Ausgangs- und Widerspruchsbescheid
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Ausgangs- und Widerspruchsbescheid
Öffentliches Recht – Bescheidtechnik Übersicht 3 Seite 1 von 19 Ausgangs- und Widerspruchsbescheid I. Allgemeines Der Erst- oder Ausgangsbescheid kann im GPA seit Juni 2009 Gegenstand der verwaltungspraktischen Klausur sein. Das Aktenstück in der Klausur enthält dann grundsätzlich weder eine Sachentscheidung noch einen Vorlagebericht. Allerdings liegt regelmäßig ein Vermerk über einen bestimmten Sachverhalt vor, der die Grundlage für die Entscheidung der Verwaltung ist. Der Erstbescheid wird häufig im Bereich des Gefahrenabwehrrechtes angesiedelt sein, so dass Sie neben der Hauptentscheidung immer auch über die Anordnung der sofortigen Vollziehung, Zwangsmittel bzw. deren Androhung nachdenken müssen. Aber es sind auch Antragsverfahren denkbar, bei denen Sie dann eine Genehmigung regelmäßig mit Nebenbestimmungen versehen müssen. Anmerkung: Ihre Aufgabe in der verwaltungspraktischen Klausur ist es einen Bescheid zu erstellen, der den Anforderungen optimalen Behördenhandelns entspricht. Daher ist es wichtig gegenüber dem Bürger eine klare und einfache Sprache zu verwenden und die Begründung auf die wesentlichen entscheidungsrelevanten Aspekte zu beschränken und dabei überflüssige Rechtsausführungen zu vermeiden. Im GPA kann entweder der Briefstil oder die klassische Bescheidform gewählt werden, wobei sich letztere am Aufbau eines Urteils orientiert und aus drei Teilen besteht: Tenor (Was ist zu tun?), Gründe (Warum?), Rechtsbehelfsbelehrung (Wie kann der Bürger sich gegen den Bescheid wehren?). Nachfolgend wird die Bescheidform zugrunde gelegt. Auf die Nennung einzelner landesrechtlicher Vorschriften wird im Folgenden verzichtet, weil im Examen regelmäßig Klausuren aus einem Bundesland außerhalb des GPA gestellt werden. Normen des VwVfG sind solche des jeweiligen LandesVwVfG (in SH: LVwG). Zur Vertiefung dieser Einheit wird auf das Systematische Modul Nr. 4 aus dem Assessorkurs Pro verwiesen. Literatur: Volkert, die Verwaltungsentscheidung, 4. Aufl. 2002; hemmer/wüst, Die Assessorklausur im Öffentlichen Recht, 3. Auflage 2008, §§ 4-5, sowie ausführlich: Pietzner/Ronnellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht – Widerspruchsverfahren und Verwaltungsprozess, 11. Aufl. 2005, 3. Teil, §§ 23 ff. II. Aufbau des Erstbescheides 1. Erkennbarkeit der Erlassbehörde, § 37 III 1 VwVfG: • „Freie und Hansestadt Hamburg Bezirksamt Hamburg-Wandsbek, Widerspruchsausschuss“ • Adresse • Sachbearbeiter • Aktenzeichen „Az.“ Datum ____________________________________________________________________________ www.schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RAe Dr. Uwe Schlömer/ Tobias Hermann - Januar 10 Öffentliches Recht – Bescheidtechnik Übersicht 3 Seite 2 von 19 2. Adressat des Bescheides Verwaltungsakte müssen für ihre Wirksamkeit nach §§ 41 I, 43 I VwVfG dem jeweiligen Adressaten bekannt gegeben werden, im Falle einer juristischen Vertretung dem bevollmächtigten Anwalt, sofern eine schriftliche Volmacht vorgelegt wurde (§ 7 I 2 VwZG). In der Praxis reicht es aus, wenn eine entsprechende Vertretung vom Bürger behauptet wird (sonst: § 41 I 2 VwVfG). 3. Art der Übermittlung des Verwaltungsaktes Die Bekanntgabe von begünstigenden Verwaltungsakten erfolgt regelmäßig durch Brief, bei belastenden Verwaltungsakten sollte in der Klausur immer die Zustellung des Bescheides nach dem VwZG i.V.m. § 1 LandesVwZG (vgl. § 41 V VwVfG) gewählt werden, nach Wahl per: • Empfangsbekenntnis (EB): kostengünstig, immer bei Beamten, Rechtsanwälten, § 5 I, IV VwZG • Postzustellungsurkunde (PZU): teuer, aber die zuverlässigste Zustellungsart gegenüber dem Bürger), die bei belastenden Bescheiden gewählt werden sollte (§ 3 VwZG) • Übergabeinschreiben mit Dreitagesfiktion (§ 4 I, II 2 Var. 1 VwZG, bei Rückschein: § 4 II 1 VwZG), nicht: Einwurfeinschreiben (Kremer, NJW 2006, 333): bei voll stattgebenden Bescheiden • Aushändigung durch die Behörde (§ 5 I 1 VwZG) Anmerkung: Außerdem gibt es noch die elektronische Zustellung (§ 5 V, IV VwZG iVm. SignaturG), die bei belastenden VAs jedoch nicht zu empfehlen ist, weil der Empfänger zum Nachweis der Zustellung ein EB an die Behörde schicken muss, § 5 V 3 VwZG. Dabei muss die Art der Zustellung im Bescheid festgelegt werden: • „Mit PZU“ oder „gegen EB“, siehe dazu: Kopp/Schenke, § 73 VwGO, Rn. 22 4. Betreffs-/Bezugszeile/Überschrift In der Betreffszeile nimmt man ein oder mehrere prägnante Schlagwörter auf, die den Gegenstand des Bescheides hervorheben. Bei Einschaltung eines Anwaltes wird noch dessen Aktenzeichen und der Name des Bürgers aufgenommen: • „Ihr Mandant Herr Schröder; Ihr Az. [ ]; Entziehung der Fahrerlaubnis“ In der Bezugszeile nimmt man das letzte Schreiben der Behörde und/oder das letzte Schreiben des Adressaten auf. • „Unser Schreiben vom [ ]“ oder „Ortsbesichtigung vom [ ]“; Ihr Schreiben vom [ ]“ ____________________________________________________________________________ www.schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RAe Dr. Uwe Schlömer/ Tobias Hermann - Januar 10 Öffentliches Recht – Bescheidtechnik Übersicht 3 Seite 3 von 19 Wenn Sie die Erlassform für die Abfassung des Bescheides gewählt haben, erhält der Bescheid außerdem eine Überschrift, die inhaltlich aussagekräftig und nicht nur allgemein gehalten sein sollte: • „Baugenehmigung“ oder „Nutzungsuntersagung“ 5. Entscheidungsformel/ Tenor Die Entscheidungsformel ist ein Schwerpunkt der Klausur, da diese als vollstreckungsfähige Regelung formuliert sein muss. Daher muss neben der optischen Hervorhebung durch Einrücken hier besonders gelten: • kurze Aktivsätze ohne Begründung oder Ausdruck des Bedauerns („leider sehe ich mich gezwungen“) • Jede Entscheidung beginnt mit einem neuen Satz und neuer Zeile, wobei ein Bescheid auch mehrere Verwaltungsakte enthalten kann Anmerkung: Der Tenor dient ausschließlich der Mitteilung einer hinreichend bestimmten (§ 37 I VwVfG) Regelung i.S.v. § 35 S. 1 VwVfG, so dass eine strikte Trennung zur Begründung gegeben sein muss. Also darf der Tenor weder Sachverhaltselemente noch rechtlichen Ausführungen aufweisen. a) Hauptsache In der Hauptsache kann eine Entscheidung notwendig werden, weil der Bürger einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung gestellt hat. Dagegen muss die Behörde von Amts wegen einschreiten, wenn es um die Abwehr von Gefahren geht. aa) Entscheidung im Antragsverfahren (1) Erfolgreicher Antrag: • „Die Fahrerlaubnis der Klasse B wird Ihnen erteilt.“ Zu unbestimmt dagegen: „Dem Antrag ist stattzugeben.“ (Welchem Antrag?) Rechtsfolge: § 44 I, II Nr. 4 VwVfG (2) Erfolgsloser Antrag: • „Ihr Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung eines Gaststättengewerbes wird abgelehnt.“ (3) Teilerfolg • „Die Erlaubnis für den Betrieb einer Gaststätte als [ ] in den Räumlichkeiten [ ] wochentags, sonntags und an Feiertagen bis 24.00 Uhr, an Freitagen und Samstagen bis 2.00 Uhr wird Ihnen erteilt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.“ ____________________________________________________________________________ www.schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RAe Dr. Uwe Schlömer/ Tobias Hermann - Januar 10 Öffentliches Recht – Bescheidtechnik Übersicht 3 Seite 4 von 19 Wird ein Verwaltungsakt mit Nebenbestimmungen iSv. § 36 VwVfG versehen oder handelt es sich um eine modifizierte Gewährung, kommt es entscheidend darauf an, dass Sie genau deren Inhalt beschreiben, damit der Tenor auch hinreichend bestimmt ist. Die Befristung einer Genehmigung: • „Ich erteile Ihnen eine Sondernutzungserlaubnis für den Betrieb eines Informationsstandes in [ ] im Bereich [ ] am 20.09.2005 in der Zeit von 9.00 bis 18.00 Uhr.“ Der Widerrufsvorbehalt: • „Ich erteile Ihnen [ ]. Den Widerruf der Genehmigung behalte ich mir vor.“ Die Auflage / die Bedingung: Frage für Ausgeschlafene: Wie werden Auflage und Bedingung voneinander abgegrenzt? Siehe dazu Besprechung im Kurs und Übersicht 4. • „Ich erteile Ihnen die Genehmigung [ ] unter der Auflage/ der Bedingung [ ].“ Bei der modifizierten Gewährung oder modifizierenden Auflage wird etwas anderes genehmigt (Beispiel: Flachdach), als vom Antragsteller beantragt (Giebeldach). Dabei handelt es sich nicht um eine Nebenbestimmung iSv. § 36 VwVfG, so dass Sie auch eine solche Genehmigung nicht als „Auflage/Bedingung“ bezeichnen sollten: • „Ich genehmige Ihnen [ Antrag ab.“ ] mit der Maßgabe, dass [ ]. Im Übrigen lehne ich Ihren bb) Entscheidung von Amts wegen In der Klausur dürfte die Entscheidung von Amts wegen der Regelfall sein. Die Behörde hat hier den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt (vgl. § 24 VwVfG) und dieser wird Ihnen in der Akte mitgeteilt. Klausurrelevant sind insbesondere die Konstellationen der Bauordnungsverfügungen (näher dazu: Übersicht zum Baurecht). • „Herr Max Meier wird verpflichtet, das Gebäude Holzfällerstraße 3, 22303 Hamburg abzureissen. • „Herr Max Meier wird untersagt, den im Betreff genannten Hund außerhalb ihres Grundstücks im Gebiet der Gemeinde Kleinkleckersdorf, sich ohne Maulkorb bewegen zu lassen.“ b) Nebenentscheidungen Neben der Entscheidung in der Hauptsache müssen von der Behörde ggf. noch weitere Nebenentscheidungen getroffen werden. ____________________________________________________________________________ www.schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RAe Dr. Uwe Schlömer/ Tobias Hermann - Januar 10 Öffentliches Recht – Bescheidtechnik aa) Übersicht 3 Seite 5 von 19 Anordnung der sofortigen Vollziehung Ist die umgehende Vollstreckung des Verwaltungsaktes notwendig (insbes. im Sicherheitsrecht), muss die sofortige Vollziehung angeordnet werden, damit ein Widerspruch oder eine Anfechtungsklage nach § 80 I keine aufschiebende Wirkung entfalten (§ 80 I, II Nr. 4 VwGO). Dazu achten Sie bitte auf Hinweise in der Akte. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wird wie folgt tenoriert: • „Die sofortige Vollziehung von Ziffer 1 dieses Bescheides wird angeordnet.“ bb) Zwangsmittel Zum Teil müssen Verwaltungsakte gerade im Bereich des Gefahrenabwehrrechtes mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn der Bürger dem Bescheid nicht freiwillig nachkommt. Dagegen kommt die Anwendung von Zwangsmitteln gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich nicht in Betracht. In der Klausur sollten Sie zunächst ein bestimmtes Zwangsmittel androhen, da Zwangsmittel regelmäßig nicht ohne Ankündigung eingesetzt werden dürfen (§ 13 VwVG). Hinweis für die mündliche Prüfung: In Hamburg erfolgt keine Androhung des Zwangsmittels, sondern lediglich ein Hinweis, der mit dem Ausgangsverwaltungsakt verbunden werden kann. Der Hinweis stellt keinen selbständigen VA dar und kann daher auch nicht selbständig angefochten werden, vgl. § 18 II hmbVwVG. (1) Soll der Bürger einen Zustand beseitigen oder sein Verhalten ändern, ist ihm nach § 13 I 2 VwVG eine angemessene (bestimmte) Frist einzuräumen, die jedenfalls nach Eintritt der Bestandskräftigkeit des Verwaltungsaktes liegen muss, sofern eine sofortige Vollziehung nicht angeordnet worden ist. • „Für den Fall, dass Sie der Aufforderung nach Ziffer 1 dieses Bescheides innerhalb von 4 Wochen nach Bestandskraft dieses Bescheides nicht nachkommen, drohe ich Ihnen [ ] an.