viele Deutsche denken und auf ihn hoffen, ein für alle Mal vom Tisch.
Der Vertrag, eingeleitet in eine
überlange und sich in Allgemeinplätzen ergehende Präambel, enthält 10 Artikel.
Fundamental bedeutsam für
Deutschland sind jedoch nur die Artikel 1, 2, 3 und 7. Die Artikel 8,
9 und 10 regeln das Procedere
der Ratifikation und der Hinterlegung der verschiedenen Ausfertigungen des Vertrages.
Artikel 1
– verlangt Deutschland den
endgültigen Verzicht auf die
Ostgebiete des Reiches ab
– fordert die vertragliche Bestätigung der bestehenden –
bisher (zum damaligen Zeitpunkt) in keinem völkerrechtlichen Rechtsakt sanktionierten – Grenze zwischen
Deutschland und Polen
– verbietet Gebietsansprüche
für immer
– greift ein – auf die seinerzeitige polnische Forderung hin in
die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland – konkret:
Die Präambel des Grundgesetzes mußte geändert werden, und die Artikel 23 und 146
Foto: Archiv SN
erhielten einen neuen Inhalt.
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Die Vereinigung/der Beitritt der DDR
zur Bundesrepublik Deutschland erfolgte aufgrund Artikel 23 GG. Polen
„fürchtete“ den Beitritt Schlesiens,
Danzigs oder anderer Teile des ehemaligen Ostdeutschlands aufgrund
von Volksabstimmungen (zu diesem
Zeitpunkt noch ca. 800.000 Deutsche
in Oberschlesien).
Artikel 2
– regelt den Einsatz deutscher Waffen – ausschließlich in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen und der eigenen
Verfassung
Artikel 3
– dokumentiert
den
Verzicht
Deutschlands hinsichtlich Herstellung, Besitz und Verfügungsgewalt über atomare, biologische
und chemische Waffen
– schreibt Deutschland eine Gesamttruppenstärke von 345.000
Mann vor
Die Artikel 4,5 und 6 befassen sich mit
Einzelheiten des endgültigen Abzugs
der sowjetischen Streitkräfte aus der
damaligen DDR und mit Bündnisfragen.
Artikel 7
– enthält expressis verbis zwar die
Beendigung aller Rechte und Verantwortlichkeiten der vier Mächte
in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes
– bestätigt demgemäß dem vereinten
Deutschland die volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten
Beide Klassifizierungen entsprechen
jedoch nicht den Tatsachen.
Gemeinhin wird der „Zwei-plus-VierVertrag“ als alles regelnder Basisvertrag zwischen den vier Siegermächten und den Teilstaatsprovisorien Bundesrepublik Deutschland
und DDR angesehen. Gemäß Artikel
7, Abs. 2, dieses Vertrages hat
Deutschland seine volle Souveränität wieder gewonnen.
Dies bedeutet doch für den normalverständigen Bürger, dass keinerlei Regelungen aus abhängiger Besatzungszeit mehr fortgelten können,
die sich bis zu diesem Zeitpunkt aus
dem sogenannten Überleitungsvertrag, korrekt „Vertrag zur Regelung
aus Krieg und Besatzung entstandenen Fragen“, ergeben.
Zur Gewährung einer vollen Souveränität war dieser Überleitungsvertrag also bei Ratifizierung des
„Zwei-plus-Vier-Vertrages“ aufzuheben.
POLITIK
Schlesische Nachrichten 14/2008
In der Doppel-Ausgabe des vergangenen Jahres habe ich im Leitartikel hierzu weitere Ausführungen gemacht und die notwendigen Begründungen geliefert, dass wichtige Teile
des Überleitungsvertrages leider fortgelten.
Blicken wir noch einmal auf den
Deutschland alles abverlangenden,
an den Diktatfrieden von Versailles erinnernden, Artikel 1 des „Zwei-plusVier-Vertrages“ zurück. Hier wird noch
einmal deutlich, dass die deutsche Seite nichts, aber auch gar nichts, für den
Verlust eines Viertels des Reichsgebietes der Weimarer Republik als
„Gegengewicht“ herausgeholt hat.
Keine Regelung der Eigentumsfrage,
kein Rückkehrrecht, kein Vorkaufsrecht, keine zweisprachigen Ortsschilder, keine deutsche Amtssprache
und nicht einmal die selbstverständliche Forderung nach Ablichtung der eigenen Geburtsurkunde ist von uns, den
Betroffenen, durchsetzbar.
Festzuhalten ist andererseits, dass
erst mit Inkrafttreten des „Zwei-plusVier-Vertrages“ und des Grenzbestätigungsvertrages mit Polen die polnische Verwaltung über die deutschen
Ostgebiete endete.
Das Bundesverfassungsgericht
liefert hierfür den eindeutigen Beweis. In der Begründung der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden gegen den Grenzbestätigungsvertrag vom 5. Juni 1992 wird
ausgeführt:
„Im Vertrag wird nämlich nicht mit
rückwirkender Kraft über die territoriale Souveränität oder Gebietshoheit in
Bezug auf die ehemaligen deutschen
Ostgebiete verfügt. Die Grenzregelung
ist gegenwarts- und zukunftsbezogen.“
Schrifttum
– Bericht über die Drei-Mächte Konferenz von Potsdam – Potsdamer
Protokoll
– Vertrag zur Regelung aus Krieg und
Besatzung entstandener Fragen –
Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1955,
Teil II – Überleitungsvertrag
– Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dem Vertrag vom
14.11.1990, zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen, über die Bestätigung
der zwischen ihnen bestehenden
Grenze
– Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland,
Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1990,
Teil II – Zwei-plus-Vier-Vertrag
– Bekanntmachung der Vereinbarung
vom 27./28.9.1990 zu dem Vertrag
über die Beziehungen zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und
den Drei Mächten (in der geänderten Fassung) sowie zu dem Vertrag
zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (in der geänderten Fassung), vom 8.10.1990
– Gerd-Helmut Komossa „Die deutsche Karte“, 2007, ISBN 9783902475-34-3
Schlesische Notizen
Polnischer Vertreibungsatlas. Breslaus
Historiker sind beim Thema Aussiedlung
und Vertreibung zu Wort gekommen. Es
handelt sich um einen von ihnen verfassten
Atlas von Polens Gebieten, der das Drama
von Polen, Deutschen, Juden und Ukrainern
zeigt, die aus ihren Häusern vertrieben wurden. Auch die Deutschen wollen diesen Atlas für sich nutzen und selbst herausgeben.
Diese Publikation schildert die Zwangsbewegungen der Bevölkerungen in Mitteleuropa vor 1939 und nach 1945.
Zwangsmigrationen, die in den 40er und
50er Jahren des 20. Jahrhunderts stattfanden, haben das ethnische Gesicht unseres Kontinents unumkehrbar verändert.
30 Millionen Menschen brachten sie ein bitteres Los. Hunger, Krankheiten, Vergewaltigungen und oft auch der Tod waren
die Schicksalsschläge. Ganze Ortschaften
verschwanden dabei von der Landkarte.
Ängste und Trauer prägen noch heute die
Seelen der Vertriebenen und Zwangsumgesiedelten.
Profilierung der deutschen Identität. Die
sogenannte „Oppelner Runde“, die nun
schon zum vierten Mal tagte, um Gedanken und Ideen zur Verbesserung des eigenen Bildes in der Öffentlichkeit zu erarbeiten, geht den Weg der propagierten Neuorientierung des neu gewählten Vorstandes
der Sozial-kulturellen Gesellschaft der
Deutschen im Oppelner Land. Aus allen Bereichen der Deutschen Minderheit treffen
sich Menschen, die sich um die eigene Identität Gedanken machen. In
Gruppenarbeiten werden besonders die Zukunftsvisionen für die Jugend dargestellt
und für die Kommunalpolitiker zubereitet.
●
Turawa-See in Gefahr. Große Flächen mit
giftigen Blaualgen auf dem Wasser des Turawa-Sees zeigen an, dass in diesem Gewässer die Ökologie nicht stimmt. Auch die
Fauna weist erhebliche, erkennbare Einschränkungen auf. Die Vogel-Tierwelt wird
durch Seuchen dezimiert, und die Fischvielfalt geht bedrohlich zurück. Die Indizi-
POLITIK / ZEITGESCHEHEN
Schlesische Nachrichten 14/2008
en für den bevorstehenden Zusammenbruch des Biotopes wurden erkannt.
Eine Schülergruppe aus dem schönen IdarOberstein an der Mosel hat zusammen mit
Schülern des 2. LO in Oppeln einen
15minütigen Film gedreht, der diese
widrigen Umstände dokumentiert. Der Gemeindevorsteher von Turawa, Waldemar
Kampa, begrüßte diese völkerverbindende
Aktion und hofft nun auf staatliche Hilfe bei
der Sanierung dieses bedrohten Gewässers.
●
GEMA in Schlesien angekommen. Die ehrenamtlich arbeitenden Gruppen in Niederund Oberschlesien mussten eine neue Er-
fahrung machen. Parallel zu einer kulturellen
Veranstaltung meldete sich die ZAiKS aus
Kattowitz (in Deutschland GEMA) beim verantwortlichen Veranstalter und bat ihn zur
Kasse – Gebühren für Lizenzen und Urheberrechte für die gesungenen und gespielten Musikstücke. Die Aufregung war
groß, denn Einnahmen gab es bei den Aufführungen nicht.
Außerdem wurde nur altes deutsches
Volksgut dargebracht, das keinen Komponisten oder Textschreiber kennt. Nun sind
alle Veranstalter gehalten, vor einem Fest
oder einer Feier bei der ZAiKS eine Kostenbefreiung zu beantragen.
Polnisches
Polens Präsident stellt EU-Vertrag in Frage. Unter Berufung auf das Nein der Iren will
Lech Kaczynski den EU-Vertrag von Lissabon nicht in Kraft setzen, obwohl das polnische Parlament und der Senat bereits zugestimmt haben. Der Vertrag sei für ihn nach
dem irischen Votum tot. Kaum jemand ist
in Polen darüber überrascht, denn es zeichnete sich schon lange ab, dass der neuen
Regierung unter Donald Tusk gerade in dieser Frage Schwierigkeiten gemacht werden
sollen, nachdem die Kaczynski-Partei nach
den letzten Wahlen in die Opposition verbannt wurde. Der Wortbruch gegenüber der
EU scheint dabei nicht zu interessieren. Wir
erinnern uns daran, dass Lech Kaczynski
nach telefonischer Rücksprache mit seinem
Bruder Jaroslaw, dem damaligen Regierungschef, und nach schwierigen Verhandlungen mit Zugeständnissen gegenüber Polen, den Vertrag feierlich unterzeichnet hatte. Dass das Land hohe Milliardenbeträge
von der EU erhält scheint keine Wirkung zu
zeigen. Viel größer ist auch der innenpolitische Druck der nationalistischen Kräften, angeführt von Radio Maria, die eine Entmündigung Polens sehen.
●
Vierzehn Milizionäre in Polen verurteilt.
Haftstrafen von bis zu sechs Jahren
sprach das Berufungsgericht in Kattowitz
gegen Angehörige der Miliz aus, die im De-
EI N E ER F O L G S M E L D U N G
An der Altstadtbrücke in Görlitz ist ein neues Schild angebracht worden, auf dem nun
der deutsche Name der Städte Jauer und
Lauban zu lesen ist. Die SN 10/2008 hatten davon berichtet, dass hier ausschließlich die polnischen Bezeichnungen genannt werden. Nach hartnäckigen Protesten engagierter Schlesierinnen und
Schlesier hat die Stadt tatsächlich eingelenkt und ein neues Fahrradschild angebracht.
Verantwortlich für die polnische Beschilderung soll gewesen sein, dass die
eigentlich vorgesehene zweisprachige
Beschriftung wegen Platzmangels anläßlich der genormten Buchstabengröße
nicht möglich gewesen sei und man sich
für nur eine Bezeichnung habe entscheiden müssen. Die Stadt versprach, bei weiteren Ausschilderungen nach Lösungen zu
suchen, die allen Anforderungen gerecht
würden.
H. Z.
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zember 1981 auf streikende Arbeiter des
Kohlebergwerks „Wujek“ geschossen hatten. Dabei fanden neun Bergarbeiter den
Tod. Der Streik war ausgelöst worden, wegen der Verhängung des Kriegsrechts unter General Jaruzelski am 13.12.1981. Jaruzelski wollte mit dieser Maßnahme die Gewerkschaft Solidarnosc zerschlagen.
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Lech Walesas Vergangenheit sorgt weiter für Aufregung. Neuer Auslöser ist das
Buch zweier Historiker, die im Auftrag des
„Institut der Nationalen Erinnerung“ das
Vorleben des ehemaligen Präsidenten und
Führers der Solidarnocz erforschen sollten. Zwar hatte Walesa zugegeben, 1970
unter Druck einige Dokumente unterzeichnet zu haben, jedoch ergaben die Recherchen jetzt, dass er durchaus in einer
aktiven Rolle gewesen sein muss, bevor er
Führer der Solidarnocz wurde. Der Geheimdienst führte Walesa unter dem Namen „Bolek“, was eine Spitzeltätigkeit deutlich macht. Die Autoren stellten Dokumente
vor, die belegen sollen, dass „Bolek“ nach
dem blutig niedergeschlagenen Danziger
Arbeiteraufstand Kollegen denunziert und
dafür Geld angenommen haben soll.
Außerdem soll er später als Präsident einige Akten verschwinden lassen haben, die
seine Verstrickung belegen. Nunmehr wird
darüber gestritten, warum die Originalakte
„Bolek“ nie aufgetaucht ist. Lech Kaczynski, ein alter Intimfeind Walesas, nahm die
neuen Enthüllungen zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass es in Polen nie eine echte
Säuberung gegeben habe.
●
Warschau mit Angebot der USA nach wie
vor unzufrieden. Hohe Erwartungen verband Polen mit der geplanten Stationierung
amerikanischer Abfangraketen in Polen. Militärhilfe und zusätzliche Abwehrraketen unter Polens Regie sollten als Gegenleistung
geliefert werden. Das jetzt erfolgte Angebot Washingtons sah Polen als nicht ausreichend an. Auch ein 40 Minuten langes
Telefonat des Ministerpräsidenten Tusk mit
US-Vize-Präsident Cheney brachte Anfang
Juli nicht den gewünschten Erfolg. Die amerikanische Offerte wurde als abschließend
bezeichnet und mit der Drohung verbunden, man könne auch nach Litauen ausweichen. Tusk sieht dennoch nicht das
Ende der Verhandlungen. Russland hatte
wiederholt angekündigt, im Fall der Stationierung der gegen Angriffe aus dem Nahen Osten vorgesehenen Abwehrraketen
in Polen als Gegenreaktion Atomwaffen auf
das polnische Staatsgebiet zu richten. Deshalb will Warschau durch die moderne Waffentechnik der Amerikaner gegenhalten und
damit seine Sicherheitslage verbessern.
