ORANGERIE · Ausgewählte Objekte · Frühjahr 2014
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224 ORANGERIE · Ausgewählte Objekte · Frühjahr 2014 Für Objektverzeichnis bitte aufklappen Object index on reverse of flap ORANGERIE Für Objektverzeichnis bitte aufklappen Object index on reverse of flap „La beauté n’est que la promesse du bonheur. – Das Schöne ist nichts anderes als das Versprechen von Glück.“ aus Stendhals De lʼamour, 1822 ORANGERIE Ausgewählte Objekte Selected Objects Auktion Nr. 224 Donnerstag, 29. Mai 2014 11 Uhr Auction No. 224 Thursday, 29 May 2014 11 a.m. www.villa-grisebach.de 3 Anfragen Enquiries Anfragen zu Versteigerungsobjekten/ Zustandsberichte Enquiries concerning this auction/ condition reports Vorbesichtigung Sale Preview Schriftliche Gebote Absentee bidding Eine Auswahl zeigen wir in A selection of works in Laura von Bismarck +49 (30) 885 915-24 Düsseldorf 30. April und 1. Mai 2014 Villa Grisebach Auktionen Bilker Straße 4-6 · D-40213 Düsseldorf Mittwoch und Donnerstag 10 - 18 Uhr Daniel von Schacky Telefon +49 (211) 8629 2199 Friederike Valentien +49 (30) 885 915-4416 ――― Telefonische Gebote Telephone bidding Micaela Kapitzky +49 (30) 885 915-32 Dr. Stefan Körner +49 (30) 885 915-64 ――― Rechnungslegung/Abrechnung Buyer’s/Seller’s accounts Katalogbestellung/Abonnements Catalogue subscription Friederike Cless +49 (30) 885 915-50 ――― Versand/Versicherung Shipping/Insurance Patrick Golenia +49 (30) 885 915-4414 Norbert Stübner +49 (30) 885 915-30 Ulf Zschommler +49 (30) 885 915-33 Zürich 6. und 7. Mai 2014 Villa Grisebach Auktionen AG Bahnhofstrasse 14 · CH-8001 Zürich Dienstag und Mittwoch 10 - 18 Uhr Verena Hartmann Telefon +41 (44) 212 8888 Dortmund 9. bis 11. Mai 2014 Galerie Utermann Silberstraße 22 · D-44137 Dortmund Freitag und Samstag 10 - 18 Uhr Sonntag 11 - 16 Uhr Wilfried Utermann Telefon +49 (231) 4764 3757 Hamburg 14. Mai 2014 Galerie Commeter Bergstraße 11 · D-20095 Hamburg Mittwoch 10 - 18 Uhr Stefanie Busold Telefon +49 172 540 9073 München 16. Mai 2014 Galerie Thomas Maximilianstraße 25 · D-80539 München Freitag 10 – 18 Uhr Dorothée Gutzeit Telefon +49 (89) 22 7632/33 Information für Bieter Information for Bidders Vorbesichtigung ausgewählter Werke des Bereichs Zeitgenössische Kunst Viewing of a selection of works of Contemporary Art Düsseldorf 15. bis 17. Mai 2014 Villa Grisebach Auktionen Bilker Straße 4-6 · D-40213 Düsseldorf Donnerstag und Freitag 10 - 18 Uhr Samstag 10 - 16 Uhr Daniel von Schacky Telefon +49 (211) 8629 2199 Vorbesichtigung aller Werke in Berlin 23. bis 27. Mai 2014 Viewing of all works in Berlin 23 to 27 May 2014 Berlin Villa Grisebach Auktionen GmbH Fasanenstraße 25, 27 und 73 D-10719 Berlin Telefon +49 (30) 885 915-0 Fax: +49 (30) 882 41 45 Freitag bis Montag 10 – 18 Uhr Dienstag 10 – 17 Uhr ――― Alle Kataloge im Internet unter www.villa-grisebach.de Die Verteilung der Bieternummern erfolgt eine Stunde vor Beginn der Auktion. Wir bitten um rechtzeitige Registrierung. Bidder numbers are available for collection one hour before the auction. Please register in advance. Nur unter dieser Nummer abgegebene Gebote werden auf der Auktion berücksichtigt. Von Bietern, die der Villa Grisebach noch unbekannt sind, benötigt die Villa Grisebach spätestens 24 Stunden vor Beginn der Auktion eine schriftliche Anmeldung. Only bids using this number will be included in the auction. Bidders previously unknown to Villa Grisebach must submit a written application no later than 24 hours before the auction. Sie haben auch die Möglichkeit, schriftliche oder telefonische Gebote an den Versteigerer zu richten. Ein entsprechendes Auftragsformular liegt dem Katalog bei. Über www.villa-grisebach.de können Sie live über das Internet die Auktionen verfolgen und sich zum online-live-Bieten registrieren. Wir bitten Sie in allen Fällen, uns dies bis spätestens zum 28. Mai 2014, 11 Uhr mitzuteilen. Die Berechnung des Aufgeldes ist in den Versteigerungsbedingungen unter § 4 geregelt; wir bitten um Beachtung. Die Versteigerungsbedingungen sind am Ende des Kataloges abgedruckt. Die englische Übersetzung des Kataloges finden Sie unter www.villa-grisebach.de ――― Villa Grisebach Auktionen ist Partner von Art Loss Register. Sämtliche Gegenstände in diesem Katalog, sofern sie eindeutig identifizierbar sind und einen Schätzwert von mindestens EUR 2.500,– haben, wurden vor der Versteigerung mit dem Datenbankbestand des Registers individuell abgeglichen. We are pleased to accept written absentee bids or telephone bids on the enclosed bidding form. At www.villa-grisebach.de you can follow the auctions live and register for online live bidding. All registrations for bidding at the auctions should be received no later than 11 a.m. on 28 May 2014. Regarding the calculation of the buyer’s premium, please see the Conditions of Sale, section 4. The Conditions of Sale are provided at the end of this catalogue. The English translation of this catalogue can be found at www.villa-grisebach.de ――― Villa Grisebach is a partner of the Art Loss Register. All objects in this catalogue which are uniquely identifiable and which have an estimate of at least 2,500 Euro have been individually checked against the register’s database prior to the auction. 300 Nigeria, Nok-Kultur Ein kniender Mann mit aufwendiger Haartracht und detailreicher Gewandung blickt still vor sich hin. Diese Statue, einer nach dem ersten Fundort in Nigeria als Nok bezeichneten Kultur aus vorchristlicher Zeit, ist wie alle vergleichbaren Figuren ein Individuum. Die Ornamente des Umhangs zeigen besonders eindrucksvoll die große Qualität der fein ausgeformten Oberfläche der Figur. Dank des sehr guten Erhaltungszustandes ist die Materialität der Gurte und Bänder des Gewandes und des Halsschmuckes nahezu greifbar. Selten fanden sich bei den Grabungen derart vollständige Figuren, meist handelte es sich um Bruchstücke. Dabei ist es nicht unüblich, daß Teile einer Keramik an mehreren Orten verteilt aufgefunden wurden. Dies legt die Annahme nahe, daß die Figuren während oder im Anschluß an ihre Nutzung zerstört worden sind. Große männliche kniende Statue. 150 v. Chr. Terrakotta. 53,5 x 20 cm (ohne Sockel) (21 ⅛ in. x 7 ⅞ in. (without base)). Mit einem Gutachten (Nr. 11.12.14 - TL 55023) des Alliance Science Art Laboratoire in Paris, Francine Maurer, 14. Mai 1995. Alterszuordnung mittels Thermolumineszenz-Methode auf ein Alter von um 2100 Jahren. Restaurierung des linken Unterschenkels. Die Rückenplatte besteht aus neuzeitlich gebundenem, aber historischem Material der Zeit um 500 v. Chr. bis 500 n. Chr. und ist eine nachträgliche Ergänzung des 20. Jahrhunderts – siehe Gutachten (Prüfbericht AA 01-06126) der Antiques Analytics GmbH, Dr. R. Neunteufel, 28. Juli 2001. [3879] Provenienz: Privatsammlung, Norddeutschland Literatur und Abbildung: Bernard de Grunne: The Birth of Art in Africa. Nok Stauary in Nigeria, 1998 Paris, Kat.-Nr. 14, S. 50f. € 30.000 – 40.000 $ 41,100 – 54,800 Grisebach 05|2014 Die Terrakotten der Nok gelten als älteste Figuralkunst im subsaharischen Afrika und zugleich sind sie auch im Vergleich mit anderen Kulturen jener Zeit – etwa den Kelten in Europa – einzigartig in der Systematik ihrer Form. Dieses Können und die sehr elaborierte Form der Plastik lassen Rückschlüsse auf eine sehr komplexe Gesellschaft zu. So kann eine Gemeinschaft nur bei effizienter Nahrungsproduktion einige ihrer Mitglieder von der Nahrungsbeschaffung freistellen, um diese kunstvollen Tonfiguren zu fertigen. Über die Lebensbedingungen der Nok-Kultur gibt es bis heute nur wenige wissenschaftliche Erkenntnisse, die Figuren selbst weisen mit ihren Attributen auf einzelne Details im Leben ihrer Kultur hin. So beweist die Dekoration einer Figur mit dem Motiv der Jakobsmuschel den Handel dieses fern der Küste lebenden Volkes mit den Küstenregionen. Archäologische Grabungen der Universität Frankfurt am Main mit dem Ziel, Aussagen zum Alltag der Nok zu verifizieren, wurden nicht zuletzt durch natürliche Gegebenheiten erschwert. Der sehr saure Boden im Verbreitungsgebiet mit einem pH-Wert von 5 hat viele Spuren wie Knochen, Textilien und Holz schon vor ihrer Entdeckung zerstört. Die Erkenntnisse dieser zeitgenössischen archäologischen Arbeit wurden 2013 in der Ausstellung „Nok. Ein Ursprung afrikanischer Skulptur“ im Frankfurter Liebighaus eindrucksvoll präsentiert. (EN) Ein kniender Mann blickt still vor sich hin. 301 Äthiopien Diese Steinstele stammt aus der Gegend um die Seen Zway, Abbayatta, Shala, Awassa und Abbayya im südlichen Äthiopien. Dies ist die Region mit den meisten aufrecht stehenden Monolithen Afrikas. Die Bedeutung dieser von Menschen geschaffenen, aufrecht stehenden Steine ist vielfältig. Sie sind Gedenksteine für Einzelpersonen ebenso wie Denkmale für bedeutende Generationen und an einigen Orten, an denen sie gehäuft vorkommen, Grabstelen auf einem Gräberfeld. Diese Grabstätten wurden in den 1930er Jahren von europäischen Forschern entdeckt und dokumentiert. Der bekannte Afrikaforscher Leo Frobenius (1873-1938) hielt 1935 ein Gräberfeld bei Tuto Fela auf Photographien fest (siehe Abbildung), die vom Frobenius-Institut an der Universität Frankfurt am Main aufbewahrt werden. Ein anderes Beispiel für eine Grabstätte ist Chelba-Tutitti, wo sich bis heute bis zu hundert ähnlicher Stelen befinden. Grabstele. 4.–6. Jahrhundert Vulkanit, behauen. 79 x 19 cm (31 ⅛ x 7 ½ in.). Standfuß eingesetzt. [3014] Provenienz: 1981 Kunsthandel, Brüssel / Privatsammlung, Schweiz € 4.000 – 6.000 $ 5,480 – 8,220 Vergleichsliteratur: Roger Joussaume: Les cimetières superposés de Tuto Fela, en pays Gedeo (Éthiopie), et quelques réflexions sur le site de Chelba-Tutitti; in: François-Xaver Fauvelle-Aymar (Hrsg.): Palethnologie de l’Afrique, Palethnologie, Jg. 4 (2012), S. 87–110 Grisebach 05|2014 Archäologische Befunde der letzten Jahre zeigten, daß eine Grabstele die Gräber mehrerer Verstorbener markiert und ihre Form auf die Bedeutung der Begrabenen hinzuweisen scheint. Da die Gräber in mehreren Schichten übereinander angeordnet sind, ragen die Stelen zum Teil nur zu einem Bruchteil ihrer gesamten Höhe aus der Erde. Durch ihre Form und Ornamente unterschieden werden phallische und anthropomorphe Stelen sowie einfache geometrisch verzierte Exemplare. Die heute im Fundgebiet lebende Bevölkerungsgruppe der Gedeo achtet die Orte als spirituell bedeutsam, jedoch ist wenig Wissen über die Stelen überliefert. Bei anderen Ethnien des südlichen Äthiopien haben aufrechte Stelen aus Holz und Stein sowohl in der Heldenverehrung wie im Totenkult bis heute eine hohe Bedeutung. Unsere Stele aus rauhem Stein nimmt nach oben an Umfang zu und endet in einer breiteren Kappe. Sie zeigt punktförmige Vertiefungen und strichförmige Einkerbungen am Schaft und an der Kappe. Der formale Bezug zum Phallus wird in der Forschung mit der großen Bedeutung von Fruchtbarkeit und der durch ihn allgemein symbolisierten Potenz einer Gesellschaft begründet. (EN) Der formale Bezug wird mit der durch den Phallus symbolisierten Potenz einer Gesellschaft begründet. 302 / 303 Costa Rica. Nördliches Hochland, Kultur der Guapiles 303 Diese zwei Skulpturen, die eine stehend, die andere sitzend, sind hervorragend gearbeitete und gut erhaltene Zeugnisse der einst im Nordosten Costa Ricas beheimateten Guapiles-Kultur. Diese nach der gleichnamigen Stadt benannte Kultur hatte etwa 2400 Jahre lang Bestand, von 1000 v. Chr. bis 1400 n. Chr. 302 Obgleich die Guapiles-Kultur noch längst nicht ausreichend erforscht ist, weiß man, daß ihre Gesellschaft hoch entwickelt war. In der benachbarten Provinz Cartago wurde bei Ausgrabungen in den siebziger Jahren eine ganze Stadt gefunden, mit gepflasterten Straßen, Zisternen und Aquädukten. Die Mehrheit der Bevölkerung der Guapiles-Kultur setzte sich aus Landarbeitern und Bauern zusammen, doch kannte sie, ähnlich wie die Vorläufer vorderasiatischer und europäischer Hochkulturen, auch das Prinzip der Arbeitsteilung. 302 Sitzender Krieger mit Nasenpflock (Periode VI). Um 900 n. Chr. Vulkangestein. 46 cm x 48 cm (18 ⅛ in. x 18 ⅞ in.). Restaurierte Bruchstellen am linken Bein. [3124] Provenienz: 1980 Galerie Gerdes, München / Privatsammlung, Deutschland € 30.000 – 40.000 $ 41,100 – 54,800 303 Stehender Krieger mit Trophäenkopf (Periode VI). Um 1000 n. Chr. Vulkangestein. 105 cm (41 ⅜ in.). [3124] Provenienz: 1980 Galerie Gerdes, München / Privatsammlung, Deutschland € 25.000 – 30.000 $ 34,200 – 41,100 Vergleichsliteratur: Jorge A. Lines (Hrsg.): Ancient Art from Costa Rica, Ausst.-Kat., Claremont 1953 / Jean Paul Barbier: A Guide to Pre-Columbian Art, Genf 1998 Grisebach 05|2014 Bei unseren aus Vulkangestein gehauenen Stücken handelt es sich um Darstellungen von Kriegern. Der Umstand, daß sie unbekleidet abgebildet sind, entspricht der Tradition, wie die einschlägigen Museumsbestände zeigen. Die stehende Figur, um das Jahr 1000 n. Chr. gefertigt, hält in ihrer linken Hand als Trophäe den geschrumpften Kopf eines Feindes, in der rechten ein Schlagwerkzeug, wohl eine Axt oder ein Messer. Auffällig ist auch die Haartracht aus betont parallel verlaufenden Strähnen. Während ihre Körperhaltung durchaus bedrohlich wirkt, erscheint die andere Figur ruhend, beinahe ein wenig lässig. Denn daß ein Krieger sitzend abgebildet wurde, kommt in der Kunst der Guapiles-Kultur sehr selten vor. Aber auch hier lassen die Attribute keinen Zweifel an der Funktion des Dargestellten: er trägt ein Seil über seiner Schulter, an dem ebenfalls ein Schrumpfkopf befestigt ist. In der Rechten präsentiert er dem Betrachter ein großes Schlaginstrument. Die sitzende Figur ist mit 900 n. Chr. etwas früher zu datieren als die stehende, und um ihre Stirn läuft ein geflochtenes Band. Ornamentale Elemente im geometrischen Stil kommen bei aufwendiger gearbeiteten Guapiles-Statuen öfter vor. Die Sorgfalt, mit der diese beiden Krieger gefertigt wurden, deutet darauf hin, daß es sich dabei um Skulpturen von höchster Wertschätzung gehandelt haben muß. (UC) Daß ein Krieger sitzend abgebildet wurde, kommt in der Kunst der Guapiles-Kultur sehr selten vor. 11 304 Meister der Échevinage von Rouen (Umkreis) Mittelalterliche Stundenbücher vermögen nicht allein aufgrund ihrer Pracht, sondern gerade auch ihrer Widersprüchlichkeit wegen immer wieder zu faszinieren: Eigentlich Werke privater Andacht, bezeugte ihr kostbarer Bilderschmuck auch Status- und Standesbewußtsein ihres Besitzers nach außen. Und obwohl weitgehend einem standardisierten Aufbau folgend, erscheint jedes Exemplar in seiner künstlerischen Gestaltung doch einzigartig und unverwechselbar. Stundenbuch nach dem Usus von Rouen. Manuskript mit 13 Illuminationen. Um 1465–1470 Handschrift auf Pergament, illuminiert / Ledereinband wohl 18. Jahrhundert. 8°. Rote Liniierung, Schriftraum gemittelt 9,7 x 6,2 cm, 15 Zeilen (Kalender: 16), einspaltig beschrieben. Als Textura eine französische lettre bâtarde in brauner Tinte, mehrere Hände unterscheidbar. Rubrikationen in roter Tinte. Bei den Orationen, Psalmen etc. einbis zweizeilige goldene Initialen auf blauem oder rotem Grund bzw. zwei- bis vierzeilige blaue Initialen (rot und weiß erhöht) auf goldenem Grund. Textbegleitende Bordüren gemittelt 9,7 x 3,3 cm. Kein Vorsatzblatt / Lagen: VI12 + (V-1)21 + 7 IV77 + 2 II85 + IV93 + III98 + 4 IV130 + III135 + (IV-1)142. Vor Folio 13 mind. 1 Lage Textverlust. Foliierung in Bleistift auf den recto-Seiten oben rechts (1-141), letzte Folioseite nicht beschriftet, fol. 31/32 übersprungen. [3408] Provenienz: Vor 1930 im Berliner Kunsthandel erworben / Privatsammlung, Rheinland € 10.000 – 15.000 $ 13,700 – 20,500 Vergleichsliteratur zum Meister der Échevinage de Rouen: Claudia Rabel: Artiste et clientèle à la fin du Moyen Age: les manuscrits profanes du Maître de l’échevinage de Rouen; in: Revue le l’Art, Bd. 84 (1989), S. 48–60. François Avril/ und Nicole Reynaud: Les manuscrits à peinture en France 1440-1520, Ausst.-Kat., Paris 1995, S. 168-173 Im 13. Jahrhundert von der Stundenliturgie des Breviers abgeleitet, lassen Stundenbücher dieses Vorbild noch deutlich erkennen. Auch ihre Rezitationen sollten mit der mitternächtlichen Matutin beginnen und sich in dreistündigem Rhythmus über Laudes, Prim, Terz, Sext, Non, Vesper und Komplet erstrecken. Im Regelfall bestehen Stundenbücher dabei aus einem Kalenderteil, Textsequenzen der Evangelien, zwei Mariengebeten, einem Marienoffizium, den Stundengebeten des Kreuzes und des Heiligen Geistes, den Bußpsalmen, der Litanei, einem Totenoffizium sowie abschließenden Fürbittgebeten zu den Heiligen. Obgleich diese Grundstruktur noch ergänzt oder in ihrer Abfolge leicht verändert werden konnte, präsentieren sich Stundenbücher also inhaltlich stark normiert. Gerade deshalb fällt an ihnen aber auch jegliche Abweichung auf – und vermag somit höchst interessante Details über die Herkunft des Werkes und seines ursprünglichen Besitzers zu verraten. Auch das hier vorliegende Stundenbuch folgt weitgehend dem üblichen Typus, besitzt jedoch aufschlußreiche Besonderheiten: Die im Kalender golden hervorgehobenen Heiligenfeste zeigen, daß die Handschrift für einen Gebrauch in Rouen bestimmt war, das ein Zentrum der Buchmalerei im 15. Jahrhundert war. Besonders betont werden etwa Romanus (17. Juni) und Martialis (3. Juli) als Patrone der Stadt und auch das Translationsfest der heiligen Anna wurde allein in Rouen am 30. Januar begangen. Die Feier der Visitatio (lat.: Heimsuchung Mariä), seit 1475 fester Bestandteil des kirchlichen Festkalenders, ist hingegen noch nicht vermerkt – das Stundenbuch muß also bereits vor diesem Zeitpunkt vollendet worden sein. Konzipiert wurde die Handschrift für einen Mann, denn die Mariengebete Obsecro te und O intemerata verwenden männliche Deklinationsformen. Die prominente Stellung, die dem heiligen Sebastian in den Fürbittgebeten des Stundenbuchs eingeräumt wird, könnte auf eine besondere Bedeutung dieses Heiligen als Namens- oder Schutzpatron des ursprünglichen Auftraggebers hinweisen. Insgesamt 13 großformatige Illuminationen leiten die jeweiligen Textsequenzen des Stundenbuchs ein und bieten dem Betrachter Orientierungs-, Interpretations- und Erinnerungshilfe. Daß es sich bei dem Stundenbuch tatsächlich um ein wahres Luxusobjekt handelte, demonstrierte bereits sein verschwenderischer Umgang mit dem kostspieligen Pergament: Kalender, Text und auch Miniaturen besitzen überbreite Ränder, neue Gebetssequenzen wurden auch dann auf einer neuen Seite begonnen, wenn die vorherige Rückseite so gut wie leer geblieben war. Das eingerückte Seitenlayout schützte die Miniaturen und Bordüren einerseits vor Farbabrieb, andererseits trug diese Gestaltung aber auch zum intimen Charakter der Handschrift bei und demonstrierte das Understatement ihres Besitzers. Die übrigen Miniaturen des Stundenbuchs sind vollständig vorhanden und von noch immer frischer Farbkraft. Ihre künstlerische Ausführung legt nahe, daß das Stundenbuch nicht nur für, sondern auch in Rouen entstanden ist. Als englisches Bollwerk war die Stadt während des Hundertjährigen Krieges zu einem wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum avanciert und hatte ihre Bedeutung auch nach endgültigem Abzug der Engländer im Jahre 1449 aufrechterhalten können. Grisebach 05|2014 Als zahlreiche Künstler Mitte des 15. Jahrhunderts das von politischen Krisen weiterhin erschütterte Paris verließen, wandten sich viele von ihnen dem florierenden Rouen zu, darunter auch Buchmaler wie der Meister der Münchner Legenda Aurea und der Meister der Échevinage von Rouen. Insbesondere Letztgenannter, benannt nach dem Schöffenrat der Stadt als seinem Hauptauftraggeber, konnte eine höchst effiziente Werkstatt in Rouen etablieren, deren Stil bis weit in die 1480er Jahre hinein immer wieder imitiert wurde und die lokale Produktion illuminierter Stundenbücher maßgeblich prägte. Auch die hier vorliegende Handschrift demonstriert nicht nur in den Miniaturen, sondern auch der phantasievollen Gestaltung ihrer mit Fabelwesen, Akanthusblättern, Tieren und Blumen belebten Bordüren eine deutliche Auseinandersetzung und Vertrautheit mit seinem Vorbild. (PR) 305 Wohl Böhmen, Mähren oder Schlesien Ein rätselhaftes Objekt ist dieses Einzelblatt, dessen Bestandteile – allesamt aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gerissen – zu einem gänzlich neuen Kunstwerk zusammengesetzt wurden. Bei der „Grundlage“ dieser Collage handelt es sich um einen einzelnen Pergamentfolio, dessen schiere Größe im Mittelalter bereits größte Kostbarkeit bedeutete. In schwarzer und roter Tinte sind auf beiden Seiten die Notation und Textzeilen von zwei Mariengesängen festgehalten, welche zum Fest der Geburt Mariä am 8. September während der nächtlichen Matutin angestimmt wurden. Die von einer prächtigen H-Initiale eingeleitete Vorderseite intoniert zunächst: „Hodie nata est beata virgo Maria ex progenie David per quam salus mundi credentibus apparuit“. Blatt aus einem Antiphonar. Um 1470/1520 Handschrift auf Pergament, auf Goldgrund illuminiert. 72 x 54 cm (28 ⅜ x 21 ¼ in.). Historische Klebespuren. [3519] Provenienz: Privatsammlung, New York / Privatsammlung, Norddeutschland € 10.000 – 12.000 $ 13,700 – 16,400 Auf deren schlichter gestalteten Rückseite findet sich eine Antiphon zu Psalm 23: „Ante thor(um) huius freq(ue)ntate nobis dulcia cantica dramatis“ mit anschließendem Verweis auf den Wechselgesang vom Anfang des Psalms: „Domini est terra“. Inhalt und Format der Gesänge legen nahe, daß dieses Einzelblatt ursprünglich Bestandteil eines Antiphonars bildete, in dem die Gesänge und Responsorien des liturgischen Stundengebets aufgezeichnet waren. Die Schrift, eine humanistische Minuskel, wäre mit einer vermuteten Entstehungszeit der Notenschrift im späten 15. Jahrhundert durchaus vereinbar – die vorangestellte Initiale hingegen datiert vermutlich erst in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts. In zarten Rosa- und leuchtenden Blautönen gehaltene Blattranken auf goldenem Grund umrahmen die bärtigen Gesichter zweier (an der Tonsur erkennbarer) Kleriker, deren Darstellung eine gleichsam monastische Provenienz der Initiale vermuten läßt. Die höchst qualitätvolle Arbeit wurde – gemeinsam mit der passenden Bordüre – zu einem ungeklärten Zeitpunkt aus ihrem ursprünglichen Malgrund ausgeschnitten und als maßstäblich passende Ergänzung auf die ältere Folioseite des Antiphonars aufgeklebt. Die Gestaltung der Gesichtszüge sowie die Farbpalette der Blattranken könnten auf eine Provenienz aus Schlesien hindeuten, während die Traubenmotive Ähnlichkeiten zu früheren Werken Prager Buchmalerei aufweisen. Doch ohne weitere Informationen zum ursprünglichen Zusammenhang müssen die Datierung und Herkunft der Malerei vermutlich fraglich bleiben – ganz im Gegensatz zur Schönheit ihrer Ausführung. (PR) Grisebach 05|2014 Im Lauf des 3. Jahrhunderts entwickelte sich die Kaiserbildnissen bärtigen Gesichter zweiereine Kleriker ... bei...den generell Tendenz zur Abstrahierung und Idealisierung ... 306 Italien, wohl Brescia „L’armata“ war der Beiname des lombardischen Brescia, aus dem unsere Sturmhaube stammen dürfte. Die Stadt, Teil der Republik Venedig, war wegen ihres Reichtums von dauernden Übergriffen der Franzosen betroffen. Besonders im 16. Jahrhundert wurde sie ein Zentrum der europäischen Waffenschmieden. Die Produktion von besonders leichten Stahlwaffen nach der Erfindung des Venezianers Vittore Camelio um 1500 machten die kriegerischen Erzeugnisse aus Brescia begehrt. Die Plattner der Stadt lieferten ihre Armaturen nach ganz Europa. Offene Sturmhaube eines Offiziers des Fußvolkes. Um 1570 Blankes Eisen, geschwärzt; Messingnieten; Lederreste (Helmglocke, Kamm, Sonnen- und Nackenschirm in einem Stück geschmiedet, angehängte Wangenklappen). 30 x 31 cm (11 ¾ x 12 ¼ in.). Alte Ausbesserungen, Messinglötung. [3498] Provenienz: Privatsammlung, Norddeutschland € 6.000 – 8.000 $ 8,220 – 10,960 Vergleichsliteratur: Wendelin Boeheim: Handbuch der Waffenkunde: Das Waffenwesen in seiner historischen Entwicklung, Leipzig 1890 / Ludwig Beck: Die Geschichte des Eisens, Bd. 2, Braunschweig 1895 / Lionello Boccia: L’arte dell’armatura in Italia, Mailand 1967 Grisebach 05|2014 Der Typus der Sturmhaube (auch Bourguignotte) war eine Neuheit. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts verdrängte sie den schweren Topfhelm, der es seinem Träger kaum ermöglichte, zu sehen und sich zu bewegen. Da die Schlachten der Zeit immer mehr durch Formationskämpfe und zunehmenden Pulverdampf geprägt waren, konnte sich die nach vorn offene und durch den verbesserten Stahl nun leichtere Sturmhaube schnell durchsetzen. Anfänglich nur als Kopfbedeckung der Fußsöldner, bald aber auch von Befehlshabern der Landsknechttruppe getragen, hatten sich Offene Sturmhauben bereits um 1560 in allen Heeren durchgesetzt. Die Helme dieser Zeit bestehen aus der in einem Stück geschmiedeten Glocke mit Sonnen- und Nackenschirm. Besonders die italienischen Sturmhauben unterscheiden sich von den deutschen durch die geschweiftere Form und erscheinen so den antiken Helmen der Römer ähnlich. Ihr Kamm, der im Laufe der Entwicklung „allmählich übertrieben hoch“ (Boeheim 1890, S.47) wurde, war im Nacken mit der Hülse für eine Feder geschmückt. Auch die angehängten Wangenklappen zum Schutz der Ohren waren, wie die ganze Haube, mit Ätzungen geschmückt: „Sie erscheinen daselbst als Gegenstände des Luxus in phantasievoller Darstellung und reichster Ausstattung in Treibarbeit, Tausia und Vergoldung“ (Boeheim 1890, S. 48). Unsere Sturmhaube aus Brescia ist hier schlichter: Sonnen-, Nackenschirm und Wangenklappen sind von einem schwarz-weiß geätzten Streifen gesäumt. Die durchbohrten Gehörrosen der Wangenklappen sind ebenso floral umätzt. Von hier ranken große Akanthusblätter über die Helmglocke zum Kamm, der von einer breiten Borte mit Blättern und Blüten über schwarzgepunktetem Grund verziert ist. Dieses relativ reiche Dekor weist den Träger unserer Sturmhaube in einen höheren Offiziersrang der Infanterie. (SK) „Sie erscheinen daselbst als Gegenstände des Luxus in phantasievoller Darstellung.“ 307 Holland oder Flandern Die Kunst des Rahmenbaus war über die Jahrhunderte ebenso wie alle Kunstgeschichte geprägt von einer sich stets wandelnden Geschmacksund Formenvielfalt. Die besondere Form des sogenannten Flammleistenrahmens war eine vor allem in Holland, Flandern und im süddeutschen Raum gebräuchliche Variante. Die Flammleiste, auch Wellenband genannt, trat als Ornamentform zuerst in der Möbelkunst der Spätrenaissance und dann vor allem des Barocks in Erscheinung. Dort fand sie meist als Einfassungsleiste von Füllungen an den Türen von Kabinettschränken Verwendung. Ein Paar Flammleistenrahmen. Um 1640 Ebonisiertes und vergoldetes Holz, mit verschiedenen Wellen- und Flammleisten. Je 130 x 111,5 cm (each 51 ⅛ x 43 ⅞ in.). Holzoberfläche später überfaßt, Spiegel wohl 19. Jahrhundert, Goldkantenleisten später. [3044] Provenienz: 1970er Jahre Kunsthandel, London / Privatsammlung, Berlin € 25.000 – 30.000 $ 34,200 – 41,100 Ihren Ursprung hat die Flammleiste wohl in Nürnberg. Joachim von Sandrart berichtet, daß der dort ansässige Tischler Hans Schwanhart (gest. 1612) das geflammte Hobeln erfunden habe, das dann von dessen Schwiegersohn Jakob Hepner (gest. 1645) übernommen wurde. Das Anfertigen von Flammleisten mit der charakteristischen feinen Struktur zahlreicher wellenförmig, eng nebeneinander verlaufender Linien erforderte große handwerkliche Präzision und war mit einem hohen Zeitaufwand verbunden. Typisch für diese Form des Kabinettrahmens ist das dunkel gefaßte, ebonisierte Holz. Üblicherweise wurden entweder Eiche oder Obsthölzer verwendet, die dann schwarz oder schwarzbraun gefaßt wurden, um den Eindruck kostbaren Ebenholzes hervorzurufen. Unser Rahmenpaar ist von besonders opulentem Charakter. Beide Rahmen sind in identischer Weise aufgebaut. In mehreren Ebenen setzen sich die vielen unterschiedlich gemusterten Flammleisten, nach innen hin aufsteigend, zu einem sehr breiten, aufwendig gegliederten Rahmenprofil zusammen. Das reiche Dekor verrät eine barocke Freude an prächtigem Zierat und eine Empfänglichkeit für die sinnlichen Reize extravagant gestalteter Oberflächen. Die monumentalen Leisten beanspruchen – im Gegensatz etwa zu schmalen, schlichten Rahmen – durchaus Geltung als eigenständiges dekoratives Element mit repräsentativem Anspruch. Als solches waren sie wirkungsvoller Bestandteil einer gehobenen Wohnkultur, wie sie sich etwa in den Stadtpalästen wohlhabender Patrizier zeigte. Ob die Rahmen ursprünglich dazu gedacht waren, Gemälde in sich aufzunehmen – denkbar wären beispielsweise repräsentative Porträts oder üppige Stillleben – oder ob sie von Beginn an als Einfassungen von Spiegeln dienten, läßt sich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen. (KB) Grisebach 05|2014 Mo mi, ut amus rae. Cipsa ipitature laboruntur recabo. Ecae nonsequi. 