“ Dem Bürger muss ein bestimmtes Zwangsmittel angedroht werden: (2) Die Ersatzvornahme ist primäres Zwangsmittel vertretbarer Handlungen (§§ 10, 13 IV VwVG): • bei der Durchsetzung „[ ] nicht nachkommen, wird Ihnen die Ersatzvornahme angedroht. Die voraussichtlichen Kosten einer Ersatzvornahme betragen [ ].“ Anmerkung: Der Durchsetzung des Zwangsmittels dürfen keine tatsächlichen Hindernisse (dann: Nichtigkeit § 44 II Nr. 4 VwVfG) entgegenstehen. Bei rechtlichen Hindernissen ist ggf. eine Duldungsverfügung gegenüber Dritten auszusprechen. (3) Das Zwangsgeld ist das Mittel der Wahl für die Durchsetzung von unvertretbaren Handlungen (insbesondere Unterlassen). Dabei ist für jede im Tenor bezeichnete Handlung solcher Art ein selbständiger konkreter Betrag anzudrohen: ____________________________________________________________________________ www.schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RAe Dr. Uwe Schlömer/ Tobias Hermann - Januar 10 Öffentliches Recht – Bescheidtechnik • Übersicht 3 Seite 6 von 19 „Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Untersagung nach Ziffer [ wird Ihnen die Festsetzung eines Zwangsgeldes von bis zu [ ] angedroht.“ ], (4) Als ultima ratio kommt noch unmittelbarer Zwang zur Durchsetzung des Verwaltungsaktes insbesondere bei Unterlassungen/Verboten in Betracht, wenn ein verhängtes Zwangsgeld erfolglos war. Unmittelbarer Zwang ist jede Maßnahme der Behörde, die das bisherige Verhalten des Bürgers unmöglich macht, z.B. Versiegelung von Gebäuden (§ 12 VwVG). Auch hier muss eine Androhung des Zwangsmittels erfolgen. cc) Kosten Der Tenor schließt stets mit der Kostenentscheidung der Behörde. Dabei ist regelmäßig nur eine Kostenlastentscheidung erforderlich, die Festsetzung der Kosten erfolgt gewöhnlich in einem gesonderten Festsetzungsbescheid. • Der Antragsteller/ Ihr Mandant hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.“ Ist der Bescheid nicht kostenpflichtig (z.B. § 64 SGB X): • „Verwaltungskosten werden nicht erhoben.“ 6. Gründe, § 39 I 1 VwVfG (nur im Urteil: Entscheidungsgründe) Neben dem Tenor ist dessen Begründung in der Hauptsache das Kernstück jeder Examensklausur. Dabei muss die Begründung gemäß § 39 I 2 VwVfG die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe sowie die Gesichtspunkte der Ermessensausübung enthalten, welche die Entscheidung tragen (vgl. Kopp/Ramsauer, 10. Aufl., § 39 VwVfG, Rn. 17 ff.). Eine Begründung ist nur ausnahmsweise nach § 39 II VwVfG entbehrlich; fehlt sie ist der Verwaltungsakt rechtswidrig, wobei dieser Mangel allerdings gemäß § 45 I Nr. 2 VwVfG geheilt werden kann (dann aber Kostenfolge des § 80 I 2 VwVfG). Wichtig ist, dass sich Tenor und Gründe entsprechen. Frage für Ausgeschlafene: Welcher Unterscheid besteht zur Begründung nach § 80 III 1 VwGO? Siehe dazu unten S. 8 f. und Übersicht 5. a) Sachverhalt Sie haben bei der Darstellung des Sachverhalts der Klausur zunächst eine Ordnungsaufgabe und müssen alle wesentlichen Tatsachen und für etwaige Fristen relevante Daten aufführen, die für die Entscheidung (den Tenor) von Bedeutung sind und in der rechtlichen Begründung auftauchen. Dies setzt voraus, dass Sie sich vorher die rechtliche Lösung überlegt haben. Dabei sollten Sie möglichst eine chronologische Darstellung wählen, bei der aber über eine bloße Zeittabelle hinaus, eine innere Beziehung der verschiedenen Aktivitäten deutlich wird. ____________________________________________________________________________ www.schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RAe Dr. Uwe Schlömer/ Tobias Hermann - Januar 10 Öffentliches Recht – Bescheidtechnik Übersicht 3 Seite 7 von 19 Grundsätzlich empfiehlt es sich die erfolgten Rechtsausführungen des Bürgers hier nur kurz zu skizzieren, um diese bei der rechtlichen Begründung aufzugreifen. Darüber hinaus ist aber jegliche Information, die für die Entscheidungsfindung keine Bedeutung hat, wegzulassen. Eine aufbaumäßige Unterscheidung von unstreitigen und streitigen Tatsachen erfolgt anders als im Tatbestand eines Zivilurteils nicht. b) Rechtliche Begründung aa) Hauptsache (1) Zuerst ist die Rechtsgrundlage bzw. Anspruchsgrundlage für die Entscheidung in der Hauptsache zu nennen: • „Die Untersagung des Gaststättengewerbes beruht auf § 15 GastG.“ (2) Die Mitteilung an den Bürger, woraus sich die Zuständigkeit der Behörde für den Erlass des Verwaltungsaktes ergibt… • „Die Stadt Osnabrück ist gem… für den Erlass der Baugenehmigung zuständig.