Wie verlautet, will Washington dem Begehren nur teilweise entsprechen. Es sollen zwar neben dem strittigen Abwehrsystem gegen „Schurkenstaaten“ weitere Abwehrwaffen zum Schutz Polens ins Land
gebracht werden, dies aber nur zeitweise
und unter eigenem Kommando. Damit ist
klar, dass die USA Polens Militärmacht nicht
wie gewünscht mit modernen Waffen stärken wollen.
LESERBRIEFE
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POLITIK / LESERBRIEFE
Erinnerungen an den Breslauer
Mediziner Förster
Zu „Paul Keller ist nicht vergessen“ (SN
10/2008, S. 13)
Als Breslauerin möchte ich folgendes hinzufügen. Auch wir waren schon auf dem
Laurentiusfriedhof, der früher seinen Eingang nicht gegenüber der Heilanstalt hatte und wie sie nicht von Krieg zerstört wurde. Hier haben wir unsere ehemalige Gruft
unweit des gepflegten Grabes von Paul Keller besucht, auf der natürlich heute ein polnisches Grab ist. Unserer Grabstätte
gegenüber steht noch heute, hinter einem
polnischen Grab, ein großer Findlingsstein
der ehemaligen Grabstätte von Professor
Förster. Er war eine Kapazität für Hirnoperationen und setzte im Krieg unseren
Soldaten silberne Schädeldecken ein, an
seinem Arbeitsplatz in den Kliniken an der
Tiergartenstraße, wo er u. a. auch meine
Schwester behandelte. Schräg gegenüber
wohnte übrigens die Tante des berühmten
Fliegers, Frau von Richthofen.
Heute wird in Bernburg/Sachsen-Anhalt
mit einer Büste vor einer Heilanstalt an den
großen Mediziner erinnert, der an sogenannter galoppierender Schwindsucht
starb, wie auch seine Frau. Zur Beerdigung
wurde ihre Tochter aus Paris eingeflogen
– damals ein großes, gesellschaftlich bedeutsames Ereignis.
Christa Liwowski,
geb. Friedemann, Könnern
(früher Scheitniger Straße 6, Breslau)
Zu „Liegnitz – Gestern und heute“
(SN 10/2008, Seite 14):
Hinsichtlich deutscher Literatur über Liegnitz muss bei der Lektüre ein völlig falsches
Bild entstehen. Frau Blum und Herr Brachmanski haben ganz einfach Pech gehabt. Es
würde Seiten füllen, wollte ich alle deutsch-,
zumindest zweisprachigen Bücher, Prospekte usw. zumindest aufführen, die nach
dem Krieg in Liegnitz erschienen sind. Schon
vor der Wende gab es das, wenn auch zum
Teil mit den bekannten ärgerlichen Texten.
Seit fast 20 Jahren aber ist gerade Liegnitz, in enger Zusammenarbeit mit den beiden Organisationen der heimatvertriebenen
Liegnitzer und der in Liegnitz lebenden Deutschen bemüht, die Stadt und ihre Geschichte
objektiv und umfassend darzustellen. Das
geschieht nicht nur in Veröffentlichungen verschiedenster Art, sondern auch durch
deutsch-polnische Vorträge, Ausstellungen, Konzerte und andere kulturelle Veranstaltungen. Dabei hat sich das „Kupfermuseum“ mit seinem Direktor Niedzielenko besondere Verdienste erworben. Dass die
Stadtverwaltung das alles kräftig unterstützt,
soll nicht unerwähnt bleiben. Gerade Liegnitz (seit 1993 Partnerstadt von Wuppertal,
der Patenstadt der deutschen Liegnitzer)
steht seit langem für einen objektiven, offenen und unverkrampften Umgang mit seiner jahrhundertealten deutschen Geschichte.
Sigismund Freiherr von Zedlitz, Berlin
Schlesische Nachrichten 14/2008
Fromme: Auch „Flucht und Vertreibung“ sollte
fester Bestandteil des Schulunterrichtes werden
Zu dem Beschluss der Kultusministerkonferenz, der Geschichte der DDR im
Schulunterricht einen höheren Stellenwert
einzuräumen, erklärt der Vorsitzende
der Gruppe der Vertriebenen, Flüchtlinge und Aussiedler der CDU/CSUBundestagsfraktion, Jochen-Konrad
Fromme MdB:
Der Beschluss der Kultusministerkonferenz, der Auseinandersetzung mit
der DDR-Vergangenheit im Schulunterricht einen höheren Stellenwert einzuräumen, ist ausdrücklich zu begrüßen.
Fast 20 Jahre nach der Wiedervereinigung
sind die Kenntnisse der Schülerinnen und
Schüler über das diktatorische System
der DDR oft erschreckend gering. Umso
größer ist die Gefahr, dass sie verklärenden Schwärmereien von den angeblichen sozialen Errungenschaften der
DDR Glauben schenken. Das reale Leben
sah anders aus. Die DDR war ein Überwachungsstaat, geprägt von Mauer und
Schießbefehl. Dieses Wissen muss der
Jugend von heute vermittelt werden, denn
nur wer die Geschichte kennt, kann die
Zukunft gestalten.
Gerade aus diesem Grund wäre es
wünschenswert, wenn sich die Kultusministerkonferenz in gleicher Weise des
Themas „Flucht und Vertreibung der Deutschen als Teil der europäischen Geschichte“ annehmen würde. Auch dies
sollte Teil der Lehrerausbildung sein und
im Schulunterricht aufgegriffen werden.
Zwar gibt es schon positive Ansätze in
den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, die Lehrerhandreichungen erarbeitet haben, doch finden diese
im Unterricht kaum Niederschlag. Die Erinnerung an das mit Flucht und Vertreibung verbundene Grauen ist gerade für
die Jugend, die in Frieden aufgewachsen
ist, so wichtig, um Eindrücke zu ordnen
und Zusammenhänge zu verstehen.
Nachrichten aus Görlitz
Aus der Sächsischen Zeitung für die schlesische Region Görlitz
✍ Landrat verlagert Amtssitz nach Görlitz. Landrat Bernd Lange (CDU) will ab
September 2008 von Görlitz aus den Landkreis regieren, das erklärte er jetzt nach
seiner Wahl. Die Stadt Görlitz wird dem
Landrat und seiner engsten Führungsmannschaft dazu Räume im Technischen
Rathaus der Stadt zur Verfügung stellen.
Das Provisorium ist nötig, weil das zentrale Landratsamt in Görlitz erst in den
kommenden Jahren am Bahnhof errichtet wird. Schätzungsweise wird der Bau
knapp 14 Millionen Euro kosten, wobei der
Kreis rund sechs Millionen Euro tragen
muss. Mit der Nutzung des neuen Gebäudekomplexes ist nicht vor 2011 zu
rechnen.
✍ Stadthalle braucht Zuschuss. Rund
eine halbe Million Euro wird die Stadt Görlitz künftig für den Betrieb der Stadthalle
bereitstellen müssen. Davon geht Oberbürgermeister Joachim Paulick aus. Er
hofft, dass der Stadtrat Ende August 2008
einen entsprechenden Grundsatzbeschluss fasst. Die Privatisierung der Halle war im Frühjahr daran gescheitert, dass
der Stadtrat kein Geld für die Betreibung
zuschießen wollte.
✍ Kaiserbüste kommt zurück. Wilhelm
I. schaut wieder aus einer Fassadennische
auf das bunte Treiben am Postplatz. Der
Hamburger Dietrich Rohrbeck schenkt
Görlitz eine Büste Kaiser Wilhelm I. Der
nach historischem Vorbild dargestellte
Hohlguss hat seinen Platz in der seit 1988
leeren Nische des Hauses Postplatz
14/15 (Brasserie) gefunden. Hier hatten die
beiden Urgroßväter Rohrbecks 1881
beim Hausbau eine Büste des seinerzeit
regierenden deutschen Kaisers anbringen
lassen, um dessen Verdienste für den industriellen Aufschwung in Görlitz zu würdigen. Dank der Hilfe des Ratsarchivs sowie Görlitzer und Berliner Museumsleuten
sei es anhand eines alten Fotos gelungen,
herauszufinden, wo der noch kurz vor dem
Ende der DDR zerstörte Orginalguss hergestellt worden war, sagte Rohrbeck. Der
in Hamburg lebende Pensionär, der in Stettin geboren wurde, aber auf der Flucht
1944 eine zeitlang in Görlitz lebte, hat die
Kaiserbüste persönlich, angeschnallt auf
dem Beifahrersitz seines Autos, nach Görlitz transportiert. Am 12. Juni, einen Tag
vor dem Muschelminnafest, hat sie wieder ihren historischen Platz gefunden.
✍ Oberlausitzische Gesellschaft der
Wissenschaften. Die „Gründer der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften“, sind in der Museumsnacht in
ihr Haus zurückgekehrt. Einfach albern,
dieser bombastische Edelkitsch des Zittauer Malers August Albert Zimmermann,
mit welcher er die „Landschaft am Königssee“ malerisch aufplusterte! Marius
Winzeler führt scheinbar pikiert durch die
Görlitzer Ausstellung „Idylle und Aufruhr“,
Kunst des 19. Jahrhunderts, im Barockhaus – allerdings nicht als Kurator, der er
im wahren Leben ist, sondern in Kleidern
und Habitus des Malers Christoph Nathe
(1753 – 1806), dem einstigen Direktor der
Görlitzer Zeichenschule und Mitglied der
ZEITGESCHEHEN
Schlesische Nachrichten 14/2008
Ein Schlag ins Gesicht
In Bonn wurde durch eine Mehrheit aus
SPD, Grüne, BBB (Bürger Bund Bonn) die
Aufnahme von Herbert Hupka in eine Straßenbenennungsliste abgelehnt. An der
Spitze stimmte die Bonner Oberbürgermeisterin, Bärbel Dieckmann, dagegen.
Die FDP hat sich enthalten, die CDU
stimmte geschlossen dafür.
Der Vorsitzende der Bonner Schlesier,
Stephan Rauhut, sagte verbittert in einem
Interview dazu: „Dies ist eine ungeheure Enttäuschung für die Bonner Schlesier,
ein Schlag ins Gesicht für alle Brückenbauer nach Schlesien und ein weiteres
Zeugnis für die Arroganz und Ignoranz
gegenüber den Vertriebenen sowie die
Ausgrenzung aus dem Bonner politischen
und kulturellen Leben!“
Der Antrag wurde am 4. März 2008 von
den Stadtverordneten Bendedikt Hauser,
Heinz-Helmich van Schewick und der
CDU-Fraktion bei der Bundesstadt Bonn
eingereicht. Inhalt des Antrages: „Der
Name des Vertriebenenpolitikers und ehemaligen Bundestagsabgeordneten Dr.
Herbert Hupka, wird in die Straßenbenennungsliste aufgenommen.“ Begründung: „Herbert Hupka wurde am 15. August 1915 geboren, er wuchs in Ratibor
(Oberschlesien) auf. Nach Studium und
Promotion wurde er zunächst in die Wehrmacht einberufen, um dann als wehrunwürdig wieder entlassen zu werden. Am
eigenen Leib bekam er den Rassenhass
des NS-Regimes zu spüren, weil seine
Mutter als sogenannte Halbjüdin eingestuft und ins KZ Theresienstadt gebracht
wurde.
Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften. Die Ausstellung fand viel Anklang.
✍ Tausende Gäste bei Görlitz-Festen.
Muschelminnafest und Tag der offenen
Sanierungstür zogen jetzt rund 5000 Besucher an, so schätzen es jedenfalls die
Veranstalter. Joachim Rudolph, Vorsitzender des Aktionskreises, der das Fest
am Postplatz organisiert hat, schwärmt:
„Dieser Platz lebt. Das Flair, die Musik und
die liebevoll bepflanzte Anlage passen
wunderbar zusammen“.
✍ 500 Musiker bei der Fête de la Musique. Rund 40 Gruppen mit etwa 500
Musikern traten am 21. und 22. Juni 2008
zur Fête de la Musique in Görlitz auf. Das
Fest, mit dem seit 26 Jahren weltweit der
längste Tag und die kürzeste Nacht des
Jahres gefeiert werden, fiel diesmal auf
ein Wochenende. Deshalb wurde es auf
zwei Tage verlängert. Die Konzerte fanden überall im Stadtgebiet von Görlitz in
Ost und West statt.
Nach der Vertreibung aus Schlesien fasste er zunächst in München und dann in Bonn
Fuß, wo er jahrzehntelang lebte und sich dem
Journalismus zuwandte. (...) Er war über 32
Jahre Bundesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien, Vizepräsident des Bundes
der Vertriebenen und Präsident des Ostdeutschen Kulturrates. Die beiden Letztgenannten haben ihren Sitz in Bonn. Von 1969
bis 1987 vertrat er die Interessen der Heimatvertriebenen im Deutschen Bundestag.
Seine Heimatstadt Ratibor hat ihm den Ehrentitel eines verdienten Bürgers verliehen.
Eine Straßenbenennung würde diese Lebensleistung auch von Bonner Seite entsprechend würdigen und ein sichtbares Zeichen für die zahlreichen, in Bonn lebenden
Heimatvertriebenen, Flüchtlinge und Spätaussiedler sein, dass sein Wirken in Zukunft
nicht vergessen wird.“
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In einer Stellungnahme der Verwaltung
wurde darauf verwiesen, dass über das
bundespolitische Wirken von Herrn
Hupka hinaus, auch wenn er bis zu seinem Tode in Bonn lebte, keine weiteren
unmittelbaren Bezüge zur Stadt Bonn erkennbar seien. Zudem heißt es: „Grundsätzliche Bedenken gegen eine entsprechende Straßenbenennung bestehen
aus stadthistorischer Sicht nicht.“
Wo sind wir? Wo leben wir? Auf der
Internetseite der Stadt Bonn wirbt die
Bonner Oberbürgermeisterin u.a.: „Ich
hoffe, dass Sie sich in Bonn wohl fühlen
werden.“ Wie sollen sich die Vertriebenen wohl fühlen, wenn sie noch heute
ausgegrenzt werden? Es werden Straßen
nach Personen benannt, die sich nicht
so um Aussöhnung bemüht haben wie
Herbert Hupka. Die in Bonn lebenden
Vertriebenen, besonders die Schlesier,
sind entsetzt und wurden erneut enttäuscht.