308 Jacob Auer Heimingberg 1645 – 1706 Grins Der schwedische Bildhauer und Architekt Nicodemus Tessin d. J. (1654–1728) hatte auf seiner Reise durch Europa vieles gesehen, war in Rom bei Gian Lorenzo Bernini (1598–1680) in der Lehre. Und doch kam er 1688 bei einer Elfenbeinskulptur ins Schwärmen: Das Werk seines Zeitgenossen Jacob Auer begeisterte ihn, da dessen „Apoll und Daphne“ (heute KHM Wien) „so fleissig mit allen blättern in elffenbein aussgearbeitet, alss ich mein tage wass gesehen habe“ (aus: Travel Notes 1687-88 (2002), S.408). Maria mit Kind und dem Johannesknaben in einem Hausaltar. Nach 1691 Elfenbein, geschnitzt, gebohrt, gefeilt. Hintergrund farbig lasiert; Holz, geschnitzt, gefaßt, vergoldet. Relief: 14,2 x 7,4 cm / Altar: 33,5 x 24 x 10 cm (5 ⅝ x 2 ⅞ in. / frame: 13 ¼ x 9 ½ x 3 ⅞ in.). Minimale Elfenbeinfehlstelle am Ansatz des linken Astes, ganz am Rand (3 mm). [3082] Provenienz: Vor 1983 wohl schwäbischer Adelsbesitz / 1983 Kunsthandlung Metz de Benito, München (als Magnus Berg) / Seit 1983 Privatsammlung, München / Privatsammlung, Deutschland Ausstellung: 1991–2012 als Leihgabe im Diözesanmuseum, Freising Literatur und Abbildung: Weltkunst, Jg. 53 (1983), Nr. 4, S. 321, 339 (als Magnus Berg) / Christian Theuerkauff: Jacob Auer - „Bildhauer in Grins“; in: Pantheon, Jg. 41 (1983), Nr. 3, S. 194–208, S. 204 / Christian Theuerkauff: Elfenbein. Sammlung Rainer Winkler, Bd. II, München 1994, S. 23ff. / Engel. Mittler zwischen Himmel und Erde, Ausst.-Kat., Freising 2010, S. 428, Kat.-Nr. 37 € 200.000 – 300.000 $ 274,000 – 411,000 Vergleichsobjekt: Variante im Bayerischen Nationalmuseum, München (Inv.-Nr. R 4519) Wir danken Christian Theuerkauff, Berlin, für die Bestätigung der Zuschreibung. Grisebach 05|2014 Auer war also schon zu Lebzeiten ge- und berühmt für seine waghalsig fragilen Stege, die er aus dem Elfenbein an der Grenze der materiellen Machbarkeit herausschnitt, -bohrte und -feilte. Auch bei unserem Relief mit „Maria und dem schlafenden Kind“ legte er größte Sorgfalt auf die Efeu-, Blatt- und Weinranken, welche die fliegenden Engel über der kontemplativen Szene ausbreiten. Zeitlebens wirkte Jacob Auer im erbländischen Tirol, wo er seit 1673 eine Bildhauerwerkstatt für Groß- und Kleinplastik führte. Während seine Sandstein-, Holz- und Marmorskulpturen meist für oberösterreichische Stifte, wie St. Florian und die Benediktinerstifte Lambach und Kremsmünster, entstanden, gelangten seine fragilen Elfenbeinarbeiten in die bedeutendsten fürstlichen Sammlungen der Zeit, so in Düsseldorf, München und Wien. Die Kaiserstadt war in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts unter Kaiser Leopold I. Zentrum der europäischen Elfenbeinkunst, da den Souverän eine besondere Affinität zum Material verband. Hier dürfte Auer auch mit seinen Kollegen, den Hofelfenbeinschnitzern Matthias Rauchmillers (1645–1686) und Matthias Steinl (1643/44–1727), zusammengekommen sein. Die vielbewegte und feingebohrte Gruppe „Apoll und Daphne“ der kaiserlichen Kunstkammer war schon damals vielgerühmtes Virtuosenstück des Tiroler Meisters. Neben diesem mythologischen Thema gestaltete Auer eine Zahl von kleinplastischen „Andachtsbildern“ mit biblischen Szenen. Meist war das Format dieser Tafeln mit halbrundem oder rechtwinkeligem Abschluß 14 x 8 Zentimeter, wie bei den Reliefs „Der Sündenfall“ (Schloßmuseum Weimar), „Heiliger Sebastian“ (Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg) und „Maria mit dem Kind und Johannesknaben“ (Bayerisches Nationalmuseum München). Letzteres ist eine Variante zu unserem Relief und zeigt die gleiche Szene in ähnlicher Gestaltung. In beiden Tafeln wandert der durch geschickte Komposition gelenkte Blick des Betrachters von links oben schräg nach unten: Aus dem Halbrundabschluß mit den Putten und dem für Auer so charakteristisch feinen Laub- und Astwerk des Baumes wird der Blick auf Maria, die das schlafende Kind im Schoß trägt, geleitet. Von diesem Bildmittelpunkt führt die Komposition zum darunter knienden Johannesknaben, der Christus sanft die Hand küßt. Kunstvoll ist der hauchdünne Kreuzstab in Johannes’ linker Hand gearbeitet, dessen Siegesfahne die Losung „ECCE AGNUS DEI“ (Dies ist das Lamm Gottes) trägt und kompositorisch am rechten Bildrand den Bogen zu dem darüber schwebenden Geäst wieder schließt. Eher narrativ ist die Darstellung des Lammes, das als Christussymbol direkt unter dem Gefolgschaft versprechenden Kuß die Szene beobachtet. Deutlich wird in unserem Relief vor blau-grau laviertem Hintergrund Auers Formensprache: Sie ist „von einer Neigung zu erstarrter Pose, zur Schönlinigkeit im Figuralen und in der Draperie“ geprägt, wie Christian Theuerkauff sie bezeichnet (1983, S. 196). Auers Figuren wirken zumeist manieriert, gelängt und oftmals wenig überzeugend anatomisch proportioniert, wie der ins Herkulische geratene Johannesknabe verrät. Wichtiger erscheinen dem Meister das Spiel der Locken, die weich modellierten Oberflächen, die sorgsam poliert sind, und die Darstellung der schnitztechnischen Virtuosität in der überbordenden Detailfülle des fein durchbohrten Geästs. Jene Durchdringung von Narration der Szene, geschickter Komposition und bildhauerischer Virtuosität in kostbarem Material machten die kleinen Tafeln des Tiroler Meisters zu den kostbarsten Sammlerstücken ihrer Zeit. Sie waren gelehrsame Konversationsobjekte in den späten Kunstkammern der deutschen Lande. Die kleinformatigen Liebhaberstücke galten als Medium herrschaftlichen Weltverständnisses, denn sie zeigten die Kunst der Beherrschung der Natur durch den Menschen, der die materiellen Gottesgaben durch seine Fertigkeiten noch zu veredeln weiß. Aber nicht nur in den Kunstkammersammlungen, sondern auch als Bilder gerahmt fanden die Elfenbeintafeln des späten 17. Jahrhunderts in den Galerien ihrer Zeit Eingang. Dort hatten sie den gleichen Stellenwert wie die Ölgemälde und hingen in der untersten Reihe, um genaues Betrachten zu ermöglichen. So befand sich in der Düsseldorfer Galerie von Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz-Neuburg (1658–1717) neben 24 weiteren Elfenbeinreliefs auch die erwähnte Variante unserer Auer-Szene mit „Maria und dem Kind“. Wo sich unser Elfenbeintäfelchen von Jacob Auer nach seiner Entstehung um 1700 befand, ist unklar. Sicher ist jedoch, daß solch kostbares Kunstwerk in einer bedeutenden fürstlichen oder geistlichen Sammlung gewesen sein muß. Und die Wertschätzung dieser Bildwerke dauerte trotz wandelnder Moden das ganze 18. Jahrhundert über an, wie das berühmte Auer-Täfelchen im Besitz der Madame Pompadour (heute Louvre) und die Neurahmung unserer Tafel zeigen. Diese folgt dem frühklassizistischen Geschmack der Zeit um 1770, schützte das Elfenbeinrelief durch eine Glasscheibe und wertete dieses durch seine Form als Hausaltar liturgisch auf. Rein stilistisch weist der Hausaltar mit seinen Festons und Putten Parallelen zur gleichzeitigen Umgestaltung des reichen Benediktinerklosters im schwäbischen Wiblingen auf, das zu den österreichischen Vorlanden gehörte. Ab 1778 wurden Kloster und Kirche im „grichischen Geschmack“ (1780 in einem Brief so bezeichnet) umgestaltet. Schnitzer und Vergolder schufen in klaren antikisierenden Formen eine Gestaltung in reduzierter Farbigkeit der Vergoldungen, mit Lorbeergirlanden, Urnen, Eierstableisten und gerillten Rücklagen; wie wir sie auch an unserem Hausaltar finden können. Als „Bau- und Verzierungs-Direktor“ hierfür war der Maler Januarius Zick (1730–1797) berufen worden, der selbstbewußt und nachhaltig den Abt beeindruckt hatte. Der Zick-Kenner Joseph Straßer meint, es sei bislang ein Geheimnis, wie die Befähigung durch den Maler nachgewiesen wurde, der vermutlich sogar selbst den neuen, „antiquen Geschmack“ einforderte. – Womöglich war es ein Probestück, wie unser Altar, der barockes Bild mit moderner Rahmung verbinden konnte, wie es in Wiblingen auch beabsichtigt war. Auch die Formensprache des in Wiblingen beteiligten Bildhauers Franz Joseph Christian (1739–1798) läßt Parallelen zu den beiden Putten unseres Hausaltars mit dem Auer-Relief vermuten. – Ähnlich spielerisch gelängt und asymmetrisch-dynamisch sind dessen Figuren am Hauptaltar (siehe Abbildung). Jedoch haben sich zu wenig schriftliche Quellen über die Wiblinger Kunstwerke in Abtswohnung oder Schatzkammer erhalten, um diese stilistische Verortung des Altarrahmens auch archivalisch zu erhärten, da das Kloster 1806 erst durch die Bayern und dann die Württemberger säkularisiert und geplündert wurde. Der bewegliche Kunstbesitz Wiblingens wurde versteigert und in alle Winde gestreut und damit seiner Geschichte beraubt. Auch die Provenienzgeschichte unseres Elfenbeinreliefs im Hausaltar beginnt erst 1983, als es aus wohl schwäbischem Adelsbesitz im Münchner Kunsthandel auftauchte. So bleibt allein die überragende Bildhauerarbeit des überkommenen Reliefs „Maria mit dem Kind“ des Elfenbeinvirtuosen Jacob Auer, den man schon zu Lebzeiten einen „ornatissimus et perartificiosus dominus“ (höchst ehrenwerter und kunstreicher Herr, 1682) nannte. (SK) „... so fleissig mit allen blättern in elffenbein aussgearbeitet, alss ich mein tage wass gesehen habe ...“ 309 – 311 309 310 311 309 Smaragdkreuz. Um 1680 Kolonialgold, 14 Smaragde / Futteral wohl 19. Jahrhundert. 7 x 3 cm (2 ¾ x 1 ⅛ in.). [3219] Provenienz: Privatsammlung, Berlin € 4.000 – 6.000 $ 5,480 – 8,220 310 Anhänger mit Bergkristall. Spätes 17. Jahrhundert Bergkristall, Gold, Email a la porcelana. 3,5 x 4,5 x 2 cm (1 ⅜ x 1 ¾ x ¾ in.). Provenienz: Privatsammlung, Norddeutschland. [3794] € 3.000 – 5.000 $ 4,110 – 6,850 Vergleichsobjekt und -literatur: Priscilla E. Muller: Jewels in Spain 1500–1800, New York 2012, S. 104–147 311 Kreuzanhänger mit Perlen. Um 1800 Gold, Saat- und Barockperlen. 6 x 4 cm (2 ⅜ x 1 ⅝ in.). Links unten Saatperlenkranz fehlend. [3520] Provenienz: Privatsammlung, Norddeutschland € 3.000 – 5.000 $ 4,110 – 6,850 Grisebach 05|2014 Spanien Gold, Perlen und Smaragde gehörten im 17. Jahrhundert zu den kostbarsten Rohstoffen, welche die spanische Armada aus der Neuen Welt in ihr Königreich brachte. Infolge der Luxusgesetze war es dem spanischen Adel allerdings untersagt, diese Schätze opulent zur Schau zu stellen. Trotz oder vielleicht sogar aufgrund dieser Einschränkung wurde kein höfisches Fest ohne würdevolle Zierde gehalten. Die Höflinge trugen hierbei häufig nicht mehr als die „joyas de pecho“, das heißt kunstvoll verarbeitete Anhänger, die vom christlichen Glauben des Trägers zeugten. Besonders begehrt waren die luziden Smaragdkreuze, deren Kristalle gleichzeitig die Modefarbe jener Zeit bildeten. Eine gerade entdeckte Schneidtechnik erlaubte eine perfekte Einpassung der unterschiedlich großen, nun viereckigen Steine in die feine Goldfassung. Unser Kreuz ist zusätzlich von einem tropfenförmigen Stein und zwei diagonalen Smaragden auf der Unterseite verziert. Dieser schmuckvolle Anhang ist als Allusion auf den Berg Golgotha zu lesen, auf dem einst Christi gekreuzigt wurde. Auf der oberen Seite des Kreuzes bilden die Steine eine schmückende Schleifenform. Die goldenen Lilien, welche die seitlichen Kreuzarme dekorieren, bilden eine Hommage an Marie Louise d’Orléans (1662–1689), die aus Frankreich stammende Ehefrau des spanischen Königs Carl II. (1661–1700), in dessen Regierungszeit das Schmuckstück entstand. Es ist demnach davon auszugehen, daß das Kreuz zu höfischen Anlässen getragen wurde. Ebenso beliebt wie Edelsteinkreuze waren Anhänger, die religiöse Szenen hinter konvex geformten Bergkristallen einfingen. Unser Exemplar zeigt eine Monstranz, die, auf einem Altar stehend, von vier Säulen umgeben wird. Die marmorartige Oberfläche der Säulenschäfte ist aus Emaille a la porcelana – einer bevorzugten Emaille-Technik des spanischen Siglo de Oro – gebildet. Über die goldenen, fein gearbeiteten Kapitelle zieht sich ein Baldachin. Von der hochkarätigen Fertigung unseres Objekts zeugen zudem der aus cloisonné (Zellenschmelz) gebildete Altar und die aus filigranem Gold gefertigte Fassung des Steins. Bemerkenswert sind hierbei die in die Filigrane eingearbeiteten emaillierten porcelana-Blumen. Neben seiner Funktion als Anhänger konnte das Schmuckstück über ein Seidenband an einen Rosenkranz gebunden werden. Seit dem 17. Jahrhundert zählte Spanien zu den Triebkräften gegenreformatorischer Bestrebungen. Die besondere Bedeutung, welche die römisch-katholische Kirche in Spanien besaß – und bis heute besitzt –, zeigt sich vor allem in der traditionellen Schmuckkunst, die wiederholt christliche Symbole wie die Darstellung des Kreuzes aufnimmt. Auf unserem Exemplar werden die Kreuzarme von 144 sog. Saatperlen verziert, die kleine, auf goldenen Knospenbetten ruhende Blüten bilden. Derartige Perlkreuze waren um 1800 vor allem in der Region Salamanca entstanden. In ihrer Funktion als Anhänger und Broschen erfreuten sie sich als Tauf- und Hochzeitsgeschenke großer Beliebtheit. (JaK) 311 „Te sol desiro, D’amor sospiro, Primo fior della vita!?“ 310 309 Höflinge trugen die „joyas de pecho“, das heißt kunstvoll verarbeitete Anhänger, die vom christlichen Glauben des Trägers zeugten. 312 Manufaktur Jan-Frans van den Hecke, Brüssel nachweisbar 1662 – 1700 „Und während sie sprach, hauchte sie Frühlingsrosen aus ihrem Munde: Chloris war ich, die ich (jetzt) Flora genannt werde“ – so wurde nach Ovid die Nymphe zur Göttin und es begann der Frühling, der, vom warmen Westwind Zephyr gestreichelt, die farbenprächtigste Saison im Jahreskreis ist. Unsere flämische Tapisserie gibt dieses freudige Ereignis in bis heute erhaltener Farbbrillanz wieder und ist Teil einer Jahreszeiten-Serie, die um 1700 in Brüssel entstand. Damals war die barocke Bildwirkerei auf dem Gipfel der Kunstfertigkeit und ihrer Bedeutung als Luxusgut. Tapisserie mit der Allegorie des Frühlings nach Lodewijk van Schoor (Antwerpen, um 1645 – 1726). Um 1700 Wolle und Seide gewirkt. 320 x 460 cm (126 x 181 ⅛ in.). 2014 gereinigt von De Wit. Royal Manufacturers of Tapestry, Mecheln. [3276] Provenienz: Ehemals Privatsammlung, Österreich / Seit den 1950er Jahren Privatsammlung, Schweiz Literatur und Abbildung: Verkaufskatalog des Nachfolgers von Jan-Frans, Pieter van den Hecke (gest. 1752), nennt sechs Tapisserien (vier Jahreszeiten, zwei Elemente) € 35.000 – 50.000 $ 47,900 – 68,500 Vergleichsliteratur: Alphonse Wauters: Les Tapisseries Bruxelloises. Essai historique sur les tapisseries et les tapissiers de haute et de basse-lice de Bruxelles, Brüssel 1878 Vergleichsobjekte: Auktionskatalog: Christie’s, London, 13. November 2005, „Frühling“, Los 187 / „Herbst“ im Metropolitan Museum, New York, Inv.-Nr. 15.121.8 / „Winter“ im Musées Royaux d’Art et d’Histoire, Brüssel, Inv.-Nr. 8583 / vollständiger Satz im Victoria and Albert Museum, London, Inv.-Nr. T.162 bis 165-1931 Wir danken Dr. Ingrid De Meûtre, Conservateur Tapisseries et Textiles, Musées Royaux d’Art et d’Histoire, Brüssel, für freundliche Hinweise. Grisebach 05|2014 Denn als knapp 100 Jahre zuvor in Paris eine Manufaktur für Tapisserien in der Rue de Gobelins entstand, konnte niemand ahnen, daß der Name der Manufaktur Synonym für eines der wichtigsten Luxuserzeugnisse des Barock werden sollte. Doch schon 1667 wurde die GobelinManufaktur in königlichen Besitz übernommen, da ihre Produkte die uneingeschränkte Souveränität und Überlegenheit des Herrschers bewiesen. Die auf immer größer und komplexer werdenden Webstühlen gefertigten Bildwerke kamen den Gemälden nahe, übertrafen sie aber nicht selten in Aufwand und Repräsentationswirkung. Denn zur Entstehung bedurfte es nicht nur besonderer Materialien und technischer Raffinessen der Bildwirkerei, sondern auch geschickter Künstler, die die Vorlagen fertigten. Um diese sog. Cartons für die farbechte Wiedergabe in Textil zu erstellen, beauftragten die Tapisserien-Manufakturen Künstler wie Peter Paul Rubens (1577–1640). Dieser schuf auch für die Brüsseler Manufaktur von Frans van den Hecke (um 1630) gemalte 1:1-Vorlagen für Tapisserien. Unsere unter dem Sohn van den Heckes, Jan-Frans, entstandene Szene mit dunkelrot gewirktem Rahmen mit goldenem Ornament aus dichten Akanthusblättern spielt damit auf diesen Wettstreit von Malerei und Tapisseriekunst an. Noch 1752 wurden im Verkaufskatalog der Manufaktur van den Hecke die 6teilige Teppichserie der Vier Jahreszeiten und Elemente erwähnt. Durch eine spätere Nennung ist überliefert, daß im zweiten Saal der Geschäftsräume in Brüssel auch die Cartons ausgestellt waren (Wauters 1878, S. 355–356), die von Lodewijk van Schoor stammten. Van Schoor war im 17. Jahrhundert einer der bekanntesten Zeichner für Tapisserien-Cartons. Er orientierte seine Bilderfindungen an der Landschaftsmalerei von Nicolas Poussin (1594–1665) und entwickelte die flämische Tapisserie-Kunst weiter. Und diese war über die Grenzen berühmt: so ist nachgewiesen, daß König William III. von England (1650–1702), der Statthalter der Niederlande war, zwischen 1690 und 1700 von van den Hecke die Serie „De Vier Tyden van het Jaer“ nach van Schoor bestellte. Als Geschenk für den königlichen Freund und Botschafter Everard van Weede Dijkveld (1626–1702) gelangte so dieses Brüsseler Luxusgut z.B. nach London. (AE) 29 max. Klappenbreite 185 mm, Bild ist etwas verkleinert 28 „De Vier Tyden van het Jaer“ Grisebach 05|2014 313 Ein Frankfurter Juwelier (?) „Ich bin ein Wunder=Werck, von Kunst und Fertigkeiten, das tausendfache Lust und Kurzweil schaffen kan“, hieß es 1721 auf einem Kalenderblatt des sächsischen Hofes, das einen tanzenden Zwerg abbildet, der auf einem Bratenrost fiedelt. Solch Burlesken dienten dem Divertissement des Hofes und waren Modeerscheinung um 1700: Kostümiert zu Karneval, in Form der grotesken Rüpelszenen bei Shakespeare, als reale Hofzwerge oder als juwelen- und perlenbesetzte Juwelierplastik amüsierten die kleinen Gestalten die höchste Gesellschaft. Perlfigur „Fröhlicher Winzer“ oder Bacchus. Um 1700 Bronze, feuervergoldet; Gold, Email, Perlmutt, Barockperlen, 3- bis 4fach geschliffene Diamantsplitter, Saphir. 5 cm (2 in.). Email berieben, Verluste am Rücken und vereinzelt am Gesicht. [3125] Provenienz: Privatsammlung, Deutschland € 3.000 – 5.000 $ 4,110 – 6,850 Vergleichsobjekt: Rudolph Lepke’s Kunst-Auctions-Haus, Sammlung Hermann Emden, Hamburg. Versteigerung am 3. bis 7. November 1908, Los 1140 Vergleichsliteratur: Dirk Syndram und Ulrike Weinhold: „...und ein Leib von Perl“. Die Sammlung der barocken Perlfiguren im Grünen Gewölbe, München 2000, S. 51, Nr. 20 / Halgard Kuhn: Guillaume Verbecq, der Juwelier August des Starken, und seine Beziehungen zu Frankfurt am Main; in: Dresdener Kunstblätter, Jg. 2000, Nr. 1, S. 138ff. Grisebach 05|2014 Der Idee nach stammen die skurrilen Figuren von Jacques Callot (1592–1635), dessen Stiche mit zwergenhaft-überzeichneten Physiognomien beliebt waren. So erreichten die Gobbi auch die Juweliere, die hierfür die sogenannte Barock- oder Monsterperlen geschickt zu verarbeiten wußten. – Diese unregelmäßig gewachsenen und sehr großen Perlen waren rare Wunder der Natur und bildeten meist den Leib dieser Juwelen- oder Perlfiguren. In unserem Fall nutzte der Juwelier neben kleinen Perlen jedoch ein großes Stück Perlmutter als Leib des sichtbar angetrunkenen Winzers. Oder ist es gar Bacchus selbst, der hier auf einem Faß sitzt und Weinreben um das Haupt gewunden hat? Kostbar in Gold und Edelsteine eingefaßt, lädt die Figur zur Betastung und Betrachtung ein. Sie ist intimes Konversationsobjekt, das verblüfft und amüsiert, aber ansonsten zweckfrei ist. Mit dem kunstvollen farbigen Email von Gewand und Gesicht – den Blick nach oben zum Betrachter – ist unsere Perlfigur heute seltenes Beispiel der schöpferischen Kunstfertigkeit und Phantasie der spätbarocken Juweliere. Im 18. Jahrhundert noch in vielen Kunstkammern der deutschen Höfe zu finden, wurden die Perlfiguren später als „Nippes“ aus dem Kanon der Kunstwerke verbannt, zerstört und die edlen Steine anderweitig genutzt. Allein die Sammlung August des Starken (1670 - 1733) im Grünen Gewölbe blieb mit 57 Perlfiguren nahezu vollständig erhalten. Wer diese Wunderwerke in Dresden schuf, ist bis heute meist unklar. Über den Frankfurter Händler Guillaume Verbecq gelangten jedoch nachweislich einige Perlfiguren in die sächsische Sammlung, die exakte Parallelen zu unserer Perlfigur zeigen: so das emaillierte Weinlaub der Gruppe des Seeeinhorns (Inv.-Nr. VI 117) oder der ebenso betrunken auf einem Faß sitzende „Fröhliche Winzer“ (Inv.-Nr. VI 100). Diese raren Perlfiguren von Zwergen und burlesken Gestalten amüsieren heute wie schon 1739, als es hieß, diese Juwelierarbeiten ermöglichen „die Verbindung der Kunst mit der Natur ... zu bewundern; so daß man fast nicht weiß, welches mehr aestimiren, die Natur, oder die Kunst“. (SK) „Ich bin ein Wunder=Werck, von Kunst und Fertigkeiten, das tausendfache Lust und Kurzweil schaffen kan ...“ 314 Porzellanmanufaktur Meißen Um Meißener Porzellantabatièren riß sich im 18. Jahrhundert ganz Europa, denn sie waren besondere Kostbarkeiten. – Sie sind es bis heute geblieben und legen beredtes Zeugnis von den Sitten und Gebräuchen eines galanten Zeitalters ab: aus exotischen Ländern nach Europa eingeführte Luxusgüter wie Kaffee, Tee, Kakao und Tabak waren begehrt. Ihr Konsum wurde gerade in der gehobenen Gesellschaft mit ihrer verfeinerten Geschmackskultur zu einem wahren Modephänomen. So frönte man u. a. dem Genuß des Tabakschnupfens, und die prosperierende Luxuswarenindustrie lieferte dazu die notwendigen Utensilien. Tabatière mit fünf Kauffahrtei-Szenen von Johann George Heintze (geb. um 1706/07). Um 1735 Porzellan, staffiert; vergoldete Silbermontierung. 5 x 6,9 x 4,5 cm (2 x 2 ¾ x 1 ¾ in.). Am Boden (innen): unterglasurblaue Schwertermarke. Vergoldung leicht berieben. [3219] Provenienz: Seit 1948 Privatsammlung, Berlin € 4.000 – 6.000 $ 5,480 – 8,220 Vergleichsobjekte und -literatur: Christian Jakobsen / Ulrich Pietsch: Frühes Meissener Porzellan. Kostbarkeiten aus deutschen Privatsammlungen, München 1997, Kat.-Nr. 65, S. 101 / Röbbig München (Hrsg.): Meissener Tabatieren des 18. Jahrhunderts, München 2013, Kat.-Nr. 23, S. 155 Der Wert einer Tabatière bemaß sich nach der Kunstfertigkeit ihres Dekors und der Kostbarkeit der verwendeten Materialien. Neben Edelsteinen erfreute sich das erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Meißen unter August dem Starken (1670–1733) erfundene europäische Porzellan großer Beliebtheit. Reichverzierte Tabatièren gehörten als repräsentative Accessoires zur standesgemäßen Ausstattung und fanden durchaus ganz praktische Verwendung. Darüber hinaus waren die mit höchster Finesse und Kunstfertigkeit gearbeiteten Meisterwerke en miniature begehrte Sammelobjekte gerade in königlichen und fürstlichen Kollektionen. Unsere Tabatière zeigt mit ihrer ovalen Grundform und der ausgebauchten Wandung eines der frühesten und nachhaltigsten Modelle der Manufaktur, sie darf wohl als Meißener „Tabatière par excellence“ gelten. Hierfür war die Zusammenarbeit verschiedener hochspezialisierter Kunsthandwerker nötig: Modelleure und Bildhauer gaben dem Porzellan seine Form, Goldschmiede fertigten die paßgenauen Montierungen und Miniatur- und Porzellanmaler versahen den strahlend weißen Grund mit einem farbigen Dekor. In unserem Fall war es wohl der berühmte Johann George Heintze. Seine minutiöse Dekormalerei zeigt fünf sogenannte Kauffahrteiszenen – pittoreske Hafenansichten mit Darstellungen orientaischer und europäischer Kaufmannsleute beim Verladen ihrer Handelswaren. Diese Szenen sind ein typisches Dekormotiv der Meißner Frühzeit und wurden in unserem Beispiel gleich in fünf winzigen Darstellungen auf Porzellan gebannt: An den Außenflächen sind die Szenen in Vierpaßkartuschen mit goldenen Laubwerkrahmen und unterlegtem Perlmuttlüster gefaßt. Links und rechts des Bodenbildes, an den schmalen Außenseiten, tragen zusätzlich zwei weitere Miniaturdarstellungen in Purpurcamaieu zur äußerst reichen und meisterlich kleingliedrigen Verzierung der Tabatière bei. – Diese war wegen dieser kunstvollen Micromalerei jedoch so kostbar, daß nicht jeder sie sich leisten konnte. (KB) Grisebach 05|2014 ... sie darf wohl als Meißener „Tabatière par excellence“ gelten. 315 316 315 316 Potsdamer Glashütte Zechliner Glashütte „Eacht und ehrlich von Geblüte treu und redlich von Gemüthe und ein guter Saft von Reben Giebt ein recht vergnügtes Leben“ ist auf unserem Deckelbecher eingraviert. Darunter befindet sich eine Genreszene zweier um einen Tisch stehender Herren in Uniform, die sich gegenseitig mit dem besagten „guten Saft von Reben“ in eleganten Glaspokalen zuprosten. Die Glasproduktion in Brandenburg erfuhr unter dem brandenburgischen Kurfürsten und späterem preußischen König Friedrich I. (1657–1713) einen enormen Aufschwung. Glas war ein Luxusgut, das auch besonderer Verfeinerungstechniken bedurfte. Künstler wie Gottfried Spiller (1663–1728) veredelten die Gläser durch aufwendiges Schleifen zu filigranen und einzigartigen Kunstwerken. 315 Deckelbecher mit Trankszene. Um 1720 Farbloses Glas, tief- und hochgeschnitten, teilweise vergoldet. 28,5 cm (11 ¼ in.). Gravur. [3208] € 3.000 – 5.000 $ 4,110 – 6,850 Vergleichsobjekt: Brigitte Klesse: Glassammlung Helfried Krug, München 1965, Bd. II, S. 220f., Nr. 626, Abb. 626 316 Deckelpokal mit dem Bildnis König Friedrich Wilhelms I. in Preußen und Königsmonogrammen FWR und FR II. Wohl 1740 Farbloses Glas, tiefgeschnitten, teilweise vergoldet. 32,5 cm (12 ¾ in.). Vergoldung minimal berieben. [3208] € 1.800 – 2.500 $ 2,470 – 3,420 Vergleichsobjekt: Robert Schmidt: Brandenburgische Gläser, Berlin 1914, Tafel 35, Nr. 5 (aus der Sammlung M. Schoeller, Berlin) / Kunsthistorisches Museum, Schloß Ambras (Sammlung Strasser) Grisebach 05|2014 Der Berliner Hof fungierte hierbei als Hauptabnahmequelle. Das änderte sich abrupt mit dem Thronwechsel; der neue König Friedrich Wilhelm I. (1688–1740) sah keine besondere Notwendigkeit an kunstvoll geschnittenen Luxusgläsern mehr, so daß sich die Glasproduktion dringend aus Gründen des Eigenerhalts umstellen mußte. Bestes Beispiel für die gekonnte Produktionsumstellung ist unser Becher. Galten doch weiterhin die Größe und Verzierung des Objekts als deutliches Qualitätsmerkmal, so änderte sich nur das Dekor, um der neuen Klientel das Luxusgut schmackhaft und verständlich zu machen. Der zunehmend aufsteigende preußische Militäradel wurde als Abnehmergruppe erkannt und bedient. Statt allegorisch-mythologischer Darstellungen wurden nun Genre- und Militärszenen zunehmend beliebt, was sich auch auf unserem Becher widerspiegelt. In einzigartiger Weise berichtet wiederum der Deckelpokal mit dem Portrait König Friedrich Wilhelms I., dessen besonderes Merkmal in einem kleinen Detail liegt, von einer anderen Veränderung: dem Regierungswechsel. Aufwendig mit dem Portrait des sog. Soldatenkönigs geschliffen, befinden sich auf seinem Deckel in Gold ausgeführte Trophäen sowie, überraschend, beide Königsmonogramme: FWR – für Friedrich Wilhelm I. – und FR II für seinen Nachfolger, Friedrich II. (1713–1786). – Das Glas mit dem Portrait war wohl bereits hergestellt, als der Monarch starb. Das Monogramm von Friedrich II. muß daher als Ergänzung vom Künstler hinzugefügt worden sein, nachdem der neue Regent im Mai 1740 den Thron bestiegen hatte. Beide Gläser stellen so nicht nur interessante und seltene Erzeugnisse der brandenburgischen Gläserproduktion des frühen 18. Jahrhunderts dar, denn obwohl die Regierungszeit des Soldatenkönigs als Durststrecke auf dem Gebiet der Luxuswarenherstellung gilt, können unsere zerbrechlichen Zeugen als ein Gegenbeweis angeführt werden. Sie berichten gleichfalls kulturhistorisch von den politischen, künstlerischen und wirtschaftsstrategischen Veränderungen der Ära Friedrich Wilhelms I. von Preußen. (PG) „Eacht und ehrlich von Geblüte treu und redlich von Gemüthe und ein guter Saft von Reben Giebt ein recht vergnügtes Leben“ 317 J.-D. Ramier de la Raudière 1712 – 1784 Aix-la-Chapelle „Ramier war nicht ohne Gaben gebohren. Er war einer der tüchtigsten Schönschreiber“, schrieb der deutsche Aufklärungs-Publizist Wilhelm Ludwig Wekhrlin (1739–1792). Dessen eigenhändig kalligraphierte Ode auf König Friedrich II. von Preußen, den „Archi-Héros“, belegt dies anschaulich in exakt geschriebenen Versen. Sie entstand wohl nach dem Siebenjährigen Kriege, in dem sich Preußen erfolgreich eine Vormachtstellung unter den deutschen Landen und gegenüber dem Kaiser erkämpft hatte. Friedrich schmückte von nun an das Epitheton „der Große“. Und so ruft der Autor und Schönschreiber des Bandes in Gedichtform den olympischen Götterhimmel und weitere Heroen der Antike herbei, um seine Wertschätzung für den König kundzugeben; und dies in dessen bevorzugter Sprache, Französisch. L’Archi-Héros. Admiré de tout l’Univers. Dans la Personne Sacrée de Frederic L’Immortel. Archi-Ode. Mit persönlicher Widmung an Prinz Ludwig Ernst von Braunschweig-Wolfenbüttel (1718–1788). 