“ …sollte weggelassen werden, weil den Bürger die rechtlichen Details der Zulässigkeit seines Antrags nicht interessieren. Vielmehr geht er stets davon aus, dass seine Anträge zulässig sind. (3) Erst daran schließt sich die Darstellung der Voraussetzungen der Rechtsgrundlage an, die im Urteilsstil erfolgt. Dabei ist jedes Tatbestandsmerkmal zu erwähnen, wobei der Schwerpunkt auf die tragenden Gründe gelegt werden sollte. Wichtig ist, dass bei der Ablehnung eines Antrages nur auf die Tatbestandsmerkmale einzugehen ist, an denen der Erlass des Verwaltungsaktes scheitert, sowie auf etwaige Argumente des Bürgers, die sich aus der Akte ergeben. (4) Gem. § 39 I 3 VwVfG ist die Behörde verpflichtet, die für die Ausübung des Ermessens maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte darzustellen, wobei Sie stets mit dem entscheidenden Grund für die Ermessensentscheidung beginnen sollten. Dabei empfiehlt es sich in drei gedanklichen Schritten vorzugehen (vgl. Kopp/Ramsauer, 10. Aufl., § 39 VwVfG, Rn. 25). • Im ersten Schritt ist dabei das Ziel der Ermessensvorschrift zu nennen. • Im zweiten Schritt sind die möglichen Handlungsalternativen aufzuzeigen, um das Gesetzesziel zu verwirklichen. Hier ist einmal auf die Entschliessung zum Handeln und darauffolgend auf die zur Verfügung stehenden Mittel einzugehen. • Erst im letzten Schritt ist eine Auswahl aus den Handlungsmöglichkeiten nach Recht- und Zweckmäßigkeit zu treffen. ____________________________________________________________________________ www.schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RAe Dr. Uwe Schlömer/ Tobias Hermann - Januar 10 Öffentliches Recht – Bescheidtechnik Übersicht 3 Seite 8 von 19 Anmerkung: Ein Gericht kann eine Ermessensentscheidung auf Rechtmäßigkeit, d.h. Ermessensfehler überprüfen: (1) Ermessensüberschreitung, § 114 S. 1 Var. 1 VwGO und (2) Ermessensfehlgebrauch, § 114 S. 1 Var. 2 VwGO Dagegen wird im Widerspruchsverfahren auch die Zweckmäßigkeit der Entscheidung überprüft (§ 68 VwGO). Daher muss in dem Bescheid auch die Auswahl zwischen mehreren zulässigen Entscheidungsalternativen argumentativ nachvollziehbar sein, z.B. nach der Sicherheit der Erreichung des Gesetzeszwecks, dem damit verbundenen Aufwand für die Behörde oder der Erreichbarkeit der Pflichtigen. Ein weiterer Aspekt in der Klausur bei der Ermessensentscheidung sind Verwaltungsvorschriften, die dem Aktenstück beigefügt sind. Bei den ermessensleitenden Verwaltungsvorschriften ist immer Art. 3 GG zu berücksichtigen, weil dadurch eine Außenwirkung für den Bürger erzeugt wird. Wollen Sie z.B. von einer den Bürger begünstigenden Verwaltungsvorschrift abweichen, müssen Sie anhand des Gleichheitssatzes gegenüber dem Bürger begründen, warum in seinem Fall z.B. keine Gewährung erfolgen kann. Frage für Ausgeschlafene: In welchen Fällen liegt eine Ermessensreduktion auf Null vor? Dazu: Übersicht 4. • Die Behörde ist bei der Ermessensausübung an den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebunden, so dass rechtswidrige Maßnahmen von vornherein ausscheiden müssen. Dazu gehört auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wobei Sie keine echte Grundrechtsprüfung durchführen sondern die Ermessensleitung durch Grundrechte darstellen sollen. • Bei Antragsverfahren liegt die Hauptaufgabe der Klausur meist darin, die Genehmigung/ Erlaubnis mit den Belangen der Allgemeinheit und einzelner Dritter zu koordinieren. Hierzu müssen Sie auf mögliche Nebenbestimmungen, die nach Ermessen der Behörde zu erlassen sind (§ 36 VwVfG), eingehen. (5) Bei den Verfahrensentscheidungen (vgl. oben) ist nur kurz zu erwähnen, dass z.B. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 32 VwVfG gewährt worden ist. Eine Begründung unterbleibt in der Praxis dieser für den Beteiligten günstigen Entscheidung (§ 39 II Nr. 1 VwVfG); nur eine ablehnende Entscheidung wäre kurz inhaltlich zu begründen. Im Examen sollten Sie eine Gewährung dennoch kurz begründen. bb) Nebenentscheidungen (1) AO sofortige Vollziehung Die Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 80 II Nr. 4 VwGO) verlangt eine gesonderte Begründung nach § 80 III 1 VwGO. Dabei kommt es auf zwei gedankliche Schritten an: ____________________________________________________________________________ www.schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RAe Dr. Uwe Schlömer/ Tobias Hermann - Januar 10 Öffentliches Recht – Bescheidtechnik Übersicht 3 Seite 9 von 19 • Es muss ein „besonderes“ öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes bestehen, dass gegenüber dem Erlassinteresse hervortritt (z.B. schwerwiegende Gefahren für wichtige Rechtsgüter, gesteigertes Interesse an der Widerherstellung des Rechtsfriedens). • Schließlich muss dieses Interesse das private Aussetzungsinteresse des Bürgers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegen (näher zum Verfahren nach § 80 V VwGO: Übersicht 5). (2) Androhung von Zwangsmitteln Bei der Androhung von Zwangsmitteln reicht maßgeblichen Vorschriften aus. regelmäßig die Zitierung der (3) Kosten Die Begründung der Kostenentscheidung erfolgt durch die Nennung der maßgeblichen Vorschriften, die regelmäßig in der Akte abgedruckt sind. Näher dazu: Systematisches Modul Nr. 4, S. 10. 7. Rechtsbehelfsbelehrung Der belastende Bescheid endet mit einer Rechtsbehelfsbelehrung. Der Mindestinhalt der Belehrung ist: • „Gegen diesen Bescheid können Sie innerhalb eines Monates nach Bekanntgabe (Zustellung) Widerspruch bei mir (oder Behörde mit Adresse) einlegen.“ Über den Mindestinhalt hinaus können weitergehende Belehrungen z.B. über die Form des Widerspruches erfolgen, wobei hier aber ein größeres Fehlerpotential liegt. • „Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monates nach Bekanntgabe (Zustellung) Widerspruch schriftlich oder mündlich zur Niederschrift bei [ ] (Bezeichnung, Adresse der Ausgangsbehörde) eingelegt werden. Die Frist wird auch gewahrt, wenn der Widerspruch innerhalb der vorgenannten Frist bei [ ] (Bezeichnung, Adresse der Widerspruchsbehörde) eingeht.