Michael Ferber
TERMINE
55. Oberschlesische St. Anna Wallfahrt am
26. und 27. Juli 2008 in Altötting
Aus dem Programm;
Samstag, 26. Juli 2008, 20 Uhr: Abendgottesdienst, anschließend Lichterprozession, Zelebrant ist Vertriebenenseelsorger der
Diözese Würzburg Msgr. Karl Heinz
Frühmorgen
Sonntag, 27. Juli 2008, 8 bis 10 Uhr: Beichtgelegenheit in der St. Anna-Basilika
10 Uhr: Pontifikalamt mit Bischof Dr. Walter Mixa, Augsburg, geboren in Königshütte/Oberschlesien
14 Uhr: Andacht zu Ehren der heiligen Mutter Anna mit Pfarrer Reimund Schrott, vormals Hindenburg/Oberschlesien
Der deutsche Mannschaftskapitän
Michael Ballack aus Görlitz/Niederschlesien
Wenn wir auf die gegenwärtige Europameisterschaft blicken, dürfen „wir
Niederschlesier“, besonders wir aus der
niederschlesischen Stadt Görlitz, mit
Stolz vermerken, dass der Mannschaftskapitän der deutschen Nationalmannschaft, Michael Ballack, aus einer alteingesessenen Familie aus Görlitz, Ortsteil
Weinhübel, stammt. Er wurde dort an der
Neiße am 26.September 1976 (damals
noch DDR) geboren. Schon kurz nach seiner Geburt siedelten die Eltern Ballack mit
dem Baby Michael aus beruflichen Gründen aus der schönen Stadt Görlitz in
Niederschlesien ins sächsische Chemnitz
über. Schon 1995 erhielt Michael Ballack
aufgrund der Leistungen als zentraler
Mittelfeldspieler beim Chemnitzer FC einen ersten Profivertrag. 1997 wurde er vom
1. FC Kaiserslautern verpflichtet. 2002
wechselte er zum FC Bayern München,
später zum FC Chelsea London. Sein erstes Länderspiel absolvierte der Niederschlesier am 28. April 1999 in Bremen gegen Schottland. Nach der EM 2004 wurde Ballack zum neuen Mannschaftskapitän ernannt und führte seitdem die Nationalmannschaft aufs internationale Fußballfeld. – Ballack ist bekannt für seine vielseitige und anpassungsfähige Spielweise. Als sportliche Kulturpersönlichkeit
ist er ein weiteres Symbol für die reiche
Kulturlandschaft unserer Heimat und
sollte in unseren Herzen einen bevorzugten Platz finden. Zudem sollte ihn seine
wahre Vaterstadt Görlitz – auch wenn er
schon jung auszog – ganz besonders ehren. Und unsere Landsmannschaft sollte ihn – da die deutsche Mannschaft VizeEuropameister geworden ist – mit einer hohen Auszeichnung belohnen. Die Oberlausitzer Sportvereine dürfen mit Recht
auf ein so großes Vorbild stolz sein! In einem Interwiev mit der „Rheinischen Post“
Düsseldorf sagte er Anfang Juni 2008 in
seiner optimistischen, fröhlichen und bescheidenen Art, dass es einfach Spaß
macht, zu sehen, wie die jungen Spieler
mitmachen, wie sie sich auf die EM freuen und mit welcher Begeisterung sie für
die Nationalmannschaft spielen, und
dass es toll sei, dass wir seit einigen Jahren wieder ein sehr gutes Verhältnis zu unseren Fans haben. „Meine Aufgabe als Kapitän ist auch, dass dieses positive Miteinander zwischen Mannschaft und Fans
so bleibt...Uns ist klar, dass wir unsere
Überzeugungskraft in erster Linie über
Leistung definieren müssen. Es ist weiterhin für mich eine Ehre, Kapitän dieser
Mannschaft zu sein...“
Wolfgang Liebehenschel,
früher Görlitz/Niederschlesien
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LANDSMANNSCHAFT SCHLESIEN
D ER K O M M E N T A R
von Manfred Rademacher
Städtische Führung
von Bonn glänzt
durch Abwesenheit
Es ist schon beschämend, was sich da die
Stadt Bonn gegenüber der schlesischen
Landsmannschaft und den Oppelner Bürgerinnen und Bürgern leistet. Es kann doch
nicht angehen, dass sich die Führung der
Stadt Bonn, an der Spitze die Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann, von der
25-Jahr-Feier des Heimattreffens der Patenschaft zwischen Bonn und Oppeln in
der Godesberger Stadthalle fern hält. Die
betroffenen Bürgerinnen und Bürger, insbesondere der Vorsitzende der Bonner
Kreisgruppe der Landsmannschaft
Schlesien, Stephan Rauhut, sind entsetzt
darüber. Hatten sie doch im Juni 1954 einen Ratsbeschluss gefasst, eine Patenschaft mit der oberschlesischen Stadt Oppeln zu pflegen. Sie erklärten damals offiziell, freundschaftliche Beziehungen aufzunehmen. Zu den wichtigen Zielen der
Städtefreundschaft sollten der freie geistige Austausch in allen wesentlichen Bereichen kommunaler Aufgabenstellung
sowie Förderung der Kultur und Wissenschaft zählen. Darunter wollte man verstärkt in den Bereichen der Heimatpflege
und des Brauchtums und die Gemeinsamkeit mit Schulen, der Jugend im Allgemeinen, im Sozialwesen und im Sport
tätig sein. Was ist daraus geworden?
Nichts! Haben die Mandatsträger der Stadt
Bonn dieses Abkommen vergessen?
Nicht einmal ein Stadtverordneter der
Stadt Bonn oder ein kleiner Bezirksverordneter hielt es für nötig, sich bei diesem
Jubiläum sehen zu lassen und die besten
Wünsche zu überbringen. Vielleicht auch
von der OB, die sich lieber mit den Bonner Baskets schmückt oder anderen Prominenten aus dem Sport oder Showbusiness.
Es ist eigentlich schade, dass die Politiker zu ihren früheren Abkommen nicht
mehr stehen. Sie nicht für wichtig halten.
Wie oft ist aus der Bevölkerung zu hören,
dass sie nicht mehr zur Wahl gehen werden, weil sich die Politiker, egal welcher
Couleur, viel zu wenig um die Belange der
Wählerschaft kümmern. In unserer Ich-Gesellschaft zählen die Menschen bei den
Politikern nichts mehr. Aber dann, wenn
die Wahlen vor der Tür stehen, dann kommen sie in Scharen auf Straßen und Plätze, verteilen Rosen an die Frauen und erzählen lauthals, dass im Himmel Jahrmarkt
sei. Aber, was dann? Es ist Wahltag und
keiner geht hin!
Manfred Rademacher ist Chefredakteur des Bonner Hardtberg-Boten
und Pressesprecher des Bonner
Wirtschafts- und Bürgervereins (WuB).
Schlesische Nachrichten 14/2008
Landsmannschaft Neuss auf Tour
Der diesjährige Jahresausflug der Landsmannschaft Schlesien, Kreisgruppe Neuss,
fand wieder ein großes Echo. Ein Doppelstockbus musste geordert werden, um der
Nachfrage gerecht zu werden.
Erstes Ziel war die Villa Hügel am Essener Baldeneysee. Eine Führung durch die
prächtigen Räume der gemeinnützigen Alfred Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung
zeigte ein Industrie-Imperium auf, welches
über Deutschland hinaus Geschichte
schrieb und heute noch schreibt. Die Stiftung wird seit ihrer Gründung 1984 von Prof.
Dr. h. c. Berthold Beitz geführt. Berühmte
Ausstellungen wie „Das alte China“ finden
hier statt sowie zahlreiche repräsentative Veranstaltungen.
Der zweite Teil der Tagestour begann mit
einer unfreiwilligen Verspätung, denn eine
Buspanne genau neben einem Erdbeerfeld
verzögerte die Anreise zum größten Binnenhafen Europas in Duisburg. Dafür startete
extra für die Neusser Gesellschaft ein
Sonderschiff. Die zweistündige Schifffahrt mit
der „Weißen Flotte“ gestaltete sich als ein
erlebenswertes Ereignis, denn das riesige,
von der Industrie geprägte Hafengelände am
Zusammenfluss von Rhein und Ruhr, ist ein
wirtschaftlicher Schwerpunkt von größter Bedeutung, nicht nur für Nordrhein-Westfalen.
Mit vielen neuen Erkenntnissen kehrte man
in den Abendstunden gutgelaunt nach
Neuss zurück.
Theo Jantosch
Über das III. Allgemeinbildende Lyzeum
(früher: Königin-Luisen-Gymnasium), die
ein Teil des Schulverbandes Nr. 11 in Hindenburg OS ist, haben wir sehr oft berichtet. Insbesondere im Zusammenhang
mit den zahlreichen grenzüberschreitenden Maßnahmen der Landsmannschaft
Schlesien, an denen die Schüler, die stets
über sehr gute Deutschkenntnisse verfügten, teilgenommen haben. Die guten
sprachlichen Kenntnisse der Schüler werden seit neuestem auch von der Bundesrepublik Deutschland gewürdigt. Diese
Schule wurde nun zu „Einer Partnerschule
der Bundesrepublik Deutschland“ erklärt.
D. Spielvogel
TERMINE
31. Juli 2008, 15 – 18 Uhr: TAG DER OFFENEN
TÜR in der Ostdeutschen Heimatstube Neuss,
Oberstraße 17: Filmschau „Bäderland Schlesien“
25. Oppelner Bundesheimattreffen
Die politische und finanzielle Unterstützung
der Stadt Bonn fehlen – dennoch fühlen sich
die oberschlesischen Landsleute aus Oppeln mit Bonn tief verbunden. So trafen sich
zum Silberjubiläum Mitte Juni 2008 in der
Bad Godesberger Stadthalle der Bonner
Patenstadt ehemalige Oppelner Bürger aus
Deutschland, Europa und allen Kontinenten.
Bereits im Juni 1954 übernahm die Stadt
Bonn nach einem entsprechenden Ratsbeschluß die Patenschaft über die oberschlesische Stadt Oppeln. Nach der Öffnung der Ostgrenzen beschloß der Rat der
Stadt Bonn, diese einseitige Patenschaft
zu einer Partnerschaft der beiden Städte
weiter zu entwickeln und übertrug dies federführend dem Stadtbezirk Bonn. Am 2.
Mai 1997 erklärten Vertreter des Stadtbezirkes Bonn und der Stadt Oppeln offiziell
ihren Willen, freundschaftliche
Beziehungen aufzunehmen.
Wichtigste Ziele der Städtefreundschaft sollten der freie
geistige Austausch in allen
Foto: von lins: Horst-Georg
Walczyk (stellv. Vorsitzender des
Bundes der Oppelner) Dipl.-Ing.
Bernhard Wieczorek (Vorsitzender des Bundes der Oppelner)
wesentlichen Bereichen kommunaler Aufgabenstellung sowie Förderung der Kultur
und Wissenschaft, namentlich in den Bereichen Heimatpflege und Brauchtum,
Schulen, Jugend, Sozialwesen und Sport
sein. Das meiste davon blieb bis heute leider aus.
Zwar wünscht der Bezirksbürgermeister Helmut Kollig in einem Grußwort allen
Oppelnern, Freunden und Gästen des Treffens eine erfüllte Zeit und schreibt u. a.
selbst: „So würde ich mir wünschen, dass
die Entwicklung auch Perspektiven eröffnet für den Bund der Oppelner und ihrer
Verbundenheit mit ihrer Heimatstadt,
denn, um es mit Worten Federico Fellinis
zu sagen: „Niemand darf seine Wurzeln vergessen. Sie sind Ursprung unseres Lebens.“ – aber findet selber keine Zeit dem
Treffen beizuwohnen und entsendet auch
keinen Vertreter.
Seit Jahren schon zieht
sich die Stadt Bonn und
deren Stadtbezirk Bonn
diskret von den Veranstaltungen der Heimatvertriebenen zurück – warum?
„Die Vertriebenen, auch
die Oppelner haben nach
1945 mitgeholfen, Bonn
Schlesische Nachrichten 14/2008
LANDSMANNSCHAFT SCHLESIEN
60 JAHRE LANDSMANNSCHAFT SCHLESIEN IN MEMMINGEN
Oberbürgermeister überreicht Armin M. Brandt
den historischen Wechter-Stich
In das Goldene Buch der Stadt Memmingen trug sich Armin M. Brandt ein.
Unser Bild zeigt den BdV-Kreisvorsitzenden mit Oberbürgermeister Dr.
Ivo Holzinger und den Fraktionsvorsitzenden der im Stadtrat vertretenen
Parteien.
Foto: AMB-Archiv
„Zur Gedenkfeier 60 Jahre Landsmannschaften Schlesien, Sudetenland und Ostpreußen/nordostdeutsche Gebiete für ihre
verdienstvolle Tätigkeit in dankbarer Anerkennung überreicht.“
Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger
übergab namens der Stadt Memmingen
dem BdV-Kreisvorsitzenden, Bezirksvorsitzenden und Landespressereferenten
Armin M. Brandt den historischen Wechter-Stich von 1573 mit persönlicher Widmung zur Erinnerung an die Feierstunde im
Plenarsaal des Rathauses. Mit dieser Eh-
wiederaufzubauen und seien heute tief mit
der Stadt verbunden“, so der Vorsitzende
des Bundes der Oppelner, Dipl.-Ing. Bernhard Wieczorek.
In der Nachbarstadt Siegburg sieht das
anders aus: „Zum Bunzlauer Heimattreffen,
eine Woche früher, überbrachten Landrat
Frithjof Kühn und Bürgermeister Franz Huhn
herzliche Grußworte. Beide wurden für ihre
großen Verdienste um die Patenschaften
mit der Silbernen Ehrennadel der Landsmannschaft Schlesien ausgezeichnet. Die
Ehrung nahm der Präsident der Schlesischen Landesversammlung Professor Dr.
Dr. h.c. Michael Pietsch aus Mainz höchstpersönlich vor, der beim Festakt auch eine
viel beachtete Rede zum Thema „Bedeutung, Wert und Bewahrung der Heimat in
der modernen Welt“ hielt. Warum ist das
im nur wenigen Kilometer entfernten Bonn
nicht möglich?
„Zwar sei der Kontakt mit Oppeln bis
heute nicht abgebrochen, aber man erwarte
auch mehr Unterstützung“, so der Vorsitzender der Bonner Kreisgruppe der
Landsmannschaft Schlesien, Stephan
Rauhut. Es besteht eine Schulpatenschaft
zwischen dem heutigen Oppeln und Königswinter aber nicht mit einer Schule der
Paten- und Partnerstadt Bonn, wo mehr als
ein Fünftel der Bevölkerung Heimatvertriebene sind.
Michael Ferber
rung würdigte das Stadtoberhaupt das vielfältige Engagement der Heimatvertriebenen für Memmingen.
Die im Bund der Vertriebenen vereinigten Landsmannschaften der Sudetendeutschen, Schlesier und Ostpreußen
können auf mehr als sechzig Jahre Vereinsund Kulturarbeit zurückschauen. Ihre Mitgliederstruktur, ihre Zielsetzungen und
den Inhalt ihrer Tätigkeit heute kann man
mit den Aktivitäten der ersten Jahre kaum
vergleichen. Die Geburt der landsmannschaftlich organisierten Vereinigungen von
den Jahren nach der Stunde Null war von
Schmerzen begleitet und litt lange an den
Nachwehen, die mit der Vertreibung und
den politischen Entwicklungen des darauf
folgenden Jahrzehnts einhergingen.
In seiner Festansprache erinnerte Armin
M. Brandt, nach einem Rückblick über 1000
Jahre Geschichte Ostdeutschlands, an das
Schicksal der Heimatlosen in Stadt und
Landkreis Memmingen. Die Ausgewiesenen wurden zunächst notdürftig in Massenlagern untergebracht, in Gasthöfen, in
Wohnanlagen, in beschlagnahmten Privatquartieren. Große Spannungen in der
einheimischen Bevölkerung entstanden
vorwiegend als Folge der Einweisungen der
Heimatvertriebenen in die beschlagnahmten Wohnungen.