1763 Federhandschrift auf Papier / zeitgenössischer roter Chagrinledereinband, goldgeprägt, Goldschnitt. VI + 93 + 3 Seiten. 8°. Seite III (Epistel): Serviteur D. de Ramier / Titelseite (handschriftlich): Copie par l’Auteur. [3489] Provenienz: Wohl Bibliothek Prinz Ludwig Ernst von Braunschweig-Wolfenbüttel / Privatsammlung, Norddeutschland € 3.000 – 5.000 $ 4,110 – 6,850 Vergleichsliteratur zu Ramier: Wilhelm Ludwig Wekhrlin: Das graue Ungeheuer, Jg. 1784, Bd. 3, S. 55ff. Vergleichsobjekt: Exemplar aus der Bibliothek von Königin Elisabeth Christine von Preußen, Biblioteka Jagiellońska, Krakau, Sign. Ms. GALL. Oct. 23 (ehem. Staatsbibliothek, Berlin) Grisebach 05|2014 In Ramiers Vergleichen übertrifft Friedrich der Große eine Reihe illustrer Charaktere: er sei ein größerer König als Agamemnon und treffsicherer und gar gerechter in seinem Denken als Platon. Ereignisse wie Schlachten und Personen werden poetisch überhöht, Fußnoten des Autors entschlüsseln diese Chiffren. In seiner Eloge lobt Ramier die humanistischen Qualitäten Friedrichs, der 1740 seinen Briefwechsel mit Voltaire unter dem Titel „Anti-Machiavel“ veröffentlicht hatte. Der König artikulierte hierin sein aufgeklärtes Profil und kritisierte die machtorientierte Regierungsstruktur Machiavellis scharf. Vor dem Hintergrund dieser humanistischen Debatte sind auch Ramiers Lobpreisungen auf Friedrich II. zu sehen. Der Widmung auf der Titelseite ist zu entnehmen, daß Ramier unserer Ausgabe Prinz Ludwig Ernst von Braunschweig-Wolfenbüttel zueignete und damit sicherlich verehrte. – Der Prinz war Friedrichs Schwager, also der Bruder der Königin, und seit 1751 Generalkapitän der Niederlande. Als Vormund des minderjährigen Wilhelm V. von Oranien (1748–1806) lenkte Ludwig Ernst seit 1759 die niederländischen Staatsgeschäfte. Ob sich Ramier somit mit unserem Bändchen um eine Stelle, vielleicht als Bibliothekar, bewarb, ist nicht klar. Jedenfalls wurde in Holland um 1760 seine Sammlung von Oden auf protestantische Herrscher „La Lyre Protestante“ gedruckt. Über die Rezeption von Ramiers Werk wie auch sein Leben ist wenig bekannt. In Deutschland geboren, lebte der Freimaurer an deutschen und französischen Höfen, war am sardischen Hof tätig. Friedrich II. nennt ihn 1770 beiläufig einen Übersetzer und Autor. – Seine Oden spiegeln das Gedankengut der Aufklärung, sein Leben endete in einer empfindsamen Katastrophe: Demnach fiel Ramier im Laufe seines Lebens der „Einbildung“ und „kleinen Glückshieben“ zum Opfer, was zu seiner Verwahrlosung führte. Ganz in Werther-Manier erschoß sich der „Unglückliche“. Man fand ihn mit einem Buch in der Hand. (CH) „Ramier ... war einer der tüchtigsten Schönschreiber ...“ 318 Dieppe Ein italienischer Künstler, ein englischer Verleger, ein nordfranzösischer Elfenbeinschnitzer und ein nordamerikanisches Walroß: diese vier internationalen Komponenten waren notwendig, um unsere beiden Elfenbeinreliefs herzustellen. Die Reliefs mit den Darstellungen der Elemente „Feuer“ und „Luft“ sind Erzeugnisse der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und wurden in Dieppe in der Normandie gefertigt. Zwei Allegoriereliefs „Feuer“ und „Wind“ nach den Elementendarstellungen von Jacopo Amigoni (1675-1752). Um 1770/80 Elfenbein vom Walroß, geschnitzt / Schaukästen: Holz, Messingeinlagen, geschliffenes Glas, Samt. 29 x 25 cm; 30,5 x 26,5 cm (11 ⅜ x 9 ⅞ in.; 12 x 10 ⅜ in.). [3375] Provenienz: Privatsammlung, Norddeutschland € 6.000 – 8.000 $ 8,220 – 10,960 Vergleichsobjekte: Mezzotintodrucke nach Jacopo Amigoni: (aus: Vier Elemente) „Air“ und „Fire“ im Britisch Museum, London, Inv.-Nrn. 2010,7081.607, 2010,7081.606 Wir danken Pierre Ickowicz, Conservateur en chef Château-Musée de Dieppe, für freundliche Hinweise. Die Hafenstadt war bereits seit dem Mittelalter Frankreichs Bezugsquelle für Elfenbein. Die wertvollen Elefantenstoßzähne wurden hier, von Afrika kommend, umgeschlagen und in das Verarbeitungszentrum Paris weiterversandt. Walroßzähne hingegen gelangten von der nordamerikanischen Ostküste nach Dieppe. Das Geschäft mit dem „weißen Gold“ brachte Wohlstand. Galt das Elfenbein seither als kostbares Material, das von den Königen stets gesucht wurde, büßte es im 18. Jahrhundert seinen außergewöhnlichen Stellenwert ein. Nicht zuletzt die Erfindung des Porzellans, des neuen „weißen Goldes“, machte das Elfenbein ersetzbar. Dieppe reagierte auf den veränderten Markt; man behielt das traditionelle Material bei und bediente sich moderner Themen und einer neuen Käuferklientel. Die Bilderfindung unserer Reliefs geht auf den gefeierten italienischen Künstler Jacopo Amigoni zurück. Dieser, wohl aus Venedig stammend, kam in London zu Ruhm. Hier entstand die Serie der vier Elemente, die bei Thomas Burford, einem auf die beliebten Genredarstellungen spezialisierten Verleger, publiziert wurden. Die Kupferstiche mit den heiteren ländlichen Szenen erfreuten sich lange währender Beliebtheit, bevor sie im vorrevolutionären Frankreich zum Vorbild unserer Reliefs ausgewählt wurden. Einem Scherenschnitt ähnlich, Weiß auf schwarzem Grund, wurden die Walroßzahnplättchen zu einem Relief zusammengesetzt. Gekonnt hat der Schnitzer die einzelnen Elemente in Form gesägt und ihre Oberfläche bearbeitet. Virtuos nutzte er die variierende Dünnwandigkeit des Materials, um differenzierte Schatteneffekte zu erzielen. Effekte, die Parallelen in keramischen Erzeugnissen von Wedgwood finden, die damals mit ihren weißen Reliefs auf farbigen Gründen ganz Europa begeisterten. Auch unsere Reliefs in ihren Schaukästen erfreuten das aufkommende Bürgertum, das Dieppe als neue Klientel ansprechen wollte. Sie machen aber auch deutlich, wie international bereits die Kunstwelt des ausgehenden 18. Jahrhunderts operierte. (PG) Grisebach 05|2014 Virtuos nutzte er die variierende Dünnwandigkeit des Materials, um differenzierte Schatteneffekte zu erzielen. 319 Caspar Bernhard Hardy 1726 – Köln – 1819 Eine 43strophige Ode dichtete 1799 der berühmte Kölner Kunstsammler und Kunststifter Ferdinand Franz Wallraf (1748–1824) auf den Bildhauer und Wachsbossierer Caspar Bernhard Hardy. Der in Köln auch als Domvikar tätige Hardy hatte sich um 1800 auf das Verfertigen von lebensnahen Wachsreliefdarstellungen spezialisiert, zu denen auch unsere überaus seltene Serie der Lebensalter der Frau gehört. Die Verwendung von Wachs als künstlerisches Arbeitsmaterial ist bis in die Antike nachweisbar. Mittelalterliche Votivbilder aus diesem Material sind ebenso bekannt wie anatomische Modelle aus der Renaissance oder die täuschend echten „Promi“-Darstellungen bei Madame Tussauds. Das leicht zu verformende Wachs inspirierte die Künstler. Vier Lebensalter der Frau. Um 1800 Wachs, bossiert; Glas; Spiegelglas / zeitgenössischer Kastenrahmen, vergoldet und bronziert. 21,5 x 17 x 7,3 cm (8 ½ x 6 ¾ x 2 ⅞ in.). [3409] Provenienz: Privatsammlung, Süddeutschland Literatur und Abbildung: Auktionskatalog: Works of Art, Furniture and Tapestries. New York, Christie’s, 11. Januar 1996, Los 83 € 18.000 – 20.000 $ 24,700 – 27,400 Vergleichsliteratur und -serien: Claudia McDaniel-Odendall: Die Wachsbossierungen des Caspar Bernhard Hardy, Diss. Köln 1990 / Joanneum, Graz / Keresztény Museum, Esztergom Hardy, als Mensch der Aufklärung, zeigte ein starkes Interesse am Menschen selbst. Rund 90 Prozent seines wächsernen Œuvres bestehen aus Genre- und Portraitdarstellungen. Die „Vier Lebensalter der Frau“ nehmen darin eine besondere Rolle ein. Heute sind die einzelnen „Kästen“ noch in einigen Sammlungen zu finden, die geschlossene Gruppe ist absolut rar. Hardy ergreift mit der Serie Stellung in der Diskussion über den natürlichen oder affektierten Menschen, wie die Künstler Daniel Chodowiecki oder William Hogarth es vor ihm taten. – Die Reihe beginnt mit dem Kindesalter. Das junge Mädchen ist mit seinem Hund spielend dargestellt. Es scheint zu überlegen, ob es seinen Biskuit selbst essen oder mit seinem Spielkameraden teilen soll. Den Ausgang des Moments der inneren Zerrissenheit zwischen Pflicht und Neigung überläßt der Künstler dem Betrachter. Anders beim zweiten Lebensalter – keine Entscheidung, sondern ein Hinweis an die junge Frau, die sich vor dem Spiegel schmückt. Die natürliche Schönheit wird hier thematisiert. Einfachheit und die gepflückten Rosen als einziger Schmuck reichen der jungen Frau vollkommen aus. Die liebende Mutter, die, Rousseaus Forderung „Zurück zur Natur“ folgend, selber das Kind stillt und es nun liebevoll in den Schlaf wiegt, führt hin zum letzten Lebensalter, dem der alten Frau. In Würde gealtert, sitzt die Greisin und liest. Womöglich wird mit dieser Darstellung auch der Bogen des dargestellten Lebenskreises geschlagen, da die Großmutter so ihr Wissen liebevoll an die Enkelin weitergeben kann. Damit führt uns diese geschlossene Serie der „Vier Lebensalter der Frau“ nicht nur den Geist des aufgeklärten Kölner Bürgertums vor Augen, sondern verbildlicht gleichzeitig kunstvoll immerwährende menschliche Werte. (PG) Grisebach 05|2014 Als Mensch der Aufklärung zeigte er ein starkes Interesse an Charakteren. 320 Graf Nikolaus Esterházy 1775 – Wien – 1851 321 Heinrich Friedrich Füger Heilbronn 1751 – 1818 Wien 320 321 Der Sproß aus der wichtigsten ungarischen Magnatendynastie, Graf Nikolaus Esterházy, war ein virtuoser Zeichner und schwerverliebt. Zur Erinnerung zeichnete der damals 23jährige sein Antlitz auf eine Elfenbeintafel und eignete diese Miniatur seiner Braut MarieFrançoise Roisin zu. Sie sollte sein Bildnis bei sich führen, wenn sie – in der ebenfalls dargestellten Kutsche – auf eine Reise ging, die von geschichtlicher Bedeutung war. 320 Selbstbildnis mit Reisewagen. 1799 Silberstift auf Elfenbein / zeitgenössischer Pappmachérahmen, bronziert; Messingrückplatte, graviert; Glas. 6,1 x 8,5 cm (2 ⅜ x 3 ⅜ in. ). Rückseite graviert (siehe Abbildung). [3431] Gerahmt. Provenienz: Sammlung der Grafen EsterházyForchtensteiner Linie, Schloß Csávkár (Ungarn) und Wien / Privatsammlung, USA / Seit 1990 Privatsammlung, Wien € 6.000 – 8.000 $ 8,220 – 10,960 321 Gräfin Marie-Françoise Esterházy, geborene de Baudry, Marquise Roisin (1776–1845), als Hebe. Um 1795 Aquarell auf Elfenbein / Messingrahmen, vergoldet; Messingrückplatte, graviert; Glas. 7 x 5,5 cm (2 ¾ x 2 ⅛ in.). Rückseite graviert (Siehe Abbildung); oben Sammlungsnummer eingeritzt: 165. [3436] Gerahmt. Provenienz: Sammlung der Grafen EsterházyForchtensteiner Linie, Schloß Csávkár (Ungarn) und Wien / Privatsammlung, Frankreich € 7.000 – 9.000 $ 9,590 – 12,330 Vergleichsobjekt: Portrait Nikolaus Esterházy; in: Robert Keil: Nur wenigen ist es vergönnt das Licht der Wahrheit zu sehen, Werkverzeichnis, Wien 2009, Nr. 407 Wir danken Dr. Robert Keil, Verfasser des Werkverzeichnisses Füger, für die Bestätigung der Zuschreibung. Grisebach 05|2014 Die junge Braut reiste von Wien aus – im Hintergrund der Miniatur – im Troß der einzig überlebenden Tochter König Louis XVI. von Frankreich, Marie-Thérèse Charlotte, die im russischen Mitau einen Verwandten heiraten würde. Bis Theresienstadt wollte Marie-Françoise ihre Tante Gräfin Ludovica Chanelos, Oberhofdame der Madame Royale, auf diesem weiten Wege begleiten. Beide, Tante und seine Braut, stellte Graf Nikolaus nun im Hintergrund seines Selbstportraits dar. Eine gravierte Inschrift hielt das denkwürdige Ereignis fest und markierte den 4. Mai als Datum der Abreise (siehe Katalog 323) zu dieser politisch arrangierten und glücklosen Hochzeit der Madame Royale. Anders bei Esterházy und der Roisin, deren Ehe einen Monat später – am 1. Juni – geschlossen und glücklich werden sollte. Heinrich Friedrich Füger portraitierte die zukünftige Braut damals als Hebe, also Mundschenk der Götter. Selbstbewußt deutet Marie-Françoise auf den Kelch in ihrer Hand und bewies: „Die Esterházy-Roisin, wie sie zum Unterschiede der vielen anderen Gräfinnen ihres Namens stets genannt wurde, war eine der schönsten und dabei ausgezeichnetesten Frauen des österreichischen Hofes“ (Christian von Stramberg, 1867). Während Esterházy in der Manier des Wiener Miniaturisten Vinzenz Georg Kininger (1767–1851) meisterlich mit dem Silberstift und Ritzungen in das Elfenbein arbeitete, ist Fügers Stil mit der Kombination von Punkten und Strichen ein ebenso zeichnender, nur eben mit dem Pinsel. Um 1800 galt der Maler, „der in kleinen Porträten seinesgleichen vielleicht Niemand hat“ (Joseph von Sperges, 1788), als berühmtester Miniaturportraitist Wiens. Beide Bildnisse der damals Frischverliebten verbindet aber auch die rückseitige Gravur, die von identischer Hand ist und Dargestellte und Daten überliefert. Einstmals müssen sich die Miniaturen im gräflichen Esterházy-Familienschloß im ungarischen Csákvár befunden haben. Irgendwann auseinandergerissen und nach Amerika bzw. Frankreich verkauft, konnten diese intimen Erinnerungsstücke der Brautleute Esterházy-Roisin und Zeugnisse der Kunst und Geschichte kurz vor 1800 nun für diesen Katalog wieder zusammenfinden. (SK) 322 Franziska Schöpfer Mannheim 1763 – 1836 München 323 Johann Maria Monsorno Verena di Fiamma (Ampezzo) 1768 – 1836 Wien 322 323 Miniaturen waren ab dem späten 18. Jahrhundert beliebte Konversations- und Erinnerungsobjekte und schmückten private Kassetten, wurden an Ketten am Herzen getragen oder in kleinen Kabinetten gesammelt. Zusammen mit den Bildnissen des Ehepaares EsterházyRoisin (siehe Katalog 320 und 321) und vielen anderen dürften sich diese beiden Miniaturen einst in der Sammlung von Schloß Csákvár in Nordungarn befunden haben. 322 Gräfin Antoinette Esterházy, geborene Esterházy (1777–1843), im Hochzeitskleid. 1801 Gouache auf Elfenbein / Messingrahmen, vergoldet; Messingrückplatte, graviert; Glas. 11,6 x 7,3 cm (4 ⅝ x 2 ⅞ in. ). Unten rechts signiert und datiert: Schöpfer 1801. Rückseitig Ausfuhrstempel der Sozialistischen Republik Ungarn. Rückseite graviert (siehe Abbildung); oben rechts Sammlungsnummer eingeritzt: 169. [3573] Gerahmt. Provenienz: Sammlung der Grafen EsterházyForchtensteiner Linie, Schloß Csávkár (Ungarn) und Wien / Nach 1945 Privatsammlung, Frankreich / 2014 Desarnaud Antiquaires, Paris € 12.000 – 14.000 $ 16,400 – 19,200 323 Marie-Thérèse Charlotte, Madame Royale de France (1778–1851). 1796/99 Gouache auf Elfenbein / Messingrahmen, vergoldet; Messingrückplatte, graviert; Glas. 11,1 x 8,9 cm (4 ⅜ x 3 ½ in. ). Rückseite des Rahmens graviert (siehe Abbildung). [3600] Gerahmt. Provenienz: Wohl Sammlung Grafen EsterházyForchtensteiner Linie, Schloß Csákvár (Ungarn) und Wien / 1975 Privatsammlung New York Literatur und Abbildung: Auktionskatalog: Fine English and Continental Miniatures, Christie’s, Genf, 12. November 1975, Los 100 als Heinrich Friedrich Füger € 18.000 – 22.000 $ 24,700 – 30,100 Grisebach 05|2014 Hausherr Graf Nikolaus Esterházy hatte das Schloß klassizistisch umbauen lassen und verwahrte hier wohl auch unser Bildnis seiner Schwester Antoinette als Braut. – Sie heiratete 1801 ihren Neffen Johann Kasimir aus der Esterházy-Linie Altsohl (1774–1829), der Kammerherr Kaiser Franz II. in Wien war, wie die fein gravierte Rückseite des Rahmens verrät. Das Bildnis auf Elfenbein ist von Franziska Schöpfer ausgeführt: einer Künstlerin, die am Münchner Hof zahlreiche Portraitaufträge wahrnahm und sogar Hofmalerin wurde. An der Mannheimer Akademie ausgebildet, war die Schöpfer mit dem kurbayerischen Hof Carl Theodors (1724–1799) nach München gekommen, wo sie mit Bildnissen der königlichen Familie reüssierte, was für eine Frau sehr ungewöhnlich war. Einfühlsam stellte die Künstlerin die Braut mit Rosen im Haar, dem hochmodischen Empirekleid und einem bestickten Shawl in die Szenerie; den frisch erworbenen Ring demonstrativ zum Betrachter gerichtet. Ebenso demonstrativ prangt auf einem anderen Bild der ehemaligen Esterházy-Miniaturen-Sammlung von Csákvár ein Standeszeichen: die Lilie der Borbonen, der französischen Königsfamilie. Auf dem thronähnlichen Sessel in königlichem Purpur hat die österreichische Exilantin Marie-Thérèse von Frankreich Platz genommen. Wie die gravierte Rückseite festhielt, hatte die Tochter der geköpften französischen Königin Marie Antoinette am 9. Januar 1796 Wien erreicht und hier bei ihrem Cousin Kaiser Franz II. Obdach gefunden. Im gleichen Jahr malte sie Heinrich Friedrich Füger im Trauerkleid (Eremitage, St. Petersburg), weswegen unser Bildnis noch 1975 als ein Werk dieses größten Portraitisten Wiens versteigert wurde. Prinzessin Marie-Thérèse war indes Spielball der Politik und wurde mit einem Cousin verheiratet. Im Zusammenhang mit dieser Hochzeit, zu der die Madame Royale am 4. Mai 1799 Wien verließ, wie rückwärtig verzeichnet ist, entstand das Selbstbildnis des vormaligen Eigners. Zu deren Wiener Kreis wiederum gehörte dessen Gattin, Gräfin Marie Françoise Esterházy-Roisin, die Teil der großen Gruppe französischer Emigranten war, die während der Französischen Revolution nach Österreich geflohen waren. Hier arbeiteten sie an der Restaurierung des Borbonenthrones und damit am Erhalt der adeligen Vormachtstellung in Europa, weswegen ein Bildnis der Madame Royale auch in der gräflichen Esterházy-Sammlung nicht fehlen durfte. (SK) 324 Anton Graff Winterthur 1736 – 1813 Dresden Anton Graff schaut uns aus diesem Selbstbildnis mit einem sanften, leicht ermatteten Blick an. Der Maler, der sicherlich bedeutendste Portraitist seiner Zeit, ist mit einem graugrünen Rock mit Samtkragen, einer gelb-ockerfarbenen Weste und einem weißen Hemd gekleidet. Das Bild entstand 1806 und nimmt sich unter den etwa 80 Selbstportraits ob seiner Reduktion auf den Seelenblick aus. Selbstportrait. 1806 Öl auf Obstbaumholz. 70 x 54,2 cm (27 ½ x 21 ⅜ in.). Rückseitig: zwei Schweizer Zollstempel. Klebezettel: Sächsischer Kunstverein 1710. Mit blauer Kreide: K 340. Ekhart Berckenhagen: Anton Graff. Leben und Werk, Berlin 1967, Kat.-Nr. 535. Mit einem Gutachten von Prof. Dr. Helmut BörschSupan, Berlin vom 22. März 2010. Restaurierungen. [3097] Gerahmt. Provenienz: Sammlung Alfred Bohny-Collin (1852–1922), Basel / Im Besitz der Familie von Fellenberg / Um 1920 Sammlung Edgar Karl Wilhelm Tell von Müller (1877–1965), Nachkommen der Familie von Fellenberg auf Schloß Hofwil, Schweiz / 1965 Privatsammlung, Schweiz Ausstellung: Katalog der Anton-GraffAusstellung, Winterthur 1901, Nr. 76 / Die Deutsche Jahrhundertausstellung, Ausst.Kat., Berlin 1906, 2. Band, Nr. 629, S. 198, Abb. 629, S. 199 (mit falschen Maßen) / Katalog der Anton-Graff-Ausstellung, Dresden 1913, Nr. 233 Literatur und Abbildung: Henry B. de Fischer: Le portrait bernois à travers les siècles, Basel 1920, Bd. I., Abb. S. XVI € 25.000 – 30.000 $ 34,200 – 41,100 Vergleichsliteratur: Robert Eberhardt (Hrsg.): Anton Graff. Porträts eines Porträtisten, Berlin 2013. Grisebach 05|2014 Der Künstler scheint in den Schaffensakt vertieft, sein Blick über die Schulter gen Betrachter nur eine kurze Unterbrechung beim Zeichnen zu sein. Die für die Bildkomposition wichtige grau grundierte Leinwand im Hintergrund ist ebenso wie der auf den Knien gehaltene Zeichenblock leer. Graff zeigt sich am Anfang des Schaffensprozesses; die Bildfindung als künstlerische Herausforderung ist noch nicht gemeistert. Sein Blick mag die Anstrengung, die leichte Erschöpfung trotz beständigen Frohmutes bei der Arbeit andeuten. Auch des Künstlers nachlassende Sehkraft – Graff nutzte in dieser Zeit bereits eine Lupe zum Malen – könnte in dem müden Antlitz mitschwingen. Graff portraitierte sich auf einer sorgfältig geglätteten Tafel, die aus vier verleimten, senkrecht verlaufenden Obstholzbrettern besteht, was nahezu einzigartig in seinem Œuvre seit der Übersiedlung nach Dresden 1766, wo er sächsischer Hofmaler war, ist. Es könnte dieser ungewöhnliche Bildträger gewesen sein, der die oft bei Graff zu beobachtende Runzelbildung im Inkarnat hier zusätzlich beförderte. Unser spätes Selbstbild war berühmt und wurde um die Jahrhundertwende, als man das Werk Graffs in der Schweiz und Deutschland wiederentdeckte, in wichtigen Ausstellungen gezeigt: So 1901 in der Winterthurer Graff-Ausstellung, 1906 in der großen Berliner JahrhundertAusstellung und 1913 in der Dresdner Graff-Ausstellung. Ekhart Berckenhagen verzeichnete es in seinem Werkverzeichnis von 1967 und beurteilt es noch als „wohl Replik“ eines anderen Werkes, das heute verschollen ist. Unser Bild kannte Berckenhagen jedoch nur von Abbildungen. Ein 2010 von Helmut Börsch-Supan erstelltes Gutachten sieht das vorliegende, restaurierte Werk anhand der Pentimenti jedoch „eindeutig als die frühere Fassung“. Anton Graff schuf in seinem Œuvre repräsentative Prunkstücke für adlige Auftraggeber, zeigte das Eigenste seines Stils aber vor allem in den würdevollen Gesichtern bürgerlicher Portraits wie in seinen Selbstbildnissen. Das vorliegende Eigenbild auf dem ungewöhnlichen Bildträger überzeugt in seiner Zurücknahme und dem inszenierten Moment der Bildentstehung. Man könnte glauben, der gealterte Künstler vermöge nicht mehr das graublaue Zeichenpapier mit dem Kreidehalter zu füllen. Doch welch meisterhafter Beweis im Spätwerk ist das insofern zum Dargestellten paradox stehende Selbstbildnis von 1806. (RE) Das Bild überzeugt in seiner Zurücknahme und dem inszenierten Moment der Bildentstehung. 325 Graffs Palette Anton Graff schenkte uns mit seiner Überzahl an Portraits das markante wie einfühlsame Antlitz einer ganzen Epoche und seines politischen wie geistigen Personals. Die vorliegende Palette diente dem Künstler dabei als Unterlage seiner Pigmente und ist damit das zauberhafte Stück Holz, auf dem sein Pinsel Farben aufnahm, um Augen-, Haarund Wangentöne der Klassiker auf die Leinwand zu bringen. Der Palette gebührt gegenüber den Kunstwerken als handwerkliches Hilfsmittel im Grunde keine Beachtung, doch ist sie dem Maler ein treues Gegenüber gewesen, das für die Verfertigung seiner Bilder seine glatte Holzfläche dienend hergab, ohne jemals selbst mehr zu werden als ein Ding. Palette des Malers Anton Graff (1736–1813). Um 1800 Mahagoni, Farbreste. 36,5 x 25 cm (14 ⅜ x 9 ⅞ in.). Klebezettel mit Provenienzangaben: Eine Palette von dem berühmten Bildnissmaler Prof. Anton Graff. geb. zu Winterthur 1730, gest. zu Dre[sd]en 1813. Dieselbe ging in die Hände des Sohnes über, der Landscha[ft]smaler war. Aus dessen Nachlasse erstant sie der Landschaftsmaler Prof. Robert Kummer, welcher sie viele Ja[hre] la[ng] in Gebrauch hatte. Er schenkte mir diselbe auf meine Bitte am 30. Dez. 1881 für meine Sammlung. Günth. Reibisch. [3020] Gerahmt. Provenienz: Anton Graff (1736–1813) / dessen Sohn, Carl Anton Graff (1774–1832) / Robert Kummer (1810–1889) (wohl aus der Nachlaßauktion des Künstlers 1832 in Dresden erworben) / Günther Reibisch (1816–1899) (1881 als Geschenk vom Vorgehenden) / Privatsammlung, München € 1.500 – 2.500 $ 2,050 – 3,420 Vergleichsliteratur: Robert Eberhardt (Hrsg.): Anton Graff. Porträts eines Porträtisten, Berlin 2013 Grisebach 05|2014 Doch Graff selbst begriff wie viele Künstler vor ihm Leinwand, Pinsel und Palette als Attribute seines Künstlerberufs und stellte diese die handwerkliche Genese seiner Bilder andeutenden Gegenstände in einigen Selbstportraits dar. Bereits sein keckes frühes Selbstbildnis von 1756/58 (Kunstmuseum Winterthur) zeigt ihn zwischen Staffelei und Arbeitstisch mit Palette und Pinseln in der Hand. Auch auf dem Selbstportrait, das ihn als sitzende Ganzfigur zeigt, hielt sich Graff mit Palette fest (1794/95, Gemäldegalerie Alte Meister Dresden), ebenso auf seinem 1809 entstandenen Ganzfigurenbildnis, auf dem er das linke Knie auf einem Polsterstuhl abstützt (Museum der bildenden Künste Leipzig) und auch auf dem im Todesjahr 1813 entstandenen Selbstportrait mit Augenschirm (Alte Nationalgalerie Berlin), auf dem die Palette in schmaler Seitenperspektive notiert ist. Die zu Lebzeiten so inszenierte Palette wurde nach dem Tode Graffs zum Erinnerungsstück und kam in den Besitz seines Sohnes, des Landschaftsmalers Carl Anton Graff (1774–1832). Von diesem erwarb sie der Landschaftsmaler Carl Robert Kummer (1810–1889), wohl in der Nachlaßauktion des Graff-Sohnes in Dresden. Dieser gebrauchte die Palette selbst und schenkte sie 1881 dem Bildnismaler Günther Reibisch (1816–1899), der die genannte Provenienz auf einem auf die Palette geklebten Zettel vermerkte. Das einzigartige Objekt erinnert als Künstlerreliquie an vier sächsische Maler, führt doch aber vor allem zurück in das Dresdener Atelier ihres größten Eigentümers und Nutzers: Anton Graff. (RE) Die Palette wurde nach dem Tode Graffs zum Erinnerungsstück. 326 Paris Der Neo-Ägyptische Stil des Empire, der das alte Ägypten der Ptolomäischen Dynastie (323 – 30 v. Chr.) zu erkunden suchte, kommt hier in einer Pendeluhr zu seiner vollen Pracht. Die changierenden Effekte einer teils durch Feuer-, teils durch Blattvergoldung erreichten Oberfläche demonstrieren die hohe Kunst der Bronzeure in Paris um 1800, wo man der „Ägyptomanie“ verfallen war. Bis heute fasziniert diese bewegte antike Periode des alten Nilreiches. Unterschiedlichste Strömungen des Denkens, des künstlerischen Ausdrucks, der philosophischen Richtungen trafen während der Zeit der letzten Pharaonen aufeinander. Das Ägypten der alten Dynastien wurde aber auch von Invasoren unterworfen, von denen besonders Alexander der Große starken Eindruck auf Napoleon, Konsul Frankreichs, machte, ihn nachhaltig in seinem Großmachtstreben „inspirierte“. Empire-Pendule mit ägyptisierenden Figuren. Um 1810 Bronze, feuervergoldet - matt und hochglanz; Emailziffernblatt; Glas, geschliffen. 54,5 x 23 x 15 cm (21 ½ x 9 x 5 ⅞ in.). Auf dem Ziffernblatt: à Paris. [3378] Provenienz: Privatsammlung, München € 10.000 – 15.000 $ 13,700 – 20,500 Nach seiner zunächst erfolglosen Eroberung Ägyptens organisierte Napoleon ab 1798 eine kulturelle Expedition, für die er insbesondere Kunstexperten und Wissenschaftler entsandte, das Wüstenreich zu erkunden. Sofort drangen stetig neue Entdeckungen, Formen und Bilder vom Nil an die Seine. Eine neue Vision der Welt verwandelte durch die Architektur und das Kunstgewerbe die Umgebung vieler Franzosen, es kam nicht nur in der Kunst zum sogenannten „retour d’Égypte“. Aus dieser Begeisterung heraus erscheinen auch unsere Büstenhermen mit Pharaonenköpfen an den Ecken des Bronzegehäuses der Pendule. Neben den Füßen in Form von Löwentatzen sind so auch zwei Löwen mit der dazwischen befindlichen Flammenvase bei dieser Uhr als Ornamente mit eingezogen. Viele neue Motive wie etwa die applizierten Schlangen und Greifen haben ihren entsprechenden Platz um das Ziffernblatt eingenommen. Dieser neue, schier unendliche ästhetische Formenvorrat fiel in der Entstehungszeit unserer Empireuhr mit dem tiefen Wunsch einer gesellschaftlichen Erneuerung hin zu „der idealen Zivilisation“ zusammen. Neben den plötzlich zum Leben erweckten Mysterien Ägyptens geriet auch der gesamte alte Orient in den Fokus: So fruchtbar wie das Wasser aus den zwei Amphoren der Figur am Uhrenaufsatz in die zu ihren Füßen stehenden Kelche fließt, könnte es sich vielleicht um eine Flußallegorie eines anderen orientalischen Sehnsuchtsortes handeln, des Zweistromlandes (Mesopotamien), das um 1800 ebenso als kulturelles Entwicklungszentrum faszinierte. Aus einer so lange wie die Menschheit währenden Sehnsucht nach einer „schönen Gesellschaft“ heraus nutzte und kompilierte das Empire also Motive, mit denen sich das gewandelte Staatswesen Frankreichs auf kommende Aufgaben einschwor. (GvM) Grisebach 05|2014 In Paris war man der Ägyptomanie verfallen. 327 Porzellanmanufaktur Nast, Paris Diese Pendeluhr in Form einer Vase mit Widderkopfhenkeln der Manufacture Nast ließ staunen: Nicht umsonst war der Direktor der in der Öffentlichkeit berühmteren Manufaktur in Sèvres aufgebracht über die Tatsache, daß diese selbst noch keine Vasen dieser Größe ohne Hilfe von Bronzemontierungen anfertigen konnte. Nast hingegen hatte mit der fein abgestimmten Mischung der Goldbemalung und der strikten Ablehnung, zusätzliche Dekor- oder bronzene Konstruktionselemente an das Porzellan anzubringen, Maßstäbe gesetzt. Insbesondere der in sogenannter „or bruni à l’effet“ radierte Dekor ist von höchster Qualität. Die reiche Vergoldung bereichert den eigentlichen Reliefdekor – wenn er ihn nicht sogar übertrifft – und spielt durch eine Kombination aus mattierenden und glänzenden Effekten mit den Sehgewohnheiten, die wohl im ersten Blick eine massive Bronzearbeit in der Uhr vermuteten. Vasenuhr. Um 1820 Porzellan, glanz und matt vergoldet; Pariser Uhrwerk von Angevin mit 1/2 Stundenschlag. 51,2 x 35 cm (20 ⅛ x 13 ¾ in.). Auf dem Ziffernblatt: Angevin à Paris. Rechter Henkel mit Restaurierung. [3088] Provenienz: Privatsammlung, Bayern € 10.000 – 12.000 $ 13,700 – 16,400 Vergleichsliteratur und -objekte: Régine de Plinval de Guillebon, Faïence et porcelaine de Paris, Dijon 1995, Abbildung S. 362f. / Dernières acquisitions du département des Objets d’art du Louvre, Paris 1995, S. 262-264 / Indianapolis Museum of Art, Indianapolis, Inv.