“ Fehler der Rechtsbehelfsbelehrung führen nicht zur Rechtswidrigkeit Verwaltungsaktes, sondern nur zur Verlängerung der Frist nach § 58 II VwGO. des 8. Unterschrift Der Bescheid endet mit der Unterschrift (§ 37 III 1 VwVfG). • „Hochachtungsvoll“ • „Im Auftrag (Name)“ ____________________________________________________________________________ www.schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RAe Dr. Uwe Schlömer/ Tobias Hermann - Januar 10 Öffentliches Recht – Bescheidtechnik III. Übersicht 3 Seite 10 von 19 Einkleidung in den Entwurf Der Ausgangsbescheid ist regelmäßig nur ein Teil eines Entscheidungsentwurfes. Ferner sind neben dem entworfenen Ausgangsbescheid noch weitere sog. Begleitverfügungen zu treffen. Die Verfügung sieht vor, was mit dem Vorgang weiter zu geschehen hat und welche weiteren Maßnahmen zu treffen sind. Der Entwurf umfasst alle Schriftstücke und Verfügungen eines Verfahrensschrittes. Der Vermerk dient dazu, Sachverhaltsermittlungen, Hintergründe und rechtliche Überlegungen, die in der Begründung des Bescheides nicht zum Ausdruck kommen, aber für eine spätere Nachvollziehbarkeit der Entscheidung z.B. durch den Richter zu ermöglichen. Näher dazu: Systematisches Modul Nr. 4, S. 11 ff. Übersicht: Aufbau eines Erstbescheides 1. Ausgangsbehörde 2. Adressat (Anschrift; ggf. schon hier RA, aber selten) 3. Bekanntgabe- / Zustellungsart 4. Betreff- / Bezugszeile 5. Entscheidungsformel / Tenor 6. Begründung a. „Tatbestand“ b. Rechtliche Würdigung Hauptsache c. Rechtliche Würdigung Nebenentscheidungen 7. Rechtsbehelfsbelehrung 8. Unterschrift ____________________________________________________________________________ www.schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RAe Dr. Uwe Schlömer/ Tobias Hermann - Januar 10 Öffentliches Recht – Bescheidtechnik A. Übersicht 3 Seite 11 von 19 Allgemeines zum Widerspruchsbescheid Vorbemerkung: Der Entwurf eines Widerspruchsbescheides gehört in Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein zu den typischen Aufgabenstellungen der öffentlich-rechtlichen Assessorklausur. In Niedersachsen, NRW und Bayern wurde das Widerspruchsverfahren über die jeweilige AGVwGO jedoch weitestgehend abgeschafft, vgl. § 68 I 2 Var. 1 VwGO. In Niedersachsen kann der Widerspruchsbescheid nur noch in den Bereichen Baurecht, Bodenschutzrecht, Denkmalschutzrecht und Prüfungsrecht Klausgegenstand sein (vgl. § 8a NdsAGVwGO), in NRW insbes. im Schulrecht und in Drittbeteiligungsfällen (vgl. § 6 AGVwGO NW). Der Widerspruchsbescheid besteht aus dem Bescheidkopf (II.) dem Tenor (III.) den Gründen (IV.) und dem Schluss (V.). Dabei orientiert sich die Darstellung immer am Ergebnis: 1. Wird der Widerspruch zurückgewiesen, muss eine umfassende Begründung erfolgen. Im Falle der Unbegründetheit des Widerspruchs ergeben sich hier keine grundlegenden Besonderheiten im Vergleich zum gerichtlichen Urteil. Alle Ausführungen zur Lösung des Falles sind in den Gründen des Widerspruchsbescheides darzustellen. In den wenigsten Fällen wird in der Klausur der Widerspruch bereits an der Zulässigkeit scheitern. Wenn es irgendwie vertretbar ist, sollte der Bearbeiter die Zulässigkeit bejahen, um nicht die Begründetheit hilfsweise oder ergänzend ausführen zu müssen. Lässt sich die Unzulässigkeit nicht vermeiden, ist ein Hilfsgutachten oder Vermerk anzufertigen, in dem zu Punkten, die im Widerspruchsbescheid selbst nicht ausgeführt wurden, Stellung genommen wird. In Niedersachsen stellt sich dieses Problem nicht, da hier regelmäßig Begleitverfügungen zu erstellen sind. Wenn der Bearbeiter zur Unzulässigkeit des Widerspruchs kommt, so hat er einen relativ kurzen Widerspruchsbescheid. Auf die übrigen Rechtsprobleme ist aber im Rahmen des Anschreibens an die Ausgangsbehörde oder eines Vermerks einzugehen. Wird dem Widerspruch stattgegeben, ergibt sich normalerweise die Besonderheit, dass in dessen Begründung die materielle Rechtslage nicht oder nur knapp ausgeführt wird, da es dem Widerspruchsführer in der Regel egal ist, warum seinem Widerspruch stattgegeben wird. In diesen Fällen ist dem Entscheidungsentwurf ein ergänzender Vermerk anzufügen. Dies ergibt sich zumeist schon aus dem Bearbeitervermerk. Dieser ergänzende Vermerk dient dazu, bei der Rücksendung des Vorgangs an die Ausgangsbehörde dieser die (insofern abweichende) Entscheidung zu erläutern. ____________________________________________________________________________ www.schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RAe Dr. Uwe Schlömer/ Tobias Hermann - Januar 10 Öffentliches Recht – Bescheidtechnik Übersicht 3 Seite 12 von 19 B. Widerspruchsbescheid Kopf des Widerspruchsbescheides Erlassform - üblich in Hamburg, da idR. ein Widerspruchsausschuss entscheidet Freie und Hansestadt Hamburg Bezirksamt Hamburg - ... Widerspruchsausschuss Aktenzeichen Nr.: ... Hamburg, den ... Zustellungsvermerk : WIDERSPRUCHSBESCHEID In der Widerspruchssache des (Adressat...