0 - Schauspielhaus Bochum

Transcription

0 - Schauspielhaus Bochum
Boropa
SpIELZEITMaGaZIn 2011/2012
SCHaUSpIELHaUS BoCHUM
Weltexperimentiermaschine
Jahr 2
Mit Jan Klata durch Warschau S. 10 • Mit Paul Koek nach Moskau S. 24 • Mit Biljana Srbljanovic durch die Welt S. 68
Editorial
Zukunft gemeinsam unternehmen.
Liebes Publikum,
der erste große Schritt ist getan. Hinter uns liegen 24 Premieren, 4 Wiederaufnahmen und 8 Übernahmen. Künstlerinnen und Künstler aus der Elfenbeinküste und den
Niederlanden, aus tunesien, Polen, Holland, der türkei
und der Schweiz waren zu Gast im Schauspielhaus Bochum. Jugendliche aus dem ganzen ruhrgebiet standen
auf der Bühne und haben in „Next Generation“ Einblick
in ihre Wünsche und Hoffnungen gegeben. tänzerinnen
und tänzer mit den unterschiedlichsten traditionen begeisterten ihr Publikum. Neben großen texten wie „Faust“,
„Woyzeck“ oder „Cyrano de Bergerac“ standen Uraufführungen und moderne Stücke. Gemeinsam mit der Stiftung
Mercator, dem land NrW und der Stadt Bochum hat das
Schauspielhaus Bochum eine akademie der Zukunft ins
leben gerufen. die idee, eine Utopie mit dem titel „Boropa“ in die Welt zu setzen, hat laufen gelernt. Und all dies
haben Sie – sehr verehrtes Publikum – zahlreich und oft
mit Begeisterung begleitet.
Unsere Bühne ist die Stadt
dieser ort zur identität dieser Stadt und ihrer Bürgerinnen
und Bürger beitragen. daran haben wir das letzte Jahr gearbeitet und daran werden wir auch in Zukunft arbeiten.
auf einen Geist, der dieses Miteinander denken kann und
gleichzeitig Unterschiede toleriert, freuen wir uns. diese
Haltung lebt am Schauspielhaus, in Bochum und im ruhrgebiet. davon und von der Suche nach neuen Wegen soll
unsere arbeit in vielen Begegnungen erzählen. Mit der tradition im Gepäck die Zukunft erforschen – dazu sind wir
aufgebrochen und dafür wünschen wir uns ihre Neugierde
als treuen Begleiter.
Es ist eine schmerzliche Erfahrung, dass die ökonomische
Entsorgungsdienstleistungen
realität solche
reisen erschwert. Zehn Jahre ist es her, dass
Unter dem Leitbild „Zukunft gemein- Unsere
bei der Umstellung von der dM auf den Euro die Eintrittswir wurden.
mit geeigneten
Behältersyssam unternehmen“ steht der Einsatz richten
preise erhöht
Nun ist es leider wieder
soweit. Steigende Energie- und Materialkosten, die tariferhöhungen
speziell
auf Ihr Unternehmen
des USB Umweltservice Bochum für temen
und die
allgemeine Preisentwicklung
fordern ihren tribut.aus.
durch verschiedene angebote haben wir uns bemüht, dieoptimalen
Systemen
reduzieren
das Wohl von
und Region.
in denStadt
verschiedensten
Vorstellungen haben Sie neueMit sen
Schritt sozial ausgeglichen
zu gestalten.
im hinteren Sie
Schauspielerinnen und Schauspieler kennen gelernt. Es
teil dieses Heftes erfahren Sie mehr über die neuen Preise
das und
Abfallvolumen
und erzielen so eine
Unsere hochwertigen
Dienstleistungen
wurden Beziehungen geknüpft
und das Ensemble hat eine
angebote.
künstlerische Heimat gefunden. der legendäre ruf des BoWirtschaftlichkeit.
rund um Stadtreinigung
und Abfallent- maximale
chumer Publikums wurde oft bestätigt und wir freuen uns
Mit dem Wissen und den Erfahrungen des letzten Jahres
auf den gemeinsamen Weg, der vor uns liegt.
starten wir nun in die neue Spielzeit. Neue Künstlerinnen
sorgung sind
zuverlässig und kundenund Künstler werden zu uns stoßen. die dinge verändern
Ziel war es,
mit unserer und
arbeit einen
Platz in derHaben
sich auch
der Kontinuität.
und von den ideendes
SieinFragen
zur davon
Servicepalette
orientiert. Unser
Saubere
Straßen
Plätze
Mitte dieser Stadtgesellschaft zu finden – ein ort, den es
und Menschen hinter dem Spielplan erzählt dieses Magazu verteidigen
gilt. an
seinen rändern lebeneiner
der ZynismusUSB?
zin. der Weg und das Ziel bleiben bestehen. auf die reise
sind schließlich
die
Visitenkarte
und die Polemik. Manchmal ist es schick, sich damit zu
gemeinsam mit ihnen – sehr verehrtes Publikum – freuen
aber da wollten wir
nicht hin.
deswegen ma-Wir beraten
wir uns.
Sie gern und finden gemeinStadt. Fürumgeben.
gewerbliche
und
private
chen wir theater für alle: ein Stadttheater im Zentrum
der Stadt. Es
ist einmaßgeschneiderte
ort der Freude und der Erregung, dersam saubere Lösungen für ein attrakKunden bieten
wir
Verwirrung und der Begeisterung, manchmal auch der
Ihr
Bochum.
Lösungen Enttäuschung
für Abfälle
aller
Art.
und des
Unverständnisses.
aber immer solltives
Anselm
Weber
Im Einsatz für Bürger und Umwelt
Umweltservice Bochum GmbH
Hanielstraße 1, 44801 Bochum
Tel.: 02 34/33 36-0
Fax: 02 34/33 36-109
www.usb-bochum.de
Inhalt
4 Der Spielplan 2011/2012
46 Von Mamma RAI und Papà Berlusconi
Alle Stücke, alle Regisseure, alle Premierendaten auf einen
Blick.
10 Jahrmarkt Europa
her: Bochumer Stadtansichten aus dem Archiv und von
heute. / Zwei Prozent Wandel auf schwarz-weißem Grund:
Der Leiter des Stadtplanungsamtes Eckart Kröck erklärt,
auf welchen Plänen man die Seele der Stadt sieht.
122 Italienische Frauen und finnisches Sisu
92 Little Creatures
Die Regisseurin Agnese Cornelio kommt aus Italien. Sie
weiß, was es bedeutet, von Berlusconi nicht nur regiert zu
werden, sondern auch mit seinem Fernsehen aufzuwachsen. Biografie einer Zuschauerin.
52 Das Ensemble
Mit dem polnischen Regisseur Jan Klata unterwegs in seiner Heimatstadt Warschau.
Sie sind diejenigen, die das Ganze spielen. Die Schauspielerinnen und Schauspieler des Ensembles und ihre Erfahrungen mit Veränderungen.
60 Körper ohne Grenzen
24 Der Weltenexperimentierer
David Bösch ist leitender Regisseur in Bochum. Er inszeniert die Figuren seiner Dramen nicht nur, er erfindet sie
neu. Unter Schmerzen. Ein Porträt.
98 Geisterstunde
Cilla Back kommt im Frühjahr nach Bochum. Das ist keine
Überraschung, denn die Regisseurin ist sonst schon überall
gewesen. Das lässt zumindest ihr Koffer vermuten.
128 Heimathirsch
in einzelner Blick auf einen verwunschenen Ort mitten
E
in Bochum. Das Hotel Eden.
100 Das Prinzip Chiozza
Dietmar Bär ist ins Ruhrgebiet zurückgekehrt, um Theater zu spielen. Im Interview bekennt er sich als Wiederholungstäter.
132 Theater für alle: Junges Schauspielhaus
Paul Koek kommt aus Holland und macht besonderes Theater mit Musik. Sein Mitstreiter Paul Slangen macht sich
Gedanken über Moskau.
32 Angekommen
Bochums neues Tanztheater hat viele Gesichter. Eines davon gehört der Choreografin Malou Airaudo. Protokoll eines Arbeitstages kurz vor der Vorstellung.
Nuran David Calis gibt einen Vorgeschmack auf das, was
passiert, wenn einer wie er Goldoni bearbeitet.
68 Ich renne in jeden Kampf hinein
106 MännerFrauen
Das Junge Schauspielhaus ist die nächste Generation des
Theaters. Alle Stücke, alle Projekte – das ganze Programm.
Die Autorin Biljana Srbljanovic lebt in Belgrad, Baku und
Paris. Schwierig für jemanden, der eigentlich nicht gern
reist. Ein Gespräch.
Warum der Bochumer Hausregisseur Roger Vontobel nach
siebzehn Umzügen schließlich im Wiesental gelandet ist.
38 Mit Irma 11/36 durch die Nacht
76 Zukunft macht keiner allein
Warum das Land einen Ort braucht, an dem Zukunft erfunden wird: Die Zukunftsakademie NRW.
82 Die Zukunft der Stadt
Verwirrte Geschlechter können ziemlich gut aussehen.
Das zeigt unsere Modestrecke.
112 Nachrichten aus Boropa
Der tunesische Regisseur Fadhel Jaibi war aktiv an den politischen Veränderungen in seiner Heimat beteiligt. / Monika Gintersdorfer war schon oft in der Elfenbeinküste.
Doch diesmal ist alles anders. Bericht aus einem blutenden Land. / Warum X-Vision-Gründer Omid Pouryousefi
zwar wegen seiner Musik nach Katar eingeladen wird, aber
aus gleichem Grund nicht in den Iran reisen darf.
144 Preise, Abos und Infos
Wie man in das Theater kommt, wo alles ist und wie man
möglichst wenig dafür bezahlt. Unser Praxisführer mit allen Informationen und Hilfen zu Preisen, Abos und allem,
was man sonst noch braucht.
156 Wo ein Willy ist, ist auch ein Weg
116 Perfektes Spiel in maximaler Freiheit
Samstagnacht auf Streife mit der Bochumer Polizei.
Schöne Aussichten: Museumsleiter Dietmar Osses über
die Zukunftsfähigkeit von Vergangenheit. / Vorher-Nach-
Es war nicht vorgesehen, dass Sebastian Nübling einer der
wichtigsten deutschen Regisseure werden sollte. Ein Gespräch darüber, warum es dann doch so gekommen ist.
Anselm Weber hat dem langjährigen Fahrer des Schauspielhauses Willy Doering im Gespräch einige Geheimnisse entlockt.
160 Impressum
spielplan 2011/2012
schauspielhauS Bochum
Drei Schwestern
von Anton Tschechow
Regie: Paul Koek
Premiere am 6. Oktober 2011
im Schauspielhaus
Eine Koproduktion mit der
Veenfabriek Leiden, Niederlande
Die
Dreigroschenoper
von Bertolt Brecht
mit Musik von Kurt Weill
Regie: Christoph Frick
Musikalische Leitung: Bo Wiget
Premiere am 8. Oktober 2011
im Schauspielhaus
Der verlorene
Drache
Renegade in Residence
Ein Tanztheaterstück
Choreografie und Regie:
Malou Airaudo
Uraufführung am 15. Oktober 2011
in den Kammerspielen
Eine gemeinsame Produktion von
Schauspielhaus Bochum und
Pottporus/Renegade, Herne
Rocco und
seine Brüder
nach dem Film von
Luchino Visconti
Regie: Agnese Cornelio
Premiere am 4. November 2011
in den Kammerspielen
Was ihr wollt
von William Shakespeare
Regie: Roger Vontobel
Premiere am 5. November 2011
im Schauspielhaus
Die kleine Hexe
Kinder- und Familienstück
von Otfried Preußler
Regie: Henner Kallmeyer
Premiere am 20. November 2011
im Schauspielhaus
Das leben ist
kein Fahrrad
von Biljana Srbljanovic
Regie: Anselm Weber
Uraufführung am 3. Dezember 2011
in den Kammerspielen
Das Leben
der BohÈme
nach dem Film von
Aki Kaurismäki
Regie: Barbara Hauck
Premiere im Dezember 2011
im Theater Unten
Kleiner Mann –
was nun?
von Hans Fallada
Regie: David Bösch
Premiere am 7. Januar 2012
im Schauspielhaus
Krach in Chiozza
in einer Bearbeitung von
Nuran David Calis
nach Carlo Goldoni
Regie: Nuran David Calis
Uraufführung am 28. Januar 2012
im Schauspielhaus
Bunbury
von Oscar Wilde
Regie: Jan Neumann
Premiere am 10. Februar 2012
in den Kammerspielen
Die Räuber
von Friedrich Schiller
Regie: Jan Klata
junges
schauspielhauS
weiter im spielplan
schauspielhauS
Premiere am 3. März 2012
im Schauspielhaus
Fred und Anabel
nach Motiven von Lena Hesse
Regie: Martina van Boxen
A Tribute to Johnny Cash Eine musikalische Spurensuche•
spiel des lebens
Uraufführung am 9. Oktober 2011
im Melanchthonsaal
AMERIKA von Franz Kafka•Regie: Jan Klata
CYRANO DE BERGERAC von Edmond Rostand•Regie: Katharina Thalbach
DER AUFHALTSAME AUFSTIEG DES ARTURO UI
Ein Projekt von Lutz Hübner
und Martina van Boxen mit dem
dritten Schauspieljahrgang der
Folkwang Universität der Künste
Regie: Martina van Boxen
Uraufführung am 16. März 2012
in den Kammerspielen
Volpone
von Ben Jonson
Regie: Sebastian Nübling
Premiere am 24. März 2012
im Schauspielhaus
Yerma
von Federico García Lorca
Regie: Cilla Back
Premiere am 14. April 2012
in den Kammerspielen
norway.today
von Igor Bauersima
Regie: Martina van Boxen
von Wolfgang Borchert
Regie: David Bösch
Premiere am 4. Mai 2012
in den Kammerspielen
Vor
Sonnenaufgang
von Gerhart Hauptmann
Regie: Anselm Weber
Premiere am 23. Mai 2012
im Schauspielhaus
von Bertolt Brecht•Regie: Ulrich Greb
DIE LABDAKIDEN Ödipus, Sieben gegen Theben, Die Phönikerinnen und
Antigone von Sophokles, Aischylos und Euripides•Regie: Roger Vontobel
Premiere am 30. November 2011
im Theater Unten
FAUST von Johann Wolfgang von Goethe•Regie: Mahir Günsiray
JIM KNOPF UND LUKAS DER LOKOMOTIVFÜHRER
in PLANUNG
KASIMIR UND KAROLINE von Ödön von Horváth•Regie: Lisa Nielebock
PEER GYNT von Henrik Ibsen•Regie: Roger Vontobel
WOYZECK von Georg Büchner•Regie: David Bösch
zwei weitere
inszenierungen
von Lisa Nielebock
und Jasna Miletic
Liebe in Zeiten
des Prekariats
3 x Engelhardt & Grothgar
Wolken ziehen vorüber
DrauSSen
vor der Tür
Musikalische Leitung: Torsten Kindermann, Karsten Riedel, Regie: Arne Nobel
von Aki Kaurismäki
STOLZ UND EHRE
DER Parnell street
von Sebastian Barry
Die Legende von Paul und Paula
von Ulrich Plenzdorf
Kinder- und Familienstück von Michael Ende•Regie: Katja Lauken
kammerspiele
ALTER FORD ESCORT DUNKELBLAU
von Dirk Laucke•Regie: Heike M. Götze
DIE JUNGFRAU VON ORLEANS
von Friedrich Schiller•Regie: Roger Vontobel
DIE RATTEN von Gerhart Hauptmann•Regie: David Bösch
EFFI BRIEST von Theodor Fontane•Regie: Cilli Drexel
eisenstein von Christoph Nußbaumeder•Regie: Anselm Weber
HAUS AM SEE von Reto Finger•Regie: Anselm Weber
IRGENDWO Renegade in Residence•Choreografie und Regie: Malou Airaudo
MEDEA nach Euripides von Jalila Baccar und Fadhel Jaibi•Regie: Fadhel Jaibi
NATHAN DER WEISE von Gotthold Ephraim Lessing•Regie: Lisa Nielebock
NEXT GENERATION von Nuran David Calis und Jugendlichen
aus dem ganzen Ruhrgebiet•Regie: Nuran David Calis
EIN MUSIKALISCHER
ABEND
mit Thomas Anzenhofer
zukunftsakademie NRW
Labor – praxis –
Qualifikation
Ein Haus im Viktoriaquartier für
ganz NRW, in dem Zukunft gedacht, geforscht und gemacht wird
In Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur
und Sport des Landes NRW, der Stiftung
Mercator und der Stadt Bochum
THEATER UNTEN
HOCHSTAPELN von Jan Neumann•Regie: Jan Neumann
LIEBE IST EIN HORMONELL BEDINGTER ZUSTAND
Ein Konzert nach dem Roman von Jakob Hein•Regie: David Bösch
ORLANDO von Virginia Woolf•Regie: Carola Bühn
MELANCHTHONSAAL
HIKIKOMORI von Holger Schober•Regie: Martina van Boxen
Vermischtes
Vermischtes
FESTival
Fidena
Wie ist die Stadt Bochum geworden, wie sie ist? Welche Menschen haben Spuren in der Stadt hinterlassen?
Was treibt sie an und was erhoffen sie sich für die Stadt
Bochum in Zukunft? An was erinnern wir uns und was
bedeutet Geschichte für die Zukunft dieser Stadt? Lassen
sich aus den historischen Erfahrungen Pläne und Visionen
ableiten?
Gemeinsam mit dem Stadtarchiv – Bochumer Zentrum
für Stadtgeschichte fragen wir nach wichtigen Daten, Ereignissen und Veränderungen in der jüngeren Geschichte der Stadt Bochum. Ausgesuchte Stichtage bieten den
Anlass für Diskussionsrunden: wir laden Zeitzeugen und
engagierte Bochumer und Bochumerinnen ein, die dabei
waren, als Geschichte gemacht wurde.
Mit den Gästen und dem Publikum gehen wir im Theater Unten auf eine gemeinsame Suche nach Bochumer
Geschichte(n) und ihren Visionen für die Zukunft der
Stadt.
Eine Veranstaltungsreihe in Zusammenarbeit
mit dem Stadtarchiv – Bochumer Zentrum
für Stadtgeschichte
Die Theaterwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum hat mit der „Szenischen
Forschung“ ein neues Angebot im Masterstudium. So soll eine experimentelle,
künstlerisch-wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Theater stattfinden.
Das Schauspielhaus steht dafür als künstlerischer Partner bereit und öffnet
in einem ersten Schritt das Theater Unten für die Reihe „Podest“. Hier zeigen
die Studierenden am Ende eines jeden Semesters Ergebnisse ihrer praktischen
Versuche: szenische und choreografische Arbeiten sowie Filmessays, Hörstücke
oder Videoinstallationen. Es geht nicht darum, fertige Arbeiten zu präsentieren,
sondern Zwischenergebnisse kommen hier auf die Bühne.
www.fidena.de
LIVeticker vfl
Auch 2011/12 hat der VfL Bochum seinen festen Platz im Programm des Schauspielhauses. Der Schauspieler Andreas Grothgar lädt Größen des Vereins und Experten aus dessen Umfeld zum Plausch über
Fußball im Allgemeinen und den VfL im Besonderen. Dazu gibt es Stadionwurst und Fiege-Pils aus der
Kantine – und natürlich viel Fußballgeschichte und -geschichten. Dass der Gastgeber den falschen
Verein liebt – geschenkt. Auch rot-weiße Essen-Fans darf es geben. Auf die Freundschaft!
In Zusammenarbeit mit dem VfL Bochum 1848 Fußballgemeinschaft e.V.
REDEN VON MORGEN
Der Schriftzug leuchtet rot über dem Eingang zum Restaurant im Kammerspielfoyer und ist der Unterschrift seiner Namensgeberin nachempfunden. Drinnen
ist es räumlich und atmosphärisch ebenso hell und offen, wie Tana Schanzara
vielen Theatergängern und -machern in Erinnerung geblieben ist. Und manchmal wird das Tanas auch selbst zur Bühne für kleine Shows oder Gespräche. Sollte
übrigens dem einen oder anderen neben Theater und Speisen noch nach Cocktails, Musik und dann und wann auch Tanz sein, dem sei freitags und samstags
ab 22.00 Uhr die Eve Bar auf der anderen Seite des Schauspiel-Gebäudes empfohlen. Sie ist Club und Cocktailbar in einem und hinter ihrem Tresen zaubert
Lena van Dornick seit nunmehr zehn Jahren die besten Cocktails der Stadt.
6
Es gibt viele Prognosen, Analysen, Meinungsumfragen und Stimmungsbilder,
doch wie wir in Zukunft leben werden, können wir uns kaum vorstellen. Der
politische Raum ist oft zu eng und funktional für kreative Entwürfe, herkömmliche Talkshowformate zu flach für anspruchsvolle Debatten.
Ein Forum in Zeiten politischer und gesellschaftlicher Veränderungen bietet
der Radiosender Deutschlandradio Kultur mit seiner Sendung „Wortwechsel“.
Gemeinsam laden Deutschlandradio Kultur und das Schauspielhaus Bochum
ab Oktober 2011 regelmäßig am Sonntagvormittag Menschen ins Theater ein,
die kreative Entwürfe für unser Zusammenleben in der Zukunft haben.
Der erste „Wortwechsel“ ist für den 16. Oktober 2011 geplant. Die Sendung
wird öffentlich aufgezeichnet und anschließend bundesweit ausgestrahlt.
7
Foto: diana küster
Foto: Alexander romey
SZENISCHE FORSCHUNG
Die FIDENA – das Figurentheater der Nationen (gegründet
1958) – gehört zu den traditionsreichsten Theaterfestivals
Europas. Etwa 20 herausragende Inszenierungen aus aller
Herren Länder erhalten eine Einladung zur FIDENA. Das
Schauspielhaus Bochum und die FIDENA haben ab sofort
eine verstärkte Kooperation verabredet.
Festivalleiterin Annette Dabs und das FIDENA-Team
werden die begehrten Performances des Figurentheaters
während des nächsten Festivals im Mai 2012, aber auch
zu anderen Gelegenheiten – wie der Verleihung des FritzWortelmann-Preises im Herbst 2012 – auch in den Räumen des Schauspielhauses präsentieren.
Damit ist das Schauspielhaus an der Königsallee ein
Spielort nicht nur für Schauspieler, sondern ebenso für
fragile Marionetten oder freche Handpuppen, Schattenrisse, Puppentrickfilm und Animation.
Foto: Gavin Glover
Foto: christian rolfes
Foto: Bochumer Stadtarchiv
OrtsbestImmung
Vermischtes
TANAS
PLATZ
Foto: haraldhoffmann.com
Ihren Platz im Andenken und in der
Erinnerung so vieler Zuschauer, die
Tana Schanzara auf der Bühne des
Schauspielhauses gesehen und geliebt
haben, wird die große Schauspielerin
niemals verlieren. Dass nun auch der
Platz an der Kreuzung Königsallee/
Oskar-Hoffmann-Str., der ihren Namen trägt, ein Ort wird, den man gerne anschaut und der an sie erinnert,
ist das Ziel einer Spendenaktion.
Spenden auch Sie für den TanaSchanzara-Platz: Sparkasse Bochum, Kontonr.: 3416401, BLZ
430 500 01, Stichwort: „Tana“
8
Lange bevor ich auf freiwilliger Basis
nach Bochum zog, war mir die volkstümliche Ballade „Tief im Westen“
von Herbert Grönemeyer bekannt,
einem Dichter der Epoche der ZuSpätromantik.
Jene Epoche, die besonders im
Ruhrgebiet zur Blüte kam, brachte
in den 1970ern und 80ern berühmte Kunstwerke wie „Der Wanderer
im Schwefelmeer“ und Sprichwort
gewordene Zeilen wie „Duisburg
lässt sein graues Band wieder flattern
durch die Lüfte“ hervor. Bevor sie
nachgooglen: Das stimmt natürlich
nicht, das habe ich mir ausgedacht.
So bin ich drauf.
Dass Grönemeyer seinerzeit im
Schauspielhaus Bochum als Musiker
tätig war, stimmt jedoch wirklich.
Ich schwöre.
Er kannte also die Königsallee
sehr gut, da sich dort ja die Pforte
befindet, hinter der nachts der fast
genauso bekannte Herr Welt schaltet und weltet. Apropos Eingang:
Grönemeyer erwähnt die Königsallee gar in seiner eingangs erwähnten
Ballade, in der er sich im brüderlichen Duz-Ton an die Stadt wendet:
„In deiner Königsallee finden keine
Modenschauen statt.“
SHAKESPEARETAGE IN BOCHUM
IM APRIL 2012
Glaubensfragen prägen unsere Welt. Wer glauben mochte,
dass wir in säkularen Zeiten leben, in denen Religion eine
Privatsache ist, muss heute vielfältig erfahren, wie politische Konflikte und Debatten um religiöse Zugehörigkeit
sowie um die Zugehörigkeit bestimmter Religionen zu unserer Gesellschaft kreisen. Diese Rückkehr von Bekenntnisfragen in den öffentlichen Diskurs der Moderne nötigt
uns zur Stellungnahme.
Shakespeares Theater lebt vom Zweifel, deshalb kann es
Glaubensfragen umso doppelsinniger verhandeln. Es entstand in einer Zeit des Umbruchs wie der religiösen Neuordnung um 1600, doch es bietet Helden und Konflikte, die uns
heute erst recht angehen. Wie steht Religion zur Welt und
was für Welten stiftet sie? Wie kann Glaube sich begründen, bewähren oder auch verändern? Und worauf gründen
Angehörige von anderen Religionen ihren Glauben?
Vom 20. bis 22. April 2012 lädt die Deutsche ShakespeareGesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Schauspielhaus,
der Ruhr-Universität und der Stadt Bochum dazu ein, in
Vorträgen, Workshops und Aufführungen Fragen dieser
Art zu diskutieren. Gegründet 1864 in Weimar und seit der
Zeit der deutschen Teilung zusätzlich mit Bochum eng verbunden, stellt sich die Deutsche Shakespeare-Gesellschaft
damit kurz vor ihrem 150. Geburtstag wieder einem aktuellen Thema.
Information und Kontakt:
www.shakespeare-gesellschaft.de
P o t t p O ru S festival 2012
Die Kunst von der Straße für die Straße. Und das Ganze so
nah wie möglich an die Menschen ran bringen. Das ist die
Philosophie des Pottporus-Festivals, mit dem Renegade und
Pottporus e.V. jedes Jahr im Herbst Herne und das Ruhrgebiet zum Tanzen bringen. Über 60 internationale Tänzer
treffen sich zu Battle und Tanzlabor, vier Tage lang gibt es
abendfüllende Tanzproduktionen aus ganz Europa zu sehen. Beim Festival 2012 auch im Schauspielhaus Bochum.
www.pottporus.de
Bochum-Ehrenfeld, wo die Königsallee ihren Anfang nimmt, entstehen
neuerdings in unmittelbarer Nähe
zum Schauspielhaus ungeahnte Dinge: Street-Art-Galerien eröffnen neben Szene-Kneipen, leicht gehobene
Gastronomie neben stylisch-urbanen Bekleidungsgeschäften.
Während die Munkelmeister munkeln, Bochum könne demnächst verkreuzbergen, verbitte ich mir derartige Wortschöpfungen und freue mich
über frischen Wind. Zumal man in
Ehrenfeld Ruhe vor sauerländischen
Sauftouristen hat, die werden vom
Bermuda-Dreieck-Ballermann abgefangen. Und so kann man dort, nach
einem Theaterbesuch oder einer Vernissage, in Ruhe dem Knarzen im Räderwerk der Zeit lauschen, das Altes
malmt und Neues macht.
Und vielleicht wird Grönemeyers
Zeile ja auch bald Lügen gestraft, so
wie der Rest der Zu-Spätromantik.
Also, her mit der Modenschau auf
der Königsallee.
Ich bin dafür.
Man reiche mir Models.
Sebastian 23
Auch das stimmte wirklich und es
ist bis heute wahr geblieben. Aber
der zarte Finger des Wandels könnte
dies bald ändern und es steht zu befürchten, dass damit ein Unterschied
zwischen Düsseldorf und Bochum
schwindet. Als Abgrenzung gegen
jene Yuppie-Metropole am Rhein
war jene Zeile damals nämlich gemeint.
Heute gibt es keine Yuppies mehr,
diese Bevölkerungsgruppe hat sich
aufgelöst in die radikalen Splittergruppen „Schnösel“, „Hipster“ und
„Neureiche Gockelpaviane“.
Und auch die Städte ändern sich.
Es ist nicht so, dass in Düsseldorf
demnächst der Steinkohlenbergbau
vorangetrieben wird, im Gegenteil: In
9
Foto: CHRISTOPH NEUMANN
Ein Fremder ist er nun wirklich nicht, aber ein Spezialist
für gute Lieder: Thomas Anzenhofer, seit Jahren auf der
Bühne des Schauspielhauses mit den Songs von Johnny
Cash zu sehen. Für die kommende Spielzeit plant er ein
neues Programm mit Liedern aus der Fremde. Er sammelt Lieder aus allen Kulturen und Zeiten, die eines gemeinsam haben: Sie erzählen von Heimweh und Sehnsucht, von Einsamkeit und Abenteuern, Melancholie,
Reiselust und Erinnerungen – genau das Richtige für
den „lonesome Cowboy“, der immer unterwegs ist.
KNÖCHELTIEF
IM WESTEN
Foto: OLIVER LOOK
Lieder aus der
fremde
Foto: Birgit hupfeld
Vermischtes
Poetry wanted –
tot oder lebendig!
Sebastian 23, Koryphäe der Slampoetry-Szene, ist Mitveranstalter und Moderator der Bochumer „Dead or Alive
Slams“, bei denen im Schauspielhaus
lebende Poeten gegen tote Dichter – vertreten von Schauspielern des Ensembles
– antreten.
JAHRMARKT
EUROPA
JAN KLATA AUF DEM WEG DURCH WARSCHAU
jan klata – jahrmarkt europa
D
TEXT: OLAF KRÖCK
Fotos: CHRISTIAN ROLFES
Warschau ist im Kommen. So wie
überhaupt ganz Polen derzeit in
Europa auf der Gewinnerseite steht.
Und das nicht nur wirtschaftlich,
sondern auch im Bereich von Kunst
und Kultur. Einer der kreativsten
Köpfe des Landes ist der Regisseur
Jan Klata. Wer mit ihm durch Warschau läuft, sieht nicht nur eine,
sondern viele Städte.
12
ie ausgebuchte LOT-Maschine landet
pünktlich. Noch bevor der Regional
Jet die Parkposition erreicht, werden die ersten Mobiltelefone angeschaltet und E-Mails abgerufen. Alle
Passagiere tragen Anzug, auch die
Frauen. Keiner hat Fluggepäck aufgegeben. Es sind Geschäftsreisende, die
nur eine Nacht bleiben oder noch an
diesem Abend die letzte Maschine
zurück nehmen.
Hinter dem Zoll warten Männer in abgewetzten Lederjacken und
Bauchansatz mit Schildern in der
Hand, auf denen Namen verschiedener Mr. und Mrs. geschrieben sind.
Sie warten darauf, die Neuankömmlinge zu ihren Terminen in die GlasStahl-Neubauten der Innenstadt zu
kutschieren. Hinter ihnen geht es
nach draußen zum Taxi-Stand.
Mit Leuchtwesten gekleidete
Damen verteilen die Transportsuchenden auf die wartenden Wagen,
helfen bei der Übersetzung zwischen
Gast und Fahrer, geben Zieladressen
weiter. Unvermittelt zerreißt lautes
Sirenengeheul den gedämpften Flughafenlärm und das Rauschen der nahen Schnellstraße.
Eine Fahrzeugkolonne mit Blaulicht fährt in hoher Geschwindigkeit an den parkenden Taxen vorüber. Zwei Polizeiwagen an der Spitze
blockieren die beiden Fahrspuren,
dahinter drei schwarze gepanzerte Limousinen mit abgedunkelten
Scheiben, dann wieder Polizeifahrzeuge und am Ende ein Kranken-
jan klata – jahrmarkt europa
wagen. In den ersten Limousinen
tragen die Fahrer und Beifahrer Sonnenbrillen, in der dritten studiert im
Fond des Wagens eine ältere blonde
Dame Akten. Links und rechts der
Kühlerhaube zieren kleine Fahnen
die Staatskarosse; zwölf fünfzackige
goldene Sterne im Kreis auf azurblauem Grund, die Standarte der Europäischen Union.
Mein Taxi folgt dem Tross der
ranghohen EU-Bürokratin mit deutlich geringerer Geschwindigkeit und
landet schon nach wenigen Kilometern im Stau. Große Neuwagen europäischer Edelmarken und alte klapprige Fahrzeuge mit Beulen, defektem
Auspuff und großflächigen Roststellen umgeben uns.
Nach der vierzigminütigen Fahrt,
vorbei an riesigen Werbetafeln mit
Schriftzügen bekannter Marken und
Slogans in einer mir vollkommen
unverständlichen Sprache, habe ich
mein Ziel erreicht.
Der Kulturpalast ist das
Wahrzeichen der Stadt
Das Hotel Logos, direkt an der
Weichsel gelegen, hat 188 Betten
und einen Stern. Es wird von der
Gewerkschaft der Lehrer betrieben,
ist billig und für meinen Aufenthalt
optimal gelegen. Vom einfach eingerichteten Zimmer 508 sieht man auf
die Skyline der Innenstadt.
In der Mitte zwischen mehreren modernen Hochhäusern sticht
als Wahrzeichen der Stadt der 231
Meter hohe Kulturpalast heraus.
Das Gebäude des sozialistischen
Klassizismus sieht aus wie das von
einer riesigen Kreatur zusammengestauchte Empire State Building. Aber
das hier ist nicht New York, das ist
Warschau.
Das Telefon neben dem säuberlich gemachten Bett klingelt und der
Portier meldet den Besucher, der in
der Lobby wartet. Im kleinen Hotelfoyer steht zwischen eingestaubten
Zimmerpalmen und einer violetten
Kunstledersesselgarnitur einer der
erfolgreichsten
Theaterregisseure
Polens, Jan Klata.
Vor dem Hotel verschwindet eine
dreispurige Straße unter einem kleinen Park. Hinter dem Park noch eine
zweispurige Schnellstraße, dann der
Fluss. „Auf der anderen Uferseite ist
meine Laufstrecke“, erklärt mir Jan
Klata, als wir vor das achtstöckige
Hotelgebäude treten. „Ich wohne ja
um die Ecke, also habe ich es nicht
so weit.“
Nach einer Herzoperation vor
einigen Jahren hat er das Laufen begonnen. Jetzt trainiert er regelmäßig,
läuft am Morgen mehr als zehn Kilometer, um einmal im Jahr an einem Marathon teilzunehmen. „Im
Augenblick arbeite ich daran, die
Drei-Stunden-Marke zu unterbieten.
Beim letzten Mal war ich zwei Minuten zu langsam.“
Das Nest eines
gigantischen Flugsauriers
Was das da auf der anderen Uferseite sei, wo riesige Stahlpfeiler, wie das
Nest eines gigantischen Flugsauriers
kreisförmig in den Himmel ragen,
frage ich. „Hier bauen wir unsere
Zukunft“, antwortet Klata spontan.
Dann setzt er sich in Bewegung. Mit
zügigen Schritten geht es weg vom
Wasser.
Wir laufen durch das Universitätsviertel Powisle. Es gehört zu den
angesagten Quartieren der Hauptstadt. Etwas abseits des Zentrums
ist von hier aus alles in weniger als
zwanzig Minuten zu Fuß zu erreichen. Klata, der von sich selber sagt,
dass er eine katastrophale Orientierungsgabe hat, weist uns den Weg.
„Das wird unser neues Nationalstadion für die Europameisterschaft.
Dieses Stadion kostet uns 300 Millionen Euro, eine unfassbare Summe
in Polen. Für ein Stadion, in dem
nur fünf Spiele während des Wettbewerbs stattfinden werden. Das
sind 60 Millionen Euro Baukosten
pro Spiel. Verkauft wird uns das als
Fortschritt und als historischer Moment. Fakt ist aber, dass der Bau ein
großes geschichtliches Erbe zerstört
hat“, erklärt Klata und lacht dabei
ironisch.
„Es gibt hier in Polen schon den
Witz, dass das erste EM-Spiel der
Nationalmannschaft das Eröffnungsspiel ist, im zweiten Spiel geht
es dann schon um Alles und das dritte Spiel in der Vorrunde ist dann nur
13
noch das Spiel für die Ehre. Wir waren schon auf Weltmeisterschaften.
1982 sind wir sogar Dritter geworden. Aber für eine Europameisterschaft haben wir uns fast noch nie
qualifiziert. Das mussten wir uns erst
erkaufen“, lacht er und spielt damit
auf die Tatsache an, dass die Ausrichternation auch ohne Qualifikation
nominiert ist und darum 2012 im
eigenen Land spielen darf.
Was für ein geschichtliches Erbe
hier zerstört wurde, frage ich und beweise im Verlauf der folgenden Ausführungen, wie wenig ich über Polen
und seine Geschichte weiß.
„An diesem Ort“, erklärt Klata,
während er mich an sechsstöckigen, postsozialistischen Innenstadtwohnhäusern entlang führt, „stand
jahrzehntelang das erste Nationalstadion Polens, das Stadion Dziesieciolecia Manifestu Lipcowego, das
Stadion des 10. Jahrestages des JuliManifestes.“
Diese Sport-Arena ohne Dach
oder Flutlichtanlage wurde auf und
aus dem Schutt der nach dem Warschauer Aufstand vollständig zerstörten Stadt gebaut.
EIN TRAUMATISCHER MOMENT
IN POLENS GESCHICHTE
Noch in der Nacht bemühe ich das
Internet und schließe zumindest
oberflächlich meine Wissenslücken
über dieses Ereignis, das für die Polen
vermutlich eines der traumatischsten Momente ihrer Geschichte ist:
Von August bis Oktober 1944 hatte
sich die Warschauer Bevölkerung,
angeführt durch Partisanenkämpfer
der Heimatarmee, mit Waffengewalt
gegen die deutschen Okkupierer erhoben. Zeitgleich hatte sich die rote
Armee auf dem gegenüberliegenden
Weichselufer eingegraben und tatenlos den Kämpfen zugesehen.
Die deutschen Sieger legten nach
der Niederschlagung des Aufstandes
Feuer an die Stadt, sprengten gezielt
alles in Schutt und Asche, ermordeten die Bevölkerung direkt an
Ort und Stelle oder verschleppten
sie in Konzentrationslager und zur
Zwangsarbeit.
Dann kam die Rote Armee und
schlug die deutschen Truppen. Spä-
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Neues und altes
Warschau: Die
Baustelle des neuen
Nationalstadions in
Warschau soll zur
EM 2012 fertig sein.
Daneben eine Bar im
Szeneviertel Powisle.
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Straße in der Nähe
der Universität,
postsozialistische
Wohnarchitektur
und Jan Klata in der
Frühlingssonne.
jan klata – jahrmarkt europa
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Links: Jan Klata in
der Lobby des Hotel
Logos. Rechts: Das
neue Handels- und
Bankenviertel der
Hauptstadt.
ter entwaffnete sie auch die polnische Heimatarmee und Stalin ließ
deren Offiziere erschießen oder deportierte sie in den Gulag, weil man
ihnen anti-sowjetische Tendenzen
unterstellte.
Zehn Jahre später, in den 1950ern,
wurde dort, wo sich die sowjetischen
Truppen verschanzt hatten, das Nationalstadion der Volksrepublik Polen errichtet. Es bot auf den Rängen
Platz für 75.000 Sportbegeisterte.
„Ich protestiere“, rief er,
und ging in Flammen auf
„Das wichtigste Ereignis in diesem
Stadion trug sich meiner Meinung
nach am 8. September 1968 zu“,
sagt Klata, während wir eine mehrspurige Straße mitten in der Stadt
überqueren. „Da hat sich ein einfacher Buchhalter während der Erntedankfeierlichkeiten vor 100.000 Besuchern aus Protest selbst verbrannt.
Das haben Jahrzehnte lang nur sehr
wenige in Polen gewusst, weil der
Staat es erfolgreich verheimlicht hat.
Der Mann hieß Ryszard Siwiec.
Er war ein unauffälliger Mann. Aber
die Beteiligung des polnischen Militärs an der Niederschlagung des
Prager Frühlings war für ihn wie ein
persönlicher Angriff. Er fuhr nach
Warschau in seinem besten Anzug
und übergoss sich während einer
Tanzvorführung auf einer der Tribünen mit Benzin. ‚Ich protestiere’,
soll er gerufen haben, während er in
Flammen aufging.“
Intellektuelle wie Klata fordern,
dass das neue Nationalstadion nach
Siwiec benannt wird. „Aber vermutlich wird das hier auch eine ‚Arena’
mit dem gut bezahlten Namen eines internationalen Großunternehmens, einer Versicherung oder einer
Telekommunikationsfirma“, resümiert Klata nüchtern.
Nach 1989 riefen die Polen die
„Dritte Republik“ aus. Sie führten
die parlamentarische Demokratie
ein und überführten ihre Wirtschaft
von der Plan- in die Marktwirtschaft.
Und das geschlossene Dziesieciolecia
Stadion wurde an eine Handelsgesellschaft verpachtet.
Die eröffnete auf dem Stadiongelände einen Freiluftmarkt, der zu
einem der größten Basare Europas
wurde. Das Stadion wurde 1996 umbenannt in „Jahrmarkt Europa“.
Parallel zum Paradigmenwechsel
in der polnischen Wirtschaftspolitik
entwickelte sich hier am Rande der
Hauptstadt ein großer, informeller
Markt, auf dem alles, Legales wie
Kriminelles, zu kaufen war: Lebensmittel, Elektronik, Kleidung, aber
auch Waffen und Drogen wurden
gehandelt.
Vor allem geschmuggelte Zigaretten und gefälschte Markenprodukte, von der Armbanduhr, der
DVD, dem Parfum bis zu Schuhen
und Unterwäsche wurden auf dem
Schwarzmarkt des „Jarmak Europa“
zu Schleuderpreisen angeboten. Neben den polnischen Händlern kamen viele Verkäufer von weiter östlich, aus der Ukraine, Weißrussland,
Russland, Vietnam und China.
Deutschland verliert,
Polen gewinnt
Polen war schon vor dem EU-Beitritt
im Jahr 2004 das östliche Tor zum
kapitalistischen
Heilsversprechen
Europas.
Und tatsächlich wurde der Basar
im ehemaligen Sportstadion zum
bedeutenden
Wirtschaftsfaktor.
Während seiner Hochphase wurden
hier nach Schätzungen mehrere Milliarden Złoty im Jahr umgesetzt, was
heute mehreren hundert Millionen
Euro entspricht.
Mit einem offiziellen Wirtschaftswachstum von zeitweise über
6 % entwickelte sich parallel dazu das
ganze Land östlich von Oder und
Neiße Anfang des neuen Jahrtausends rasant vorwärts.
Der Chef von CEPS in Brüssel,
einem der einflussreichsten Forschungsinstitute der Welt, wagte
sogar zu behaupten: „Die Prognose
lautet: Deutschland wird im Jahre
2040 nur noch im unteren Drittel
des EU-Rankings gelistet sein.“ Und
er fügt erklärend hinzu: „Die Deutschen wurden nicht gezwungen,
radikal umzudenken und damit an
einem neuerlichen Aufschwung zu
arbeiten. Sie werden selbstzufrieden
absteigen und am Ende nicht verstehen, warum Polen besser dasteht.“
18
jan klata – jahrmarkt europa
gearbeitet, bevor sie an die größeren
Bühnen in Krakau oder Breslau gewechselt sind.
Wrocław/Breslau, wo Klata heute
am häufigsten inszeniert, gilt als ausgesprochene Kulturstadt in Polen mit
einem der größten Schauspielhäuser
des Landes. Hier ist Jan Klata so etwas
wie ein Hausregisseur. Mehrmals im
Jahr arbeitet er hier.
Dennoch lebt er weiterhin in
Warschau, hat sich, wie viele nach
dem Fall des sozialistischen Regimes, eine Wohnung gekauft. „Wir
finden das eher seltsam, dass ihr in
Deutschland eure Wohnungen mietet. In Polen kaufen alle. Es ist doch
viel besser, in etwas Eigenes zu investieren, als einen Vermieter zu bezahlen.“
Und tatsächlich ist Polen mittlerweile auf der Liste der größten Wirtschaftsmächte auf Platz 21 vorgerückt. Im Pisa-Ranking steht Polen
sogar fünf Plätze vor Deutschland.
FÜR EINEN FERRARI GIBT ES ZU
VIELE SCHLAGLÖCHER
Wir passieren ein großes Wohnhaus.
Klata zeigt auf den obersten Stock
und meint: „Da wohnen wir.“ Dann
eilt er weiter, ich folge.
Er erzählt vom Viertel und zeigt
mir seine Nachbarschaft. Um die
Ecke liegt die Universitätsbibliothek.
Daneben steht ein großer Apartmentneubau mit privatem Sicherheitspersonal,
videoüberwachten
Stahlzäunen und rotem Teppich in
der Lobby.
„Zu den Feiertagen wie Ostern
oder Weihnachten brennt in diesen
Apartments am Abend kein einziges
Licht“, erklärt Klata und weist mit
einer Geste auf das schicke Apartmenthaus. „Das sind alles Leute vom
Land, die hier in die Stadt gezogen
sind, um in einer Bank oder Firmenverwaltung zu arbeiten. Aber wenn
sie frei haben, geht es zurück zu den
Familien.“
„Ach darum auch die Geländewagen vor dem Haus?“, frage ich.
„Nein“, antwortet Jan Klata süffisant, „das sind die Stadtautos der
Leute mit Geld. Einen Ferrari kannst
du in Warschau nicht fahren, dafür
gibt es hier viel zu viele Schlaglöcher.“
Die räuber
von Friedrich Schiller
Premiere am 3. März 2012 im Schauspielhaus
Schiller erzählt in seinen „Räubern“ die tragische Geschichte der ungleichen Brüder Karl und Franz Moor. Franz
gelingt es durch Intrigen, den Vater gegen seinen Bruder
aufzubringen. Der Graf enterbt den bisher so geliebten
Sohn Karl. Der will sich mit dem Vater versöhnen, doch
ein Schandbrief verhindert jede Möglichkeit, nach Hause zurückzukehren. Karl gründet eine Räuberbande. Man
schwört sich Treue bis in den Tod.