-Nr. 1988.221 Doch Nast rühmte sich zu Recht damit, kein einziges Bronzeelement zu benutzen, sondern diese nur in perfekter Manier eines „trompel’œuil“ zu imitieren. Selbst für die delikaten Palmettenhenkel griff Nast nicht auf vergoldete Bronzen zurück. In seiner Begeisterung darüber erwarb auch König Louis XVIII. (1755–1824) Henkelvasen der Firma Nast, die bis dahin eigentlich kein offizieller Hoflieferant war, was den erwähnten Sèvres-Direktor auf den Gipfel seiner Entrüstung brachte. Paris war zur Entstehungszeit unserer Vasenuhr zweifelsohne ein bedeutendes Zentrum für Keramiken, noch vor Sèvres. Auch wenn die Anzahl und das Interesse der Manufakturen sowie der angeschlossenen Ateliers beeindruckend ist, so existierten strenggenommen letztendlich nur eine Handvoll echter Manufakturen, von denen Nast wegen des Talents und der Innovationen seiner Besitzer zu einer der renommiertesten des 19. Jahrhunderts wurde. Gegründet wurde sie um 1778 von einem Österreicher, Johann Nepomuk Hermann Nast, weitergeführt durch seine Söhne. Der Erfolg beruht unter anderem auch darauf, daß diese für den Dekor auf goldenem Fond stets brillante Dekormaler wie die Darte Frères (1801–1833) oder Jean-Pierre Feuillet beauftragt haben. – Ebenso wie das Uhrwerk und das Ziffernblatt, welches von dem Horlogisten Angevin aus Paris (Rue St-Martin en 1806, Tailleur de roues, Rue de Bondy en 1812, Rue de Saintonge en 1830) angefertigt wurde. Wegen des auch hier angewendeten und perfektionierten Patents für die Erstellung von Dekorelementen durch Model und der Zusammenarbeit mit den besten Chemikern der Zeit errangen die Brüder Nast 1819 eine Goldmedaille für eine dreiteilige, reliefverzierte Vase. So verwundert es nicht, daß selbst der damalige Präsident der USA, James Madison, ein Service von Nast bestellte, welches heute noch zum Inventar des Weißen Hauses gehört. Die Augentäuscherei der Nast-Oberflächen begeistert und beeindruckt bis heute. Die Vasenuhr auf einem Sockel als stehende Amphore und mit Handhaben in Form von Tierköpfen ist durch die Nutzung antiker Formen zeitlos. (GvM) Grisebach 05|2014 In seiner Begeisterung darüber erwarb auch König Louis XVIII. Henkelvasen der Firma Nast ... 328 Graf Carl von Brühl Pförten 1772 – 1837 Berlin Verlegt von Ludwig Wilhelm Wittich, Berlin; Druck von Trowitsch & Söhne, Berlin; Kupferstiche nach August v. Klöber, von Laurens und Fügel koloriert (23 Blatt). 23 S. 2°. Unbeschnittene Ausgabe, Halbledereinband später. [3125] Provenienz: Privatsammlung, Deutschland € 2.000 – 3.000 / $ 2,740 – 4,110 Vergleichsliteratur: Rolf Johannsen und Andrea Polaschegg: Indien preußischblau – Das Hoffest Lalla Rookh im Schloss Berlin; in: Macht und Freundschaft. Berlin – St. Petersburg 1800–1860, Ausst.-Kat., Leipzig 2008, S. 97–112 LALLA ROÛKH. Divertissement Mêlé de Chants et de Danses. Exécuté au Château Royal de Berlin / le 27. Janvier 1822 / Pendent le Séjour de L. L. A. A. I. I. MSGR. le Grand-Duc Nicolas et Mad. la Grande-Duchesse Alexandra Féodorowna. 1822 Grisebach 05|2014 Lalla Roûkh – „eines der glänzendsten und anziehendsten Hoffeste, das je gegeben wurde“ (Johannsen / Polaschegg 2008, S. 97), fand am 21. Januar 1827 im Berliner Schloß statt. 3.000 Gäste waren eingeladen, der orientalischen Hofinszenierung aus Anlaß des Besuches des russischen Großfürstenpaares Nikolai (1796–1855) und Alexandra, geborene Prinzessin Charlotte von Preußen (1798–1860), beizuwohnen. „... eines der glänzendsten und anziehendsten Hoffeste, das je gegeben wurde ...“ Das spektakuläre Festspiel stand ganz im Zeichen des ungemein populären Versepos „Lalla Rookh. An Oriental Romance“ des irischen Dichters Thomas Moore (1779–1852) aus dem Jahre 1817. Der märchenhafte Stoff um Liebe, Tod und Macht entsprach ganz dem Inbegriff des romantischen Sehnsuchtstraumes. Im Zentrum der Inszenierung stand der streng choreographierte Hochzeitszug der Lalla Roûkh, bei dem Alexandra und Nikolai ganz im Einklang mit der Wirklichkeit die beiden Hauptrollen übernahmen, begleitet von 186 Angehörigen der Hofgesellschaft in farbenfrohen orientalischen Kostümen und aufwendigen Dekorationen von Karl Friedrich Schinkel sowie musikalisch von der königlichen Kapelle und den besten Sängern der Berliner Oper. Das Fest blieb ein unvergeßliches Ereignis im Berliner Gesellschaftsleben, nicht zuletzt aufgrund einer gezielten „multimedialen“ Verbreitung: neben überschwenglichen Zeitungsberichten schmückte die KPM Vasen und Teller mit Motiven des Festzuges. Die größte Wirkung erzielte allerdings die von Graf Carl von Brühl und dem Hofbibliothekar Samuel Heinrich Spiker (1786–1858) herausgegebene Festpublikation. Als Generalintendant des Königlichen Theaters hatte Graf Brühl aber auch die Kostüme entworfen: „Er hatte eine große Vorliebe für Decoration und Costüm, und führte namentlich die historische Richtigkeit der Kleidertracht mit so viel Consequenz, Glanz und Solidität durch, daß das Costümwesen der deutschen Bühne durch ihn in eine neue Phase gehoben wurde.“ (Förster; in: Allgemeine Deutsche Biographie, 1876, S. 417ff.) Zweifellos vermochte es dieses Buch von daher, den umfassendsten Eindruck des opulenten Festes zu geben. Auf 23 Seiten finden sich äußerst präzise Beschreibungen der Örtlichkeiten, der eingeladenen Gäste und teilnehmenden Personen, des konkreten Programmablaufs, der Texte der begleitenden Gesänge sowie Beschreibungen der Kostüme. Die Attraktion unseres Bandes besteht jedoch in den auf 23 beigefügten kolorierten Kupferstichen liebevoll wiedergegebenen Kostümfigurinen, die ergänzt werden durch eine ausklappbare Tafel mit der Darstellung des Festzuges. Nach fast 200 Jahren haben die Kupferstiche unseres Exemplars nichts an Leuchtkraft eingebüßt, so daß uns das Fest Lalla Roûkh bis heute in seinen Bann zu ziehen vermag. (KB) 329 Johann George Hossauer 1794 – Berlin – 1874 Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) lobte Hossauer als „den geschicktesten und einzigen in Berlin, der die neuesten technischen Hilfsmittel besitze und anwende, und dem er mehrere Zeichnungen zu Pokalen bereits früh geliefert“ habe (Brecht 1888, S. 1ff.). Zu einem dieser Entwürfe gehörte der des Erinnerungspokals zum Fest „Der Zauber der Weißen Rose“, der von Herzog Karl von MecklenburgStrelitz (1785–1837) in Auftrag gegeben wurde. Er sollte zum Hauptwerk der Zusammenarbeit beider Künstler werden und liegt uns hier als Ausführungszeichnung des Goldschmieds des Königs vor. Ausführungszeichnung zum Pokal „Der Zauber der Weißen Rose“. 10. Juli 1830 Bleistift auf Papier, koloriert mit Wasser- und Deckfarben. 60 x 44,4 cm (23 ⅝ x 17 ½ in.). Signiert und datiert: George Hossauer den 10ten July 1830 / zahlreiche Ausführungs- und Deutungsangaben / Wasserzeichen: J.WHATMAN 1829. Lichtränder. [3280] Provenienz: Seit dem 19. Jahrhundert im Besitz der Berlin-Pariser Bankiersfamilie Johann Georg Schickler (1793–1843), Château de Bizy / Ferdinand de Schickler (1835–1909) /Dessen Erbe Louis Suchet Duc d’Albufera (1877–1953) / von dort 2010 in den Kunsthandel, Paris € 25.000 – 30.000 $ 34,200 – 41,100 Vergleichsobjekte: Entwurfszeichnungen von Schinkel, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Inv.-Nrn. SM 37a 2 und 2906 c Vergleichsliteratur: Carl Brecht: Johann George Hossauer (1874); in: Vermischte Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins, Jg. I. (1888), S. 1–8 / Melitta Jonas: Gold und Silber für den König. Johann Georg Hossauer, Ausst.Kat., Berlin 1998, S. 124ff. Grisebach 05|2014 Johann George Hossauer gilt als Erneuerer des preußischen Gold- und Silberschmiedehandwerks, das seit den Befreiungskriegen den Anschluß an die internationale Entwicklung verloren hatte. Durch die Einführung neuer maschineller Herstellungsmethoden, die er bei seiner Ausbildung in Paris und bei Aufenthalten in England erlernt hatte und mit verfeinerten traditionellen Handwerkstechniken verband, erwarb sich Hossauer einen ausgezeichneten Ruf als Handwerker, Unternehmer und Künstler. Hossauers Ausführungszeichnung zum Prunkpokal nutzte die gotische Formensprache und entsprach damit der mittelalterlichen Thematik des imposanten Festes „Der Zauber der Weißen Rose“. – Ausgerichtet vom König am 13. Juli 1829 zu Ehren des Geburtstags seiner ältesten Tochter Alexandra (Prinzessin Charlotte, 1798–1860). Das außerordentliche Spektakel entführte in eine idealisierte, den höfischen Turnierspielen nachempfundene mittelalterliche Ritterszenerie mit prachtvollen Kostümierungen. Konzipiert wurde das Fest der Weißen Rose von Friedrich de la Motte Fouqué (1777–1843) und wiederum Schinkel. Lange waren lediglich dessen Entwurfszeichnungen zum Prunkpokal bekannt; um so bemerkenswerter ist die Wiederentdeckung dieser großformatigen Ausführungszeichnung von Hossauer selbst, die sich lange in Frankreich befand. Ganz der in Preußen aufkommenden Mode der Neogotik verpflichtet, sind Deckel, Korpus und Plinthe des teilweise vergoldeten Pokals aus Silber verziert. Er wird geschmückt von dem Motiv des gotischen Dreipaßbogens und 73 emaillierten Wappen der Teilnehmer des Turniers. Indem eine plastische silberne Rose den Deckel des Erinnerungspokals krönt, schließt sich der Kreis um den märchenhaften Titel des Festes mit Referenz an die geehrte Prinzessin in besonderer Weise: de la Motte Fouqués romantischer Ritterroman „Der Zauberring“ war eines der Lieblingsbücher Charlottes, so daß man sie in ihrer Jugend liebevoll nach einer der Romanfiguren „Blancheflour“ nannte. (JK) 330 Lindenrolle (koloriertes Exemplar). Ansicht der Straße Unter den Linden in Berlin. 1820 Lithographie, koloriert / Messingdose, perlblau emailliert; Elfenbeingriffe. 9,9 x 780 cm (Dose 14,5 x 9,5 x 5,5 cm) (3 ⅞ x 307 ⅛ in. (canister 5 ¾ x 3 ¾ x 2 ⅛ in.)). Leichte Einrisse und historische Klebungen der Rolle, minimale Abplatzungen am Deckel. [3510] Provenienz: Privatsammlung, Berlin € 20.000 – 25.000 $ 27,400 – 34,200 Vergleichsliteratur: Winfried Löschburg: Panorama der Straße Unter den Linden, Leipzig 1987 Vergleichsobjekt: Stiftung Stadtmuseum Berlin Kunsthandlung Jacobi, Berlin „Wirklich, ich kenne keinen imposanteren Anblick, als vor der Hundebrücke stehend, nach den Linden hinaufzuschauen. Rechts das hohe, prächtige Zeughaus, das neue Wachthaus, die Universität und Akademie. Links das Königliche Palais, das Opernhaus, die Bibliothek usw. Hier drängt sich Prachtgebäude an Prachtgebäude“, schwärmte der junge Heinrich Heine 1822 in „Briefen aus Berlin“. Bereits am 18. November 1820 vernahmen die Berliner aus ihren Morgenzeitungen von der neusten Attraktion ihrer Stadt: einem Panorama vom Schloß bis hin zum Brandenburger Tor. Das Innovative dabei war, daß das Linden-Panorama, seither als „Lindenrolle“ bezeichnet, mit all seinen prächtigen Gebäuden, in eine handliche Dose paßte. Die Berliner Kunsthandlung Jacobi – ebenfalls Unter den Linden ansässig (Nr. 35) – brachte das gerade modern gewordene Medium des Panoramabildes in eine neue, innovative Form, wie unser koloriertes Exemplar zeigt. Am Ende des 18. Jahrhunderts erlebte die Reiseliteratur einen enormen Aufschwung. Doch nicht nur literarische Beschreibungen ferner Städte und Länder sollten das Fernweh lindern, sondern auch bildliche Darstellungen in Form begehbarer Panoramenausstellungen. Berlin hatte bereits um 1800 eine solche mit dem Panorama von Rom erhalten, die damals auf dem Gendarmenmarkt zu bestaunen war. Verstärkt fanden Versuche statt, immer kleinere Panoramen herzustellen, doch war das Panoramabild stets an die Grenzen des Papierbogens gebunden. Diese Grenzen zu sprengen gelang erst mit der acht Meter langen „Lindenrolle“. In zwei Versionen existierten diese, heute so raren, portablen Panoramen; als reine Schwarzweißlithographie zum Preis von 4 Thalern und als kolorierte Luxusvariante zu dem vergleichsweise hohen Preis von 9 Thalern. Den relativ hohen Preis für die kleinen und kunstvollen Vorläufer des heutigen „Google Street View“ konnten sich allerdings nur wenige leisten. Obwohl damals sehr bewundert, gelangten wenige in den Umlauf, so daß bereits 80 Jahre später das Auftauchen eines dieser Panoramen abermals viel Aufsehen erregte. Ein intaktes Exemplar der „Lindenrolle“, wie unseres, verbildlicht als bedeutendes Zeugnis den Wettstreit in der Entwicklung des Panoramabildes im 19. Jahrhundert und ist zugleich auch Dokumentation und Denkmal der einst schönsten Prachtmeile Berlins – Unter den Linden. (PG) Grisebach 05|2014 Vorläufer des heutigen „Google Street View“ „Wirklich, ich kenne keinen imposanteren Anblick ...“ 331 Paris Am 19. August 1839 übergab der berühmte Physiker und Politiker François Arago (1786–1853) in der öffentlichen Sitzung der Akademie der Wissenschaften in Paris das erste praktikable photographische Verfahren der Weltöffentlichkeit. – Damit jährt sich in diesem Sommer zum 175. Mal die Geburtsstunde der Photographie, einer der großartigsten Erfindungen des 19. Jahrhunderts. Ansicht einer französischen Schloßanlage. Um 1845 Daguerreotypie / hinter Glas gemaltes Passepartout mit Goldkanten / originaler französischer Holzrahmen. 2/3 Platte, Bildausschnitt 15 x 11,3 cm / Rahmen 28,3 x 23,7 cm (5 ⅞ x 4 ½ in. / frame 11 ⅛ x 9 ⅜ in.). [Originale grünliche Papierverklebung (ungeöffnet). [3524] Provenienz: Privatsammlung, Nordrhein-Westfalen € 12.000 – 15.000 $ 16,400 – 20,500 Vergleichsliteratur: Erich Stenger: Die beginnende Photographie im Spiegel von Tageszeitungen und Tagebüchern, Würzburg 1943 / Josef-Haubrich-Kunsthalle Köln und Foto-Historama Agfa-Gevaert Leverkusen (Hrsg.): „In unnachahmlicher Treue“. Photographie im 19. Jahrhundert – ihre Geschichte in den deutschsprachigen Ländern, Köln 1979 Der Erfinder, Louis Jacques Mandé Daguerre (1787–1853), Maler und Betreiber des berühmten Pariser Dioramas, war mit dem naturwissenschaftlich interessierten Landadeligen Nicéphore Niépce (1765–1833), dem Entdecker eines ersten Verfahrens, mit der Camera obscura Bilder zu fixieren, seit 1829 durch einen Kooperationsvertrag verbunden. Der Durchbruch gelang jedoch schließlich Daguerre im Jahre 1835 nach dem plötzlichen Tod von Niépce. Die überaus aufwendige Prozedur der Erstellung erster photographischer Bilder beschreibt die „Allgemeine Schweizer-Zeitung“ (Bern) vom 27. August 1839 treffend: „Dreiviertelstunden reichen für die Operation aus. Es ist also nicht davon die Rede, daß ein Reisender im Vorbeigehen, während etwa der Postwagen den Berg hinansteigt, geschwind das Bild einer Landschaft oder eines Monumentes mitnehme, sondern er muß mit einer halben Apotheke Posto fassen und mit Feuer, Wasser, Licht und Metallen manövrieren. Dazu bedarf es einer ebenso umfangreichen Equipage als derjenigen eines Hausirers mit Töpfergeschirr“ (Stenger 1943, S. 8). Alexander von Humboldt (1769–1859) reiste im Sommer 1838 im Auftrag seines Königs, Friedrich Wilhelm III. von Preußen. Nachdem er mit den Gelehrten der Académie erste photographische Stadtansichten von Paris betrachten durfte, die Daguerre erstellt hatte, schrieb Humboldt begeistert an Herzogin Friederike von Anhalt-Dessau (1796– 1850): „Gegenstände, die sich selbst in unnachahmlicher Treue mahlen; Licht, gezwungen durch chemische Kunst, in wenigen Minuten, bleibende Spuren zu lassen, die Contouren bis auf die zartesten Theile scharf zu umgrenzen, ja diesen ganzen Zauber (freilich einen farblosen) bei heiterem sonnenklarem Tage unserer nördlichen Zone in 8-10 Minuten, bei Egyptischer Durchsichtigkeit der Luft und tropischer Lichtfülle wahrscheinlich in 2-3 Minuten hervorgerufen zu sehen, das spricht freilich unaufhaltsam den Verstand und die Einbildungskraft an“ („In unnachahmlicher Treue“ 1979, S. 28). In Windeseile verbreitete sich die neue Erfindung. In aller Welt versuchten Amateur, Künstler und Wissenschaftler, das Verfahren Daguerres anzuwenden. Mit der Verbesserung der Optik und damit einhergehenden kürzeren Belichtungszeiten ab etwa 1841 erfreuten sich Daguerreotypie-Portraits größter Beliebtheit, war es doch nun viel einfacher geworden, Personen sitzend, mit Kopf- und Körperhaltungen fixiert, anfänglich mehrere Minuten zum Stillhalten zu bewegen. In der Anfangszeit des neuen Mediums entstanden jedoch vor allem die heute extrem selten erhaltenen Architektur- und Landschaftsansichten, wie unsere originalgerahmte Daguerreotypie aus der Mitte der 1840er Jahre, die vermutlich den Blick eines französischen Schloßherrn aus seinem Fenster in den Park dokumentierte: eine außerordentlich seltene Impression, die vor allem eine sommerliche Stimmung wiedergibt und nicht der Repräsentation dienen sollte. (AGT) Grisebach 05|2014 „Gegenstände, die sich selbst in unnachahmlicher Treue mahlen ...“ 332 Pierre-Jean David d’Angers Angers 1788 – 1856 Paris Die Büste ist David d’Angers’ Ehrerbietung an den wohl angesehensten Wissenschaftler, Autor und Humanisten Europas des 19. Jahrhunderts: Alexander von Humboldt. Unsere einzig bekannte und zeitgenössische Bronze aus der Pariser Gießerei Collas ist die Reduktion jener marmornen Kolossalbüste, die einst in Humboldts Privatbibliothek in Berlin stand und heute in unbekannten Privatbesitz verschwunden ist. Der in Frankreich nicht nur als Künstler, sondern auch als republikanisch-oppositioneller Akteur berühmte und berüchtigte Pierre-Jean David, genannt David d’Angers, traf Humboldt erstmals um 1830 in Pariser Salon von La Fayette. Daraufhin schuf David eine Medaille Humboldts, die 1831 vom Pariser Gießer Achille Collas reproduziert wurde. Beide wurden rasch vertraute Freunde, teilten sie doch viele politische Ansichten ihrer Zeit. Büste Alexander von Humboldts (1769–1859). 1844 Bronzeguß durch Achille Collas (1795–1859). Bronze, gegossen; rotbraune Patina / schwarzer Steinsockel (wohl Schiefer), profiliert. 25 cm (42,5 cm mit Sockel) (9 ⅞ in. (16 ¾ in. with base)). AL.DRE de Humboldt / P.J. DAVID / 1844 / Gießerstempel Collas: REDUCTION MÉCANIQUE, A COLLAS BREVETE / Auf der Unterseite des Sockels eingeritzte Nummer: NCI 988 / Reste eines Siegelwachses. [3223] Provenienz: 1980 Privatsammlung, Paris / Privatsammlung, München € 6.000 – 8.000 $ 8,220 – 10,960 Vergleichsobjekt und -literatur: Halina Nelken: Alexander von Humboldt. Bildnisse und Künstler, eine dokumentierte Ikonographie, Berlin 1980, S.106ff. / Bernhard Maaz: Vom Kult des Genies. David d’Angers’ Bildnisse von Goethe bis Caspar David Friedrich, München 2004, S. 91ff. David sah es als seine Lebensaufgabe an, herausstechende zeitgenössische Persönlichkeiten zu portraitieren. Dies war für ihn moralischethische Verantwortung der Gesellschaft gegenüber, inspirierten doch Abbildungen tugendhafter Persönlichkeiten den Betrachter. So spannte er durch seine nahezu 600 Abbilder ein Netz persönlicher und künstlerischer Beziehungen (u. a. Goethe, Hugo) mitten durch die europäische Gesellschaft seiner Zeit. – Der berühmte Humboldt in Form einer Büste durfte in Davids „Galerie“ bedeutender Menschen des 19. Jahrhunderts nicht fehlen. 1843 vollendete der Bildhauer die erwähnte marmorne Kolossalbüste und sandte sie als Geschenk anläßlich Humboldts 74. Geburtstag nach Berlin. Der Beschenkte dankte dem Meister: „Ihr Schatz, ihr großartiges Geschenk kam hier nur ein paar Tage vor meinem Geburtstag an (...) Die Büste befand sich noch in der Kiste, da bewunderte er [Christian Daniel Rauch] schon die Ähnlichkeit, die Anmut und die vollendete Ausführung der Arbeit, die Großartigkeit, die ihre Arbeiten kennzeichnet und ihnen eine Überhöhung ins Geistige verleiht...“ (Brief vom 15. September 1843). Dem begeisterten Bildhauer Rauch offenbarte David kurz darauf: „In Kürze werde ich Herrn von Humboldt eine kleine Replik seiner Büste übersenden.“ (Brief vom 1. Juni 1845). Humboldts Bildnis ist ein perfektes Exempel für Davids künstlerisches Ideal: Demnach müsse dem Kopf als „Sitz allen Denkens“ höchste Bedeutung zukommen. David akzentuiert die Formen des Gesichts nicht nur, es ist ein bewußtes Pathetisieren. Der Schädel formt sich zum hervorstechenden „Denkgewölbe“. Typisch für Davids HeroenIkonographie ist die mit Kalkül unordentlich und windgepeitschte Darstellung des Kopfhaares, die einen temperamentvollen Ausdruck innerer Aufgewühltheit zeigt. Tatsächlich scheint unser zeitgenössischer Guß der Büste die Wirkung Humboldts auf seine Besucher bestens wiederzugeben. So schrieb Bayard Taylor (1825–1878), nachdem er Humboldt 1856 traf: „Der erste Eindruck von Humboldts Antlitz ist der ausladender und genialer Menschlichkeit. Seine wuchtigen Brauen sind von über nahezu ein Jahrhundert hinweg angesammeltem Wissen schwer geworden.“ (GvM) Grisebach 05|2014 „In Kürze werde ich Herrn von Humboldt eine kleine Replik seiner Büste übersenden.“ 333 Adolphe Dallemagne Pontoise 1811 – 1878 Paris „Die Malerei ist tot, es lebe die Photographie“, lautete 1839 die berühmte Aussage des Landschaftsmalers Hippolyte Delaroche (1797–1856), nachdem er Kenntnis der von Joseph Nicéphore Niépce (1765–1833) und Louis Jacques Mandé Daguerre (1787–1851) entwickelten und praktikablen Bildverfahren erlangt hatte. Auf keine andere Gattung der Malerei hatte die Erfindung der Photographie einen folgenreicheren Einfluß als die der Bildnismalerei. Photographische Portraits erfreuten sich großer Beliebtheit und dienten nicht zuletzt auch den Künstlern selbst, sich einer breiteren Öffentlichkeit darzustellen. Von dem französischen Maler Jean-Baptiste Camille Corot sind verschiedene photographische Portraits überliefert: so ließ er sich 1863 und früher von dem in Paris gefeierten Nadar (Gaspard Félix Tournachon) ablichten. Pierre Lanith Petit portraitierte Camille Corot um 1860 (heute Musée d’Orsay). Auch der Landschaftsmaler Adolphe Jean François Marin Dallemagne, der Mitte der 1850er Jahre ein Photostudio in Paris eröffnete, zählte viele schon damals namhafte Künstler zu seinen Modellen. Sein Ziel war es, eine Serie bedeutender Maler und Bildhauer abzulichten, worunter auch Künstlerinnen waren. Portrait des Malers Camille Corot (1796–1875). 1866 Albuminabzug auf Karton. 22,9 x 17,5 cm (Träger 26,8 x 19,2 cm) (9 x 6 ⅞ in. (release paper 10 ½ x 7 ½ in.)). Unten mit schwarzer Tinte von Camille Corot signiert, datiert und mit einer Widmung an den Pariser Kunsthändler Audry versehen: Le 11 Xbre 1870, à mon bon ami Audry, C. Corot. [3491] Provenienz: Privatsammlung, Paris / Privatsammlung, Norddeutschland € 2.000 – 3.000 $ 2,740 – 4,110 Vergleichsobjekt: Ungewidmete Fassung des Portraits im Museum of Fine Arts Boston, Inv.-Nr. 2010.1238 Vergleichsliteratur: Erika Billeter: Malerei und Photographie im Dialog von 1840 bis heute, Bern 1977 / Camille Corot. Natur und Traum, Ausst.-Kat., Heidelberg 2012 Grisebach 05|2014 Diese ließ Dallemange in einer aufwendigen Kulisse posieren: Sein Studio verfügte über eine Stellwand, die in einem rechteckigen Hochformat so geöffnet war, daß die dahinter stehenden Personen in einem vorteilhaften Zweidrittelportrait zu sehen sind. Die Wandöffnung war mit einer Stuckumrandung, einem Bilderrahmen gleichend, umfaßt. Der untere Teil des Rahmens schloß mit einem breiteren Sims zur Stellwand ab, auf dem jeweils die Namen der Portraitierten zu lesen waren. Dazu wurde rechts oder links ein Stoff drapiert, der auf jedem Portrait anders arrangiert ist. Genauso variieren auf das Sims aufgesetzte Figuren, den Dargestellten zu- oder abgewandte Putti. Die Arrangements von Dallemagne wurden als Verbeugung vor der offiziellen Portraitmalerei gedeutet. Sicherlich berühmtester Künstler dieser Galerie war Corot. – Seit Mitte der 1860er Jahre war die Nachfrage nach Werken von Corot immens. Auch experimentierte er seit 1853 mit dem im Grunde photographischen Verfahren Cliché-verre (Glasklischeedruck), um Landschaftszeichnungen zu reproduzieren. Vor allem jedoch seine Gemälde waren bei einem großen Sammlerkreis beliebt, und es verging kaum ein Tag, an dem kein Händler an seine Tür klopfte. Einer der Besucher, die Corots enger Vertrauter Robaut als häufigen Gast im Atelier bezeichnete, war der Pariser Händler M. Aubry. Unter dem 11. Dezember 1870 widmete Corot seinem „lieben Freund“ M. Aubry unsere Photographie und machte sie mit seiner Signatur einzigartig. (AGT) 334 Hans Oskar Jancke Sanssouci 1850 – 1920 Potsdam Orchideen faszinieren die Menschen seit 2500 Jahren. Während die farbenkräftigen Blüten für den chinesischen Philosophen Konfuzius (551–478 v. Chr.) als Symbol der Anmut, Reinheit und Eleganz galten, konnten die Europäer erst um 1800 intensiver zu den fragilen Schönheiten forschen, als Pflanzenjäger von ihren Expeditionen in tropische Regionen eine Fülle attraktiver Arten für die ersten Gewächshäuser mitbrachten. Liebhaber zahlten hohe Preise für besondere Exemplare, Orchideen-Zeitschriften erschienen und ein preußischer Hofgärtner wählte die Pflanzen zu seinem Lebensthema. Studien über Orchideen. 1870–1906 Manuskript, gebunden, Halbledereinband ([Text] 60 S. + 209 S. + 80(+1) S. + [farbige Zeichnungen] 76 S.) Feder, Tusche, Aquarell und Deckfarben über Bleistift / Mappe mit 46 Seiten Typoskript [A. Cogniaux: Dictionnaire Iconographique des Orchidées, Brüssel 1896ff.] mit Bleistift ergänzt und 54 Seiten farbige Zeichnungen, Aquarell und Deckfarbe über Bleistift / Mappe mit Pausen (9 Bl. + 32 Bl. + 32 Bl.), Feder in Rot, Grün und Schwarz auf Transparentpapier / Mappe mit 30 Seiten farbigen Zeichnungen, Aquarell und Deckfarbe über Bleistift. 4° / gr. 4° / gr. 4° / gr 4° . Orchideen., I. Theil; Sanssouci, im Winter 1871–71; H. Jancke / Notizen aus J. G. Beer’s „Praktischen Orchideenstudien“ [d.i. Praktische Studien an der Familie der Orchideen, Wien 1854]; Moabit, im August 1872; H Jancke / IV. Theil. Einiges über das Borsigsche Orchideenhaus; Moabit, 1872; Jancke. [3407] Provenienz: Nachlaß Hans Oskar Jancke, Potsdam / Bis 1980er Nachfahren der Hofgärtnerfamilie Jancke-Nietner, Potsdam / Privatsammlung, München Literatur und Abbildung: Auktionskatalog: Leo Spik, Berlin, 20. Juni 1998, Los 463 € 5.000 – 7.000 $ 6,850 – 9,590 Vergleichsliteratur: Preußisch grün – Vom königlichen Hofgärnter zum Gartendenkmalpfleger, Ausst.-Kat., Berlin 2004 Wir danken Dr. Nils Köster, Kustos am Botanischen Garten Berlin, für freundliche Hinweise. Grisebach 05|2014 Hans Oskar Jancke, Sohn des Sekretärs des berühmten Hofgärtners Peter Joseph Lenné in Potsdam, hatte sich schon während seiner Studienreise durch Europa mit Orchideen beschäftigt, als er 1871 im Genter Fachbetrieb J. Linden Station machte. Zurück in Berlin, wurde der 21jährige daraufhin Gärtner der Treibhausanlagen von Maschinenbaufabrikant Albert Borsig (1829–1878), der neben seiner Villa in Berlin-Moabit große Pflanzhäuser unterhielt. Die Sammlungen, die nun unter der Aufsicht Janckes standen, waren berühmt und für das Publikum zweimal die Woche geöffnet. Seine Erkenntnisse und systematischen Betrachtungen über die Orchideen legte Jancke seit 1871 in unserem gebundenen Manuskript dar, das wohl Vorlage einer Publikation über die wissenschaftliche Einordnung der wichtigsten in Europa kultivierten Orchideengattungen sein sollte. Hierfür exzerpierte der Gärtner Joseph Georg Beers (1803–1873) Orchideenbuch von 1854 und verfaßte am Beispiel der Borsig-Sammlung tagebuchähnliche Kulturnotizen, die die Pflege und Zucht im Tages- und Jahresverlauf festhielten. Neben Listen der Borsig-Orchideen gab er auch über die Blühzeiten im Jahresverlauf Auskunft und fügte zahlreiche farbige und besonders virtuose Zeichnungen der Pflanzenschätze bei. Und für seine Zeichenkunst war Jancke, ab 1879 in königlichen Diensten in Sanssouci, geachtet. So lehrte er Planzeichnen an der renommierten Gärtnerlehranstalt, arbeitete als Zeichner am „Gärtnerischen Skizzenbuch“ von Theodor II. Nietner (1822–1894). Seit 1884 hatte Jancke auch die Stelle eines Hofgärtners in Schloß Bellevue inne, 1907 wurde er zum Preisrichter der Internationalen Gartenbau-Ausstellung in Dresden ernannt, 1913 mit dem Titel Oberhofgärtner ausgezeichnet. Die Orchideen jedoch ließen ihn in all der Zeit nicht los – intensiv stand er hierzu in Austausch mit den königlich-englischen Gärten in Kew. Und so publizierte der Gärtner, Zeichner und Wissenschaftler Hans Jancke 1915 zusammen mit dem Kustos am Berliner Botanischen Garten Rudolf Schlechter (1872–1925) das Standardwerk „Die Orchideen“. Hier legte er – sozusagen als Alterswerk – sein Wissen über die Pflanzen dar, die ihn sein Leben lang leidenschaftlich begleitet hatten. Janckes prachtvolle Zeichnungen hingegen machen seine Leidenschaft für Orchideen bis heute anschaulich. (SK) 67 max. Klappenbreite 185 mm, Bild ist etwas verkleinert 66 Grisebach 05|2014 335 Königlich Dänische Porzellanmanufaktur Kopenhagen Es dürfte erschreckend gewesen sein, wenn hohe Gäste an der Tafel des dänischen Königs nach Verzehr der Speisen giftige Pilze auf dem Porzellangrund entdeckten. Doch was da die Fonds des berühmten Flora Danica-Services der Kopenhagener Porzellanmanufaktur zierte, war kunstgewordene Botanik und (zumindest lukullisch) ungefährliche Aufklärung. Zugrunde lag den Darstellungen auf Porzellan das botanische Sammelwerk aller Pflanzen des Reiches von König Christian VII. von Dänemark und Norwegen (1749–1808); und dies reichte um 1790 vom Nordkap bis zur Elbe, was einer Strecke Kopenhagen–Karthago entsprach. Blattförmige Konfektschale „Agaricus Nitens“ aus dem Flora Danica-Service. 