Allmählich in „Neubürger“ umgetauft, organisierten sich die aus der Heimat Geflohenen und Ausgewiesenen zugleich in
landsmannschaftlich ausgerichteten Verbänden, um ihr verpflichtendes Erbe aus
der alten Heimat zu pflegen. Bei der Gründung der Landsmannschaften auf Landesebene spielten Memminger Mitglieder
eine wichtige Rolle.
Schon am 25. Februar 1948 wurden die
Kreis- und die Ortsgruppe der Sudetendeutschen Landsmannschaft als eingetragener Verein eingerichtet. Bis Ende des
Jahres gab es in Schwaben etwa 10.000
Mitglieder. Memmingen wurde als Sitz der
Bezirksversammlung auserkoren.
7
So werben wir für die
Schlesischen Nachrichten
Jedes Mitglied erhält zu einem runden oder
halbrunden Geburtstag ein Halbjahresabonnement der Schlesischen Nachrichten. In diesem Jahr konnten wir bis Mai
schon sechs Abos verschenken. Weitere
werden folgen. Echte Schlesierinnen und
Schlesier kündigen nach dem ersten
Halbjahr das Abo dann nicht mehr. Sicher
ist dies auch eine gute Idee für andere
Gruppen der Landsmannschaft, die nach
Geschenken für Ihre Mitglieder suchen.
Beckert,
Landsmannschaft Schlesien,
Orts- und Kreisgruppe Mosbach
Die Gründungsversammlung der Schlesier-Vereinigung fand am 16. Oktober
1948 im großen Burgsaal statt. Das Spendenaufkommen betrug fünfzehn Mark.
Ohne die Mitarbeit und Aufopferungsbereitschaft vieler Freiwilliger wäre diese Veranstaltung nicht geglückt. Die rund 400 Teilnehmer wählten als 1. Vorsitzenden den
Rechtsanwalt Erwin Adam.
Das Jugendreferat hatte der Kaufmann
Bernhard Günther (1917 bis 2005) übernommen, der 35 Jahre lang die Landsmannschaft in Memmingen von 1962 bis
1997 und den Bezirksverband von 1985 bis
1987 führte. Besonders stolz sind die Schlesier auf das letzte noch lebende Gründungsmitglied Walter Baer.
Aus Memmingen kamen weitere Vorsitzende des Bezirksverbandes: Erwin
Adam (1953). Hans Wied (1962 bis 1969).
Konrad Foraita (1975 bis 1982), Herbert
Weiß (1990 bis 2005) und als sein Nachfolger Armin M. Brandt.
Die gute Zusammenarbeit zwischen den
Schlesiern und den Ostpreußen führte dazu,
dass am 11. März 1950 die Vertriebenen
aus anderen ostdeutschen Bezirken im
„Stadtgarten“ zusammenkamen. Dabei
entstand die „Landsmannschaft Ostpreußen und nordostdeutsche Gebiete“.
Referent Brandt weiter: „Was damals die
Heimatvertriebenen in Memmingen bewegte, war die gesellschaftliche Isolation,
die wirtschaftliche Benachteiligung, die unbefriedigten Minimalbedürfnisse in einer
fremden Umwelt, die Hoffnung auf größere politische Durchsetzungskraft. Deshalb
hatten die landsmannschaftlichen Bewegungen in der Gründungszeit einen großen
Zulauf.“
Großkundgebungen der Schlesier und
Sudetendeutschen fanden am 3. Juli und
16./17. Juli 1949 mit 6.000 bzw. 20.000 Besuchern in der Stadionhalle statt. Ihr Kredo: Wider jedes Naturrecht und Völkerrecht
sind 15 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben und 2,5 Millionen auf der
Flucht ermordet worden.
Zehn Jahre nach der Vertreibung errichteten die Heimatvertriebenen aus eigenen Mitteln und mit Spenden ein Kreuz
im Waldfriedhof mit den Wappen der Vertreibungsgebiete zur Erinnerung an die Ge-
>>>
8
LANDSMANNSCHAFT SCHLESIEN
deutsche Kultur war, ist und wird stets untrennbar verbunden bleiben mit den aus
Ostdeutschland stammenden Deutschen
und ihren Nachkommen.
Aus Anlass der Gedenkfeier überreichte
die Landsmannschaft Schlesien der Stadt
Memmingen das Werk „Alte und neue Heimat“ der Künstlerin Gudrun Stölzle. Die freischaffende Malerin gehört seit Jahrzehnten der Kreisvorstandschaft an. In ganz besonderer Weise hat Stölzle eine Symbiose zwischen beiden Kulturkreisen hergestellt. Oberbürgermeister Dr. Holzinger versprach, bei der Suche nach einem würdigen Platz behilflich zu sein.
Im Anschluss an die Veranstaltung trugen sich die Besucher ins Goldene Buch
der Stadt Memmingen ein. Die musikalische
Gestaltung der Feierstunde hatte der Musikverein Volkratshofen unter Leitung von
Paval Korff übernommen. Die Gedenkfeier
klang mit Bayernhymne und Deutschlandlied aus.
AMB
Fotos: AMB-Archiv
fallenen der Weltkriege und die Opfer von
Flucht und Vertreibung.
Im Jahr 1993 wurde als Dank an die
Stadt Memmingen für die Aufnahme von
etwa 13.000 Heimatvertriebenen in der
Grimmelschanze ein Gedenkstein errichtet und eingeweiht. Die Wappen der Vertreibungsgebiete sind an der Stadtmauer
angebracht. „Der neuen Heimat Dank – der
verlorenen die Treue“ lautet eine der beiden Inschriften.
Die Weitergabe des ostdeutschen Kulturgutes ist nicht nur für die Heimatvertriebenen eine dringliche Aufgabe, denn es
geht um das Geschichtsbild und das Geschichtsverständnis aller Deutschen, ja
auch um das der östlichen Nachbarn. Die
deutschen Heimatvertriebenen reichen
den östlichen Nachbarn genauso die Hand
wie den westlichen Nachbarn, die nach
1945 keine Vertreibungen deutscher Menschen aus ihren Besatzungszonen vornahmen oder zuließen.
Bezirksehrenvorsitzender Herbert Weiß
hob in seinem Rückblick das starke kulturelle Engagement der Schlesier in den
1950er Jahren in Stadt und Landkreis Memmingen hervor. Deutsche Geschichte und
Von der Künstlerin Gudrun Stölzle stammt das
Werk „Alte und neue Heimat“, dass die Landsmannschaft Schlesien der Stadt Memmingen
zum Geschenk machte. Unser Bild zeigt Frau
Stölzle mit Oberbürgermeister Dr. Holzinger
(rechts) und dem Vorsitzenden Brandt.
Aus Anlass der Feierstunde im Rathaus überreichte Oberbürgermeister Dr. Holzinger einen Wechter-Stich von 1573 mit persönlicher
Widmung an den BdV-Kreisvorsitzenden Armin M. Brandt: „Zur Gedenkfeier 60 Jahre
Landsmannschaften Schlesien, Sudetenland und Ostpreußen/nordostdeutsche Gebiete für ihre verdienstvolle Tätigkeit in dankbarer Anerkennung überreicht“.
Frühlingsfest der
Bonner Schlesier
Wie immer bei unseren Festen kamen viel
mehr Gäste als erwartet. Mancher musste sogar umkehren, da in den Saal kein
Stuhl mehr hineingestellt werden konnte.
Seit langen Jahren erfreuen sich unsere
Frühlings- und Erntedankfeste sowie die
Barbara-/Adventsfeiern großen Zuspruchs, wird doch der Saal jedes Mal von
der schlesischen Frauengruppe unter der
Leitung von Helga Solisch (früher von Elfriede Marold) festlich geschmückt und
sind unsere Darbietungen ebenso sehenswie hörenswert.
So war es auch im Juni 2008, als eine
große, froh gestimmte Runde vom Vorsitzenden, Stephan Rauhut, begrüßt wurde. Die bekannte Singfreudigkeit der
Schlesier zeigte sich ein weiteres Mal, als
zahlreiche Frühlingslieder schlesischer
Dichter und Komponisten unter der Leitung von Heinz Sosnowski in Begleitung
von Herrn Dr. Rupert Klisch im Saal erklangen.
Brückenberger Trachtengruppe
Foto: Michael Ferber
Etwas Besonderes bot die Brückenberger Trachtengruppe, die drei ihrer
Kinder mitbrachte. Man staunte und freute sich, mit welchem Ernst die Kleinen sich
bei den Erwachsenen einreihten.
Was wäre unser Frühlingsfest ohne ein
begleitendes Wort zu dieser lebensfrohen
Jahreszeit. Helga Solisch malte ein buntes Bild der farbenprächtigen Blütenpracht.
Einen Beitrag in Mundart bot in altbekannter Art Hildegard Kähl, welche wie alle
anderen mit großem Beifall bedacht wurde.
Inge Niemeyer
Schlesische Nachrichten 14/2008
28. Neumarkter
Heimattreffen in Hameln
475 Heimatfreunde aus Stadt und
Kreis Neumarkt feierten im Theater
und in der Weserberglandhalle
Beim 28. Neumarkter Heimattreffen am 7.
und 8. Juni 2008 in unserer Patenstadt Hameln brachten wir zusammen mit allen Gäste zum Ausdruck, dass Schlesien, „das Land
unserer Wurzeln“, für alle stets „Heimat lieb
und traut“ und unvergessen bleibt. Gewiss
haben alle in den neuen Wohnorten ein „Zuhause“ gefunden, aber bei dem Heimattreffen in Hameln mit Verwandten, Freunden und Nachbarn aus den Orten der schlesischen Heimat erinnerten sie sich gerne an
die Stätten ihrer Herkunft.
Der Samstag begann mit einer Kranzniederlegung an der Vertriebenen-Gedenkstätte auf dem Deisterfriedhof. Hier gedachte der ehemalige Vorsitzende des Neumarkter Vereins, Ludwig Hartmann, der in
der Heimat ruhenden Toten, der Toten von
Flucht und Vertreibung, der zahllosen Opfer auf den Schlachtfeldern des zweiten
Weltkrieges und der Kriegsgefangenen
und verschleppten Zivilpersonen, die in den
Lagern ums Leben kamen: „Sie sind nicht
vergessen!“
Danach spielte zum Auftakt des Heimattreffen das Musikkorps der Stadt Hessisch Oldendorf ein kurzes Platzkonzert am
Meilenstein im Bürgergarten. Der Bürgermeister der Patenstadt, Herbert Rode, gab
einen kurzen Empfang für den Vorstand des
Neumarkter Vereins und für die beiden heutigen Bürgermeister Boguslaw Krasucki und
Mieczyslaw Kudrynski im Hochzeitshaus
Hameln.
Beim Heimatnachmittag im Theater Hameln sprachen der Bürgermeister Herbert
Rote und der neue Vorsitzende des Neumarkter Vereins, Edgar Güttler. Hier überraschte u. a. „Der Tanzende Kreis Paderborn“ mit hervorragend dargebotenen
schlesischen Tänzen. Durch das Programm führte mit humoristischen Einlagen
Heimatfreund Klaus Labude. Dr. Alois Burkert brachte durch seine schlesische
Mundarterzählungen und Musikeinlagen mit
Gesang und Akkordeonbegleitung Stimmung in den Saal. Mit der Ehrung der neuen Ehrenmitglieder endete das erlebnisreiche Theaterprogramm. Dann trafen sich
noch die Heimatfreunde in der Weserberglandhalle zum gemütlichen Beisammensein und Wiedersehen.
Sonntag fand nach den Gottesdiensten
ein Platzkonzert vor dem WeserberglandZentrum statt. In der Festhalle hielten Herbert Rode, Irmgard Mau von der Landsmannschaft Schlesien und der neue Vorsitzende des Neumarkter Vereins, Edgar
Güttler, ihre Reden. Nach dem gemütlichen
Beisammensein freuen sich alle Teilnehmer
auf ein gesundes Wiedersehen zum
29. Treffen 2010 in der Patenstadt Hameln.
Schlesische Nachrichten 14/2008
LANDSMANNSCHAFT SCHLESIEN / MUNDART
„Schätze des Bunzlauer Landes“ – und viel, viel mehr!
Ein Rückblick auf das 29. Bundesheimattreffen Stadt und Kreis Bunzlau
Ca. 120 Heimatfreunde reisten in der Zeitspanne vom 30. Mai bis Anfang Juni 2008
aus ganz Deutschland in ihre rheinische
„Patenstadt“. Sie erlebten frohe, auch
nachdenkliche Stunden und ein recht anspruchsvolles Festprogramm – und sie fassten weittragende Beschlüsse über die Zukunft der Bundesheimatgruppe.
Diesmal kam eine besonders stattliche
Gruppe aus Niedersachsen, speziell aus
Hildesheim und Umgebung. Es war gewissermaßen ein Gegenbesuch, hatte
doch Vorsitzender Peter Börner im vorigen
Jahr im Hildesheimer „Berghölzchen“ den
Naumburgern samt Heimatfreunden der
umliegenden Dörfer seine Aufwartung
gemacht. Stellvertretend für alle KreisBunzlauer sprach OB a.D. Rudolf Rückert (früher: Naumburg/Kr. Bunzlau) beim
Festakt in der Aula des Stadtmuseums ein
herzliches Grußwort. Zugleich gratulierte
er dem Vorstand der Bundesheimatgruppe (Peter Börner, Horst Tschage, Horst Lessig, Jochem Birk, Jochen Wiesner und Norbert Roth, neu: Elisabeth Zahn) zur
Wiederwahl und dankte für geleistete Arbeit. Die Vorstandswahl hatte Gerhard
Haupt (früher: Siegersdorf) bei der Vollversammlung im Kolpinghaus souverän geleitet.
Die Grußworte der Paten überbrachten
Landrat Frithjof Kühn und Bürgermeister
Franz Huhn. Beide wurden für ihre großen
Verdienste um die Patenschaft mit der Silbernen Ehrennadel der Landsmannschaft
Schlesien ausgezeichnet. Die Ehrung
nahm der Präsident der Schlesischen Landesversammlung Professor Dr. Dr. h.c. Michael Pietsch aus Mainz höchstpersönlich
vor. Er hielt beim Festakt eine viel beachtete Rede zum Thema „Bedeutung, Wert
und Bewahrung der schlesischen Heimat
in unserer modernen Welt“.
Unter den Gästen des Heimattreffens
war auch eine kleine Gruppe junger polnischer Heimatfreunde und Heimatforscher,
darunter mehrere Wissenschaftler der
Stadtgeschichtlichen Abteilung des Bunzlauer Keramikmuseums unter Leitung ihrer Chefin Anna Bober-Tubaj. Sie überbrachte nicht nur Grüße des Bunzlauer Bürgermeisters Pjotr Roman, sondern eröffnete auch gemeinsam mit Klaus Hardung,
dem Leiter des Siegburger Stadtmu-
seums, eine Ausstellung über archäologische „Schätze des Bunzlauer Landes“. Dabei handelt sich um neuere Fundstücke aus
Stadt und Kreis Bunzlau von der Bronzezeit bis zum Spätmittelalter. Die Ausstellung, finanziert von der Stiftung für
Deutsch-Polnische Zusammenarbeit und
zuvor in Bunzlau zu bewundern, hatte die
Bundesheimatgruppe eigens zum Heimattreffen nach Siegburg vermittelt.