Doch die Räuber haben sehr verschiedene Absichten:
Während die einen für Freiheit und Gerechtigkeit kämpfen
wollen, streben die anderen nach Reichtum und einem zügellosen Leben. Zu Hause lässt Franz währenddessen den
Vater verschwinden und wirbt mit Gewalt um die Gunst
von Amalie, der Liebe seines Bruders. Schließlich kehrt
der mittlerweile steckbrieflich gesuchte Karl in die Heimat
zurück und entdeckt die Gräuel seines Bruders. Dennoch
findet die Geschichte kein glückliches Ende. Der Aufwiegler Franz nimmt sich das Leben, auch der Vater stirbt vor
Gram und Karl muss sich zwischen seiner Liebe und den
Kameraden der Bande entscheiden.
Schillers berühmtes Debüt-Werk lotet das Spannungsverhältnis individueller Freiheit zwischen den
Gesetzen einer Gesellschaft aus. Es ist ein Stück über
Individualismus und Rebellion. Oder, wie es Karl am
Ende des Stückes selbst sagt, es zeigt Menschen, die versuchen, „die Welt durch Gräuel zu versöhnen und die
Gesetze durch Gesetzlosigkeit aufrecht zu erhalten.“
DIE BANKEN TRAUEN DER EIGENEN WÄHRUNG NICHT
Regie: Jan Klata
Bühne und Kostüme: Justyna Łagowska,
Mirek Kaczmarek
Choreografie: Macko Prusak
Dramaturgie: Olaf Kröck
Die innovativste Theaterstadt ist der furchtbarste
Ort Europas
Klata wurde in Warschau geboren,
seine Familie und die Familie seiner
Frau stammen aus der Hauptstadt.
Er ist fest verwurzelt mit der Metropole, in der fast zwei Millionen Menschen leben.
Und doch hat er in Krakau studiert
und bisher nur zwei Mal in Polens
größter Stadt gearbeitet. „Die Theaterakademie in Krakau ist einfach
viel besser“, resümiert er, „und auch
in den Theatern anderer Städte gibt es
interessantere Dinge. Es ist vielleicht
wie in Deutschland, da passieren die
guten Sachen doch auch nicht nur
in Berlin. Warum würde ich sonst in
Bochum arbeiten?“, fragt er trocken
und lässt nicht erkennen, ob das jetzt
ein Witz war.
Seine Karriere begonnen hat Jan
Klata unter anderem im niederschlesischen Wałbrzych, auch unter dem
deutschen Namen Waldenburg bekannt. In der ehemaligen Bergbaustadt gibt es nach dem Niedergang
der Volksrepublik und der Schließung
der unrentablen Zechen nicht viel
mehr als ein Autowerk. „Trotzdem
arbeiten immer noch viele in den
Bergwerken. Sie bauen jetzt illegal die
Kohle ab und verkaufen sie auf dem
Schwarzmarkt. Das ist natürlich
extrem gefährlich. Aber die Leute
verdienen damit dreimal so viel wie
bei Toyota. Dennoch ist diese Stadt
vermutlich einer der furchtbarsten
Orte in Europa. Da kannst du nichts
anderes machen, als im Theater sein.
Draußen auf der Straße ist es zu gefährlich.“
Umso erstaunlicher ist es, dass
Waldenburg ein Theater hat, das zurzeit zu den innovativsten des Landes
zählt. Künstler wie Klata haben hier
19
Zu lange waren die Polen einer vermeintlich geplanten Gemeinschaftswirtschaft ausgesetzt, in der sich der
Staat um das Wohlergehen kümmern
wollte, was aber nicht zum Wohle
der Leute führte. Die kapitalistische
Grundprämisse vom Privatbesitz ist
in der „Dritten Republik“ auch für
kritische Köpfe wie Klata das überzeugendere Konzept.
„Allerdings mussten wir den Kredit für unsere Wohnung in Schweizer
Franken aufnehmen. Unsere eigenen
Banken trauen unserer Währung
nicht. Während der Wirtschaftskrise
der letzten Jahre ging es uns in Polen
wegen des Złotys eigentlich ganz gut.
Es hat uns hier nicht so hart getroffen wie andere Länder. Aber für mich
privat war es schon ganz schön heftig. Plötzlich ist der Kredit, den du
abzuzahlen hast, doppelt so teuer“,
erklärt Klata.
Er hält die Türe des „Café Tarabuk“ auf, in dem sich ein gut sortierter Buchladen mit einem Bistro
mischt.
Ich bestelle italienischen Kaffee,
ein großes Stück frisch gebackenen
Apfel-Nusskuchen, Klata die Tagessuppe. Die Tische und Stühle sind
bunt zusammengetragen. Jeder Quadratzentimeter ist genutzt. Selbst in
den Fenstern stehen schmale Tische
und Stühle. Es gibt Sofas und Sessel
NÄCHSTE SEITE:
Links: Klata unterwegs in seinem
Viertel. Rechts:
Die Altstadt von
Warschau wurde spät
nach dem Krieg neu
aufgebaut und in
den 1980ern fertig
gestellt. Heute gehört
sie zum Weltkulturerbe.
20
21
jan klata – jahrmarkt europa
und die Wände sind bis unter die
Decke von Bücherregalen verdeckt.
Alle Plätze sind besetzt und doch ist
es eher ruhig.
Die Gäste tragen karierte Baumwollhemden, verwaschene T-Shirts
mit den Namen englischsprachiger
Heavy-Metal-Bands, asymmetrische
Kurzhaarfrisuren, dunkle, dickrandige Brillen und Wollmützen.
Die junge Kellnerin, die die an der
Theke aufgegebenen Bestellungen
schließlich am Tisch serviert, läuft
mit wasserstoffblonden Haaren tatsächlich auf Tennissocken über den
Fliesenboden. Wie eine vergrößerte
Studentenbude ist dieser Laden. „Ich
komme gerne hierhin. Auch meine
Töchter lieben es hier“, sagt Klata,
während er die hausgemachte Linsensuppe löffelt.
Geschichte, Politik
Fernsehserien
und
Klata redet in einem ausgezeichneten Englisch, schnell und gewandt.
Das Gespräch verläuft assoziativ,
doch längst ist klar, welche Themen
den 38-Jährigen interessieren, der
wöchentlich eine Kolumne für eine
große polnische Zeitung schreibt:
Geschichte und Politik.
„Polen erlebt seit Jahren einen
gewaltigen Umbruch und es fällt vielen nicht leicht, mitzuhalten. Daher
waren auch die Kaczynski-Brüder
eine Zeit lang eine echte Option. Sie
haben vielen aus der Seele gesprochen. Wir haben hier so viele Jahrhunderte der Unterdrückung und
Fremdbestimmung erlebt, dass wir
sehr empfindlich sind, wenn uns jemand vorschreiben will, wie wir zu
sein haben.
Wenn dann aber zwei kommen
und plötzlich die großen Nachbarstaaten und sogar die EU herausfordern, um polnische Interessen stark
zu machen, ist das erst einmal gut.
Deutschland als direkter westlicher
Nachbar und Russland im Osten
sind so große Mächte, dass sie nicht
nur wegen unserer Geschichte weiterhin große Skepsis herauf beschwören. Und wenn dann ewig gestrige
Deutsche immer noch davon reden,
dass Teile unseres Landes eigentlich
ihnen gehören, haben nationalisti-
sche Zwerge wie die Kaczynskis ein
leichtes Spiel.“
Klatas Analysen kommen schnell
und mit Humor. Man versteht allmählich, wieso dieser Mann in der
Lage ist, mit einem Interview einen
nationalen Skandal auszulösen. Und
dann wechselt er wieder das Thema
und ein drittes großes Interessensgebiet tut sich auf: amerikanische
TV-Serien. Die „Sopranos“, verrät er,
stehen dabei auf Platz 1 seiner privaten Bestenliste.
PROBE, UM EINEN BRIEFUMSCHLAG ZU ÖFFNEN
Nach zwei Stunden in dem Café
verabschiedet er sich. Am Abend ist
Klata zu der großen Verleihung des
„Paszport Polityki“ geladen, einem
der bedeutendsten Kulturpreise Polens. Er wurde als ehemaliger Preisträger gebeten, den diesjährigen Sieger zu verkünden.
Auch in Polen imitiert man dafür
die Oscar-Verleihungen und zelebriert das Ganze mit großem Pomp
in der Nationaloper und mit den
Stars und Sternchen des Landes. Klata gehört dazu. Und weil die Show
im polnischen Fernsehen übertragen
wird und sich der Staatspräsident angemeldet hat, muss Jan Klata jetzt zur
Probe. Er, der etliche Aufsehen erregende Theaterabende inszeniert hat,
soll proben, einen Briefumschlag zu
öffnen.
Später, während ich in einem
vollbesetzten Brauhaus sitze, heulen
draußen wieder Sirenen auf. Diesmal
wehen auf dem Kühler der vorbeirasenden Limousine die rot-weißen
Standarten Polens. Während ich
einen Schluck Bier trinke und auf
meine gegrillte Ente mit Kraut warte, fährt Staatspräsident Komorowski an mir vorüber, auf dem Weg ins
„Teatr Wielki“, das Große Theater,
und zu Jan Klata.
22
Jan Klata wurde 1973 in Warschau
geboren, studierte zunächst Regie an
der Warschauer Theaterakademie und
wechselte dann an die staatliche Theaterschule Krakau. Er assistierte polnischen Theatergrößen wie Jerzy Grzegorzewski oder Krystian Lupa. Seine erste
Inszenierung von Nikolai Gogols „Revisor“ wurde als wichtigstes Debüt des
Jahres 2003 gefeiert. Seither arbeitet
Jan Klata an den bedeutendsten Bühnen seines Landes. Seine Inszenierungen waren auch auf diversen Festivals
und an Theatern im Ausland zu sehen
und wurden mit zahlreichen bedeutenden polnischen Theaterpreisen ausgezeichnet. In der Spielzeit 2010/2011
brachte er am Schauspielhaus Bochum
„Amerika“ nach dem gleichnamigen
Roman von Franz Kafka auf die große
Bühne.
23
DER
WELTEN
EXPERIMEN
TIERER
Paul Koek und sein
musikalisches theater
Paul Koek
ist ein Multitalent. Er ist Musiker,
Komponist, Regisseur und Theaterleiter. Der studierte Schlagzeuger hat
in jungen Jahren zunächst eine Ausbildung zum Gärtner gemacht – Koek
stammt aus einem winzigen Dorf in
der Nähe der niederländischen Universitätsstadt Leiden, wo er heute
noch lebt. Seine ganze Familie arbeitete in den Gewächshäusern, die in
dieser Region typisch sind. Doch seit
ihn sein Vater ohne sein Wissen an
der örtlichen Musikschule anmeldete, verlief Paul Koeks berufliche
Karriere völlig anders: Er wurde einer
der bedeutendsten Schlagzeuger der
Niederlande.
Heute ist er nicht nur Dozent am
königlichen Konservatorium in Den
Haag, er leitet dort mittlerweile auch
mit seinem Dramaturgen Paul Slangen einen eigenen Studiengang für
Musiktheater. Bis heute arbeitet er
als Schlagzeuger und tourt mit verschiedenen Ensembles um die Welt.
Vor allem aber ist Paul Koek Theatermacher. In den 1990er Jahren
gelangte die niederländische Theatergruppe Hollandia mit Regisseur
Johan Simons und Paul Koek als ihrem Koleiter zu Weltruhm. Sie tourten über die größten Festivals der
Welt. Unter anderem entstand 2003
bei der Ruhrtriennale in Bochum die
Produktion „Sentimenti“ nach dem
Roman „Milch und Kohle“ von Ralf
Rothmann.
Seit der Auflösung von Hollandia
gingen Paul Koek und Johan Simons
künstlerisch immer häufiger auch
getrennte Wege. 2004 gründete Koek
sein eigenes Ensemble, die Veenfabriek in Leiden. Hier entwickelt er als
Regisseur und künstlerischer Leiter
mit einer kleinen Gruppe aus Musikern und Schauspielern eine eigene
Form des Musiktheaters.
Die Veenfabriek, die bei ihren
Arbeiten mit Komponisten, Autoren
und Wissenschaftlern kooperiert,
sucht nach einer Verschmelzung von
Musik, Text und Bild, bei der jede
Alle Fotos entstanden
während der Proben zu
„Candide“.
26
27
Disziplin dennoch ihre Autonomie
behält. Anders als in der Oper geht
hier der Text nicht in der Musik auf,
und im Gegensatz zur reinen Theatermusik sind die Kompositionen
nicht nur der atmosphärische Hintergrund der Produktionen.
„Für mich ist Musiktheater eine
Art des Theatermachens, bei der
sich die Musik, der Text, der Inhalt
gegenseitig tragen. Alle Aspekte sind
gleichberechtigt und reagieren aufeinander: der Text auf die Musik, die
Schauspieler auf die Musik und umgekehrt“, sagt Paul Koek. „Wenn ich
ins Theater gehe, nehme ich alles als
Musik wahr. Ich kann musikalisch
keinen Unterschied machen zwischen dem Klang der Stimme, dem
einer Gitarre und dem einer Klimaanlage. Es sind in einem Augenblick
alles gleichberechtigte Klänge im
Raum.“
Koeks Theater ist experimentelles
Theater, das im Ergebnis jedoch nicht
zu anstrengend unzugänglichen Spezialistenveranstaltungen führt, sondern zu einer emotionalen und visionären Verbindung von Klangwelt,
Textbedeutung und Bildkraft. Sein
Theater stellt Fragen, gibt Rätsel auf,
fordert heraus und es berührt.
Für seine Arbeit erhielt Paul Koek
2009 den „Prins Bernhard Cultuurfonds“-Preis, eine der höchsten Auszeichnungen der Niederlande.
In der Spielzeit 2010/2011 eröffnete er in einer auf mindestens drei
Jahre angelegten Kooperation zwischen seiner Veenfabriek und dem
Schauspielhaus Bochum die Intendanz von Anselm Weber mit einer
musiktheatralen Bearbeitung von
Voltaires Weltroman „Candide“. In
der zweiten deutsch-niederländischen Zusammenarbeit widmet sich
Paul Koek nun mit „Drei Schwestern“ zum ersten Mal in seiner fast
30-jährigen Theaterarbeit einem Text
von Anton Tschechow.
So wird er im Schauspielhaus mit
seinem Konzept des Musiktheaters
und den Weltentwürfen des russischen Klassikers experimentieren.
Olaf Kröck
WEG
AUS
MOSKAU
Bis zu einem gewissen Alter treffen
andere die wichtigen Entscheidungen für uns. Oft solche mit schwerwiegenden Folgen. Tschechows „Drei
Schwestern“ saßen nicht immer in
der Provinz fest. Sie waren längst in
Moskau, denn sie wurden dort geboren. Bis ihr Vater beschloss umzuziehen. Mit der ganzen Familie.
Der Dramaturg Paul Slangen ist
ein langjähriger Weggefährte des Regisseurs Paul Koek. Gemeinsam waren
sie schon bei der legendären niederländischen Theatergruppe Hollandia, bis
auch sie eine Entscheidung getroffen
haben: Sie haben ein neues Theater
gegründet. Ausgerechnet in Leiden. In
der niederländischen Provinz.
Paul Slangen kennt sich also aus
mit folgenreichen Entscheidungen,
auch wenn er sie damals selbst getroffen hat und der Erfolg gezeigt hat,
dass sie richtig waren. Natürlich war
er bei der Entscheidung des Vaters von
Mascha, Irina und Olga nicht dabei,
die die Familie aus der pulsierenden
Hauptstadt an einen Ort geführt hat,
der sich anfühlt wie eine Geisterstadt.
Aber er hat darüber nachgedacht, wie
es gewesen sein könnte. Eine literarische Mutmaßung über einen Moment
mit Folgen.
TEXT: Paul slangen
Fotos: DIANA KÜSTER
„An einer Meeresbucht steht eine
grüne Eiche / An dieser Eiche hängt
eine goldene Kette: / Und ein gelehrter Kater geht / Tag und Nacht um die
Kette herum.“ Seufzend blickt Sergej
Prozorov von seinem Buch auf. Wie
lange hat er Puschkins Gedicht nicht
mehr gelesen? Er blickt in die Flammen des Kaminfeuers und denkt an
seine Frau. Wie viele Jahre sie schon
tot ist? Für einen Augenblick hat er
es vergessen.
Er sieht sie wieder vor sich stehen:
jung, glücklich, mit offenen Armen,
lachend, verliebt, während er ihr den
Tee aus dem Samovar reicht, den er
ihr zur Hochzeit geschenkt hat, nicht
so verliebt, nicht so glücklich und
fröhlich wie sie. Trotz all der Zeit, die
seit ihrem frühen Tod vergangen ist,
erinnert im Haus noch alles an sie.
Er bildet sich sogar ein, dass einige
Dinge noch nach ihr riechen. Das ist
nicht gut, denkt er und streicht sich
nachdenklich über den Bart. Es ist
nicht gut.
REGELN,
ORDNUNG,
DISZIPLIN
„Anfisa!“ Nichts rührt sich. „Anfisa!“, ruft er noch einmal. Man hört
sie oben laufen. Die treue Dienstmagd bringt die Kinder ins Bett. Sie
wird sich gestört fühlen, denkt er.
Verärgert wird sie den Kindern sagen,
dass sie warten müssen, da ihr Vater
gerufen habe. Sie mögen sich alleine
weiter umziehen und waschen, sie
werde sofort zurück sein, um sie ins
Bett zu stecken. „Sie haben gerufen,
edler Herr?“
Schneller, als er erwartet hat,
steht sie vor ihm. „Edler Herr“, das
sagt sie immer, wenn er ihr auf die
Nerven fällt. Sonst sagt sie einfach,
„Was gibt es?“, oder „Kann ich was
für Sie tun?“. „Entschuldige, dass ich
störe, aber kannst du bitte die Kinder holen, ich habe ihnen etwas zu
sagen.“
Er gibt sich keine Mühe, ihre
Überraschung zu übersehen, denn sie
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bleibt regungslos in der Türe stehen.
Er weiß, dass seine Bitte ungewöhnlich ist. Normalerweise akzeptiert er
nicht einmal, wenn eines der Kinder
fünf Minuten später als gewöhnlich
nach oben geht, und es verärgert ihn,
wenn eines noch einmal herunterkommt, weil es nicht einschlafen
kann oder irgendein Problem hat.
Regeln, Ordnung und Disziplin bringen das Beste im Menschen hervor.
So ist es eben.
Wenn man vom regelmäßigen
Rhythmus von Essen, Schlafen, Arbeiten, Lernen und Entspannen abweicht, führt das zu einer Unruhe,
unter der die Menschen nur zu leiden haben. Eine unstete Lebensweise
führt zu dummen Gedanken. Das
ist nicht gut. Niemand weiß, warum
man lebt. Aber das soll nicht heißen,
dass man sich nicht nützlich machen kann, solange einem Gott die
Zeit dazu lässt. Wir müssen das Beste
daraus machen, hat seine Frau immer gesagt. Und so ist es. Und genau
das gedenkt er zu tun. „Was stehst du
noch rum? Geh und hole sie.“
Einige Augenblicke später sind die
Kinder da. Verwundert über das späte Beisammensein und etwas angespannt stehen sie in ihren Pyjamas
vor ihm. Olga ist schon fast eine
junge Frau. Und auf Andrejs Unterschenkeln zeigt sich die erste Behaarung eines Mannes. Mascha und
Irina sind hingegen noch Kinder, mit
der stolzen Empörung in den Augen
für alles, was sie überrascht.
„Kommt, setzt euch zu mir. Friert
ihr? Anfisa, hole Decken und setze
dich, wenn du magst, zu uns. Was
ich zu sagen habe, geht dich auch
an.“
Sie hocken sich in gespannter Erwartung im Halbkreis vor ihn. Andrej schaut eher abwesend, während
Irina ihn direkt ansieht. Für einen
Moment verliert er sich in ihrem
Blick und sieht in die haselnussbraunen Augen seiner Frau, die Irina von
ihr geerbt hat. Was für eine sanfte
Kraft in ihnen verborgen liegt, denkt
er. Gerührt schließt er kurz die Au-
29
gen, um sich auf die Entscheidung zu
konzentrieren, die er soeben getroffen hat.
DREI
SCHWESTERN
wie soll man
leben?
von Anton Tschechow
„Liebe Kinder“, sagt er, nach einem
Einstieg suchend, „ihr wisst, dass
ich nur das Beste für euch will. Wir
haben es hier in Moskau immer gut
gehabt. Und ich bin stolz, dass eure
Mutter und ich diese Stadt gewählt
haben, um hier eine Familie zu gründen. Aber ich muss gestehen, dass
es mir seit dem Tod eurer Mutter
schwer fällt, hier noch echte Freude
zu empfinden. Das Haus, die Staraja Basmannaja Straße, der Samovar
hier zu meinen Füßen, alles erinnert
mich an die, die wir alle so vermissen. Und ehrlich gesagt, ich ertrage
es nicht mehr. Ich kann hier nicht
länger bleiben.“
Premiere am 6. Oktober 2011 im Schauspielhaus
Sie sitzen in der Provinz und träumen sich in die große, weit
entfernte Stadt. Sie glauben, dass dort alles besser ist als
hier in dem Nest, in das sie vor vielen Jahren mit dem Vater
kamen. Jetzt sind sie keine Mädchen mehr und der Vater
ist tot. Dort, in der großen Stadt, muss Leben sein. Hier auf
dem Land ist alles nur ein Abziehbild von dem, was man
in die Ferne projiziert. So sitzen die drei Schwestern Olga,
Mascha und Irina mit ihrem Bruder Andrej, dem erfolglosen Akademiker, in ihrem Landhaus in der Garnisonsstadt
und träumen sich „nach Moskau, nach Moskau, nach
Moskau“.
In Anton Tschechows Stück sieht man eine Welt im Umbruch. Es ist eine Gesellschaft, die sich überlebt hat, aber
mit den Veränderungen um sie herum nicht umzugehen
weiß. Denn die Menschen wissen überhaupt wenig mit
sich und ihrer Existenz anzufangen. Sie sehnen sich nach
Aufgaben, nach großen Taten und sind doch von der Arbeit
schnell angestrengt, müde und bekommen Kopfschmerzen. Sie verzehren sich nach Liebe, sie wünschen sich Glück
und wissen doch nicht, in welcher Form und wo sie es finden könnten. Sie leben in der Provinz und reden ständig
davon, ihr Leben in die Hand zu nehmen, ohne jedoch über
Jahre hinweg irgendeine Anstrengung zu unternehmen,
ihre Wünsche zu erfüllen. Tschechows Drama ist ein raffiniertes, dicht verwobenes Gesellschaftsspiel voller Witz,
das der niederländische Musiktheatermacher Paul Koek
als zweite Zusammenarbeit zwischen dem Schauspielhaus
und der Veenfabriek aus Leiden zur Spielzeiteröffnung inszeniert.
Für einen Augenblick hält Sergej Prozorov den Atem an und schaut sich
um. Es ist wirklich so. Alles, was ihn
hier umgibt, bringt er mit ihr in Verbindung. Die ganze Stadt ist mit ihr
verbunden und er erträgt es nicht
mehr. Es engt ihn ein und nimmt
ihm die Freiheit zu leben. Es ist die
richtige Entscheidung, da ist er sich
sicher.
„Der Zar möchte, dass ich Brigadekommandant werde. Er hat mir
Bedenkzeit gegeben und ich bin nicht
verpflichtet, seinem Wunsch zu folgen. Aber ich denke, nein, ich bin
sicher, dass es nicht nur für mich,
sondern auch für euch gut sein wird,
Moskau zu verlassen, irgendwo anders ein neues Leben zu beginnen
und dabei unserem Land zu dienen.“
Stille.
Niemand sagt etwas. Seine Kinder schauen ihn an, als würden sie
Wasser brennen sehen. Anfisa zupft
nervös an einer Decke, die sie Mascha umgelegt hat. „Was schaut ihr
so besorgt“, lacht er. „Ich nehme
euch doch nicht mit in irgendein
Regie: Paul Koek
Bühne: Theun Mosk
Kostüme: Dorothee Curio
Musik: Veenfabriek
Dramaturgie: Paul Slangen, Olaf Kröck
Eine Koproduktion mit der Veenfabriek Leiden, Niederlande
Gefördert im Fonds Wanderlust der
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abgelegenes Dorf. Ich werde Brigadekommandant von sechs Batterien in
einer Kreisstadt, die nicht mehr als
ein paar hundert Kilometer von hier
entfernt ist. Es gibt dort ein Gymnasium und eine Musikschule, ihr werdet also auf euren Unterricht nicht
verzichten müssen. Und wir beziehen ein Haus mit einem großen Garten, der direkt an einen Fluss grenzt,
hinter dem sich ein großer Wald erstreckt. Es ist prächtig, ihr werdet sehen! Lasst uns wegziehen aus dieser
großen Stadt, aus dem Gestank und
all dem Elend, das man hier ständig
zu sehen hat.“
Stille. Noch immer. Niemand sagt
etwas. „Nun. Das war alles. Anfisa,
bring die Kinder jetzt ins Bett. Wir
sprechen morgen wieder darüber.“
Gedankenverloren wünscht er seinen
Kindern eine gute Nacht. Er streicht
Mascha übers Haar, gibt Olga einen
Kuss auf die Stirn. Irina, seine Jüngste, küsst ihn auf den Mund.
Während die drei Schwestern
mit Anfisa die Treppe hinaufsteigen,
steht Andrej immer noch im Zimmer, als würde er träumen. „Was
gibt’s, mein Junge?“ – „Nichts Papa,
nichts. Ich dachte nur an die Universität.“ – „Mach dir keine Sorgen.
Wenn es soweit ist, kannst du doch
zum Studium wieder hier herkommen. Das lässt sich alles einrichten.“
Andrej macht Anstalten etwas zu
sagen, überdenkt es noch mal und
küsst seinen Vater auf die Wange.
„Gute Nacht, Papa.“ – „Schlaf gut,
mein Junge.“
In der Nacht wird Sergej Prozorov
durch eine plötzliche Erscheinung in
seinem Zimmer aufgeschreckt. Für
einen Moment weiß er nicht, ob es
seine Frau ist, die nach ihm schaut.
Doch dann wird ihm klar, dass es
seine Tochter Irina ist, die neben seinem Bett steht. „Papa?“ – „Mädchen,
was ist denn?“ – „Ich habe geträumt,
dass Moskau brannte. Überall waren
Flammen und die Feuerwehr fuhr
mit lärmenden Alarmglocken los.
Plötzlich war hinter unserem Haus
31
ein Fluss und ein alter Mann kam
mit der Bitte, mit dem Wagen durch
unseren Garten fahren zu dürfen,
um Wasser aus dem Fluss zu holen.“
Leise hebt Sergej die Decke und
lässt Irina in sein Bett kriechen.
Er küsst sie und streichelt ihr den
Rücken. Sie beruhigt sich und ihre
Atmung wird tiefer. Aus einiger Entfernung, über den Korridor, hört er
Mascha ein Kinderlied singen. So
versucht sie sich immer selbst in
den Schlaf zu singen, wenn sie sich
über etwas Sorgen macht. Vielleicht
denkt sie wieder an den verliebten
Major, der sie ab und zu in diesem
Haus besucht hat und von dem sie so
beeindruckt war, denkt er lächelnd.
Sie weiß gar nicht, dass der Major eigentlich wegen Olga herkommt. Ach
ja. Sie wird ihn wieder vergessen. Es
werden andere Männer kommen, die
sie ebenso interessieren werden. Sie
ist doch noch so jung.
es ist prächtig, ihr werdet sehen!
Langsam döst er wieder ein und stellt
sich sein neues Leben vor, in dem
seine Kinder in der gesunden Natur
glücklich aufwachsen werden. Veränderung tut gut. In Moskau hat das
Leben nichts Neues mehr zu bieten.
Es war schön hier.
Als er beinahe schläft, hört er auf
einmal leise, dicht an seinem Ohr:
„Papa?“ – „Ja, mein Liebes?“ – „Gehen wir wirklich weg aus Moskau?“
– „Still mein Kind, schlaf jetzt.“ Irina
dreht sich um und seufzt tief. Sergej
legt seine Hand auf ihren Rücken
und schließt die Augen. „Papa?“ –
„Ja, mein Schatz?“ – „Geh du besser
allein. Ich bleibe lieber zu Hause.“
Aus dem Niederländischen
von Olaf Kröck
angekommen. Der Regisseur Roger Vontobel ist in seinem Leben bisher
siebzehn Mal umgezogen. Jetzt lebt er in Bochum.
R
roger vontobel – angekommen
Der Schweizer Roger Vontobel hat in der
halben Welt gewohnt. Vielleicht ist das der
Grund, warum er keine Angst davor hat, auf
der großen Bühne mit langem Atem große
Stoffe zu erzählen. Das hat ihm gerade eine
Einladung zum renommierten Berliner Theatertreffen eingebracht. Nach den letzten Stationen New York, Los Angeles und Hamburg
ist der 33-Jährige mit seiner Familie im März
schon wieder umgezogen. Nach Bochum. In
ein kleines Haus am Wiesental. Ein Gespräch
mit dem Bochumer Hausregisseur.
Interview: AnnA Haas
Fotos: Lukas Zabek
oger, bist du angekommen?
Naja. So, wie man halt immer ankommt im Leben. Es gibt immer eine
gewisse Angst vor diesem Wort, ankommen. Denn irgendwie schwingt
da ja auch Stillstand mit – insofern,
nein, hoffentlich nicht angekommen. Trotzdem – ich bin viel unterwegs und da tut so ein Ort, an dem
man zu Hause ist, wo nicht noch tausend andere Sachen sind, extrem gut.
Ich habe noch nie in so einer kleinen
Stadt gewohnt und finde es sehr
schön. Das Häuschen ist toll, unser Garten großartig und der kleine
Mann, unser Sohn, freut sich wirklich... insofern ja, angekommen!
Wo kommst du her?
Aufgewachsen bin ich in Zürich,
und dann sind wir nach Johannesburg ausgewandert, meine Eltern
und ich... Da war ich vierzehn. Nach
dem Abitur an der deutschen Schule
bin ich wieder zurück in die Schweiz,
erstmal zur Armee.
Warum bist du zurückgegangen?
Ich fand Südafrika richtig toll. Aber
ich wollte wieder nach Europa, weil
es da noch viel zu entdecken gab. Ich
habe meine Teenagerjahre ja nicht in
Europa verbracht. Während dort alle
Interrail gemacht haben, bin ich in
Afrika rumgegurkt. Daher wollte ich
34
roger vontobel – angekommen
zurück. Auch wegen des Studiums.
Ich habe Mathe und Physik studiert –
an der Eidgenössischen Technischen
Hochschule in Zürich.
Warum Physik?
Weil ich das cool fand. Das hat mir
schon in der Schule Spaß gemacht.
Aber nach einem Semester hab ich’s
abgebrochen. Zum einen, weil ich
einfach nicht gut genug war. Die
Leute dort waren alle Halbgenies.
Ich dachte immer, ich wäre super in
Physik, aber ich hatte keine Ahnung.
Zum anderen war das eine eingeschworene „Gemeinde“. Ich kam mir
völlig fehl am Platz vor. Wenn man
sich mit einem normalen Buch hingesetzt hat, war man schon ein Alien:
„Warum liest du denn das? Da sind ja
keine Zahlen drin.“ Dann bin ich ein
halbes Jahr durch Europa gereist.
Interrail?
Mit einem Mitsubishi-Bus, eigentlich
ein alter Lieferwagen mit Matratze
hinten drin. In Frankreich wurde
ich erstmal ausgeraubt, in der Nähe
von Cannes. Ich bin zurück in die
Schweiz, habe die Sachen, die geklaut
wurden, wieder aufgestockt – ich war
halt ein Wohlstandskind – und bin
„Während alle Interrail gemacht haben, bin ich in Afrika
rumgegurkt.“
wieder losgefahren. Dann bin ich von
Calais rüber nach Dover, durch England bis hoch nach Schottland und
wieder zurück, über Holland, Belgien, nach Skandinavien: Dänemark,
Schweden und nach Nordfinnland,
wo die Lappen wohnen, hoch bis ans
Nordkap und über Norwegen wieder
zurück. Ein bisschen roadmoviemäßig. Ich habe dem Bus sogar einen
Namen gegeben: „Soul Searcher“. An
die Fenster habe ich Zitate geschrieben, eines auf Französisch von Sartre
und eines von Wolf Biermann, irgendwas mit Ikarus.
Wusstest du, was du machen willst
mit deinem Leben?
Eigentlich nicht. Was seltsam war,
da ich bis dahin immer extrem
straight durchs Leben gegangen bin.
Ich war nie ein Rebell, konnte mir
in der Schule alles erlauben, und es
war klar, dass ich dann studiere und
irgendwann einen guten Job haben
werde. Management Consultant oder
so, wie mein Vater. Und dann war ich
in London ein paar Mal im Theater.
Das war die Initialzündung.
was ihr wollt
von William Shakespeare
Premiere am 5. November 2011 im Schauspielhaus
Was ist in London passiert?
Da habe ich Kevin Spacey gesehen
in „Der Eismann kommt“. Der hatte einen riesigen Monolog und mittendrin hat im Zuschauerraum ein
Telefon geklingelt. Kevin Spacey hat
„Ich wollte auch mit Kevin
Spacey spielen.“
seinen Text einfach unterbrochen
und gesagt: „Tell them, we‘re busy.“
Die Leute sind innerhalb von einer
Sekunde aufgesprungen und haben
Standing Ovations gegeben. Dieser
Moment hat mich fasziniert, die
Unmittelbarkeit. Als ich von meiner
Reise zurückgekommen bin, habe
ich meinen Eltern gesagt: „Ich würde gerne Schauspieler werden.“ Regie
war damals noch keine Frage.
Wie haben sie reagiert?
Eigentlich ganz positiv. Natürlich
haben sie auch Angst gehabt. Theater ist schließlich kein Beruf. Aber sie
haben gesagt: „Du musst machen,
was du machen willst.“ Mein Vater
wollte selbst Dirigent werden, doch
seine Eltern hatten es ihm verboten.
Er musste Jura studieren. Das hängt
ihm heute noch nach. Deswegen
hat er mich trotz aller Zweifel sehr
unterstützt. Ich habe in New York
Schauspiel studiert. Ich wollte nach
Amerika. Ich fand die Sprache toll
und war ein bisschen verblendet. Ich
dachte: „Jetzt, da es richtig losgeht,
dann schon Amerika. Dann will ich
auch mit Kevin Spacey spielen.“
Und hast du ihn getroffen?
Nein.
Wie ging es dir in New York?
Manchmal habe ich’s gehasst. Man
läuft an den blinkenden Anzeigen
„Nichts ist so, wie es ist“, sagt der Narr in Shakespeares
melancholischster Komödie irgendwann und bringt damit
treffend auf den Punkt, warum sich in Illyrien seit einiger
Zeit alles hysterisch im Kreis bewegt. Dabei war doch alles
klar, immer schon: Der Herzog Orsino wirbt seit Jahren
ausdauernd und mit genussvoller Verzweiflung um die stolze Gräfin Olivia, die sein Liebeswerben seit ebenso vielen
Jahren abweist und sich stattdessen der Trauer um ihren
toten Bruder hingibt. Gleichzeitig wird Olivia von ihrem
Onkel Sir Toby Rülp und seinem Freund und Saufkumpan
Andrew Bleichenwang belagert, die ihr Haus mit derben
Späßen und viel Alkohol in einen trunkenen Zustand ewigen Karnevals versetzen. Die einen feiern in Illyrien also
das Leben mit der gleichen Hingabe, mit der die anderen
an ihm leiden.
Bis nach einem Schiffbruch Viola an Land gespült wird
und die Verhältnisse gründlich durcheinanderbringt: In
Männerkleidern begibt sie sich als Cesario in den Dienst
von Orsino – und verliebt sich prompt in ihn. Doch der
sieht nicht die junge Frau, sondern nur den neuen Diener und schickt ihn/sie als Liebesboten zu Olivia, die
sich prompt erweichen lässt und sich endlich verliebt: in
Cesario. Das wiederum erzürnt Rülp, der doch Bleichenwang für Olivia vorgesehen hatte. Als dann auch noch ein
Zwillingsbruder der verkleideten Viola auftaucht, samt
liebeskrankem Kapitän im Schlepptau, weiß keiner mehr,
wer hier wen liebt und wer eigentlich wer ist. Viola oder Cesario? Bruder oder Schwester? Und vor allem: Mann oder
Frau? Die Geschlechterfrage spitzt sich zu und bedarf dringend einer Auflösung – doch die wird kompliziert, denn die
verwirrte Viola ist sich nur noch in einem sicher: „Ich bin
nicht, was ich bin.“
Regie: Roger Vontobel
Bühne: Claudia Rohner
Kostüme: Dagmar Fabisch
Dramaturgie: Thomas Laue
vom Times Square vorbei, die einem
Opulenz und unbegrenzte Möglichkeiten suggerieren. Aber wenn du
kein Geld hast... – alles geht, but you
have to pay. Nach zwei Jahren bin ich
dann nach L.A. gewechselt.
Hollywood?
Tatsächlich. Die Universität hatte
zwei Institute. Das eine in New York
in der Madison Avenue und das andere in North Hollywood. Ich hatte
35
eine Agentin, die meinte: „Du musst
unbedingt nach L.A. Du bist ein absoluter Film-Mann.“ Und ich habe
gedacht: „Krass, wenn die das sagt!“
Hat es geklappt?
Das Aufregendste an dem Ganzen
war eigentlich die Reise. Ich hab mir
in New York einen uralten Ford Mustang Cabrio gekauft. Mit dem bin ich
mehr als einen Monat quer durch
Amerika gefahren. Auf dem Weg
roger vontobel – angekommen
habe ich Freunde besucht, die ich
in New York kennen gelernt hatte.
Filmrollen hab ich keine bekommen.
Obwohl ich am Tag zu gefühlt dreißig
Castings gegangen bin, mit vier verschiedenen Outfits und einer Liste à
la: Da musst du der smarte BusinessMann sein, da bist du der junge Trottel. Aber geklappt hat’s nie. Außer
bei einem Studentenfilm und einer
Werbung für Nasenspray. Stattdessen habe ich viel Theater gespielt, in
insgesamt drei Theatergruppen. Eine
war eine professionelle Company, die
ihr Geld damit verdient hat, Shakespeare im Altenheim zu spielen. Immer um 11 und um 16 Uhr. Wir haben vier Wochen geprobt und dann
zwei Shakespeare-Dramen rausgehauen, in elisabethanischen PseudoKostümen. Ich habe es gehasst.
Wie bist du zur Regie gekommen?
Bei einer anderen Company, in der
ich gespielt habe, ist ein Regisseur
abgesprungen. In meinem Kopf ist es
schon länger herumgegeistert, mal
Regie zu führen. Das war die Chance.
Ich habe „Sommergäste“ von Maxim
Gorki inszeniert. In einer eigenen
Bearbeitung mit sechs Leuten, in einem ganz kleinen Theater, 90 Plätze,
in North Hollywood.
Also doch Hollywood?
Ja, Hollywood. Halt im Norden. Und
das war wirklich extrem beglückend.
Ein bisschen wie eine Erleuchtung,
und das ist wirklich nicht übertrieben. Ich habe mich mit den Schauspielern gut verstanden, wir brannten so sehr für unsere Sache, dass
sich die Flamme auf die Leute zu
übertragen schien. Am Ende wurde
die Produktion auch von der Presse
gefeiert. „L.A. Weekly“ hat uns als
„pick of the week“ empfohlen.
Hast du daraufhin beschlossen, Regisseur zu werden?
Ich habe mich an verschiedenen Regieschulen beworben. In Hamburg
haben sie mich genommen. Für mich
war entscheidend, dass es eine ganz
offene Schule war. Man konnte von
Anfang an eigene Projekte machen,
musste sich alles selber zusammensuchen, hatte aber die Möglichkeiten und Ressourcen dazu. Das fand
ich großartig. Im zweiten Semester
habe ich, in Kooperation mit dem
Festival „Politik im freien Theater“,
zusammen mit der Schauspielerin
Jana Schulz „[fi‘lo:tas]“ gemacht.
Ein Stück, bei dem wir Lessing und
die Biografie des amerikanischen
Taliban John Walker Lindh zu einem
Monolog kombiniert haben. Wir
hatten eine eigene Theatergruppe
und wurden zu Festivals eingeladen.
Eine sehr aufregende Zeit. Dann
kamen verschiedene Intendanten,
Friedrich Schirmer vom Hamburger
Schauspielhaus und Frank Baum-
„Nicht locker lassen – weiterbohren.“
bauer von den Münchner Kammerspielen, auf mich zu und haben mir
angeboten, bei ihnen zu arbeiten.
Und wann kam Anselm Weber dazu?
Kurz darauf. Dazu muss man aber
auch sagen, dass es bei unserer ersten
Arbeit richtig gekracht hat. Da war es
erstmal sehr unsicher, ob wir weiter
miteinander können. Aber wir haben
nicht aufgehört, uns auseinanderzusetzen – und gerade das macht Theaterarbeit für mich aus – nicht locker
lassen – weiterbohren! Inzwischen
verbindet uns eine sehr gute, gewachsene Zusammenarbeit. Ein großes
gegenseitiges Vertrauen. Nicht weil
man es geben muss, sondern weil es
sich entwickelt hat, gemeinsam. Das
finde ich relativ einzigartig.
Wohnst du deshalb jetzt – nach New
York, Hollywood, Hamburg – in Bochum?
Genau. Mich interessiert eben auch,
wie Theater nicht nur als Kunstform,
sondern als Institution funktioniert.
Zudem ist es für mich eine große
Chance, kontinuierlich in einem
vertrauensvollen Umfeld – mit den
Schauspielern, der Dramaturgie und
meinem Team – zu suchen. Denn
Theater ist für mich eine permanente
Auseinandersetzung, eine Suchbewegung im Menschlichen. Um ehrlich
Fragen stellen zu können, muss es
möglich sein, keine Antwort finden
zu müssen. Das braucht Zeit, Raum
36
und eben Vertrauen. All das ist für
mich Theater. Und das möchte ich
hier in Bochum machen – Theater!
Und klar, auch mal grillen in unserem kleinen Garten...
Fühlst du dich zu Hause?
Inzwischen kann ich das sagen.
Nämlich genau da, wo mein Sohn
und meine Frau wohnen. Das ist
mein Zuhause. Ortsunabhängig.
Welche Rolle spielt Veränderung in
deinem Leben?
Wechsel sind für mich grundsätzlich positiv besetzt. Zum Beispiel der
Wechsel nach Südafrika mit vierzehn
hat mir einen ganz neuen Horizont
eröffnet. Eine neue Schule, eine völlig neue Sprache, ein neues Umfeld,
alles komplett anders. Auch wenn es
nicht immer leicht war, fand ich das
großartig, bereichernd, aufregend.
Man muss sich auf Neues einlassen
und lernt, dass man das auch kann.
Man geht auf Neues zu und verliert
sich trotzdem nicht. So ist es mir im
Prinzip immer gegangen. Fast ein
bisschen krankhaft, dieses: „Ich will
jetzt noch weiter, ich will jetzt noch
das und das – und jetzt muss ich
auch nach L.A... immer weiter, immer noch ein Wechsel.“
Was war die prägendste Veränderung
in deinem Leben?
Die Geburt meines Sohnes.
Was ist für dich Glück?
Vieles. Wenn der Kleine lacht, ist
das ein totales Glück. Auch wenn es
kitschig klingt, es ist eben so. Und es
ist Glück, das tun zu können, was
man kann. Und Erleben. Erleben ist
Glück.
Also doch angekommen?
Ich glaube, dass man nie „ankommt“.
Manchmal wünsche ich mir das,
aber das ist ein Pseudo-Wunsch.
„Ankommen“ ist der Wechsel von
Ankunft und Abreise. Wenn man
das akzeptiert, kann man vielleicht
sogar „ankommen“ – im Wechsel.
Roger Vontobel hat – nach seiner Rückkehr aus Los Angeles – schließlich in
Hamburg Regie studiert. Anschließend
inszenierte er am Staatstheater Stuttgart, den Münchner Kammerspielen,
dem Schauspiel Essen und dem Schauspielhaus Hamburg, wo er mehrere Jahre Hausregisseur war. 2006 wurde er
in der Kritikerumfrage der Zeitschrift
„Theater heute“ zum Nachwuchsregisseur des Jahres gewählt. Derzeit arbeitet er vor allem regelmäßig am Staatsschauspiel Dresden, am Deutschen
Theater Berlin und als Hausregisseur
am Schauspielhaus Bochum, wo von
ihm bereits „Peer Gynt“, „Die Labdakiden“ und Schillers „Jungfrau“ zu sehen sind. Sein Dresdner „Don Carlos“
wurde mit dem FAUST-Theaterpreis
ausgezeichnet und im Frühjahr 2011
zum Berliner Theatertreffen eingeladen.
Nadine Kozminski steuert den silber-blau gestreiften VW-Bus vom
Hof des Bochumer Polizeipräsidiums
am Bergbaumuseum. 15 Beamte sind
heute in der Wache im Einsatz und
fahren mit sechs Fahrzeugen durch
die Innenstadt. Der VW-Bus mit
dem Funkrufnamen Irma 11/36 steuert zuerst das Bermudadreieck an.
NOCH IST ALLES NORMAL IM
BERMUDADREIECK
MIT IRMA
11/36
DURCH
DIE NACHT
SAMSTAGNACHT AUF STREIFE IN DER INNENSTADT
MIT DER BOCHUMER POLIZEI
Sobald es Nacht wird, sieht die
Stadt anders aus. Und man begegnet anderen Menschen. Den
Gestalten aus dem Dunkeln,
dem Glamour des Nachtlebens
und den Königen der Unterwelt.