1790–1802 Scherben weiß, farbig staffiert, Relief mit Vergoldung. 24 x 19 x 6 cm (9 ½ x 7 ½ x 2 ⅜ in.). Rückseitige Aufschrift: F: 1. / Agaricus nitens. / Fl. Dan: Tab: MLXVII. / F: 18 / Pressmarke: G. i / unterglasurblaue Wellenmarke. [3444] Provenienz: Privatsammlung, Paris € 4.000 – 6.000 $ 5,480 – 8,220 Zweites Exemplar mit selber Pilzdarstellung in der Silberkammer, Schloß Christiansborg, Kopenhagen Vergleichsliteratur: Wilfried Baer (Hrsg.): Das Flora Danica-Service 1790-1802. Ausst.-Kat., Berlin 2000 Ab 1761 erschienen kolorierte Kupferstichlieferungen der „Flora Danica“ mit den botanischen Aufnahmen der Pflanzen, die der Botaniker Georg Christian Oeder (1728–1791) im Auftrag des Königs in den nördlichen Weiten gesammelt, botanisiert und in Zeichnungen dokumentiert hatte. Ein Riesenunterfangen von höchstem wissenschaftlichem Anspruch und mit europäischer Bedeutung und Wirkung – noch bis 1888 wurde gesammelt und publiziert. Die gestochenen und detailgenau kolorierten Umrißzeichnungen dienten alsdann der jungen Kopenhagener Manufaktur als Vorlagen zu ihrem großen Service, das wohl als Geschenk an die russische Zarin Katharina II. gedacht war. Doch die Fertigung des Riesenwerks dauerte; und als der ungeduldige König die Arbeiten 1802 abbrechen ließ, war Katharina tot, das Stichwerk bei Pflanze 1.260 angelangt und das Speise- und Dessertservice in der Manufaktur auf 1.802 Teile angewachsen. Auf Porzellan aus bereits bestehenden klassizistischen Formen und auf extra für das Flora Danica-Service angefertigten Teilen, wie unserer kleinen Blattschale, übertrug der Blumenmaler Johann Christoph Bayer absolut farb- und maßstabsgetreu Gräser, Pflanzen und Pilze auf Terrinen, Teller, Platten. Waren diese jedoch zu klein für die darzustellenden Gewächse, so wurden diese sorgsam zerschnitten und die Teile wissenschaftlich genau nebeneinander abgebildet: Das Service wurde so zum „botanischen Beleg auf Porzellan“ und stand damit ganz im Geiste der Aufklärung. Denn nach dem repräsentativen Kunst- und Speisengenuß wäre es für die erlauchten Gäste, die von nun an zu den höchsten dänischen Feiertagen bei Königs vom Flora Danica aßen, ein leichtes gewesen, die abgebildeten Pflanzen zu erforschen. Pädagogisch wertvoll und wissenschaftlich korrekt waren auf der Rückseite eines jeden Stückes Name, Vorkommen und Quelle aus dem Druckwerk angegeben. Ob das Entsetzen beim Wenden unserer Blattschale mit dem kleinen Giftpilz noch größer gewesen wäre? Denn der so hübsch dargestellte Agaricus nitens (deutsch: Riechender Träuschling) stammte aus dem 18. Heft der Flora Danica, wo vermerkt war, daß er in Norwegens nördlichster Provinz Finnmark „auf dem Mist von Kühen“, vulgo Kuh-fladen, vortrefflich gedeihe ... (SK) Grisebach 05|2014 Das Service wurde so zum „botanischen Beleg auf Porzellan“. 336 Thomas Pitts 1737 – London – 1800 Das Dinner war der gesellschaftliche Höhepunkt des Tages im England des 18. Jahrhunderts. – Gehen wir heute eher von einem Essen am Abend aus, fand das Dinner um etwa 1740 am frühen Nachmittag, nämlich um zwei Uhr, statt. Terrine auf Presentoire wohl mit dem Wappen der Familie Birkbeck. 1774/75 Sterlingsilber, gegossen, getrieben, ziseliert. 25 x 39,5 x 20 cm; 4,5 x 55 x 33 cm (9 ⅞ x 15 ½ x 7 ⅞ in.; 1 ¾ x 21 ⅝ x 13 in.). Punzierung an allen drei Teilen. Meisterzeichen: T•P im Rechteck für Thomas Pitts [vgl. Grimwade, Nr. 2875]; lion passant, leopard’s head, date letter T für das Jahr 1774–75. Gewicht: 4572 g (161,27 oz). Mit einem Gutachten von Otto von Falke, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, vom 17. August 1926 (in Kopie). [3177] Provenienz: Am 22. Oktober 1926 verkauft durch Kunsthandlung Paul Glaser, Berlin / Privatsammlung Dr. Fritz Reuther, Mannheim / Seither Familienbesitz, München € 15.000 – 20.000 $ 20,500 - 27,400 Vergleichsliteratur: Beth Carver Wees: English, Irish & Scottish silver at the Sterling and Francine Clark Art Institute, New York 1997, S. 142ff., 204ff. Im Laufe der kommenden Jahrzehnte verschob es sich stets weiter nach hinten; wurde in London früher als auf dem Land eingenommen und in der Jagdsaison später als im restlichen Jahr. Ferner muß man sich vorstellen, daß die Dinnergäste meist nicht um einen großen Tisch gruppiert waren, sondern an mehreren kleinen Tischen im Raum versammelt saßen. – Ungeachtet der verstörenden Diskontinuität von Zeitpunkt des Dinners und Tischanzahl war die Tafel stets mit einem zentralen Element – dem „Centerpiece“ – ausgestattet, das wiederum gestalterischer Höhepunkt der Tafel war. Solch ein „Centerpiece“ war auch unsere Silberterrine mit Untersatz aus der Werkstatt des angesehenen Silberschmieds Thomas Pitts. Der Londoner hatte sich auf ausgefallene Arbeiten von solchen „Centerpieces“ spezialisiert und orientierte sich an dem modernen Geschmack der führenden Architekten wie Robert (1728–1792) und James Adam (1732–1792), die mit ihrem Stil – dem sog. Adam-Stil – eine ganze Epoche prägten. Die ausgewogenen Proportionen und zurückhaltend filigrane Ornamentgebung der Adam-Brüder spiegeln sich auch in unserer Silberterrine wider. Wie bei einem zarten Laubblatt läuft die Kontur des Untersatzes der Terrine spitz zusammen. Das Gefäß selbst steht auf filigranen Löwentatzen, die sich ins Akanthusblattwerk wandeln. Eine vorgehängte Lorbeergirlande nimmt der Terrine ihre Masse und verleiht ihr eine festliche Erscheinung, die mit ihrer einladenden Traubenrispe als zentralem Element einer prächtigen Dinnertafel alle Ehre macht. Da das englische Sterlingsilber einen sehr hohen Reinheitsgehalt hat, wurde es zur Geldbeschaffung regelmäßig eingeschmolzen, was im Laufe der letzten 200 Jahre den Bestand an den Silbererzeugnissen des 18. Jahrhunderts dezimierte. Es verwundert daher nicht, daß das rare und außerordentlich filigrane georgianische Silber stets die Sammler und Kunstkenner interessierte. Zuletzt wurde unsere Silberterrine in Berlin 1926 von dem angesehenen Kunsthändler Paul Glaser angeboten. Versehen mit einer Expertise vom damaligen Kenner für Kunstgewerbe, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin und Nachfolger Wilhelm von Bodes, Otto von Falke (1862–1942), gelangte sie in die Privatsammlung des Industriellen Dr. Fritz Reuther in Mannheim und dürfte besonderer Schmuck seiner Tafeln gewesen sein. Nach 90 Jahren ist die Terrine nun wieder in Berlin und Abbild der feinsten Londoner Silberschmiedekunst des 18. Jahrhunderts. (PG) Grisebach 05|2014 Pitts hatte sich auf ausgefallene Arbeiten von solchen „Centerpieces“ spezialisiert. 337 Robert Garrard II 1793 – London – 1881 Diese viktorianische Prunkkassette aus edlem Stein und mit Silberdekorationen kann „fully sustained the reputation of the firm“ Robert Garrard belegen. Das 1861 gepunzte Kunstwerk und das Urteil über den Goldschmied aus dem Folgejahr legen Zeugnis der hohen Qualität und Wertschätzung des Kunstgewerbes unter Queen Victoria (1819–1901) ab. Der langjährige königlich-englische Hoflieferant Robert II Garrard nutzte als Grundmaterial der Kassette mit den vier massiven Silberputti einen von Queen Victoria und Prince Albert wertgeschätzten Stein, den Lizard Serpentine (Lizardit). Prunkkassette. 1861 Wohl Cornish Serpentine (Serpentinit oder ein Gestein mit viel Lizardit), aus Südengland, geschnitten; Silber, gegossen, ziseliert; Bronze, versilbert. 26 x 36 x 30 cm (10 ¼ x 14 ⅛ x 11 ¾ in.). BZ London 1861/62, MZ Garrard (ab 1822). [vgl. Grimwade, Nr. 2322]. [3214] Provenienz: Privatsammlung, Deutschland € 10.000 – 12.000 $ 13,700 – 16,400 1846 nämlich hatte das Königspaar die Halbinsel Lizard in der Grafschaft Cornwall besucht und war so überwältigt von den dortigen seltenen Steinvorkommen, daß die beiden mit ihrer royalen Patronage zugleich einen neuen Industriezweig eröffneten, der in der Unternehmensgründung der Lizard Serpentine Company und zahlreicher weiterer Steinfabriken mündete. Aus großen Blöcken des grünlichen Gesteins mit roten Einsprengselungen wurden hier kleine wertvolle Objekte wie Briefbeschwerer, Kerzenhalter, Vasen und Kisten hergestellt. Arts and Crafts – diese Bewegung verdankt sich und den enormen Aufschwung des industriellen Kunstgewerbes im 19. Jahrhundert in Großbritannien vor allem ihren beiden großen Mäzenen: Queen Victoria und Prince Albert. Mit der Gründung des Victoria and Albert Museums 1852, damals „South Kensington Museum“, im noblen Londoner Westen, trug das Königspaar nach der Great Exhibition von 1851 maßgeblich zum Erfolg Londons als dem Hauptschauplatz des Produktdesigns in Europa bei. Prince Albert demonstrierte im V&A für die britische Bevölkerung sein Konzept einer „Anwendung der Kunst im Handwerk“ und verhalf so dem englischen Kunstgewerbe zu einer international beachteten Blütezeit. Vergleichsliteratur: John Burley Waring und William Robert Tymms, Masterpieces of industrial art & sculpture at the international exhibition, Bd. 3, London 1863, plate 221 / Katalog The Gilbert Collection of Gold & Silver, Los Angeles 1988, S. 656 Als Hoflieferanten wählten Queen Victoria und Prince Albert nur die feinsten Adressen. Und so waren Robert Garrard und seine Brüder James und Sebastian bereits seit 1834 Hoflieferanten und ab 1843 offizielle Hofjuweliere des Königshauses. Bei der Weltausstellung von 1862 in London, der Great London Exposition, stellte das inzwischen traditionsreiche Juweliersunternehmen als „Garrard & Co“ aus. Wir danken Prof. Simone und Peter Huber, Wiener Neustadt, für die gemologische Bestimmung sowie Victoria Platt, Archive Victoria and Albert Museum London (Firmenarchiv Garrard), für freundliche Hinweise. Im Katalog der Great London Exposition werden ihre Kunstwerke herausgehoben genannt: Es sei „a firm which occupies so distinguished a position as that of Messrs. Garrard“. Und unter den „noble specimens of the silversmith’s art exhibited by Messrs. Garrard“ werden zahlreiche Objekte aufgeführt, die allesamt deren hohe Kunstfertigkeit und den Ideenreichtum demonstrierten. Vielleicht war auch unsere Prunkkassette, die so „fully sustained the reputation of the firm“ spiegelte, wie es im Katalog hieß, 1862 auf der Londoner Weltausstellung zu sehen. – In jedem Fall jedoch ließ sie zusammen mit „Garrard & Co“, die insgesamt 164 Jahre lang treuer Diener der britischen Krone waren, Englands Kunstgewerbe erstrahlen. (AE) Grisebach 05|2014 „... fully sustained the reputation of the firm ...“ 338 Theophil Hansen Kopenhagen 1813 – 1891 Wien „Hernstein ist heute der Sommersitz des Herrn Erzherzog Leopold. Von ihm insbesondere ging der Gedanke aus, sich hier wohnlich einzurichten... Die abgeschiedene schöne Lage des Ortes war dabei mitbestimmend (...) einen geziemenden Raum für Jagdgäste zu schaffen.“ Mit diesen Worten eröffnete eine Illustrierte von 1876 ihren Artikel über das Schloß nahe Wien und untertrieb gewaltig. – Denn das Mitglied der österreichischen Kaiserfamilie bestellte einen Prachtbau und dessen Ausstattung „ohne Beschränkung der Kunstmittel, die dabei nöthig erachtet werden“. Laufsessel aus dem Schloß Hernstein in Niederösterreich. Um 1870 Buche, massiv, geschnitzt, schwarz gefaßt, vergoldet - Hoftischlermeister Heinrich Dübell (1812–1886), Wien / originale Stoffbespannung mit rotem Rips mit Silberfäden. 88,5 x 48 x 55 cm (34 ⅞ x 18 ⅞ x 21 ⅝ in.). Klebezettel: K.u.K. VILLA-INSPECTION ISCHL. Silberfäden angelaufen. [3450] Provenienz: Um 1870 im Auftrag Erzherzog Leopold Ludwigs von Österreich (1823–1898) / Wohl über einen seiner Erben Erzherzog Franz Salvator von Österreich (1866–1939) in die Kaiservilla in Bad Ischl / Nach 1945 Kunsthandel, Eisenstadt / 1990 Privatsammlung, Wien Literatur und Abbildung: Eva-Maria Orosz: Sitzgelegenheiten des Architekten Theophil Hansen. Die stilistische Ableitung und Einordnung in das Wiener Möbel, Wien 2000 € 10.000 – 15.000 $ 13,700 – 20,500 Vergleichsliteratur: Eva Ottlinger und Lieselotte Hanzl: Kaiserliche Interieurs. Die Wohnkultur des Wiener Hofes im 19. Jahrhundert und die Wiener Kunstgewerbereform, Wien 1997 Vergleichsobjekte: 20 Exemplare in Schloß Hernstein / 1 Exemplar Wien-Museum / 1 Exemplar Hofmobiliendepot Wien Grisebach 05|2014 Auftraggeber dieses kostspieligen Unterfangens war Erzherzog Leopold Ludwig von Österreich, der als Sohn des lombardischen Vizekönigs und Neffen des Kaisers in der Größe und Weite des Vielvölkerreiches aufgewachsen war. Als General-Genie-Inspektor war er besonders an technischen Innovationen interessiert und sollte diese Leidenschaft auch in seinen Schloßumbau einbringen, der 1866 begonnen wurde. Das von außen neogotisch umgestaltete Hernstein machte alsbald einen „imponierenden Eindruck seiner ganzen Erscheinung, mit allen Details der gewählten und reichen Einrichtung, ja selbst mit der Anordnung des umgebenden Parkes, der dem Baustyl des Hauses angepaßt wurde, ist es ein Werk unseres an der jüngsten Bauentwicklung Wiens so glänzend betheiligten Meisters Theophil v. Hansen und zugleich eines der interessantesten Objecte, um die Conception dieses Künstlers in einer von ihm sonst wenig verfolgten Richtung zu würdigen“ (Die Heimat, Bd. 1 (1878), S.132). Denn der aus Kopenhagen stammende Architekt war im Wien der Ringstraßenzeit an zahlreichen großen Bauprojekten beteiligt, die bis heute seinen Ruhm begründen. Und auch bei seinen Neubauten, wie dem Musikverein, der Akademie der Bildenden Künste und dem Parlament, sollte er Gesamtkunstwerke schaffen, die von der architektonischen Hülle bis zur Türklinke, vom Garten bis zum Möbel „durchgestylt“ waren. Und Hansen baute klassizistisch-antikisch, vermochte die deutschen Renaissanceformen modern und innovativ in seine Zeit und die jeweiligen Nutzungsanforderungen zu transferieren. Mit Hernstein bewies der Architekt darüber hinaus, diese Stilmerkmale hinter einer gotischen Fassade und mit einer technisch innovativen Ausstattung zusammenzufügen. Neben den Wandvertäfelungen, Decken und Böden kam den mobilen Einrichtungsgegenständen besondere Aufmerksamkeit zu. Angeblich war Hansen um 1835 in Berlin bei Karl Friedrich Schinkel ausgebildet worden und setzte sich daraufhin auch in Österreich dafür ein, gewerbliche Gestaltungsaufgaben den Architekten zu überlassen. Die Entwürfe zu Möbeln verarbeiten dazu Schmuckformen des Empire, verbunden mit technischen Innovationen, wie etwa Rollen. Nach Hansens Plänen fertigte so der kaiserliche Hoftischler Heinrich Dübell für Hernstein Laufsessel, die zum mobilen Bedarf im Schloß entworfen worden waren. Deren klarer tektonischer Aufbau orientierte „... ohne Beschränkung der Kunstmittel, die dabei nöthig erachtet werden“ 339 Theophil Hansen Kopenhagen 1813 – 1891 Wien sich an der Baukunst und wechselte von lastenden (horizontalen) zu tragenden (vertikalen) Teilen. Die nach hinten gebogenen Stuhlbeine des Hernsteiner Laufsessels (siehe Katalog 338) bewahren vor dem Nachhintenumfallen, die leicht gebogene Rückenlehne paßt sich ergonomisch dem Rücken an, was Hansens Orientierung am antiken Klismos-Stuhl zeigt. Zeitgenössische Kunstgewerbekritik bezeichnete diesen Stil als „griechische Antike“ im Rahmen der Neorenaissance. Kaminblasebalg aus dem Schloß Hernstein in Niederösterreich. Um 1870 Vergoldeter Bronzeguß von Johann David Hollenbach (1810–1871), Wien / rotes Leder. 36 x 13 cm (14 ⅛ x 5 ⅛ in.). Leder gerissen. [3450] Provenienz: Um 1870 im Auftrag von Erzherzog Leopold Ludwig von Österreich (1813–1891) / Privatsammlung, Wien € 1.000 – 2.000 $ 1,370 – 2,740 Vergleichsstück: Zwei Exemplare in Schloß Hernstein Sorgfältigst sind die Schnitzereien und Vergoldungen ausgeführt, die Hansen wie alle kunsthandwerklichen Arbeiten selbst überwachte und abnahm. All seine Entwürfe wurden mit den Tischlern ausprobiert und zur Not mehrfach modifiziert, selbst bei der Ziselierung der Bronzen wollte Hansen dabei sein. Im ausführenden Bronzearbeiter David Hollenbach, der Hernstein ausstattete, hatte Hansen hier einen genialen Konterpart. Hollenbach hatte den künstlerischen Bronzeguß wieder in Wien eingeführt und technisch perfektioniert, wofür er auf den Weltausstellungen prämiert und gefeiert wurde: „(...) so können sich doch, was vollendete Vereinigung von künstlerischer Auffassung und Technik betrifft, wenig andere messen mit der Bronzefabrik D.Hollenbach in Wien, deren Erzeugnisse in der Tat die Bewunderung und den Neid der Franzosen und Briten in hohem Grade erregen“ (lllustrierter Katalog der Pariser Weltausstellung 1867, Leipzig 1868, S. 61). Die Ausführung des Blasebalgs der Hernstein-Ausstattung belegt dies anschaulich. Klug wird unter der durchbrochenen Erzherzogskrone der Ansauger verborgen, der den Blasebalg mit Luft versorgt. Bei seiner Gestaltung nutzt Hansen sein kluges System von motivischen Bezügen, die – keine Wiederholung von Dekorationsmotiven – alle Bauteile, Möbel und kleinkunstgewerblichen Gegenstände Hernsteins zu einem harmonischen Gesamtkunstwerk zusammenfügen (siehe Abbildung des Ahnensaales). Während auf vielen Teilen der einzig für Hernstein entworfenen Ausstattung das Monogramm des erzherzoglichen Auftraggebers und Hausherren prangt, ließ Leopold Ludwig 1881 am Eingang des Hauses eine Plakette stolz verkünden, das Schloß sei „hergestellt und eingerichtet nach den Entwürfen und unter der Leitung des Architekten Theophil Hansen“. – Eine Hommage an den Klassizisten, historistischen Architekten und Erneuerer des Gewerbefleißes in Österreich Theophil Hansen, dessen Innovationen und Formen nachfolgend auch von Otto Wagner aufgenommen wurde. (SK) Grisebach 05|2014 All seine Entwürfe wurden mit den Tischlern ausprobiert und zur Not mehrfach modifiziert, selbst bei der Ziselierung der Bronzen wollte Hansen dabei sein. 340 Carl Moll 1861 – Wien – 1945 „Acht Tage dauerte dann im Wiener Sanatorium Loew das Sterben. Die beiden letzten Stunden durfte ich Mahler mit dem Sauerstoffapparat das Atmen erleichtern. Um 11 Uhr nachts trat das Ende ein. [...] Ich hielt den Rest der Nacht und den nächsten Tag Totenwache, dann nahm ich die Totenmaske ab. Unser Leben hatte einen tiefen Riß bekommen“, resümiert Mahlers Schwiegervater Carl Moll, der Stiefvater von Alma (1879–1964), in seinen Lebenserinnerungen. Die demnach vom Maler Carl Moll abgenommene Totenmaske ist das letzte Abbild des großen Musikschöpfers, gleichzeitig ist sie ein privates Zeugnis aus seinem nächsten Familienumkreis. Totenmaske Gustav Mahlers (1860–1911). 1911 Gips. 27 x 19 x 19 cm (10 ⅝ x 7 ½ x 7 ½ in.). [3374] Provenienz: Aus dem Besitz von Helene Pührmayer, Lektorin im 1923 gegründeten Zsolnay-Verlag (dort im Kontakt mit Anna Mahler-Zsolnay (1904–1988), der Tochter des Komponisten) / Deren Schwester Friederike Stojan, geb. Pührmayer (gest. 1981) / Seitdem Familienbesitz, Österreich Literatur: Carl Moll: Mein Leben, Wien 1943, S.170ff. / Alfred Roller: Die Bildnisse von Gustav Mahler, Leipzig 1921, S. 27 € 6.000 – 8.000 $ 8,220 – 10,960 Vergleichsobjekte: Totenmaske im WienMuseum, Gustav-Mahler-GesellschaftWien, (jeweils mit großem Halsausschnitt, angeblich von Anton Sandig ausgeformt) / Médiathèque Musicale Mahler, Paris (diese aus dem Besitz von Alfred Roller und mit kurzem Halsausschnitt) Grisebach 05|2014 Im Augenblick des Todes beginnt der unaufhaltsame Zerfall des menschlichen Körpers. Eine gewisse Zeit bleibt in unserem Gedächtnis zwar die Erinnerung an einen Menschen bestehen, doch auch diese verblaßt unaufhaltsam. Standbilder und Portraits helfen zwar die Erinnerung aufrechtzuerhalten, doch spiegeln sich darin eigentlich nur, idealisiert, die Erwartungen an die Dargestellten. Ganz anders die Totenmaske: im letzten Augenblick der körperlichen Unversehrtheit abgenommen, ist die Totenmaske frei von jeglichen sich darin spiegelnden Gefühlen, Absichten oder anderen das Wahre verzerrenden Gesten. Sie ist das unverfälschte und intimste Abbild des Verstorbenen. Der Künstler und Mahler-Freund Alfred Roller (1864–1935) beschrieb dies 1921: „Als ich am Morgen nach der Todesnacht von Mahlers Sterblichem Abschied nahm, trugen seine Züge noch die Qual des langen Todeskampfes. Klimt, der ihn mehrere Stunden später sah, erzählte mir, wie feierlich ruhig und erhaben schon sie in der Folge geworden seien und so zeigt sie uns auch die wunderbare, durch Moll genommene Totenmaske.“ Vergleicht man dieses letzte Abbild mit Mahlers Büste von Rodin, so blickt man selbstverständlich auf zwei vollkommen verschiedene Welten: das Dynamische in der Plastik und das Ruhige in der Maske. Bei Rodin einer der wichtigsten Geister der Musikgeschichte, der Erneuerer und Reformer, der Eroberer neuer Dimensionen, hier der Mensch, Vater, Schwiegervater, Freund, wie nur die wenigsten ihn erleben durften. Als der Komponist in Wien starb, schrieb die New York Tribune: „Wir halten es für ausgeschlossen, daß seine Musik ihn lange überleben wird. Zwischen der alten und der neuen Schule gibt es keinen Platz für sie.“ –Heute wissen wir es besser, das Genie Mahler ist mit seiner Musik aus dem Kanon der Hochkultur nicht wegzudenken. Seine Totenmaske erlaubt uns jedoch einen Blick auf einen anderen Gustav Mahler. (PG) „Klimt, der ihn mehrere Stunden später sah, erzählte mir, wie feierlich ruhig und erhaben schon [seine Züge] in der Folge geworden seien.“ 341 Borneo. Kalimantan, Volk der Dayak Wenn eine Familie aus dem Volk der Dayak vom südlichen Teil der Insel Borneo den Tod eines ihrer Oberhäupter zu beklagen hatte, wurde eine Skulptur geschnitzt wie die, die wir hier präsentieren. Mann nennt diese Kunstwerke auch Hampatong-Figuren. Traditionell standen sie einst vor den für die Dayak-Siedlungen typischen Langhäusern. Der Behelfsname „Wächterfigur“ gibt einen Hinweis auf ihre Funktion. Die Skulpturen sollten die Bewohner des Hauses vor Gefahren schützen. Darauf deuten ihre weit ausgebreiteten Arme, die stets separat gefertigt und anschließend am Körper befestigt wurden. In manchen Publikationen werden die Figuren wegen ihrer Armhaltung auch als tanzend beschrieben, was freilich kein Widerspruch sein muß. Stehende Wächterfigur mit ausgebreiteten Armen: Hampatong Pantak. 19. – frühes 20. Jahrhundert Eisenholz (Kompasia), geschnitzt / Arme eingesteckt. 132 x 114 x 15 cm (52 x 44 ⅞ x 5 ⅞ in.). Wetterbedingte Erosionsspuren an Kopf und Schultern, Reste einer Fassung. [3453] Provenienz: 1979 Kunsthandlung Alte Asiatische Kunst Günter Venske, Berlin / Privatsammlung, Frankreich € 18.000 – 22.000 $ 24,700 – 30,100 Vergleichsliteratur: Jerome Feldman (Hrsg.): The Eloquent Dead. Ancestral Sculpture of Indonesia Asia, Ausst.-Kat., Los Angeles 1985, S. 41ff. Grisebach 05|2014 Aus besonders hartem Eisenholz gearbeitet, befindet sich unser Exemplar bis auf einige Verwitterungsspuren an Kopf und Schultern in gutem Erhaltungszustand. Mit einer Höhe von gut 1,30 Meter zählt sie zu den größeren Versionen der Gattung, oft sind Hampatong-Figuren auch nur einen Meter hoch. Was die Datierung anbelangt, so läßt sich der Zeitpunkt ihrer Entstehung lediglich auf den Zeitraum vom späten 19. bis zum ersten Drittel des 20. Jahrhunderts eingrenzen. – Damals starb der Dayak-Kult weitgehend aus. Die meisten aus dieser Zeit überlieferten, bekannten Hampatong-Figuren weisen männliche Attribute auf, es existieren aber auch vereinzelt weibliche Figuren. Den hohen Rang, den diese Kunstwerke in der Gemeinschaft der Dayak innehatten, verdeutlichen die kunstvolle, aufwendige Ausführung und vor allem die überaus sorgfältig herausgearbeiteten Details der Physiognomie der Skulptur. Besonders auf die Gestaltung des Antlitzes legten der unbekannte Künstler respektive seine Auftraggeber offenkundig größten Wert. Danach wurde die Figur auch noch bemalt, wie Reste einer farbigen Fassung belegen, und mit Kleidung, Blüten und Erinnerungsstücken an die Toten geschmückt. Den Hampatong-Figuren kam aber auch bereits während der Zeremonie für den Verstorbenen eine wichtige Rolle zu. In ihnen sollte den religiösen Vorstellungen der Dayak nach der Geist des Verstorbenen vorübergehend Aufnahme finden. Erst danach konnte dieser seine Reise ins Totenreich antreten. (UC) In ihnen sollte den religiösen Vorstellungen der Dayak nach der Geist des Verstorbenen vorübergehend Aufnahme finden. 342 Gabriel Hermeling 1833 – Köln – 1904 In der sich anbahnenden Stilwende, zwischen Historismus und Jugendstil, entstanden die Windlichter aus der Werkstatt des Hofgoldschmiedes Gabriel Hermeling. Der neue Stil, der später so als Jugendstil bezeichnet wurde, deutet sich bereits in den floralen Elementen an, die das Kerzenlicht in Form eines geöffneten Blütenkelchs mit plastischem Blattwerk umgeben. Der meisterhafte Einsatz von Transluzidemail, einer farbigen Glaspaste, aus dem die Blüten gefertigt sind, entsprach jedoch noch dem Kunstverständnis des Historismus, dem Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts, der sich in historisierenden Techniken und der Wiederaufnahme vergangener Kunstepochen hervortat. Acht Windlichter mit Kerzenaufsätzen in einer Kassette. Um 1900 Transluzidemail, Messing, vergoldet; Porzellan; Holz; zeitgenössische Kassette. Je 8 cm (14 cm mit Kerzenaufsatz) (3 ⅛ in. (5 ½ in. mit Kerzenaufsatz)). Gabriel Hermeling / Hof-Goldschmid & Emailleur / KÖLN. Minimale Materialausbrüche bei Nr. I, III, VIII. [3439] Provenienz: Seit 1978 Privatsammlung, Berlin € 3.000 – 5.000 $ 4,110 – 6,850 Gabriel Hermeling war einer der führenden Goldschmiedemeister in den preußischen Rheinlanden, er erfreute sich der besonderen Gunst der Hohenzollern und besonders Kaiser Wilhelms II. (1859 - 1941). Seine Pokale, Tafelaufsätze, Prunkbrunnen und Prunkgefäße, die anläßlich von Staatsbesuchen, Einweihungen oder Gedenkfeiern angefertigt wurden, verwenden neben der reichen Goldarbeit die Farbigkeit von Edelsteinen wie Jaspis, Bergkristall, Lapislazuli und immer wieder das arbeitsintensive und aufwendige Transluzidemail. Hermelings Arbeiten erreichen damit eine ungeheuer prächtige Anmutung, die in der Tradition mittelalterlicher Kunst- und Kultobjekte zu sehen sind. Im Stadtmuseum Köln sind diese kostbaren Zeugnisse exquisiter, traditionsreicher Handwerkskunst an der Schwelle zu einem neuen Jahrhundert zu finden. Hermelings Nachfolger, Josef Kleefisch, der die Werkstatt übernahm, setzte diese Tradition fort. 1914 entstand der neo-romanische Agilophus-Schrein für den Kölner Dom. Neben den offiziellen Arbeiten fertigte Hermeling aber auch Luxusartikel für die häusliche Sphäre. Die Windlichter weisen mit ihrer Farbigkeit jene Wirkung von „Glut und Schimmer“ (Dolf Sternberger) auf, die das Fin de siècle liebte. Der innere Orient hielt Einzug in die prunkvollen Räume einer reichen Bourgeoisie. Der bewegte und flackernde Schein der Kerzen brachte die Leuchtkraft des Emails in besonderer Weise zur Wirkung. Es entstand eine mystische Atmosphäre, die durch das farbige, matte Licht hervorgerufen wurde und eine magische, wohlig glühende Dämmerung ergab, die der mentalen Bereitschaft einer speziellen Klientel entgegenkam, sich verschwimmenden Gefühlswelten hinzugeben. Die originale Kassette, in der die Windlichter aufbewahrt werden, läßt sie eindringlich als Preziosen erscheinen, dem Alltag entzogen, eine Aura des Außergewöhnlichen evozierend. Wir danken für diesen Text Dr. Ingeborg Becker, Berlin. Grisebach 05|2014 Es entstand eine mystische Atmosphäre, die der mentalen Bereitschaft einer speziellen Klientel entgegenkam, sich verschwimmenden Gefühlswelten hinzugeben. 343 Wohl Belgien Noch niemals wurde der Darstellung von Blumen und Pflanzen eine solche Priorität eingeräumt wie in der neuen, international sich artikulierenden Stilkunst, die ab 1890 in ganz Europa entstand. Art Nouveau oder Jugendstil stellte im Unterschied zu dem vorherrschenden schweren, feierlichen und pompösen Stil des Historismus die organisch bewegte Natur in den Mittelpunkt ihrer Kunstauffassung. Die „wüchsigen“, vertikal strebenden Kräfte der Pflanzenwelt wurden in abstrahierender Weise künstlerisch umgesetzt. Ein Phänomen war, daß der Jugendstil oder Art Nouveau generell eine besondere Vorliebe für bestimmte Pflanzen entwickelte, hierzu gehörten besonders die Seerosen. Die dekorative Schönheit ihrer Blüten, der schwankende, bewegte Standort auf dem Wasser, ihre weit nach unten reichenden Stängel der ausgestreckten Wurzeln machten sie zu einem Gewächs der unergründlichen Tiefe. Kronleuchter mit Schilf- und Seerosendekor. 1900/1910 Messing, gegossen, ziseliert; ursprünglicher Oberflächenüberzug: Zaponlack über Gelbbrenne. 