Doch Siegburg weist in Gestalt der
Bunzlauer Heimatstube selbst „Schätze
des Bunzlauer Landes“ auf, die unsere polnischen Gäste nicht nur eifrig und mit großer Sachkenntnis durchstöberten, vermaßen und digitalisierten, sondern am
liebsten in das im Entstehen begriffene
neue Bunzlauer Stadtmuseum im früheren
Kutusow-Museum übernehmen würden.
Dem steht allerdings das einhellige Votum
der am 31. 5. 2008 im Kolpinghaus versammelten Vollversammlung der Bunzlauer
entgegen. Diese will, dass – gemäß einer
Beschlussvorlage des Vorstands – die über
viele Jahre zusammengetragenen heimatlichen Ausstellungsgegenstände und
das reiches Archivmaterial im Falle einer
Auflösung der Bundesheimatgruppe in die
Obhut der Siegburger Paten kommen. Sie
haben dem „Zukunftskonzept Heimatstube“ in seinen Grundzügen bereits zugestimmt. Auf diese Weise kann das alte deutsche Bunzlau, aber auch die bedeutsame
Integrationsleistung der Heimatvertriebenen nach dem 2. Weltkrieg in Deutschlands
Westen dokumentiert und der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich gemacht werden.
Beispielhaft geschah dies während
des Heimattreffens durch einen Lichtbildervortrag des Münchner Kunsthistorikers
Dr. Albrecht Gribl über den Bunzlauer
Pionier der Werbegraphik Max Hertwig
(1881 – 1975) im Haus der Begegnung.
Dort, in der Heimatstube, fand außerdem,
geleitet von Heimatfreund Horst Tschage,
eine Tagung von Ortsbetreuern statt.
Das Festprogramm wurde am Samstag
eingeleitet mit einer von Toten-Gedenkandacht in der St. Servatius-Kirche, die am
Gedenkstein für Pfarrer Paul Sauer fortgesetzt wurde. Es klang sonntags aus mit
einem fröhlichen Beisammensein bei Kaffee und Kuchen in der Aula des Stadtmuseums.
Blick in die Aula des Siegburger Stadtmuseums, im
Vordergrund die Paten Bürgermeister Franz Huhn und
Landrat Frithjof Kühn
9
Dar zufriedene
Dorfmensch
(Gebirgsmundart)
A gemietliches Stiebla, ne gude Suppe
Und sunntichs Kließlan und Fleesch eim Tuppe.
Kraut und viel Tunke derzu missa sein.
Und hingerhar Pudding mit Mandeln fein.
’Ne treue Seele oals Frau und Mutter
Eim Stoalle die Viecher ei „gudem Futter“.
’Ne Zoahspel Kinder, die oalle gesund.
Derzu een verträglicha doch wachsomma
Hund.
A Katzla, doas moanches Mäusla fängt.
A „Geldsäckla“, doas ne leer rim hängt.
Und Klosterfrau Melissengeist
Fer dan FoalI, doass doas Reißa ei a Knucha
reißt.
A Gartla mit Bliemlan, Salat und Gemiese.
War doas oalles ho at is zufrieda, ne biese.
Und au ei dar Ferne, su wie ich’s beschrieba,
Dar schlesische Dorfmensch asu is geblieba.
Ar baute a Häusla, ar woar immer fleißig.
Egoal, ob ar fuffzig woar oder arscht dreißig.
Woas sullde ar macha. Aus der Heimat vertrieba.
Es is ihm nischt anderes iebrig geblieba.
Nu sitzt ar oam Häusla und ruht uf ner Banke.
Und soagt imserm Harrgott a herzliches Danke.
Ar dankt derfier, weil ar ihm goab die Kroaft
Und weil ar dodurch hoat oalles geschofft.
Helmut Nitzsche
Mariendom Neviges
Velbert/Rheinland
Sonntag, 27. Juli 2008
Mutter-Anna-Wallfahrt der Nieder- und
Oberschlesier und ihrer Freunde
10.00 Uhr St. Anna-Festgottesdienst
14.15 Uhr Rosenkranzgebet
15.00 Uhr Feierliche Schlesische
Marienandacht
Das nächste und vielleicht letzte
Bundesheimattreffen Stadt und Kreis
Bunzlau wird in zwei Jahren sein, voraussichtlich wieder in Siegburg. Oder, wenn
man sie einlädt und als alte Bunzlauer herzlich willkommen heißt, eventuell in der HeiPeter Börner
mat – in Bunzlau.
Blick in die Aula des Siegburger Stadtmuseums, im
Vordergrund rechts die Direktorin des Bunzlauer
Keramikmuseums, Anna Bober-Tubaj
Festredner Professor
Pietsch vor den Flaggen
von Kreis und Stadt
Bunzlau
10
LANDSLEUTE / KULTUR
45 Jahre BdV Kreisverband Düsseldorf e.V.
Am 13. September 2008 begeht der BdV Kreisverband Düsseldorf e.V. sein 45-jähriges Bestehen. Gegründet wurde er 1963
von den in Düsseldorf ansässigen Landsmannschaften. Zum Vorsitzenden wurde der Danziger Dr. Heinz Goehrtz gewählt, der
den Kreisverband bis 1975 leitete. Von 1975 bis 2001 übernahm
den Vorsitz der Pommer Fritz Arndt. Abgelöst wurde er im Jahre 2001 durch den Danziger Karl Heinz Rinkens. Nach dem Tode
von Karl Heinz Rinkens hat man 2002 den Schlesier Christoph
Wylezol zunächst kommissarisch mit der Leitung für ein Jahr betraut und bei den darauffolgenden Wahlen zum Vorsitzenden gewählt, der dieses Amt bis zum heutigen Tage ausübt.
Zur Zeit besteht der Kreisverband aus 16 Gruppierungen, zu
denen die Landsmannschaften, Chöre, Junge Generationen wie
auch Burschenschaften gehören. Jährlich veranstaltet der Kreisverband erfolgreiche, kulturelle und politische Veranstaltungen
wie den „Tag der Heimat“, den „Tag der Deutschen Einheit“, das
„Erntedankfest“, den „Faschingsball“ und den „Ostdeutschen
Markt“. Darüber hinaus beteiligte sich der Kreisverband auch
an Maßnahmen, die andere Verbände organisieren, z. B. bei der
Veranstaltung „60 Jahre NRW“ auf der Rheinmeile in Düsseldorf
und diversen Veranstaltungen des Gerhart-Hauptmann-Hauses.
Der in Kattowitz in Oberschlesien 1961 geborene Christoph
Wylezol ist 1983 mit seinen Eltern ausgesiedelt und nach Düsseldorf gezogen. 25 Jahre ist Wylezol nunmehr in Düsseldorf ansässig und gehört ebenso lange der Landsmannschaft Schlesien an. Er wirkte aktiv in den Vertriebenenverbänden mit und
übernahm 1987 den Vorsitz bei der Schlesischen Jugend in Düsseldorf, 1989 war er stellvertretender Landesvorsitzender der
Schlesischen Jugend, 1991 stellvertretender Bundesvorsitzender und 2002 ihr Bundsvorsitzender. Aktuell widmet sich Christoph Wylezol ganz dem Aufgabenbereich des BdV Kreisverbandes
Düsseldorf e.V.
Für seine Arbeit hat Christoph Wylezol diverse Auszeichnungen
erhalten, wie 1990 die goldene Kreisnadel der Landsmannschaft
Schlesien in Düsseldorf durch den Vorsitzenden Dipl.-Ing. Hartmut Stelzer. 1990 erhielt er die Bundesauszeichnung der Bundesrepublik Deutschland von der Präsidentin des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Rita Süssmuth. 1998 überreichte ihm der Bundesvorsitzende, Dr. Herbert Hupka, die silberne Bundesehrennadel
der Landsmannschaft Schlesien. 2007 wurde ihm die höchste
Auszeichnung des BdV-Landesverbandes NRW durch HansGünther Parplies, die Ernst-Moritz-Arndt-Plakette, verliehen.
Der Vorstand des BdV Kreisverbandes
Düsseldorf wird sich weiterhin für die
internen
und externen Belange der
Landsm a n n schaften
einsetzen.
E.KA.
Uraufführung in Bad Warmbrunn
In Bad Warmbrunn fand am 1. Juni 2008 – auch bei Teilnahme
vieler deutscher Kurgäste und Touristen – die Premiere der „Litanei zu Ehren der Madonna von Wartha für Gesangssolisten,
gemischten Chor und Symphonieorchester“ des schlesischen
Komponisten Joachim Georg Görlich (heute Haan bei Düsseldorf) unter Leitung von Görlichs Ex-Kommilitonen, GMD Stefan
Strahl (Hirschberg) statt. Anlass war Görlichs 50. Komponistenjubiläum und der 20. Jahrestag der Einführung des Muttertages durch die polnische Kirche. Dem vorausgegangen war eine
Jubiläumsmatiné im Rathaus zu Haan mit jungen polnischen Solisten sowie einen Solisten des Ausbildungsmusikcorps der
Bundeswehr (die SN berichteten). Der polnische Bürgermeister
von Oberglogau, Görlichs Geburtsstadt, hatte übrigens die Einladung des Haaner Bürgermeister unbeantwortet gelassen.
JGG
Schlesische Nachrichten 14/2008
Sonderstempel und Briefmarken zu
den Themenbereichen Vertreibung, Schlesien,
berühmte Schlesier und Ostdeutschland
Heute: Poststempel aus Gleiwitz 1923
In der nächsten Ausgabe: Poststempel aus Reichenbach 1934
Aus der Sammlung Michael Ferber
EINLADUNG
Am Sonntag, 10. August 2008 können wir ein Doppeljubiläum
feiern:
35 Jahre Gründung des Vereins HAUS SCHLESIEN
und
30 Jahre HAUS SCHLESIEN –
eine Immobilie auf den Höhen des Siebengebirges
Wir bieten an?
1. Dankgottesdienst um 9.45 Uhr und Festakt um 11.00 Uhr
2. Musik und Unterhaltung
3. Schlesische Spezialitäten
4. Kaffee und Kuchen
5. Schlesische Volkstänze
Wir hoffen auf viele Mitglieder, Förderer und Gönner mit ihren
Familien, Freunden und Nachbarn, viele Prominente, Trachten-,
Tanz- und Musikgruppen und Sie!
Feiern Sie mit uns!
Wir freuen uns auf Ihren Besuch in Königswinter-Heisterbacherrott, Dollendorfer Str. 412.
Liebe Landsleute,
wir feiern am 10. August 2008 die Gründung unseres Vereins HAUS
SCHLESIEN vor 35 Jahren, wir feiern aber in Besonderheit 30 Jahre HAUS SCHLESIEN, eine Immobilie auf den Höhen des Siebengebirges.
Selbstverständlich würden wir als Schlesier lieber auf den Höhen
des Riesengebirges sagen.
Das HAUS SCHLESIEN wurde in den Jahren, in denen die Welt
in zwei Ideologien getrennt war, als ein kleiner Teil unserer Heimat im Westen der Bundesrepublik Deutschland angesehen.
Nur der Zähigkeit, der Opferbereitschaft und dem Durchhaltewillen der Schlesier ist es zu verdanken, dass wir hier am 10. August
2008 das Fest unseres 30jährigen Bestehens feiern können.
Aus einer Ruine, die aus einer völlig anderen Nutzung entstanden
ist, wurde dieses Haus geschaffen. Ein Haus, das in der Geschichte
mit Fronhof bezeichnet wurde und zu Diensten des Klosters Heisterbach stand.
Die Aufgabenbereiche dieses Hauses werden sich durch die unaufhörliche Verringerung der Erlebnisgeneration verändern.
Es müssen neue Wege gesucht werden, um die in der Satzung
gestellte Hauptaufgabe dieses Hauses – Pflege und Erhalt der schlesischen Kulturwerte – erfolgreich weiterführen zu können.
Es muss alles versucht werden, um die jüngere und nachfolgende Generation der Erlebnisgeneration für Schlesien zu motivieren, Interesse für Schlesien zu erwecken und diese Menschen
grenzüberschreitend zusammenzuführen.
Reinhard Blaschke
HEIMAT SCHLESIEN
Schlesische Nachrichten 14/2008
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So sieht das Elternhaus von Paul Keller heute aus
Zweimal Paul Kellers Elternhaus – auf einer
Zeichnung von H. Kleiner aus dem Jahre 1923
und im heutigen Zustand auf einem Foto von
Wolfgang Tschechne
„Im Vorgarten des Paradieses“ ist der Titel eines kürzlich erschienenen Buches. Es
trägt den Untertitel „Leben und Werk des
Schriftstellers Paul Keller“ (Bergstadtverlag
Wilhelm Gottlieb Korn, 128 S., 12 Abb., gebunden, € 14,90, zu beziehen auch über den
Verlag Herder, Freiburg). Der in Schweidnitz geborene Autor Wolfgang Tschechne
berichtet darin u. a., wie er in dem nahe
Schweidnitz gelegenen Arnsdorf auf die Suche nach dem Haus ging, in dem Paul Keller 1873 geboren wurde. Steht es nach so
vielen Jahrzehnten noch? Wird ein deutscher Besucher, der kein Polnisch spricht,
im heute Milkowice genannten alten schlesischen Bauerndorf das Haus überhaupt finden? Wolfgang Tschechne hat sich zusammen mit seiner Frau entschlossen auf
den Weg gemacht. Über das Ergebnis der
seltsamen Spurensuche wird im folgenden
Auszug aus dem Buch berichtet
Wir waren zu zweit, beide allerdings –
im alten Pommern (Sieglinde), im alten
Schlesien (Wolfgang) geboren – des Polnischen nicht im Geringsten mächtig. In
Schweidnitz, begann unsere Suche nach
dem Elternhaus Paul Kellers. Wir hatten zwei
Hilfen. Erstens und sehr wichtig war ein zerknittertes ältliches Zeitungsfoto – abgebildet war eine Zeichnung des Keller-Hauses,
das von dem schlesischen Lyriker Jochen
Hoffbauer einmal fein poetisch „Arnsdorfer Guckkasten“ genannt wurde; zweitens
half uns eine in Deutschland erworbene
zweisprachige Straßenkarte, in der wir sahen, dass Arnsdorf auf polnisch Milkowice heißt.
Am Martin-Luther-Platz in Schweidnitz
– Schweidnitzer kennen die Stelle genau –
winkten wir kurzentschlossen ein zufällig
vorbeikommendes Taxi heran, einen betagten VW-Passat. Wir machten dem Fahrer klar, dass wir zu diesem Milkowice wollten, das von Schweidnitz höchstens acht
bis zehn Kilometer entfernt sein konnte. Und
schon ging die Fahrt los. Der Fahrer war
jung, fuhr, milde ausgedrückt, gewagt – und
konnte, wie wir etwas erschrocken entdeckten, kein Wort deutsch. Da wir ihn nicht
verstanden, sprach er, hilflos, immer lauter, mit dem schlichten Gedanken im Kopf,
wir würden ihn nur, weil er vielleicht zu leise sei, nicht verstehen.