= Widerspruchsführer/Widersprechender) (gegen die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch das Bezirksamt XY, - Widerspruchsgegnerin -)1 wegen : (Streitgegenstand) hat der Widerspruchsausschuss des Bezirksamtes Hamburg -... in seiner Sitzung am ... durch den Vorsitzenden Regierungsrat ... , die ehrenamtliche Beisitzerin Frau ... , den ehrenamtlichen Beisitzer Herrn ... , beschlossen : 1 Eine besondere Aufführung der Widerspruchsgegnerin wird von den meisten Praktikern als überflüssig angesehen. ____________________________________________________________________________ www.schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RAe Dr. Uwe Schlömer/ Tobias Hermann - Januar 10 Öffentliches Recht – Bescheidtechnik Übersicht 3 Seite 13 von 19 Der Widerspruch vom ... gegen den Bescheid des ... vom Bezirksamt ..., Wirtschafts- und Ordnungsbehörde, vom ..., wird zurückgewiesen, [ ggf. mit der Maßgabe, dass ...] Die Kosten trägt der Widerspruchsführer. Gründe • Sachverhaltsdarstellung • Rechtliche Würdigung • Begründung Nebenentscheidungen Rechtsbehelfsbelehrung Unterschrift C. Einzelprobleme I. Zustellung Zustellung obligatorisch, § 73 III 1, 2 VwGO i.V.m. VwZG (kein Landesrecht anwendbar!) 1. Allgemeines Die Zustellungsart ist auf dem Widerspruchsbescheid zu vermerken, da ansonsten die Gefahr besteht, dass mangels Nachweis des Zustellungsdatums auch eine verfristete Klage als zulässig behandelt werden muss. 2. Zustellungsarten, vgl. S. 2 II. Adressat des Widerspruchsbescheides, vgl. oben S. 2 Widerspruchsführer bzw. dessen Bevollmächtigter (§ 7 I 2 VwZG), nicht die Ausgangsbehörde, die nur eine Kopie bekommt III. Betreffzeile Kurze prägnante Zusammenfassung der Entscheidung unter Nennung des Streitgegenstandes. Bei Widerspruch durch Anwälte ist auch die Nennung des Mandanten erforderlich. ____________________________________________________________________________ www.schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RAe Dr. Uwe Schlömer/ Tobias Hermann - Januar 10 Öffentliches Recht – Bescheidtechnik Übersicht 3 Seite 14 von 19 D. Tenorierung I. Hauptsacheentscheidung 1. Kriterien Bei der Tenorierung ist vorrangig auf Verständlichkeit, Vollständigkeit (ggf. Zusatz „im übrigen ...“) und Bestimmtheit zu achten. 2. Beispiele „Ihren Widerspruch gegen ... weise ich zurück.“ (ohne Zusätze wie: als unbegründet; als unzulässig ...) (Bescheidstil) „Der Widerspruch wird zurückgewiesen.“ (Beschlussform) „Auf den Widerspruch vom ... wird der Bescheid des ... vom ... insoweit aufgehoben, als dass ... Im übrigen wird der Widerspruch zurückgewiesen.“ (Anfechtungswiderspruch, § 68 I VwGO) Aus Gründen der Rechtsklarheit sollte bei einem Verpflichtungswiderspruch, § 68 II, I VwGO) zunächst der Ausgangsbescheid aufgehoben werden. I. „Der Bescheid der Stadt Kiel vom… (Az…) wird aufgehoben.“ II. „Auf Ihren Widerspruch vom ... gegen ... erteile ich Ihnen die beantragte Gaststättengenehmigung (unter folgender Bedingung/ Auflage ...).“ II. Sofortiger Vollzug Auch erstmaliger Ausspruch durch die Widerspruchsbehörde möglich. 1. Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde Gemäß § 80 II Nr. 4 VwGO ist die Widerspruchsbehörde auch zur erstmaligen Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit zuständig. Zwar kann die Widerspruchsbehörde auch an die Ausgangsbehörde zurückverweisen, wenn sie zugleich weisungsbefugte Fachaufsichtsbehörde ist, jedoch sollte der Ausspruch besser durch die Widerspruchsbehörde selbst erfolgen. 2. Tenorierung Eine Aufnahme in den Tenor erfolgt nur dann, wenn die Überprüfung der Anordnung beantragt worden ist, sonst keine Tenorierung. Die Überprüfung der Entscheidung erfolgt aber immer! „Die aufschiebende Wirkung Ihres Widerspruches wird wiederhergestellt.“ Bei Ablehnung des Aussetzungsantrages zum Sofortvollzug ist ein Hinweis auf § 80 V VwGO erforderlich. ____________________________________________________________________________ www.schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RAe Dr. Uwe Schlömer/ Tobias Hermann - Januar 10 Öffentliches Recht – Bescheidtechnik Übersicht 3 Seite 15 von 19 III. Androhung von Zwangsmaßnahmen 1. Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde Die Widerspruchsbehörde ist regelmäßig nicht zuständig, erstmalig Zwangsmittel anzudrohen (sog. Selbsteintritt, Kopp/Schenke, § 68 VwGO, Rn. 12). Die Widerspruchsbehörde ist nur zuständig, soweit es um die Überprüfung der Ausgangsbehörde geht. Daher ist regelmäßig nur die Ausgangsbehörde für die Androhung von Zwangsmaßnahmen zuständig. Wenn die Widerspruchsbehörde Zwangsmittel androht, ist der Verwaltungsakt damit rechtswidrig und vom Gericht aufzuheben (häufige Klausurkonstellation!). Kein Problem stellt sich hingegen bei Identität von Ausgangs- und Widerspruchsbehörde. 2. Überprüfung des angedrohten Zwangsmittels Anders als in den übrigen Ländern hat in Hamburg der Ausführung des Zwangsmittels keine Androhung, sondern lediglich ein „Hinweis“ vorauszugehen. Dieser ist kein Verwaltungsakt und daher nach ganz h.M. auch nicht selbständig anfechtbar. Der Hinweis kann mit dem Ausgangsverwaltungsakt verbunden werden. 