130 x 85 cm (51 ⅛ x 33 ½ in.). Originale Porzellanglühbirnenhalterungen. [3214] Provenienz: Privatsammlung, Deutschland € 8.000 – 10.000 $ 10,960 – 13,700 Vergleichsliteratur: Moderne Beleuchtungskörper; in: Dekorative Kunst. Illustrierte Zeitschrift für Angewandte Kunst, München 1898, Band 1, S. 4–14 Für die Künstler des Art Nouveau ergab sich hieraus eine einzigartige Anziehungskraft, die sich aus der Vorliebe für das Dekorative, aber auch für das Nachtseitige der Natur herleitete. Dieser frühe elektrische Deckenluster, wohl um 1900/1910 entstanden, ein Beleuchtungskörper der damals modernsten Technik, vereint zwei im Wasser wachsende Pflanzen, Seerose und Alge. Während die aufstrebenden Lusterarme sich aus den Stängeln der Seerose bilden und die Fassungen der Birnen in die geöffneten Blüten eingefügt sind, besteht die plastische, durchbrochene Korbzone aus den charakteristischen Ausformungen, einer an Nord- und Ostsee heimischen Algenart (wohl Ulva lactula). Ähnlich den Metro-Eingängen, die der französische Architekt Hector Guimard (1867–1942) um 1900 für das Pariser Stadtbild entwarf, schienen sich Technik und Naturbeseelung nicht zu widersprechen. Der internationale Jugendstil bezog aber auch seine wichtigsten Impulse aus Brüssel, wo vielleicht auch dieser Leuchter entstanden sein könnte. In Deutschland trat besonders der Jugendstil-Künstler Otto Eckmann (1865–1902) mit modernen elektrischen Lampen hervor, die als Pflanzenskulpturen gestaltet waren. Die zeittypische Faszination des Jugendstils für die „Verwandlung des Gegenstands“ übertrug die Konstruktion dieses raumgreifenden Lusters in das dynamische Gerüst der Pflanzen und ein Objekt der technischen Funktionalität erfuhr damit seine Metamorphose zu einem verzauberten artifiziellen Gebilde der Natur. Wir danken für diesen Text Dr. Ingeborg Becker, Berlin. Grisebach 05|2014 Die dekorative Schönheit ihrer Blüten und die weit nach unten reichenden Wurzeln machten die Seerose zu einem Gewächs der unergründlichen Tiefe. 344 Viktor Paul Mohn Meißen 1842 – 1911 Berlin In seiner Biographie über den großen Zeichner der Romantik, Ludwig Richter (1803–1884), bedauerte dessen Lieblingsschüler: „Es ist schade, daß die unvergleichlichen, durch die Brüder Grimm gesammelten Märchen unserem Richter nicht zum Illustrieren übergeben wurden, das wäre ein Werk geworden wie kaum ein zweites in Deutschland...“ (1896, S. 68). – Viktor Paul Mohn sollte schließlich diese Aufgabe übernehmen und das Erbe seines Meisters in der verdichteten Ausführlichkeit seiner Aquarelle weiterführen. Mohn war schon als Lehrling im Atelier Ludwig Richters gewesen, wo er dessen Formtradition der schwingenden Linie aufnahm. Seit 1876 führte Mohn das Atelier des altersschwachen Richter und widmete sich – wie dieser – der Illustration von Büchern. 1880 erhielt der damals 38jährige Mohn vom Berliner Verleger Georg Stilke (1840–1900) den Auftrag zur Gestaltung einer Teilausgabe der Märchen der Brüder Grimm. – Zwei Jahre später erschien diese erste durchgehend in Farbe illustrierte Grimm-Ausgabe mit 42 Chromolithographien nach Zeichnungen und Aquarellen Mohns. 34 Entwürfe zum Buch „Märchen-Strauß für Kind und Haus“ . 1880-1882 Feder, Tusche, Aquarell und Deckfarben über Bleistift auf festem Kartonpapier, auf Karton montiert, in einer Mappe. gr. 2°. Zahlreiche Siganturen und Datierungen, z.B. am Schmutztitel „Märchen-Strauß für Kind und Haus. Mit Bildern von V.P. Mohn. / Berlin-Verlag von Georg Stilke“, Mohn 24. Mai 1882. Mappenrand leicht ausgerissen. [3392] Provenienz: Ehemals Sammlung Dr. Eugen Lucius (1834–1903), Frankfurt am Main (direkt beim Künstler erworben) / Seitdem Familienbesitz, Niederlande € 5.000 – 7.000 $ 6,850 – 9,590 Vergleichsliteratur: Regina Freyberger: Märchenbilder-Bildermärchen. Illustrationen zu Grimms Märchen, Oberhausen 2009, S. 98ff. Grisebach 05|2014 Unsere Mappe mit einem Großteil der Vorlagen, Skizzen und Entwürfe zu diesem für Mohn wichtigen Projekt verrät den Werkprozeß. Der Zeichner stellt die Landschaften in den Mittelpunkt. Tiefe und dunkle Wälder, luftige Lichtungen, romantische Häuschen und gotische Burgen bilden die Märchen-Idyllen der großen Blätter. Textseiten werden von figürlichen Bordüren oder Simultanbildern begleitet. Unsere sorgsam datierten Blätter zeigen alle Stadien des Entwurfes zum „Märchen-Strauß“– von der Bleistiftskizze schmaler Bildbordüren bis hin zu durchaquarellierten Vorsatzseiten. Mohn erweist sich dabei als Meister des Kolorierens und Aquarellierens, seine Linien sind klar und reduziert. Damit bleibt er – besonders bei den Figuren – ganz dem Illustrationsstil seines verehrten Meisters Richter treu. Und dennoch stellt sich bei Mohns Blättern neben die romantische Naturnähe auch realistische Dramatik: denn die idyllischen MärchenLandschaften sind immer auch gefährlich – in ihrer Gestaltung wie im aufregend verdichteten Kolorit. So fängt Sterntaler romantisch den sterngleißenden Himmel auf und steht doch bedrohlich nahe dem finsteren Abgrund. Es sind diese schaurig-schönen Bilder, die Viktor Paul Mohn zu einem Spätromantiker auf dem Weg zum malerischen Realismus machen. Die von Verleger Stilke klug über den von ihm eingeführten Bahnhofshandel vertriebenen Märchenbücher wurden ein Riesenerfolg in Deutschland. Für Mohn folgten weitere Illustrationsaufträge zu modernen Märchen und die Gestaltung der ersten „offiziellen“ Großen Ausgabe der Kinderund Hausmärchen, die Herman Grimm (1828–1901) 1893 herausgab. – Richter wäre stolz auf seinen Lieblingsschüler gewesen. (SK) 87 max. Klappenbreite 185 mm, Bild ist etwas verkleinert 87 Grisebach 05|2014 345 Louis Gilbert Louis Gilbert gilt als ein noch zu entdeckender Einbandkünstler, wie die außerordentliche Kunstfertigkeit der rund 250 Ausführungsentwürfe aus dem Nachlaß des Künstlers vor Augen führt. Er arbeitet in einer Zeit, als die französische Buchgestaltung im Stil des Art-déco Weltgeltung erlangt hatte. Für zwei der namhaftesten Buchkünstler, für Georges Cretté (1893–1969) und insbesondere für den Begründer der reliure originale, Pierre Legrain (1889–1929), fertigte Louis Gilbert Einbände und deren Modelle. Sammlung von 247 Entwürfen zu Art-déco-Bucheinbänden. Um 1920/30 Aquarell, Tusche, Feder, Bronze- und Goldstift, teilweise über Bleistift, auf verschiedenfarbigem Papier, teilweise mit Reliefwirkung. 4° und 8°. Entwurf rückseitig in Goldbronze signiert: Louis Gilbert / teilweise rückseitig Titel, Autoren und Auftraggeber der Einbandentwürfe vermerkt. 109 Blatt mit Titeln bezeichnet, 54 Blatt für Einbände der Größe 8° (oktav), 81 Entwürfe für Buchrücken (in unterschiedlichen Größen), zahlreiche Notizen. [3489] Provenienz: Wohl aus dem Archiv des Künstlers / 1980 Kunsthandel, Boston / Seitdem Privatsammlung, Hamburg € 8.500 – 10.000 $ 11,640 – 13,700 Vergleichsliteratur: Julien Flety: Dictionnaire des relieurs français ayant exercé de 1800 à nos jours. Suivi d’un guide pratique des relieurs, doreurs, marbreurs et restaurateurs contemporains, Paris 1988, S. 80 Grisebach 05|2014 Legrain hatte zusammen mit dem Pariser Modemacher und Buchliebhaber Jacques Doucet (1853–1929) die Einbandkunst epochemachend modernisiert. Das klassische darstellende, bildhafte Design, das sich vor allem an verspielten Blumenverzierungen als Dekorationselement bediente, erschien ihnen zum einen ästhetisch nicht mehr zeitgemäß, zum anderen fehlte ihnen der Aspekt der künstlerischen Einheit mit dem inhaltlichen Gehalt des literarischen Werkes. Moderne Werke wie diejenigen Marcel Prousts, Guillaume Apollinaires oder André Gides benötigten eine moderne Interpretation und diese sollte durch die reliure originale gewährleistet sein. Der neue Stil, bei dem Buchrücken und -deckel als fließende graphische Einheit betrachtet werden, wird von der Ästhetik der Schöpfungen der Gegenwartsplastik beherrscht. Legrain entwickelte ein neues Formenvokabular aus abstrakten geometrischen Motiven, das dem dekorativen Eindruck des gesamten Einbandes zu größerer Reinheit verhelfen sollte. Nach diesem modernen Konzept arbeitete auch Gilbert: Wesentlicher Bestandteil war das innovative Verfahren, die visuelle Dominanz der Buchtitel aufzulösen und die Buchstaben als graphische Elemente in die Entwürfe unmittelbar zu integrieren. Auch bei der Wahl des Arbeitsmaterials zeigten sich Legrain und Gilbert äußerst experimentierfreudig. Leder und andere Tierhäute lassen sich mit Gold-, Elfenbein-, Perlmutt- oder Holz-Intarsien zu einer neuartigen Textur verbinden, mit der der hochwertige Bucheinband eine außergewöhnliche taktile Qualität gewinnt. Aufgrund der großen bibliophilen Tradition in Frankreich war das Sammeln von Büchern schon um die Jahrhundertwende in Paris sehr populär, insbesondere als Künstler wie Henri de Toulouse-Lautrec, Pierre Bonnard oder Raoul Dufy von Verlagen und Bücherclubs beauftragt wurden, Motive für Einbände zu entwerfen. Die luxuriösen Werke in limitierten Auflagen hielten Einzug in die erlesensten Privatbibliotheken, die um diese prachtvollen Kunsteinbände „à la Legrain“ bereichert wurden. Bis heute sind Bücher mit den verwirklichten und signierten Einbänden Louis Gilberts gesuchte Raritäten unter Bibliophilen. (JK) Grisebach 05|2014 Er arbeitet in einer Zeit, als die französische Buchgestaltung im Stil des Art-déco Weltgeltung erlangt hatte. 346 Staatliche PorzellanManufaktur Berlin In den goldenen zwanziger Jahren stand der „kleine grüne Kaktus“ nicht nur am Balkon, sondern auch gern im feinsten Porzellan der Berliner Manufaktur. Hierzu wurde ein quaderförmiger Kasten mit seitlichen Handhaben der chemisch-technischen Produktion der Manufaktur zu einem Kakteenkasten umfunktioniert. Unser Kasten wurde nach einem Entwurf des neusachlichen Malers Richard Seewald mit Figuren der Comedia dell’Arte dekoriert, wie sie in den 1920er Jahren beliebt waren. Kakteenkasten mit Figuren der Commedia dell’Arte. Nach dem Entwurf von Richard Seewald (1889–1976). 1927 Porzellan, staffiert. 27 x 23 x 15 cm (10 ⅝ x 9 x 5 ⅞ in.). Unterglasurblaue Zeptermarke, aufglasurblauer Reichsapfel über K.P.M., eigepreßter Jahresbuchstabe β (für 1927). [3178] Provenienz: Privatsammlung, Berlin Ausstellung des Modelles: Weltausstellung in Barcelona, 1929 / Sonderschau „Berliner Porzellan“ in Berlin, 1930 / Deutsche Porzellan-Ausstellung in Den Haag, 1931 / Sechs Jahrtausende Töpferkunst in der Akademie der Künste in Berlin, 1934 € 10.000 – 12.000 $ 13,700 – 16,400 Vergleichsabbildung: Erich Köllmann: Berliner Porzellan, München 1987, Bd. I, S. 211, Abb. 131 Wir danken Tim D. Gronert für die Bereitstellung von Materialien aus seiner Publikation: Berliner Porzellan 1918 – 1968. Künstler und Werke der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (voraussichtlicher Erscheinungstermin Frühjahr 2015). Grisebach 05|2014 Seewald war Mitglied der „Neuen Secession“ und des überregionalen „Deutschen Künstlerbundes“, die beide im Sinne progressiver künstlerischer Ideen gegründet worden waren und zur Freiheit der Kunst in allen Bereichen der Gestaltung beitragen wollten: so entwarf er 1920 für das Münchner Nationaltheater Bühnendekorationen für das Ballett Karneval, brachte Gestalten aus der Commedia dell’Arte auf die Wandbilder des Hansahochhauses in Köln, malte 1926 das Gemälde „Karneval (Köln)“ und ließ 1927 Harlekin, Pierrot und Columbine im Dekorentwurf unseres Kakteenkastens auf Porzellan „auftreten“. – Ein Thema also in vielen Medien, das in Seewalds Schaffenszeit von hoher Bedeutung war und auf dem Kakteenkasten sicherlich seinen künstlerischen Höhepunkt erreichte. Elegant überträgt sich hier das Rautenmuster des Harlekin-Kostüms auf die Handhaben des Kastens. Die Figuren der Commedia dell’Arte treten auf der expressionistisch stilisierten Bühne auf, an den Schmalseiten lehnen Musikinstrumente. Durch umlaufende asymmetrische Kulissen werden die Einzelhandlungen der Ansichtsseiten zu einer „Bühnenhandlung“ zusammengezogen. Die auf vorwiegend rote und schwarz-graue Töne reduzierte Farbpalette abstrahiert die im Original viel farbiger dekorierten Kostüme der Commedia im schlichten Stil der Neuen Sachlichkeit. Diese avantgardistische künstlerische Neuausrichtung der altehrwürdigen KPM begann Mitte der 1920er Jahre unter Direktor Nicola Moufang (1886–1967). Neue Formen und Malereien sollten den Porzellanen moderne Impulse geben. Hierzu wurden auch Maler außerhalb der Manufaktur beauftragt, wie Charles Crodel, Caesar Klein und eben Richard Seewald. Mit Seewalds „Robinson-Crusoe-Service“, das 1929 zusammen mit unserem Commedia-dell’Arte-Kasten für Kakteen auf der Weltausstellung in Barcelona zum ersten Mal präsentiert wurde, und einer Variante des Kakteenkastens mit „Elefant und Tiger in Steppenlandschaft“ thematisierte die Manufaktur in den lebenslüsternen Golden Twenties den Karneval und die Exotik der Ferne. – In der Resonanz des Publikums war dies ebenso treffsicher wie die Stacheln des berühmten grünen Kaktus. (AE) Elegant überträgt sich hier das Rautenmuster des Harlekin-Kostüms auf die Handhaben des Kastens. 347 Staatliche PorzellanManufaktur Berlin In geometrischer Strenge gestaltete der Maler und Grafiker Ernst Böhm für die damals Staatliche Porzellan-Manufaktur Berlin eine elegante Vase in motivischer Anlehnung an Piet Mondrian (1872–1944). Seit 1917 hatte dieser mit abstrakten Gemälden und der zusammen mit Theo van Doesburg herausgegebenen Zeitschrift „De Stijl“ eine avantgardistische Kunsttheorie formuliert. Mondrians gestalterische Impulse fanden so rasch auch in Berlin ihre Rezeption. Ernst Böhm prägte seit 1924 in seiner Funktion als Professor an den Vereinigten Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst in BerlinCharlottenburg das industrielle Kunstgewerbe in der Weimarer Republik entscheidend mit. Zahlreiche Werbegestaltungen gehen auf ihn zurück, so beispielsweise auch die vier Ringe für die Auto Union, bis heute das Firmenlogo von Audi. Für die Berliner Porzellan-Manufaktur schuf Böhm allein mehr als 80 Dekorentwürfe und Formen. Sog. Mondrian-Vase (auch Chinesische Vase als Lampenfuß). Nach dem Entwurf von Ernst Böhm (1890–1963). 1926 KPM-Modell-Nr. 2.053 (um 1855) / Porzellan, staffiert, vergoldet. 66 cm (26 in.). Aufglasurroter Reichsapfel über K.P.M., eingepreßter Jahresbuchstabe α (für 1926). Die blaue Zeptermarke ist durch die Bohrung des Loches für die Montierung nicht mehr sichtbar. Originale Lampenvorrichtung (110 cm). [3570] Provenienz: Privatsammlung, Berlin Ausstellung des Modells: Mostra internazionale delle arti decorative in Monza, 1927 / Wohnungskunst-Ausstellung in Düsseldorf, 1928 / Leistungsschau der Deutschen Porzellan-Industrie in Wiesbaden, 1928 Literatur und Abbildung: Deutsche Kunst und Dekoration, 1927/28, Bd. 61, S. 225, S. 227 / Deutsche Kunst und Dekoration, 1928/ 29, Bd. 63, S. 80 / Sprechsaal für Keramik, 1929, Jg. 62, Nr. 8, S.145 € 8.000 – 10.000 $ 10,960 – 13,700 Vergleichsobjekt und -literatur: Karl Bröhan: Bestandskatalog des Bröhan-Museums, Berlin 1993, S. 226, Nr. 226 / Hartmut Krohm (Hrsg.): Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin 17632013. Porzellankunst aus privaten Sammlungen, Petersberg 2013, Kat.-Nr. 77, S.176f. Grisebach 05|2014 Das Ende des Ersten Weltkrieges mit dem Ende der Monarchie bedeutete für die Königliche Porzellan-Manufaktur einen Schnitt in Unternehmenspolitik und Dekorsprache. Mit dem neuen Direktor Nicola Moufang (1886–1967) sollte eine progressive Kunstauffassung Einzug halten. In dieser Ära der künstlerischen Erneuerungen, verbunden mit einem Bedürfnis wohlhabender Bürger nach einer eleganten Einrichtung der Haushalte, schuf Ernst Böhm unseren Lampenfuß, indem er die seit 1855 bei der KPM ausgeformte „Vase nach chinesischem Vorbild“ nutzte und diese mit dem hochmodernen abstrakten Dekor im Stile Piet Mondrians versah, wobei er die Palette auf Rot, Schwarz, Grau und Gold reduzierte. Zahlreiche Ausstellungen belegen dann auch die hohe Wertschätzung dieser innovativen Umwidmung einer Vase zur Lampe: Auftakt war 1927 die „Mostra internazionale delle arti decorative“ in Monza, wo Böhms Lampe im „hellen Damenzimmer“ gezeigt wurde (Abbildung). Es folgten weitere Ausstellungen, in denen sie das Zentrum und Glanzlicht der „modernen Kunstporzellane“ am Stand der Porzellan-Manufaktur war. Das so prominent präsentierte Modell der Mondrian-Vase Ernst Böhms dürfte jedoch nicht häufig gefertigt worden sein, denn nur wenige weitere Exemplare sind heute bekannt. (AE) 348 China China war Ende des 19. Jahrhunderts geschwächt durch politische Unruhen und Kriege an jeder Front. Es wurde unter den imperialistischen Weltmächten aufgeteilt und Deutschland wollte ohne ein Stück abhaben. – Unsere Vogelschaukarte zeigt das Ergebnis dieses Expansionsdrangs, eine deutsche Stadt in der Bucht von Jiaozhou (Kiaotschou) auf der Halbinsel Shangdong (Schangtung) am Chinesischen Meer. Vogelschauplan der deutschen Koloniestadt Tsingtao 青島 全圖 (Qingdao). Um 1910 Tusche und Karte auf Seide (Shirting). 76 x 139,5 cm (Rahmen 91 x 152 cm) (29 ⅞ x 54 ⅞ in. (frame 35 ⅞ x 59 ⅞ in.)). Leichte Lichtschäden. [3442] Gerahmt. Provenienz: Sammlung Gregory Cheng, Los Angeles / Seit 1980 Privatsammlung, Köln € 6.000 – 8.000 $ 8,220 – 10,960 Seit 1894 wurde nach einem passenden Ort gesucht, um einen Hafen für die wachsende deutsche Flotte zu bauen. Drei Jahre später ging ein Landungskorp in Qingdao (Tsingtao) an Land und besetzte die Region. Am 6. März 1898 wurde die Bucht für 99 Jahre an das Deutsche Kaiserreich verpachtet. Die Kolonie Kiaotschou sollte zu einer „Musterkolonie“ werden. Die Vogelschaukarte zeigt die Errungenschaften der deutschen Kolonialmacht. Denn innerhalb von wenigen Jahren bauten die Deutschen eine gut funktionierende Infrastruktur auf. Gut zu erkennen ist die Bahnhofsanlage westlich des Stadtzentrums. – Schon direkt nach der Besetzung wurde am Anschluß Tsingtaos an das chinesische Eisenbahnnetz gearbeitet. Ab 1904 betrug die Reisedauer per Zug von Berlin nach Tsingtao 15 Tage. 60.000 Deutsche strömten in die östliche Kolonie. Es wurden Kirchen, Schulen und sogar eine deutschchinesische Hochschule gebaut, die auf der Karte zu sehen sind. Es ist schwer zu sagen, für wen eine solche Karte gezeichnet wurde. Auffällig ist die Plazierung des Titels der Karte oben links, nach westlicher Lesart. Doch sind die Zeichen nach chinesischer Tradition von rechts nach links angeordnet. Die Karte ist mit lockerer Hand gezeichnet. Die Perspektive folgt mit einer 45-Grad-Aufsicht einer chinesischen Kartentradition, in der vor allem Palastanlagen dargestellt wurden. Stilistisch ist sie damit der chinesischen Landschaftsmalerei sehr nahe. Der sicherlich chinesische Kartograph legte viel Wert auf Details: So ist das Gouverneursgebäude im Zentrum in Stockwerk- und Fensterbogenanzahl korrekt dargestellt. Die zwei bekanntesten Gebäude der Stadt waren die evangelische Kirche und der Gouverneurspalast im Osten der Stadt am Fuße des Diederichs-Berges, der in unserer Karte stilistisch chinesischen Bergdarstellungen der Kalligraphie folgt. Besonders schön ist die „Verblauung“ der Berggipfel, welche Realismus und Tiefe erzeugt. Der bekannteste Export der Region ist bis heute das Tsingdao-Bier. Die Deutschen bauten eine Brauerei für die durstigen Soldaten. Auf der Karte findet man die Germania Brauerei rechts oben, mit Schornstein und einer kleinen Reichsflagge. Reichskriegsflaggen, Kriegsschiffe, Kasernen und militärische Übungsgelände auf der Vogelschaukarte deuten aber ebenso an, daß diese Kolonie militärisch abgepreßt worden war. Im Ersten Weltkrieg nahm das kurze deutsche Kolonialabenteuer auch in Tsingtao sein Ende, doch bis heute prägen diese Jahre das Bild der Stadt. (JL) Grisebach 05|2014 Der sicherlich chinesische Kartograph legte viel Wert auf Details. 349 Konstanty Gutschow, Albert Renger-Patzsch und andere 1902 1978 und 1897 1966 Noch am 29. März war Konstanty Gutschow mit mehreren Lastwagen Baumaterial zwecks Reparaturen zur Stelle. Gutschow war seit 1941 „Architekt für die Neugestaltung der Hansestadt Hamburg“ und zugleich Leiter des Amtes für kriegswichtigen Einsatz, das für Luftschutz und „Fliegerschadenbeseitigung“ zuständig war. Er ließ in öffentlichem Auftrag von zwei seiner Mitarbeiter innerhalb von vier Tagen die Schäden kartieren und photographieren. Kassette mit Dokumentation „Lübeck vor und nach dem Angriff in der Nacht vom 28. zum 29. März 1942“. 1928 und 1942 86 Silbergelatineabzüge auf 78 Blättern, davon 15 Vintages von Albert Renger-Patzsch. Kassette an einer Schmalkante ausgerissen. [2052] Provenienz: 1942 Konstanty Gutschow (1902–1978), Hamburg / Seitdem Familienbesitz Literatur und Abbildung: Lübeck-Bilder Renger-Patzschs in: Max Ohle (Hrsg.): Walter Paatz. Die Marienkirche zu Lübeck, Burg bei Magdeburg 1926 / Ernst Timm (Hrsg.): Lübeck. Achtzig photographische Aufnahmen von Albert Renger-Patzsch, Berlin 1928 / Carl Georg Heise (Hrsg.): Die Welt ist schön. Einhundert photographische Aufnahmen von Albert Renger-Patzsch, München 1928 / Albert Renger-Patzsch, Werner Burmeister: Norddeutsche Backsteindome, Berlin 1930 / Lübeck. Deutschland-Bildheft Nr. 11, BerlinTempelhof o.J. / Die Neue Sicht der Dinge. Carl Georg Heises Lübecker Fotosammlung aus den 20er Jahren, Ausst.-Kat., Heidelberg 1995 / Virginia Ann Heckert: Albert RengerPatzsch. Contextualizing the Early Work, 19201933, Dissertation, Columbia University 1999 € 12.000 – 15.000 $ 16,400 – 20,500 Grisebach 05|2014 Gleichzeitig ließ Gutschow eine Mappe im DIN-A3-Format erstellen, die mit 56 Blättern den Zustand vor der Zerstörung durch Grundrisse und Photographien, darunter 15 Originalabzüge von Albert RengerPatzsch, dokumentierte. Im zweiten Teil der Mappe folgen die Kartierung der Zerstörung und 31 Photographien, die vorwiegend mittels Aufnahmen der Landesbildstelle Hamburg die zerstörte Stadt Lübeck zeigen. Ziel war es, das immense Ausmaß der Zerstörung Lübecks zu dokumentieren, glaubte man bis dahin, mittels schneller Reparaturen die Schäden an deutschen Städten vergessen machen zu können. Gutschow fügte der Schadensdokumentation in einem Brief an Lübecks Bürgermeister zudem Ideen zum Wiederaufbau der Stadt bei. Es ist beachtlich, daß die aufwendig gearbeitete Kassette innerhalb von vier Tagen erstellt wurde. Gutschow konnte seine Mitarbeiter die 78 Blätter, das Titelblatt, die Beschriftung der Kassette und die Kartierung der Schäden ausführen lassen. Die Aufnahmen der zerstörten Stadt Lübeck waren schnell abgezogen und montiert. Deutlich schwieriger war es in der Kürze der Zeit, treffende Aufnahmen der Lübecker Altstadt vor der Zerstörung zu finden. Hier konnte Gutschow auf einen Bildschatz zurückgreifen, der dem Engagement Carl Georg Heises (1890–1979) für Photographie zu verdanken war. Heise war von 1920 bis zu seiner Suspendierung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 Direktor des St. Annen-Museums in Lübeck. 1927 machte ihn sein Kollege Hanns Krenz, damals Leiter der KestnerGesellschaft in Hannover, auf den damals noch unbekannten Photographen Albert Renger-Patzsch aufmerksam. Am 4. Dezember 1927 wurde die überhaupt erste Museumsausstellung mit Photographien von Renger-Patzsch im Behnhaus in Lübeck eröffnet. Die ersten Kunden dieser Bilder waren Heise selbst, der Maler Alfred Mahlau (1894–1967), der später den Einband zu Rengers bekanntestem Buch „Die Welt ist schön“ von 1928 gestalten sollte und mit einem Plan in der Kassette vertreten ist, und das Museum für Kunst und Kulturgeschichte. Bereits Anfang 1928 wurde Renger-Patzsch vom Verkehrsausschuß der Stadt Lübeck beauftragt, ein photographisches Portrait der Stadt Lübeck zu erarbeiten. Renger begann Ende März bis Mitte April 1928 mit den ersten Aufnahmen und es folgten weitere Aufenthalte in der Stadt. Bereits Anfang Dezember erschien – mit einer Einleitung von Carl Georg Heise – sein erstes Buch „Lübeck“, in dem die in der Kassette erhaltenen Originalphotographien von Renger-Patzsch erstmals veröffentlicht wurden. Es war Teil des Vertrages, daß Renger-Patzsch der Stadt Lübeck 100 Abzüge zu überlassen hatte, die Negative der Aufnahmen durfte er jedoch behalten. Im Herbst 1929 wurde Renger Inhalt: 2 Karten und Pläne. der Photos 6,3 x 22,5 cm bis 20,5 x 28,5 cm bzw. 17,5 x 11,5 cm bis 25 x 21 cm (2 ½ x 8 ⅞ in. bis 8 ⅛ x 11 ¼ in. bzw. 6 ⅞ x 4 ½ in. bis 9 ⅞ x 8 ¼ in.). 15 Photos rückseitig mit Stempel: Phot. Albert Renger Essen/Ruhr, Goethestr. 41, sowie mit Bleistift von Albert RengerPatzsch beziffert (Archiv-Nr.) / 4 Photos rückseitig mit Stempel: Lichtbild: L. Kreitz, davon 2 zusätzlich mit Bleistift beschriftet und beziffert / 3 Photos rückseitig mit Stempel Landesbildstelle Hansa, Hamburg /1 Photo rückseitig mit Stempel Landesbildstelle, Berlin. 8 von 86 Photos zeigen Pläne und alte Stadtansichten sowie Grundrisse und Querschnitte. 2 montierte Kopien von Stadtplänen: „Lübeck 1847“, „Altstadt“ sowie OriginalLichtpause: „Lübeck nach der Zerstörung in der Nacht vom 28. zum 29. März 1942. Hamburg, den 2. April 1942“ mit Kartierung der Schäden und Stempel: Der Reichsstatthalter in Hamburg. Der Architekt für die Neugestaltung der Hansestadt Hamburg (Unikat, Blatt 57 des Mappenwerks) Zusammen mit Zwischenblättern: „Vor dem Angriff. Blatt 1-56“, „Nach dem Angriff. Blatt 56-78“ und „Beschreibung der zerstörten Kunstdenkmäler“ / Beiliegend Anschreiben des Architekten Konstanty Gutschow an Bürgermeister Böhmker, Rathaus Lübeck, vom 21. April 1942 Vergleichsliteratur: Werner Durth und Niels Gutschow: Träume in Trümmern, Braunschweig 1988, Bd. II, S. 811–866 / Jörn Düwel und Niels Gutschow (Hrsg.): A Blessing in Disguise. War and Town Planning in Europe 1940-1945, Berlin 2013, Abb. Kartierung des zerstörten Lübeck Grisebach 05|2014 eingeladen, ein Atelier im Museum Folkwang in Essen zu beziehen. Dort, also vermutlich Ende 1929, sind die Abzüge nach den Negativen von 1928 entstanden, die Gutschow für unsere Lübeck-Kassette genutzt hat. Die nationalsozialistische Propaganda hingegen nutzte die Gegenüberstellung von Photos der Stadt vor und nach dem Angriff (z. B. Die Baukunst, Juli 1942), um die Briten als kultur-zerstörende Barbaren darzustellen. Der gebürtige Lübecker Thomas Mann (siehe Katalog 350) kommentierte die Zerstörung der bedeutenden mittelalterlichen Stadt: „Ich denke an Coventry und habe nichts einzuwenden gegen die Lehre, daß alles bezahlt werden muß.“ Damit ist die Lübeck-Kassette in vielerlei Hinsicht ein einzigartiges Dokument: neben der historischen Komponente ist dies vermutlich die erste Kartierung einer bombenzerstörten Stadt überhaupt und ermöglicht eine Gegenüberstellung der Situation vor und nach dem Angriff. Schließlich enthält das einzig bekannte Exemplar des Werkes eine Reihe sehr hochwertiger Originalphotographien des Photographen Albert Renger-Patzsch, der neben August Sander als Protagonist der neusachlichen Photographie der 1920er Jahre gilt. (AGT) 350 Thomas Mann Lübeck 1875 – 1955 Zürich Im April 1942 hatte Thomas Mann von der Zerstörung seiner Heimatstadt Lübeck gehört. Auf Wunsch der BBC hielt er wenige Tage später eine Rundfunkansprache, warnte die Deutschen mit Hinweis auf Coventry vor der Rache der Welt. Doch dann endete er mit Worten bewegender Weitsicht: „Möge aus seinem Fall ein Deutschland entstehen, das gedenken und hoffen kann ... so wird es statt tödlichen Hasses die Liebe der Völker gewinnen.“ Der bittere Zorn des Radioredners aus den USA war immer nur die Kehrseite seiner verzweifelten Liebe zu Deutschland: „Wo ich bin ist Deutschland“ schreibt er. „Deutsche Hörer!“ Manuskript zum 10. Jahrestag der Machtergreifung, zur sog. Radioansprache der BBC vom 14. Januar 1943. Januar 1943 Feder auf Bogen mit Briefkopf „The Library of Congress Washington / The Consultant of German Literature“. 2 S. gr.