Irgendwie kamen wir uns doch nahe. Er
erkannte unsere Wünsche, ging gern auf sie
ein – und so wurde das doch noch eine sogar recht fröhliche Fahrt. Wir sprachen miteinander, aber eben leider aneinander vorbei, verstanden aber alle die internationale Zeichensprache. Es ging über die Margaretenstraße, bei der Friedrichstraße über
die Eisenbahn und weiter in Richtung Striegau. In der Gemarkung Slotwina bogen wir
nach links von der großen Straße ab und
kamen nach wenigen, aber kurvenreichen
Kilometern im langgestreckten Arnsdorf an.
Was tun am besten? Mehr als das alte
Bild hatten wir nicht. Gibt eine Gemeindeverwaltung? Haben Dörfer dieser Größe in
boren worden war, erklärte unser Fahrer,
dem wir ja unsere Absicht zuvor mühsam
klar gemacht hatten. Das Gesicht des Mannes wurde hell, er öffnete die Gartentür,
machte uns ein Zeichen zum Eintreten, und
als wir im Garten vor unserem Ziel standen,
sagte er unvermittelt mit lauter Stimme „Paul
Keller“. Wir trauten unseren Ohren nicht.
Aber es stimmte doch, er hatte deutlich
„Paul Keller“ gesagt. Dann gab er uns die
Hand.
Ein junger Mann trat hinzu, der sich als
Sohn des Hauses vorstellte. Er konnte wenige Worte Deutsch, sprach aber recht gut
Englisch und löste uns das Rätsel. Er besuche das Gymnasium in Schweidnitz, sagte er, und er wisse auch, wer Paul Keller sei.
Gelesen habe er von ihm nichts, es gebe
noch nichts in Polnisch, aber in der Schule sei mal von ihm die Rede gewesen. Dass
Paul Keller in diesem Haus geboren sei,
habe er seinem Vater erzählt. Wir seien übrigens die ersten Deutschen, die in all den
Jahren nach Paul Keller fragten.
Wir wurden schlicht hineingebeten und
konnten alles rundum und intensiv besichtigen, Haus und Garten. Pan Kubara –
der Sohn schrieb uns den Namen, den wir
nicht sofort verstanden hatten, auf ein Blatt
– stellte sich als Bauhandwerker heraus, als
Fliesenlegemeister, aber erfahren in allen
Gewerken. Die handwerkliche Sorgfalt, die
er dem Haus hatte zukommen lassen, war
zu spüren. Er führte uns mit Stolz herum,
zeigte nur zu gern auf die in wohltuendem
braunen und blauen Mustern gefliesten Fußböden in den Zimmern, und er wies auf die
Wanddurchbrüche hin, mit denen er zwei
kleinere Räume zu einem größeren Raum
– Fernseher als moderner Altar in der Ecke
– umgestaltet hatte. Das Geburtshaus von
Paul Keller war gewiss zu Zeiten des Maurermeisters Keller ein Schmuckstück. Es ist
zu Zeiten des Fliesenlegemeisters Kubara
ein Schmuckstück geblieben.
Schon im Gehen zum Taxi, das am Rande der Straße stand, kam gestikulierend ein
Spurensuche in Schlesien
Polen einen Bürgermeister? Erst einmal
langsam durch den Ort fahren, die Fenster
heruntergedreht, scharf schauend nach beiden Seiten. Bauernhäuser rechts und links,
die Kirche in der Mitte, wieder bäuerliche
Anwesen. Ein Dorf im sommerlichen Mittagsfrieden. Stille. Der Ort liegt in der Ruhe
da und wirkt, als sei er leise bereit, ins nahe
Eulengebirge überzugehen.
Der Fahrer hatte sich die Zeichnung ans
Lenkrad genommen und blickte scharf umher wie ein Kriminalkommissar in den Serien, die auch in seinem heimischen Fernsehen laufen. Die Fahrt war ein ungewohnter, spannender Auftrag für ihn geworden. Unsere Erwartungen waren auf ihn
übergegangen.
Kein Erfolg. Wenden und nochmals langsam durchs Dorf. Die Straße war leer. Hier
ist wohl noch nie ein Reisebus mit Besuchern aus Deutschland durchgefahren. Die
Busse bevorzugen den Zackelfall und die
Kirche Wang. Plötzlich hielt der Fahrer an
und zeigte auf ein Haus hinter einer Hecke
rechts an der Straße. Wir stiegen aus und
gingen auf das Haus zu. War es Paul Kellers Väterei, wie man Elternhäuser im bäuerlichen Schlesien manchmal nannte?
Ähnlichkeit war vorhanden. Hundegebell
wütete uns entgegen, das Hoftor war glücklicherweise geschlossen. Ein kräftiger
Mann kam aus dem Haus und versuchte,
seinen Hund zu übertönen. Freundlich sahen beide in diesem Moment nicht aus.
Das Haus – war es das gesuchte? Uns
kamen Zweifel. Unser Fahrer machte dem
Bauern wohl unsere Absicht klar, zeigte ihm
das kleine Bild, und wir alle mussten erkennen, unser Ziel verfehlt zu haben. Der
Hund hatte sich beruhigt, der Bauer ging,
ebenfalls ruhiger geworden, ins Haus zurück, drehte sich aber um, kam wieder ans
Tor; gab uns Zeichen und sagte unserem
Taxifahrer, nun schon versöhnt mit dem unerwarteten Besuch, dass ein Haus wie das
gesuchte hinter einer Biegung der Straße
und dort gleich rechts zu finden sei.
Einsteigen, hinfahren. Die Biegung,
dann rechts. Wir erkannten es sofort. Es war
wie ein Erschrecken, wie, wenn plötzlich etwas einrastet, wie, wenn sich ein Wunsch
erfüllt. Wir hatten es gefunden. Der Fahrer
war erleichtert, wir waren glücklich. Da stand
es, das Keller-Haus. Die Tür mit dem Obergeschoß und dem gleichmäßig geformten
kleinen Dach darüber, mit der kreisrunden
Dachluke und den symmetrisch geordneten Hausteilen nach rechts und nach links.
Ohne Zweifel – wir hatten das Haus gefunden, in dem Paul Keller im Sommer 1873
als Kind von Josepha und August Keller zur
Welt gekommen war. Es fehlte nicht viel, und
wir hätten unseren Fahrer umarmt – oder
fast besser noch, er hätte uns umarmt. Erfolg macht glücklich.
Ein älterer Mann kam behäbig aus der
Tür und blickte uns etwas skeptisch an. Wir
wollten nichts weiter als uns das Haus anschauen, in dem ein deutscher Dichter ge-
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HEIMAT SCHLESIEN
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Mann offenbar aus der Nachbarschaft auf
uns zu. In der Hand hielt er eine sichtbar
sehr alte, etwas zerdrückte Postkarte der
Art, wie sie vor vielen Jahrzehnten üblich
waren. Arnsdorf im Bild, kleine Schwarzweißfotos mit der Kirche, dem damaligen
Gasthof, briefmarkengroß, mit dem Keller-Haus an der Seite. „Paul Kellers Geburtshaus“ stand deutsch da. Die Karte
ist damals sicher im Gemischtwarenladen
verkauft worden. Viele davon wird es nicht
mehr geben.
Der Mann, bäuerlich gekleidet, war
sichtbar stolz auf die Karte, vor allem
glücklich darüber, sie uns zeigen zu können. Sie war gewiss unter den Leuten von
Milkowice schon mal herumgezeigt worden, und so wussten die, dass ein be-
Der ehemalige
evangelische
Friedhof in
Trembatschau
am 21. Mai 2005
Massengrab deutscher Soldaten bei Märzdorf
Initiative zur würdigen Erinnerung
Ein Jahr nach dem Ableben meines Vaters,
1978, machte ich mich auf die Reise in seinem Geburtsort Trembatschau/Kreis Groß
Wartenberg. Eine 1950 nachgefertigte Geburtsurkunde war mein einziger Wegweiser.
In Trembatschau fand ich, außer wenigen
Ausnahmen, nur verstörte, abweisende Polen vor. Der kath. Pfarrer schloss sich im
Pfarrhaus ein und so verließ ich Trembatschau ganz schnell wieder. Fast 30 Jahre
später, im Mai 2006, wurde ich dann sehr
freundlich und offenherzig empfangen und
mit dem jetzigen kath. Pfarrer bildete sich
mehr als eine Freundschaft. Wir beschlossen ein Zeichen für das heutige Miteinander zu setzen. Der wie in vielen schlesischen
Orten zerstörte und verwahrloste Friedhof
war der ideale Ausgangspunkt für unser Vorhaben. Heute können wir eine würdevolle
Gedenkstätte vorweisen.
Mit den polnischen Gemeindeverwaltungen der Region fanden wir Gemeinsamkeiten und so wurde die „Initiativgruppe“ mit dem Ziel der Errichtung eines offenen Begegnungszentrums in der Region gegründet. Zeitzeugen aus den Reihen der
Schlesier verschafften uns den sehr wichtigen geschichtlichen Hintergrund.
Fast nebenbei erfuhr ich von einem angeblichen Massengrab deutscher Soldaten,
„Bekennt Euch immer zur Heimat Eurer
Ahnen, wo von Geburt an Ihre wunderschöne Heimat war.
Wir hören Sie heut unsere Pflicht anmahnen.
Uns ist doch heute wissend und klar,
nur noch ein Wunsch war dem Schlesierherz belassen, voller Stolz die Heimat
in Ehren zu halten“.
Erich A. Franz
das wir im August 2007 aufsuchten. Nach
62 Jahren schilderte uns Hedwig Rybak
(*1926 in Märzdorf/Groß Wartenberg) ihre
grauenvollen Erlebnisse an einem Sonntagmorgen im Februar 1945. Sie befand sich
auf den Weg zur Kirche ins 2 km entfernte
Haideberg. Von der Straße konnte sie das
Forsthaus am Waldrand von Märzdorf gut
sehen. Ein russischer Panzer, entsendet von
der russischen Kommandantur aus Haideberg, näherte sich dem Forsthaus aus der
Gegenrichtung vom Wald her. Mit erhobenen Händen standen neun deutsche Soldaten vor dem Nebengebäuden des Forsthauses. Sie wurden mit einer MG-Salve
niedergestreckt. Ein Soldat konnte aufstehen und flüchtete im Schutz der Gebäude
Richtung Wald. Eine nochmalige MG-Salve brachte ihn zunächst zu Fall, doch wieder rappelte er sich auf und erreichte noch
den schützenden Wald.
Die Soldaten waren seit Tagen in dem Anwesen versteckt, nachdem sie völlig durchfroren und ausgehungert um Hilfe gebeten
hatten. Nachdem die Besatzung des russischen Panzers das Massaker durchgeführt
hatte, wurden wir verhört. Der Förstersohn
Reinhold Jarcak wurde vor den Augen der
Mutter über den Brunnen gehalten, um Angaben zu weiteren versteckten Soldaten zu
erhalten. Nur knapp entging der kleine Junge den „Brunnentod“, denn die Russen ließen sich überzeugen, dass hier keine weiteren Soldaten sind.
Am darauffolgenden Montag trafen sich
die jüngeren deutschen Märzdorfer um dem
unüberhörbaren Geschützdonner nachzugehen. Der russische Posten ließ die Leute passieren, nur den Kindern verweigerte
er den Zugang. Die getöteten Soldaten wurden daraufhin ins Dorf geholt. Unter
Schlesische Nachrichten 14/2008
deutender Mann in dem Ort zur Welt gekommen war. Wir erlebten als glücklichen
Ausgang unserer Spurensuche ein entspannteres Verhältnis der Polen auch im
Dorf zur deutschen Vergangenheit des Ortes.
Aber seine alte Postkarte wollte der
Nachbar behalten, so, als sei sie eine Gründungsurkunde seines Dorfes.
Schnee begrub man sie vorläufig auf den
ev. Friedhof, bis dann nach Rückgang des
Bodenfrostes im März/April die notdürftige
Beisetzung erfolgte.
In enger Zusammenarbeit mit dem VDK
(Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
e.V.) konnten wir den Termin für die Umbettung auf den 2. Mai 2008 festlegen. Erstmalig fand in Niederschlesien eine Exhumierung deutscher Soldaten, eingebettet in
eine öffentlichen Ehrenveranstaltung, statt.
Die „Schlesische Jugend – Landesgruppe
Sachsen-Niederschlesien iG“ hat Ihre alljährliche Pfingstreise mit dem Besuch dieser Ehrenveranstaltung verbunden. Die zuständigen polnischen Behörden hatten
ihre Vertreter, den Bürgermeister und auch
den ev. Pfarrer entsandt. Ein Höhepunkt war,
neben dem gemeinsamen Gottesdienst, das
Singen des Liedes „Der gute Kamerad“. Der
gewünschte und gewollte Effekt dieser Veranstaltung ließ nicht lange auf sich warten.
Noch am gleichen Tag konnten wir weiteren Hinweisen auf unbekannte Soldatengräber nachgehen. Zwischen den Vertretern
des Volksbundes und dem Vorsitzenden des
Vereins VKSVG. e.V. (Verein zur Klärung von
Schicksalen Vermisster und Gefallener)
wurde die gemeinsame Arbeit in Niederschlesien vereinbart. In der Zeit um den 15.
August 2008 wird diese Arbeit vor Ort mit
dem Auffinden und Umbetten weiterer Vermisstengräber durch ein einwöchiges
Camp weitergeführt. Auch die „Jungen
Schlesier“ haben im gleichen Zeitraum ein
Camp in Vorbereitung, um den deutschen
Friedhof in zu einer Gedächtnisstätte auszubauen.
Für Interessierte, Mitmacher und Unterstützer stehe ich gerne zur Verfügung. Es
werden dringend Werkzeuge, Baumaterialien, Einrichtung (Quartier) und Geldspenden benötigt.
Teilnehmer am Workcamp sind herzlich
willkommen. Wir werden auch die deutschen
Kulturstätten aufsuchen, z. B. den ersten Bischofssitz von Schlesien in Schmograu mit
der Bischofsgruft.
Reinhard Otto,
Hauptstr. 53, 01945 Frauendorf,
Tel. 035755/579002,
E-Mail: vewato@web.de
Die Anwesenden sangen das Lied „Der gute
Kamerad“.
Schlesische Nachrichten 14/2008
KULTUR
Herzog Ferdinand von Württemberg und Freiherr von
Weber eröffnen das 5. Weberfestival in Carlsruhe
Ebenso wie in den
vorangegangenen
Jahren fand das
Festival wieder an
Fronleichnam, und
den zwei Tagen
danach
statt,
diesmal vom 22. –
24. Mai 2008.
Dem Charakter
des Mottos entCarl Maria von Weber
Stich von Johann Neidl sprechend, wurnach einem Gemälde den neben der
von Joseph Lange, 1804 Musik C. M. von
Webers auf dem
Festivals zum ersten Mal polnische Komponisten aufgeführt, vor allem Frederic Chopin.
(…) Bisher wurden überwiegend Komponisten aus dem deutschen Kulturbereich aufgeführt.