Olaf Kröck hat sich eine Nacht
lang mit zwei Experten auf die
Reise durch eine andere Welt
begeben. Mit einer Nachtstreife
der Bochumer Polizei.
TEXT: OLAF KRÖCK
FOTOS: ALEXANDER ROMEY
V
iertel nach zehn am Samstagabend in der Dienststelle Bochum Mitte. Eine 35-jährige
Frau und ihr 28-jähriger Kollege.
Olivgrüne Hosen und Rollkragenpullover, darüber die obligatorischen
schwarzen Lederjacken mit Rückenaufdruck in reflektierender Schrift.
Am Gürtel Handschellen, ein Reservemagazin und rechts, im Lederhalfter, eine Walther P99.
Die Waffe ist durchgeladen, es
gibt keine Sicherheitsverriegelung,
sie kann gezogen und direkt abgefeuert werden. Wie bei allen Polizeipistolen.
„Erstmal einen Überblick verschaffen, sehen, wie viel los ist, wie die
Stimmung ist“, sagt die Fahrerin.
Neben ihr sitzt Polizeikommissar
René Berger. Er ist für den Funk zuständig. „Wir wechseln uns mit dem
Fahren ab“, erklärt der 28-Jährige,
„aber ehrlich gesagt fährt Nadine öfter als ich.“ „Ich funke nicht so gerne“, bestätigt sie lachend. „Ich kann
mir so schwer dumme Kommentare
verkneifen.“
Der Publikumsverkehr in Bochums Kneipenviertel ist normal für
diese Uhrzeit und die Stimmung
ruhig. Ohne Zwischenstopp geht es
zurück auf die Viktoriastraße, dann
weiter auf den Ring und von dort in
die kopfsteingepflasterte Gußstahlstraße. Hinter der Bahnunterführung liegt der „Eierberg“, Bochums
Rotlichtviertel.
EINMAL MITTEN DURCH DEN
EIERBERG: DER EINGANG ZUR
HÖLLE
Zur Linken das „Solid Gold“, ein
großer Tabledance-Club. Der Eintritt
kostet 5 Euro, es gibt Video-Kabinen
und Liveshows in der Bar. Zwischen
dem „Café Ritze“ und der „Roten Laterne“ liegt ein schmales Gässchen.
Nadine Kozminski biegt ohne zu
blinken in die schmale Straße ein,
die eigentlich nur Fußgängern freigegeben ist.
„Der Eingang zur Hölle“, sagt
René Berger und lacht. Die Männer
draußen, die sich meist in kleinen
Gruppen durch die Straße schieben,
müssen dem Streifenwagen ausweichen. „Wenn viel los ist, fahren wir
hier nicht mehr rein.“ Links und
rechts rahmen hohe Schaufenster
den Weg. Dann biegt der Polizeibus
nach wenigen Metern links ab, wo
sich die Gasse zu einer Art Platz öffnet.
Auch hier sind die Häuserfronten
vollständig verglast. In den Schaufenstern, beleuchtet durch Schwarzlicht und rotes Neon, sitzen Frauen
auf Barhockern oder stehen dicht vor
der Scheibe auf halsbrecherisch hohen Schuhen, die nicht zum Laufen
gemacht sind.
Während die flanierenden Männer in der noch recht kühlen Frühjahrsnacht die Jacken hoch geschlossen haben, stehen die Damen in ihren
Fenstern im Grunde nackt. Sie sind
mit nicht mehr bekleidet als winzigen
Bikini-Tops und String-Tangas.
GESCHÄFTE AUF PLÜSCHIGEN
EINZELBETTEN
Der wenige Stoff, der ihre delikatesten Körperstellen nur notdürftig
bedeckt, ist Teil der Inszenierung. Es
ist der letzte Rest, der noch entfernt
werden muss, bevor es schließlich
hinter zugezogenen, blickdichten
Samtvorhängen zwischen bunten
Lichterketten auf plüschigen Einzelbetten oder gekachelten Böden zum
Geschäft kommt.
„Es ist hier in den letzten Jahren
ziemlich ruhig geworden. Wir haben
früher richtig Theater im Rotlichtbereich gehabt. Die haben jetzt aber
eine eigene Security aus…“, die Polizeikommissarin zögert, „ich sage
mal“, sie sucht nach einer möglichst
neutralen Formulierung, „zwielichtigen Gestalten. Die regeln fast alles
untereinander.
Wir sind früher am Wochenende
jede Nacht zum Puff gefahren und
haben uns geprügelt wie die Besenbinder. Das erleben wir jetzt nicht
mehr.“
ES IST DUNKEL, UND DU
WEISST NICHT, WAS DICH DADRIN ERWARTET.
Der Eierberg liegt hinter der Jahrhunderthalle. Irma 11/36 fährt schon
nach wenigen Minuten wieder aus
dem Viertel heraus, über die Alleestraße stadtauswärts. Genau gegen-
über der ehemaligen Industriehalle,
in der heute vor allem Veranstaltungen der Hochkultur stattfinden,
liegt die größte polnische Diskothek
Deutschlands, das „Sobieski“.
„Das sieht von außen klein aus,
ist aber von innen sehr geräumig.
Da gehen wir nur ganz selten rein.
Ein Einsatz hier ist für uns eine unglückliche Situation: Du weißt nicht,
was da drinnen auf dich zukommt.
Du kennst die Örtlichkeit nicht, es
ist dunkel und laut. Vor allem musst
du befürchten, dass sich Leute gegen
dich verschwören, und du musst
durchaus an solchen Orten damit
rechnen, dass Menschen bewaffnet
sind.“
AB ZWEI UHR KANN ES SCHLÄGEREIEN GEBEN. SONST EIN
PAAR ALKOHOLKONTROLLEN
Heute ist von außen alles ruhig. Weiter geht es in nördlicher Richtung.
Andere Großclubs werden zur Routinekontrolle angefahren, so auch das
„Taksim“, eine türkische Disko an
der A40, die neben der „Freude 39“,
einem FKK- und Sauna-Club, liegt.
An den Nummernschildern der Autos
auf dem Parkplatz des „Taksim“ sieht
man, dass Gäste aus ganz NordrheinWestfalen die Disko besuchen. Auch
hier gab es früher mehr Ärger als heute. Sogar Schießereien kamen vor.
Obwohl Mitternacht mittlerweile
vorüber ist, kam es bisher zu keinem
Einsatz. „Man muss trotzdem heute
mit einer Nacht rechnen, in der noch
viel los sein wird. Es ist aber in den
ersten Stunden meist ruhig und so ab
ein, zwei Uhr geht es dann los, mit
Schlägereien und Ähnlichem. Dann
ist man die ganze Zeit gebunden.
Auf „2 Meter“ kommen alle
einsätze der innenstadtwache rein
Wenn wir doch mal Luft haben, führen wir Alkoholkontrollen durch.
Aber in der Regel fährt man am Wochenende von einem Einsatz zum
nächsten“, sagt René Berger. Er, der
Funker, muss gleichzeitig auf zwei
Funksender hören.
Auf „2 Meter“ kommen alle Einsätze der Innenstadtwache rein. Auf
„4 Meter“ werden alle Informationen der Einsatzleitstelle des Polizeipräsidiums Bochum gefunkt. Dieser
Funk deckt das Gesamtgebiet der Behörde ab, zu der neben Bochum auch
die Städte Witten und Herne zählen.
Der Streifenwagen kann heute
Nacht auch zu Einsätzen in diesem
größeren Gebiet mit der Funkkennung „Irma“ hinzugezogen werden
und so, je nach Einsatzlage, in einer
Schicht zwischen 40 und 80 Kilometern zurücklegen.
Nach der ersten Runde, die vom
Schauspielhaus bis zum HannibalEinkaufszentrum reicht, geht es
zurück in die Wache. Hier ist auch
das zentrale Polizeigewahrsam mit
17 Zellen, in denen vorläufig Festgenommene oder Betrunkene zur Ausnüchterung untergebracht werden
können. Bis jetzt sind alle 15 Einzelzellen und die zwei Sammelzellen für
bis zu 30 Personen leer.
Auf dem großformatigen Flachbildfernseher im Mannschaftsraum,
wo Kühlschränke, eine Kaffeemaschine und ein Toaster stehen, läuft
der James-Bond-Klassiker „Goldfinger“. Nach einem kurzen Gespräch
mit einer Kollegin, einem Kaffee und
einem Gang zur Toilette – „Du weißt
nie, wann du wieder dazu kommst“ –
geht es zurück auf die Straße.
WER SCHEISSE MACHT, MUSS
SICH AUCH NICHT WUNDERN,
WENN WAS PASSIERT.
Es ist mittlerweile halb eins. Kurz
nach Verlassen der Wache auf dem
Nordring überqueren zwei Passanten
vor dem Steifenwagen eine rote Fußgängerampel. Unmittelbar bremst
die Polizistin den Wagen und schon
sind sie und ihr Kollege auf der Straße. Bevor René Berger den Wagen
verlässt, drückt er noch auf der kleinen Konsole vor ihm die Taste mit der
Nummer Vier. Sie zeigt an, dass der
Wagen für einen Einsatz angehalten
hat und sich die Schutzbeamten nun
außerhalb des Wagens befinden.
Es gibt auch einen rot umrandeten Knopf, die Nummer Null. Wenn
der gedrückt wird, kann nur noch
mit dem in Gefahr geratenen Wagen
gefunkt werden.
wie dumm kann man sein?
Die Beamten sprechen die jungen
Männer an. Sofort reagieren die
beiden gereizt und aggressiv. Sie
sind stark alkoholisiert und haben
offensichtlich Lust zu provozieren.
Kommissar Berger kehrt mit ihren
Ausweisen zum Wagen zurück und
bittet per Funk um eine Personenüberprüfung. Gegen die Überprüften
liegt nichts vor. Sie werden mit einer
mündlichen Verwarnung entlassen.
Kurz darauf, am Hauptbahnhof,
überfährt ein dunkler Mercedes zum
Wenden eine durchgezogene Linie –
wieder direkt vor dem Streifenwagen.
„Wie dumm kann man sein“, lacht
Nadine Kozminski. Sie folgt der Limousine und René Berger aktiviert
die Anzeige auf dem VW-Bus, die das
vorausfahrende Auto zum Anhalten
auffordert. Während der Polizist den
Fahrer anspricht, Führerschein und
Fahrzeugpapiere fordert, bleibt Nadine Kozminski mit einem kleinen
DIE
DREIGROSCHENOPER
von Bertolt Brecht mit Musik von Kurt Weill
Premiere am 8. Oktober 2011 im Schauspielhaus
„Die Welt ist arm, der Mensch ist schlecht, da hab ich
eben leider recht“, ist einer der zentralen Sätze der „Dreigroschenoper“. Bertolt Brechts Opern-Persiflage, mit der
er weltberühmt wurde, zeigt Menschen auf der untersten
Stufe der Gesellschaft: Kleinkriminelle, Huren, Bettler.
„Wovon lebt der Mensch?“, fragt Macheath, den sie Mackie Messer nennen. „Der Mensch lebt von der Missetat
allein“, kommt die Antwort vom Chor der Gangster.
In der „Dreigroschenoper“ erzählt Bertolt Brecht,
begleitet von der berühmten Musik Kurt Weills, die Geschichte von drei Männern. Da ist Mackie Messer, der
Chef einer großen Gangsterorganisation in London. Der
wird geschützt von seinem alten Freund Tiger Brown, dem
obersten Polizeichef der Stadt. Dafür kassiert er eine saftige
Summe. Ihr Widersacher ist Jonathan Jeremiah Peachum,
der Inhaber der Firma „Bettlers Freund“. Der hat das Betteln zum einträglichen Unternehmen gemacht, indem er
die Bettler organisiert und ihnen einen großen Teil der
Almosen als Organisationsgebühr wegnimmt. Dass seine
junge, hübsche Tochter Polly den Gangsterboss Mackie
Messer heiratet, passt dem Herrn Peachum gar nicht.
Denn auch Mackie Messer betreibt ein erfolgreiches Unternehmen mit seinen Straßenräubern.
Macheath, Tiger Brown und Peachum sind sich sehr
ähnlich. Sie alle kennen zunächst nur ihr eigenes Begehr.
Und sie haben ihre Unternehmungen straff nach Geschäftsprinzipien organisiert. Wer ihren Absichten in die
Quere kommt, muss weg. Und so beginnt ein rücksichtsloser Kampf um Einfluss und die Wahrung der eigenen
Interessen auf Kosten anderer. Die Moral bleibt dabei auf
der Strecke.
Regie: Christoph Frick
Musikalische Leitung: Bo Wiget
Bühne: Viva Schudt
Kostüme: Maria Roers
Dramaturgie: Olaf Kröck
Bo Wiget – Musikalische Leitung
geboren 1971 in Wattwil in der Schweiz, lebt heute in Berlin.
Nach einer klassischen Celloausbildung begann er sich für Rock,
Jazz und vor allem improvisierte Musik zu interessieren und
beschäftigte sich autodidaktisch mit Komposition. Gleichzeitig
verstärkte sich sein Interesse an der Theatermusik. So arbeitete er schließlich u. a. in Zürich, Freiburg, Mannheim, Konstanz, Berlin und Graz. Außerdem spielt er mit verschiedenen
Bands und Duos im In- und Ausland. Als musikalischer Leiter
der Kammerspiel-Produktion „Oft ist die Natur nicht einmal
schön“ arbeitete er zum ersten Mal mit Christoph Frick.
Christoph Frick – Regie
geboren 1960, lebt seit vielen Jahren in Basel. Dort gründete
er 1991 das Theater KLARA, eine freie Theatertruppe, mit der
er kontinuierlich eigene Stücke entwickelte, die in der Schweiz
und im Ausland zu sehen waren und sind. Außerdem arbeitete
er an verschiedenen Stadttheatern, so u. a. in Luzern, Hannover, München, Freiburg und Dresden. Dort inszenierte er
Stücke des klassischen Dramenrepertoires. Am Schauspielhaus
Bochum entwickelte er in der letzten Spielzeit die Produktion
„Oft ist die Natur nicht einmal schön“.
Abstand auf der Beifahrerseite stehen. Sie sichert den Kollegen ab. Der
Fahrer des Mercedes muss aussteigen
und wird zum Alkoholtest gebeten.
In der Zwischenzeit lässt René Berger
wieder die Personalien überprüfen.
Der Fahrer ist sehr bemüht, freundlich zu wirken und keinen weiteren
Ärger zu bekommen. Auch bei ihm
sind die Eintragungen „negativ“.
Der Alkoholtest ergibt 0,0 Promille. Die 30 Euro Strafe akzeptiert
er mit dem Kommentar: „Wer Scheiße macht, muss sich nicht wundern,
wenn was passiert.“ Und entschuldigt sich nochmal persönlich bei den
Beamten.
RUHESTÖRUNG IN DER FUSSGÄNGERZONE
Es ist halb zwei am Sonntagmorgen und es gibt bislang noch keine
nennenswerten Vorkommnisse im
gesamten Einsatzgebiet. Irgendwo
wurden Mülltonnen entwendet,
am Ümminger See ruft eine Gruppe Jugendlicher Nazisprüche. Dann
kommt über den 2-Meter-Funk der
erste Einsatz, eine Ruhestörung in
der Fußgängerzone.
Während der Polizeibus wendet,
wird ein weiterer Einsatz ausgegeben. Noch während die Funkerin im
Präsidium die Einsatzbeschreibung
durchgibt, beschleunigt Nadine
Kozminski den Polizeibus. „Dann
fahren wir mit in die Richtung. Du
kannst uns erst mal diesen Einsatz reingeben“, sagt Berger in den
Sprechfunk.
Jetzt zeigt sich, wie eingespielt die
beiden sind. Ohne miteinander zu
reden, läuft das weitere Vorgehen ab.
Die erste Ampel steht auf Rot. Hier
verlangsamt sich der Wagen noch.
Schon springt die Ampel auf Grün.
Wieder beschleunigt der Streifenwagen. Der Motor heult auf und für
die Innenstadt überschreitet er zweifelsohne die zugelassene Höchstgeschwindigkeit. Dann reflektieren auf
den Häuserwänden draußen blaue
Lichter.
Die nächste rote Ampel wird mit
leichter Verlangsamung überfahren.
Bei der dritten und letzten Ampel
wird die Geschwindigkeit nicht mehr
gedrosselt. An der Kreuzung von Viktoriastraße und Südring fährt Nadine Kozminski eine scharfe Linkskurve und stoppt den Wagen mitten auf
der Straße. Fast im selben Augenblick
jagen mit Einsatzhorn und Blaulicht
zwei weitere Wagen heran.
EINE MINUTE VOM EINSATZBEFEHL BIS ZUR ANKUNFT AM
EINSATZORT
Der Verkehr stockt. Alles geht sehr
schnell. Vom Eingang des Einsatzbefehls bis zur Ankunft am Einsatzort ist weniger als eine Minute
vergangen. Sechs Polizisten sind zur
Stelle. Später kommt noch ein vierter Wagen aus nördlicher Richtung
mit Blaulicht und hoher Geschwindigkeit. Es ist der Leiter der Nachtschicht, Bernd Klein, der sich einen
Überblick verschafft und seine Beamten koordiniert. Doch eigentlich
ist das gar nicht nötig.
Ohne Absprachen übernimmt
jeder der Beamten eine Aufgabe. Es
ist eine Mannschaft, in der alle ihre
Position kennen und sie ohne Anweisung einnehmen.
Am Boden liegt regungslos ein
Mann um die vierzig. Ein Passant ist
bei ihm, zwei Polizisten kümmern
sich um den Verletzten und leisten
Erste Hilfe. Die anderen Polizisten
suchen unter den Umstehenden
nach Zeugen. Nadine Kozminski
spricht mit zwei jungen Frauen, die
den Tathergang genau beobachtet
haben. Sie bittet sie in den warmen
Bus. Die beiden setzen sich auf die
Rückbank an einen Tisch, die Polizistin nimmt ihnen gegenüber Platz
und notiert ihre Aussagen:
Der Mann wollte die Fußgängerampel überqueren, als ein dunkler
BMW mit Dortmunder Kennzeichen
heranschoss, die vordere Seitentür
aufflog, der Beifahrer heraussprang
und dem Fußgänger mit der Faust direkt und unvermittelt heftig ins Gesicht schlug. Der Mann sei daraufhin
rückwärts auf die Straße gefallen und
mit dem Hinterkopf auf den Asphalt
geschlagen.
Anschließend sei eine zweite Person aus dem hinteren Teil des Wagens ausgestiegen und habe den am
Boden Liegenden von der Straße auf
den Gehweg gezogen und dort liegengelassen.
Schließlich sei der BMW in südlicher Richtung mit überhöhter Geschwindigkeit davongerauscht. Bevor die Polizistin genauer nachfragt,
gibt sie das Kennzeichen an den
Einsatzleiter weiter. Dann wird eine
Fahndung nach dem Wagen ausgegeben, die auch an die Kollegen in
Dortmund geht.
FASSUNGSLOSIGKEIT ÜBER DIE
WILLKÜR DER GEWALT
Einsatzleiter Klein koordiniert, welche Wagen noch vor Ort bleiben
und welche abgezogen werden. Da
die Tat erst kurz zurückliegt, wird
das Fahrzeug der Täter noch in der
Nähe vermutet. Zunächst, so gilt die
Anweisung, sollen die Parkplätze der
umliegenden Clubs abgefahren werden.
Da die Polizisten so schnell vor
Ort waren, scheint es eine Ewigkeit
zu dauern, bis schließlich ein Krankenwagen eintrifft. Tatsächlich sind
es nicht mehr als zehn Minuten. Ein
Polizist und ein Sanitäter helfen dem
Verletzten in den Rettungswagen.
Dort wird er untersucht und einem
Alkoholtest unterzogen.
Der Mann hat weit über zwei Promille Alkohol im Blut und kann sich
an nichts erinnern. Er scheint offenkundig ein willkürliches Opfer zu
sein. Auch die routinierten Polizisten
vor Ort sind von der Drastik der Tat
mitten in der belebten Innenstadt
geschockt.
„So etwas habe ich noch nicht
erlebt“, sagt ein älterer Beamter, der
sich bisher um das Opfer gekümmert
hat. „Aber wir finden die“, erklärt er
entschieden. Die Zeuginnen, die Nadine Kozminski befragt hat, konnten
keine genaue Täterbeschreibung machen.
„Das ist leider sehr allgemein, was
sie sagen konnten. Es wird schwer
sein, aufgrund ihrer Beschreibungen
den Schläger zu finden. Es waren ja
mehrere Personen im Wagen. Wenn
die sich gegenseitig schützen, kann
man den Täter vermutlich nicht ermitteln. Aber viele Zeugen merken
sich bei so einem Vorfall nicht mal
das Kennzeichen. Und das haben wir
ja von den Frauen bekommen.“
MANCHMAL MUSS MAN DIE
GANZE NACHT WARTEN
Der Krankenwagen fährt mit dem
Mann, der eine Platzwunde am Hinterkopf hat, ins Bergmannsheil. Die
Verletzung ist weit weniger schlimm,
als es zunächst aussah.
11/36 wird in die Wache zurückbeordert, um die Anzeige aufzuneh-
men. Dort beginnt für die beiden
Polizeikommissare der bürokratische
C
Teil ihrer Arbeit. Mit einem spezielM
len Computerprogramm ermittelt
Y
René Berger den Namen und die Anschrift des Fahrzeughalters, während
CM
Nadine Kozminski die ZeugenaussaMY
gen im Computer protokolliert.
CY
Nach dem Schreiben der Anzeige
gilt es noch, Statistikbögen auszufülCMY
len. Fast eine Stunde sind die beiden
K
damit beschäftigt. Dann geht Irma
11/36 wieder raus auf die Straße. Es
ist nach drei Uhr am Sonntagmorgen.
Noch drei Stunden dauert ihr
Nachtdienst. In der Zwischenzeit
haben Kollegen eines Streifenwagens
das gesuchte Fahrzeug vor einem
Haus in der Innenstadt gefunden.
Die Beamten haben sich in einiger
Entfernung aufgestellt und observieren den verlassenen Wagen. Gleichzeitig wird eine Zivilstreife angefordert. Sie soll die Streifenpolizisten
ablösen.
Es kann die ganze Nacht dauern,
bis jemand zu dem Wagen zurückkehrt. Solange müssen die Polizisten
warten, in der Hoffnung, so den Täter zu finden.
Währenddessen sitzen Nadine
Kozminski und René Berger wieder
in ihrem Bus und wissen nicht, was
auf sie heute Nacht noch zukommt.
Bitte
keine
Folklore
Von Mamma RAI zu
Papà Silvio: Biografie
einer italienischen
TV-Zuschauerin.
46
47
A
agnese cornelio – von mamma rai zu papa silvio
Agnese Cornelio ist so alt wie
das Fernsehen von Berlusconi.
Sie erhielt ihre Fernseh-Taufe
unter der Mamma RAI und auf
Italia 1, dem zweiten privaten
Sender, mit dem Berlusconi das
öffentlich-rechtliche Fernsehen
RAI demontierte, um dann den
italienischen Staat zu übernehmen. Dazu tanzten junge Mädchen an Swimmingpools. Agnese
Cornelio erinnert sich an Italien
und was davon übrig blieb. Sabine Reich versucht zu erklären,
was nicht zu verstehen ist: italienische Politik.
TExt: Agnese Cornelio
und Sabine Reich
Fotos: Alexander romey
gnese Cornelio lebt wie viele andere
ihrer Generation nicht mehr in Italien. Sie verweigern die Anpassung an
das System Berlusconi und verlassen
das Land. Vor allem junge Intellektuelle und Akademiker gehen ins Ausland, um nicht in unterbezahlten Jobs
gegängelt und zensiert zu werden.
Sie erzählt: „2008 traf ich auf einer Weihnachtsparty viele meiner
ehemaligen Kommilitonen wieder.
Wir stellten fest, dass wir alle im Ausland leben und arbeiten. Die wenigen
in Italien Gebliebenen nehmen unterqualifizierte Jobs, nicht bezahlte
Doktorandenstellen und kurzfristige
Verträge hin. Über uns berichten die
Fernsehsender kaum, wir haben nur
einen Namen: Gehirn-Abfluss.
Wir sind die, die weggegangen
sind, aber eigentlich sind wir noch
da: wir sind dazwischen, in Italien
und über mehrere Länder verteilt.
Italien hat uns daran gewöhnt, die
Treue derjenigen, die sich anpassen,
zu belohnen. Allen anderen macht
man klar, dass es einfacher sei, zu
gehen, als zu versuchen, Dinge zu
ändern. Für uns ausgewanderte Intelligenzler stellt es eine Herausforderung dar, verständlich zu machen,
dass im Ausland zu leben und zu arbeiten nicht die Abkehr vom italienischen kulturellen und gesellschaftlichen Leben bedeutet.“
Auch wenn demokratische Institutionen noch arbeiten, eine de48
mokratische Öffentlichkeit gibt es
schon lange nicht mehr. Umberto
Eco nennt Italien eine Telekratie, in
der Politik sich nach den Regeln des
Fernsehens entwickelt. Nicht im
Parlament, sondern in den Medien
verkündet Berlusconi Entscheidungen. Hier kann er sie widerrufen und
inszenieren, wann und wie es ihm
gefällt.
Berlusconi hat die Italiener in
Zuschauer und Fans verwandelt, die
gebannt seiner unglaublichen Reality-Show folgen, in der er gleichzeitig
Star, Autor und Produzent ist.
Wie viele in ihrem Alter ist Agnese Cornelio mit dem Fernsehen
Berlusconis aufgewachsen. Sie rekonstruiert die Verwandlung der
italienischen Öffentlichkeit anhand
ihrer eigenen Fernseh-Geschichte.
Mit jeder neuen Sendung und mit
jedem neuen Kanal, den Berlusconi
gründete, veränderte sich die kulturelle Landschaft Italiens. Schritt für
Schritt vollzog sich die Verwandlung
der Italiener in Zuschauer, die ihr
eigenes Land allein aus den bunten
Bildern Berlusconis kennen.
Die unglaubliche realityshow des Berlusconi
1972 trat in Italien zum ersten Mal
ein privater Fernsehsender in Erscheinung: „Milano 2“. Der junge
Bauunternehmer Silvio Berlusconi,
der Ende der 1960er Jahre mit seiner
damaligen Immobiliengesellschaft
die Trabantenstadt „Milano 2“ vor
den Toren Mailands erbaut hatte,
gründete nun den gleichnamigen
lokalen Fernsehsender. Schon bald
darauf folgten weitere regionale
Programme. 1980 ließ Berlusconi
plötzlich über all seine regionalen
Sendestationen dasselbe Programm
abspielen, so dass über Nacht ein landesweiter Sender entstand, der damit
gegen geltendes Recht verstieß. Es
war die Regierung von Bettino Craxi,
die 1984 die Gesetze änderte und damit „Mediaset“, dem Unternehmen,
mit dem Berlusconi heute das Film-,
Fernseh- und Kinogeschäft Italiens
dominiert, den Weg bereitete.
„Sehr erfolgreich wurde ‚Striscia
la notizia‘, eine satirische Tagesschau
mit den ‚Veline‘, jungen Damen,
49
agnese cornelio – von mamma rai zu papa silvio
ROCCO UND
SEINE BRÜDER
nach dem Film von Luchino Visconti
ten durch das Land und bescherten
einen „italienischen Frühling“. Die
Untersuchungen gegen Korruption,
Amtsmissbrauch und illegale Parteifinanzierung stellten Anfang bis
Mitte der 1990er Jahre das gesamte
politische Establishment in Italien
in Frage. Es blieb nicht viel übrig von
der Ersten Republik. Zeit für Silvio.
Premiere am 4. November 2011
in den Kammerspielen
AUFKLÄRUNG am swimmingpool
„La famiglia, la famiglia!“ – neidisch schauen wir in den
Süden, auf die italienische Familie oder das, was wir uns
darunter vorstellen. Die Familie geht über alles – schlimm
nur, wenn sie alles ist, was bleibt.
Vier Brüder und ihre Mamma kommen aus dem armen
Süden Italiens nach Mailand, wo der fünfte und älteste
Sohn sich bereits eingerichtet hat. Mit nichts kommen sie
und nichts wird ihnen geschenkt in der kalten Stadt, nur
mühsam finden sie Arbeit und Unterkunft. Jeder von ihnen muss seinen eigenen Weg finden. Das gelingt Ciro, der
bei Alfa Romeo eine feste Arbeit bekommt, und Vincenzo,
der seine eigene Familie gründet. Doch Simone und Rocco
verirren sich haltlos im Labyrinth der Stadt. Simone, der
Boxer, kämpft, siegt und verliert sich. Unrettbar ist er, auch
für Rocco, der ihm, dem gefallenen Bruder, alles opfert, was
er hat. Sogar Nadja, die Frau, die er liebt. Doch wenn eine
Familie zerfällt, kann keiner sie retten. Rocco und Simone,
für die die Familie alles ist, gehen unter und mit ihnen die
alte Welt des Südens.
1960 gelang es Visconti mit diesem Film, die Geschichte
der Migration vom Süden in den Norden als eine zentrale
Geschichte Europas zu erzählen, in der es nicht nur um Arbeit und Geld geht, sondern um die Frage, wie Menschen
leben und was ihnen im Leben wichtig ist.
Visconti schildert anhand der Lebenswege der fünf
Brüder verschiedene Möglichkeiten, die Zerreißprobe der
Moderne zu bestehen: zwei Brüder richten sich ein in der
großen Stadt, zwei gehen unter und der jüngste muss seinen Weg noch finden.
Agnese Cornelio: „Und noch ein
Tabu fiel: Hatte bis dato allein die RAI
das Vorrecht gehabt, live zu senden,
so nahm sich nun auch Mediaset
dieses Recht. Im Jahr 1991 startete
das neue Programm ‚Non è la rai‘:
Hundert Mädchen tanzten und sangen um einen Swimmingpool herum. Hier haben wir Spaß, schienen
alle zu sagen.
Die Mädchen, meist minderjährig, verhielten sich, als ob sie auf einer Dauerparty wären. Jungs durften
bei der Poolparty nicht dabei sein, sie
sahen lediglich am Bildschirm zu.
Bald sollte Mediaset, das inzwischen
zur allmächtigen Fininvest Holding
von Berlusconi gehörte, die erste Tagesschau senden und uns von nun an
über die Ereignisse der Politik informieren. Die politische Debatte ähnelte plötzlich einer Fernsehshow.“
Regie: Agnese Cornelio
Dramaturgie: Sabine Reich
die als Krankenschwestern tanzten
und dabei sehr viel nackte Haut und
großzügige Kurven zeigten. Mediaset
brachte alles, was man auf RAI nicht
sendete, und schuf daraus eine kollektive Fantasie von Wohlstand, die
das Wahrwerden eines gemeinsam
gehegten Traumes via Fernsehen
suggerierte“, erinnert sich Agnese
Cornelio.
Die Fotos wurden
aufgenommen im
italienischen Spezialitätengeschäft der
Familie Coniglio auf
der Herner Straße 3
in Bochum.
Als 1986 Berlusconi zum Besitzer des
AC Milan wurde, war er der Mann
in Italien, der alle Träume wahr
machen konnte: Er hatte einen po-
pulären Fußballverein gekauft, der
ihm die Stars auf die Bildschirme
seiner Sender lieferte und der in der
Lage war, Juventus Turin, die Mannschaft der Familie Agnelli, Gründer
und Eigentümer von Fiat, zu schlagen: „Jeden Sonntag sahen wir im
Fernsehen, wie Cavaliere Berlusconi
am Spielfeldrand stand und sich in
seinem Gesicht ein breites Grinsen
ausbreitete.“
Mag sein, dass ihm in den folgenden Jahren das Grinsen schwerfiel:
„Mani pulite“ (Saubere Hände) feg50
1992, als in Sizilien die Richter Borsellino und Falcone, die gegen die
Mafia ermittelten, einem Attentat
zum Opfer fielen, endete der Traum
von den „Sauberen Händen“: „Dass
die Mafia plötzlich ihren Ehrencode
änderte und Unschuldige ermordete,
war beunruhigend. War die bleierne
Zeit zurückgekehrt? Die unbeschwerten späten 1980er Jahre schienen
nun in weite Ferne gerückt zu sein.“
1994, die politische Welt Italiens
hatte den Boden unter den Füßen
und die etablierten Parteien ihren
Einfluss verloren, nahm Berlusconi
die Sache in die Hand. Der Unternehmer und Fußballclubbesitzer, der
mit seiner Holding Fininvest bereits
weite Teile der italienischen Medienund Finanzwelt kontrollierte, ging in
die Politik. Er verschickte an jeden
Italiener seine Biografie und verkündete über seine Sender: „Italien
ist meine Heimat, deswegen bin ich
heute als Leiter meiner Unternehmen abgetreten, um den Traum einer von Angst befreiten Gesellschaft
umzusetzen.“
rückkehr der Grinsekatze
Agnese Cornelio: „Während die Sender über die Prozesse berichteten und
auf diese Weise die Machtstrukturen
auseinandernahmen, wurden die
Städte mit anonymen Werbeplakaten
überschwemmt. Auf knallbuntem
Hintergrund, mit der Parole ‚Forza Italia‘ versehen, blickte uns ein
Baby an. Der farbenfrohe Spot ohne
Absender schien ein gutes Omen zu
sein in einer schweren Zeit.
Ein Jahr später stießen wir auf
denselben Spruch, diesmal als Name
für die neugegründete Partei Berlusconis. Man glaubte nicht wirklich, dass er damit gewinnen würde,
doch genau das trat ein. Viele hatten
gelernt, ihm zu trauen – und viele
waren von der Grinsekatze verführt
worden. Mein Altersgenosse und
Landsmann Enrico Brizzi versucht in
seinem Buch ‚Der italienische Alltag
zu Silvios Zeiten‘ die damalige massenhafte Zustimmung zu erklären:
‚Wie hätte man denn nicht für den
Signor Mike, der viel Geld mit seinen
Quizshows verschenkte, und für den
Cavaliere, der dem AC Milan wieder
zu internationalem Ruhm verholfen
hatte, stimmen können? 1994 klang
der Name ‚Forza Italia‘ nach Vereinigung von Politik und Antipolitik,
nach Neuem und Tradition und so
unbestimmt, als ob er einem Traum
geähnelt hätte. Silvio hatte seine
Fans Tag für Tag großgezogen.“
Doch inzwischen verlieren die Fans
den Glauben und die Geduld. Die
Bunga-Bunga-Skandale des Cavaliere scheinen selbst die sedierte italienische Öffentlichkeit wachzurütteln.
Im vergangenen November gingen
Tausende auf die Straße, davon sehr
viele Frauen, um gegen Berlusconi zu
demonstrieren. Es ist die Generation
Facebook, die schon in Ägypten und
Tunesien die Proteste mit aktivierte, die sich heute auch in Italien die
Macht über die Worte und Bilder zurückerobert.
„2003, mit der zweiten Regierung
Berlusconis, verschwanden viele
TV-Gesichter, mit denen ich groß
geworden war, aus der RAI. Was war
mit ihnen geschehen? Waren sie zu
kritisch, wurden sie auf öffentliche
Anweisung Berlusconis verbannt?
Dem Römischen Reich von CäsarBerlusconi, der sich nun auch die
RAI einverleibt hatte, widerstand nur
das ‚Dorf von Asterix‘, die kleine und
am wenigsten leistungsfähige RAI 3,
geführt von sogenannten ‚Kommunisten‘. Aber wie können wir unsere
Stimme hörbar machen?
Eine mögliche Antwort gab mir
und vielen anderen als Erster der
Komiker Beppe Grillo, der seit Jahren aus dem italienischen Fernsehen verbannt ist. 2005 sah ich in der
Schweiz seine letzte Theatershow. Er
verkündete, dass er einen Blog als
Informationsalternative zum Fernsehen eröffnet habe. Beppe Grillo ermutigte uns dazu, das Netz politisch
zu nutzen. Das war der Anfang einer
Gegenbewegung, der es darum geht,
alternative Berichterstattung zu
sammeln und damit eine Diskussion
so groß wie die vor dem Fernseher
in Gang zu setzen. An dem Tag, an
dem das Wort ‚Sendeschluss‘ hinter
der Berlusconi-Ära steht, müssen wir
uns mit der Frage auseinandersetzen,
zu welchen Zwecken wir das Medium
Fernsehen verwenden. Wir werden
es wieder neu begreifen müssen.“
Agnese Cornelio wurde 1978 in Bologna geboren. Zunächst studierte sie dort
Theater- und Kommunikationswissenschaft, später Regie in Rom. 2003 kam
sie als Stipendiatin der Schauspielhochschule „Ernst Busch“ Berlin nach
Deutschland, anschließend war sie Regieassistentin am Theater Basel und an
den Münchner Kammerspielen. 2009
machte sie ihren Master in „Advanced
Performance and Scenography Studies“
am Kunstcampus de Singel in Antwerpen, wo sie verschiedene Projekte entwickelte. 2010 eröffnete ihre Inszenierung
„Verbrennungen“ von Wajdi Mouawad
das Nuovo Teatro Nuovo in Neapel.
Zuletzt inszenierte sie „Kasimir und
Karoline“ in Piacenza.
51
ensemble
ensemble
Manfred
Böll
Therese
Dörr
„Wandel und Wechsel
liebt, wer lebt.“
(Wagner, Wotan)
Kurz davor ist alles
möglich, dann nur
noch das Eine.
Dietmar
Bär*
Matthias
Eberle
Bettina
Engelhardt
veränderungen dauern
manchmal so schnell –
so schnell kann man
ja keinen einzigen satz
darüber zu ende denk.
und was ändert sich
eigentlich schneller: das
innere oder das äußere?!
wisst ihr noch, damals?
erinnert ihr euch, wie es
früher war – als ihr angefangen habt, diese zeilen
zu lesen?
Neue Stadt, neues
Theater und somit auch
ein neuer Bäcker meines
Vertrauens, an dem ich
auf meinem täglichen
Arbeitsweg einfach nicht
vorbeikomme.
(bravery + change)²
= short hair
– Thanks to Steffi Walz
Düsseldorf –
Friederike
Becht
Maja
Beckmann
Andreas
Grothgar
Jonas
Gruber*
Ich will immer, dass
etwas bleibt, wenn es
ganz schön ist, und kann
den einzelnen Moment
dann oft gar nicht ohne
eine gewisse Melancholie
genießen, weil ich weiß,
er geht vorüber.
Veränderung ist immer
gut – einfach mal Diesel
in den Benziner!
Emil ist jetzt größer als
ich, Wilhelmine hat lange Haare, Theo zieht sich
alleine an, meine Mutter
ist tot, mein Vater auch.
Ich bin hier.
Mit ca. 13 hatte ich die
Befürchtung, verrückt
zu werden. An einem
Sommerabend im Schullandheim zog ich mich
deshalb in ein Gebüsch
zurück, zerriss mir das
Leibchen und wartete, ob
ich jetzt wahnsinnig würde. Ich blieb aber ziemlich
normal! Nach einer Viertelstunde kam ich wieder
raus und war um eine
mir wichtige Erkenntnis
reicher. Das Shirt konnte
ich allerdings wegwerfen.
Städte ändern sich in der Regel zwei Prozent im Jahr, die ganze Welt scheint sich immer schneller zu verändern und das
Ruhrgebiet war auch mal anders. Was wir jedoch ganz genau wissen und niemals vergessen, sind die Veränderungen
in unserem eigenen Leben. Nichts prägt sich so ein, wie die Momente, in denen sich alles verändert. Manche Veränderungen haben wir erwartet und erhofft, andere gefürchtet und schmerzhaft erlebt, aber sie haben uns geprägt und zu
dem gemacht, was wir sind. Wir haben die Schauspielerinnen und Schauspieler des Ensembles gefragt, was Veränderung für sie bedeutet. Auf den folgenden Seiten finden Sie ihre Antworten. Die Fotografin Diana Küster hat sie an den
verschiedensten Orten in Bochum porträtiert.
fOTO: Nils-Hendrik Zündorf
fOTO: Privat
Manuela
Alphons*
52
53
Ensemble
Jürgen
Hartmann
ensemble
Paul
Herwig*
Stille, mein Herz.
Nur der Wechsel
ist beständig!
Florian
Lange
Katharina
Linder
Ohne Veränderung
bliebe immer alles gleich
und das wäre ja saulangweilig.
Verändere dich oft und
du passt in keine Schublade.
Perspektive wechseln
Barbara
Hirt
Martin
Horn
Marco
Massafra
Nicola
Mastroberardino
Fernweh trieb mich aus
meinem kuscheligen
Basler Heimatnest nach
Leipzig an die Schauspielschule. Ohne Familie
und ohne Migros spürte
ich erst dort, was Heimat
bedeutet.
Soll ich älter werden?
(fragt mein Freund
Jürgen Wolf, und ich sage:
Schluss damit, dieser
Unsinn hat aufzuhören.
Keine Veränderungen
mehr – musealisiert Euch,
dann bleibt alles, wie es
ist – erfindet die Dramaturgie des Unweglichen
– Unabänderbaren – des
Stillstandes schlechthin
– nur noch einmal – lasst
Hugo Ball auferstehen
dann geht es im Stillstand
von da nach da.)
Jede sinnvolle Veränderung erfordert eine
gründliche Wahrnehmung, Beobachtung
und Wertschätzung des
Bestehenden. Ich bin
für das Reparieren der
Dinge, nicht für deren
Neuerfindung.
Weil die Bäume immer
höher wuchsen und
es schwieriger wurde,
Blätter und andere Leckereien zu fressen, musste
die damals noch kleine
Ur-Giraffe ihren Hals
„verändern“.
Wäre ja ganz schön blöd
gewesen, wenn sie ’s
nicht getan hätte.
Dieter
Hufschmidt*
Raiko
Küster
Ronny
Miersch
Veronika
Nickl
Das deutsche Stadttheater hat sich nach der
Nazi-Zeit erschreckend
veränderungsresistent
gezeigt. Heute ist es
womöglich da und dort
veränderungssüchtig.
Da gibt es auch manch
überflüssigen Ärger,
aber die faule Schwester
der Veränderung, die
Gewohnheit, hätte uns
nur zuzuflüstern: Ruhe
sanft!
Das Älterwerden als
größter Wandel in meinem Leben!? Bob Hope
hat gesagt: „Du wirst alt,
wenn die Kerzen mehr
kosten als der Geburtstagskuchen.“ Da der Preis
für Kerzen in den letzten
Jahren nicht exorbitant
gestiegen ist und ich die
Zutaten für den Kuchen
im teuren Bioladen kaufe,
darf ich sicher noch eine
ganze Weile mit Fug und
Recht von mir behaupten
– ich bin total jung.
Meine Mutter hat gesagt,
ich soll so bleiben wie
ich bin!
Der Rest ist Schicksal! ;)
Die Veränderung, die
Veränderung, / die
macht mich leider nicht
mehr jung. / Auf’s Leben
folgt der Tod, / das ist ja
uns’re Not. / Doch wenn
die Blümlein wieder
sprießen, / tu ich sie
gießen, trotz der Krisen.
54
55
Ensemble
Ensemble
Kristina-Maria
Peters
Bernd
Rademacher
Armin
Rohde*
Dimitrij
Schaad
Bedeutung von Wechsel:
1.Das Austauschen von
Personen oder Gegenständen
2.Eine regelmäßige Aufeinanderfolge von Ereignissen
3.Eine Veränderung in
einem Zustand
(aus dem Duden)
Veränderung?
Hab ich.
Tut gut.
Ich bin und weiß
nicht wer.
Ich komm’ und weiß
nicht woher.
Ich geh’ und weiß nicht
wohin.
Mich wundert, dass ich
so fröhlich bin.
(Verfasser unbekannt)
Geboren worden, Kind
gewesen, früh erwachsen, aktuell Mann
sein, irgendwann Vater
werden, Groß- und Urbestimmt, später sterben
und dann erstmal eine
Weile gar nichts.
Felix
Rech
Matthias
Redlhammer
Henrik
Schubert
Jana
Schulz*
„Wenn man beginnt,
seinem Passfoto ähnlich
zu sehen, sollte man in
den Urlaub fahren.“
(Ephraim Kishon)
Die Westfälische
Schauspielschule unter
der Leitung von Otto
Wilhelm und meinem
Lehrer Dieter Braun war
der Ausgangspunkt.
Das war klasse, danke!
Wer von Ihnen würde
auch nur eine Sekunde
daran zweifeln, dass Miami in Florida und Florida
in Amerika liegt? Und
doch ist Florida früher
einmal Teil Afrikas gewesen. Ein Teil, der bei der
Kontinentalverschiebung
an Amerika hängen geblieben ist. Die Tatsachen
ändern sich. Alles ändert
sich. Was heute wahr ist
– vielleicht ist es schon
morgen falsch.
„I feel strange / Covered
in waves of confusion /
And people not / Looking
inside / All is lost in a
storm / Of something
sinister. / As I leave / To
go away / The lazy sun /
Burns a hole / And I
remember / The feeling /
Of losing everything.“
(Archive: Controlling
Crowds, Part IV)
Roland
Riebeling
Nadja
Robiné
Michael
Schütz
Lena
Schwarz*
Einer meiner größten
Wechsel war von scharf
auf extra-scharf.
Persönliche Momentaufnahme: Alles gut.
Bitte nichts verändern!
WECHSEL?
Ja wie jetzt?
WANDEL IST EWIG
56
57
ENSemble
ENSemble
*Gäste
Krunoslav
Sebrek
Xenia
Snagowski
Klaus
Weiss
Stündlich mein Gemüt.
Täglich meine Unterhose. Wöchentlich das
Katzenklo. Monatlich
die Frisur. Saisonal die
Farbe an der Wand.
Jährlich auch schon mal
die Stadt. Von Z nach B
zu S nach D. Von Blau
zu Schwarz. Und dann
zum Sonnenaufgang.
Von Treten zu Rollen.
Von gleich auf jetzt. Und
dann schon mal gar
nicht mehr.