3. Auswahl des Zwangsmittels durch die Ausgangsbehörde Bei der Festlegung des Zwangsmittels ist das Bestimmtheitsgebot zu beachten. Bei vertretbaren Handlungen kommt grundsätzlich das Zwangsmittel der Ersatzvornahme in Betracht, während bei unvertretbaren Handlungen Zwangsgeld und unmittelbarer Zwang zur Anwendung kommen. Die Kosten der Zwangsmaßnahme sind bei der Auswahl des konkreten Zwangsmittels mit zu berücksichtigen. Schließlich dürfen der Durchsetzung des Zwangsmittels keine rechtlichen und tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen. Bei tatsächlichen Hindernissen tritt bereits gemäß § 44 VwVfG Nichtigkeit ein. Bei rechtlichen Hindernissen ist zu beachten, dass ggf. eine Duldungsverfügung gegenüber Dritten ergehen muss. IV. Kosten 1. Allgemeines Es erfolgt regelmäßig nur eine Kostenlastentscheidung (vgl. § 73 III 3 VwGO), kein Ausspruch zur Höhe, über den regelmäßig ein eigenständiger Bescheid erstellt wird. Der Kostenbegriff umfasst Gebühren (für die einzelnen Amtshandlungen) und Auslagen (sonstige Ausgaben). Näher dazu: Systematisches Modul Nr. 4. ____________________________________________________________________________ www.schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RAe Dr. Uwe Schlömer/ Tobias Hermann - Januar 10 Öffentliches Recht – Bescheidtechnik Übersicht 3 Seite 16 von 19 E. Rechtsbehelfsbelehrung Der konkrete Wortlaut der Rechtsbehelfsbelehrung unterliegt zwar regionalen Besonderheiten, hat sich jedoch grundsätzlich an den Vorgaben der §§ 73, 74 VwGO zu orientieren. Dabei ist für den Umfang der Rechtsbehelfsbelehrung darauf zu achten, ob gegen die einzelnen Gegenstände der Entscheidung jeweils ein einheitlicher Rechtsbehelf möglich ist, oder ob hier zum Beispiel Klage und Widerspruch nebeneinander möglich sind. Dies muss bei der Abfassung der Rechtsbehelfsbelehrung unbedingt zum Ausdruck kommen. Fehler bei der Rechtsbehelfsbelehrung führen nicht zur Rechtswidrigkeit des Widerspruchsbescheids, sondern nur zur Fristverlängerung nach § 58 II VwGO! Formulierungen : „Gegen den Verwaltungsakt […] und diesen Widerspruchsbescheid kann beim Verwaltungsgericht Hamburg, [Adresse], innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Widerspruchsbescheides Klage erhoben werden.“ Dies ist bereits ausreichend! Zusätzlich kann (!) ausgeführt werden: „Die Klage ist beim Verwaltungsgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.“ „Zu Ihrer Information weise ich darauf hin, dass der Widerspruch wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehung keine aufschiebende Wirkung hätte. Auf Ihren Antrag kann das Verwaltungsgericht ..., Adresse, nach Einlegung des Widerspruches die aufschiebende Wirkung jedoch ganz oder teilweise wiederherstellen.“ (nur im Ausgangsbescheid!!!) „(ergänzend) Eine Durchschrift dieses Widerspruchsbescheides habe ich zur Aushändigung an Ihre Mandantin beigefügt.“ F. Gründe Die Begründung teilt sich in zwei Abschnitte, nämlich die Sachverhaltsdarstellung und die rechtliche Würdigung. Ebenso wie beim gerichtlichen Urteil/Beschluss sind hier bestimmte Formalien zu beachten. I. Stil Bei der Formulierung des Widerspruchsbescheides bestehen keine so engen Formulierungs- und Aufbaumuster wie bei der Abfassung eines gerichtlichen Urteils. In Hamburg wird die sog. Beschlussform verwendet, d.h. der Widerspruch wird aus der Sicht eines neutralen Dritten abgefasst, da in Hamburg der Widerspruchsausschuss als Kollegialorgan entscheidet. In Niedersachsen (und in den meisten anderen Ländern) ist dagegen die sog. Briefform üblich, d.h. der Bescheid wird in direkter persönlicher Anrede abgefasst. Ähnlich wie im Urteil ist auch hier eine sprachliche Differenzierung üblich: Tatsachen werden im Imperfekt, Behauptungen im Konjunktiv Perfekt dargestellt. ____________________________________________________________________________ www.schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RAe Dr. Uwe Schlömer/ Tobias Hermann - Januar 10 Öffentliches Recht – Bescheidtechnik Übersicht 3 Seite 17 von 19 II. Sachverhaltsdarstellung Hier ist regelmäßig ein historischer Aufbau zweckmäßig, bei dem zunächst der Ausgangsbescheide und anschließend der Widerspruch und seine Begründung dargestellt werden sollten. Der Sachverhalt wird mit „I.“ beziffert und erhält keine weitere Überschrift. Die rechtliche Begründung wird mit „II.“ beziffert. Anders als im sog. Briefstil werden bei der Erlassform keine Überleitungsformulierungen verwendet. III. Zulässigkeit des Widerspruchs Für die Zulässigkeitsprobleme sind die aus dem ersten Examen bekannten Problemkreise zu bedenken und ggf. zu erörtern. Regelmäßig wird es hier keine größeren Probleme geben. Daher nur überblicksmäßig hier noch einmal die wichtigsten Prüfungspunkte : • Rechtswegeröffnung, § 40 I 1 VwGO analog • Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde (§ 73 VwGO) • Statthaftigkeit des Widerspruches, § 68 VwGO (beachte: Ausnahmen nach § 68 I 2 VwGO iVm. AGVwGO) • Widerspruchsbefugnis, § 42 II VwGO analog • Beteiligten- und Handlungsfähigkeit • Form und Frist, § 70 VwGO Entscheidung grds. auch über verfristeten Widerspruch möglich, da Behörde Herrin des Vorverfahrens ist, ggf. Wiedereinsetzung nach § 60 VwGO • Rechtsschutzbedürfnis IV. Begründetheit des Widerspruchs Der Anfechtungswiderspruch ist nach § 68 VwGO iVm. § 113 I 1 VwGO analog begründet, soweit der angefochtene VA rechtswidrig oder (im Falle von Ermessensentscheidungen) unzweckmäßig ist und den Widerspruchsführer in seinen Rechten verletzt (Kopp/Schenke, 15. Aufl., Vor. § 68 VwGO, Rn. 12a). Im Falle eines Drittwiderspruchs sollte nur auf drittschützende Normen eingegangen werden. Solange der Devolutiveffekt besteht, tritt die Widerspruchsbehörde in die Entscheidungskompetenz der Ausgangsbehörde ein und hat in dem durch den Widerspruch abgesteckten Rahmen die uneingeschränkte Kontroll- und Entscheidungskompetenz. Sie trifft eine eigene Entscheidung (Kopp/Schenke, 15. Aufl., § 68 VwGO, Rn. 9). 