Weber war zu seiner Zeit ein gefeierter Klaviervirtuose. Einen ersten Höhepunkt erlebte
er in Breslau. Er gab dort einige Klavierkonzerte, die berühmt und gefeiert wurden. Webers Werk als Klaviervirtuose hat Chopin beeinflusst.
Der Lehrer von Chopin war Joseph Elsner,
1769 im oberschlesischen Grottkau, nahe
Brieg, nicht weit von Carlsruhe, geboren. Er
war von 1799 bis 1824 Dirigent an der Warschauer Oper.
Herzog Ferdinand und Freiherr
von Weber eröffneten die 5. Musiktage
Wie in jedem Jahr begann die Konzertreihe an
Fronleichnam in der evangelischen Barockkirche, deren Innenraum schönstes Rokoko
ist. Nach den einführenden Worten des Pastors der evangelischen Gemeinde Jozef
Schlender und seiner Begrüßung der polnischen Prominenz, darunter der Vize-Marschall
aus Oppeln und zwei Sejm-Abgeordnete und
der Landrat aus Oppeln, hielt Herzog Ferdinand von Württemberg, ältester Sohn von Albrecht Eugen, dem letzten Besitzer von
Carlsruhe und Ehrenbürger die Eröffnungsrede. Er betonte, dass Herzog Eugen Friedrich
Heinrich, der selbst hervorragend Flöte spielte, als einer der ersten Musikliebhaber die Genialität Webers erkannt hat und ihm in Carlsruhe die schönste Zeit seines Lebens geschenkt hat. „Er machte ihn zum Intendanten
seines Hoforchesters und zum Musiklehrer seines Sohnes Eugen, der auch ein exzellenter
Komponist war. Ich bin seit 2004 bei vier der
fünf Weber-Musiktage in Carlsruhe gewesen
und freue mich auf die Konzerte.“
v. l. Freiherr von Weber, D. Maschler (Heimatkreis Carlsruhe) und Manfred Rossa
Christian Max Maria Freiherr von Weber, der
Ur-ur-ur-Enkel von Carl Maria, führte als nächster Redner aus: „Ich habe das letztjährige Musikfest in allerschönster Erinnerung behalten
und freue mich, wieder dabei sein zu dürfen
…“. Freiherr von Weber überbrachte herzliche
Grüße und Glückwünsche der internationalen
Webergesellschaft, deren Ehrenpräsident er
ist und fuhr u. a. fort: „Ich freue mich auch,
dass sich zum zweiten Mal wieder ein Nachfolger der Schlesischen Linie der Herzöge von
Württemberg, in der Person von Herzog Ferdinand, und ein direkter Nachkommen der Familie Webers an diesem historischen Ort treffen können.“
Der Vize-Konsul von Oppeln, Ludwig Neudorfer, betonte in seiner Ansprache, dass das
Festival ein wichtiges Ereignis für Polen ist.
Überraschung und Höhepunkt:
Arien aus „Faust“ und Minutenwalzer
Überraschung des Konzerts war die Arie „Die
Ratte“ aus Radzwills Oper „Faust“. Bogdan
Kurowski sang das Lied in Goethes Worten
von der Kanzel der Kirche, die sich – einzigartig in Schlesien – in der Mitte des Altars befindet.
Vor dem zweiten Konzert präsentierten
Schüler des Gymnasiums von Carlsruhe
zwei bedeutende Persönlichkeiten, die in Carlsruhe lebten: Ferdinand von Richthofen, der bedeutende Geologe und Geograf, der am 5. Mai
1833 in Carlsruhe geboren wurde und Carl Maria von Weber der 1806 und Anfang 1807 in
Carlsruhe lebte. Bemerkenswert ist dabei, dass
der Ort inzwischen auch deutsche Persönlichkeiten würdigt.
Den ersten Teil des zweiten Konzertes im
evangelischen Gemeindesaal bestritten die
Schüler der staatlichen Musikschule von
Namslau. Der zweite Teil des Konzerts war ein
weiterer Höhepunkt der Musiktage. Ein Trio von
herausragenden Breslauer Musikern spielte
Kompositionen von Weber, u. a. das Fagottkonzert (op. 75), das Divertimento für Gitarre
und Piano und das Stück „Andante und Rondo Ungarese“, zu dem er während seines Aufenthalts in Carlsruhe inspiriert wurde.
Zur Erinnerung: Nach seinem zweijährigen
Engagement als Kapellmeister in Breslau von
1804 – 1806 plante Carl Maria von Weber eine
Konzertreise durch Deutschland, die sich aber
wegen der napoleonischen Kriegswirren nicht
verwirklichen ließ. Er musste sich in Breslau
mit Klavierunterricht durchschlagen.
Herzog Eugen (I.) Friedrich Heinrich, der Weber bereits kennen und schätzen gelernt hatte, kannte dessen Notlage und lud ihn 1806
nach Carlsruhe ein.
Hier hat Weber in den Herbst- und Wintermonaten der Jahre 1806/1807, die schönsten Monate seines Lebens verbracht. Sein
Sohn Max Maria, Webers erster Biograf,
schrieb später: „Unzweifelhaft ist es, dass die
Monate, die Carl Maria in Carlsruhe zubrachte, zu den hellsten Lichtpartien in dem so schattenreichen Bilde seines Lebens gehören. Er
selbst pflegte später an sie wie an einen goldenen Traum zurückzudenken und versicherte,
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nie so reich wie damals an Musik gewesen zu
sein.“
Es war auch eine seiner produktivsten
Schaffensperioden. Er komponierte seine beiden einzigen Sinfonien, einige Konzertstücke
und Lieder. Hier empfing er wichtige musikalische Eindrücke für den Freischütz. Auch vieles aus der Szenerie dieser Oper (den guten
Fürsten, Schützenfest, Wolfsjagd usw.) erlebte
er hier zum ersten Mal.
Diese regelmäßige Barockanlage, die Weber sah, blieb in der Grundsubstanz bis zur
völligen Zerstörung im zweiten Weltkrieg erhalten. Heute fungiert das zentrale Rondell, an
dem bis zum Einmarsch russischer Truppen
am 21. Januar 1945 Schloss und Kavaliershäuser standen, als überdimensionaler Kreisverkehr.
Nur die vollständig erhalten evangelische
Rokokokirche mit ihrem historischen Friedhof,
große Teile des Parks und der teilweise erhaltene, unlängst restaurierte jüdische Friedhof erinnern an die großartige Vergangenheit
von Carlsruhe.
Im nächsten Jahr finden die Weber-Musiktage wieder an Fronleichnam, von Donnerstag, den 11. 6. bis Samstag, vielleicht sogar bis Sonntag, den 14. 6. 2009 statt. Gleichzeitig feiern die beiden Nachbargemeinden
Dammratsch (Dammfelde) und das Kirchdorf
Falkowitz (Falkendorf) ihre Gründung und
gleichzeitige Aussetzung nach deutschem
Recht am 9. 3. 1309. Die beiden Dörfer gehören ebenso wie Gründorf, das auch schon
1309 genannt ist, zur Großgemeinde Carlsruhe.
Musikalien aus Stonsdorf
Zu einer Konzertreihe unter dem Titel „Musikalien aus Stonsdorf“ laden die Stiftung
Forum Stonsdorf und das Hotel Schloss
Stonsdorf unter der Leitung von Herrn Dzida in deren Festsaal ein.
Schloß Stonsdorf, bekannt durch die
Heimat des „Stonsdorfer“ Likörs, ist ein
spätbarockes, zweistöckiges Gebäude
aus dem Ende des 18. Jahrhunderts und
wurde auf dem Plan eines Quadrates errichtet. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden
zwei Flügel angebaut, die auf den inneren
Garten im französischen Stil herauskommen, dessen Sperrung ein klassisches „Kavalierhaus“, gekrönt mit einem kleinen
Turm und Glockenturm mit einer Uhr, bildet. (…)
In der Konzertreihe 2008 folgen die
nächsten Aufführungen am 27. Juli
„Freunde in jedem Ton“, am 18. Oktober
„Herbstkonzert“, am 2. November mit
„Jazz-Allerseelen“ und die Schlussveranstaltung am 25. Dezember mit einem
„Weihnachtskonzert“, jeweils um 19.00 Uhr.
Michael Ferber
Foto: Michael Ferber
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KULTUR / HISTORISCHES
Geschichte einer Schlesischen Firma
Die Geflügel-Mast-Anstalt zu Deschowitz (Odertal)
aufgeschrieben von Wolfgang Schütz im Jahr 1985
Wer auf dem Bahnsteig des Bahnhofes
Deschowitz stand und auf einen Zug in
Richtung Oppeln-Breslau wartete, der
konnte das Geschrei von Gänsen aus der
gegenüber liegenden Geflügelmästerei
nicht überhören, besonders, wenn gefüttert wurde. Man konnte auch beobachten,
wenn zufällig ein Waggon Gänse aus Polen, etwa 1000 Stück, entladen wurde und
die Gänse in Gänsereihe in ihr neues Quartier marschierten. Wie kam es zur Gründung einer Geflügelmästerei in Deschowitz? Der Vater der Gründer Adam und Georg Schütz hatte in Flörsheim am Main eine
Geflügelmästerei und Frankfurt war der
Hauptabnehmer für diese Mastgänse. Am
Main in Flörsheim wie auch an der Oder
in Deschowitz gab es viele Gänse, aber
für Frankfurt reichte der heimische Vorrat
nicht und man bezog Gänse aus Polen.
Der Weg war sehr weit, wenn es auch damals schneller ging als heute; aber trotzdem kam es vor, dass Gänse während der
Fahrt verdursteten und verhungerten. Da
entschlossen sich der älteste Sohn Adam
mit seinem Bruder Georg im Jahre 1895,
nach Oberschlesien zu fahren, um dort
eine Zwischenstation für die Transporte
von Polen einzurichten. Vielleicht hat sie
das schöne, waldreiche Land zwischen
Oder und Annaberg dazu verleitet, in Deschowitz Fuß zu fassen. An der Bahn wurden zahlreiche Stallungen und Wirtschaftsgebäude errichtet. Die Gänse aus
Polen wurden nun gefüttert und getränkt
und konnten dann gestärkt die Reise nach
Flörsheim fortsetzen. Bald wurde auch in
Deschowitz mit der Geflügelmast begonnen. Mast bedeutet normales Füttern im
Gegensatz zu „stopfen“, d.h. Futterknö-
Ausstellungen des Oberschlesischen Landesmuseums
22. Juli – 5. Oktober 2008: Ein zehnfach interessantes Land. Jubiläumsausstellung
Johann Wolfgang von Goethe schrieb Anfang August 1790 aus Schlesien nach Weimar: „Seit Anfang des Monats bin ich nun in diesem zehnfach interessanten Lande“,
das „ein sonderbar schönes, sinnliches und begreifliches Ganzes macht. Ich werde viel
zu erzählen haben“.
Dieser Vielfalt widmet sich das Oberschlesische Landesmuseum. Im Jubiläumsjahr
soll darum der Blick zurück und nach vorne gerichtet sein. 25 Jahre erfolgreicher Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit sind dazu ein Anlass. Zur Auswahl stehen fast 200 inländische und rund 50 ausländische Sonderausstellungen. Historische, topographische,
kulturelle und künstlerische Themen wurden behandelt. In den kommenden Jahren sind
weitere interessante Aktivitäten geplant.
26. Juli – 26. Oktober 2008: Oberschlesien im Objektiv Fotoausstellung des Schlesischen Museums zu Görlitz und des Stadtmuseums Gleiwitz
Die Fotoausstellung umfasst rund 110 historische Aufnahmen aus Oberschlesien. Sie
stammen überwiegend aus dem reichen Gleiwitzer Bestand und sind in den 1860er bis
1930er Jahren entstanden. Mit Fotografien aus der Sammlung des Schlesischen Museums ergänzt, werden sie zum ersten Mal einem breiten Publikum in Polen und Deutschland vorgestellt. Die alten Fotobestände zeigen ein Land und seine Menschen inmitten
wirtschaftlicher, politischer und kultureller Veränderungen und lassen zugleich die rasanten technischen und künstlerischen Innovationen in der Fotografie zu Beginn des
20. Jahrhunderts erkennen.
Oberschlesisches Landesmuseum, Bahnhofstr. 62, D-40883 Ratingen-Hösel,
Tel. +49 (0) 21 02 / 965-0, Fax 965 400, Internet: www.oslm.de
Weitere Details entnehmen Sie bitte unserem aktuellen Programm, das Sie im Internet
www.oslm.de finden
Schlesische Nachrichten 14/2008
del mit Gewalt den Gänsehals hinunter
massieren, was damals noch gemacht
wurde.
Mit der Zeit fanden die beiden Brüder
in den Städten Oppeln, Breslau, Berlin,
Leipzig, Dresden, den Kurorten im Riesengebirge und im oberschlesischen Industriegebiet genug Kunden gemästeten
Geflügels, hauptsächlich Gänse, aber
auch Enten, Puten und Hühner, die aus
Ungarn kamen.
Auch der Handel mit Wild begann, denn
Hasen, Rehe, Wildschweine, Rebhühner
und Fasane wurden nach Jagden in der
Umgebung angeliefert.
Ein großer Teil von Gänsen aus der nahen Umgebung wurde nach dem ersten
Rupfen verkauft, denn die Gänse wurden
nur wegen der Federn gehalten, als Teil
der Aussteuer für die Tochter.
Ab Monat Juli begannen die Lieferungen aus Polen und der örtliche Kauf. Im
November ging dann das große Schlachten für Weihnachten los. Bis zu 15000 Gänse konnte der Hof fassen. Die ersten Sendungen geschlachteten Gänse sauber in
Weidenkörben verpackt gingen bereits im
November in die Markthallen nach Breslau, Berlin und Leipzig. Von früh bis spät
in die Nacht wurde ausgefangen, geschlachtet, gerupft und verpackt. Für koscher geschlachtetes Geflügel sorgte ein
Rabbiner aus Cosel. Bis zu 25 Rupffrauen saßen vor verschiedenen Behältern, in
denen die Federn nach Farbe und Qualität sortiert wurden. Das Blut wurde auch
gesammelt und gern von der Bevölkerung
zum Braten geholt. Nach langem Trocknen wurden die Federn verkauft, Kielfedern gingen an die Zigarrenfabrik zur Fertigung als Zigarrenspitzen.
Gefüttert wurde mit Gerste, Hafer, Mais
und Kartoffeln. Kartoffeln kamen von örtlichen Bauern, andere Futtermittel zum
großen Teil aus Polen und Ungarn. Zwei
Schrotmühlen, Wasserpumpen (es gab
drei Brunnen) und Futtermischmaschinen
wurden von einem starken Benzolmotor
angetrieben. Es kostete viel Kraft, das
mächtige Schwungrad anzudrehen, damit
der Motor zum Laufen gebracht werden
konnte. Die Kartoffeln mussten in großen
Öfen erst einmal weich gekocht werden,
damit sie dann mit Getreideschrot und
Wasser und anderen Zutaten zu fertigem
Futter gemischt werden konnten. Aus fahrbaren Holzbottichen wurde dann das Futter in die Tröge verteilt. Früh, mittags und
abends wurde gefüttert. Die Gänse waren im Freien, aber unter Dach untergebracht.