„Allen Veränderungen,
selbst jenen, die wir
ersehnt haben, haftet
etwas Melancholisches
an, denn wir lassen
einen Teil von uns selbst
zurück. Wir müssen ein
Leben sterben, ehe wir
ein anderes beginnen
können.“
(Anatol France)
Was wäre gewesen, wenn...
Die erste Veränderung
brachte der Krieg in mein
Leben. Er machte uns zu
Flüchtlingen. Und so wuchs
ich nicht an der ostpreußischen Ostseeküste auf,
sondern in der Binnenhafenstadt Mannheim.
Daniel
Stock
Werner
Strenger
Jutta
Wachowiak*
Es stinkt. Es stinkt bestialisch. Es gibt keinen
Ausweg, ich werde mich
dem stellen und wechseln. Wie soll ich es
angehen? Augen zu und
durch. Oder soll ich mich
stellen – mit spielerischer
Geduld? Wechsel ist anders und einzigartig und
verlangt mir alles ab.
Bis jetzt konnten wir das
Schlimmste verhindern.
Bis jetzt. Danke Herr
Pampers.
Ich bin gern mit der
Bahn unterwegs, über
Stunden. Ich bin dann
nirgendwo und habe
alles bei mir, und alles
um mich wandelt sich,
ändert sich, löst sich
auf, endet; und ich sehe,
so geht es mit allem,
auch mit mir: ich habe
in diesem Leben keinen
bleibenden Ort, bin
immer nur zu Gast – zu
Hause ist anderswo. Das
zu wissen ist ziemlich gut
und ändert alles.
Ich bin im Krieg geboren.
Die erste Veränderung
war der Frieden. Seitdem
kann ich mich an keinen
Zeitraum erinnern, in
dem sich nichts verändert hätte.
Henriette
Thimig*
Stephan
Ullrich*
Anke
Zillich
Trifft man nach vielen
Jahren jemanden wieder,
der sagt: „Du hast dich
gar nicht verändert“,
frage ich mich: Ist das ein
Kompliment oder keines.
Veränderung ist wichtig,
aber nicht um jeden Preis.
PS: Positiv unverändert ist
das Café am Shakespeareplatz mit seinem Chef
Thomas.
Die alten Griechen besaßen dank ihrer kreisförmigen Vision der Zeit die
Fähigkeit, sich regelmäßig
wiederkehrende grandiose Katastrophen vorstellen zu können. WOZU
EIGENTLICH DAUERND
ETWAS VERÄNDERN?
Fest steht, dass wir
Menschen unseren Lauf
hätten unterbrechen sollen; wir werden manches
noch erleben, das unsere
Väter sich nicht träumen
ließen.
Hallo und Adieu!?
Solange ich die
Kraft habe,
mich zu verändern, lebe ich.
58
Thomas Anzenhofer
Roland Bayer
Katharina Brenner
Anne-Marie Bubke
Dunja Dogmani
Christoph Finger
Julia Giesbert
Lukas Graser
Jost Grix
Karolina Horster
Holger Kunkel
Werner Lustig
Mandana Mansouri
Oliver Möller
Karin Moog
Sierk Radzei
Agnes Riegl
Verena Schulze
Thomas Schweiberer
Heiner Stadelmann
Nicola Thomas
Atef Vogel
Judith van der Werff
Aljoscha Zinflou
59
Studierende der
Folkwang Universität
der Künste
Jugendliche aus dem
ganzen Ruhrgebiet
Tänzer von Renegade:
Elena Friso
Jeong Lee
Szu-Wei Wu
Roberto Di Camillo
Adnan Dushaku
Patrick Seebacher
Peter Sowinski
Christian Zacharas
Rymon Zacharei
KÖRPER OHNE GRENZEN
TEXT: THOMAS LAUE
Fotos: CHRISTIAN ROLFES
60
rENEGADE IN RESIDENCE – Tanztheater
Tanz
gehörte
in
Bochum
schon immer dazu. Das neue
Bochumer Tanztheater verbindet verschiedene Stile, die
eigentlich nicht zusammenpassen. Doch die Art, wie
Renegade und die ehemalige
Pina-Bausch-Tänzerin Malou Street Art und modernen
Tanz zusammenbringen, ist
Energie pur.
E
s gibt Bewegungen, die eigentlich nicht möglich sind. Jedenfalls nicht für Menschen
mit normalem Körper. Kopfüber
auf einer Hand stehen, die Beine im
45-Grad-Winkel schräg in der Luft
überstrecken und sich dann auf dieser Hand hüpfend drehen, ist zum
Beispiel eine dieser Bewegungen.
In atemberaubendem Tempo um
die eigene Achse wirbeln und dabei
ständig von einer Hand auf die andere wechseln, während die Beine
gleichzeitig unter dem eigenen Körper hindurch fliegen, gehört auch
dazu.
Gerade in der Unmöglichkeit dieser Bewegungen liegt ein Teil ihrer
Schönheit. Und in ihrer Einzigartigkeit. Jedenfalls wenn man sie trotz
aller Gesetze der Schwerkraft und
der Grenzen des menschlichen Körpers beherrscht. So wie Adnan.
Der Zwanzigjährige nennt sich
„B-Boy“ oder auch „Breaker“ oder
„Breakdancer“, wobei Letzteres
schon fast eine laienhafte, sozusagen „eingedeutschte“ Bezeichnung
für das ist, was Adnan tut. Seine
Kunst besteht darin, viele solcher
unmöglichen Bewegungen aneinanderzureihen und gleichzeitig permanent neue zu erfinden. Ganz eigene
„Moves“, wie B-Boys das nennen.
Moves, die nur er beherrscht oder die
er als erster gezeigt hat und die kopiert werden, wenn ein B-Boy gut ist.
Und Adnan ist gut. Sehr gut sogar.
Das hat er in zahlreichen Wettbewerben bewiesen. In „Battles“, in denen Breaker gegeneinander antreten
und um die besten Moves und die
damit verbundene Anerkennung ringen. Adnan tanzt seit seinem achten
Lebensjahr und in seinem Tanzbereich ist er berühmt: „Es gibt keinen
B-Boy, der mich nicht kennt.“
So wie er das sagt, klingt das nicht
anmaßend, sondern ist einfach eine
nüchterne Feststellung. Adnan hat
auf Battles in ganz Europa getanzt,
oft wird er eingeladen, um seinen
Tanzstil und seine Moves zu zeigen:
nach Frankreich, Norwegen, Korea.
2010 hat er zum dritten Mal am
berühmten „International Breakdance Event“ in den Niederlanden
teilgenommen. Nicht als normaler
B-Boy im Wettbewerb, sondern im
sogenannten „Legend-Team“, in
dem die wichtigsten Tänzer der Szene
versammelt waren.
Eine Legende. Mit neunzehn.
EINES DER UNGEWÖHNLICHSTEN TANZENSEMBLES, DAS DIE
REGION ZU BIETEN HAT
Im Moment jedoch steht die Legende
im Dunkeln am Rande der Kammerspielbühne des Bochumer Schauspielhauses und hält ein zwei Monate altes Baby im Arm.
Jeong, die Mutter des Babys, das
in Adnans Armen noch kleiner und
62
zerbrechlicher wirkt, als zwei Monate alte Babys das ohnehin tun, tanzt
gerade auf der Bühne. Völlig ohne
Musik, aber mit Bewegungen von
höchster Konzentration und schlichter Eleganz.
Bewegungen, die ganz anders sind
als Adnans schnelle und energiegeladenen Moves: weich, fließend, leicht
und von absoluter Präzision. Begleitet werden sie und die anderen Tänzer auf der Bühne von einer Stimme
aus dem Zuschauerraum, die noch
mehr Leichtigkeit und noch mehr
Präzision einfordert und einzelne Sequenzen nochmal und nochmal wiederholen lässt, bis sie perfekt sind. Sie
tut das abwechselnd auf Französisch,
auf Englisch oder auf Deutsch mit
einem charmanten französischen
Akzent. Oft wechselt sie die Sprache
mitten im Satz.
ES GAB STEHENDE OVATIONEN,
MINUTENLANG
Die Stimme gehört der Choreografin
Malou Airaudo, die in den Kammerspielen an diesem Samstagvormittag
eines der ungewöhnlichsten Tanzensembles versammelt hat, das die Region derzeit zu bieten hat.
Adnan wird Jeongs Baby gleich
vorsichtig weiterreichen und auf die
Bühne zu den anderen springen, wo
er mit vier weiteren B-Boys, die wie
er ihren Tanzstil buchstäblich auf
der Straße gelernt haben, auf vier
Tänzerinnen und Tänzer trifft, die
wie Jeong eine klassische und vor allem eine langjährige moderne, zeitgenössische Tanzausbildung haben.
Am Abend werden sie gemeinsam die
Vorstellung „Irgendwo“ tanzen.
„Irgendwo“ ist der Überraschungserfolg der noch jungen Intendanz von Anselm Weber. Die
Begegnung von modernem Tanz
und Street Art hat die Besucher bei
der Premiere im Oktober 2010 von
den Sitzen gerissen. Es gab stehende Ovationen, minutenlang. Das
Überraschende und Besondere: In
„Irgendwo“ stehen die verschiedenen Tanzstile nicht einfach nebeneinander. Breakdance und zeitgenössischer, moderner Tanz verbinden sich
in der Produktion zu einer neuen,
ganz eigenen aufregenden Tanzspra-
rENEGADE IN RESIDENCE – Tanztheater
Choreografen, die weit über das
Ruhrgebiet hinaus arbeiten, und mit
Tänzern, die teilweise zum ersten Mal
beim hauseigenen Pottporus Festival
aufgefallen sind, zu dem Renegade
einmal im Jahr die Szene aus ganz
Europa einlädt. Ein Battle natürlich
inklusive.
Auch Adnan ist hier aufgetreten,
als er noch nicht so bekannt war und
Renegade-Chef Zekai Fenerci ihm die
Fahrtkosten zahlen musste, damit er
überhaupt teilnehmen konnte.
DER VERLORENE
DRACHE
Renegade in Residence
Tanztheater von Malou Airaudo
Uraufführung am 15. Oktober 2011
in den Kammerspielen
Das Schauspielhaus Bochum arbeitet in enger Partnerschaft
mit der Herner Street-Art-Company Renegade zusammen.
Die Tänzer – Hip Hopper und Breaker – von Renegade nutzen die Räume und die Infrastruktur des Schauspielhauses,
tauchen als Künstler in Vorstellungen des Schauspielhauses auf und einmal im Jahr entsteht eine gemeinsame Tanztheaterproduktion: „Renegade in Residence“.
In der ersten Spielzeit ließ die Choreografin und Regisseurin Malou Airaudo auf der Bühne fünf Breaker und vier
zeitgenössische Tänzer mit klassischer Ausbildung aufeinandertreffen. In „Irgendwo“ hat sie so die Stile der B-Boys
und der Modern-Dancer zu einer eigenen, neuen Sprache
des Tanzes verschmolzen. Publikum und Presse reagierten
begeistert, Bochum hat ein neues Tanztheater.
Nun wird Malou Airaudo mit einer neuen Produktion
die Arbeit fortführen. Wieder werden Tänzer unterschiedlicher Stilrichtungen gemeinsam auf der Bühne stehen. Und
sie werden, jeder auf seine Weise und zusammen, nach dem
verlorenen Drachen suchen. Nach der Sehnsucht und der
Hoffnung, der Liebe, aber auch der Traurigkeit und eben
der Verlorenheit, die der Mensch nun einmal in sich trägt.
Choreografie und Regie: Malou Airaudo
Dramaturgie: Anna Haas
Eine gemeinsame Produktion von Schauspielhaus
Bochum und Pottporus/Renegade, Herne
che. Das wurde möglich durch eine
besondere Kooperation: Für drei Jahre hat das Schauspielhaus Bochum
die freie Tanzcompagnie „Renegade“
aus Herne eingeladen, als „Renegade
in Residence“ mit ihren Tänzern in
den Räumen des Theaters zu arbeiten, sich an verschiedenen Projekten
wie „Next Generation“ zu beteiligen
und einmal im Jahr eine komplette
Produktion auf die Bühne zu bringen.
Renegade gibt es seit 2003. Die
Truppe versammelt Tänzer, die von
der Straße kommen. Ihre Erfahrungen und Erfolge haben sie wie Adnan bei Wettbewerben und Battles
gesammelt und gleichzeitig Hip Hop
64
und Breakdance als Bühnentanz
perfektioniert. Seit einigen Jahren
gehört zu Renegade noch der Verein
„Pottporus e.V.“, der so etwas wie die
Talentschmiede der professionellen
Compagnie ist und sowohl Ausbildung und Projekte mit Jugendlichen
im Bereich Musik und Tanz als auch
die Graffitiszene des Ruhrgebiets in
der Dorstener Straße in Herne unter
einem Dach bündelt.
Die noch junge Geschichte von
Renegade und Pottporus ist die Geschichte einer stetigen Professionalisierung und einer unermüdlichen
Förderung junger Talente.
Zahlreiche abendfüllende Tanzproduktionen sind entstanden, mit
65
B-Boying, Popping, House,
Electro-Boogie, Locking
Von Zekai Fenerci, ohne den es weder
Renegade noch den Pottporus-Verein
gäbe, kann man nicht nur lernen,
dass Hip Hop nicht gleich Hip Hop
und Breakdance nicht gleich Breakdance ist. Im Gespräch mit ihm fliegen die Namen von Tanzstilen durch
die Luft, wie sonst die Tänzer selbst:
B-Boying, Popping, House, ElectroBoogie, Locking, Roboting, Crumping.
Für den Laien sind die Feinheiten
und die Spezialisierungen der Szene
kaum zu überschauen. Von Zekai Fenerci, im Hauptberuf Logistiker bei
der Deutschen Bahn, kann man aber
vor allem lernen, was Beharrlichkeit ist. Stück für Stück hat er seinen
Laden ausgebaut, ist auf der Suche
nach Talenten herumgefahren und
hat ein Projekt nach dem nächsten
initiiert. Immer im Blick, dass man
sich weiterentwickeln muss, dass
es – wie es unter Breakern nun mal
üblich ist – nicht darum gehen kann,
das Gleiche zu wiederholen, sondern
Neues zu entwickeln.
DA STAND PINA. SIE WAR WIE
EIN SCHMETTERLING.
So hat er auch Malou Airaudo überzeugen können, als Choreografin mit
Tänzern aus dem klassischen und
modernen Bereich mit Renegade zusammenzuarbeiten.
Die in Marseille geborene Choreografin, die von allen nur Malou
genannt wird, hat über Wochen aus
den so unterschiedlichen Tänzern
ein Ensemble geformt. Und formt es
stetig weiter: Am Tag der Vorstellung
rENEGADE IN RESIDENCE – Tanztheater
sehen, so ruhig, so sensibel. Wie ein
Schmetterling. Ich war voller Energie damals. Und sie war auch voller
Energie, aber auf ganz andere Weise,
und eine große Liebe begann.“
Diese künstlerische Seelenverwandtschaft war so groß, dass sie
Pina Bausch folgte, als die sie einlud,
Mitglied einer neuen Compagnie zu
werden. Einem Tanztheater in Wuppertal, ausgerechnet.
„Ich hatte nie gesehen, wie Pina
arbeitete, aber da war plötzlich jemand, von dem ich wusste, der fühlt
wie ich.“ Ohne zu zögern ging Malou mit. Von New York ins Bergische
Land.
ICH HABE EINE GROSSE MENGE ENERGIE. ABER MANCHMAL
NUR FÜR EINEN MOMENT.
Der Rest ist Tanzgeschichte. Malou
tanzte in berühmten Pina-Bausch-
Tanzpartner gesucht
Mit „Renegade in Residence“ ist das Tanztheater ins Schauspielhaus Bochum zurückgekehrt. Die Kooperation zwischen
Schauspielhaus und der freien Tanzcompagnie Renegade ist
eine Verbindung, mit der die lange Tradition des Tanzes im
Schauspielhaus wieder auflebt – in neuer, zeitgenössischer
Form und mit ungewöhnlicher Qualität.
Damit das, was im Kulturhauptstadtjahr 2010 so erfolgreich begonnen hat, auch in den nächsten Spielzeiten fortgesetzt werden kann, braucht es weitere, finanzstarke Partner. Und einmal mehr zeigen die Bochumer, wie sehr ihnen
ihr Theater an der Königsallee am Herzen liegt. Mehrere
Firmen und Privatpersonen haben sich schon jetzt bereit
erklärt, Patenschaften für einen Tänzer oder eine Tänzerin
des neuen Tanzensembles zu übernehmen und so Probenund Vorstellungshonorare für ein oder zwei Produktionen
zu sichern. Für diese besondere Förderung, mitten aus dem
gesellschaftlichen Engagement der Stadt heraus, bedanken
wir uns herzlich und freuen uns auf viele inspirierende Begegnungen zwischen den Künstlern, den Förderern und den
anderen Mitgliedern des Theaters.
Wollen auch Sie zum exklusiven Kreis der Förderer des neuen Bochumer Tanztheaters gehören? Gerne informieren wir
Sie über mögliche Patenschaften. Wir freuen uns auf Sie und
sind dankbar für Ihre Unterstützung!
Alle Informationen erhalten Sie
im Schauspielhaus Bochum bei Brigitte Käding
unter Tel.: 0234 / 33 33 55 33
oder E-Mail: bkaeding@bochum.de.
66
Produktionen wie „Café Müller“,
„Iphigenie auf Tauris“ oder „Orpheus und Eurydike“ und wurde
selbst berühmt durch ihren Solotanz
in „Sacre du printemps“.
Immer wieder verließ sie die Compagnie und immer wieder kehrte sie
zurück. Immer wieder suchte sie das
Neue, den neuen Energieschub. „Da
bin ich wie Zekais Breaker“, lacht sie,
„ich habe eine große Menge an Energie zu geben, aber manchmal nur für
einen Moment.“
Pina Bausch starb, während Malou für „Irgendwo“ probte. „Sie war
mein Alles, meine Schwester, meine
Freundin“, sagt Malou über diesen
großen Verlust. Natürlich sei sie
künstlerisch von Pina Bausch beeinflusst. „Pina und ich haben 35 Jahre
zusammen gearbeitet. Sie war mein
Herz, mein Leben. Und trotzdem
gehe ich meinen eigenen Weg.“
Auf die B-Boys traf sie das erste
Mal bei „Melez“, dem Festival der
Kulturhauptstadt, für das sie mit
Renegade die Produktion „Schwarze
Katze“ entwickelte.
„Normalerweise dürfte die Zusammenarbeit zwischen uns gar
nicht funktionieren“, beschreibt
Zekai Fenerci die Arbeit zwischen
Renegade und Malou. „Von der ganzen Herangehensweise laufen wir
gegeneinander. Von der Arbeitsweise
passen die Breaker eigentlich nicht
in Malous Struktur. Die braucht so
viel Disziplin. Und der Breaker an
sich treibt nur voran, um den neuen Move zu entwickeln, darüber bekommt er Status.“
GRÜNE WOLLMÜTZE, COOLNESSFAKTOR 100 PROZENT
Dass es trotzdem klappt und es
gleichzeitig ein unaufhörliches Training erfordert, die Breaker und die
modernen Tänzer zusammenzubringen, wird auf der Probe am Samstag
deutlich.
„Wir lernen voneinander, immer
noch“, sagt Malou und spricht von
großem gegenseitigen Respekt. „Für
uns ist die klassische Ausbildung
wichtig. Ich habe auch mein Leben
lang klassischen Unterricht genommen. Aber es gibt Leute, die haben
noch nie davon gehört, und trotzdem
ist das, was sie machen, Tanz. Breakdancer haben sehr schwere Bewegungen. So eine Drehung auf einem Arm
kostet viel Kraft, die kannst du nicht
einfach zehn Mal wiederholen. Wir
sind dagegen gewohnt, etwas 10.000
Mal zu machen.“
Man sieht die unterschiedlichen
Arbeitsstile schon am Outfit. B-Boy
Robo zum Beispiel: grüne Wollmütze über den Wuschellocken, Coolnessfaktor 100 Prozent. Auf jede
Anweisung Malous reagiert er mit
einem lässigen Spruch. Und müht
sich gleichzeitig an einer Bewegung
ab, die bei den anderen Tänzern federleicht aussieht. „Noch mal“, sagt
Malou, „again.“ Unerbittlich.
WER SICH ANPASST, WIRD UNSICHTBAR
„Die sind wie ein Schwamm“, sagt
Adnan über seine Mittänzer aus
der anderen Sparte. „Die saugen
alle Schritte auf. Die lernen das so
schnell, das ist diese Disziplin. Wir
sind halt locker, erst mal was essen,
und die sind immer gleich drauf,
echt anders.“ Und andersherum, was
kann er, was die nicht können?
Adnan grinst. „Also ich könnte
das, was die können, aber es sähe
ganz anders aus. Es kommt drauf an,
wie man es macht. Die Bewegungen
könnte ich machen, aber die hätten
einfach nicht diese Ausstrahlung.
Ich bringe das nicht so rüber wie die.
Und bei denen ist das so: Die können meine Moves nicht machen. Die
können die auch nicht antäuschen.
Mein Move – entweder man kann
ihn oder man kann ihn nicht. Man
kann nicht so tun als ob, den muss
man schon können.“
Alles anders also und so verschieden, und eigentlich genauso
unmöglich wie die rauschhaften Bewegungen, die man am Abend in der
Vorstellung zu sehen kriegt. In der
die Compagnie wirkt, als hätten alle
schon immer miteinander getanzt.
Egal woher sie kommen, egal welche
Sprache sie sprechen und welchen
Tanzstil sie gelernt oder eben auch
nicht gelernt haben und spielerisch
voneinander abnehmen. Energie
pur. Perfektion. Tanz eben. Und inzwischen eine eingespielte Tanzfami-
lie. In der gleichzeitig jeder in seiner
Besonderheit sichtbar bleibt. „Wer
sich anpasst, wird unsichtbar“, sagt
Adnan. Noch so eine Legendenweisheit, die in „Irgendwo“ außer Kraft
gesetzt wird und trotzdem stimmt.
Das Publikum steht wieder beim Applaus am Abend.
ENERGIE PUR. TANZ EBEN.
Und Malou? Hat die Vorstellung begleitet und gesehen und gelitten, wie
jedes Mal. Es lief doch sehr gut, oder?
„Es war Vollmond, heute“, seufzt sie,
und es bleibt offen, ob das gut ist
oder schlecht.
Sie wird weiterarbeiten, vor der
nächsten Vorstellung, natürlich.
Eine Tanzvorstellung ist nie zu Ende
gearbeitet, sonst lebt sie nicht mehr.
Schon gar nicht, wenn darin Bewegungen vorkommen, die eigentlich gar nicht möglich sind. Und die
Menschen wie Adnan einfach trotzdem machen.
Fotografie: Renate Ritzenhoff
ist Probe, den ganzen Tag.
Malou geht dann über mehrere Stunden die Choreografie durch,
frischt auf, ändert, verbessert, perfektioniert in einem nie endenden
Prozess. Mit den B-Boys von Renegade und jungen Tänzern, die sie zum
Teil selbst ausgebildet hat.
Seit über 25 Jahren ist Malou
Airaudo Professorin für modernen
Tanz an der Essener Folkwang Universität der Künste. Vor allem aber
war sie selbst über Jahrzehnte Tänzerin. Als Mitglied der ersten Stunde in
der weltberühmten Compagnie von
Pina Bausch. Die hat sie 1973 kennen gelernt.
„Ich war 25, kam aus Frankreich
und war gerade drei Jahre in New
York“, erinnert Malou sich. Sie tanzte dort in der Compagnie von Paul
Sanasardo, der seinem Ensemble eine
junge Choreografin vorstellte: „Da
stand Pina. Ich habe diese Frau ge-
Bühne frei
für unsere Kunden
Hunderttausende sind Tag für Tag in unseren
modernen Bussen und Bahnen unterwegs.
Jeder hat dabei sein eigenes Ziel: Ob zur Schule,
zur Arbeit, zum Einkaufen oder zum Schauspielhaus.
Steigen Sie ein! – Wir bringen Sie hin.
Malou Airaudo wurde 1948 in Marseille geboren und begann dort bereits im
Alter von acht Jahren ihre Ausbildung
an der Schule der Opéra de Marseille.
Nach Engagements in Monte Carlo,
Amiens und New York folgte sie Pina
Bausch 1973 an ihr neu gegründetes
Tanztheater in Wuppertal, wo sie eine
der prägenden Solistinnen der Compagnie wurde. Sie ist Professorin für
Zeitgenössischen Tanz an der Folkwang
Universität der Künste und arbeitet als
international gefragte Choreografin.
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www.bogestra.de
Ich renne in
jeden kampf
hinein
Eine Begegnung mit der serbischen
Autorin Biljana Srbljanovic
INTERVIEW: THOMAS LAUE
FOTOS: LUKAS ZABEK
UND BILJANA SRBLJANOVIC
biljana srbljanovic – Ich renne in jeden Kampf hinein
W
eil sie ihre Reisepläne plötzlich ändert, platzen Verabredungen mit Biljana Srbljanovic manchmal kurzfristig.
Wenn sie dann aber kommt,
ist sie charmant und von einer absoluten Präsenz. Ein
Treffen zum Mittagessen in
Frankfurt, um über ihr neues
Stück für Bochum zu reden.
Sie ist müde, aber sie ist da.
Und wie.
Welche Rolle spielt Reisen für dich?
Es ist ein Alptraum. Ich reise ständig, weil ich keinen wirklich festen
Wohnsitz habe. Ich bin die Frau mit
der Reisetasche: Ich reise überall hin
mit dieser riesigen Reisetasche mit
meinen persönlichen Sachen, und
trotzdem fehlt ständig alles.
Außerdem bin ich EconomyClass-Reisende. Das bedeutet, dass
man ständig zu viel bezahlt, um dann
wie eine Sardine irgendwo neben der
Toilette eingequetscht zu werden.
Und das in Fluggesellschaften wie
Azerbaijan Air, Iran Air, Georgian
Airways oder ähnliches. Ich denke
beim Fliegen oft: „Das war es, hier
werde ich sterben.“ Aber ich reise
auch viel, weil ich wirklich gerne an
verschiedenen Orten bin.
In welchen Städten hast du derzeit eine
Wohnung?
Ich selbst habe nur ein Apartment in
Belgrad. Das ist meines. Mein Ehemann hat ein Haus in Paris, und wir
haben unseren Wohnsitz momentan
in Baku in Aserbaidschan.
Wie lebt es sich in Baku? Was tust du
dort den ganzen Tag?
Ich lese, lese, lese, lese. Wirklich, ich
lese. Und ich laufe.
Man weiß in Deutschland erstaunlich
wenig über Aserbaidschan.
Und es gibt gute Gründe, warum das
so ist. (lacht) Nein, es ist ein sehr interessantes, sehr reiches Land. Reich
auch an Geschichte. Besonders in
diesem verrückten 20. Jahrhundert
gab es so viele Kämpfe, als man dort
Öl und Gas gefunden hat. Und eigentlich alle zwei Jahre einen Wechsel: Erst die Russen, die die Deutschen
umbringen, dann die Deutschen, die
zurückkommen, dann die Iraner, die
alle umbringen, und dann hörte mit
den Sowjets erstmal alles auf.
Eigentlich entdeckt das Land erst
jetzt wieder seine eigene Kultur. Vor
zehn Jahren zum Beispiel haben sie
ihr Alphabet geändert.
Du lebst dort jetzt seit drei Jahren.
Fühlst du dich in Aserbaidschan zu
Hause?
Seltsamerweise ja und das irritiert
mich. Ich werde sehr traurig sein,
wenn wir im Herbst wieder gehen.
Aber richtig als Heimat empfinde ich
nach wie vor Belgrad.
Bist du oft dort?
Ich versuche, oft da zu sein. Manchmal entscheide ich mich aber, sechs
Monate überhaupt nicht hinzufahren. Einfach um Belgrad zu vermissen, es wirklich zu vermissen. Bis die
Sehnsucht so stark ist, dass ich wieder hinfahren muss. Aber normalerweise bin ich ungefähr alle zwei
Monate wenigstens für ein paar Tage
in Belgrad.
Wenn du nach Belgrad zurückkommst,
stellst du da Veränderungen fest?
Belgrad verändert sich unglaublich
schnell. Aber ich scheine die einzige zu sein, der das auffällt. Früher
70
sind mir so von Sommer zu Sommer
größere Veränderungen aufgefallen.
Aber inzwischen ist schon nach zwei
Monaten so vieles anders. Wie alles
aussieht, aber auch wie es funktioniert. Zum Beispiel die öffentlichen
Busse: Es gibt seit neuestem Busse,
bei denen man wie in Deutschland
oder Frankreich ganz geordnet nur
vorne einsteigen kann. Das ist wie
eine kleine Revolution in Serbien,
denn seit ich denken kann, war es
eher wie in Aserbaidschan, wo man
mindestens drei ältere Damen und
drei Kids verprügeln muss, um über-
„Ich war zur gleichen Zeit in
Belgrad wie Conan der Barbar.“
haupt in den Bus zu kommen.
Das war wie eine Art verbrieftes
Grundrecht: Leute verprügeln, um in
den Bus zu kommen. Und plötzlich
sollen alle in einer Schlange warten.
Und die Leute tun das tatsächlich.
Das sind riesige mentale und kulturelle Veränderungen.
Gleichzeitig existieren noch viele
der alten Probleme, sie sind wie alte
Narben auf dem Körper des Landes.
Selbst in Belgrad sieht man noch viele Spuren an den Gebäuden, die bombardiert wurden. Und es ist in den
Köpfen der Leute. Egal was passiert,
immer heißt es: „Ja, ja, ja, aber seht
ihr, sie mögen uns nicht, schließlich
haben sie uns bombardiert.“
Hat Belgrad die damaligen Bombardements inzwischen verarbeitet?
Nicht wirklich.
Und die große Krise der 1990er Jahre?
Die schon. Aber ich denke, das
NATO-Bombardement war damals
nicht die richtige Antwort, denn es
hat die Probleme nur kurzfristig gelöst. Für die Menschen dort ist es wie
ein großes Missverständnis. Sie können es einfach nicht fassen, dass sie
die Bösen gewesen sein sollen. Und
das sitzt sehr, sehr tief.
Wie hat sich Serbien in der NachMiloševic-Zeit entwickelt?
Ab einem bestimmten Punkt wurde
es eine sehr langweilige DemokraDer Fotograf Lukas Zabek hat Fotos aus dem Album von Biljana Srbljanovic auf die Wände des Schauspielhausfoyers projiziert.
Auf dieser Seite zum Beispiel vermischt sich der Blick aus dem Belgrader Apartment der Autorin mit dem Bochumer Eingangsbereich.
biljana srbljanovic – Ich renne in jeden Kampf hinein
tie. Beinahe ein normales demokratisches Land. Dann wurde unser
Ministerpräsident ermordet und es
wurde fast wieder eine Art Möchtegern-Demokratie. Aber nur fast.
Wir haben diese sehr spezielle
Beziehung zu Russland. Eigentlich
nicht wirklich zu Russland, eher zur
Mafia und zur Geheimpolizei. Und
besonders zu Putin.
„Serbien wird immer ein europäisches Land bleiben.“
Putin war letzte Woche da. Und ich
war gerade im Landeanflug mit Aeroflot. Es ist eigentlich gegen meine
Religion, mit Aeroflot zu fliegen, aber
es ist so viel billiger, also tue ich es
trotzdem. Und dann lande ich im
gleichen Moment wie Putin! Niemand hatte mich gewarnt, dass das
der Tag ist, an dem man Belgrad unbedingt meiden muss. Putin bekam
irgendeine Ehrendoktorwürde verliehen, in Jiu-Jitsu oder in Karate oder
was weiß ich.
Er war ungefähr fünf Stunden
in Belgrad. Eigentlich hätte er über
wirtschaftliche Dinge reden sollen.
Wir haben viel an Russland verkauft,
wofür wir nie Geld gesehen haben.
Aber das war nicht wichtig. Wichtig
war Fußball und so, und dass er uns
vor dem Westen beschützen wird.
Das ist verrückt, oder? Und dann
wurden Politikerfrauen interviewt:
Ist er im wirklichen Leben auch so
attraktiv oder nicht? Wie groß ist er?
Er ist wie ein Superheld. Conan der
Barbar war zur gleichen Zeit in der
Stadt wie ich.
Ist Serbien ein europäisches Land?
Absolut. Es war immer ein europäisches Land. Nur mit ein paar Problemen mehr. Aber es war wirklich ein
zutiefst europäisches Land. Wenn
auch mit der Fähigkeit zum Völkermord. Aber es gibt andere europäische Länder, die zum Völkermord fähig waren, oder? Es wird auch immer
ein europäisches Land bleiben.
Engagierst du dich immer noch so
stark politisch in Belgrad, wie du es
vor einigen Jahren getan hast?
Die Berge von Aserbaidschan im Bochumer Foyer.
Ich schreibe viel. Viele Artikel, und
ich rede viel. Aber ich bin in keiner politischen Gruppe oder Partei mehr. Diese Art von politischer
Aktivität war nie wirklich etwas für
mich. Selbst als ich mich direkt politisch engagiert habe, war das mehr
ein Statement und weniger, um tatsächlich ins Parlament einzuziehen.
Ich war nur einmal Mitglied einer Partei, vermutlich der kleinsten
Partei der Welt. Wir waren vielleicht
hundert. Inzwischen redet die Hälfte von uns nicht mehr miteinander,
weil wir ständig über politische und
ideologische Dinge gestritten haben.
Jeder von uns hatte seine sehr eigene Vorstellung davon, was das Beste
für Serbien sei. Eine Ansammlung
von lauter Individualisten. Da ist es
schwer, ein loyaler Parteisoldat zu
sein. Aber wie gesagt, ich schreibe
und rede viel.
Kennen dich die Menschen in Belgrad
noch?
Ja, leider. In Baku oder Frankreich
bin ich eine freie Person. In Belgrad
auf den Markt zu gehen ist dagegen
eine echte Herausforderung. Immer
trifft man dort Leute, die einem erklären, warum man mit einer Sache
völlig Unrecht hatte oder die sagen:
„Rette uns, du bist die letzte Hoffnung.“ Natürlich bin ich nichts
davon, weder eine Hoffnung noch
kann ich jemanden retten.
Ich kann in Belgrad keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, weil
es Menschen gibt, die dort andere
zusammenschlagen, die sich politisch exponieren. Gleichzeitig kann
ich kein Taxi besteigen, ohne in eine
politische Diskussion verwickelt zu
werden. Selbst wenn ich eigentlich
nur zu meiner Mutter zum Essen
fahren will.
Worüber schreibst du in den Zeitungen, dass sich die Leute so aufregen?
Ich schreibe weniger in Zeitungen,
mehr im Internet. Die Diskussionen dort sind oft leidenschaftlicher
und emotionaler als in den Zeitungen. Ich gebe meine Kommentare ab,
wenn es etwas gibt, wozu ich einfach
nicht schweigen kann. Meist geht es
um Rechte von Minderheiten, um
irgendwelche Arten von Gewalt oder
73
um wirklich offensichtliche Dummheiten der Regierung.
Kürzlich habe ich mich für eine
Schwulenparade in Belgrad ausgesprochen und gegen Gewalt gegen
Homosexuelle geschrieben. Und sofort ging es los. Ich habe das ein wenig zugespitzt und mich über die Leute lustig gemacht, die an der Macht
sind und Angst vor so etwas wie Homosexualität haben. Und ich benutze dazu eine spezielle Sprache...
Was für eine Sprache?
Eine sehr vulgäre Sprache zum Beispiel. Darüber regen sich die Leute
wahnsinnig auf. Sie sehen, dass ich
eine normale Frau bin, mit gekämmten Haaren und ordentlich gekleidet,
aber gleichzeitig habe ich diese Sprache, von der sie sich sehr angegriffen
fühlen. Also wissen sie nicht, wie sie
mit mir umgehen sollen.
„Sie wissen nicht, wie sie mit
mir umgehen sollen.“
Wäre das bei einem Mann anders?
Natürlich, vollkommen anders! Aber
es ist ihre Sprache und es ist die einzige Sprache, die sie verstehen. Man
muss ihre eigenen Worte benutzen,
ihr eigenes vulgäres Denken, um ihnen zu zeigen, was es eigentlich bedeutet, vor Homosexuellen Angst zu
haben.
Du bist mit dem französischen Botschafter in Baku verheiratet. Das bedeutet doch sicher, dass du dich dort
anders verhalten musst als in Belgrad.
Diplomatischer. Wie machst du das?
Oh, ich arbeite an etwas, das man
Geduld nennt, und ich bleibe höflich, damit kommt man auch relativ weit. Und ich verfolge auch dort,
was alles im Internet geschieht. Es
kommt vor, dass Aserbaidschaner für
Blogs oder aufgrund einer Satire gegen die Regierung, die sie auf YouTube hochladen, im Gefängnis landen
oder verprügelt werden.
Was ich tue, ist die Aufmerksamkeit der anderen Botschafterfrauen
auf diese armen Kinder zu lenken.
„Die machen doch nur Spaß im Internet. Lasst sie uns im Gefängnis
MUSIKTHEATER
IM REVIER
GELSENKIRCHEN
PREMIER
2
1
.
1
1
T
I
E
Z
EN SPIEL
MERLIN (DE)
UBU (UA)
von Sidney Corbett
Ab 14.04.2012, KleIneS HAuS
von Isaac Albéniz
Ab 08.10.2011, GroSSeS HAuS
ADAM SCHAf HAT ANGST (wA)
RUSALKA
von Antonín Dvorák
ˇ
Ab 29.04.2012, GroSSeS HAuS
IM wEISSEN RÖSSL
SALoME
von richard Strauss
- konzertante Aufführung Ab 20.05.2012, GroSSeS HAuS
von Georg Kreisler
Ab 22.10.2011, KleIneS HAuS
von ralph benatzky
Ab 12.11.2011, GroSSeS HAuS
DAS KIND UND DER KÖNIG
Musiktheater für Kinder von
Carsten Kirchmeier
Ab 20.11.2011, KleIneS HAuS
DER MESSIAS (wA)
von Patrick barlow
Ab 03.12.2011, KleIneS HAuS
LA TRAVIATA
von Giuseppe Verdi
Ab 17.12.2011, GroSSeS HAuS
DIE CoMEDIAN HARMoNISTS
von Franz Wittenbrink und
Gottfried Greiffenhagen
Ab 13.01.2012, KleIneS HAuS
LA BoHèME (wA)
von Giacomo Puccini
Ab 11.02.2012, GroSSeS HAuS
DIE HEXEN VoN EASTwICK (DE)
von Dana P. rowe und
John Dempsey
Ab 09.06.2012, GroSSeS HAuS
CoPYLEfT - SPIEL MIT
DEM oRIGINAL (UA)
ballett von Annett Göhre
Ab 15.10.2011, KleIneS HAuS
GRoSSSTADT-TRIPTYCHoN
Kurzopern von Wolpe | Weill | nick
ballett von bridget breiner
Ab 14.01.2012, GroSSeS HAuS
HEAVY MUSIC – CooL LoVE 2012
„A VISIoN of GoD“
Ab 30.06.2012, KleIneS HAuS
LA GRANDE MAGIA
von Manfred Trojahn
Ab 24.03.2012, GroSSeS HAuS
ÖNSTE
H
C
S
S
DA
HAUS
N
R
E
P
o
IER
IM REV
MUSIKTHEATER IM REVIER GMBH
KENNEDYPLATZ
45881 GELSENKIRCHEN
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KARTENTELEfoN 0209. 40 97-200
biljana srbljanovic – Ich renne in jeden Kampf hinein
besuchen.“ Wenn man solche Dinge
tut, humanitäre Aktivitäten für nette
Botschafterfrauen, kann man auch
einiges bewegen. Allein unsere Anwesenheit schafft schon Aufmerksamkeit, die Leuten hilft.
Zu Hause in Serbien würde ich
offen kämpfen, aber das ist nicht
mein Land, ich bin dort eingeladen,
also genau genommen nicht mal ich,
sondern mein Mann. Ich bin einfach
die Frau des Botschafters.
Mit welchem Leben ist deine Identität
als Dramatikerin verbunden?
Meine Identität als Dramatikerin ist
meine eigentliche Identität. Das bin
ich und nur ich. Alles andere ist etwas, das man im Leben einsammelt.
Man macht so viele Dinge: ich bin
Professorin, eine politische Person,
Ehefrau. Das sind alles Dinge, die ich
tue, aber nichts davon bin vollständig ich.
Hörst du es gerne, wenn man dich eine
politische Dramatikerin nennt?
Eigentlich nicht. Auf der anderen
Seite stört es mich aber auch nicht
besonders, weil ich glaube, dass das
ganze Leben heutzutage politisch ist.
Jede Alltagsentscheidung ist immer
auch eine politische Entscheidung,
das muss einem klar sein. Also ist
alles, was ich über mein Leben oder
über den Alltag von irgendjemandem
schreibe, zwingend auch politisch.
Alles andere wäre Blödsinn.
Ich habe keine politische Agenda, die ich durchsetzen will, in dem
Sinne bin ich keine politische Autorin. Ich bin nicht Bertolt Brecht, ich
verfolge keine Idee. Ich schreibe nur
über Dinge, die ich sehe, über Gedanken, die mich verfolgen. Und es
ist doch ganz normal, dass das politisch ist.
In deinem Stück für Bochum geht es
um Familie und um den Abschied von
Vätern. Hat das einen Grund?
Natürlich, es gibt immer einen
Grund. Aber es ist Unsinn, darüber
zu reden, denn es ist sehr persönlich.
Andererseits ist es überhaupt nicht
persönlich, denn ich bin nicht die
erste Person, die ihren Vater verloren hat. Unter absurden Umständen
zwar, aber wenn es auf das Ende zu-
geht, sind die Umstände immer absurd. Er war krank, und dann ist er
gestorben und wir wissen bis heute
nicht, warum.
Mein Vater war ein sehr spezieller
Charakter. Ich habe mein ganzes Leben damit zugebracht, gegen ihn zu
kämpfen. Wirklich heftig zu kämpfen, bis zum letzten Tag. Ich habe
auch meinen eigenen Charakter,
meine Identität in diesen Kämpfen
geformt. Ich kann heute sehr genau
sagen, wogegen ich bin, auch wenn
es mir schwer fällt, zu begründen,
wofür ich eigentlich bin oder was ich
bin.
Das hängt sicher mit dem ganzen Streit zusammen, den ich mit
der Generation meines Vaters hatte. Er war ein ganz normaler Kerl.
Er war so normal, eine so typische
Verkörperung dieser Ex-JugoslawienUtopie, dass ich ihn den „Everyman“
„Manchmal komme ich mir vor
wie ein Clown.“
genannt habe. Er war ein typischer
Ex-Jugoslawe aus der alten Zeit, als
wir ein riesiges Land mit 22 Millionen Einwohnern waren – 22 Millionen ist riesig für uns – und wir dachten, wir seien im Himmel.
Aber egal ob es seine Moralvorstellungen waren, seine politischen
Einstellungen, seine mangelnden
Vorstellungen von Familienleben,
alles, woran er geglaubt hat: Ich
habe mein ganzes Leben dagegen gekämpft. Ich habe nicht gewonnen,
aber ich habe mich selbst geformt in
diesem Kampf.
Ist Kämpfen immer noch ein Charakteristikum in deinem Leben?
Unglücklicherweise ja. Aber es ist so
ermüdend. Manchmal komme ich
mir vor wie ein Clown. Ich habe oft
den Eindruck, dass die Leute es von
mir erwarten, um sie zu unterhalten. Auch die Medien. „Unterhalte
uns, mach deine Nummer. Kämpfe,
mit oder gegen wen auch immer!“ Es
ist ermüdend, und es führt auch die
Idee zu kämpfen ad absurdum. Aber
trotzdem ist es meine Natur.
Ich glaube, deshalb bin ich auch
DAS LEBEN IST
KEIN FAHRRAD
von Biljana Srbljanovic
Premiere am 3. Dezember 2011
in den Kammerspielen
„Du findest dich im Leben überhaupt nicht zurecht.“ Dieser Satz ihres Vaters klingt Nadezda noch lange im Ohr. Sogar nachdem er längst tot ist. Überhaupt: Es sind die Väter,
die das neue Stück von Biljana Srbljanovic bestimmen. Die
anwesenden ebenso wie die abwesenden. Da ist zum einen
Nadezda, die ihren Vater ins Krankenhaus bringt, weil er
krank ist, obwohl er sich stur dagegen wehrt. War er nicht
immer gesund? Was soll er dann in einem Krankenhaus?
Eine Auseinandersetzung zwischen Tochter und Vater
folgt: kämpferisch, persönlich und zutiefst berührend.
Aber auch die anderen Figuren von Biljana Srbljanovic arbeiten sich an ihren Vätern ab: Kindchen wartet, eigentlich
immer schon, auf den Vater, der niemals auftaucht, und
findet in Ropac Ersatz – und vielleicht sogar so etwas wie
Liebe. Und Aleksa, der Arzt aus dem Krankenhaus, lebt wieder bei seiner Mutter. Mit fünfzig. Auch hier ein Vater, der
fehlt. Und eine Mutter, die auch das noch mit übernimmt.
In einem Reigen hängen sie alle miteinander zusammen.
Sie begegnen einander, obwohl sie sich eigentlich nicht
kennen. Zufällig und in starken persönlichen Szenen. Und
sie wissen doch nicht, wie sehr sie tatsächlich miteinander
verbunden sind.
Die serbische Autorin Biljana Srbljanovic gehört zu den
wichtigsten Stimmen der europäischen Gegenwartsdramatik. Sie hat ihr neues Stück für das Schauspielhaus Bochum
und für den Regisseur Anselm Weber geschrieben.
Regie: Anselm Weber
Bühne: Raimund Bauer
Kostüme: Meentje Nielsen
Dramaturgie: Thomas Laue
Dramatikerin und nicht Romanautorin, denn der Disput und der
Dialog gehören in meinem Herzen
zusammen. Das ist die Art, wie ich
mich ausdrücken kann.
Gibt es Momente ohne Kampf ?