1. Zur Rechtsgrundlage Soweit mehrere Rechtsgrundlagen in Betracht kommen, ist immer auch das Verhältnis der Normen zueinander darzustellen, wobei auf allgemeine Konkurrenzaspekte einzugehen ist: Beispielsweise Bundesrecht bricht Landesrecht, SpezG vor allgemeinen Gefahrenabwehrrecht, etc. ____________________________________________________________________________ www.schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RAe Dr. Uwe Schlömer/ Tobias Hermann - Januar 10 Öffentliches Recht – Bescheidtechnik Übersicht 3 Seite 18 von 19 Zu beachten ist, dass strikt zwischen den Rechtsgrundlagen für die einzelnen Streitgegenstände zu trennen ist (Hauptverwaltungsakt, Sofortvollzug, Zwangsmittel, Kosten etc.). 2. Zur formellen Rechtmäßigkeit • Verfahren gemäß §§ 28 ff. VwVfG • Form des Ausgangsbescheides • Bestimmtheit gemäß § 37 VwVfG • Begründung gemäß § 39 VwVfG • Möglichkeit der Heilung formeller Fehler im Ausgangsbescheid im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nach § 45 VwVfG 3. Zur materiellen Rechtmäßigkeit • Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage: Zeitpunkt der Entscheidung der Widerspruchsbehörde (Kopp/Schenke, 15. Aufl., § 68 VwGO, Rn. 15) • Umfang der Kontrollkompetenz umfasst unbestimmte Rechtsbegriffe und den Ausgangsbehörde (siehe dazu Übersicht 4) auf Tatbestandsseite auch Beurteilungsspielraum der • Rechtsnatur von Nebenbestimmungen (siehe dazu Übersicht 4) • Im Falle der Erledigung des Verwaltungsakts (siehe dazu Übersicht POR) wird das Widerspruchsverfahren deklaratorisch eingestellt. • reformatio in peius (zur Abgrenzung zum Selbsteintritt vgl. S. 15): Befugnis der Widerspruchsbehörde den Verwaltungsakt im Rahmen des Streitgegenstandes des Ausgangsbescheides zum Nachteil des Widerspruchsführers zu verbösern (Kopp/Schenke, 15. Aufl., § 68 VwGO, Rn. 10, 12). Dies entspricht der Selbstkontrolle und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Rechtsgrundlage ist die des jeweiligen Ausgangsbescheids. 4. Rechtsfolge Die Widerspruchsbehörde trifft eine eigene Ermessensentscheidung. G. Nebenentscheidungen Ebenso wie die Hauptsacheentscheidung, müssen auch die Nebenentscheidungen die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen erkennen lassen. In der Klausur werden hier regelmäßig nur kurze Ausführungen erforderlich sein. Wichtig ist vor allem, dass die Gegenstände, über die in der Begründung eine Entscheidung getroffen worden ist, auch in der Tenorierung zum Ausdruck kommen und umgekehrt. Insbesondere, wenn der Klausurbearbeiter am Ende sein Ergebnis noch einmal abändert, darauf zu achten, dass das Ergebnis der Begründung noch mit der Tenorierung übereinstimmt. ____________________________________________________________________________ www.schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RAe Dr. Uwe Schlömer/ Tobias Hermann - Januar 10 Öffentliches Recht – Bescheidtechnik Übersicht 3 Seite 19 von 19 I. Sofortvollzug gemäß § 80 II Nr. 1-4 VwGO Zu unterscheiden sind die Fälle Nr. 1-3, in denen die aufschiebende Wirkung gesetzlich angeordnet ist, von der Nr. 4, bei der der Sofortvollzug durch die Ausgangsbehörde besonders angeordnet worden ist. Eine Überprüfung der Entscheidung erfolgt grundsätzlich immer dann, wenn der Bürger dies beantragt. Die Behörde kann jedoch auch im übrigen eine Überprüfung vornehmen. Bei der Rechtmäßigkeitsprüfung ist zu beachten, dass die Anordnung des Sofortvollzuges im Ausgangsverwaltungsakt auch hinreichend begründet worden ist, § 80 III 1 VwGO. Schließlich hat eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung und des privaten Interesses der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu erfolgen, wobei für die Argumentation u.a. die Aufgaben der Verwaltung, drohende Gefahren bei aufschiebender Wirkung des Widerspruchs und auch finanzielle Aspekte angeführt werden können. Die Rechtmäßigkeit des AusgangsVA alleine reicht zur Begründung nicht aus! II. Zwangsmittel Noch einmal: im Widerspruchsbescheid darf nicht erstmalig ein Zwangsmittel angedroht werden, da dies in die Zuständigkeit der Ausgangsbehörde fällt. Im Widerspruchsbescheid kann es allenfalls zu einer Überprüfung der schon getroffenen Entscheidung über die Androhung eines Zwangsmittels kommen. III. Wiedereinsetzung, §§ 70 II, 60 VwGO Für versäumte Rechtsmittelfristen ist § 60 VwGO vorrangig gegenüber § 32 VwVfG. § 60 gilt über § 70 II VwGO auch für das Widerspruchsverfahren, während der Anwendungsbereich des § 32 VwVfG begrenzt ist, weil es kaum Fristen für Antragsstellungen gibt. Sofern Sie sich für eine Darstellung im Tenor entscheiden, erfolgt die Tenorierung zur Wiederseinsetzung vor der Entscheidung zur Hauptsache. „Dem Antragsteller wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Widerspruchsfrist gewährt.“ Hauptsacheentscheidung Ausreichend ist aber auch eine Darstellung in den Gründen. IV. Kosten Regelmäßig erfolgt hier nur die Offenlegung der einschlägigen Kostennormen aus dem Kostengesetz. Gegebenenfalls kommt eine kurze Begründung für die Kostenentscheidung in Betracht, etwa wenn aufgrund von Ermessensfehlern im Ausgangsverwaltungsakt von einer Kostentragung des Bürgers abgesehen wird, obwohl die Entscheidung im Ergebnis nicht abgeändert wird. H. Schlussformel Der/ Die Vorsitzende oder Namen, Dienstbezeichnung Unterschrift ____________________________________________________________________________ www.schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RAe Dr. Uwe Schlömer/ Tobias Hermann - Januar 10