Nach Weihnachten wurde es dann still
im Hof. Die Ställe wurden gesäubert, gekalkt und desinfiziert. Den Dung holten die
Bauern für ihre Felder. Wenn das Eis im
Dorfteich dick genug war, wurde es zersägt und die Schollen mit Pferdefuhrwerken in den Hof gebracht. In einem Schuppen wurde das Eis bis zu drei Meter Höhe
aufgesetzt und in Sägespäne und Stroh
verpackt. Es musste bis zu Beginn des
nächsten Winters reichen, um das geschlachtete Geflügel während des Ver-
Schlesische Nachrichten 14/2008
sandes zu kühlen. Erst ab 1926 gab es
elektrischen Strom. Der Benzolmotor hatte ausgedient. Eine Kühlanlage wurde
durch „Linde“ in Mainz gebaut und es gab
endlich Licht.
Nicht nur zu Weihnachten, sondern
auch an Ostern gab es Gänse aus Deschowitz. Anfang Januar kamen die Junggänse noch mit gelbem Gefieder per Bahnexpressgut von einem Züchter aus Quakenbrück in Westfalen. Käfige mit etwa 20
Stück wurden frühmorgens verladen und
erreichten Deschowitz am späten Abend.
Im geheizten Raum wurden sie dann aufgezogen, gemästet und als zarte Jungmastgans an Ostern auf den Markt gebracht. Sie waren nicht gerade billig.
Im Juli 1927 gab es einen Kurzschluss
in der elektrischen Anlage. Das Wirtschaftsgebäude und das Maschinenhaus
brannten völlig ab. Es gab 12 Feuerwehren, aber kein Wasser, die Brunnen waren bald leer und die Oder zu weit. Die Versicherung half beim Wiederaufbau.
Die Blütezeit der Mästerei war vor dem
ersten Weltkrieg. 1921 überfielen polnische
Aufständische das Land und es kam zu
den Kämpfen um den Annaberg. Ich war
drei Jahre alt und musste mit den Eltern
flüchten. Nach Rückkehr war vieles geplündert und zerstört und es musste neu
angefangen werden.
Ab 1933 ging es dann mit der Geflügelmästerei langsam aber sicher bergab,
weil die Importe von Geflügel und Getreide aus dem Ausland wegen Devisenmangels gestoppt wurden. Das Angebot
von einheimischem Geflügel hatte auch
nachgelassen. Gut, dass nach dem ersten
Weltkrieg der Handel mit Kohle, Düngemittel und Saatgut begonnen wurde.
Mit dem zweiten Weltkrieg nahm alles
sein Ende. Am 14. Oktober 1944 wurde
das Grundstück von zahlreichen Bomben
getroffen. Der Angriff der Amerikaner galt
dem nahe gelegenen Benzinwerk dessen
Bau mit der Kokerei um 1928 begann.
1945 wäre eigentlich das Jahr gewesen, um das 50-jährige Jubiläum der ersten schlesischen Geflügel-Mast-Anstalt zu
feiern. Es kam nicht mehr dazu. Adam
Schütz starb 1910, mein Vater 1942 und
meine Mutter 1944. Ich selbst verließ Odertal am 25. Januar 1945, kurz bevor die Russen einmarschierten, mit meinem Bruder
Karl-Heinz, den ich Dank eines Zufalls zu
Hause antraf, weil er als Fronturlauber aus
Italien am 24. Januar nach Odertal kam.
Unser gemeinsamer Weg führte über die
zugefrorene Oder vorbei an Stillers Fähre nach Mechnitz, wo wir uns dem
Schaffgotsch-Treck für einen Teil des Weges anschlossen, um nach Grenztal bei
Patschkau zu kommen, wo ich unsere zwei
Tanten, die Schwestern unserer Mutter einige Tage zuvor in einer Gaststätte untergebracht hatte.
Die Flucht ging später weiter. Gänse
kommen wieder aus Polen, aber nicht
mehr aus Deschowitz, oder ab 1935
Odertal.
Karl-Heinz Schütz,
Eddersheimer Str. 31, 65439 Flörsheim
DE LIBRIS / VERMISCHTES
15
US-amerikanischer Doktorand forscht über schlesische
Einflüsse in Schwarzenberg/Erzgebirge
Adam Webster ist Doktorand an der Brown
University in Providence in den USA. Er
arbeitet an seiner Dissertation im Bereich
Neuere Deutsche Geschichte über das
Ende des Zweiten Weltkrieges in der kleinen Stadt Schwarzenberg/Erzgebirge. In
dieser Zeit war Schwarzenberg ein Niemandsland, heute ist es ein beliebter Gegenstand geschichtlicher Betrachtungen.
In den Archiven, in denen er bereits geforscht hat, z. B. im Sachsen Hauptarchiv
in Dresden und im StA in Chemnitz, hat
er Hinweise darauf gefunden, dass viele
Flüchtlinge aus Schlesien hier im unbesetzten Gebiet Station gemacht haben, als
sie auf der Flucht vor der Roten Armee waren. Viele haben sich auch in der Nähe
Schwarzenbergs angesiedelt und eine
wichtige Rolle in der Geschichte dieser
Stadt gespielt. Trotzdem sind ihre Stimmen für die offiziellen Geschichtsschrei-
bung der Stadt nicht festgehalten worden.
Das möchte er mit seiner Doktorarbeit verändern.
Besonders ist Adam Webster an Archivalien interessiert, an denen die schlesischen Erfahrungen im unbesetzten Gebiet deutlich werden. Aber auch andere Informationen können seiner Arbeit weiterhelfen.
Er bittet die Leserinnen und Leser der
Schlesischen Nachrichten, ihm auf der Suche nach Archiven und Personen zu helfen.
Für Ihre Hilfe dankt Adam Webster Ihnen herzlich im voraus!
Kontakt: Adam Webster, Ph. D. Candidate, History Department, Brown University, Providence, RI 02912 (USA),
E-Mail: adam_webster@brown.edu
oder: Adam Webster, c/o Anne Jung,
Kamenzerstr. 20, 01099 Dresden
Was wird aus dem schlesischen Erbe? Dr. Christian-Erdmann Schott
Von Oppeln nach Mainz, Stationen – Institutionen – Perspektiven, Bergstadtverlag Korn, Würzburg 2007, 240 S., € 16,90
Geh aus Deinem Vaterland … Vertreibung – Integration – Vermächtnis der
evangelischen Schlesier – (Beiträge zu Theologie, Kirche und Gesellschaft im
20. Jahrhundert, Bd. 13), LIT-Verlag Münster 2008, 312 S., € 29,90
Von Christian-Erdmann Schott, dem Vorsitzenden der Gemeinschaft evangelischer
Schlesier und Vorsitzenden des Vereins für
schlesische Kirchengeschichte, sind in den letzten Monaten zwei Bücher erschienen: eine Biografie, in der Schott sein Leben als Sohn einer
schlesischen Pfarrersfamilie von Liegnitz, der
Geburtsstadt, über Oppeln bis Mainz schildert,
und ein Sammelband mit grundsätzlichen Aufsätzen zur Nachkriegssituation vor allem der
evangelischen Schlesier. Beide Bücher sind eine
Einladung zur persönlichen Standortbestimmung, wie denn 60 Jahre nach Flucht, Vertreibung und Neuanfang das Schlesiersein aktuell definiert werden und wie realistischerweise
das kulturelle und religiöse Erbe Schlesiens in
Zukunft fortbestehen kann.
Schott will die Veränderungen und Lernprozesse beschreiben, die seine Generation zu
bewältigen hatte, die sie geprägt haben und
er will deutlich machen, „was ihr wichtig gewesen ist“. So gesehen, ist Schotts Biografie
ein Beleg für die bewusste Beteiligung der Heimatvertriebenen in der Nachkriegsgesellschaft. Wie andere auch sucht er nach „weltanschaulicher Orientierung“, als er als Schüler des Domgymnasiums in Magdeburg, wo die
Familie Fuß gefasst hatte, von der Durchsetzung der kommunistischen Herrschaft betroffen war und 1950 nach West-Berlin fliehen musste. In der hessisch-nassauischen Landeskirche findet er in Mainz-Gonsenheim eine Pfarrstelle, die fortan Lebensmittelpunkt ist. Nur bleiben die Beziehungen zum Herkunftsland
Schlesien bestehen – durch eine intensive kirchengeschichtliche Forschungsarbeit und
durch die Schott’schen Familientage. Die
Schott’sche Biografie ist kein Dokument einer
vollkommen gelungenen Integration. (...)
Schott selbst schildert in informativen Exkursen sein ehrenamtliches Engagement, z. B. bei
seiner Arbeit in den Vereinen der evangelischen
Schlesier. Eine beachtenswerte Schlesienhilfe und ein Beitrag zur Versöhnung wurden hier
geleistet, so dass allein schon durch diese Kapitel die Biografie lesenswert ist.
Für das alles ist der Aufsatzband die theoretisch-wissenschaftliche Grundlage. Schlüsselaufsatz ist die Interpretation der Hofkirchensynode, die im Juli 1946 als letzte für die
knapp zwei Millionen evangelischer Schlesier
auf schlesischem Boden in Breslau stattfand.
Wegweisende Beschlüsse wurden hier gefasst.
Nicht nur Unrecht und Gewalt sah man nämlich bei der Vertreibung am Werke, sondern auch
den Auftrag Gottes, der auch die Schlesier, wie
schon den Abraham, ermutigte, aus dem Vaterland zu gehen – nicht als Bettler, sondern in
Bewusstsein eines reichen, religiösen Erbes.
Was das für die Heimatvertriebenen und die
Fortgeltung ihrer Traditionen bedeutet, erklärt
Schott, wenn er die politische, kirchenpolitische
und psychische Ausgangslage für die schlesische evangelisch-kirchliche Arbeit ab 1945 analysiert und das Erbe der Schlesier erklärt. Er
kritisiert allerdings auch die mangelnde Offenheit
und Sensibilität der aufnehmenden Landeskirchen bei der Integration der Vertriebenen –
nicht nur im Falle der Ostdenkschrift. Für den
Erhalt und die Pflege des schlesischen Erbes
bestehen – so Schott – Wünsche und Erwartungen an die evangelische Kirche Deutschlands, an das Geschichtsverständnis der
Deutschen, aber auch an das polnisch gewordene Schlesien. Fraglos führt hier die Lektüre der Aufsätze Schotts weiter und bringt Klärung der Standpunkte. Schott hat verdienstvolle Bücher geschrieben.
Dr. Hans-Ulrich
TERMINE / ANZEIGEN
16
Johann Kaluza war ein großer Oberschlesier mit offenem
Herzen, Augen und Ohren. Er setzte sich bis zuletzt unermüdlich, mit großer Umsicht und Menschenfreundlichkeit
für seine geliebte Heimat Oberschlesien und die dort noch
lebenden Landsleute ein.
Schlesische Nachrichten 14/2008
Landsmannschaft Schlesien, Dollendorfer Str. 412, 53639 Königswinter
Postvertriebsstück, DPAG, Entgelt bezahlt, G 9638
WIR DENKEN
AN DICH
IN LIEBE
Johann Kaluza
Impressum: Schlesische Nachrichten, Zeitung für Schlesien, vereint mit Oberschlesischer
geb. am 3. Dezember 1931
in Oberschlesien
verst. am 26. Mai 2008
In tiefer Trauer
Ehefrau Christel, Tochter Karin mit Theo und
Tochter Alice
TERMINE
BdV Düsseldorf
27.
Juli
2008,
11 Uhr: Katholische
Messe für Heimatvertriebene und Aussiedler. Kirche St. Antonius. Fürstenplatz. Katholische
Pfarrgemeinde St. Antonius,
Helmholtzstr. 42
Silesia –
Schlesisches Verkaufsstübel
der Landsmannschaft Schlesien
im Haus Schlesien in Königswinter
Postfach 15 01 32, 53040 Bonn,
Tel.: 02 28/23 21 54 (AB/24 Std.)
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag:
15.00 bis 17.00 Uhr
Sonnabend und Sonntag: 14.00 bis 17.00 Uhr
Montag: Ruhetag
Besuchergruppen werden um rechtzeitige Anmeldung gebeten.
Gemeinde der Evangelischen Schlesier
im Raum Hamburg
1. August 2008,
16 Uhr: Gemeindenachmittag im Gemeindehaus der St.
Petri-Kirche in Altona,
Schillerstraße 22 – 24
Info:
Pastor Michael Feige,
Tel. 05823/6115
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Bundesheimattreffen
2008
Bundesheimattreffen
der Heimatgemeinschaft Wansen am
30. August 2008 in
der Patenstadt Bielefeld. Tagungslokal ist
der bekannte Fichtenhof.
30. Tag der Oberschlesier am 30. und
31. August 2008 in
Rheinberg
nahe
Duisburg
Aus dem Programm:
Samstag, 30. August
2008: 11 Uhr Eröffnung, 14 Uhr: Stunde
der Frauen
Sonntag, 31. August
2008: 9.30 Uhr:
Kundgebung
Kurier · Herausgeber: Landsmannschaft Schlesien – Nieder- und Oberschlesien e. V.,
vertreten durch den Bundesvorsitzenden Rudi Pawelka, Dollendorfer Straße 412, 53639 Königswinter, Telefon (0 22 44) 92 59-0, Fax (0 22 44) 92 59-290.
Die Landsmannschaft Schlesien – Nieder- und Oberschlesien e.V. – Bundesleitung – im Internet:
www.schlesien-Lm.de
Texte und Redaktion: Dr. Michaela S. Ast – ma – (Chefredakteurin). Die Redaktion behält sich
das Recht vor, Beiträge redaktionell zu kürzen. Telefon (0 22 44) 92 59-0, Fax (0 22 44) 92 59-290,
E-Mail: schlesische-nachrichten@freenet.de
Nachdruck: Der Nachdruck von redaktionellen Beiträgen der Schlesischen Nachrichten ist bei
Quellenangabe und Zusendung eines Belegexemplars gestattet.
Anzeigen: Cilly Langschwager, Telefon (0 22 44) 92 59-295, Fax (0 22 44) 92 59-290,
E-Mail: Ls.buchhaltung@freenet.de
Bestellungen bei der Bundesgeschäftsstelle der Landsmannschaft Schlesien · Bezugspreis:
Einzelexemplar 2,00 Euro, 3,00 Zloty; Jahresabonnement 40,00 Euro · Erscheinungsweise: zweimal im Monat; Abonnementskündigung nur bis zum 30. November eines laufenden Jahres für
das kommende Jahr möglich. Für unverlangte Manuskripte und Bilder wird keine Haftung übernommen. Unverlangt eingesandte Manuskripte, Bilder und Bücher können nur zurückgeschickt
werden und Zuschriften sowie Anfragen können nur beantwortet werden, wenn ausreichend Rückporto beiliegt. Die mit Namen oder Chiffre gezeichneten Artikel geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers oder der Redaktion wieder.
Bankkonto: Volksbank Bonn Rhein-Sieg eG., BLZ 380 601 86, Kto.-Nr. 260 089 3036.
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