Nicht mal im Schlaf, das kannst du
mir glauben. Ich laufe herum, rede
und kämpfe im Schlaf. Aber doch, es
gibt einige sehr private Momente, in
denen ich mir erlaube nicht zu kämpfen. Aber dann bin ich schon wieder
unterwegs zum nächsten Kampf. Ich
renne einfach hinein.
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Boxt du noch?
Ich habe damit aufgehört, weil ich
festgestellt habe, dass es mich aggressiv macht. Du denkst, du hast
diesen ganzen Stress und die ganze
Frustration in dir und du boxt einfach eine Stunde, dann ist alles raus.
Aber stattdessen fühlst du dich danach, als könntest du die ganze Welt
zusammenschlagen und wärst die
Allerstärkste. Mein Ehemann fing
an, ein bisschen Angst vor mir zu
bekommen. Er hat meine Muskeln
gesehen. Also habe ich damit aufgehört. Jetzt laufe ich und meditiere.
Zukunft macht
keiner allein
Warum ein Theater heute über morgen nachdenken muss, und warum
sich das Schauspielhaus Bochum an der neuen Zukunftsakademie NRW beteiligt.
Wer von sich selbst erzählt, wird wahrgenommen:
„Next Generation“ in Bochum.
Zukunft macht keiner allein
D
TEXT: THOMAS LAUE, SABINE REICH
FOTOS: DIANA KÜSTER
ie Frage nach Zukunft ist heute drängender denn je. Dass die Zeiten sich
ändern, ist eine Binsenweisheit, und
dass Zukunft Gestaltung braucht
ebenso. Das war schon immer so.
Und doch stellen wir fest, dass das
Tempo von demografischem Wandel, eine durch Migration veränderte Gesellschaftszusammensetzung,
aber auch sich stetig verändernde
ökonomische Rahmenbedingungen
uns aktuell und in Zukunft vor Herausforderungen stellen, die sich mit
den gegenwärtigen Instrumenten zur
Beschreibung, Bewertung und Bearbeitung gesellschaftlicher Phänomene allein nicht werden lösen lassen.
Hinzu kommt eine Finanznot der
Kommunen, denen dadurch trotz
Einsichten und guter Absichten in
vielen Bereichen die Hände gebunden sind. Es steht nicht gut um das
Leben in den Städten, möchte man
meinen.
Auf der anderen Seite hat das
Kulturhauptstadtjahr 2010 gerade
im Ruhrgebiet gezeigt, wie groß das
Bedürfnis danach ist, sich Gedanken darüber zu machen, wie der Ort
aussieht, an dem wir leben, und wie
das Leben und vor allem das Zusammenleben der Menschen in ihrer
Unterschiedlichkeit sich in Zukunft
an diesem Ort gestalten sollen.
„Nachhaltigkeit“ war 2010 das
Wort der Stunde, der Lackmustest,
dem sich alle Kulturhauptstadtprojekte unterziehen mussten. Sollte
heißen: Was bleibt eigentlich von
dem, was wir heute tun, für morgen? Und wie zukunftsfähig sind
wir – über das aktuelle Kulturevent
hinaus? Sehr, lautete das Mantra der
gesamten Region. „Statt Staub atmet
das Ruhrgebiet in diesem Jahrtausend
Zukunft“ war und ist die neue optimistische Ruhrgebietsbehauptung.
REDET EIGENTLICH
IRGENDJEMAND
MITEINANDER?
Und in der Tat: Zwar herrscht derzeit
kein Mangel an aufwändigen Studien, neuartigen Denkmodellen und
ambitionierten Masterplänen. Das
Nachdenken über Zukunft scheint
auf den ersten Blick in vielen gesellschaftlichen und kulturellen Disziplinen selbstverständlich geworden zu
sein. Allerorten reagieren Soziologen,
Ökonomen, Stadtplaner und Politiker, aber auch Künstler, Philosophen
und Kulturwissenschaftler in ihrer
Arbeit vehement auf gegenwärtige
gesellschaftliche Strömungen und
Veränderungen.
Nur: Redet dabei eigentlich irgendjemand miteinander? Oder
bleibt nicht heute beim Planen von
Zukunft noch immer jeder automa-
tisch (und vielleicht sogar lieber?)
für sich? In den seltensten Fällen, so
ist der Eindruck, gelingt die dringend
notwendige Zusammenführung verschiedener Handlungskonzepte oder
gar die gemeinsame Diskussion aktueller Denkansätze über den eigenen Arbeitshorizont hinaus.
Im Gegenteil: Oft ist die eigene
Arbeit von großem Nichtwissen über
die Arbeit der anderen geprägt. Dabei
könnten gerade aus der Zusammenführung unterschiedlicher Perspektiven und Arbeitsweisen viel stärkere
Positionen und viel innovativere Ergebnisse entstehen.
ES BRAUCHT EINEN
ORT, DER ALLEN
GEHÖRT.
Denn soviel ist klar: Die Zukunft in
den Städten kann heute, wo der Wandel ein so tiefgreifender und zugleich
rasanter ist, keine gesellschaftliche
Gruppe, keine Institution und keine wissenschaftliche oder kulturelle
Disziplin allein bewältigen. Vielmehr
ist die Entwicklung neuer, gemeinsamer Handlungsstrategien gefordert.
Deshalb stellt sich die Frage:
Wo ist der Ort, an dem sich Wissenschaft und Kunst begegnen, um
über Gesellschaft zu diskutieren?
Wo ist der Ort, an dem Stadtplaner,
Ökonomen und Philosophen gemeinsam über die Folgen von Migration nachdenken?
Wo ist der Ort, an dem die verschiedenen Handlungskonzepte und
Positionen gebündelt, verbunden,
gegeneinander abgewogen und auch
öffentlich diskutiert werden? Wo
ist der Ort, an dem Zukunftsstrategien entwickelt werden, die nicht
nur die Perspektive einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe oder
Disziplin berücksichtigen, sondern
tatsächlich das Know-how und die
Lebensrealität möglichst vieler sammeln und weiterentwickeln? Und wo
ist der Ort, an dem nachwachsende
Generationen in die Gestaltung von
Zukunft eingebunden werden und
ihre enormen kreativen Potenziale
systematisch nutzen lernen, um sich
schon heute Gedanken über morgen
zu machen?
NACHHALTIGKEIT
LAUTET DAS MANTRA
DER STUNDE
Das Schauspielhaus Bochum hat
während des Kulturhauptstadtjahres
2010 gemeinsam mit vielen Partnern
das ganze Ruhrgebiet bespielt: Für
das Kulturhauptstadtprojekt „Next
Generation“ wurden Zukunftshäuser in Duisburg-Marxloh, Essen,
Bochum und Herne eingerichtet, in
denen Jugendliche ein Jahr lang ihre
Vorstellungen von Zukunft entwickelt haben.
Der Autor und Regisseur Nuran
David Calis hat parallel dazu Jugendliche aus allen Häusern in einer großen Produktion auf der Bühne der
Kammerspiele des Bochumer Schauspielhauses versammelt. Gemeinsam spielen 40 von ihnen seit Herbst
2010 „Next Generation – Das Stück“
– vor nahezu ausverkauftem Haus,
denn das, was sie zu erzählen haben,
geht alle an.
Was in „Next Generation“ erst
klein in den einzelnen Stadtteilen
begann und dann in der Begegnung
der verschiedenen Zukunftshäuser
immer größer wurde, bis es fast eine
„Bewegung“ geworden ist, wie einer
der teilnehmenden Jugendlichen es
nennt, hat vor allem eines gezeigt:
wie wichtig es ist, gehört zu werden
und teilhaben zu können, und wie
produktiv es ist, dabei auf Leute zu
treffen, die nicht das Gleiche tun,
wie man selbst.
DIE THEATER MÜSSEN
ZENTRUM DER
STÄDTE SEIN
Es sind in diesem Fall tatsächlich vor
allem die Künste, es ist ein Stadttheater, das als Motor und Katalysator
für den Prozess von Zukunftsgestaltung agiert. Im Kontext des Ortes,
an dem sie sich befinden, kommt
den Theatern heute und in Zukunft
eine besondere Rolle zu: Stadttheater müssen Zentrum sein. Nicht nur
räumlich, sondern auch im Rahmen
eines Diskurses über die Stadtgesellschaft und ihre Zukunft.
Sie müssen sich öffnen, aber nicht
aus der defizitären Not heraus, neue
Publikumsschichten für den alten
Betrieb zu gewinnen, sondern aus
einer Lust heraus, sich einzumischen
und Verbindungen herzustellen.
Zwischen den verschiedenen Milieus einer Stadt, den unterschiedlichen Disziplinen von Kultur und
Stadtplanung und ja, auch zwischen
unterschiedlichen
künstlerischen
Formen. Sie können und müssen der
Ort sein, an dem sich die Bewohner
einer Stadt begegnen. Und zwar alle
Bewohner.
Als Motor für Stadtentwicklung
kann ihnen so eine Rolle zukommen,
deren Kraft gerade von den Kommunen als Träger der großen Häuser oft
immer noch unterschätzt wird.
EINE NEUE
ZUKUNFTSAKADEMIE
FÜR NRW
Um diesen Prozess der Öffnung und
der Gestaltung einer zukünftigen
Stadtgesellschaft weiter voranzutreiben und auch, um noch stärker Teil
eines breiteren Diskurses zu werden, beteiligt sich das Schauspielhaus Bochum als Ideengeber an der
Gründung und Ausgestaltung einer
neuen Institution: Gemeinsam mit
dem Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des
Landes Nordrhein-Westfalen – dort
vor allem mit dem Referat für Interkulturelle Kunst- und Kulturarbeit
– und der Stiftung Mercator ruft das
Schauspielhaus Bochum die „Zukunftsakademie NRW“ ins Leben.
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ihren Sitz in Bochum in einem Haus
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Zukunft macht keiner allein
im Viktoriaquartier haben wird, das
die Stadt Bochum zur Verfügung
stellt, wird sich Zukunftsfragen unter dem Schwerpunkt der Interkultur
und der kulturellen Bildung widmen.
Sie kann der Ort werden, an dem sich
verschiedene Denkansätze und Strategien begegnen können – und dabei
auf praktische Projekte treffen.
Die Zukunftsakademie versteht
sich so als ein landesweites Laboratorium für Kunst-, Kultur- und
Praxisprojekte sowie als Ort für
Austausch und Diskussionen. Sie
ist Qualifizierungseinrichtung für
Fachkräfte und Forschungsstätte für
zukunftsrelevante Themen. In ihr
sollen Modelle für die Zukunft der
Ruhrregion und darüber hinaus entwickelt und erprobt werden.
Durch die Verbindung der Konzepte
DREI SÄULEN:
LABOR, PRAXIS,
QUALIFIZIERUNG
„Kulturelle Bildung“ und „Interkultur“ will die Zukunftsakademie
NRW für alle den Zugang zu Kunst
und Kultur ermöglichen. Interkultur wird dabei nicht ausschließlich
als Dialog zwischen Migranten und
Nichtmigranten verstanden, sondern als Verständigungsprozess einer
komplexen Stadtgesellschaft über
sich selbst.
Es ist geplant, die Arbeit der Zukunftsakademie auf drei Säulen aufzubauen:
1. Labor: „Die Kunst des Denkens“ – Wie sieht die Stadtgesellschaft von morgen aus?
Diese Säule der Akademie versteht
sich als Forschungs- und Entwicklungslabor für die Beantwortung der
Frage, was Regionen wie das Ruhrgebiet und andere brauchen, um zukunftsfähig zu sein, und wie sich diese Zukunftsfähigkeit erreichen lässt.
Hier geht es um Debatten, Symposien, öffentliche Diskussionen und
Forschung.
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Zukunft macht keiner allein
2. Praxis: „Die Kunst der Beteiligung“ – In Beteiligung Zukunft
gestalten.
Hier werden in enger Zusammenarbeit mit Kunst- und Kultureinrichtungen, Schulen, Hochschulen und
wissenschaftlichen Instituten aus
NRW kulturelle Bildungsprojekte
sowie Programme und Kunstprojekte zum Thema „Interkultur“ initiiert.
So entstehen Kunst- und Kulturprojekte und übergreifende Praxis- und
Bildungsprogramme.
3. Qualifizierung: „Die Kunst der
Vermittlung“ – Wissen und Kompetenzen für die Zukunft entwickeln.
Hier findet eine Fokussierung auf
Schlüsselpersonen im Übergang von
kultureller Bildung, Schule und interkultureller Kunst und Kultur statt.
In Beratungen, Seminaren und qualifizierter Aus- und Weiterbildung.
Durch das vernetzte Zusammenspiel
dieser drei Säulen soll die Zukunftsakademie zu einem innovativen Gebäude der Zukunft werden. Ein Ort
mitten in Bochum für ganz NRW. In
Zeiten, in denen die Zukunft alles
andere als sicher ist.
Die Zukunftsakademie NRW befindet
sich derzeit in Gründung und wird
voraussichtlich Ende 2011 ihre Arbeit
aufnehmen. Sie ist eine gemeinsame Initiative des Ministeriums für Familie,
Kinder, Jugend, Kultur und Sport des
Landes Nordrhein-Westfalen, der Stiftung Mercator und des Schauspielhauses Bochum mit Sitz in Bochum.
Im Rahmen von „Next Generation“:
„Auf der Suche nach dem Gedächtnis des Ruhrgebiets“
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Zukunft der stadt – Schöne Aussichten
Zukunft der stadt – Schöne Aussichten
BONGARDSTRASSE 1952
Schöne Aussichten
Warum Geschichte für die Zukunft wichtig ist /
von Dietmar Osses
BONGARDSTRASSE heute
Wir leben in wechselhaften Zeiten.
Und der Wandel scheint immer
schneller vonstatten zu gehen. Das
gilt vor allem für den technologischen Wandel: Computer, Software,
Handy – kaum hat man sich an die
Bedienung und neue Funktionen gewöhnt, schon folgt die neue Generation. Wer kann da noch mithalten?
Aber auch Staat und Gesellschaft
ändern sich, zumindest in Europa,
82
in einem ungeahnten Tempo. Fall
der Mauer, Wiedervereinigung, Auflösung des Ostblocks, Krise, Krieg
und Neuformierung von Staaten in
Osteuropa und auf dem Balkan, Zusammenrücken der EU-Staaten, Reform und Revolution in arabischen
und afrikanischen Staaten – immer
schneller scheint sich das Rad der
Geschichte zu drehen.
Droht der Kollaps? Oder liegt es
vielleicht auch an der Perspektive?
Schließlich leben wir im Informationszeitalter. Unzählige Nachrichten
aus aller Welt prasseln pausenlos
auf uns ein. Per Internet. Liveticker.
Fernsehen. Radio. Mit dem Informationszeitalter kommt die Globalisierung der Information. Nachrichten
aus aller Welt sind überall verfügbar.
Und das alles praktisch ohne Zeitverzug: in Echtzeit. Bemerkenswert,
diese Wortneuschöpfung. Als wäre
langsamen Medien nicht zu trauen, verlören die Informationen an
„Echtheit“, wenn sie verzögert zu
uns kämen.
Gleichzeitig droht die Banalisierung der Information. E-Mail, SMS,
Twitter, Facebook: Milliarden von
Belanglosigkeiten werden täglich
ausgetauscht. „A mag B nicht mehr“.
„C geht heute in die Kneipe“. „Der
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Hund von D hat ein neues Halsband
– gefällt mir!“ Im Smartphone verschmelzen die Informationsströme
zur skurrilen Mischung: Hundehalsband-News neben Live-Berichten
von Revolutionen in Nordafrika.
Manche von denen elektronisch organisiert per „social networks“.
Um hier den Überblick zu behalten und nicht haltlos einem Taumel
des immer schnelleren Wandels zu
Zukunft der stadt – Schöne Aussichten
Zukunft der stadt – Schöne Aussichten
kortumstraSSe heute
kortumstrasse 1955
verfallen, lohnt der Perspektivwechsel: neuer Fokus, Veränderung der
Brennweite.
Erster Brennpunkt: Die USA.
„Change“ war das Stichwort der
Wahlkampagne von Barack Obama
beim
Präsidentschaftswahlkampf
2008. „Change“ wurde weit über
die USA hinaus zum Slogan für das
Aufbrechen verkrusteter Strukturen
und Ansichten. Wandel, hier aus der
politischen Erfahrung der USA eben
nicht als Naturgewalt einer fortwährenden selbstständigen Beschleunigung verstanden, sondern als
bewusste Aktion, die es anzustoßen
galt, als aktives Handeln, als erster
Schritt zur positiven Veränderung.
Zweiter Brennpunkt: Das Ruhrgebiet. Spätestens seit dem Titel „Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010“
scheut das Revier nicht den Vergleich
84
mit den großen Metropolen. „Kultur
durch Wandel – Wandel durch Kultur“ war das Motto. Beschreibung
des Erreichten oder Ansporn für die
Zukunft? Große Teile des Programms
waren auf die Zukunft ausgerichtet.
Ohnehin hat Zukunft Konjunktur.
„Herausforderungen der Zukunft
meistern“, „Zukunftsfähigkeit“, das
sind in unserer Gesellschaft allgemein anerkannte Forderungen. Wo-
bei die Zukunft allein ja kein Wert
ist: „Sie kommt“, wie der Dortmunder Kabarettist Fritz Eckenga treffend
bemerkt, „ja sowieso“. Der heute für
die kommenden Zeiten anzunehmende Wandel bildet die Herausforderung – und die Chance, durch aktives Handeln in der Gegenwart die
künftige Entwicklung zu beeinflussen. Aktives Handeln, Experimentieren, Erproben: Gerade die Kultur hat
gezeigt, welche innovativen Kräfte in
ihr stecken. Schauspielhäuser, Theater und Bühnen zeigen sich als Zukunftslabore und Ort der Utopien.
Der Wandel hat indes eine lange
Tradition in der Region. Und kaum
eine andere industrielle Region hat
einen solch umfassenden und sich
dabei über einen solch langen Zeitraum erstreckenden Wandlungsprozess durchlebt wie das Ruhrgebiet.
85
Vor mehr als fünfzig Jahren begann
mit der ersten großen Kohlekrise der
Nachkriegszeit der langsame und
stete Niedergang des Steinkohlenbergbaus im Revier, der die gesamte
Schwerindustrie erfasste und in dessen Folge sich die wirtschaftliche und
gesellschaftliche Struktur der Region
grundlegend änderte.
Änderung der Brennweite: Utopien schauen nach vorn. Sie können
Zukunft der stadt – Schöne Aussichten
Zukunft der stadt – Schöne Aussichten
kortumstraSSe/Engelbert-brunnen heute
kortumstrasse/Engelbert-brunnen 1955
begeistern, irritieren, verstören. Sie
entwickeln Dynamik, reißen mit.
Wohin? Was bleibt – bleibt was? Was
geben wir auf, was bekommen wir?
Die Änderung der Brennweite, der
Blick zurück in die Geschichte, kann
hier oft neue Perspektiven eröffnen.
Geschichte wiederholt sich nicht,
aber ein Blick in die Geschichte kann
die Bedingungen der Möglichkeiten
zeigen, die die Entwicklung in der
Vergangenheit beeinflusst haben. Geschichte liefert keine Rezepte für die
Zukunft. Sie bietet aber die Chance,
Veränderungen in ihrer historischen
Bedingtheit zu erkennen und damit
Anstöße für die Gegenwart zu liefern: Änderung ist möglich.
„Aus der Geschichte für die Zukunft lernen“ – als bewusster Perspektivwechsel eingesetzt, bleibt
das keine blutleere Formel der Ge-
86
schichtsdidaktiker, sondern kann
zur Methode werden, den Wandel
gestalten zu helfen.
Geschichte ist ständig erlebbar und greifbar nahe. Besonders
im Ruhrgebiet. Hier ragen zufällige
Überreste und gepflegte Industriedenkmale, Brachen und Siedlungen,
Halden und Senken als Zeugnisse
des schwindenden Industriezeitalters auf Schritt und Tritt in unsere
Gegenwart hinein. Sie erzählen von
Aufstieg und Fall, Macht und Ohnmacht, Gestaltungswillen und Widerstand, erreichten und unerreichten Utopien. Sie zeigen die Spuren
ihrer Nutzung und der Zeit – und
verweisen damit letztlich immer auf
die Menschen.
Was für die Gegenwart das Theater ist, ist für die Vergangenheit das
Museum: Bühne und Labor zugleich.
Beide schauen mit wechselnden Perspektiven auf die Menschen, sind Experimentierfeld für Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft. In kaum
einer anderen Region ist das spannender als im Ruhrgebiet.
Dietmar Osses ist Historiker und Leiter des LWL-Industriemuseums Zeche
Hannover im Städtedreieck Bochum,
Herne und Wattenscheid.
87
vorher – nachher
Die Fotos auf diesen Seiten
sind historische Aufnahmen aus den Beständen des
Bochumer Stadtarchivs. Der
Fotograf Alexander Romey
hat sich auf Spurensuche begeben und Jahrzehnte später am gleichen Standort
nochmal auf den Auslöser
gedrückt.
Zukunft der stadt – Zwei Prozent wandel
Zukunft der stadt – Zwei Prozent wandel
Damit keiner verloren geht, ist in diesem Plan
das Zentrum der Stadt als Koordinate markiert: Das Schauspielhaus an der Königsallee.
Zwei Prozent
Wandel auf
schwarz-weißem
Grund
Dieser Plan zeigt die Seele der Stadt / von Eckart Kröck
Die Analyse und Deutung der räumlichen Grundstrukturen der gebauten Stadt erfordern die Darstellung
in Karten, Plänen und Modellen.
Die gewöhnliche Stadtkarte mit ihren bunten Flächen und Linien, den
Straßennamen, den Bezeichnungen
der öffentlichen Gebäude, den unterschiedlichen Nutzungsangaben
und den politischen und administrativen Grenzen unter dem kar-
88
tografischen Suchraster ist uns ein
täglicher Begleiter in der Heimat wie
in der Ferne. Sehr viel einfacher dagegen sind die Darstellungselemente
des Figur-Grund-Plans. Auf weißem
Grund zeigt er die Leerstellen der
Stadt und mit den geschwärzten
Flächen die Körnigkeit und die Stellung der Bebauung – hier die kleinen
Reihen- und Doppelhäuser, dort die
großen Strukturen der Fabriken oder
die Shopping-Malls. Die Raumbildung oder eben auch das öde Auseinanderfließen des ungestalteten
Raumes werden deutlich, und wer
auf eine historische Reise gehen will,
findet mit ein wenig Übung den ganzen Vorrat der Stadtgeschichte. Jeder
Bruch oder jede Abkehr von einer
harmonischen Ordnung wie auch die
geschickte Verzahnung unterschiedlichster Strukturen berichten vom
Werden und Vergehen einer Stadt.
Vor allem aber ist der Figur-GrundPlan reinste Poesie: Er offeriert in
tiefer perspektivischer Abschattung
einen möglichen Seelenzustand der
Stadt, vergleichbar den Furchen und
Narben in einer Hand, die von der
Lebensgeschichte und dem Zustand
eines Menschen berichten. Auf Treu
und Glaube sind wir alle unumkehrbar in die globale Stadt eingebunden.
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Die Arbeit in und mit der Stadt ist
eine Arbeit am Lesebuch der Stadt,
dem Figur-Grund-Plan. Wir schreiben uns in dieses Dokument mit
unseren unterschiedlichen Beiträgen
ein und bestimmen damit die Zukunft der Stadt.
Der vom Menschen verortete Erfahrungsraum sichert die Differenz zwischen der objektiv messbaren und
Zukunft der stadt – Zwei Prozent wandel
der gefühlten Zeit. Zugleich bildet er
das stabile und dauerhafte Gerüst für
Offenheit, Toleranz und beständigen
Wandel und vice versa benötigt die
Verortung des unendlichen Raumes
die drei Zeitzustände: Vergangenheit,
flüchtige Gegenwart und Zukunft.
Das beständige Nebeneinander
von stabilen und instabilen Prozessen sowie die drastische Verminderung der Entfernungszeiten und die
Mechanisierung unserer Arbeitsund Lebensprozesse heben die Simultanität von Raum und Zeit auf.
Die gebaute Stadt verändert
sich maximal zwei Prozent
im Jahr
Nicht allein die rasante Entfaltung
der Informationstechnologien verwandelt binnen kürzester Zeit unsere Lebenswelt. Bereits die Zeit für die
Urfunktion der Stadt, das Wohnen,
stellt sich für verschiedene Altersgruppen und ihre jeweiligen Bedürfnislagen höchst unterschiedlich dar.
Der Kontrast zwischen der Zeit
des dynamisch aktiven Lebens und
dem langsamen Verrinnen der Zeit
für die Menschen in Altersheimen
verändert unmittelbar die Bedeutung des Hauses oder Quartiers, gar
der Stadt. Extrem kurze Werbespots,
Fastfood, die Erhöhung der Redegeschwindigkeit und selbst das Tempo
der Fußgänger hat sich in den letzten
zwei Dekaden um 20 bis 30 Prozent
gesteigert, freilich ohne dass sich
das steinerne Trottoir änderte. Die
Beschleunigung der ökonomischen,
technischen, kulturellen und sozialen Prozesse überholt fortwährend
die Trägheit des gebauten Raumes.
Die maximal 2 Prozent Veränderung
pro Jahr, die die Stadttheorie der gebauten Stadt attestiert, kann mit dem
nachmodernen
Beschleunigungsrausch nicht Schritt halten. Selbst
in wirtschaftlich prosperierenden
Zeiten und in den Wachstumszentren der Republik wird sich unsere
bauliche Umwelt – die Straßen und
Gleise, die Fabriken und Bürohäuser,
die Parkanlagen und Wohnungen –
nicht schneller verändern.
Die Architektur ist zu langsam für
den sich unerbittlich um sich selbst
drehenden Zeiger oder die Pulsation
des ewigen Metronoms. Alle radikalen Versuche zu einer Flexibilisierung
der gebauten Stadt sind im Grunde
gescheitert.
Auf der Ebene des Gebäudes hatte
sich der wohl wichtigste Architekt des
20. Jahrhunderts, Le Corbusier, mit
einem Pavillon für die Fa. Philips auf
der Weltausstellung in Brüssel 1958
mit einer vierdimensionalen RaumZeit-Architektur probiert. Sein acht
Minuten dauerndes, auf Wiederholung programmiertes „Gedicht“
zur Veränderung des Innenraumes
durch Ton, Licht, Farbe und Rhythmus darf als ein erster poetischer
Ansatz für ein intelligentes Gebäude
verstanden werden.
Am weitesten reichten die Allmachtsfantasien der Mondfahrergeneration zu einer umfassenden
Flexibilisierung ganzer Städte. Die
sozial und technisch ambitionierte
Avantgarde der 1960er und 70er Jahre konzipierte riesige Primärgerüste
aus Raumfachwerken. In das neutrale Trag- und Versorgungsgerüst
konnten Wohnkapseln an beliebigen
Stellen angedockt und entsprechend
der gewünschten sozialen Figurationen untereinander verkoppelt werden.
Die baulichen Deserteure
des Stadtraumes
Die rechtlichen, ökonomischen
und verkehrlichen Restriktionen
des Grund und Bodens sollten sich
durch die Kolonisierung des Luftraumes in der zweiten Schicht über der
alten Stadt auflösen. Die visionären,
ortlosen Superplastiken blieben lediglich Papierskizzen, landeten, wie
das Pariser Centre Georges Pompidou der Architekten Renzo Piano
und Richard Rogers, als bauliche
Deserteure im Stadtraum oder wurden, wie die Metastadt Wulfen des
Architekten Richard Dietrich in den
1980er Jahren, nach nur 20 Jahren
zurückgebaut.
Die kühnen Entwürfe befeuerten
zwar die Architektur- und Städtebaudiskussionen, fanden jedoch nur sehr
begrenzten Eingang in die Praxis. Als
wichtigste Einsicht bleibt, dass nur
90
robuste Bau- und Siedlungsstrukturen in der Lage sind, es mit den beständigen Veränderungsprozessen
der Stadt aufzunehmen.
Die traditionellen städtebaulichen Grundstrukturen der europäischen Stadt besitzen hier ganz augenscheinlich große Vorteile: Kompakt
bebaut und damit flächensparend,
randständig an der Straße orientiert
sowie raumbildend situiert, schaffen
sie räumlich und sozial verständliche
öffentliche Bereiche und trennen
diese eindeutig von den intimeren
Nutzungen auf der privaten Parzelle. Auch die beste Einzelarchitektur
kann sie nicht ersetzen. Wenn der
Hauseingang nicht mehr direkt von
der Straße zu erreichen ist, verliert
das Gebäude sein öffentliches Gesicht und der Straßenraum seine Attraktivität. Die soziale Kontrolle auf
der Straße geht verloren und sie wird
zum eindimensionalen Verkehrsträger reduziert.
Die vierdimensionale Gewissheit aus
Raum und Zeit konstituiert unsere
urbane Umwelt. Sie bildet ein solides
Fundament für Stabilität und Veränderung. In der Raumzeit entfaltet
sich das ganz große Theater der Stadt
und die Inszenierung der Alltagswelt
findet ihre Bühne. Die komplexe Matrix aus Raum und Zeit eröffnet einen urbanen Möglichkeitsraum für
beständig neue Aushandlungsprozesse zwischen Individuen und sozialen Gruppen zu den unterschiedlichsten Initiativen, Aktivitäten und
Nutzungen.
Je überschaubarer der Möglichkeitsraum ist, um so eher besteht
die Chance zur Intervention und
Beherrschbarkeit. Eine Überlagerung
des räumlichen Planes mit einer
Zeitleitplanung als einem verdeckten
Stellwerk wird aber selbst im kleinsten Stadtquartier keine durchgreifend planvolle Modulation der Lebens- und Arbeitszeit ermöglichen.
Es braucht den von der
Straße erreichbaren Hauseingang
Die Kontrolle über Raum und Zeit
ist uns verwehrt. Was uns ankert,
ist der urbane Möglichkeitsraum als
praktisches Labor für die Gestaltung
kooperativer Entwicklungswege, für
die Ausbildung demokratischer Entscheidungs- und Durchsetzungsstile
sowie für das fortwährende Lernen
der Stadt aus ihrer Praxis heraus,
als ein Schlüssel ihrer erfolgreichen
Existenz.
Schon längst werden ursprünglich
monofunktional geplante Räume,
etwa Schulhöfe oder Turnhallen,
durch verschiedenste Gruppen und
zu unterschiedlichsten Aktivitäten
genutzt und die Straßen und Plätze
gewinnen zunehmend ihre vielfältige
Bedeutung als öffentlich genutzten
Raum zurück. Wenn auch die Lärmempfindlichkeit und die Reizschwelle
für Störungen gewachsen sind, wird
doch eine der wesentlichsten Errungenschaften der über 2.000 Jahre alten europäischen Stadt, das neue alte
Paradigma der Nutzungsmischung,
weiter an Bedeutung gewinnen.
Vielfältige und kreative Städte
formulieren sich aus dieser Überschneidung und Verschränkung
und entwickeln daraus bislang nicht
wahrgenommene Möglichkeitsräume. Auch dazu sind die einfachen
und robusten Grundstrukturen des
traditionellen europäischen Stadtraumes unabdingbar. Nachhaltig,
über die biografische Lebensspanne
der Erbauer hinaus, sorgen sie für die
notwendige „Umkonstruktionsfähigkeit“ der Gebäude wie der Stadt.
Frank Reiners**
Christian Vietmeyer
Dr. Oskar A. Trost**
Dr. Karl-Heinz Böttner*
Guido Zimmermann
Wirtschaftsprüfer
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Rechtsanwalt
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Integrierte Wirtschaftsberatung
Um optimale Beratungsresultate für unsere Mandanten
zu erreichen, haben wir verschiedene Kompetenzen aus
drei Fachbereichen integriert:
• Wirtschaftsprüfung
• Steuerberatung
• Rechtsberatung
Trost · Rudoba & Partner betreut Unternehmen, Organisationen, Gesellschafter, Freiberufler und Privatpersonen in den Fachbereichen Wirtschaftsprüfung und
Steuerberatung.
Die Rechtsberatung erfolgt durch die Anwälte der Sozietät Trost · Rudoba & Sozien. Je nach Aufgabe arbeitet
ein individuell zusammengestelltes Team für Sie.
* Internationales Steuerrecht
** Qualitätskontrollen gem. § 57a WPO
Eckart Kröck war Stadtplaner und
Architekt unter anderem in Frankfurt
am Main und in Gelsenkirchen für
die Internationale Bauausstellung Emscher Park 1. Derzeit ist er Amts- und
Institutsleiter für Stadtplanung und
Bauordnung der Stadt Bochum.
Morianstraße 45
42103 Wuppertal
Telefon: (0202) 49 23-0
Telefax: (0202) 49 23-111
david bösch – little creatures
little
creatures
ein portrÄt des bochumer
Hausregisseurs david bösch
Text: Sabine Reich
Fotos: christian Rolfes
G
eht man in eine Inszenierung des Regisseurs David
Bösch, weiß man nie, wer
einem dort begegnen wird. Es sind
merkwürdige Wesen, die uns da
plötzlich gegenüberstehen: ekelige
Monster, Zombies, Freaks und wilde Geister haben sich auf die Bühne
verirrt. Traurige Schattengestalten
stehen plötzlich im grellen Licht und
berühren uns mit ihren Geschichten, die in keinem Theaterstück der
Welt geschrieben wurden. Sie alle
sind Figuren, die es gar nicht gibt. Sie
existieren nicht, bevor David Bösch
sie nicht auf die Bühne bringt. Kein
Autor hat sie erdacht, keine Buchstaben bannen sie schwarz auf weiß auf
93
Papier. David Bösch hat sie von Probe zu Probe ins Leben gerufen.
Er hat sie gesucht und verworfen, gehasst und geliebt, sie täglich
neu erfunden und täglich wieder
zerstört. Am Ende stehen sie vor uns
und warten auf Applaus. Sie sind seine Kreaturen und er hat sie zur Welt
gebracht.
david bösch – little creatures
A
riel und Caliban sind zur
Welt gekommen in Shakespeares „Sturm“. Luftgeist und
Hexenbalg gehören und gehorchen
Prospero, dem mächtigen Zauberer,
und ihn verfluchen sie. Aus dieser
Ambivalenz zwischen Liebe und
Hass, Aufbegehren und Verrat hat
David Bösch zwei Figuren entwickelt,
die plötzlich im Zentrum stehen. Sie
sind es, die die Ereignisse auf der
Insel erzählen und ihre Sehnsucht
begleitet uns durch das Stück. Es ist
ihr Stück, das David Bösch erzählt.
Und so, wie es seine Kreaturen sind,
so ist es immer seine Geschichte, die
er erzählt.
Puck war die erste Kreatur, die
er zum Leben erweckte – jener wilde Geist, der zwischen Wald und
Wiesen im „Sommernachtstraum“
sein Unwesen treibt. 2005 eröffnete David Bösch damit die Intendanz
von Anselm Weber am Schauspiel
Essen und jahrelang war von diesem Puck die Rede. Der kleine Puck
hatte sich von einem Naturgeist in
ein Menschenkind verwandelt, aus
dem Schritt für Schritt eine junge
Frau wurde. Jedes Mal, wenn Puck
einem Menschen im Wald begegnete, entdeckte er, was er eigentlich ist.
Aus dem Kind, das spielt, wurde eine
junge Frau, die liebt oder zumindest
weiß, dass sie dazu in der Lage ist. Es
war ihre Geschichte, die den „Sommernachtstraum“ besonders machte.
Puck ist die kleine Schwester der
beiden großen, erwachsenen Brüder
Ariel und Caliban. Ihre eigentümliche
Familie scheint entfernt verwandt zu
sein mit der Familie der Gremlins, jenen liebenswerten Kuscheltieren, die
sich jeden Augenblick in fiese Monster verwandeln können. Nur funktionieren David Böschs Figuren umgekehrt: Sie sind fiese Monster, denen
wir dabei zuschauen, wie sie liebenswerte Menschen werden oder zumindest davon träumen, solche zu sein.
Anders gesagt: Sie sind Menschen in
der Pubertät, jener Phase im Leben, in
der wir werden, was wir sind.
P
ubertät, das ist absoluter Ausnahmezustand, findet David
Bösch. „Niemals wieder erleben wir Emotionen so stark und
intensiv, niemals empfinden wir so
absolut und tief. Diese starken Emotionen vermissen wir später im Leben“, sagt er.
In der Pubertät geschieht alles
das erste Mal: Man fällt heraus aus
seinem Leben und wird sich fremd,
fühlt sich wie ein Alien, ein Monster,
so hässlich, ungeliebt und unverstanden. Hass auf die Welt, blinde Zerstörungswut, narzisstische Allmachtsfantasien und Aggressionen wüten in
den Seelen, in denen immer noch ein
kleines Kind wohnt, das kuscheln will
und spielen. Es ist, als ob die Mächte
des Bösen und Guten um die Seelen kämpfen, und in einem großen
Sturm wird das Kind, das sie einmal
waren, vertrieben. Eine Sehnsucht,
die sie nicht benennen und begreifen
können, treibt sie an, und aus kleinen
Raupen werden schöne Schmetterlinge. Auf der Bühne schauen wir David
Böschs Figuren zu, wie aus Monstern
Menschen werden.
„Mein Vater sagt immer, ich hatte eine schlimme Kindheit, aber ich
glaube das nicht.“ David Böschs Vater ist Psychologe und Psychoanalytiker. Die Arbeit auf den Proben im
Theater empfindet er nicht so weit
weg von dem, was sein Vater tut:
„Einer erzählt etwas und einer hört
zu.“ Aufgewachsen ist David Bösch
in Ostwestfalen-Lippe, seine Eltern
leben heute noch dort. Erste Theatererfahrungen sammelte er in Bochum
bei dem Projekt „Theater Total“. Dort,
erinnert er sich, gab ihm sein Tanzlehrer den Rat, ein Jahr zu trainieren,
dann könne ein merkwürdiger Tänzer aus ihm werden. Lieber aber inszenierte er den „Urfaust“ und in seiner Erinnerung passierte es während
dieser ersten Proben, dass er merkte:
„Das ist meine Art, Kreativität auszuleben. Das macht Spaß.“
P
roben mit David Bösch machen Spaß, aber sie sind eine
schwere Geburt, denn die Geschichten und Kreaturen, die uns
und ihm am Ende auf der Bühne
gegenüberstehen, müssen mühsam
auf die Welt gebracht werden. Es
gibt sie weder in dem Stück, das er
inszeniert, noch in seinem Kopf. Sie
erwachen während der Proben und
nehmen Schritt für Schritt Gestalt
an. Seine Arbeit beginnt mit Stri94
david bösch – little creatures
Kleiner Mann –
was nun?
Draussen
vor der tür
Premiere am 7. Januar 2012 im Schauspielhaus
Premiere am 4. Mai 2012 in den Kammerspielen
Manchmal sind es die kleinen Dinge, die das Leben ausmachen. Zum Beispiel die Liste über den Normal-Etat, die
Lämmchen erstellt hat für alle Einnahmen und Ausgaben
der kleinen Familie Pinneberg. Lämmchen und ihr Mann
geben sich ein großes Versprechen: Sie werden den Etat
einhalten, drei Zigaretten am Tag und Blumen für 1,15 im
Monat müssen reichen. So werden kleine Dinge zu großen
Träumen. Irgendwann einmal ein Leben ohne Sorgen, in
dem das Geld reicht, die Arbeit sicher ist und in dem der
Murkel, der bald zur Welt kommt, in Sicherheit aufwachsen kann. Das wäre schön.
Ein kleines bisschen Glück haben die beiden bereits
gefunden, als sie sich und ihre Liebe fanden. Das reicht
lange, aber ob es auch ausreicht, wenn Pinneberg ohne Arbeit ist und alles abwärts geht? Wenn Mutter Pinneberg
und alle anderen nur an sich denken? „Die wollen alle was
von mir, für mich wollen sie doch nichts“, denkt Pinneberg traurig.
1932 schrieb Hans Fallada den Roman über den kleinen Angestellten und seine beherzte Frau, die in den wirren
Jahren der Weltwirtschaftskrise des letzten Jahrhunderts
verzweifelt um ihre Existenz kämpfen. 1972, vierzig Jahre
später, brachte Peter Zadek das Stück auf die Bühne des
Schauspielhauses Bochum und prägte damit eine neue Art
von politischem Volkstheater. Wiederum vierzig Jahre später inszeniert David Bösch diese Geschichte erneut.
„Ein Mann kommt nach Deutschland... Einer von denen,
die nach Hause kommen und die dann doch nicht nach
Hause kommen, weil für sie kein Zuhause mehr da ist. Und
ihr Zuhause ist dann draußen vor der Tür. Ihr Deutschland
ist draußen, nachts im Regen, auf der Straße.“
Mit diesen Worten eröffnet Wolfgang Borchert 1946
sein Stück „Draußen vor der Tür“, das wie kein anderes die
Gefühle der Nachkriegsgeneration zum Ausdruck brachte. Wie ein Schrei durchbrachen die leidenschaftlichen
Worte des Kriegsheimkehrers Beckmann das beklemmende Schweigen und die Stille in dem vom Krieg zerstörten
Land.
Das Stück folgt den Stationen von Beckmann, der durch
seine Heimatstadt irrt und kein Zuhause findet. Dabei begegnet er verschiedenen Figuren, die ihn und sein Schicksal
befragen: Gott, an den keiner mehr glaubt, dem Tod, der
floriert, der Elbe, die ihn nicht als Selbstmörder haben will,
beim Mädchen wird er vertrieben und im Bett seiner Frau
liegt ein anderer. Er bleibt allein mit seinen Wunden und
Erinnerungen, mit seiner Verantwortung und der Schuld.
Er bleibt draußen vor der Tür.
von Hans Fallada
Zwei Mal vierzig Jahre später und die Fragen sind doch die
gleichen geblieben: Wie können Menschen in unsicheren
Zeiten überleben, wenn gigantische wirtschaftliche Systeme zerbrechen und sie wie Zwerge zermalmen? Sie stehen
immer wieder auf und kämpfen weiter. Eine alte, traurige
und schöne Geschichte über die Liebe und das Glück in
dunklen Zeiten – immer noch.
von Wolfgang Borchert
Auch heute irren Menschen durch die Straßen unserer
Städte, auch für sie liegt Deutschland draußen auf der Straße. Sie kommen aus dem Krieg, der heute überall, aber fern
von hier geführt wird, sind auf der Flucht, von wo auch
immer, vielleicht auch nur vor sich selber, vor der Armut,
dem Scheitern. Sie finden kein Zuhause und bleiben draußen vor der Tür. David Bösch befragt und inszeniert diesen
Klassiker der neuen deutschen Dramatik für die Bühne der
Kammerspiele.
Regie: David Bösch
Bühne: Dirk Thiele
Dramaturgie: Sabine Reich
Regie: David Bösch
Dramaturgie: Sabine Reich
chen. Wort für Wort, Satz für Satz
wird aus dem ursprünglichen Stück
Text gestrichen. David Bösch schafft
Schlupflöcher und Freiräume, aus
denen seine Kreaturen schlüpfen
können. Er sucht die zentralen Momente des Stückes, schafft konzentrierte Situationen, reduziert Rahmenhandlungen und Personen auf
das Nötigste. Übrig bleibt ein Skelett
von einem Stück, das er neu belebt.
Aus den Tiefen des Textes steigen
Figuren empor und nehmen sich
ihren Raum. Plötzlich stehen sie da,
allein und geblendet im Licht: Großaufnahme. „Die Großaufnahme im
Film ist der Blick in die Seele. Darum
beneide ich den Film, aber das kann
Theater auch, ich versuche es zumindest immer wieder.“
Die Großaufnahme, der Blick in die
Seele, ist der Moment, in dem eine Figur mit sich kämpft und darum ringt,
das werden zu können, was sie zu sein
glaubt. Üblicherweise ist das ein Monolog: viele Worte, die ein Mensch zu
sich sagt. David Bösch inszeniert Monologe mit wenig Text. Es sind nicht
die Worte, die eine Figur ausmachen.
Er vertraut nicht der Sprache, sondern der Sehnsucht der Figur.
D
er Tambourmajor in „Woyzeck“ braucht kein einziges
Wort auf der Bühne, um all
seinen Hass, seine Angst, seine Wut
und seine Einsamkeit in die Welt zu
schreien. Seine ganze Figur ist ein
einziger stummer Monolog und wir
schauen in den Abgrund seiner Seele. Ihm fehlen die Worte und vielleicht hat deshalb dieses Monster als
einziges in David Böschs Welt keine
Chance, sich zu verwandeln und zu
etwas anderem zu werden, als es ist.
Der Tambourmajor ist eine der
schärfsten und hoffnungslosesten
Figuren, die David Bösch inszeniert
hat, so wie auch der „Woyzeck“ einer
seiner dunkelsten und doch faszinierendsten Abende ist. Es ist eine alte
und müde Welt, durch die Woyzeck,
Marie und die anderen irren. Sie sind
verlorene Seelen, die vergessen haben, dass sie einst Kinder mit einem
großen Herzen waren. In ihre Welt
hat David Bösch die Kinder nicht
mitgenommen. Viele seiner anderen
Arbeiten hingegen sind Familienaufstellungen, in denen Kinder wütend gegen die Schatten ihrer viel zu
schwachen Eltern antreten. Wenn
sie scheitern, scheitert mit ihnen
eine ganze Generation von Eltern,
die ihren Job nicht machten.
„Romeo und Julia“, inszeniert
2004 in Bochum, gehören zu diesen
verlorenen Kindern wie auch „Antigone“ am Schauspiel Essen. Die
Tragödie passiert in beiden Inszenierungen, weil Kinder vollkommen
überfordert die Schuld der Eltern zu
tragen haben und daran zerbrechen.
Sie werden alleingelassen von hilflosen Vätern und Müttern, die sich
ihrer Verantwortung nicht stellen.
Auch das ist Pubertät: zu spüren,
wie schrecklich allein man ist in der
Welt. Niemand kann helfen, kei95
ner kennt den Weg hinaus aus dem
dunklen Wald.
W
o der Wald am dunkelsten ist, dahin zieht David
Bösch mit jeder Probe.