- 4°. Nachträglich von eigener Hand datiert und unterzeichnet: 15. I. 43 Thomas Mann. [3518] Provenienz: 3. April 1943 vom Autor dem War Bonds Drive der We Fight Back Organization gestiftet / Privatsammlung, USA / Privatsammlung, Deutschland Literatur und Abbildung: Auktionskatalog: J. A. Stargardt, Berlin, 4./5. April 1992, Los 293 € 6.000 – 8.000 $ 8,220 – 10,960 Vergleichsliteratur: Heike Weidenhaupt: Gegenpropaganda aus dem Exil. Thomas Manns Radioansprachen für deutsche Hörer 1940 bis 1945, Konstanz 2001 Diese Rundfunkrede vom 14. Januar 1943 – 10 Jahre ist Hitler nun Reichskanzler – findet sich nicht in den bei Fischer von Hermann Kurzke und Stephan Stachorski als Band 5 herausgegebenen Essays und Rundfunkreden Thomas Manns „Deutschland und die Deutschen (1938–1945)“, Frankfurt am Main 1996. Wieder erst die Mahnung: Habt Ihr es denn nicht kommen sehen, diesen Krieg auf den alles immer hinauslief? Dieser Krieg, „der den Kontinent einschließlich Deutschland als Wüste zurücklassen wird“. Aber dann wieder um Deutschland besorgt: Was wird nun „im Gedächtnis der Völker“ bleiben, wo doch so „vieles Gute, Großes und Liebenswerte, womit der deutsche Geist einst die Menschheit beschenkt, unterzugehen droht in einem Meer von Haß“? An anderer Stelle wird es heißen: Was wird aus Deutschland, das „einst der Lehrer der Welt gewesen war“? (Deutschland und die Deutschen, 1945). Worte eines verzweifelten Patrioten. Thomas Mann hat ein Leben lang mit seinem „Deutschsein“ gerungen. Mit seiner eigenen Erfahrung „machtgeschützter Innerlichkeit“ als Quelle all des Großen, aber auch all der zerstörenden Kraft Deutschlands. Er wollte sich nicht abfinden mit dem Sieg der Kraft über den Geist. Nach 1945 haben ihm viele diese Rundfunkreden übelgenommen; Reden des Verrats seien sie gewesen. Wer noch mit eigenen Augen das brennende Berlin gesehen hatte, der könnte solche Reaktionen des Affekts vielleicht erklären. Aber die Kritiker hatten eben nicht zugehört: Thomas Manns Ansprachen waren Reden eines bekennenden Deutschen, bekennend allerdings für ein anderes, ein vergangenes, ein zukünftiges – und ein besseres Deutschland. Und dies klingt auch durch den Zorn dieser Rede vom 14. Januar 1943: So durfte es doch nicht enden für sein Deutschland! Und so endete es ja dann auch nicht. Wir danken für diesen Text Klaus von Dohnanyi, Hamburg. Grisebach 05|2014 Villa Grisebach Auktionen Repräsentanzen Representatives Berlin Bernd Schultz / Micaela Kapitzky Florian Illies / Dr. Markus Krause Daniel von Schacky Villa Grisebach Fasanenstraße 25, D-10719 Berlin Telefon: +49-30-885 915-0 Telefax: +49-30-882 41 45 auktionen@villa-grisebach.de www.villa-grisebach.de Norddeutschland Stefanie Busold Sierichstraße 157 · D-22299 Hamburg Telefon: +49-40-4600 9010 · Telefax: +49-40-4600 9010 Mobil: +49-172-540 9073 · busold@villa-grisebach.de Dortmund Wilfried Utermann Galerie Utermann Silberstraße 22, D-44137 Dortmund Telefon: +49-231-4764 3757 Telefax: +49-231-4764 3747 w.utermann@villa-grisebach.de Nordrhein-Westfalen/Benelux Daniel von Schacky Villa Grisebach Auktionen Bilker Straße 4-6 · D-40213 Düsseldorf Telefon: +49-211-8629 2199 · Telefax: +49-211-8629 2198 Mobil: +49-151-1907 7721 · schacky@villa-grisebach.de Anne Ganteführer-Trier · Photographie Mobil: +49-170-575 7464 gantefuehrer-trier@villa-grisebach.de Baden-Württemberg Dr. Annegret Funk Im Buchrain 15 · D-70184 Stuttgart Telefon: +49-711-248 4857 · Telefax: +49-711-248 4404 Mobil: +49-172-676 4715 · funk@villa-grisebach.de Bayern Dorothée Gutzeit Villa Grisebach Auktionen Prannerstraße 13 · D-80333 München Telefon: +49-89-22 7632/33 · Telefax: +49-89-22 3761 Mobil: +49-172-381 5640 · gutzeit@villa-grisebach.de Hessen Dr. Arnulf Herbst Aystettstraße 4 · D-60322 Frankfurt am Main Telefon: +49-69-9769 9484 · Telefax: +49-69-9769 9486 Mobil: +49-172-101 2430 · herbst@villa-grisebach.de Schweiz Verena Hartmann Villa Grisebach Auktionen AG · Bahnhofstr. 14 · CH-8001 Zürich Telefon: +41-44-212 8888 · Telefax: +41-44-212 8886 Mobil: +41-79-221 3519 · auktionen@villa-grisebach.ch USA/Kanada Monika Stump Finane Villa Grisebach Auctions Inc. 120 East 56th Street, Suite 635, USA-New York, NY 10022 Telefon: +1-212-308 0762 · Telefax: +1-212-308 0655 Mobil: +1-917- 981 1147 · auctions@villa-grisebach.com Auktionatoren öffentlich bestellt und vereidigt: Peter Graf zu Eltz, Salzburg Bernd Schultz, Berlin Dr. Markus Krause, Berlin KATALOGE ONLINE www. villa-grisebach. de AUKTIONEN LIVE 105 Frühjahrsauktionen in Berlin — 28. bis 31. Mai 2014 Kunst des 19. Jahrhunderts Photographie Mittwoch, 28. Mai 2014 · 14.30 Uhr Mittwoch, 28. Mai 2014 · 17 Uhr Moderne Kunst Zeitgenössische Kunst Freitag, 30. Mai 2014 · 11 Uhr Freitag, 30. Mai 2014 · 15.30 Uhr www.villa-grisebach.de Orangerie Ausgewählte Werke Donnerstag, 29. Mai 2014 · 11 Uhr Donnerstag, 29. Mai 2014 · 17 Uhr Weitere Informationen und alle Termine unter www.villa-grisebach.de Vorbesichtigung aller Werke 23. bis 27. Mai 2014 in Berlin Villa Grisebach Fasanenstraße 25, 27 und 73 Freitag bis Montag 10 bis 18 Uhr Dienstag 10 bis 17 Uhr Third Floor Samstag, 31. Mai 2014 11 Uhr / 14.30 Uhr Hinweise zum Katalog Catalogue Instructions 1. Alle Katalogbeschreibungen sind online und auf Anfrage in Englisch erhältlich. 1. Descriptions in English of each item included in this catalogue are available online or upon request. 2. Basis für die Umrechnung der EUR-Schätzpreise: 1 US $ = EUR 0,730 (Kurs vom 4. April 2014) 3. Bei den Katalogangaben sind Titel und Datierung, wenn vorhanden, vom Künstler bzw. aus den Werkverzeichnissen übernommen. Diese Titel sind durch Anführungszeichen gekennzeichnet. Undatierte Werke haben wir anhand der Literatur oder stilistisch begründbar zeitlich zugeordnet. 2. The basis for the conversion of the EUR-estimates: 1 US $ = EUR 0,730 (rate of exchange 4 April 2014) 4. Alle Werke wurden neu vermessen, ohne die Angaben in Werkverzeichnissen zu übernehmen. Die Maßangaben sind in Zentimetern und Inch aufgeführt. Es gilt Höhe vor Breite, wobei bei Originalen die Blattgröße, bei Drucken die Darstel- lungsgröße bzw. Plattengröße angegeben wird. Wenn Papier- und Darstellungsmaß nicht annähernd gleich sind, ist die Papiergröße in runden Klammern angegeben. Signaturen, Bezeichnungen und Gießerstempel sind aufgeführt. „Bezeichnung“ bedeutet eine eigenhändige Aufschrift des Künstlers, im Gegensatz zu einer „Beschriftung“ von fremder Hand. Bei druckgraphischen Werken wurde auf Angabe der gedruckten Bezeichnungen verzichtet. 5. Bei den Papieren meint „Büttenpapier“ ein Maschinenpapier mit Büttenstruktur. Ergänzende Angaben wie „JW Zanders“ oder „BFK Rives“ beziehen sich auf Wasserzeichen. Der Begriff „Japanpapier“ bezeichnet sowohl echtes wie auch maschinell hergestelltes Japanpapier. 6. Sämtliche zur Versteigerung gelangenden Gegenstände können vor der Versteigerung besichtigt und geprüft werden; sie sind gebraucht. Der Erhaltungszustand der Kunstwerke ist ihrem Alter entsprechend; Mängel werden in den Katalogbeschreibungen nur erwähnt, wenn sie den optischen Gesamteindruck der Arbeiten beeinträchtigen. Für jedes Kunstwerk liegt ein Zustandsbericht vor, der angefordert werden kann. 3. The titles and dates of works of art provided in quotation marks originate from the artist or are taken from the catalogue raisonné. These titles are printed within quotation marks. Undated works have been assigned approximate dates by Villa Grisebach based on stylistic grounds and available literature. 4. Dimensions given in the catalogue are measurements taken in centimeters and inches (height by width) from the actual works. For originals, the size given is that of the sheet;for prints, the size refers to the plate or block image. Where that differs from the size of the sheet on which it is printed, the dimensions of the sheet follow in parentheses ( ). Special print marks or designations for these works are not noted in the catalogue. “Bezeichnung” (“inscription”) means an inscription from the artist’s own hand, in contrast to “Beschriftung” (“designation”) which indicates an inscription from the hand of another. 5. When describing paper, „Bütten paper” denotes machine made paper manufactured with the texture and finish of „Bütten”. Other designations of paper such as „JW Zanders” or „BFK Rives” refer to respective watermarks. The term „Japan paper” refers to both hand and machine-made Japan paper. 6. All sale objects may be viewed and examined before the auction; they are sold as is. The condition of the works corresponds to their age. The catalogues list only such defects in condition as impair the overall impression of the art work. For every lot there is a condition report which can be requested. 7. Die in eckigen Klammern gesetzten Zeichen beziehen sich auf die Einlieferer, wobei [E] die Eigenware kennzeichnet. 7. Those numbers printed in brackets [ ] refer to the consignors listed in the Consignor Index, with [E] referring to property owned by Villa Grisebach Auktionen. 8. Es werden nur die Werke gerahmt versteigert, die gerahmt eingeliefert wurden. 8. Only works already framed at the time of consignment will be sold framed. Versteigerungsbedingungen der Villa Grisebach Auktionen GmbH § 1 Der Versteigerer 1. Die Versteigerung erfolgt im Namen der Villa Grisebach Auktionen GmbH – nachfolgend: „Grisebach“ genannt. Der Auktionator handelt als deren Vertreter. Er ist gem. § 34b Abs. 5 GewO öffentlich bestellt. Die Versteigerung ist somit eine öffentliche Versteigerung i.S. § 474 Abs. 1 S. 2 und § 383 Abs. 3 BGB. 2. Die Versteigerung erfolgt in der Regel für Rechnung des Einlieferers, der unbenannt bleibt. Nur die im Eigentum von Grisebach befindlichen Kunstgegenstände werden für eigene Rechnung versteigert. Sie sind im Katalog mit „E“ gekennzeichnet. 3. Die Versteigerung erfolgt auf der Grundlage dieser Versteigerungsbedingungen. Die Versteigerungsbedingungen sind im Auktionskatalog, im Internet und durch deutlich sichtbaren Aushang in den Räumen von Grisebach veröffentlicht. Durch Abgabe eines Gebots erkennt der Käufer diese Versteigerungsbedingungen als verbindlich an. § 2 Katalog, Besichtigung und Versteigerungstermin 1.Katalog Vor der Versteigerung erscheint ein Auktionskatalog. Darin werden zur allgemeinen Orientierung die zur Versteigerung kommenden Kunstgegenstände abgebildet und beschrieben. Der Katalog enthält zusätzlich Angaben über Urheberschaft, Technik und Signatur des Kunstgegenstandes. Nur sie bestimmen die Beschaffenheit des Kunstgegenstandes. Im übrigen ist der Katalog weder für die Beschaffenheit des Kunstgegenstandes noch für dessen Erscheinungsbild (Farbe) maßgebend. Der Katalog weist einen Schätzpreis in Euro aus, der jedoch lediglich als Anhaltspunkt für den Verkehrswert des Kunstgegenstandes dient, ebenso wie etwaige Angaben in anderen Währungen. Der Katalog wird von Grisebach nach bestem Wissen und Gewissen und mit großer Sorgfalt erstellt. Er beruht auf den bis zum Zeitpunkt der Versteigerung veröffentlichten oder sonst allgemein zugänglichen Erkenntnissen sowie auf den Angaben des Einlieferers. Für jeden der zur Versteigerung kommenden Kunstgegenstände kann bei ernstlichem Interesse ein Zustandsbericht von Grisebach angefordert und es können etwaige von Grisebach eingeholte Expertisen eingesehen werden. Die im Katalog, im Zustandsbericht oder in Expertisen enthaltenen Angaben und Beschreibungen sind Einschätzungen, keine Garantien im Sinne des § 443 BGB für die Beschaffenheit des Kunstgegenstandes. Grisebach ist berechtigt, Katalogangaben durch Aushang am Ort der Versteigerung und unmittelbar vor der Versteigerung des betreffenden Kunstgegenstandes mündlich durch den Auktionator zu berichtigen oder zu ergänzen. 2.Besichtigung Alle zur Versteigerung kommenden Kunstgegenstände werden vor der Versteigerung zur Vorbesichtigung ausgestellt und können besichtigt und geprüft werden. Ort und Zeit der Besichtigung, die Grisebach festlegt, sind im Katalog angegeben. Die Kunstgegenstände sind gebraucht und werden in der Beschaffenheit versteigert, in der sie sich im Zeitpunkt der Versteigerung befinden. 3. Grisebach bestimmt Ort und Zeitpunkt der Versteigerung. Sie ist berechtigt, Ort oder Zeitpunkt zu ändern, auch wenn der Auktionskatalog bereits versandt worden ist. § 3 Durchführung der Versteigerung 1.Bieternummer Jeder Bieter erhält von Grisebach eine Bieternummer. Er hat die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anzuerkennen. Von unbekannten Bietern benötigt Grisebach zur Erteilung der Bieternummer spätestens 24 Stunden vor Beginn der Versteigerung eine schriftliche Anmeldung mit beigefügter zeitnaher Bankreferenz. Nur unter einer Bieternummer abgegebene Gebote werden auf der Versteigerung berücksichtigt. 2.Aufruf Die Versteigerung des einzelnen Kunstgegenstandes beginnt mit dessen Aufruf durch den Auktionator. Er ist berechtigt, bei Aufruf von der im Katalog vorgesehenen Reihenfolge abzuweichen, Los-Nummern zu verbinden oder zu trennen oder eine Los-Nummer zurückzuziehen. Der Preis wird bei Aufruf vom Auktionator festgelegt, und zwar in Euro. Gesteigert wird um jeweils 10 % des vorangegangenen Gebots, sofern der Auktionator nicht etwas anderes bestimmt. 3.Gebote a) Gebote im Saal Gebote im Saal werden unter Verwendung der Bieternummer abgegeben. Ein Vertrag kommt durch Zuschlag des Auktionators zustande. Will ein Bieter Gebote im Namen eines Dritten abgeben, hat er dies mindestens 24 Stunden vor Beginn der Versteigerung von Grisebach unter Vorlage einer Vollmacht des Dritten anzuzeigen. Anderenfalls kommt bei Zuschlag der Vertrag mit ihm selbst zustande. b) Schriftliche Gebote Mit Zustimmung von Grisebach können Gebote auf einem dafür vorgesehenen Formular auch schriftlich abgegeben werden. Sie müssen vom Bieter unterzeichnet sein und unter Angabe der Los-Nummer, des Künstlers und des Titels den für den Kunstgegenstand gebotenen Hammerpreis nennen. Der Bieter muss die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anerkennen. Mit dem schriftlichen Gebot beauftragt der Bieter Grisebach, seine Gebote unter Berücksichtigung seiner Weisungen abzugeben. Das schriftliche Gebot wird von Grisebach nur mit dem Betrag in Anspruch genommen, der erforderlich ist, um ein anderes Gebot zu überbieten. Ein Vertrag auf der Grundlage eines schriftlichen Gebots kommt mit dem Bieter durch den Zuschlag des Auktionators zustande. Gehen mehrere gleich hohe schriftliche Gebote für denselben Kunst gegenstand ein, erhält das zuerst eingetroffene Gebot den Zuschlag, wenn kein höheres Gebot vorliegt oder abgegeben wird. c) Telefonische Gebote Telefonische Gebote sind zulässig, wenn der Bieter mindestens 24 Stunden vor Beginn der Versteigerung dies schriftlich beantragt und Grisebach zugestimmt hat. Der Bieter muss die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anerkennen. Die telefonischen Gebote werden von einem während der Versteigerung im Saal anwesenden Mitarbeiter von Grisebach entgegengenommen und unter Berücksichtigung der Weisungen des Bieters während der Versteigerung abgegeben. Das von dem Bieter genannte Gebot bezieht sich ausschließlich auf den Hammerpreis, umfasst also nicht Aufgeld, etwaige Umlagen und Umsatzsteuer, die hinzukommen. Das Gebot muss den Kunstgegenstand, auf den es sich bezieht, zweifelsfrei und möglichst unter Nennung der Los-Nummer, des Künstlers und des Titels, benennen. Telefonische Gebote können von Grisebach aufgezeichnet werden. Mit dem Antrag zum telefonischen Bieten erklärt sich der Bieter mit der Aufzeichnung einverstanden. Die Aufzeichnung wird spätestens nach drei Monaten gelöscht, sofern sie nicht zu Beweiszwecken benötigt wird. d) Gebote über das Internet Gebote über das Internet sind nur zulässig, wenn der Bieter von Grisebach zum Bieten über das Internet unter Verwendung eines Benutzernamens und eines Passwortes zugelassen worden ist und die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anerkennt. Die Zulassung erfolgt ausschließlich für die Person des Zugelassenen, ist also höchstpersönlich. Der Benutzer ist verpflichtet, seinen Benutzernamen und sein Passwort Dritten nicht zugänglich zu machen. Bei schuldhafter Zuwiderhandlung haftet er Grisebach für daraus entstandene Schäden. Gebote über das Internet sind nur rechtswirksam, wenn sie hinreichend bestimmt sind und durch Benutzernamen und Passwort zweifelsfrei dem Bieter zuzuordnen sind. Die über das Internet übertragenen Gebote werden elektronisch protokolliert. Die Richtigkeit der Protokolle wird vom Käufer anerkannt, dem jedoch der Nachweis ihrer Unrichtigkeit offensteht. 4. a) b) c) d) – – – e) Grisebach behandelt Gebote, die vor der Versteigerung über das Internet abgegeben werden, rechtlich wie schriftliche Gebote. Internetgebote während einer laufenden Versteigerung werden wie Gebote aus dem Saal berücksichtigt. Der Zuschlag Der Zuschlag wird erteilt, wenn nach dreimaligem Aufruf eines Gebots kein höheres Gebot abgegeben wird. Der Zuschlag verpflichtet den Bieter, der unbenannt bleibt, zur Abnahme des Kunstgegenstandes und zur Zahlung des Kaufpreises (§ 4 Ziff. 1). Der Auktionator kann bei Nichterreichen des Limits einen Zuschlag unter Vorbehalt erteilen. Ein Zuschlag unter Vorbehalt wird nur wirksam, wenn Grisebach das Gebot innerhalb von drei Wochen nach dem Tag der Versteigerung schriftlich bestätigt. Sollte in der Zwischenzeit ein anderer Bieter mindestens das Limit bieten, erhält dieser ohne Rücksprache mit dem Bieter, der den Zuschlag unter Vorbehalt erhalten hat, den Zuschlag. Der Auktionator hat das Recht, ohne Begründung ein Gebot abzulehnen oder den Zuschlag zu verweigern. Wird ein Gebot abgelehnt oder der Zuschlag verweigert, bleibt das vorangegangene Gebot wirksam. Der Auktionator kann einen Zuschlag zurücknehmen und den Kunstgegenstand innerhalb der Auktion neu ausbieten, wenn ein rechtzeitig abgegebenes höheres Gebot von ihm übersehen und dies von dem übersehenen Bieter unverzüglich beanstandet worden ist, wenn ein Bieter sein Gebot nicht gelten lassen will oder wenn sonst Zweifel über den Zuschlag bestehen. Übt der Auktionator dieses Recht aus, wird ein bereits erteilter Zuschlag unwirksam. Der Auktionator ist berechtigt, ohne dies anzeigen zu müssen, bis zum Erreichen eines mit dem Einlieferer vereinbarten Limits auch Gebote für den Einlieferer abzugeben und den Kunstgegenstand dem Einlieferer unter Benennung der Einlieferungsnummer zuzuschlagen. Der Kunstgegenstand bleibt dann unverkauft. § 4 Kaufpreis, Zahlung, Verzug 1.Kaufpreis Der Kaufpreis besteht aus dem Hammerpreis zuzüglich Aufgeld. Hinzukommen können pauschale Gebühren sowie die gesetzliche Umsatzsteuer. A. a) Bei Kunstgegenständen ohne besondere Kennzeichnung im Katalog berechnet sich der Kaufpreis wie folgt: Bei Käufern mit Wohnsitz innerhalb des Gemeinschaftsgebietes der Europäischen Union (EU) berechnet Grisebach auf den Hammerpreis ein Aufgeld von 30 %. Auf den Teil des Hammerpreises, der 500.000 EUR übersteigt, wird ein Aufgeld von 25 % berechnet. Auf den Teil des Hammerpreises, der 1.000.000 EUR übersteigt, wird ein Aufgeld von 20 % berechnet. In diesem Aufgeld sind alle pauschalen Gebühren sowie die gesetzliche Umsatzsteuer enthalten (Differenzbesteuerung nach § 25a UStG). Sie werden bei der Rechnungstellung nicht einzeln ausgewiesen. Käufern, denen nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) im Inland geliefert wird und die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, kann auf Wunsch die Rechnung nach der Regelbesteuerung gemäß Absatz B. ausgestellt werden. Dieser Wunsch ist bei Beantragung der Bieter nummer anzugeben. Eine Korrektur nach Rechnungsstellung ist nicht möglich. b) Bei Kunstwerken mit der Kennzeichnung „N“ für Import handelt es sich um Kunstwerke, die in die EU zum Verkauf eingeführt wurden. In diesen Fällen wird zusätzlich zum Aufgeld die verauslagte Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von derzeit 7 % des Hammerpreises erhoben. B. Bei im Katalog mit dem Buchstaben „R“ hinter der Losnummer gekennzeichneten Kunstgegenständen berechnet sich der Kaufpreis wie folgt: a)Aufgeld Auf den Hammerpreis berechnet Grisebach ein Aufgeld von 25 %. Auf den Teil des Hammerpreises, der 500.000 EUR übersteigt, wird ein Aufgeld von 20 % berechnet. Auf den Teil des Hammerpreises, der 1.000.000 EUR übersteigt, wird ein Aufgeld von 15 % berechnet. b)Umsatzsteuer Auf den Hammerpreis und das Aufgeld wird die jeweils gültige gesetzliche Umsatzsteuer erhoben (Regelbesteuerung mit „R“ gekennzeichnet). Sie beträgt derzeit 19 %. c)Umsatzsteuerbefreiung Keine Umsatzsteuer wird für den Verkauf von Kunstgegenständen berechnet, die in Staaten innerhalb der EU von Unternehmen erworben und aus Deutschland exportiert werden, wenn diese bei Beantragung und Erhalt ihrer Bieternummer ihre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer angegeben haben. Eine nachträgliche Berücksichtigung, insbesondere eine Korrektur nach Rechnungsstellung, ist nicht möglich. Keine Umsatzsteuer wird für den Verkauf von Kunstgegenständen berechnet, die gemäß § 6 Abs. 4 UStG in Staaten außerhalb der EU geliefert werden und deren Käufer als ausländische Abnehmer gelten und dies entsprechend § 6 Abs. 2 UStG nachgewiesen haben. Im Ausland anfallende Einfuhrumsatzsteuer und Zölle trägt der Käufer. Die vorgenannten Regelungen zur Umsatzsteuer entsprechen dem Stand der Gesetzgebung und der Praxis der Finanzverwaltung. Änderungen sind nicht ausgeschlossen. 2. Fälligkeit und Zahlung Der Kaufpreis ist mit dem Zuschlag fällig. Der Kaufpreis ist in Euro an Grisebach zu entrichten. Schecks und andere unbare Zahlungen werden nur erfüllungshalber angenommen. Eine Begleichung des Kaufpreises durch Aufrechnung ist nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen zulässig. Bei Zahlung in ausländischer Währung gehen ein etwaiges Kursrisiko sowie alle Bankspesen zulasten des Käufers. 3.Verzug Ist der Kaufpreis innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Rechnung noch nicht beglichen, tritt Verzug ein. Ab Eintritt des Verzuges verzinst sich der Kaufpreis mit 1 % monatlich, unbeschadet weiterer Schadensersatzansprüche. Zwei Monate nach Eintritt des Verzuges ist Grisebach berechtigt und auf Verlangen des Einlieferers verpflichtet, diesem Name und Anschrift des Käufers zu nennen. Ist der Käufer mit der Zahlung des Kaufpreises in Verzug, kann Grisebach nach Setzung einer Nachfrist von zwei Wochen vom Vertrag zurücktreten. Damit erlöschen alle Rechte des Käufers an dem ersteigerten Kunstgegen stand. Grisebach ist nach Erklärung des Rücktritts berechtigt, vom Käufer Schadensersatz zu verlangen. Der Schadensersatz umfasst insbesondere das Grisebach entgangene Entgelt (Einliefererkommission und Aufgeld), sowie angefallene Kosten für Katalogabbildungen und die bis zur Rückgabe oder bis zur erneuten Versteigerung des Kunstgegenstandes anfallenden Transport-, Lager- und Versicherungskosten. Wird der Kunstgegenstand an einen Unterbieter verkauft oder in der nächsten oder übernächsten Auktion versteigert, haftet der Käufer außerdem für jeglichen Mindererlös. Grisebach hat das Recht, den säumigen Käufer von künftigen Versteigerungen auszuschließen und seinen Namen und seine Adresse zu Sperrzwecken an andere Auktionshäuser weiterzugeben. § 5 Nachverkauf Während eines Zeitraums von zwei Monaten nach der Auktion können nicht versteigerte Kunstgegenstände im Wege des Nachverkaufs erworben werden. Der Nachverkauf gilt als Teil der Versteigerung. Der Interessent hat persönlich, telefonisch, schriftlich oder über das Internet ein Gebot mit einem bestimmten Betrag abzugeben und die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anzuerkennen. Der Vertrag kommt zustande, wenn Grisebach das Gebot innerhalb von drei Wochen nach Eingang schriftlich annimmt. Die Bestimmungen über Kaufpreis, Zahlung, Verzug, Abholung und Haftung für in der Versteigerung erworbene Kunstgegenstände gelten entsprechend. § 6 Entgegennahme des ersteigerten Kunstgegenstandes 1.Abholung Der Käufer ist verpflichtet, den ersteigerten Kunstgegenstand spätestens einen Monat nach Zuschlag abzuholen. Grisebach ist jedoch nicht verpflichtet, den ersteigerten Kunstgegenstand vor vollständiger Bezahlung des in der Rechnung ausgewiesenen Betrages an den Käufer herauszugeben. Das Eigentum geht auf den Käufer erst nach vollständiger Begleichung des Kaufpreises über. 2.Lagerung Bis zur Abholung lagert Grisebach für die Dauer eines Monats, gerechnet ab Zuschlag, den ersteigerten Kunstgegenstand und versichert ihn auf eigene Kosten in Höhe des Kaufpreises. Danach hat Grisebach das Recht, den Kunstgegenstand für Rechnung des Käufers bei einer Kunstspedition einzulagern und versichern zu lassen. Wahlweise kann Grisebach statt dessen den Kunstgegenstand in den eigenen Räumen einlagern gegen Berechnung einer monatlichen Pauschale von 0,1 % des Kaufpreises für Lager- und Versicherungskosten. 3.Versand Beauftragt der Käufer Grisebach schriftlich, den Transport des ersteigerten Kunstgegenstandes durchzuführen, sorgt Grisebach, sofern der Kaufpreis vollständig bezahlt ist, für einen sachgerechten Transport des Werkes zum Käufer oder dem von ihm benannten Empfänger durch eine Kunstspedition und schließt eine entsprechende Transportversicherung ab. Die Kosten für Verpackung, Versand und Versicherung trägt der Käufer. 4.Annahmeverzug Holt der Käufer den Kunstgegenstand nicht innerhalb von einem Monat ab (Ziffer 1) und erteilt er innerhalb dieser Frist auch keinen Auftrag zur Versendung des Kunstgegenstandes (Ziffer 3), gerät er in Annahmeverzug. 5. Anderweitige Veräußerung Veräußert der Käufer den ersteigerten Kunstgegenstand seinerseits, bevor er den Kaufpreis vollständig bezahlt hat, tritt er bereits jetzt erfüllungshalber sämtliche Forderungen, die ihm aus dem Weiterverkauf zustehen, an Grisebach ab, welche die Abtretung hiermit annimmt. Soweit die abgetretenen Forderungen die Grisebach zustehenden Ansprüche übersteigen, ist Grisebach verpflichtet, den zur Erfüllung nicht benötigten Teil der abgetretenen Forderung unverzüglich an den Käufer abzutreten. § 7 Haftung 1. Beschaffenheit des Kunstgegenstandes Der Kunstgegenstand wird in der Beschaffenheit veräußert, in der er sich bei Erteilung des Zuschlags befindet und vor der Versteigerung besichtigt und geprüft werden konnte. Ergänzt wird diese Beschaffenheit durch die Angaben im Katalog (§ 2 Ziff. 1) über Urheberschaft, Technik und Signatur des Kunstgegenstandes. Sie beruhen auf den bis zum Zeitpunkt der Versteigerung veröffentlichten oder sonst allgemein zugänglichen Erkenntnissen sowie auf den Angaben des Einlieferers. Weitere Beschaffenheitsmerkmale sind nicht vereinbart, auch wenn sie im Katalog beschrieben oder erwähnt sind oder sich aus schriftlichen oder mündlichen Auskünften, aus einem Zustands bericht, Expertisen oder aus den Abbildungen des Katalogs ergeben sollten. Eine Garantie (§ 443 BGB) für die vereinbarte Beschaffenheit des Kunstgegenstandes wird nicht übernommen. 2. Rechte des Käufers bei einem Rechtsmangel (§ 435 BGB) Weist der erworbene Kunstgegenstand einen Rechtsmangel auf, weil an ihm Rechte Dritter bestehen, kann der Käufer innerhalb einer Frist von zwei Jahren (§ 438 Abs. 4 und 5 BGB) wegen dieses Rechtsmangels vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern (§ 437 Nr. 2 BGB). Im übrigen werden die Rechte des Käufers aus § 437 BGB, also das Recht auf Nacherfüllung, auf Schadenersatz oder auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen ausgeschlossen, es sei denn, der Rechtsmangel ist arglistig verschwiegen worden. 3. Rechte des Käufers bei Sachmängeln (§ 434 BGB) Weicht der Kunstgegenstand von der vereinbarten Beschaffenheit (Urheberschaft, Technik, Signatur) ab, ist der Käufer berechtigt, innerhalb von zwei Jahren ab Zuschlag (§ 438 Abs. 4 BGB) vom Vertrag zurückzutreten. Er erhält den von ihm gezahlten Kaufpreis (§ 4 Ziff. 1 der Versteigerungsbedingungen) zurück, Zug um Zug gegen Rückgabe des Kaufgegenstandes in unverändertem Zustand am Sitz von Grisebach. Ansprüche auf Minderung des Kaufpreises (§ 437 Nr. 2 BGB), auf Schadensersatz oder auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen (§ 437 Nr. 3 BGB) sind ausgeschlossen. Dieser Haftungsausschluss gilt nicht, soweit Grisebach den Mangel arglistig verschwiegen hat. Das Rücktrittsrecht wegen Sachmangels ist ausgeschlossen, sofern Grisebach den Kunstgegenstand für Rechnung des Einlieferers veräußert hat und die größte ihr mögliche Sorgfalt bei Ermittlung der im Katalog genannten Urheberschaft, Technik und Signatur des Kunstgegenstandes aufgewandt hat und keine Gründe vorlagen, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln. In diesem Falle verpflichtet sich Grisebach, dem Käufer das Aufgeld, etwaige Umlagen und die Umsatzsteuer zu erstatten. Außerdem tritt Grisebach dem Käufer alle ihr gegen den Einlieferer, dessen Name und Anschrift sie dem Käufer mitteilt, zustehenden Ansprüche wegen der Mängel des Kunstgegenstandes ab. Sie wird ihn in jeder zulässigen und ihr möglichen Weise bei der Geltendmachung dieser Ansprüche gegen den Einlieferer unterstützen. 4. Fehler im Versteigerungsverfahren Grisebach haftet nicht für Schäden im Zusammenhang mit der Abgabe von mündlichen, schriftlichen, telefonischen oder Internetgeboten, soweit ihr nicht Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Dies gilt insbesondere für das Zustandekommen oder den Bestand von Telefon-, Fax- oder Datenleitungen sowie für Übermittlungs-, Übertragungs- oder Übersetzungsfehler im Rahmen der eingesetzten Kommunikationsmittel oder seitens der für die Entgegennahme und Weitergabe eingesetzten Mitarbeiter. Für Missbrauch durch unbefugte Dritte wird nicht gehaftet. Die Haftungsbeschränkung gilt nicht für Schäden an der Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit. 5.Verjährung Für die Verjährung der Mängelansprüche gelten die gesetzlichen Verjährungsfristen des § 438 Abs. 1 Ziffer 3 BGB (2 Jahre). § 8 Schlussbestimmungen 1.Nebenabreden Änderungen dieser Versteigerungsbedingungen im Einzelfall oder Nebenabreden bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Schriftform. 2. Fremdsprachige Fassung der Versteigerungsbedingungen Soweit die Versteigerungsbedingungen in anderen Sprachen als der deutschen Sprache vorliegen, ist stets die deutsche Fassung maßgebend. 3. Anwendbares Recht Es gilt ausschließlich das Recht der Bundesrepublik Deutschland. Das Abkommen der Vereinten Nationen über Verträge des internationalen Warenkaufs (CISG) findet keine Anwendung. 4.Erfüllungsort Erfüllungsort und Gerichtsstand ist, soweit dies rechtlich vereinbart werden kann, Berlin. 