Jede Probe ist ein Schritt weiter hinein ins Dickicht, dahin, wo kein Sonnenlicht mehr scheint. Jetzt gilt es
nur noch, den eigenen Monstern zu
begegnen. Der Weg wird von Tag zu
Tag undurchsichtiger, das Labyrinth
verworrener. Doch im Innersten des
Waldes gelten keine Regeln: hier ist
alles erlaubt, wird alles ausprobiert
und alles ist möglich. Von nun an
wird gespielt und das ist ein großer,
wilder Spaß. Auf diesen Weg begleiten ihn nur die Schauspieler. Sie sind
es, die mit ihm gemeinsam die Freaks
und Monster wachrufen. Aus ihren
Spielen erwachsen diese eigentümlichen, wilden und zarten Wesen.
Sie verleihen ihnen Hand und Fuß,
geben ihnen Energie und hauchen
ihnen Leben ein.
Dann endlich stehen sie vor uns,
geblendet vom Bühnenlicht. Irgendwie haben sie ihren Weg aus der Tiefe
der Dunkelheit an die Rampe gefunden. Unbeholfen und linkisch stehen
sie da, aggressiv und ängstlich. Doch
wenn sie uns anschauen und wenn
sie – nach langer Zeit, denn es dauert
und ist ein langer Weg – die ersten
Worte finden und zu uns sprechen,
dann kann es sein, dass sie lächeln.
Und plötzlich sind sie wunderschön.
D
enn David Bösch gibt jedem Monster eine Chance.
Er hat sie freigelassen und
auf die Bühne gestellt, damit wir sie
erlösen. So wie er mit ihnen in den
dunklen Wald zieht, so führt er sie
auch wieder hinaus und weist ihnen
den Weg ins Licht. Dann sehen sie
uns an und wir sehen sie.
Großaufnahme: der Blick in die
Seele. Sehnsucht, sichtbar für einen
Moment. Aus Monstern werden
Menschen. Das gelingt immer dann,
wenn wir und unsere Monster uns
anschauen. Wir haben nur dann
eine Chance, ein Mensch zu werden,
wenn wir Menschen begegnen. Dieser magische Moment, in dem wir
uns im anderen erkennen, das ist das
Theater von David Bösch.
Was nun?
Fragt man sich doch oft. Ich zumindest.
Mal lauter und mal leise.
Da, wo Du jetzt bist, gibt es die Frage wohl nicht
mehr… Ach, wer weiß das schon.
Hier unten (oder ist es oben?) gibt es sie aber immer noch. Bei den Kleinen und den Großen.
Den Guttenbergs und den Pinnebergs. Vielleicht
sogar den Tieren, zumindest den Fischen.
Ach, wer weiß das schon.
Roman auf der Bühne. Fandest Du, als Du jung
warst, gut, als Du älter warst, nicht mehr so gut.
Seufz.
„Kleiner Mann“ machen wir hier unten/oben jetzt
viel. Scheint sie wieder zu geben. Die Lämmchens,
Pinnebergs, Jachmanns, Mias, Heilbutts, Marias
und auch die dicken Männer mit Brille.
Peter, ich wollte Dich um Erlaubnis fragen.
Ich möchte auch gerne? Wie, kein Problem… Dich
in Ruhe lassen mit dem Theaterquatsch… Besseres
zu tun… endlich?... Also, dürfte ich… wie, kein
Anschluß unter dieser… Wer ich überhaupt bin??...
Hallo… Peter… Hallooo.
„Die heißen Jahre“ hast Du Deine Bochumer Zeit
mal genannt. Also, lauwarm darf es dann wohl
nicht werden. Ich bemühe mich.
Ehrenwort.
Und wenn’s nix wird (passiert im Theater, aber
wem sag ich das), können wir uns ja immer noch
erinnern. An Dich. Und an das Leben. 1972.
Vor 40 Jahren.
Die Arbeit, die Liebe, die Wohnung.
Die neue Wohnung, die neue Liebe.
Und den unbedeutsamen Rest.
Man sieht sich,
David Böschs Brief richtet sich an Peter Zadek (1926-2009),
der von 1971-1975 Intendant des Schauspielhauses Bochum
war. 1972 inszenierte er hier sehr erfolgreich „Kleiner Mann –
was nun?“ nach dem Roman von Hans Fallada.
96
GEISTERSTUNDE
Kein Mensch weiß, wann dieses Hotel im Zentrum der Stadt
das letzte Mal tatsächlich geöffnet war. Und doch: es wirkt,
als sei das Leben hier nur kurz zum Stillstand gekommen, als
könnte es jeden Moment wieder losgehen. Und sind nicht
nachts manchmal Stimmen zu hören, wenn man daran vorbei geht, oder sogar Musik? Aus manchen Orten zieht man
eben einfach nicht aus. Over and out.
DAS LEBEN
DER BOHÈME
nach dem Film von Aki Kaurismäki
Premiere im Dezember 2011 im Theater Unten
Sie sind Überlebenskünstler. Der albanische Maler Rodolfo, der Komponist Schaunard und der Schriftsteller Marcel
sind ein poetisches Trio infernal. Am Rande des Existenzminimums schlagen sie sich mit Stil und Fantasie durch
den Dschungel der Großstadt. Sie leben von Tag zu Tag, von
der Hand in den Mund.
Inspiriert von Henri Murgers Roman „Scènes de la
vie de bohème” (1851) und Giacomo Puccinis Oper „La
Bohème“ erzählt der finnische Regisseur Aki Kaurismäki
in „Das Leben der Bohème“ vom Leben drei gestrandeter
Künstlerexistenzen. Mit bestechender Zartheit und liebevollem Humor lässt er sie gegen verständnislose Vermieter,
ungeduldige Gönner und die Willkür der Behörden kämpfen. Und natürlich ihre Liebe finden. Doch ihr fragiles
Glück lässt sich nicht halten. Als Rodolfos Geliebte Mimi
sterbenskrank wird, wenden die drei Freunde all ihren Erfindungsreichtum und ihre letzten finanziellen Mittel auf,
um die verbleibenden Tage ihres Lebens zu verschönern.
Eine melancholische Komödie so traurig-schön wie finnischer Tango.
Regie: Barbara Hauck
Bühne und Kostüme: Johanna von Gehren
Dramaturgie: Anna Haas
Foto: diana küster
Barbara Hauck ist Regieassistentin am Schauspielhaus Bochum und stellt mit dieser Arbeit ihre erste Inszenierung vor.
nuran david calis – das prinzip chioZZa
Das prinzip chiozza
„Machen wir uns nichts vor. Ich sollte
das tun, was ich am besten kann: Rambazamba“, sagt Nuran David Calis. Wie
gut er es kann, hat der Autor und Regisseur zuletzt mit „Next Generation“ gezeigt. Und auch, dass man laut sein und
trotzdem klug von heute erzählen kann.
Nun nimmt er sich – mit Schauspielern
des Ensembles und Sängern und Tänzern
aus der Stadt – Goldoni vor und dessen
Komödie „Krach in Chiozza“.
Ein Vorgeschmack.
E
s war Sonntag auf Montag.
3.00 Uhr. Auf dem Meer vor
der Küste Chiozzas. Nass und
kalt war es. Der Wind wehte stark
und Titta Nane, samt seiner Mannschaft, war todmüde. Aber Titta
Nane konnte nicht früher Schluss
machen… – sein Boot nach Hause
steuern, zu Lucietta, seinem Mädchen. Titta Nane würde sowieso
kein Auge zubekommen. Die Nacht
konnte so nicht enden. Die Netze
waren leer. Die Köder mussten noch
mal ausgeworfen werden. Hier und
da, um dieses und jenes einzufangen.
Bloß nicht mit leeren Händen zu
Hause blicken lassen. Niemals den
Appetit verlieren, den Hunger. Mehr
wollen als andere.
„Habt ihr schon mal daran gedacht
abzuhauen?“ Die Frage war plötzlich
in seinem Kopf, und Titta Nane hatte
es wohl auch laut gesagt, Titta Nane
war so müde, dass Titta Nane das
nicht mehr unterscheiden konnte.
Am Hafen saßen sie noch alle zusammen. Keiner wollte mit leeren
Netzen nach Hause gehen. In dieser
Nacht hatte niemand was gefangen.
Leere verbindet. Es war schon fünf.
Die Sonne ging allmählich auf
über der Stadt. Lucietta, seine große
Liebe, hatte ihm gestern Nachmittag
diesen Gedanken ins Ohr gesetzt.
Kurz nach dem Kuchen, den sie für
ihn gebacken hatte, den er mit ihr aß.
Die anderen Fischer und Kahnbesitzer – Toffolo, Fortunato, Toni und
101
text: nuran david caliS
FOTO: CHRISTIAN ROLFEs
nuran david calis – das prinzip chioZZa
Vicenzo – runzelten die Stirn, und
Titta Nane wusste, dass sie noch nie
darüber nachgedacht hatten. Auch
wenn Fortunato mal zehn Tage raus
aus Chiozza war. An einem Ort, an
den er sich mittlerweile nicht mehr
erinnern konnte. Ging er von alleine? Oder hatten ihn Dämonen entführt?
HUSTLE AND FLOW
Also wirklich weg wollte keiner von
hier, keiner von ihnen, Titta Nane
kannte auch niemanden, der aus
Chiozza aus eigener Kraft rausgekommen war. Hier strandet man irgendwie, dachte Titta Nane, und es
gibt keinen, der einem hilft, keinen
Retter von Greenpeace, der einen ins
Meer zieht.
Der Hafen von Chiozza ist Endstation, hier geht man irgendwann
ein wie ein verirrter Wal, man trocknet aus, im Kopf, im Körper, man
wird unbeweglich und steif und
erstickt, die Haut reißt auf, keine
Nivea-Creme der Welt schafft es,
die Haut wieder zusammenzuflicken,
niemand in Chiozza hat eine gesunde Haut, Titta Nanes Haut löst sich
auch schon langsam auf, Titta Nane
kann die stärkste Fettcreme nehmen,
aber das hilft nicht, denn in Chiozza bekommst du die Pest direkt am
Arsch und wirst sie nicht mehr los.
Das Salz, das Wasser, der Sand,
der Regen, die Sonne, der Asphalt… –
Hier draußen hast du keinen Schutz,
hier wirst du zerrieben, bis du zu
Staub zerfällst und von der nächsten
Flut weggespült wirst.
Im Hafen von Chiozza stranden
Nutten, Zuhälter, geschiedene Männer, alleine oder mit Kind. Hier stranden geschiedene Frauen, alleine, mit
einem Kind, mit vielen Kindern. Hier
enden Kinder ohne Eltern, bei einem
Onkel, der auch von seiner Frau verlassen wurde, oder auch nicht, oder
bei einer Tante, die verlassen wurde,
oder auch nicht, oder bei Oma oder
bei Opa. Hier verenden Oma und
Opa, alleine oder getrennt, ohne ihre
Kinder, denn die Kinder besuchen
einen hier nicht. Hier kommt dich
niemand besuchen, und die, die hier
gelandet sind, wollen auch keinen
Besuch hier, sie verbieten es sogar,
und der, der es rausgeschafft hat, ist
ein Held hier, der aber nicht zurückkommen darf, damit er die anderen,
die es nicht geschafft haben, nicht
demütigt.
Nein, hierher kommt keiner. Man
trifft sich lieber woanders, im Zentrum von Chiozza und nicht am Hafen, man nimmt den Bus, die Linie
33, da braucht man fast 45 Minuten. 45 Minuten für 12 Kilometer,
hin und zurück sind das 1½ Stunden, da überlegst du sehr genau, wen
du triffst und warum. Du triffst nur
jemanden, von dem du wirklich was
willst, Geld oder Liebe.
Du fährst nur ins Zentrum, wenn
du gerufen wirst, das Ausländeramt,
das entweder deinen Aufenthalt verlängern oder dich abschieben will.
Aufs offene Meer, ohne Schiff, ohne
Mannschaft, ohne Familie, ohne
Freunde, ohne alles. Du weißt nie genau, woran du bist.
Die ganze Busfahrt über zitterst
du, hast Angst vor der Entscheidung,
die nicht in deinen Händen liegt,
sondern in den Händen der Paragrafen und manchmal in der Willkür
eines Beamten. Desjenigen, der dich
bearbeitet und der dir hilft, wenn er
an dich glaubt, wenn er das Gefühl
hat, dass du kein Schnorrer bist, kein
billiges, verfaultes Treibgut und deinen Beitrag leisten willst.
BABYLON ANNO DOMINE
Aber wie soll einer, der in Chiozza
gestrandet ist, seinen Beitrag leisten,
überhaupt, was soll der Beitrag von
jemandem sein, der nicht hier ankommen darf, kein Boot bekommt,
um fischen zu können? Trotzdem
am Hafen ausharren muss, zwischen
Meer und Land. Und wie soll einer
seinen Beitrag leisten, wenn es nur
eine Buslinie gibt, die die Küste mit
dem Zentrum verbindet?
Ein Bus, der nur zweimal in der
Stunde fährt, und um 20 Uhr ist
Schluss, und der Bus kostet 4 Euro
hin und zurück, und das ist die Hälf102
nuran david calis – das prinzip chioZZa
te des dir am Tag zur Verfügung stehenden Budgets bei dem momentanen Hartz-IV-Satz.
Und wenn du kein Auto hast oder
ein Boot, wer hat hier in Chiozza
schon ein Auto oder ein Boot, wie
willst du dann zur Arbeit kommen,
in die Stadt oder aufs Meer, die vielleicht eine Schichtarbeit ist?
Aber so weit kommt es meistens
ja gar nicht, denn Arbeit gibt es nicht
ohne Abschluss, deshalb gehst du
Nacht für Nacht fischen, illegal, mit
Gummi-Booten, Flößen, irgendwas,
was sich über Wasser hält oder Räder
hat, fängst ein Auto hier, ein Fahrrad
da, ein Fischchen hier, einen Tresor
da, ne volle Geldkasse hier, eine Makrele da… – Denn legale Arbeit gibt es
für dich nicht…
Die legale Arbeit, die du nicht bekommen hast, weil du die Sprache
nicht kannst, weil die Schule am Hafen, auf der du gelandet bist, fast zu
hundert Prozent aus Leuten wie dir
besteht, ohne Sprache, ohne Heimat,
aus Menschen, die nicht wissen, wohin sie gehören, und zu Hause gibt
es dank Satellitenfernsehen schon
lange keine deutschen Programme
mehr.
ABOVE THE LINE
In den Cafés und Teehäusern, im Supermarkt, sogar auf den städtischen
Mülltonnen ist Deutsch nicht mehr
die Sprache, in der man sich hier
verständigt. Man spricht Türk-arabpersisch-mau-mau, eine ganz neue
Sprache, ein Mischmasch aus allem.
So versteht sich ein Saudi super mit
einem Tunesier, ein Armenier super
mit einem Bosnier oder ein Türke
super mit einem Iraner, aber alle
zusammen verstehen sich nicht mit
einem einfachen deutschen Polizeibeamten, der sie nur mal so kontrollieren möchte am Hafen. Die deutsche Sprache nimmst du nur dann
wahr, wenn dir ein Bulle über den
Weg läuft, sonst klaust du dir aus allen Sprachen das Nötigste, damit du
dich hier durchschlagen kannst, ja,
nein, bitte, danke, Arschloch! Mein
Schiff! Meine Frau!
103
Du kennst den Innenraum deines
Hafenbeckens besser als den Innenraum einer Bibliothek, denn die einzige Bibliothek hier am Hafen von
Chiozza wurde vor fünf Jahren geschlossen, kein Geld. Und was macht
die ABOVE THE LINE von Chiozza?
Die Nicht-Fischer? Vor zwei Jahren
hat sie das einzige Jugendzentrum
am Hafen geschlossen. Und warum?
Kein Geld. Chiozza sagt: Kein Geld,
wir haben kein Geld.
Wenn einer weiß, was es bedeutet,
kein Geld zu haben, dann die Fischer
von Chiozza. Also: Mund halten,
denn jetzt wissen die Kinder von den
einfachen Fischern auch nicht mehr,
wohin sie gehen sollen, wenn sie mal
nichts zu tun haben.
Und hier hast du die meiste Zeit
deines Lebens nichts zu tun, deshalb
fischst du auch die ganze Nacht, den
ganzen Tag, lässt dich treiben auf
dem Meer der Armut. Und wenn
du so fischst und fischst und nichts
fängst, was machst du dann? Du
fängst an zu kapieren, dass du der
Welt da draußen scheißegal bist und
Greenpeace gerade Atomkraftwerke
besetzt, statt dir zu helfen, damit du
wieder schwimmen kannst.
Also knüpfst du weiter deine Netze, immer engmaschiger, in der Hoffnung, etwas richtig Fettes zu fangen,
doch das Engmaschige ist die Hölle.
Sie tötet alles, was sich in ihr verfängt. Große Fische, kleine Fische,
Schuldige, Unschuldige, Genießbare, Ungenießbare. Frauen. Männer.
Kinder. Statt des blühenden Lebens
hinterlässt du eine Wüste.
SIN CITY CHIOZZA
Und darum fangen alle an, sich gegenseitig zu bescheißen: Fortunato,
Toni, Pasqua, Beppo, Libera, Osetta,
Checca, Vicenzo, Toffolo, Titta Nane
und Lucietta. Die Frauen betrügen
ihre Männer mit anderen Männern,
die Männer betrügen ihre Frauen mit
anderen Frauen.
Da will der Araber nichts mit
dem Perser zu tun haben, weil der
ein Schiite, Sunnite oder irgendein Alevite ist. Da will der Calvinist
nuran david calis – das prinzip chioZZa
nichts zu tun haben mit dem Katholiken, der Protestant nichts mit
dem Zeugen Jehovas. Der Moslem
nichts zu tun mit dem Juden, der
Jude nichts zu tun mit dem Christen.
Und doch sitzen alle fest im Hafen
von Chiozza und müssen trotzdem
raus aufs Meer und fischen, damit
sie was zu fressen haben. Das Meer,
der Sturm kennt kein Schwarz oder
Weiß, Arm oder Reich. Für die Naturgewalten des Meeres, des Lebens
sind wir alle gleich viel wert, nämlich: WERTLOS(!)
In SIN CITY CHIOZZA holt sich
irgendeiner, der sein ganzes Geld zusammengekratzt hat, ein Boot, einen
kleinen Kutter, ein kleines Schiff, damit er beweglich ist, raus aufs Meer
kann, zu seiner Nachtschicht kann,
und ein anderer klaut ihm die Netze, oder gleich das ganze Boot, und
versucht, dieses Netz, oder gleich das
ganze Schiff, einem dritten, der mit
Schiffen und Netzen handelt, vielleicht ist es sogar der, von dem er das
Boot hat, zu verkaufen.
Der kauft es ihm ab und verkauft
es wieder, und alle sind beschissen,
und jeder verarscht jeden, bis am
Ende alles im Arsch ist, und niemand
vertraut niemandem.
IT’S NOT YOUR CHOICE
Und dann zieht einer die Knarre und
knallt den, der ihn verarscht hat,
oder auch nicht, von dem er aber
denkt, dass er ihn verarscht hat, ab.
Und der, der verarscht hat und jetzt
tot ist, hatte eigentlich auch keine
andere Wahl, weil sein Vadder oder
seine Mutter oder seine beschissene Schwester, sein beschissener
Bruder, seine beschissene Frau oder
seine beschissenen Kinder, oder wer
auch immer, krank oder tot oder im
Gefängnis ist, weil sie alle so nicht
mehr leben wollen, nicht mehr mit
der Miete im Verzug sein wollen, den
Gerichtsvollzieher nicht mehr vor
der Tür haben wollen.
Und so wandert einer ins Gefängnis und der andere ins Grab, und das
Rad dreht sich weiter, die nächste
Generation lernt nicht daraus, und
Krach
in chiozZa
von Nuran David Calis nach der venezianischen
Komödie von Carlo Goldoni
Uraufführung am 28. Januar 2012 im Schauspielhaus
Die Regeln im Fischerdorf Chiozza sind klar. Die Männer
fahren hinaus aufs Meer, während die Frauen daheim auf
sie warten. Man lebt von der Hand in den Mund, und ein
Mann, der ein Boot hat, ist wer im Dorf. Und wer ein Mädchen hat sowieso. Da braucht sich nur Toffolo einmal zu
Lucietta zu setzen und ihr einen auszugeben und schon
brodelt die Gerüchteküche. Denn Lucietta ist mit dem jungen Fischer Titta Nane verlobt. Natürlich erfährt der sofort
von Toffolos vermeintlichem Annäherungsversuch. Dabei
steht dieser doch in Wirklichkeit auf Checca und sie auch
auf ihn. Also gibt es Krach in Chiozza. Verlobte trennen
sich, Freundschaften zerbrechen, es wird mit Steinen geworfen und Messer werden gezückt. Junge Männer suchen
nach einer Perspektive, Frauen hören nicht auf herumzuzicken und ein junger Gerichtsassessor verliert beim Versuch
zu schlichten sein Herz und schließlich vollkommen den
Überblick. Was bleibt, ist nicht nur die Frage, wer nun eigentlich wen liebt, sondern auch, wer als Erster über seinen
Schatten springt.
Carlo Goldoni hat seine Komödie 1761 geschrieben.
Vorbild für sein Stück war der reale Fischerort Chioggia in
der Lagune von Venedig. Nuran David Calis überschreibt
Goldonis Geschichte und erzählt von seinem ebenso realen Chioggia, das im 21. Jahrhundert liegt – in Italien, im
Süden Europas oder mitten im Ruhrgebiet. Bevölkert wird
es von Schauspielern des Bochumer Ensembles und von
jungen Sängern und Tänzern aus der Ruhrregion. Und die
kommen bekanntlich von überall her.
Regie: Nuran David Calis
Bühne: Irina Schicketanz
Kostüme: Silke Rekort
Musik: Vivan Bhatti
Dramaturgie: Thomas Laue
das sind die einzigen Wege raus hier:
Gefängnis oder Friedhof. Da mag jeder erzählen, was er will, die NichtChiozzaner, da mögen sie sagen, das
sei Sozialkitsch, da mag jeder außerhalb von Chiozza denken, das sei
Betroffenheitslaberei, das sei alles
so nicht wahr, wir seien nicht in den
104
Slums von was weiß ich wo, hier gäbe
es ein soziales Netz, hier müsse niemand hungern, hier habe jeder eine
Chance, der nur wirklich wolle.
Nein, hört gut zu, ihr Staatsanwälte,
Richter, ihr Bürgermeister, du Senat
von Chiozza, der noch nicht ein Mal,
so lange Titta Nane hier am Hafen
lebt, hier durchgelaufen ist, ihr Besserwisser, ihr Besserverdiener, ihr Sozialarbeiter, Pfarrer, Imame, ihr Rattenfänger, ihr Christen, Moslems,
Juden und Buddhisten, Deutschland
und die ganze Welt drum herum, die
diese Stadt umgibt!
Alle haben den Hafen von Chiozza vergessen, denn Chiozza hat kein
Geld. Nein, ans Weggehen denkt
keiner hier, weil das Überleben alle
Energien aufbraucht, weil all deine
Träume und Wünsche und Ausbrüche erschöpft sind, alles ist pulverisiert, du willst nur irgendwie den Tag
rumkriegen, die Nacht, das Meer.
Nachts zurückkommen mit ein paar
kleinen Fischen, die weder zum Leben noch zum Sterben reichen.
Chiozza hat noch nicht einmal
ein Pizza-Taxi. Und deswegen konnten die Fischer und deren Frauen
keine Antwort geben auf die Frage
von Titta Nane, weil sie nicht an ein
Leben außerhalb von Chiozzas Hafen
glaubten. Titta Nanes Frage blieb unbeantwortet und verhallte im Hafenbecken.
Sie war endgültig fort, als die
Leinen wieder losgemacht wurden.
So konnten alle wenigstens etwas
Geld verdienen, und darum ging
es schließlich, Geld verdienen, sich
über Wasser halten, irgendwie sauber bleiben, alles, was die Menschen
von Chiozza im Grunde wollten,
war: irgendwie sauber bleiben und
überleben. Das war ihr Traum. Auch
wenn sauber zu bleiben der schwierigere Weg ist. Das Meer ist gerecht,
der Mensch nicht. Aber Vorsicht:
Irgendwann werden sich die Fischer
zusammentun, dann werden sie die
Flut abwarten. Das Meer. Die Flut
wird kommen. Dann werden sie sich
auf den Kämmen der Wellen treiben
lassen und alles mitreißen, was sich
ihnen in den Weg stellt.
Nuran David Calis wurde 1976 geboren und wuchs im Bielefelder Stadtteil
Baumheide auf. Leicht war das nicht.
Falsch wäre es, ihn darauf zu reduzieren. Und doch gehört die Zeit als Türsteher genauso zur Biografie des Theaterautors, Regisseurs und Filmemachers
wie sein Regiestudium an der Otto-Falckenberg-Schule in München, wo Calis
heute lebt. Neben Stücken wie „Dog eat
Dog“, das sich aus Erlebnissen seiner
Jugend speist und mit zwei weiteren die
„Baumheide-Trilogie“ bildet, schreibt er
auch Drehbücher und dreht Spielfilme
wie „Meine Mutter, mein Bruder und
ich“, der 2008 in die Kinos kam. Als
Theaterregisseur arbeitet er an großen
Häusern in ganz Deutschland. Viele
seiner Arbeiten sind Überschreibungen
literarischer Stoffe, die er selbst inszeniert und einige davon auch verfilmt.
Außerdem entwickelt Calis Stücke mit
Jugendlichen, darunter „Homestories“
am Schauspiel Essen und „Next Generation – Das Stück“, für das er 2010
erstmals am Schauspielhaus Bochum
arbeitete.
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Jan Neumann ist Schauspieler, Autor und Regisseur. Er entwickelt nicht nur Stücke mit Schauspielern, sondern ist auch ein
ausgewiesener Komödienspezialist – für seine „innovative Gestaltung von Komik“ erhielt er 2011 den Förderpreis für Komische Literatur der Stadt Kassel. Er inszeniert am Maxim Gorki
Theater Berlin, am Staatstheater Stuttgart, am Nationaltheater
Mannheim und am Staatsschauspiel Dresden.
LOGE: Rüschenkleid von
Regie: Jan Neumann
Bühne: Daniel Angermayr
Kostüme: Nini von Selzam
Dramaturgie: Anna Haas
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Wer wünscht sich nicht hin und wieder einen Bruder, dem
man all seine schlechten Eigenschaften zuschreiben kann?
Käme ein schwerkranker Freund als Ausrede für alle Lebenslagen nicht manchmal gelegen? Wer hätte nicht schon
mal gerne einen Antrag auf ein Zweitleben gestellt?
Die Dandys Jack Worthing und Algernon Moncrieff
genießen ihr Doppelleben: Während Algernon seine ausgedehnten Landpartien mit Krankenbesuchen bei seinem
vermeintlichen Freund Bunbury begründet, rechtfertigt
Jack seine häufigen Ausflüge in die Metropole mit seinem
hoffnungslos verkommenen und hilfsbedürftigen Bruder
namens Ernst – und nennt sich in der Stadt selbst Ernst.
Kompliziert wird es, als die Frauen ins Spiel kommen. Schon
immer wollte Gwendolyn Fairfax einen Mann namens
Ernst heiraten. Als sich Jack ihr als sein Alter Ego Ernst vorstellt, ist es um sie geschehen. Zeitgleich reist Algernon auf
das Landgut seines Freundes Jack und stellt sich als Jacks
Bruder Ernst vor. Er trifft dort auf Jacks Pflegetochter Cecily, die auch schon immer von einem Ernst träumte. Als
nun Jack frühzeitig heimkehrt und seine Rückkehr auch
noch mit dem Tod seines Bruders Ernst begründet, ist die
Verwirrung komplett.
„The Importance of Being Earnest“ lautet der englische
Untertitel von Oscar Wildes Verwechslungskomödie. Nur
E/ernst kann in diesem irrwitzigen Spiel um Identitäten
auf Dauer niemand bleiben. Außer Jack, denn der hat –
ohne es zu wissen – lügend die Wahrheit gesagt: Er ist ein
Findelkind und heißt tatsächlich Ernst.
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Daniel: 70er-Jahre-An
BUNBURY
Nachrichten aus boropa
Nachrichten
aus BOROPA
Viele von den Künstlern, die in der
vergangenen Spielzeit am Schauspielhaus Bochum gearbeitet haben, kommen aus anderen Teilen
der Welt oder reisen für ihre Arbeit
dorthin. Einige von ihnen haben
uns geschrieben, andere haben angerufen. Fragmente aus der ganzen
Welt.
Glücksrausch
in Tunesiens
Herzen
Wie hast du persönlich die Woche des
Umsturzes erlebt?
Sehr instinktiv, fast animalisch.
Man hat gespürt, dass etwas Besonderes passieren wird, ohne genau
zu wissen, was. Wir wussten nur,
irgendetwas bewegt sich. Es war der
Moment des Handelns und nicht des
Denkens.
Die Künstler haben sich vor dem
Stadttheater getroffen. Am Anfang
waren wir nur wenige, aber nach und
„Um 18 Uhr hieß es: Ben Ali
ist geflohen!“
nach kamen immer mehr Menschen.
Aber auch die Anzahl der Polizisten,
die sich dann auf uns gestürzt haben,
war riesig. Sie haben uns beleidigt,
geschubst und getreten. Das war für
uns eine völlig neue Situation, körperlich und psychisch.
Habt ihr Angst um euer Leben gehabt?
Angst ja, aber nicht um unser Leben. Obwohl man gespürt hat, dass
es sehr gefährlich werden kann. Das
ist alles im Bauch passiert, nicht im
Kopf. Trotz meines Alters hatte ich ja
keine Erfahrung mit so etwas. Man
ist überrascht über sich selbst!
Interview: THOMAS LAUE
Foto: Christian Rolfes
Im Herbst 2010 hatte er in
Bochum mit seiner „Medea“Bearbeitung Premiere. Ein
Vierteljahr später war der
tunesische Regisseur aktiv
an den Umbrüchen in seiner
Heimat beteiligt. Eine Woche nach dem Sturz Ben Alis
schildert Fadhel Jaibi in einem Gespräch in Paris seine
Erlebnisse.
Wann hattet ihr das erste Mal das
Gefühl, dass sich etwas so Grundlegendes ereignet?
Als Ben Ali Donnerstagabend diese Rede im Fernsehen gehalten hat,
standen wir vor unserem Haus. Dort
waren vier Militärwagen und Soldaten positioniert. Als Ben Ali seine Ansprache beendete, haben wir
Freudenhupen gehört. Da habe ich
gedacht: „Es ist vorbei. Er hat es mit
drei oder vier Albernheiten geschafft,
die Leute wieder auf seine Seite zu
ziehen.“
Der Moment, als ich gespürt habe,
dass es anders werden würde, war
dann der Freitagmorgen während
des Generalstreiks. Wir sind zu Fuß
von unserem Büro zum Innenministerium auf der Avenue Habib Bourguiba gelaufen. Von weitem haben
wir Plakate gesehen, und Menschen
rufen hören: „Nein zu Ben Ali! Hau
ab, Ben Ali! Ben Ali raus!“ Und da
112
haben wir uns gefragt: „Das ist ja unglaublich, wo sind denn die anderen?
Wo sind die Ben-Ali-Anhänger?“
Und die Polizei tat nichts! Parteianhänger Ben Alis gab es nicht, die
waren nicht da! Als hätte die Erde sie
verschluckt. Und wir haben gehört,
dass parallel in den anderen großen
Städten Tunesiens das Gleiche stattfand. Entweder wird es ein großes
Opferfest und sie werden uns alle
töten, oder etwas Besonderes wird
passieren, das war plötzlich die Alternative. Gegen halb drei sind dann
Polizisten mit Tränengas auf uns los.
Die Leute sind weggelaufen, geflohen und viele unserer Freunde sind
zu uns ins Büro, mit Tüchern vor der
Nase. Wir haben die ausländischen
Nachrichten angemacht und um 18
Uhr hieß es dann: „Ben Ali ist geflohen.“
Was ist da in dir vorgegangen?
Es war eine riesige Überraschung,
eine riesige Erleichterung, aber auch
Angst, dass das wieder eine Taktik
von Ben Ali ist. Ich konnte einfach
nicht fassen, dass er die Macht abgeben würde.
Hast du während dieser Zeit der Revolution in irgendeiner Form Kontakt
mit der Administration gehabt?
Nach der Demonstration vor dem
Stadttheater habe ich Interviews bei
Al Jazeera, France.24 und BBC gegeben. Als ich freitags mitdemonstriert
habe, sind Menschen auf mich zugekommen und haben mich geküsst,
umarmt und gesagt, sie wollen mich
in der Politik sehen.
Einen Tag bevor Ben Ali geflohen
ist, hat der Kulturminister mich angerufen und gesagt, er wolle meine
Frau Jalila und mich sprechen. Wir
haben geglaubt, er würde uns dro-
„Es wird einen Moment geben,
wo dieser Glücksrausch seinen
Höhepunkt überschritten hat.“
hen, doch als wir in das Büro kamen,
haben wir einen Mann vorgefunden,
der ganz klein in sich zusammengesackt in seinem Sessel saß und ein
ganz weißes Gesicht hatte. Er hat uns
umarmt und gesagt, dass der Präsident uns ja liebt und respektiert und
dass er sich wünscht, dass wir das Bewusstsein des Volkes sind.
Er hat uns versprochen, dass sich
alles ändern wird. Als wir dann weiter mit ihm geredet haben über die
Freiheiten, über die Polizeidiktatur,
wurde das eine sehr surrealistische
Diskussion über die Mafia und die
Frau des Präsidenten.
Ich habe dem Kulturminister gesagt: „Du willst mir erzählen, dass
alles die Schuld seiner Frau ist und
der Präsident nicht so ist wie sie?
Und dass er nicht weiß, was sie alles
Schlimmes tut!? Dann kannst du
jetzt genauso gut mit uns runter auf
die Straße demonstrieren gehen!“
Danach sind wir gegangen.
Wie muss es nun weitergehen?
Es ist gut, sich zu umarmen. Es ist
gut, zusammen zu demonstrieren. Es
gibt große Momente des Glücks. Die
sind sehr wichtig, denn was passiert
ist, kam ganz tief aus den Herzen der
Tunesier. Aber es wird einen Moment
geben, wo dieser Glücksrausch seinen Höhepunkt überschritten hat.
Dann wird die große Frage sein, ob
die Tunesier zusammen arbeiten und
zusammen denken und die Slogans
verteidigen können, die sie während
der Demonstrationen gerufen haben. Das, was wir angefangen haben,
müssen wir unbedingt zu Ende führen und dürfen keine Angst vor Bedrohungen haben. Wir müssen die
neue Demokratie und die Freiheiten
verteidigen.
Es wird drei Kräfte geben: die
RCD-Parteianhänger, die Islamisten
und die neue demokratische Kraft.
Natürlich werden die Künstler und
Intellektuellen mit der neuen demokratischen Partei mitziehen, aber die
brauchen Programme und nicht nur
Slogans.
Es ist eine ganz große, schwere Arbeit, die alle Menschen in Tunesien
erwartet.
Aus dem Französischen
von Dunja Dogmani
Hotel Golf,
Abidjan
text: Monika Gintersdorfer,
aufgezeichnet von Olaf Kröck
FotoS: monika gintersdorfer
„Die Elfenbeinküste hat zwei
Präsidenten“, haben wir in
der ersten Ausgabe unseres
Spielzeitmagazins „Boropa“
geschrieben. Damals war
das eine Metapher. Heute ist
es politische Realität in Abidjan. Und die zerreiSSt das
Land und führt es zurück
an den Rand des Bürgerkriegs. Die Regisseurin Monika Gintersdorfer, die in
der letzten Saison „Eleganz
ist kein Verbrechen“ im Theater Unten inszenierte, war
mit ihrem künstlerischen
Partner, dem ivorischen
Tänzer Franck Edmond Yao,
in dem westafrikanischen
Land. Protokoll eines Telefongesprächs mit Monika
Gintersdorfer aus Burkina
Faso über ihre Eindrücke
aus Abidjan.
Für uns war seit Monaten klar, dass
wir in die Elfenbeinküste fliegen. Das
war aber nicht möglich, weil zu dem
Zeitpunkt die Flughäfen gesperrt waren. Als sie wieder offen waren, habe
ich mich entschlossen hinzufliegen,
das war kurz nach Weihnachten.
Es ist jetzt in Abidjan ganz anders
als noch vor einem Jahr. Es ist weniger los, die Leute haben weniger Geld,
sind vorsichtiger, sie geben nicht
mehr so viel aus. Sie gehen zwar noch
in die Clubs, aber nur noch am Wochenende, später am Abend sind nur
noch UN-Soldaten auf den Straßen.
113
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Geld in einem
Bio-Laden?
Sinn.
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Nachrichten aus boropa
Es hat sich für mich die Möglichkeit ergeben, mit dem deutschen
Botschafter in das „Hotel Golf“ zu
fahren. Es ist der Sitz von Ouattara,
dem sein Recht auf die Präsidentschaft verweigert wird. Das Hotel
ist seit vielen Jahren traditionell in
Rebellen-Hand, jedoch vollkommen
umfunktioniert.
Die Struktur eines Hotels ist offensichtlich sehr praktisch. In den
Kongressräumen kann der Ministerrat tagen, kleine Zimmer wurden zu
Büros und man kann dort wohnen.
Im Garten um den Swimmingpool
herum campieren 400 UNO-Soldaten aus Bangladesch und aus anderen afrikanischen Ländern. Die du-
sprecherin, getroffen. Eine sehr engagierte Frau. Rechtsanwältin, die
schon in Paris gelebt hat, aber zu-
„Es gibt Guerillakrieg in den
Wohnvierteln.“
rückgekommen ist, um jetzt diesen
politischen Kampf auszufechten.
Und das bedeutet, wenn man da ist,
in diesem Hotel, kommt man weder
rein noch raus.
Also wir schon, aber die Politiker
nicht, weil sie in der Stadt nicht sicher sind. Die sind da gefangen. Es
gibt einen Helikopter-Shuttle-Service
von der UNO. Wir hätten also auch
mit dem Helikopter fliegen können,
aber an dem Tag war zu viel Staub in
der Luft.
Die UNO sorgt auch dafür, dass
genug Lebensmittel ins Hotel kom-
„Zum Hotel Golf musst du
durch drei Sperren.“
schen da und waschen ihre Wäsche
im Pool.
Alles ist natürlich stark überwacht
und von Stacheldraht umgeben. Um
das Hotel gibt es eine ziemlich große
Sperrzone. Die eine Seite wird von
den Rebellen, die andere von den
Regierungssoldaten bewacht. Dazwischen steht die UNO. Wenn du also
zum „Hotel Golf“ willst, musst du
durch drei Sperren. Wir haben dort
Madame Bamba, eine Regierungs-
men. Ouattara, heißt es, habe drei
Monate dieses Hotel nicht verlassen,
bis er vor kurzem, für ein paar Tage,
seine erste Reise als Präsident nach
Nigeria gemacht hat. Aber davor war
er praktisch ein Gefangener im eigenen Land.
Auch wenn Gbagbo von niemandem mehr als Präsident anerkannt
wird, weder von der EU noch der Afrikanischen Union, so kontrolliert er
weiter große Teile des Landes, die Medien und das ivorische Fernsehen.
Mittlerweile sind wirklich harte
Sanktionen gegen ihn verhängt worden, seine Konten wurden gesperrt.
Aber trotzdem hat er weiterhin die
Macht.
Es stellt sich also die Frage, wie er
seine Staatsbeamten und sein Militär bezahlt? Er ist anscheinend eine
ganze Weile noch gut an Geld gekommen. Einige Banken haben sich
offensichtlich nicht an den Boykott
114
gehalten. Jetzt hat man versucht diese Schlupflöcher zu schließen. Da hat
uns der deutsche Botschafter dringend geraten, das Land zu verlassen,
mit den Worten: „Das wird sich jetzt
alles sehr, sehr negativ entwickeln.“
Und genauso ist es gekommen. Es
gibt eine massive Geldknappheit,
Europa kauft den Kakao nicht mehr
und sehr viele Güter kommen nicht
mehr ins Land. Die medizinische
Versorgung ist bedenklich schlecht.
Jetzt ist die ganze Bevölkerung betroffen. Alles kostet mehr Geld und
zusätzlich haben auch noch die Institute geschlossen, mit denen man
Geld ins Land schicken kann.
Es gibt immer häufiger kleine Angriffe, Guerillakrieg in den Wohnvierteln. Dauernd gibt es „verirrte
Kugeln“, die die Falschen treffen. Es
sterben täglich ein paar Leute.
Gestern ist der Bruder einer der
Tänzer erschossen worden, die gerade hier mit uns unterwegs sind. Und
deswegen haben wir heute den ganzen Tag über versucht, Geld für das
Begräbnis zu schicken.
Man dachte, der neue Präsident
könnte die Lösung eines neunjährigen Konflikts sein. Alle waren schon
guten Mutes. Aber es ist genau in das
Gegenteil umgeschlagen.
Und die absurde Situation, dass es
zwei Präsidenten gibt und zwei Ministerräte, ist ja auch zum Lachen.
Manchmal machen wir auch unsere
Witze darüber oder Franck macht
sich darüber lustig, dass an der Elfenbeinküste alle immer so kleinklein
kämpfen und dass das nie mal so
richtig zur Sache geht, wie jetzt eben
in anderen Ländern.
Nach Kuba,
Katar und
hoffentlich
bald in den
Iran
wir elektronischen Rap, House und
Weltmusik aus dem Ruhrpott mit
kubanischer Musik zusammenbringen. Vor Ort nehmen wir eine CD
auf und gehen dann in Deutschland
auf Tour. Das ist ein offizielles Projekt zwischen Kuba und NRW, um
den Kulturaustausch zwischen den
Ländern zu fördern.
Es ist geplant, dass X-Vision auch
an dem Projekt teilnehmen. Die Verhandlungen laufen auf Hochtouren,
Daumen drücken!
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BOCHUM
PRIVATE FACHKLINIK FÜR ORTHOPÄDIE
UND ORTHOPÄDISCHE CHIRURGIE
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„Dozenten aus aller Welt sorgen für frischen Wind im Königreich.“
text: OMID POURYOUSEFI
Foto: x-Vision
Im
kulturhauptstadtjahr
waren X-Vision aus bochumwattenscheid teil von „next
generation“. Der Gründer
des
musikprojekts
Omid
Pouryousefi macht Musik,
wo immer er darf.
In den Iran reisen darf ich nicht, da
ich dort wegen meines populären
Bandprojektes „Tapesh 2012“ seit
Ende 2008 offiziell als Staatsfeind eingestuft bin. Doch die Geschehnisse
im Iran 2009 und die aktuellen Ereignisse in Ägypten, Tunesien und anderen Ländern lassen uns hoffen, dass
wir 2012 in einem demokratischen
Iran ein Konzert geben können.
Als wir vor fast fünf Jahren beim
Start von „Tapesh 2012“ auf die
Macht und Möglichkeiten des Internets für die Demokratiebewegung im
Nahen Osten hingewiesen haben,
guckte man uns mit großen Augen
ungläubig an, heute geben uns die
Entwicklungen Recht.
Hoffen wir, dass die Behörden auf
Kuba meine zweite geplante Reise
erlauben. Dann fahre ich im Mai
2011 mit unserem Projekt „Hands
Up for Cuba“ dorthin. Hier wollen
Nicht nur in Bochum, auch in Katar
entsteht eine neue Akademie, und ich
wurde eingeladen, dort zu unterrichten. 2006 war ich in dem Königreich
als DJ für ein großes Festival gebucht.
C
Auf der Party stand ein junger Mann
M
im weißen arabischen Gewand
plötzlich neben meinem DJ-Pult
und
Y
streckte seine Karte hin: „National
CM
Council for Culture & Arts“.
MY
Aus der kurzen Bekanntschaft
entstand schließlich die IdeeCYfür eine
Akademie der Künste in Katar, in
CMY
der talentierte „Kataries“ und junge
Menschen aus den Emiraten Kin Tanz,
Theater und Musik ausgebildet werden. Dozenten aus aller Welt sollen
hier unterrichten und für frischen
Wind im Königreich sorgen.
Dass ich auf der einen Seite muslimischer Abstammung bin und auf
der anderen Seite ein Kenner und
Aktivist der DJ- und Technoszene
aus Deutschland, macht mein Mitwirken bei diesem Projekt für beide
Seiten einfacher. Der Start der Akademie ist für Mitte 2012 geplant.
Das sind viele spannende Projekte,
viele Reisen und große Hoffnungen.
Ob ich wirklich an der Akademie in
Katar mitwirke, ist noch nicht sicher.
Doch ganz sicher erscheint im Sommer 2011 mein Buch „Omid 2012“.
Darin geht es um meine Geschichte als Migrant und Musiker und vor
allem um mein Bandprojekt „Tapesh
2012“, mit dem ich in den Iran reisen will, so schnell es geht.
115
Gelenk- und Sportverletzungen // Kniegelenksverletzungen // Meniskusoperationen // Kreuzbandersatz // arthroskopische Knorpelchirurgie mit Knorpelersatztherapie // Arthroskopie der Schulter //
minimal-invasive Therapieverfahren der Wirbelsäule // minimal-invasiver Gelenkersatz // multimodale
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sebastian nübling – PERFEKTES SPIEL IN MAXIMALER FREIHEIT
perfektes
Spiel in
maximaler
Freiheit
Wie viel Geld hast du in der Finanzkrise 2008 verloren?
Direkt? Gar keins. Ich habe kein Geld angelegt.
Weil du keins hattest oder weil du dich nicht traust?
Ich habe nichts zum Zurücklegen. Ich habe drei halberwachsene Kinder, da geht alles direkt durch. (lacht) Das
ist relativ simpel.
Falls du Geld hättest, wärst du anfällig für spekulative Finanzanlagen?
Tendenziell eher nicht. Die Vermehrung von Geld durch
Geld, das ist so ein abstraktes Unterfangen. Mir ist das
nicht gegeben. Man braucht dafür ja nicht nur Risikobereitschaft, sondern auch Disziplin. Und man braucht Zeit.
Aber das ist so eine Art von Zeitaufwand, den ich nicht zu
leisten bereit bin. Es langweilt mich auch auf einer emotionalen Ebene, weil ich nichts zurückkriege von dem Geschäft. Also der gewisse Kick, der gibt mir nichts, ich hole
den woanders her.
Woher?
Von bestimmten Situationen am Theater, deswegen arbeite
ich ja dort.
INTERVIEW: THOMAS LAUE
FOTOS: ALEXANDER ROMEY
Der Regisseur Sebastian Nübling hat sich mehrmals im Leben neu erfunden. Unter anderem als Kämpfer in der freien
Szene, als Familienvater, als
international gefragter Regisseur und sogar als Teilzeitvertretung im Kulturamt einer
Kleinstadt. Inzwischen gehört
er längst zu den Großen seiner Zunft. Und hat trotzdem
nichts übrig für spekulative
Geldanlagen. Ein Gespräch
über Risiken und Umbrüche,
Gier und Geld und die richtigen Einsätze.
116
Zum Beispiel?
Der Kick kommt zum Beispiel bei einer Probe, wenn man
merkt, dass Leute anfangen miteinander nicht nur über
Sprache, sondern auf ganz vielen Ebenen zu kommunizieren. Wenn plötzlich von einem Moment auf den anderen Spiel entsteht. Die Amis benutzen dafür das deutsche
Wort „Spiel“ und meinen damit eine bestimmte Art von
intuitiven Zusammenspiel, wie es das zum Beispiel im Jazz
gibt. Das gibt es manchmal für eine ganze oder eine halbe
Stunde. Perfektes Spiel und darin maximale Freiheit. Das
gibt mir Energie zurück. Und natürlich diese Art von „auf
Termin arbeiten“. Es gibt einen Premierentermin und alle
wissen: „Dann möchten wir etwas abgeben.“ Zu sehen,
was mit den Leuten auf der Bühne und im Saal passiert,
wenn eine Premiere oder eine Vorstellung ansteht.
Was investierst du, um so einen Moment von Inspiration
zu bekommen? Wie kriegt man die Leute dazu, dass sie zusammenspielen?
Kommunikation aufzubauen zwischen Leuten, sich auch
dafür zu interessieren, was die da eigentlich machen und
das dann wirklich passioniert zu beobachten und dem
ganzen einen Rahmen zu geben, in dem sich etwas entfalten kann. Das ist mein Einsatz.
Das machst du nicht immer alleine, sondern im Zusammenspiel mit Partnern. Welche Rolle spielt dein Team für dich?
Das Ganze, die ganze Probenarbeit ist „Team“. Ich bin nur
gut in Proben, wenn ein Ensemblegeist entsteht, Teamgeist,
oder wie man das nennen mag. Aber ich finde das Wort
„Team“ eigentlich blöd. Team ist Sport. Teamchef meint
immer noch Beckenbauer, und der verkörpert gerade nicht
diese Art von Freiheit im Austausch, die ich mir vorstelle.
Dass so etwas wie Zusammenspiel entsteht, dafür braucht
es alle bis hin zu den Assistenten und Hospitanten.
117
sebastian nübling – PERFEKTES SPIEL IN MAXIMALER FREIHEIT
Wenn der Teamchef Beckenbauer nicht das Modell ist, in
dem du dich siehst, was ist dann das Gegenmodell?
Ich weiß, dass ich die Maschine anwerfen muss, ob das nun
Ideen sind oder konzeptionelle Vorgaben oder überhaupt
die Entscheidung für einen Text. Zu sagen: „Hallo Ensemble, das ist das Stück oder der Stoff oder das Thema, mit
dem wir uns alle beschäftigen.“ Es braucht meine Inspiration oder meine Leidenschaft für einen Gegenstand, um
von einer zentralen Stelle aus, auf die sich alle beziehen,
etwas so anzukicken, dass andere sagen: „OK, da beteilige
ich mich.“ Wenn es dann läuft, bin ich mehr „einer von“,
also Teil von etwas. Das ist für mich der Idealzustand, den
ich möglichst lange zu halten versuche. Wenn eine Probenphase dann ans Ende kommt, geht es wieder zurück,
dann geht es auch ans zentrale Entscheiden.
Fällt es dir leicht, Entscheidungen zu treffen?
Na ja, grundsätzlich nicht. Aber Entscheidungen muss
jeder fällen. Die Realität verlangt es einfach, Punkt. Aber
meine Arbeitsweise ist eher, Dinge immer weiter an den
Punkt zu schieben, wo sie entschieden werden müssen. Andere machen das anders, die planen komplett im Voraus.
Das mache ich nicht. Und ich gebe zu, das sind Proben-
heißt und nicht ganz so romantisch ist, wie es der Name
vortäuscht.
Ist ja nicht gerade eine der Weltmetropolen dieses Landes.
Warum lebst du nicht in Berlin, München oder Hamburg
wie die meisten anderen Regisseure?
Ah, tun sie das?
Schon, ja.
Wusste ich gar nicht. Irgendwann, als ich noch kein Regisseur war, sondern einfach nur ein arbeitsloser Gar-Nix,
hatte ich die Möglichkeit, in Basel zwei, drei Jobs zu machen. Aber weil die Schweiz damals noch nicht zu Schengen gehörte, konnte ich als Vater von drei Kindern und
ohne feste Anstellung nicht in die Schweiz ziehen, sondern
musste mich sozusagen vor den Toren der Stadt ablagern.
Und das war eben in dieser südwestdeutschen Ecke. Zwar
nicht Schweiz, aber ziemlich nah an Basel. Außerdem ist
es die Gegend, in der ich aufgewachsen bin. Und ich mag
das immer noch: einfach so auf die Berge hinaufsteigen zu
können. Das ist auch ein guter Ausgleich zu der reisenden
Tätigkeit, die ich ausübe.
„ICH MUSSTE MICH VOR DEN TOREN DER
STADT ABLAGERN.“
Du bist ja für dein Alter noch gar nicht so lange in diesem
klassischen Stadttheater-Geschäft tätig. Eigentlich erst seit
gut zehn Jahren…
Ja, 1999 habe ich zum ersten Mal am Stadttheater inszeniert.
prozesse, die für manche auch nicht ganz unanstrengend
sind. Aber wenn es dann ein bis zwei Wochen vor der Premiere eng wird, entscheide ich auch.
Was wir im Theater machen, ist ja immer das Spiel mit
Möglichkeiten. Das hat auch einen spekulativen Anteil.
Auch wir setzen auf die Zukunft. Wir starten so ein Unternehmen, wir proben und behaupten, wir werden am Ende
etwas haben, das andere Leute interessiert. Und dieses
Versprechen in die Zukunft, das hat etwas mit Vertrauen
zu tun und mit Energieeinsatz. Und es hat einen großen
Lust-Anteil.
Was hast du die ganze Zeit vorher gemacht?
Kulturwissenschaften studiert in Hildesheim und dann
am Ende meines Studiums mit zehn Kolleginnen und Kollegen ein freies Theater gegründet. „Theater Mahagoni“
hieß das. Und dann sehr viel produziert, aber eben in der
freien Szene, Mitte der 1980er Jahre. Das heißt, man musste für jede Produktion einen Ort finden, Mittel beantragen
bei Stiftungen oder öffentlichen Förderern. Während der
Probenzeit kam man da irgendwie mit durch. Und dann
wurde gespielt, gastiert, viel gereist, auch damals schon.
Und dann mit irgendwelchen Jobs die Zwischenräume
zwischen zwei Produktionen gestopft. Das habe ich relativ
lange gemacht.
Aber so, wie du probst, ist das oft relativ riskant, oder? Weil
du dich auf komplett unsicheres Gelände begibst. Ist das ein
bewusstes Risiko?
Weiß ich gar nicht. Es ist halt das Risiko des Misserfolges, aber das ist in der Arbeit ehrlich gesagt gar nicht so
wahnsinnig wichtig, das gibt es immer. Das ist erstmal ein
Risiko, das ich trage, aber das auch das Theater trägt. Die
Theaterleitungen sind doch eigentlich die Spekulanten in
unserem Business, oder? Die spekulieren doch: Wir holen
diese oder jene Leute in unser Haus und die werden uns
die ganz große Kunst bringen und auch noch das Haus voll
machen. Das sind die Finanzjongleure der Theaterwelt.
Wo lebst du?
Im Südwesten Deutschlands, kurz vor der Schweizer Grenze. In einem kleinen Dorf, das „Hausen im Wiesental“
118
Und in der Zeit hast du eine Familie gegründet?
Meine Frau und ich haben beide in dieser Gruppe gespielt.
Dann haben wir angefangen, eine Familie zu gründen und
brauchten einen etwas größeren finanziellen Rahmen. Es
reichte einfach nicht. Außerdem war es auch genug. Ich
hatte das Gefühl, ich habe es dann irgendwann auch alles gesehen, als freier Schauspieler und so. Ich habe dann
angefangen, für Festivals zu arbeiten, also Kulturorganisation zu machen. Zwischendurch war ich mal arbeitslos,
dann habe ich nochmal für irgendein Kulturzentrum gearbeitet, war wieder arbeitslos und dann bin ich auf einem
Kulturamt in einer Kleinstadt gelandet, auf einer halben
Stelle.
Da war ich schon Mitte dreißig und dachte: „Nee, das
kann es jetzt echt noch nicht gewesen sein!“, und habe
angefangen zu inszenieren. Alles Mögliche am Anfang:
volpone
von Ben Jonson
Premiere am 24. März 2012 im Schauspielhaus
Ben Jonson war ein Zeitgenosse Shakespeares. Von heutigen Begriffen wie Finanzderivat, Spekulationsblase oder Wirtschaftskrise wusste er noch nichts. Wohl
aber viel über die Gier des Menschen und seine Bereitschaft viel zu geben, wenn er sich davon einen Vorteil
für die Zukunft verspricht. Selbst dann, wenn dieser Vorteil höchst ungewiss ist. Hauptsache, er ist groß genug.
Auch der reiche Volpone in Jonsons gleichnamiger
Komödie weiß das. Er stellt sich krank und seine Mitmenschen auf die Probe: Durch seinen Diener Mosca
lässt er kundtun, er werde ein Vermögen hinterlassen und
denjenigen in seinem Testament besonders berücksichtigen, der ihm den größten Freundschaftsbeweis erbringe.
Den nahen Tod Volpones und damit den schnellen
Gewinn vor Augen, sind die Menschen in der Stadt zu
erstaunlichen Investitionen bereit: Der Wucherer Corbaccio überschreibt Volpone sein Vermögen, um es vervielfacht wiederzugewinnen, auch wenn er dafür seinen
eigenen Sohn enterben muss. Und der Kaufmann Corvino ist sogar bereit, Volpone seine schöne Frau zu überlassen. Zu eindeutigen Zwecken, in der Hoffnung, dass dieser Freundschaftsdienst das kranke Herz Volpones noch
schneller zum Stillstand bringe. Doch es kommt nicht
zur Gewinnausschüttung und die Blase platzt, als klar
wird, dass Volpone kerngesund ist und damit der Finanzwette die Grundlage fehlt. Doch weil Ben Jonson trotz
allem auch an das Gute und an Gerechtigkeit glaubte,
kommt Volpone nicht davon, ohne kräftig zu bezahlen.
Regie: Sebastian Nübling
Musik: Lars Wittershagen
Dramaturgie: Thomas Laue
119
sebastian nübling – PERFEKTES SPIEL IN MAXIMALER FREIHEIT
Schultheater, Kindertheater, Kabarett. Meine Frau hat
auch inszeniert – damit wir irgendwie die Familie über
Wasser halten konnten. So sechs, sieben, acht Produktionen im Jahr und mehr.
In dieser Zeit habe ich mir eine handwerkliche Basis zusammengeschustert, um den Beruf überhaupt machen zu
können. Und dann kam die Möglichkeit am Jungen Theater in Basel zu inszenieren. Das ist ein Theater, in dem
Jugendliche spielen. Daraufhin hat mir das Theater Basel
„Die kleine Hexe“ angeboten.
Wenn du das so erzählst, klingt das wie ein großer Bruch
in der Biografie, denn seit du an den Stadttheatern arbeitest, hat sich eigentlich das Gegenteil eingestellt: nämlich
der permanente große Erfolg. Du arbeitest nur noch an den
großen Häusern und bist viele Male zum Berliner Theatertreffen eingeladen worden. Wie erklärst du dir das?
Ich habe da gar nicht über Erklärungen nachgedacht,
sondern einfach hingenommen, dass es Täler und Aufwärtsbewegungen gibt. Ich glaube, ich habe einfach eine
Position gefunden, in der ich irgendwie richtig bin, an der
ich wirklich etwas machen oder mich ausdrücken und mit
anderen etwas produzieren kann, was präsentationsfähig,
oder besser: diskussionsfähig ist.
„DIE DISTANZ DER KUNST SCHÄRFT DEN
BLICK AUF DAS, WAS WIR TUN.“
Wärst du ein anderer Regisseur, wenn du vorher nicht diese
zehn, fünfzehn Jahre das gemacht hättest, was du gerade
beschrieben hast, sondern gleich im Stadttheater angefangen
hättest?
Ja klar. Als ich angefangen habe mit freiem Theater, war
Stadttheater „der Feind“. Der Graben war eigentlich unüberwindbar. Freie Szene war freie Szene, da war jeder stolz
darauf, nicht am Stadttheater zu sein. Es ging immer um
Gegenmodelle, auch um inhaltliche Gegenmodelle: keine
Texte aus dem Kanon, sondern Prosatexte, Geschichten,
Filmgeschichten, auch ganz neues Material. Auch um andere Formen: weg von der Groß-Schauspielerei. Wir haben
zum Beispiel mit chorischen Erzählformen experimentiert. Es ging nicht um die Sprachkultur eines Einzelnen,
sondern darum, wie man eine Geschichte an Figuren oder
Personen aufhängt, die man vielleicht nicht mal richtig als
Figuren identifizieren kann.
Heute ist das anders: Die Bereiche sind ja relativ offen,
gerade die Stadttheater suchen permanent auch Leute,
die aus der freien Szene kommen und auch wieder dahin
zurückgehen. Das gab es früher nicht. Insofern ist es für
mich manchmal immer noch fast fremd oder ich bin überrascht, was der Apparat alles so leisten kann.
Suchst du immer noch nach Gegenmodellen, auch jetzt innerhalb der Arbeit im Stadttheater, oder bist du sozusagen
„angepasst“?
120
Von der Institution aufgesaugt. (lacht) Ich weiß gar nicht –
nö. Ich glaube, das braucht man gar nicht mehr. Das sind
ja auch keine starren und sturen, zentral ausgerichteten
Apparate mehr, sondern relativ offene, flexible Strukturen
an den großen Theatern. Die natürlich versuchen, den
Leuten, die sie einladen, Möglichkeiten zu bieten, die ihrer
Arbeitsweise entgegenkommen.
Würdest du heute Regie studieren, wenn du noch mal anfangen müsstest?
Ich glaube eher Völkerrecht, oder so etwas.
Warum ausgerechnet Völkerrecht?
Es würde mich sehr interessieren, in so einer unabhängigen Institution zu arbeiten. Das sind Fragen, die mich beschäftigen: Wie definiert sich eigentlich Zusammenleben
auf einer übergeordneten Ebene?
Sind das Fragen, die dich auch in der Arbeit begleiten?
Strukturelle Fragen begleiten mich überhaupt viel. Einmal
ganz direkt auf der Probenebene: im Kern arbeiten da oft
30, 40 Leute relativ dicht an so einer Produktion mit – mal
ganz abgesehen von den ganzen Handwerkern und der Öffentlichkeitsarbeit und was da alles noch mit dran hängt.
Das ist die eine komplizierte Struktur, die es zu bewältigen
gilt. Und oft sind es strukturelle Fragen in den Stoffen, die
mich interessieren, auf die ich losgehe. Ich wollte übrigens
ursprünglich nach dem Abitur Sonderpädagogik studieren.
So etwas schwebte mir vor: an einer Förderschule oder im
sozialen Bereich zu arbeiten. Aber ich habe so ein schlechtes Abitur und bekam keinen Studienplatz.
FÜR MICH, FÜR DICH, FÜR UNS!
DIE VBW HAT FÜR UNS ALLE DAS PASSENDE ZUHAUSE!
Hat Theater irgendwas mit dem Leben zu tun?
Theater? Ja, klar! Das ist ja Leben. (lacht) Da investieren so
viele Leute viel Lebenszeit, das kann ich gar nicht trennen.
Aber wodurch gewinnt für dich das, was auf einer Bühne
stattfindet, im Verhältnis zur realen Welt in unserer Zeit
heute Relevanz?
Indem es eine Distanz schafft zwischen mir und dem, wie
ich selbstverständlich mein Leben gestalte. Das ist das, was
mich interessiert. Auch beim Proben gucken. Das können
formale Aspekte sein, das können inhaltliche Fragen sein.
Alles, wo ich mich befremde über mein scheinbar selbstverständliches Leben. Nur so kann ich in den Blick bekommen, was ich eigentlich tue, warum ich wie handele. Das
ist für mich das Wesentliche an jeder Kunsterfahrung.
Glaubst du, dass die Welt um die Finanzkrise herumgekommen wäre, wenn in den Banken in diesem Sinne mehr
Künstler gesessen hätten?
Die sitzen ja nicht umsonst nicht in den Banken, was sollen die da machen? Die machen Kunst ja auch genau deshalb, weil sie sich für diese Art von onanistischer Vermehrung von Kapital nicht interessieren.
Sebastian Nübling wurde 1960 in
Lörrach im Südschwarzwald geboren.
Nach dem Studium der Kulturwissenschaften gründete er die Gruppe „Theater Mahagoni“, bei der er mehrere Jahre
spielte. Nach ersten Arbeiten am Stadttheater wurde er 2002 von der Jury der
Zeitschrift „Theater heute“ als Nachwuchsregisseur des Jahres ausgezeichnet. Im selben Jahr wurde er zum ersten
Mal zum Berliner Theatertreffen eingeladen, zahlreiche weitere Einladungen
folgten. Sebastian Nübling inszeniert
an verschiedenen großen Häusern wie
dem Hamburger Schauspielhaus, dem
Zürcher Schauspielhaus, der Ruhrtriennale und den Münchner Kammerspielen. Außerdem arbeitet er regelmäßig mit Jugendlichen und gemischten
Ensembles am Jungen Theater Basel. In
Bochum war seine Essener Inszenierung
„Ubu“ zu sehen, die in Kooperation mit
der Toneelgroep Amsterdam entstand.
www.vbw-bochum.de
VBW BAUEN UND WOHNEN GMBH, Wirmerstraße 28, 44803 Bochum, 0234 310-310
CILLA BACK – Finnisches sisu
ITALIENISCHE
FRAUEN
UND
FINNISCHES
SISU
Finnland, SCHWEDEN,
BERLIN, Oslo, Basel,
Italien, Bochum. Die
finnische Regisseurin
CILLA BACK ist so viel
unterwegs, dass man
sich manchmal fragt,
wie sie das eigentlich
schafft. Für uns hat sie
ihren Koffer geöffnet.
123
TEXT: SABINE REICH
Fotos: Christian Rolfes
I
n Finnland gibt es ein Wort, das
sich nicht übersetzen lässt: es
heißt „sisu“ und meint eine bestimmte Art von Energie. Was auch
immer das ist, Cilla Back hat es.
Sie redet rasant schnell, ist immer in Bewegung. Cilla Back wurde
in Finnland geboren, ihre Mutter
ist Schwedin. Zum Studium ging sie
nach Mailand, nun inszeniert sie in
Basel, Tampere und Oslo, lebt in Berlin, hat Gastspiele mit ihren Produktionen in Frankreich und Portugal.
Aber im Sommer macht sie Urlaub in
Italien. Sie schätzt die Offenheit Italiens für Künstler und Exzentriker: „Es
gibt bestimmte Kulturen, zu denen
ich auch Finnland und Deutschland
zähle, in denen exzentrisch zu sein
absolut inakzeptabel ist. Wer anders,
bunt oder laut ist, wird schräg angeschaut und verurteilt. Was auch immer man über Italien, das Chaos dort
oder über die politische Situation sagen kann, ich mag die Akzeptanz der
Verrücktheit dort.“
Die italienische Poetin Alda Merini, die Cilla Back in Mailand traf,
war eine hochgeachtete „Verrückte“, die sie beeindruckte und der sie
während ihrer Zeit in Italien nahe
gekommen ist. Cilla Back: „Alda
Merini verbrachte fast vierzig Jahre
in der Psychiatrie, wo sie Gedichte
schrieb, für die sie für den Literaturnobelpreis nominiert wurde. Sie hatte einmal einen Familienstreit, der
Ehemann rief den Krankenwagen
und sie wurde in die Psychiatrie gebracht. Bist du einmal drin, kommst
du nicht mehr raus. Alda Merini
beschreibt diese Welt als eine komplett eigene Welt der Anarchie, voller Sexualität, Perversion, doch auch
voller Solidarität und Freundschaft.
Sie verschrieb schließlich ihr Leben
mehr dem Drinnen-Sein als dem
Draußen-Sein. Ich habe sie mehrere
Male getroffen und sie erzählte über
ihr Leben. Sie hat dabei geraucht wie
der Teufel.“
Die extremen Haltungen interessieren Cilla Back. Damit meint sie
vor allem radikale Entscheidungen
für die Kunst. So wie bei einer anderen italienischen Künstlerin, die
Die Madonna für
immer und
unterwegs
Die Madonna zieht mit
um in jede neue Tasche
und in jedes neue Land.
Der Fischkopf
von Yvonne
Wir haben ein
Herz, das schlägt,
und Francesco
Calcagnini, der
Bühnenbildner von
Cilla Back, „hat
einen Stift, der unablässig zeichnet“,
sagt sie. Diesen
Fischkopf zeichnete
er während der
Proben zu „Yvonne,
Prinzessin von
Burgund“ am Det
Norske Teatret in
Oslo 2008.
Ein Messer aus
Finnland
Das Messer trägt man in
Finnland immer bei sich, denn
man braucht es im Wald und
beim Fischen. Es steht für das
finnische „Sisu“. In dieses hier
ist der Name von Cilla Backs
Sohn eingraviert.
Eine italienische Hommage an den
Wahnsinn
Dies ist ein Buch
von Alda Merini.
Sie war eine italienische Poetin und
Romanautorin.
In „L’altra verità.
Diario di una
diversa“ („Die
andere Wahrheit.
Tagebuch einer
Andersartigen“)
schrieb sie über
ihr Leben in
der Psychiatrie.
Cilla Back traf die
Dichterin oft in
Mailand.
Ein Käfig für
Fräulein Else
In diesem Käfig ist das Herz von
„Fräulein Else“ gefangen. Die
Schauspielerin, die „Fräulein
Else“ in der Regie von Cilla Back
spielte, schenkte ihr diesen zur
Premiere in Oslo.
Ein Bild, selbstgemalt,
vielleicht „Lulu“
Cilla Back malt am Abend
nach den Proben. Das entspannt sie. Egal, wo sie ist.
Dornen aus
Mailand
Fünf Jahre ihres Lebens
wohnte Cilla Back bei
einer italienischen
Bildhauerin, die ihr diese
kleine Skulptur schenkte.
Es war eine sehr besondere Wohngemeinschaft,
zu der nur ein einziger
Mann Zutritt hatte –
der Putzmann.
CILLA BACK – Finnisches sisu
YERMA
von Federico García Lorca
Premiere am 14. April 2012 in den Kammerspielen
Was brauchen wir, um glücklich zu sein? Wohlstand und
Sicherheit? Ein Kind und eine große Familie? Wofür leben
wir und was gibt unserem Leben einen Sinn? Viele dieser
Fragen beantworten wir mit der Geburt eines Kindes. Und
wenn ein Kind nicht dann kommt, wenn wir es erwarten,
entsteht eine Leere, die alles im Leben auszulöschen vermag. Doch auf was warten wir, wenn wir auf ein Kind warten? Auf das Glück?
Yerma braucht ein Kind, damit ihr Leben einen Sinn
hat. Die Ehe mit Juan macht sie nicht glücklich. Er arbeitet
hart, will Wohlstand und Sicherheit. Ein Kind fehlt ihm
nicht, doch Yerma wird trauriger mit jedem Jahr, das sie
ohne Kind verbringen muss. Wird sie nicht schwanger,
weil Juan kein Kind will? Oder weil sie ihn nicht liebt? Für
Victor empfindet sie ganz anders, doch auf Wunsch ihres
Vaters hat sie Juan geheiratet und bleibt ihm treu, auch
wenn eine Alte ihr rät, den Kinderwunsch etwas unkonventioneller, mit einem anderen Mann, zu befriedigen.
Doch Yerma bleibt bei ihrem Mann und wird beide in den
Abgrund reißen.
Federico García Lorca schrieb dieses hochemotionale, realistische und doch auch poetische Stück über ein
gescheitertes Leben und die Suche nach Glück und Liebe
im Jahr 1934. Die Geschichte ist in der traditionellen Welt
Andalusiens verwurzelt und zeigt doch Menschen, die verzweifelt auf der Suche nach dem richtigen Leben sind. So ist
es eine zeitlose Geschichte, die Lorca in einer berührenden
und kraftvollen Poesie erzählt. Cilla Back, die aus Finnland
stammt, in Italien studierte und in ganz Europa arbeitet,
inszeniert „Yerma“ für die Bühne der Kammerspiele.
Regie und Kostüme: Cilla Back
Dramaturgie: Sabine Reich
sie ebenso beeindruckte wie die rauchende Schriftstellerin. Während
ihres Regiestudiums an der Scuola
del Piccolo Teatro in Mailand lebte
sie bei einer italienischen Bildhauerin. Cilla Back erinnert sich: „Unsere Wohngemeinschaft erinnerte ein
wenig an ‚Bernarda Albas Haus’ von
Lorca: ‚La Signora’ hatte sich entschieden, die Türen zur Außenwelt
zu verschließen, und ist nie ausgegangen. Sie hat sich ausschließlich
der Kunst gewidmet, was sie dank
ihrer wohlhabenden und berühmten
Familie auch konnte. Außerdem war
da Rebecca, ihre total neurotische
Hündin. Die Einzige, der Rebecca gehorchte, war ich. Es gab eine Haushälterin und der einzige Mann, der
diese Wohnung je betrat, war Signor
Ponzoni, der Putzmann. Ich war eine
arme Studentin und habe fünf Jahre
in diesem seltsamen, riesigen Appartement gewohnt. Das war eine fantastische Zeit. Ich führte damals ein
ziemlich verschlossenes Leben und
vielleicht hatten wir deshalb eine
sehr gute Kommunikation.“
An Italien liebt Cilla Back die Exzentrik, mit Finnland, wo sie geboren
126
ist, verbindet sie „sisu“, diese Energie, die zum Beispiel durch das Messer, das sie bei sich trägt, ausgedrückt
wird. „Das Messer hat eine Aggressivität und eine Art von Energie, die
wir ‚sisu’ nennen. Es meint diesen
inneren Antrieb, von dem ich glaube, dass nur die Finnen ihn haben.
Finnen sind wie Schamanen und die
Schamanenkultur ist sehr stark in
Finnland vertreten. Finnische Tänzer sind so fantastisch, weil sie diese
Energie haben und sie kanalisieren.
Wenn man das nicht kanalisiert, gibt
es viele Schwierigkeiten wie Alkoholismus und Gewalttätigkeit. Es ist
kein Zufall, dass das Messer die häufigste Mordwaffe in Finnland ist.“
Energien freizusetzen und zu kanalisieren scheint Cilla Backs besondere Begabung zu sein. Ihr eigenes
Theater beschreibt sie als Suche nach
einer Form und einer Präzision, die
im Extrem übersteigert verdrängte
Energien freisetzen. Die ehemalige
Ballerina dehnt und zerrt die Emotionen bis sie reißen. Ruhe findet sie
selber nur selten. „Ich male in der
Nacht, wenn ich Regie führe. Das
ist das Einzige, was mich dann entspannt.“
Entspannung ist schwer vorstellbar im Leben von Cilla Back, und es
ist auch nicht das, was sie sucht: Unruhe, nicht Ruhe, treibt sie an.
In Berlin, am Prenzlauer Berg, Samstagnachmittag am Kollwitzplatz zwischen Spielplatz und Biomarkt, fühlt
sie sich unwohl. Obwohl sie und
ihre zwei Kinder in Berlin leben, sie
mehr und mehr Deutsch lernt, die
Stadt gut kennt und schätzt, fühlt
sie sich als eine Fremde in diesem
neu-bürgerlichen Familienidyll. Sie
gehöre nicht dazu, sagt sie über sich.
Sie bleibt bei sich und ist doch immer
schon woanders.
Eine einzige konstante Begleitung
auf ihren Reisen lässt sie zu: die Madonna, die ihr einst eine Freundin
schenkte. „Ich bin selbst nicht im
klassischen Sinne religiös, aber die
Madonna habe ich immer bei mir,
wenn ich ein Flugzeug nehme und
von Land zu Land reise.“ Bestimmt
hat diese Madonna genügend finnisches Sisu, um bei den rasanten Reisen der Cilla Back mitzukommen.
127
Dietmar Bär – Heimathirsch
Heimathirsch
Natürlich kennt man ihn als Tatort-Kommissar Freddy Schenk. In „Eisenstein“ hat
Dietmar Bär gezeigt, dass er noch andere Seiten hat. Auch in Zukunft will er beides
verbinden: Theater in Bochum und Film und Fernsehen. Eine Zwischenbilanz.
W
ie war es, nach all den
Jahren wieder auf die
Bühne zurückzukehren?
Für mich war das vor allem eine
Rückkehr auf diese spezielle Bühne. Ich hatte ja ein paar Jahre zuvor
schon wieder Theater gespielt, aber
in Bochum bin ich das erste Mal seit
1984 wieder gewesen.
Mir hat das großen, großen Spaß
gemacht. Die Arbeit, die Premiere
von „Eisenstein“, die Kollegen vor allen Dingen und das Wiedererkennen
des Bochumer Publikums.
Was heißt Wiedererkennen?
Die Atmosphäre, die Energie, die da
von unten kommt. Man spürt als
Schauspieler, aber auch als Zuschauer, dass es je nach Publikum verschiedene Betriebstemperaturen im Raum
„Mein Kulturdoppel: mittags
Fußball im Ruhrgebiet, abends
Theater im Ruhrgebiet.“
gibt. Es gibt Orte, da kommt es mir
ein bisschen unangenehm und kalt
vor und abschätzig oder arrogant.
Und das ist etwas, was es in Bochum,
glaube ich, noch nie gegeben hat und
nie geben wird. Man merkt, wo man
ist, wenn man spielt.
Für dich ist es eine doppelte Rückkehr.
Auf die Bühne, aber auch in diese
Stadt. Wann hast du zuletzt hier gelebt?
So richtig gelebt habe ich in Bochum
von 1982 bis 1985 während meiner
Ausbildung an der Bochumer Schauspielschule. Aber ich habe in der
großen Nachbarstadt von Bochum
immer noch eine Dauerkarte des
Ballspielvereins Borussia. Ich bin in
der Stadt aufgewachsen und spüre da
eine gewisse Tradition, der ich mich
nicht entziehen kann.
Fährst du tatsächlich zu jedem BVBHeimspiel von Berlin, wo du jetzt
lebst, nach Dortmund?
Nein, aber ich bin viele Wochen im
Jahr in Köln zu den Dreharbeiten
vom „Tatort“ oder zu anderen Filmarbeiten und da fahre ich dann am
Wochenende nicht zurück nach BerInterview: thomas laue
Foto: Christian rolfes
lin, sondern nach Dortmund. Und
mittlerweile verquicke ich ja auch
Heimspiele mit Vorstellungsterminen in Bochum, wie du weißt.
Das heißt, nachmittags Spiel gucken
und abends selber spielen.
Das ist mein Doppel-Kulturprogramm: mittags Fußball im Ruhrgebiet, abends Theater im Ruhrgebiet.
Und das ist ja im Moment beides
eine helle Freude.
Spürst du so etwas wie Aufschwung
in der Ruhrregion? Vielleicht auch
durch RUHR.2010?
Ich kann das jetzt nicht ständig an
jeder Ecke spüren, aber durch die
Teilnahme an verschiedenen Events
und auch als Besucher der Kulturhauptstadt habe sogar ich als gebürtiger Ruhrgebietler einen neuen Blick
auf die Region bekommen.
Ich bin ja öfter zu Hause, und ich
bemerke da Veränderungen an mir
selbst. Auch im Austausch mit Leuten: wie man darüber spricht, auf der
Arbeit. Ich bin ja überall unterwegs,
und klar: man redet über das Ruhrgebiet.
Du hast eben gesagt: „Ich bin ja öfter
zu Hause.“ Ist das Ruhrgebiet immer
noch „zu Hause“, auch wenn du seit
25 Jahren nicht mehr hier lebst?
Es ist halt die alte Heimat. Und immer noch der Ort, wo meine Mutter
und die Geschwister leben.
Durch die Probenarbeit letztes
Jahr war ich gut anderthalb Monate
am Stück im Ruhrgebiet. Gerade in
dieser Zeit konnte ich das alte Heimatbiotop zwischen Essen, Bochum
und Dortmund noch mal intensiver
einatmen. Da werden auch alte Gefühle wieder stark...
Wie unterscheidet sich das Arbeiten
am Theater vom Arbeiten beim Film?
Das sind erstmal zwei völlig verschiedene Berufe. Ich hatte das Glück,
dass ich früh beides kennen lernen
konnte. Im Theater kann man sich
über Wochen an Themen ab- und
auf eine Premiere hinarbeiten, an der
dann über Stunden eine zusammenhängende Geschichte erzählt wird.
Beim Drehen hast du jeden Tag ein
ziemlich eng gepacktes Pensum un129
ter einem riesigen Zeitdruck abzuarbeiten. Eigentlich ist jeden Tag Leseprobe und Premiere gleichzeitig und
alles wird dann im Schneideraum
zusammengesetzt, wenn du selbst
schon wieder ganz woanders bist.
Theater entsteht bei jeder Vorstellung neu, ein Organismus, der
sich ständig verändert. Ein Film ist
irgendwann für die Ewigkeit auf Zelluloid gebannt und in seinem letzten
Ergebnis dann fest und starr.
Ich glaube weiterhin fest daran,
dass das Handwerk für diesen Beruf
„Schauspieler“ im Theater liegt. Ich
bin sehr konservativ, was die Filmerei
angeht, weil ich in meinem Berufsleben als ganz junger Mensch mit den
tollen, großen Alten drehen durfte,
die alle aus dem Theater kamen und
diesen riesigen Background hatten.
Heute werde ich am Set oft mit
Menschen konfrontiert, die die erste
Theaterprobe nicht überleben würden, aber im Film funktionieren können, weil dort eben andere Gesetze
gelten. Das hat sicher auch damit zu
tun, dass sich Formate und Philosophien im Fernsehfilmgeschäft stark
„Man unterhält sich am Lagerfeuer darüber, wann man
das letzte Mal gespielt hat.“
verändert haben. Siehe die CastingShows, wo man den Menschen erzählt, dass man mit so einer kleinen
Instant-Tüte Musik und Talent irgendwie ein Sänger oder ein Schauspieler oder gar ein Model werden
kann. Fatale Aussichten eigentlich.
Ist das einer der Gründe, warum du
wieder Theater spielst?
Nein, mir ging es wie vielen Kollegen
mit Theaterhintergrund, die jahrelang
nur noch im Film- und Fernsehgeschäft gearbeitet haben: Man unterhält sich dann am Lagerfeuer darüber,
wann man das letzte Mal gespielt hat,
und ob man das noch kann.
Ich hatte das Glück, nicht an
alle Türen der Theater Deutschlands
klopfen zu müssen, sondern eingeladen worden zu sein, von euch in
Bochum, und da zu spielen. Da war
es einfach, zu sagen: „Ja, ich will da
Dietmar Bär – Heimathirsch
vorgestellt, die Kostüme, und man
fängt an, zusammen zu lesen und die
Atmosphäre entstehen zu lassen, in
der man eine Geschichte, wie in diesem Fall „Eisenstein“, erzählen will.
Das ist immer ein besonderer Tag.
Und da kam der Herr Bär ein bisschen spät rein.
VOR
SONNENAUFGANG
von Gerhart Hauptmann
Aber es hat der ganzen Sache nicht
geschadet, es ist sogar so gut gegangen, dass du dem Bochumer Publikum
auch in der nächsten Spielzeit in der
Produktion von Gerhart Hauptmanns „Vor Sonnenaufgang“ erhalten bleibst.
Ja, wir wollen das fortsetzen, aber das
hat wie gesagt viel mit der Atmosphäre zu tun, die andere mitschaffen.
Man kommt ja da rein und bringt
sich mit und muss dann gucken, was
zurückkommt.
Es war halt alles da und wahrscheinlich hängt das auch mit den
alten, beruhigenden Sprüchen der
Kolleginnen und Kollegen zusammen, die sagen: „Du, das ist wie
Fahrradfahren, das verlernt man
nicht.“ Man kommt an und sofort
gehen alle Türen wieder auf im Kopf.
Die Kommunikation zwischen
dem Regisseur Weber und dem
Schauspieler Bär hat auch funktioniert, so dass man dann sagt: „OK,
da kann man doch jetzt noch mal
was Intensiveres probieren.“ Und da
gibt es ein paar Ideen.
Premiere am 23. Mai 2012 im Schauspielhaus
Ungeahnte Kohlenschätze lagern unter den Feldern von
Witzdorf, einem fiktiven Ort in der niederschlesischen
Provinz. Das schwarze Gold hat den Unternehmer Hoffmann über Nacht reich gemacht.
Nachdem er geschickt in die Familie des Großbauern
Krause eingeheiratet hat, kontrolliert er inzwischen den
Kohleabbau in der gesamten Region. Mit den Bauern, denen die neuerdings so ertragreichen Felder gehören, soll der
Unternehmer ausbeuterische Pachtverträge abgeschlossen
haben.
Als Hoffmanns Jugendfreund Alfred Loth zu Besuch
kommt, wird er mit seinen früheren, längst verratenen
Idealen konfrontiert. Loth, der für seine kommunistische
Überzeugung ins Gefängnis ging, plant ein Buch über die
Situation der schlesischen Bergarbeiter. Als er durch seine
Recherchen in den Kohlegruben die Profite Hoffmanns aus
dem Bergbau empfindlich bedroht, verweist dieser den alten Freund des Hauses.
Währenddessen verliebt sich Hoffmanns Schwägerin
Helene Krause in den weltgewandten Neuankömmling Alfred Loth. Aufgewachsen in einem Pensionat, erscheint ihr
das Leben in der schlesischen Provinz wie ein Gefängnis.
Die beiden planen gemeinsam durchzubrennen, doch konfrontiert mit der „Erblast“ des Alkoholismus in der Familie
Krause, steht Loth zwischen den Stühlen: Soll er sich für die
Frau entscheiden, die er liebt, oder für sein Ideal einer Ehe
mit einer gesunden, vollkommenen Frau? Ist der Mensch
frei in seinen Entscheidungen oder ist er durch sein soziales
Umfeld oder seine Gene determiniert?
Helene kämpft in der folgenden Nacht nicht nur um
das Leben ihrer Schwester, die in den Wehen liegt, sondern
auch um ihre eigene Freiheit: ihr Schicksal wird sich vor
Sonnenaufgang entschieden haben.
Regie: Anselm Weber
Bühne: Alex Harb
Kostüme: Meentje Nielsen
wieder hin!“ Das Live-Spiel, das Gefühl mit dem Publikum im Raum an
so einem Premierenabend, das hast
du eben beim Dreh nicht, das ist der
gute alte „Thrill“ auf der Bühne.
Erinnerst du dich noch an deinen ersten Probentag in Bochum?
Sehr gut, weil ich damals aus Köln
kam und mitten auf der Rheinbrücke umkehren musste: Ich hatte vor
lauter Aufregung meinen Rucksack
vergessen hatte. (lacht) Ich musste
wieder zurück und kam dann natürlich zu spät auf der Probebühne an...
natürlich. Ist aber in meinem Leben
leider ein Klassiker. Es war der Tag 1,
wo man natürlich alle Kollegen – die
ich zum größten Teil noch gar nicht
kannte – kennenlernt. Und es gibt
das gute Flair der ersten Probe: Die
Konzeption des Bühnenbilds wird
130
Bleibt denn noch genug Zeit zum Drehen oder wird man dich demnächst
nur noch im Theater sehen?
Das denke ich erst mal nicht, aber es
hat funktioniert. Das war ja zu überprüfen von meiner Seite aus. Auch
die Verbindung mit dem TatortDrehplan. Aber das klappt, für ein
Stück pro Spielzeit.
Ich bin bestimmt erstmal noch
auf beiden Gleisen unterwegs, und
was dann später passiert, wenn wir
alle unsere Theater vielleicht sogar
unter Waffengewalt beschützen
müssen, damit wir überhaupt noch
Kultur machen können in Deutschland, werden wir sehen. Da muss
ich wahrscheinlich dann auch dabei
sein und die Sandsäcke aufschichten
vorm Schauspielhaus.
FrEundEskrEis
schauspiElhaus Bochum E.V.
FördErung dEr
thEatErarBEit sEit 1994
EinE FrEundschaFt,
diE sich lohnt!
Das Schauspielhaus Bochum ist ein Leuchtturm innerhalb
der reichen Kulturlandschaft des Ruhrgebietes. Die herausragende Stellung und überregionale Strahlkraft dieses
so traditionsreichen wie renommierten Theaters ideell
und finanziell zu stützen und zu fördern – das hat sich der
Freundeskreis Schauspielhaus Bochum e.V. zum Ziel gemacht.
Der Freundeskreis ist ein Gewinn für alle – sowohl für das
Schauspielhaus Bochum und sein Publikum als auch für
die Mitglieder selbst. Denn diese profitieren in vielerlei
Hinsicht von ihrem Engagement!
1994 gegründet, versteht sich der Freundeskreis als Motor
für eine effiziente und nachhaltige Förderung der Theaterarbeit. So hat er in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, die technische Ausstattung des Schauspielhauses zu
optimieren, und darüber hinaus zahlreiche Einzelprojekte
unterstützt. Dabei ist es dem Freundeskreis ein besonderes Anliegen, junge Besucher – auch über das Modell der
„Patenkarten“ für finanziell benachteiligte Schüler, Schülerinnen und Studierende – an das Schauspielhaus heranzuführen.
Doch nicht nur dem Haus lassen die Mitglieder des Freundeskreises die angemessene Unterstützung zukommen,
durch vielfältige Aktionen tragen sie auch dazu bei, dieses
Theater und seine Mitarbeiter noch besser kennen zu lernen und so die Identifikationsbereitschaft zu erhöhen.
So haben die Freundinnen und Freunde Gelegenheit, die
Arbeit des Schauspielhauses durch verschiedene exklusive Veranstaltungen näher kennen zu lernen – sei es in
Gesprächsrunden mit Regisseuren, Schauspielern und
Dramaturgen, bei Führungen, Vorstellungen der verschiedenen Theaterberufe oder auch bei Vorträgen und Podien
zur Theatergeschichte. Über sämtliche Angebote werden
die Mitglieder des Freundeskreises durch Rundbriefe informiert.
Darüber hinaus sind die Mitglieder des Freundeskreises bei
der Kartenreservierung privilegiert: Sie können ihre Theaterkarten bereits einen Tag vor dem Beginn des regulären
Vorverkaufs für Wahl-Abonnenten bestellen bzw. erwerben.
Die Freundeskreismitglieder kommen nicht nur aus Bochum, sondern auch aus anderen Städten der Region
und sogar aus Berlin, wie das prominenteste Mitglied
Otto Sander. Es lohnt sich, Mitglied im Freundeskreis des
Schauspielhauses Bochum zu werden.
Wollen Sie nicht auch dabei sein?
Werden Sie Mitglied!
Kontakt: Freundeskreis Schauspielhaus Bochum e.V. • c/o Hans Joachim Salmen (Vorsitzender)
Heinrich-König-Str. 73 • 44795 Bochum • Tel.: 0234 / 47 35 93•E-Mail: hajosalmen@aol.com
Jährliche Beiträge: Einzelmitglieder 45,00 € / Studierende 10,00 € / Familien 60,00 € / Juristische Personen 300,00 €
„Ich bin Mitglied
im Freundeskreis,
weil mir das
Schauspielhaus
Bochum wichtig
ist, weil ich das
zeigen will, weil
ich erstklassige
Aufführungen
sehen möchte und
weil ein Theater
gerade heute
dafür Unterstützung braucht.“
Volker Fleige
„... weil ich gerne
auch einmal
selbst auf der
Bühne stehe.“
Ute Lange nach einer
Bühnenführung für
den Freundeskreis
Theater für alle:
junges
schauspielhaus
Theater und Schule
Das Junge Schauspielhaus steht für ein Theater für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, das sowohl durch soziale als auch künstlerische Ansprüche geprägt ist; das sich
besinnt auf seine kulturellen Möglichkeiten Schule des Sehens zu sein, Kommunikation in Gang zu setzen und Mut zum Leben zu machen.
Das Junge Schauspielhaus ist ein Ort der Begegnung, Kommunikation und Kreativität für Kinder und Jugendliche aus allen sozialen Schichten. Hier bekommen Kinder
und Jugendliche Gelegenheit, sich – von Künstlern und Theaterpädagogen begleitet – auszuprobieren, zu entfalten, ihre Kreativität zu nutzen und damit Wege und
Handlungsstrategien für ihr Leben zu entdecken. Durch die praktische Auseinandersetzung mit Musik, Theater, Tanz und Bildender Kunst erweitert sich der kulturelle Horizont wie auch die gesellschaftliche Kompetenz. Das Selbstbewusstsein der
Kinder und Jugendlichen wird gestärkt, sie erfahren vielfältige Möglichkeiten sich
auszudrücken und ihre Gedanken zu formulieren. Sie erlernen Teamfähigkeit und
den konstruktiven Umgang miteinander.