5. Salvatorische Klausel Sollte eine oder mehrere Bestimmungen dieser Versteigerungsbedingungen unwirksam sein oder werden, bleibt die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen davon unberührt. Anstelle der unwirksamen Bestimmung gelten die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften. Conditions of Sale of Villa Grisebach Auktionen GmbH Section 1 The Auction House 1. The auction will be implemented on behalf of Grisebach Auktionen GmbH – referred to hereinbelow as “Grisebach”. The auctioneer will be acting as Grisebach’s representative. The auctioneer is an expert who has been publicly appointed in accordance with Section 34b paragraph 5 of the Gewerbeordnung (GewO, German Industrial Code). Accordingly, the auction is a public auction as defined by Section 474 paragraph 1 second sentence and Section 383 paragraph 3 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code). 2. As a general rule, the auction will be performed on behalf of the Consignor, who will not be named. Solely those works of art owned by Grisebach shall be sold at auction for the account of Grisebach. Such items will be marked by an “E” in the catalogue. 3. The auction shall be performed on the basis of the present Conditions of Sale. The Conditions of Sale are published in the catalogue of the auction and on the internet; furthermore, they are posted in an easily accessible location in the Grisebach spaces. By submitting a bid, the buyer acknowledges the Conditions of Sale as being binding upon it. Section 2 Catalogue, Pre-Sale Exhibition and Date of the Auction 1.Catalogue Prior to the auction date, an auction catalogue will be published. This provides general orientation in that it shows images of the works of art to be sold at auction and describes them. Additionally, the catalogue will provide information on the work’s creator(s), technique, and signature. These factors alone will define the characteristic features of the work of art. In all other regards, the catalogue will not govern as far as the characteristics of the work of art or its appearance are concerned (color). The catalogue will provide estimated prices in EUR amounts, which, however, serve solely as an indication of the fair market value of the work of art, as does any such information that may be provided in other currencies. Grisebach will prepare the catalogue to the best of its knowledge and belief, and will exercise the greatest of care in doing so. The catalogue will be based on the scholarly knowledge published up until the date of the auction, or otherwise generally accessible, and on the information provided by the Consignor. Seriously interested buyers have the opportunity to request that Grisebach provide them with a report outlining the condition of the work of art (condition report), and they may also review any expert appraisals that Grisebach may have obtained. The information and descriptions contained in the catalogue, in the condition report or in expert appraisals are estimates; they do not constitute any guarantees, in the sense as defined by Section 443 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code), for the characteristics of the work of art. Grisebach is entitled to correct or amend any information provided in the catalogue by posting a notice at the auction venue and by having the auctioneer make a corresponding statement immediately prior to calling the bids for the work of art concerned. 2. Pre-sale exhibition All of the works of art that are to be sold at auction will be exhibited prior to the sale and may be viewed and inspected. The time and date of the pre-sale exhibition, which will be determined by Grisebach, will be set out in the catalogue. The works of art are used and will be sold “as is”, in other words in the condition they are in at the time of the auction. 3. Grisebach will determine the venue and time at which the auction is to be held. It is entitled to modify the venue and the time of the auction, also in those cases in which the auction catalogue has already been sent out. Section 3 Calling the Auction 1. Bidder number Grisebach will issue a bidder number to each bidder. Each bidder is to acknowledge the Conditions of Sale as being binding upon it. At the latest twenty-four (24) hours prior to the start of the auction, bidders as yet unknown to Grisebach must register in writing, providing a written bank reference letter of recent date, so as to enable Grisebach to issue a bidder number to them. 2. At the auction, only the bids submitted using a bidder number will be considered. Item call-up The auction of the individual work of art begins by its being called up by the auctioneer. The auctioneer is entitled to call up the works of art in a different sequence than that published in the catalogue, to join catalogue items to form a lot, to separate a lot into individual items, and to pull an item from the auction that has been given a lot number. When the work of art is called up, its price will be determined by the auctioneer, denominated in euros. Unless otherwise determined by the auctioneer, the bid increments will amount to 10 % of the respective previous bid. 3.Bids a) Floor bids Floor bids will be submitted using the bidder number. A sale and purchase agreement will be concluded by the auctioneer bringing down the hammer to end the bidding process. Where a bidder wishes to submit bids in the name of a third party, it must notify Grisebach of this fact at the latest twenty-four (24) hours prior to the auction commencing, submitting a corresponding power of attorney from that third party. In all other cases, once the work of art has been knocked down, the sale and purchase agreement will be concluded with the person who has placed the bid. b) Written absentee bids Subject to Grisebach consenting to this being done, bids may also be submitted in writing using a specific form developed for this purpose. The bidder must sign the form and must provide the lot number, the name of the artist, the title of the work of art and the hammer price it wishes to bid therefor. The bidder must acknowledge the Conditions of Sale as being binding upon it. By placing a written bid, the bidder instructs Grisebach to submit such bid in accordance with its instructions. Grisebach shall use the amount specified in the written bid only up to whatever amount may be required to outbid another bidder. Upon the auctioneer knocking down the work of art to a written bid, a sale and purchase agreement shall be concluded on that basis with the bidder who has submitted such written bid. Where several written bids have been submitted in the same amount for the same work of art, the bid received first shall be the winning bid, provided that no higher bid has been otherwise submitted or is placed as a floor bid. c) Phoned-in absentee bids Bids may permissibly be phoned in, provided that the bidder applies in writing to be admitted as a telephone bidder, and does so at the latest twenty-four (24) hours prior to the auction commencing, and furthermore provided that Grisebach has consented. The bidder must acknowledge the Conditions of Sale as being binding upon it. Bids phoned in will be taken by a Grisebach employee present at the auction on the floor, and will be submitted in the course of the auction in keeping with the instructions issued by the bidder. The bid so submitted by the bidder shall cover exclusively the hammer price, and thus shall not comprise the buyer’s premium, any allocated costs that may be charged, or turnover tax. The bid must unambiguously designate the work of art to which it refers, and must wherever possible provide the lot number, the artist and the title of the work. Grisebach may make a recording of bids submitted by telephone. By filing the application to be admitted as a telephone bidder, the bidder declares its consent to the telephone conversation being recorded. Unless it is required as evidence, the recording shall be deleted at the latest following the expiry of three (3) months. d) Absentee bids submitted via the internet Bids may be admissibly submitted via the internet only if Grisebach has registered the bidder for internet bidding, giving him a user name and password, and if the bidder has acknowledged the Conditions of Sale as being binding upon it. The registration shall be non-transferable and shall apply exclusively to the registered party; it is thus entirely personal and private. The user is under obligation to not disclose to third parties its user name or password. Should the user culpably violate this obligation, it shall be held liable by Grisebach for any damages resulting from such violation. Bids submitted via the internet shall have legal validity only if they are sufficiently determinate and if they can be traced back to the bidder by its user name and password beyond any reasonable doubt. The bids transmitted via the internet will 4. a) b) c) d) e) be recorded electronically. The buyer acknowledges that these records are correct, but it does have the option to prove that they are incorrect. In legal terms, Grisebach shall treat bids submitted via the internet at a point in time prior to the auction as if they were bids submitted in writing. Bids submitted via the internet while an auction is ongoing shall be taken into account as if they were floor bids. Knock down The work of art is knocked down to the winning bidder if, following three calls for a higher bid, no such higher bid is submitted. Upon the item being knocked down to it, this will place the bidder under obligation to accept the work of art and to pay the purchase price (Section 4 Clause 1). The bidder shall not be named. Should the bids not reach the reserve price set by the Consignor, the auctioneer will knock down the work of art at a conditional hammer price. This conditional hammer price shall be effective only if Grisebach confirms this bid in writing within three (3) weeks of the day of the auction. Should another bidder submit a bid in the meantime that is at least in the amount of the reserve price, the work of art shall go to that bidder; there will be no consultations with the bidder to whom the work of art has been knocked down at a conditional hammer price. The auctioneer is entitled to refuse to accept a bid, without providing any reasons therefor, or to refuse to knock down a work of art to a bidder. Where a bid is refused, or where a work of art is not knocked down to a bidder, the prior bid shall continue to be valid. The auctioneer may revoke any knock-down and may once again call up the work of art in the course of the auction to ask for bids; the auctioneer may do so in all cases in which – The auctioneer has overlooked a higher bid that was submitted in a timely fashion, provided the bidder so overlooked has immediately objected to this oversight; – A bidder does not wish to be bound by the bid submitted; or – There are any other doubts regarding the knock-down of the work of art concerned. Where the auctioneer exercises this right, any knock-down of a work of art that has occurred previously shall cease to be effective. The auctioneer is authorized, without being under obligation of giving notice thereof, to also submit bids on behalf of the Consignor until the reserve price agreed with the Consignor has been reached, and the auctioneer is furthermore authorized to knock down the work of art to the Consignor, citing the consignment number. In such event, the work of art shall go unsold. Section 4 Purchase Price, Payment, Default 1. Purchase price The purchase price consists of the hammer price plus buyer’s premium. Additionally, lump sum fees may be charged along with statutory turnover tax. A. a) For works of art that have not been specially marked in the catalogue, the purchase price will be calculated as follows: For buyers having their residence in the community territory of the European Union (EU), Grisebach will add a buyer’s premium of 30 % to the hammer price. A buyer’s premium of 25 % will be added to that part of the hammer price that is in excess of EUR 500,000. A buyer’s premium of 20 % will be added to that part of the hammer price that is in excess of EUR 1,000,000. This buyer’s premium will include all lump sum fees as well as the statutory turnover tax (margin scheme pursuant to Section 25a of the German Turnover Tax Act). These taxes and fees will not be itemized separately in the invoice. Buyers to whom delivery is made within Germany, as defined by the German Turnover Tax Act, and who are entitled to deduct input taxes, may have an invoice issued to them that complies with the standard taxation provisions as provided for hereinabove in paragraph B. Such invoice is to be requested when applying for a bidder number. It is not possible to perform any correction retroactively after the invoice has been issued. b) Works of art marked by the letter “N” (for Import) are works of art that have been imported from outside the EU for sale. In such event, the import turnover tax advanced, in the amount of currently 7 % on the hammerprice, will be charged in addition to the buyer’s premium. B. For works of art marked in the catalogue by the letter “R” behind the lot number, the purchase price is calculated as follows: a) Buyer’s premium Grisebach will add a buyer’s premium of 25 % to the hammer price. A buyer’s premium of 20 % will be added to that part of the hammer price that is in excess of EUR 500,000. A buyer’s premium of 15 % will be added to that part of the hammer price that is in excess of EUR 1,000,000. b) Turnover tax The hammer price and the buyer's premium will each be subject to the statutory turnover tax in the respectively applicable amount (standard taxation provisions, marked by the letter "R"). Currently, this amounts to 19 %. c) Exemption from turnover tax No turnover tax will be charged where works of art are sold that are acquired in states within the EU by corporations and exported outside of Germany, provided that such corporations have provided their turnover tax ID number in applying for and obtaining their bidder number. It is not possible to register this status after the invoice has been issued, and more particularly, it is not possible to perform a correction retroactively. No turnover tax shall be charged for the sale of works of art that are delivered, pursuant to Section 6 paragraph 4 of the Umsatzsteuergesetz (UStG, German Turnover Tax Act), to destinations located in states that are not a Member State of the EU, provided that their buyers are deemed to be foreign purchasers and have proved this fact in accordance with Section 6 paragraph 2 of the German Turnover Tax Act. The buyer shall bear any import turnover tax or duties that may accrue abroad. The above provisions on turnover tax correspond to the legislative status quo and are in line with the practice of the Tax and Revenue Authorities. They are subject to change without notice. 2. Due date and payment The purchase price shall be due for payment upon the work of art being knocked down to the buyer. The purchase price shall be paid in euros to Grisebach. Cheques and any other forms of non-cash payment are accepted only on account of performance. Payment of the purchase price by set-off is an option only where the claims are not disputed or have been finally and conclusively determined by a court’s declaratory judgment. Where payment is made in a foreign currency, any exchange rate risk and any and all bank charges shall be borne by the buyer. 3.Default In cases in which the purchase price has not been paid within two (2) weeks of the invoice having been received, the buyer shall be deemed to be defaulting on the payment. Upon the occurrence of such default, the purchase price shall accrue interest at 1 % per month, notwithstanding any other claims to compensation of damages that may exist. Two (2) months after the buyer has defaulted on the purchase price, Grisebach shall be entitled – and shall be under obligation to do so upon the Consignor’s corresponding demand – to provide to the Consignor the buyer’s name and address. Where the buyer has defaulted on the purchase price, Grisebach may rescind the agreement after having set a period of grace of two (2) weeks. Once Grisebach has so rescinded the agreement, all rights of the buyer to the work of art acquired at auction shall expire. Upon having declared its rescission of the agreement, Grisebach shall be entitled to demand that the buyer compensate it for its damages. Such compensation of damages shall comprise in particular the remuneration that Grisebach has lost (commission to be paid by the Consignor and buyer’s premium), as well as the costs of picturing the work of art in the catalogue and the costs of shipping, storing and insuring the work of art until it is returned or until it is once again offered for sale at auction. Where the work of art is sold to a bidder who has submitted a lower bid, or where it is sold at the next auction or the auction after that, the original buyer moreover shall be held liable for any amount by which the proceeds achieved at that subsequent auction are lower than the price it had bid originally. Grisebach has the right to exclude the defaulting buyer from future auctions and to forward the name and address of that buyer to other auction houses so as to enable them to exclude him from their auctions as well. Section 5 Post Auction Sale In the course of a two-month period following the auction, works of art that have gone unsold at the auction may be acquired through post auction sales. The post auction sale will be deemed to be part of the auction. The party interested in acquiring the work of art is to submit a bid either in person, by telephone, in writing or via the internet, citing a specific amount, and is to acknowledge the Conditions of Sale as being binding upon it. The sale and purchase agreement shall come about if Grisebach accepts the bid in writing within three weeks of its having been received. The provisions regarding the purchase price, payment, default, pick-up and liability for works of art acquired at auction shall apply mutatis mutandis. Section 6 Acceptance of the Work of Art Purchased at Auction 1.Pick-up The buyer is under obligation to pick up the work of art at the latest one (1) month after it has been knocked down to the buyer. However, Grisebach is not under obligation to surrender to the buyer the work of art acquired at auction prior to the purchase price set out in the invoice having been paid in full. Title to the work of art shall devolve to the buyer only upon the purchase price having been paid in full. 2.Storage Grisebach shall store the work of art acquired at auction until it is picked up, doing so at the longest for one (1) month, and shall insure it at its own cost, the amount insured being equal to the purchase price. Thereafter, Grisebach shall have the right to store the work of art with a specialized fine art shipping agent and to insure it there. At its choice, Grisebach may instead store the work of art in its own premises, charging a monthly lump-sum fee of 0.1 % of the purchase price for the costs of storage and insurance. 3.Shipping Where the buyer instructs Grisebach in writing to ship to it the work of art acquired at auction, subject to the proviso that the purchase price has been paid in full, Grisebach shall procure the appropriate shipment of the work of art to the buyer, or to any recipient the buyer may specify, such shipment being performed by a specialized fine art shipping agent; Grisebach shall take out corresponding shipping insurance. The buyer shall bear the costs of packaging and shipping the work of art as well as the insurance premium. 4. Default of acceptance Where the buyer fails to pick up the work of art within one (1) month (Clause 1) and fails to issue instructions for the work of art to be shipped to it (Clause 3), it shall be deemed to be defaulting on acceptance. 5. Sale to other parties Should the buyer, prior to having paid the purchase price in full, sell the work of art it has acquired at auction, it hereby assigns to Grisebach, as early as at the present time and on account of performance, the entirety of all claims to which it is entitled under such onward sale, and Grisebach accepts such assignment. Insofar as the claims so assigned are in excess of the claims to which Grisebach is entitled, Grisebach shall be under obligation to immediately re-assign to the buyer that part of the claim assigned to it that is not required for meeting its claim. Section 7 Liability 1. Characteristics of the work of art The work of art is sold in the condition it is in at the time it is knocked down to the buyer, and in which it was viewed and inspected. The other characteristic features of the work of art are comprised of the statements made in the catalogue (Section 2 Clause 1) regarding the work’s creator(s), technique and signature. These statements are based on the scholarly knowledge published up until the date of the auction, or otherwise generally accessible, and on the information provided by the Consignor. No further characteristic features are agreed among the parties, in spite of the fact that such features may be described or mentioned in the catalogue, or that they may garnered from information provided in writing or orally, from a condition report, an expert appraisal or the images shown in the catalogue. No guarantee (Section 443 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code)) is provided for the work of art having any characteristic features. 2. Buyer’s rights in the event of a defect of title being given (Section 435 of the German Civil Code) Should the work of art acquired be impaired by a defect of title because it is encumbered by rights of third parties, the buyer may, within a period of two (2) years (Section 438 paragraph 4 and 5 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code)), rescind the agreement based on such defect of title, or it may reduce the purchase price (Section 437 no. 2 of the German Civil Code). In all other regards, the buyer’s rights as stipulated by Section 437 of the German Civil Code are hereby contracted out, these being the right to demand the retroactive performance of the agreement, the compensation of damages, or the reimbursement of futile expenditure, unless the defect of title has been fraudulently concealed. 3. 4. 5. Buyer’s rights in the event of a material defect being given (Section 434 of the German Civil Code) Should the work of art deviate from the characteristic features agreed (work’s creator(s), technique, signature), the buyer shall be entitled to rescind the agreement within a period of two (2) years after the work of art has been knocked down to it (Section 438 paragraph 4 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code)). The buyer shall be reimbursed for the purchase price it has paid (Section 4 Clause 1 of the Conditions of Sale), concurrently with the return of the purchased object in unaltered condition, such return being effected at the registered seat of Grisebach. Claims to any reduction of the purchase price (Section 437 no. 2 of the German Civil Code), to the compensation of damages or the reimburse–ment of futile expenditure (Section 437 no. 3 of the German Civil Code) are hereby contracted out. This exclusion of liability shall not apply should Grisebach have fraudulently concealed the defect. The right to rescind the agreement for material defects shall be contracted out wherever Grisebach has sold the work of art for the account of the Consignor and has exercised, to the best of its ability, the greatest possible care in identifying the work’s creator(s), technique and signature listed in the catalogue, provided there was no cause to doubt these statements’ being correct. In such event, Grisebach enters into obligation to reimburse the buyer for the buyer’s premium, any allocated costs that may have been charged, and turnover tax. Moreover, Grisebach shall assign to the buyer all of the claims vis-à-vis the Consignor to which it is entitled as a result of the defects of the work of art, providing the Consignor’s name and address to the buyer. Grisebach shall support the buyer in any manner that is legally available to it and that it is able to apply in enforcing such claims against the Consignor. Errors in the auction proceedings Grisebach shall not be held liable for any damages arising in connection with bids that are submitted orally, in writing, by telephone or via the internet, unless Grisebach is culpable of having acted with intent or grossly negligently. This shall apply in particular to the telephone, fax or data connections being established or continuing in service, as well as to any errors of transmission, transfer or translation in the context of the means of communications used, or any errors committed by the employees responsible for accepting and forwarding any instructions. Grisebach shall not be held liable for any misuse by unauthorized third parties. This limitation of liability shall not apply to any loss of life, limb or health. Statute of limitations The statutory periods of limitation provided for by Section 438 paragraph 1 Clause 3 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code) (two years) shall apply where the statute of limitations of claims for defects is concerned. Section 8 Final provisions 1. Collateral agreements Any modifications of the present Conditions of Sale that may be made in an individual case, or any collateral agreements, must be made in writing in order to be effective. 2. Translations of the Conditions of Sale Insofar as the Conditions of Sale are available in other languages besides German, the German version shall govern in each case. 3. Governing law The laws of the Federal Republic of Germany shall exclusively apply. The United Nations Convention on the International Sale of Goods shall not apply. 4. Place of performance Insofar as it is possible to agree under law on the place of performance and the place of jurisdiction, this shall be Berlin. 5. Severability clause Should one or several provisions of the present Conditions of Sale be or become invalid, this shall not affect the validity of the other provisions. Instead of the invalid provision, the corresponding statutory regulations shall apply. Einliefererverzeichnis Impressum Consignor Index Imprint [3392] 344 [2052] 349 [3014] 301 [3020] 325 [3044] 307 [3082] 308 [3088] 327 [3097] 324 [3124] 302, 303 [3125] 313, 328 [3177] 336 [3178] 346 [3208] 315, 316 [3214] 337, 343 [3219] 309, 314 [3223] 332 [3276] 312 [3280] 329 [3374] 340 [3375] 318 [3378] 326 [3407] 334 [3408] 304 [3409] 319 [3431] 320 [3436] 321 [3439] 342 [3442] 348 [3444] 335 [3450] 338, 339 [3453] 341 [3489] 317, 345 [3491] 333 [3498] 306 [3510] 330 [3518] 350 [3519] 305 [3524] 331 [3530] 311 [3570] 347 [3573] 322 [3600] 323 [3794] 310 [3879] 300 Herausgegeben von: Villa Grisebach Auktionen GmbH, Fasanenstraße 25, D-10719 Berlin Geschäftsführer: Bernd Schultz, Micaela Kapitzky, Florian Illies, Dr. Markus Krause, Daniel von Schacky, Rigmor Stüssel HRB 25 552, Erfüllungsort und Gerichtsstand Berlin Katalogbearbeitung: Dr. Stefan Körner, Patrick Golenia Provenienzrecherche: Dr. Sibylle Ehringhaus Textbeiträge: Kristin Bahre (KB), Ulrich Clewing (UC), Alexandra Enzensberger (AE), Robert Eberhardt (RE), Anne Ganteführer-Trier (AGT), Patrick Golenia (PG), Constanze Hager (CH), Janet Kempf (JaK), Julia Knöschke (JK), Dr. Stefan Körner (SK), Joost Leliveld (JL), Gawain von Mallinckrodt (GvM), Elke Neumann (EN), Petra Raschkewitz (PR) Lektorat: Axel Fischer, Berlin Photos: Photostudio Bartsch, Karen Bartsch Photobearbeitung: Ulf Zschommler © Frobenius-Institut an der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main (301), Mittelrhein-Museum, Koblenz (308), British Museum, London (318), Privatsammlung (339), Deutsche Kunst und Dekoration 1928/29, Bd. 63, S. 80 (347) Trotz intensiver Recherche war es nicht in allen Fällen möglich, die Rechteinhaber ausfindig zu machen. Graphik-Design/DTP: Lena Mahr; www.studiomahr.de Produktion: Daniel Lamprecht Database-Publishing: Digitale Werkstatt, J. Grützkau, Berlin Herstellung & Lithographie: Königsdruck GmbH Gedruckt auf Maxisatin, 150 g/qm Schrift: Didot und Corporate S Abbildungen auf dem Umschlag: Umschlag vorn: Theophil Hansen (Entwurf) Los 338 Laufsessel aus Schloß Hernstein Umschlag hinten: Meister der Échevinage von Rouen Los 304 Stundenbuch Doppelseite vorn: Jan-Frans van den Hecke Los 312 Tapisserie des Frühlings 116 Schmuckseite / zur Umschlagseite U3 224 ORANGERIE · Ausgewählte Objekte · Frühjahr 2014 Für Objektverzeichnis bitte aufklappen Object index on reverse of flap ORANGERIE Für Objektverzeichnis bitte aufklappen Object index on reverse of flap U4