Das Junge Schauspielhaus ist Heimat für hunderte von Bochumer Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die sich in Projekten und Workshops kennen lernen. Es
arbeitet mit allen Bevölkerungsschichten, Religionszugehörigkeiten und Altersgruppen, die sich auf diese Weise durchmischen und gegenseitig entdecken. So entsteht
Kommunikation, Respekt, Verständnis und im besten Fall Zuneigung zwischen
Menschen, die sich sonst vielleicht niemals getroffen hätten.
Martina van Boxen
Leiterin Junges Schauspielhaus
Martina van Boxen, geboren
1960, studierte Visuelle Kommunikation in Düsseldorf und absolvierte ihre Schauspielausbildung
an der Hochschule für Musik und
Theater in Hannover. Sie arbeitete an verschiedenen Theatern als
Schauspielerin und Regisseurin
und leitete die Theaterwerkstatt
Hannover. Dort und an anderen
Theatern inszenierte sie zahlreiche
Stücke für Kinder, Jugendliche und
Erwachsene. Ihre Arbeiten wurden
vielfach ausgezeichnet und zu nationalen wie internationalen Festivals eingeladen. Seit der Spielzeit
2005/2006 leitet sie das Junge
Schauspielhaus Bochum.
SIB – Schulen in Bewegung
80 Schülerinnen und Schüler aus sechs Bochumer Schulen entwickeln zusammen mit Künstlern ein Theaterprojekt. Das Besondere daran: Die Schüler kommen nicht
nur aus sechs unterschiedlichen Schulen, sondern auch
aus sechs unterschiedlichen Schulformen: Förderschule,
Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Gesamtschule und
Berufskolleg.
Alle teilnehmenden Schüler haben unter der Anleitung
von Künstlern die Möglichkeit, verschiedene kreative
Ausdrucksformen und Arbeitstechniken zu erproben und
schöpferische Kräfte zu entwickeln. Entsprechend ihrer
individuellen Neigungen können sie sich für die Bereiche Schauspiel, Tanz, Musik, Film, Bühnenbild, Kostüm
oder auch Website-Erstellung entscheiden. Die Gruppen
werden gleichmäßig durchmischt, d. h. jede Gruppe wird
aus Förder-, Haupt-, Real-, Gesamt-, Berufsschülern und
Gymnasiasten gebildet.
Ziel ist es, auf Stigmatisierungen in und aus allen Richtungen („Die sind doch alle dumm und blöd“, „Die sind doch
alle Streber und Karrieristen“) mit Integrationsangeboten
zu antworten. Die Arbeit als Gruppe an einem gemeinsamen künstlerischen Ausdruck, an einem ästhetischen Gesamtwerk jenseits von Notenzwang und Schulalltag macht
es möglich, dass sich jeder Einzelne mit seinen besonderen
Fähigkeiten, Kompetenzen, Ressourcen und Vorlieben einbringen und entwickeln kann.
Mit Columbus
Theater entdecken
Moderne Klassikerinterpretationen kennen lernen, neue
Stoffe und Texte hautnah erleben, erfahren, wie ein Theaterabend entsteht – Neugier auf das Theater weckt unser
Schul-Kooperationsprojekt Columbus.
Columbus ist eine Einladung an Schülerinnen und
Schüler des 8. bis 11. Jahrgangs aus Bochum und der Region, gemeinsam im Klassenverband das Bochumer Schauspielhaus in Besitz zu nehmen. Das Angebot erstreckt sich
über ein oder zwei Jahre mit jeweils zwei Vorstellungsbesuchen pro Schuljahr. Diese werden von Vor- oder Nachbesprechungen durch Theaterpädagogen und Dramaturgen
flankiert. Zusätzlich können die Gruppen im Rahmen
einer gebuchten Columbus-Vorstellung nach vorheriger
Anmeldung an einer Führung durch das Schauspielhaus
Bochum teilnehmen.
Wir machen den Lehrern der teilnehmenden Klassen Vorschläge, welche Stücke aus dem Gesamtspielplan für Columbus geeignet sind und für die sie Kartenkontingente
abrufen können. Dies sichert Ihnen auch bei stark gefragten und schnell ausgebuchten Vorstellungen Karten für
die gesamte Klasse.
Schulen in Bewegung wird gefördert von:
Die Kosten für die zweijährige Teilnahme betragen inklusive aller vier Vorstellungen sowie der Vor- und Nachbereitungsangebote pro Schüler 20,00 € (bzw. 10,00 € für ein
Jahr). Einfacher und preisgünstiger kann man nicht ins
Theater gehen!
Weitere Informationen im Jungen Schauspielhaus bei:
Tobias Diekmann
Tel.: 0234 / 33 33 54 28
E-Mail: tdiekmann@bochum.de
FOTOS: DIANA KÜSTER
illustrationen: Anne Peter
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Kinder- und Familienstück von Michael Ende
ab 6 Jahren
Wiederaufnahme im November 2011
im Schauspielhaus
DIE KLEINE HEXE
Wer kennt nicht Jim Knopf und Lukas den Lokomotivführer, die dicke Lokomotive Emma, Prinzessin Li Si und den
Scheinriesen Tur Tur? Ausgezeichnet mit dem Deutschen
Jugendbuchpreis und in 33 Sprachen übersetzt, verzaubert
Michael Endes Roman „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ seit über 50 Jahren die Kinder in aller Welt.
Seit November ist die Geschichte der beiden Freunde Jim
und Lukas und ihrer weiten Reise durch eine Welt voller
Abenteuer mit großem Erfolg im Schauspielhaus Bochum
zu sehen – für Schulklassen an vielen Vormittagen und familienfreundlich auch nachmittags und am Wochenende.
Kinder- und Familienstück von Otfried Preußler
ab 6 Jahren
Premiere am 20. November 2011 im Schauspielhaus
Mit 127 Jahren ist sie noch ganz schön jung für eine Hexe.
Aber alt genug für die Walpurgisnacht, denkt sich die kleine Hexe. Warum sollen denn bei der größten Party des Jahres immer nur die alten Hexen ihren Spaß haben? Also ist
die kleine Hexe einfach heimlich zum Blocksberg geflogen,
wurde aber leider erwischt. Doch die alten Hexen geben
ihr eine Chance: Wenn sie innerhalb eines Jahres eine gute
Hexe wird, darf sie bei der nächsten Walpurgisnacht ganz
offiziell dabei sein.
Wir werden die Produktion auch in der zweiten Spielzeit
weiter im Programm halten und Jim Knopf und Lukas regelmäßig mit ihrer Lokomotive auf die Reise schicken. Damit stehen mit der „Kleinen Hexe“ und „Jim Knopf“ erstmals zwei große Kinder- und Familienstücke gleichzeitig
auf dem Spielplan des Schauspielhauses.
Also macht sich die kleine Hexe an die Arbeit und ihr bester
Freund, der Rabe Abraxas, hilft ihr dabei. Sie lernt täglich
sieben statt sechs Stunden aus dem großen Hexenbuch.
Sie hext Gutes und hilft den Menschen, wo sie kann: zum
Beispiel den alten Frauen, denen der neue Revierförster
das Holzsammeln verbieten will, dem Maronimann mit
seinem Schnupfen oder den Kindern, denen der böse Sepp
immer den Schneemann kaputt macht.
„Regisseurin Katja Lauken lässt zu Beginn ganz Lummerland auf die Bühne fliegen. Die Aufführung verzaubert
durch Liebe zum Detail. Und weil sie ganz unaufdringlich
Jim Knopfs Geschichte, die eines farbigen Findelkindes, als
Migrantenschicksal ernst nimmt. Alle Figuren sind spezielle Charaktere, Außenseiter mit melancholischem Kern, die
sich auf heiterste Weise durchs Leben schlagen.“
(Welt am Sonntag)
Dann, am Tag vor der Walpurgisnacht, muss die kleine
Hexe vor dem Hexenrat beweisen, dass sie eine gute Hexe
geworden ist. Nur wenn sie diese Prüfung besteht, darf sie
mit auf den Blocksberg. Erst läuft es ganz gut, denn das
große Hexenbuch kann sie in- und auswendig. Aber dann
berichtet die Muhme Rumpumpel von den guten Taten der
kleinen Hexe – und anstatt sie zu loben, wollen die alten
Hexen sie nun bestrafen, denn eine Hexe darf nun einmal
immer nur Böses hexen. Aber wie hätte die kleine Hexe das
wissen sollen? Und überhaupt: sind nicht die alten Hexen
die schlechten Hexen? Die sollen in dieser Walpurgisnacht
noch ihr blaues Wunder erleben!
FRED UND ANABEL
nach Motiven von Lena Hesse
für Kinder ab 3 Jahren
Uraufführung am 9. Oktober 2011
im Melanchthonsaal
Fred und Anabel haben einen wunderschönen Sommer
verbracht, denn sie sind Freunde geworden. Fred, der Kater, und Anabel, die Graugans, waren unzertrennlich und
deshalb war dieser gemeinsame Sommer der schönste
Sommer überhaupt. Sie haben viele Abenteuer erlebt, doch
dann kommt der Herbst. Anabel beginnt zu frieren und sie
muss mit den anderen Graugänsen in den warmen Süden
fliegen. Fred dagegen bleibt lieber auf dem warmen Ofen
bei Paula Mai. Aber Anabel hält es ohne Fred kaum aus
und Fred ist traurig ohne Anabel. Beide vermissen einander
ganz schrecklich. Und so beschließen sie, sich gegenseitig
Briefe zu schreiben. Nun wissen sie, dass es dem anderen
gut geht und die Zeit bis zum Wiedersehen geht viel schneller vorbei! Tatsächlich sind sich Fred und Anabel die ganze
Zeit über viel näher, als sie gedacht haben.
von Igor Bauersima
für Jugendliche ab 13 Jahren
Premiere am 30. November 2011 im Theater Unten
Martina van Boxen inszeniert diese Geschichte über
Freundschaft, Trennung, Sehnsucht und Liebe für Kinder
ab 3 Jahren.
Regie: Martina van Boxen
Bühne: Michael Habelitz
Kostüme: Cathleen Kaschperk
Musik: Manuel Loos
Dramaturgie: Anna Haas
Regie: Katja Lauken
Bühne: Kathrine von Hellermann
Kostüme: Yvette Schuster
Musik: Torsten Kindermann,
Oliver Siegel
Dramaturgie: Anna Haas
Regie: Henner Kallmeyer
Bühne: Franziska Gebhardt
Kostüme: Silke Rekort
Musik: Burkhard Niggemeier
Dramaturgie: Sascha Kölzow
NORWAY.TODAY
Illustration: Lena Hesse
weiter im Spielplan:
Jim Knopf und Lukas
der Lokomotivführer
Lena
Illustration:
Hesse
Theater für Kinder
und Jugendliche
August ist lebensmüde. Er denkt an Selbstmord. Dabei ist
er noch keine 20. Im Internet sucht er nach Gleichgesinnten. Es meldet sich Julie, die mit ihm zusammen sterben
will. Sie verabreden sich auf einer 600 Meter hohen Klippe
an einem norwegischen Fjord, um gemeinsam in den Tod
zu springen. Ihren Abschiedsbrief wollen sie als Videobotschaft verfassen. Und so beginnen die beiden ihre letzten
Stunden für die Nachwelt zu dokumentieren. Vor laufender Kamera fangen sie an zu spielen. Und je mehr sie spielen, umso mehr sind sie voneinander fasziniert und umso
weniger wollen sie sterben... Frei nach Schiller, für den der
Mensch „nur da ganz Mensch“ ist, „wo er spielt“. Für August und Julie wird das Spiel zum (Über-)Lebenselixier.
„norway.today“ war 2001 zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen und ist inzwischen ein Klassiker unter den
zeitgenössischen Jugendstücken. Ausgangspunkt für Igor
Bauersimas Stück war ein realer Fall, auf den er durch eine
Notiz im „Spiegel“ aufmerksam wurde. Die beiden Jugendlichen sind tatsächlich in den Tod gesprungen. Wie waren
die letzten Stunden im Leben der beiden Selbstmörder?
Bauersima gibt der Geschichte zwischen Sinnlosigkeit und
Hoffnung eine neue Wendung.
Regie: Martina van Boxen
Bühne und Video: Michael Habelitz
Kostüme: Cathleen Kaschperk
Dramaturgie: Sascha Kölzow
Kindertheater des Monats
für Kinder von 2 bis 12 Jahren
In der Gastspielreihe „Kindertheater des Monats“ zeigen wir sechs ausgewählte
Produktionen aus ganz Deutschland. Dabei stellen wir dem Publikum die ganze
Bandbreite an künstlerischen Theaterformen vor. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt, wenn Figuren zum Leben erweckt und Bilder neu in Szene
gesetzt werden. Vielfältig, kreativ und überraschend! Das ist anspruchsvolles
Theater für unsere jüngsten Zuschauer. Die Termine können Sie unseren Monatsspielplänen entnehmen.
Henner Kallmeyer, 1974 in Lübeck geboren, begann seine
Theaterlaufbahn am Schauspielhaus Bochum als Regieassistent während der Intendanz von Leander Haußmann. Nach
einer Zwischenstation in Hannover, wo er seine ersten eigenen Inszenierungen herausbrachte, kehrte er ins Ruhrgebiet
zurück und lebt heute in Essen. Er inszenierte unter anderem
in Göttingen, Salzburg, Graz, Bielefeld, Bochum und Essen so
unterschiedliche Dinge wie Shakespeare, Film-Adaptionen oder
Kinder- und Familienstücke.
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Märchenlesungen
für Kinder ab 5 Jahren
Die Märchenlesungen erzählen von wundersamen Begebenheiten und beflügeln die Fantasie. An den Adventssonntagen lesen Schauspieler des Ensembles aus ihren
ganz persönlichen Lieblingsmärchen und nehmen Groß
und Klein mit auf eine Reise an fremde und verwunschene
Orte.
Mehr Jeans im Theater!
ERSTER
AMANDA DA GLORIA
LISA FÖRSTER
IM FO
JOACH
Frühlingsanfang. Eine kleine
Garten-Idylle zwischen Mietskasernen. Einige Schauspielstudierende nutzen die ersten
Sonnenstrahlen, um die Grillsaison zu eröffnen und nach einem arbeitsintensiven Projekt
durchzuatmen. Ein Gespräch
über Schauspielerei mit Damir
Avdic und Lisa Förster.
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DAMIR AVDIC
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INTERVIEW: SASCHA KÖlZOW
FOTOS: LUKAS ZABEK
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BERNHA
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ANDRÉ
JULIA LUD
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ROHDE
CHARL
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MORILL
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MECHTHILD GRABNER
Was hat euch zum Schauspielstudium
an die Folkwang-Uni verschlagen?
Lisa: Ich hatte einfach diese fluxe
Idee, Schauspielerin zu werden. Ich
fand das faszinierend. Aber bis zum
Abi wusste ich nicht einmal, dass es
Schauspielschulen gibt.
Ich bin völlig ahnungslos zu den
Vorsprechen gegangen. An der Folkwang-Schule habe ich mich gleich
wohl gefühlt und wie eine Verrückte gekämpft, um aufgenommen zu
werden. Das war toll, man ist echt
durch die Hölle gegangen. Ich hatte
keine Ahnung, wie das geht, sondern
habe einfach gezeigt, wie ich denke,
dass es sein könnte. Das kam offenbar gut an.
Als es dann geklappt hat, wusste ich erstmal überhaupt nicht, was
mich erwartet.
Damir: Ich habe eigentlich nie den
Wunsch gehabt, Theater zu spielen. Aber ich stand schon mit neun
im Zirkus auf der Bühne und habe
gezaubert. Ich war hier in Bochum
auf der Hauptschule und kam über
„Hauptschule in Bewegung“ zum
Jungen Schauspielhaus. Ich war in
der Mediengruppe – damals habe ich
mich noch gar nicht getraut selbst
auf der Bühne zu stehen.
Aber dann habe ich gemerkt,
dass das ziemlich viel Spaß macht.
Als dann auf einmal alle von Schauspielschulen erzählt haben, dachte
ich, das könnte mir helfen, weil ich
Zauberer werden wollte. Bei den
Vorsprechen hatten die anderen Bewerber immer einen riesigen Druck.
Ich habe das gar nicht so wichtig
genommen. Aber irgendwas in mir
sagte „Ja“.
Es ist immer noch ein Rätsel für
mich, warum ich das mache. Aber
ich merke: Es gibt mir viel, weil ich
ganz viel geben kann.
Warum wollt ihr Schauspieler werden? Was macht den Beruf aus?
Damir: Das ist ein Beruf wie eine
Achterbahnfahrt. Das fasziniert
mich. Du hast riesig Schiss davor,
aber es macht so viel Spaß. Wenn
ich morgens sehe, wie Leute an der
Theaterkasse stehen, wenn ich merke, dass wir ihnen etwas schenken
können, sie manchmal sogar glücklich machen – das ist wunderschön!
Deswegen mache ich es, für die Zuschauer. Ohne sie gäb’s das Theater
nicht.
Lisa: Das stimmt. Wenn man merkt,
dass man Spannung erzeugen kann
auf der Bühne, dass ein ganzer Saal
voller Menschen auf einmal bei dir
ist – das finde ich super. Die Bühne
ist ein magischer Ort, da ist ganz viel
Wahrhaftigkeit. Wo man sich sonst
gerne herauswindet, auf der Bühne
kommt man nicht mehr drumrum.
Das ist das Schöne.
Wollt ihr berühmt werden?
Lisa: Ich denke da gerade nicht dran.
Ich möchte in diesem Beruf so gut
wie möglich werden, nicht so berühmt wie möglich.
Damir: Also ich will überhaupt
nicht berühmt werden. Ich will einfach, dass das Theater als Ganzes die
Leute packt. Für mich ist Theater wie
ein Körper: wenn nur das Herz da
ist, bringt das überhaupt nichts. Der
ganze Körper muss funktionieren.
Gibt es auch Momente, in denen man
verzweifelt?
Lisa: Ja. Gerade nachdem man einen
entscheidenden Schritt nach vorne
gegangen ist, fällt man oft gefühlte
sieben Schritte zurück. Das Empfinden ist in solchen Momenten sehr
absolut. Aber das gehört auch dazu:
richtig an sich zweifeln und dann die
Kraft besitzen weiter zu machen.
Damir: Das ist ein sehr gefährlicher
Beruf. Daran kann man auch kaputt
gehen. Du musst es 100 Prozent wollen – es reicht nicht, dass es dir ganz
gut gefällt, du brauchst die Bereitschaft zu bluten! Und es ist natürlich
auch deswegen hart, weil man uns
nicht braucht.
Man braucht keine Schauspieler.
Mein Vater kann auch leben, ohne
dass er je ein Theater besucht hat.
Trotzdem habt ihr euch für die Schauspielerei entschieden. Was ist so faszinierend am Theater?
Damir: Ich finde es toll, dass man
einfach alle Emotionen herbeirufen
kann. Es ist eben nicht nur Unterhaltung. Leute weinen, lachen, kriegen Angst, stehen sogar auf, weil sie
konfrontiert werden mit Sachen, die
sie nicht kennen oder nicht kennen
lernen wollen.
Oder die sie ganz genau kennen...
Lisa: Eben! Man konfrontiert die
Leute mit Dingen, denen sie vielleicht im Leben ausweichen. Und
vielleicht regt das an und inspiriert
die Leute.
Leider besteht das Publikum oft
nur aus sehr kultivierten Menschen.
Ich würde mir wünschen, dass man
es schafft, auch andere Menschen
ins Theater zu bringen – gerade die
jungen, denen es fremd ist.
Damir: Oft sagen Leute, sie gehen da
nicht hin, weil sie nicht die richtigen
Klamotten dafür haben! Da sage ich
ganz klar: Mehr Jeans im Theater!
Ich will, dass die Sicht aufs Theater
sich ändert. Dafür stehe ich auch auf
der Bühne.
Lisa: Ja! Da habe ich die Hoffnung,
dass wir als junge Schauspieler Zugang zu diesen jungen Menschen
kriegen können. Dass man nicht
irgendwelche alten Dinge versucht
aufzubacken, sondern was Neues
schafft, gemeinsam mit dem Publikum.
Warum hat die Welt genau auf euch
gewartet?
Lisa: Weil wir jung sind, weil wir
ganz viel Energie mitbringen und die
Kraft, etwas zu verändern.
Damir: Die Welt hat gar nicht auf
uns gewartet.
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SPIEL DES LEBENS
Ein Projekt von Lutz Hübner und Martina van Boxen
mit dem 3. Jahrgang Schauspiel der Folkwang Universität der Künste
Uraufführung am 16. März 2012
in den Kammerspielen
Die Aufnahmeprüfung ist geschafft – und nicht erst seit
gestern. Damir, Joachim, Lisa, Mechtild, Amanda, Zora,
Julia, Charles, André und Bernhard gehen ins dritte Jahr
ihrer Schauspiel-Ausbildung an der Folkwang Universität
der Künste. Mit welchen Träumen und Erwartungen haben
sie sich damals an der Schauspielschule beworben? Wie
blicken sie jetzt auf den nächsten Vorsprech-Marathon,
der ihnen bevorsteht, wenn sie nach der Ausbildung auf
die Jagd nach dem ersten Engagement gehen? Zehn junge Menschen voller Enthusiasmus, Fantasie und Visionen,
auf die bis jetzt jedoch keiner gewartet hat. Sie wollen alles geben, doch wer will sie haben? Wie gelingt die perfekte Performance, die sie nach vorne bringt? Oder sind sie
schon mitten drin in der Show ihres Lebens?
Der Autor Lutz Hübner und die Regisseurin Martina
van Boxen, beide selbst ausgebildete Schauspieler, tauchen
in die Welt dieses Folkwang-Jahrgangs ein und entwickeln
gemeinsam mit den Studierenden ein neues Stück. Es geht
um zehn junge Menschen an einer Schnittstelle. Ausgangspunkt sind die realen Erlebnisse und Geschichten
der Schauspiel-Stars von morgen, doch am Ende werden
wir vielleicht nicht so genau wissen, ob sie uns nicht nur
verdammt gut etwas vorspielen. Denn was ist schon „echt“
in diesem Beruf? Hat Oscar Wilde recht, wenn er sagt: „Ich
liebe es Theater zu spielen. Es ist soviel realistischer als das
Leben“?
Regie: Martina van Boxen
Bühne: Michael Habelitz
Kostüme Cathleen Kaschperk
Musik: Torsten Kindermann
Dramaturgie: Anna Haas, Sascha Kölzow
In Zusammenarbeit mit der Folkwang Universität der Künste
Lutz Hübner weiß, wie es ist, Schauspielschüler zu sein, denn er
war selbst mal einer. Nachdem er sich bei einem Engagement als
junger Schauspieler in eine Kollegin verliebte, bekam er vom Intendanten keine Rollen mehr. Er hat sich stattdessen aufs Regieführen
und vor allem aufs Schreiben verlegt. Eine gute Entscheidung, denn
als Autor wurde er schnell zum meistgespielten deutschsprachigen
Gegenwartsdramatiker. Bekannt wurde er als Jugendtheaterautor, doch mit ihm selbst sind auch seine Figuren älter geworden.
Seine Stücke entstehen meist als Auftragswerke in enger Zusammenarbeit mit den Theatern. So zum Beispiel „Blütenträume“ oder
„Nachtgeschichte“, die er für Anselm Weber geschrieben hat. Mit
seinem Stück „Die Firma dankt“ wurde er gerade zum zweiten Mal
zu den renommierten Mülheimer Theatertagen eingeladen. Die
Kollegin von damals ist übrigens heute seine Frau.
Theater in der Stadt
mit der Stadt
Das Junge Schauspielhaus ist für junge Leute – aber nicht nur. Es ist auch der Ort für ein Theater, das sich in die Stadt vernetzt und Geschichten erzählt, die wir sonst nicht hören. Dazu
gehören seit Jahren die Projekte von Sandra Anklam, die in der Bochumer Psychiatrie und der
Justizvollzugsanstalt Stücke entwickelt, die vom Leben abseits der ausgetretenen Wege der vermeintlich „normalen Bürger“ erzählen – egal wie alt die Darsteller auf der Bühne sind. Für
„Boropa“ berichtet sie von ihren Erfahrungen in der JVA Bochum.
Theater mit Tätern
Club in der JVA
Sandra Anklam über ihre Arbeit in der JVA
„Wenn der Mensch spielt, ist er im
Vollbesitz seiner Freiheit und Würde.“
Mihály Csíkszentmihályi, Psychologe,
prägte die Theorie des „Flow“
Vieles ist anders in der Theaterarbeit
in einer JVA – das Warten beispielsweise.
Es scheint, dass das Gebäude den Zustand Warten atmet. Das Warten der
Gefangenen hat sich in den Mauern
manifestiert und somit institutionalisiert. Warten und warten lassen. Vielleicht ist es auch das Thema
Macht. Vielleicht hängt das eine eng
mit dem anderen zusammen.
Warten ist ein zentrales Motiv.
Woche für Woche darauf warten,
dass jemand Handy und Personalausweis entgegennimmt, Daten in
den Anstaltscomputer eingibt, die
nummerierte Marke als Tauschobjekt
herausgibt. Warten auf den Beamten, der die sechs Türen aufschließt,
die zwischen draußen und drinnen
liegen, zwischen Wirklichkeits- und
Möglichkeitsraum, den die Theaterarbeit erschafft.
Vielleicht ist das eine naive Vorstellung von dem, was Theater im
Gefängnis macht. Oder eine idealistische. Theater und Gefängnis gehen
eigentlich nicht zusammen.
Das Gefängnis vollstreckt Strafe
durch den Entzug von Freiheit. Theater ermöglicht Freiheiten im Denken
und Handeln. In diesem Spannungs-
Sandra Anklam ist Diplom- und Theaterpädagogin sowie
Drama- und Theatertherapeutin. Seit der Spielzeit 2002/2003
arbeitet sie am Schauspielhaus Bochum. Im Jungen Schauspielhaus entwickelt sie regelmäßig Inszenierungen und Projekte
mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, gibt Workshops
für Jugendliche und führt Fortbildungen für Pädagogen im
Bereich Theater durch. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind Kooperationsprojekte mit unterschiedlichen Institutionen der Stadt
Bochum (JVA, Psychiatrie, Universität) sowie generationenübergreifende Theaterprojekte.
feld schafft und bietet Theaterarbeit
Möglichkeiten und Beweglichkeit,
ästhetische Spielräume, ein wenig
freien Willen und Gestaltung, wo
kaum Spielräume und Freiheiten
vorgesehen sind.
alitätscheck: Wer lacht an welcher
Stelle über wen?
Doch vor und hinter und neben und
zwischen all dem steht das Warten.
Auf die Gefangenen, die für die Probe
durch Beamte von ihren jeweiligen
Arbeitsstätten innerhalb der Anstalt
geholt werden. Darauf, dass jemand
die drei Türen aufschließt, die auf
dem Weg zur nächsten Damentoilette liegen. Darauf, dass nach Probenende jemand die sechs Türen öffnet, die vor der Pforte liegen, damit
auf die Herausgabe von Handy und
Personalausweis gewartet werden
kann, damit auf das Öffnen der letzten Tür auf dem Weg nach draußen
gewartet werden kann.
Lachen hat Gefahrenpotenzial. Lachen ist Demonstration von Macht.
Wer wen wann auslachen und wer
zurücklachen darf, ist eine differenzierte Kunst und erzählt viel über
soziale Ränge. Zwischen den Gefangenen und zwischen Beamten und
Gefangenen. Witze machen dürfen
nur die Bosse und lachen dürfen
auch nicht alle über alles. Lachen ist
immer auch riskant. Und dann das
Theater. Hier wird viel und ständig
gelacht. Über Einfälle, über einander,
über Fehler und Schwächen. Über
Machos und Mäuse und Schließer
und Schlösser.
Lachen ermöglicht andere Konnotationen, Distanz und damit auch
Öffnung zu anderen Bedeutungsinhalten. Das ist befreiend. Lachen
ist befreiend. Konflikte werden entschärft. Warten wird erträglicher.
Zwischen dem Warten liegt die Arbeit mit Männern, die Täter sind und
oft genug Opfer. Allen gemein ist die
Angst vor dem Gesichtsverlust und
die Lust am kontrollierten Gesichtsverlust – die Lust zu spielen. Auch
auf die Gefahr hin, dass Theaterarbeit hochgradig unmännlich und
vermutlich sogar schwul ist.
Das schaffen nur wenige. Und die
meisten eher punktuell und temporär. Bis zur Premiere vor den Mitgefangenen. Bis zum endgültigen Re-
Vieles ist anders in der Theaterarbeit
in einer JVA – das Lachen beispielsweise.
Vieles ist anders in der Theaterarbeit
in einer JVA – das Warten und das
Lachen beispielsweise.
Sandra Anklam
Warteschleifen
oder: „Sie werden
verbunden, bitte
Warten…“
Die Zusammenarbeit mit der JVA Bochum geht in das vierte Jahr. Gefangene
erforschen den realen und theatralen
Zustand des Wartens und bringen ihre
ästhetischen Ergebnisse auf die Bühne:
Qualitäten von Warten und Abgründe
von Warten – von „Warten auf…“ bis
„Warten bis...“.
Regie: Sandra Anklam
Club in der Psychiatrie
Ver-Stimmungen
oder: Himmelhoch
und Höllentief
Die erfolgreiche Kooperation mit dem
LWL-Universitätsklinikum Bochum der
Ruhr-Universität Bochum für Psychiatrie, Psychotherapie und Präventivmedizin wird auch in der Spielzeit 2011/2012
fortgesetzt: Ein Projekt für Patienten
und Mitarbeiter, das sich literarisch und
biografisch mit dem Thema Depression
auseinandersetzt.
Regie: Sandra Anklam
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FOTOS: DIANA KÜSTER
Theater und Angebote für Kinder,
Jugendliche und Pädagogen
Jugendclubs
Workshops
I
n unseren Jugendclubs entwickeln wir mit Jugendlichen zwischen 12 und 25 Jahren
Produktionen zu Themen, die ganz nah dran sind am Leben junger Menschen. Gegenwart und Zukunft, Visionen und Utopien, Liebe und Leid? Mit Hilfe von Theaterpädagogen können die Jugendlichen ihre Fragen und Interessen künstlerisch-kreativ
reflektieren. Sie schreiben Texte und beschäftigen sich mit verschiedenen Formen des
Theaters vom Schauspiel über Tanz bis hin zur Musik. Alles ist möglich.
Das Junge Schauspielhaus hat neben mehreren Jugendclubs auch einen intergenerativen Club, in dem Menschen aller Alterklassen in einem gemeinsamen Projekt
zusammenkommen. Außerdem können sich Jugendliche, die lieber auf der anderen
Seite der Bühne stehen, in unserer Regiewerkstatt mit einem eigenen Konzept ausprobieren. Am Ende der gemeinsamen Entdeckungsreise stehen jeweils öffentliche
Vorstellungen im Theater Unten des Schauspielhauses Bochum.
Theaterscouts
Fortbildungen
A
Newsletter für
Pädagogen
I
Förderverein
K
D
as Theater ist für alle da! Unter diesem Motto laden wir theaterbegeisterte Jugendliche, Pädagogen und alle Theaterinteressierten dazu ein, sich beim Theaterstammtisch gemeinsam mit anderen über die Bretter, die die Welt bedeuten,
auszutauschen – wir diskutieren über aktuelle Inszenierungen und Projekte, laden
Gäste ein und gehen natürlich gemeinsam ins Theater.
W
Z
u ausgewählten Produktionen bieten wir ein- bis vierstündige theaterpädagogische Vor- und/oder Nachbereitungen im Theater oder in Ihrer Institution an.
Die zentralen Themen der Stücke werden in Übungen, Spielen und Improvisationen
aufgegriffen. Ziel dabei ist es, die Lust auf Theater zu wecken, die Wahrnehmung
für theatereigene Gesetzmäßigkeiten zu schulen, die Bildersprache des Theaters zu
erschließen und so einen eigenen Zugang zu der jeweiligen Inszenierung zu finden.
Jede theaterpädagogische Einheit wird dabei speziell auf den Kenntnis- und Entwicklungsstand der jeweiligen Gruppe zugeschnitten.
140
erne stehen wir Ihnen telefonisch mit Rat und Tat zu allen theaterpädagogischen Fragestellungen zur Seite. Rufen Sie uns unter Tel. 0234 / 33 33 55 28
an, wir helfen Ihnen gerne!
inder und Jugendliche brauchen eine Lobby! Ziel des Vereins ist es, das Bürgerinteresse am Kinder- und Jugendtheater zu fördern. Jeder, der die Theaterarbeit mit Kindern und Jugendlichen am Schauspielhaus Bochum ideell oder auch
materiell unterstützen möchte, ist in diesem Verein willkommen. Sei es als aktives
Mitglied oder als Fördermitglied. Natürlich sind auch Spenden gern gesehen. Ab
einer Spende von 50,00 € können wir Ihnen eine Spendenbescheinigung ausstellen.
Kontakt: Ulricke Hasselbring
Tel.: 0234 / 58 11 48
E-Mail: ulricke.hasselbring@rub.de
Patenkarten
Der Theaterstammtisch und die Scouts treffen sich, außer in den Schulferien am 1. Dienstag im Monat.
Theaterpädagogische
Vor- und Nachbereitungen
n regelmäßigen Rundmails informieren wir Sie über die aktuellen Projekte des
Jungen Schauspielhauses, über theaterpädagogische Veranstaltungen, laufende
Inszenierungen und unser Fortbildungsangebot. Falls wir Ihre E-Mail-Adresse noch
nicht in unseren Verteiler aufgenommen haben sollten, melden Sie sich gerne bei
uns: jungesschauspielhaus@bochum.de
G
ungen Menschen, die nicht gleich ein ganzes Stück auf die Bühne bringen wollen,
bieten wir Schnupper-Workshops in den Bereichen Theater, Tanz, Musik, Medien
und Literatur an.
ir suchen auch in dieser Spielzeit wieder theaterbegeisterte Pädagogen und
Schüler, die Lust haben über Inszenierungen und Projekte des Schauspielhauses innerhalb ihrer Schule oder Einrichtung zu informieren. Für die Scouts ist
der Eintritt ins Schauspielhaus bei allen Vorstellungen frei!
uch in der neuen Spielzeit bieten wir wieder Fortbildungen für Pädagogen in
den Bereichen Theater, Theaterpädagogik, Gewaltprävention und vieles andere
mehr an. Details erfahren Sie ab Sommer 2011 aus unseren Publikationen und über
den Newsletter.
Service-Telefon
J
Das detaillierte Programm für die Jugendclubs und Workshops mit allen
Infos und Anmeldefristen finden Sie ab Sommer 2011 in unseren Publikationen.
Theaterstammtisch
Infos für Pädagogen
und Unterstützer
Kontakt
Junges Schauspielhaus Bochum
Königsallee 15
44789 Bochum
Tel.: 0234 / 33 33 55 28
Fax: 0234 / 33 33 54 24
E-Mail: jungesschauspielhaus@bochum.de
Um finanziell benachteiligten Kindern und Jugendlichen einen Theaterbesuch, einen Workshop oder die Teilnahme an einem Jugendclub zu ermöglichen, hat das
Junge Schauspielhaus in Kooperation mit dem Freundeskreis Bochumer Schauspielhaus e.V. ein Patenkarten-System eingeführt. Dafür suchen wir Bürgerinnen
und Bürger, die eine Summe in beliebiger Höhe spenden. Von diesem Geld können
Eintrittskarten für Kinder und Jugendliche finanziert werden, deren Eltern die finanziellen Mittel für einen Besuch im Schauspielhaus oder einen Workshop nicht
aufbringen können. Ab einer Spende von 50,00 € können wir Ihnen eine Spendenbescheinigung ausstellen.
Kontakt: Hans Joachim Salmen
Tel.: 0234 / 47 35 93
E-Mail: hajosalmen@aol.com
Wenn Sie Patenkarten in Anspruch nehmen möchten, melden Sie sich bitte
im Jungen Schauspielhaus unter Tel. 0234 / 33 33 54 28. Wir helfen Ihnen
schnell und unbürokratisch!
141
MITARBEITER.
THEATERLEITUNG
Intendant Anselm Weber
Kaufmännischer Direktor
Rolf D. Suhl
Persönliche Mitarbeiterin
der Intendanz Tonia Tilch
Persönliche Referentin des
Kaufmännischen Direktors
Anne Rockenfeller
Verwaltungsleitung Brigitte Käding
KÜNSTLERISCHES BETRIEBSBÜRO
Künstlerischer Betriebsdirektor
Stephan Wasenauer
Chefdisponentin und Leiterin des
Künstlerischen Betriebsbüros
Jutta van Asselt
Mitarbeiterin Christina Lutz
DRAMATURGIE
Chefdramaturg Thomas Laue
Dramaturgen Anna Haas,
Olaf Kröck, Sabine Reich,
Paul Slangen (Gast)
Assistent Sascha Kölzow
KOMMUNIKATION
Leitung und Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit
Christine Hoenmanns
Marketing und Öffentlichkeitsarbeit Janna Rohden
Assistentin Kommunikation
und Dramaturgie Miriam Ferstl
Grafik Stefanie Weber
Fotografen Thomas Aurin, Arno
Declair, Birgit Hupfeld, Diana Küster
JUNGES SCHAUSPIELHAUS
Leitung Martina van Boxen
Theaterpädagogin Sandra Anklam
Assistent Tobias Diekmann
REGIE
Malou Airaudo, Cilla Back, David
Bösch (leitender Regisseur), Carola
Bühn, Nuran David Calis, Agnese
Cornelio, Cilli Drexel, Christoph
Frick, Heike M. Götze, Ulrich Greb,
Mahir Günsiray, Barbara Hauck,
Fadhel Jaibi, Henner Kallmeyer, Jan
Klata, Paul Koek, Katja Lauken, Jasna
Miletic, Jan Neumann, Lisa Nielebock,
Arne Nobel, Sebastian Nübling,
Stephanie Sewella (†), Katharina Thalbach, Martina van Boxen, Roger Vontobel (Hausregisseur), Anselm Weber
BÜHNEN- UND KOSTÜMBILDNER
Birgit Angele, Daniel Angermayr,
Henriette Barniske, Cilla Back, Patrick
Bannwart, Raimund Bauer, Julia
Borchert, Dorothee Curio, Dagmar
Fabisch, Franziska Gebhardt, Johanna
von Gehren, Thomas Goerge, Gerhard
Gollnhofer, Nadine Grellinger, Sascha
Gross, Michael Habelitz, Alex Harb,
Kathrine von Hellermann, Mirek
Kaczmarek, Cathleen Kaschperk,
Inge Gill Klossner, Justyna Lagowska,
Claude Leon, Theun Mosk, Christina
Mrosek, Meentje Nielsen, Silke Rekort,
Isabell Robson, Maria Roers, Claudia
Rohner, Kaïs Rostom, Julia Scheurer,
Irina Schicketanz, Kathrin Schlecht,
Viva Schudt, Yvette Schuster, Nini
von Selzam, Ansgar Silies, Elisabeth
Strauß, Julia Ströder, Dirk Thiele, Ezio
Toffolutti
MUSIK
Jan-Philipp Alam, Vivan Bhatti,
Cornelius Borgolte, Karsten Dönneweg, Turgay Erdener, Bertram Ernst,
Heiner Gulich, Holger Hahn, Emanuel
Hauptmann, Gregor Hengesbach,
Nils Imhorst, Jürgen Jaeger, Andreas
Jansen, Christoph Kammer, Volker
Kamp, Torsten Kindermann, David
Kuckhermann, Lars Kuklinski, Ingmar
Kurenbach, Manuel Loos, Joe Masi,
Daniel Murena, Burkhard Niggemeier, Sven Nowocyn, Will-Jan Pielage
(Sounddesign), Karsten Riedel, Oliver
Siegel, Philipp aus den Siepen, Thomas
Spies, Roderik Vanderstraeten, Jan
Sebastian Weichsel, Bo Wiget, Lars
Wittershagen
VIDEO
Bibi Abel, Karnik Gregorian, Michael
Habelitz, Immanuel Heidrich, Matthias Lippert, Peter Rachel, Ansgar Silies,
Nils Voges
REGIEASSISTENZ
Tobias Diekmann, Monika Gies, Barbara Hauck, Jasna Miletic, Christina
Pfrötschner
BÜHNEN- UND KOSTÜMBILDASSISTENZ
Johanna von Gehren, Anna Heinz,
Mara Klimek, Sophia Lindemann, Julia
Scheurer
142
SPRECHERZIEHUNG
UND STIMMBILDUNG
Prof. Peter-Georg Bärtsch
CHOREOGRAFIE
Malou Airaudo, Danny Costello, Klaus
Figge (Kampfszenen), Maćc ko Prusak,
Renegade
INSPIZIENZ
Christina Baston, Christiane Laux,
Ulrike Schaper, Alexander Störzel
SOUFFLEUSEN
Sybille Hadulla-Kleinschmidt, Fee
Sachse, Jutta Schneider, Isabell Weiland
STATISTERIE
Beatrix Feldmann
TECHNISCHE LEITUNG
Technischer Direktor Hajo Krause
Sekretariat Marion Treckmann
Assistent des Technischen
Direktors Matthieu Götz
Produktions- und Werkstättenleiter Oliver Kroll
Konstrukteure Christian Acht,
Michael Friebele
Fachkraft für Arbeitssicherheit
Alexandra Kaiser
BÜHNENTECHNIK
Bühnentechnische Leitung
Franz Schenkel
Bühnenobermeister
Michael Mikolajczak
Bühnenmeister Andreas Dudzik,
Uwe Marx
Bühnentechniker Michael Chudy,
Michael Doering, Christian Drolshagen, Holger Dünnebacke, Andreas
Fernau, Erwin Fiebrandt, Jan Flügge,
Reinhard Frese, Dietmar Görtzen,
Jörg Hommann, Detlef Kornath,
Frank Koslowski, Abdelkader Lashab,
Alfred Lübbehusen, Lucian Martin,
Manfred Mollenhauer, Maik Rohnke,
Peter Schaffrinna, Olaf Schmeink,
Jürgen Schnurbusch, Martin Sievering,
Patrick Steinkamp, Ali Tugrul, Uwe
Wagner, Thomas Wessling, Dirk Wils,
Thomas Wrobel
Dekorateure Thomas Arndt, Verena
di Battista, Klaus Fabri, Andreas Korfmann, Frank Kuhlmeier, Hans-Georg
Ludwiczak, Saskia Sawatzki, Nafiz
Sayki, Christian Szyska, Julia Wagner
VERANSTALTUNGSTECHNIKER
Frank Engel, Michael Hopp, Sven
Klauswald, Daniel Lüder, Moritz
Macho, Marie-Claire Pauli
Auszubildende Demian Meier, Christian Mertens
TRANSPORTARBEITER
Ulrich Brozio, Udo Giehl, Bernhard
Kampik, Torben Schmidt
KRAFTFAHRER
Willy Doering, Jürgen Gönder,
Christian Kückelheim
BELEUCHTUNG / VIDEO
Leitung
Andreas Bartsch, Bernd Felder
Assistent der Leitung der Beleuchtungsabteilung Jan Bregenzer
Beleuchtungsoberinspektor
Bernd Kühne
Beleuchtungsmeister
Denny Klein, Wolfgang Macher
Beleuchtung Theater Unten
Alexandr Gershman
Beleuchter Timo Berghaus, Armin
Bönnemann, Fiorenzo Bonazza, Hans
Dzwigoll, Norbert Eggers, Christoph
Jacob, Detlev Jon, Gerd Jordan, Kay
Kämper, Waldemar Lehmann, Frank
Lukaschewski, Ulrich Meist, Axel
Middeke, Metin Onay, Max Reinhardt, Marek Schoder, Thomas Sikora,
Michael Stumpf, Erich Swist, Paul
Wallraff, Michael Zoll
Video Matthias Fleskes,
Christof Schnelle
TON
Leitung Christoph Bonk
Tontechniker Andreas Eich, Karl
Haase, Jürgen Jaeger, Andreas König,
Frederic Mingo, Benjamin Ruddat
MALERSAAL
Leitung Gudrun Schönbeck-Wach
Theatermaler Markus Loer, Anja
Mauruschat, Silke Kost, Katrin Ulrich
Theatermalerin/Kascheurin
Miriam Sasserath
Maler Jörg Palmberg
SCHLOSSEREI
Leitung Olaf Schug
Schlosser Michael Bitzkowski, Jörg
Borrmann, Michael Holle, Thomas
Marx, Joachim Stroka
SCHREINEREI
Leitung Jürgen Brucks
Schreiner Vitalij Grauberger,
Andreas Rauth, Britta Sabanovic,
Ursula Schemme, Oliver Sievers
SCHNEIDEREI
Kostümdirektorin Britta Brodda
Gewandmeisterei Damen
Cornelia Fischer
Gewandmeister Herren
Dieter Zunke
Damenschneiderei Anne Burkhardt,
Anke Flüs, Claudia Hellwig, Anita
Pyrkosch, Ellen Salewsky, Doris
Schaefer, Sylvia Staub, Petra Woytke
Herrenschneiderei Hannah
Brüggemann, Erich Ciecior, Monika
Drost, Jörg Liebisch, Andrea PoglajenLoetters, Nicole Weber-Meyer, Christel
Sareyka, Nicole Wippich, Robert Zydek
Ankleiderinnen
Oumlaid Strenger, Silvia Stemmer
Schuhmacher
Ralf Oberste-Beulmann
Putzmacherin Andrea Räckers
Fundusverwalter Guido Hußmann
MASKE
Chefmaskenbildnerin Elke Böttcher
Stellvertretender Chefmaskenbildner Georg Herzog
Maskenbildner Tanja Bade, Christian
Bernecker, Katharina Bondzin, Parwin
Fakir, Birte Greiwe, Monika Jankowski, Stefanie Lingener, Barbara Lork,
Ursula Menßen, Jana Deba, Astrid
Schenkel, Ursula Schürer
Auszubildende Svenja Hartnack
REQUISITE
Leitung Kornelia Helisch
Requisiteure Jessica Cosse, Andrea
Figger, Astrid Freyer, Sonja Klisch,
Juliane Görtzen, Wolfgang Vogt,
Janneta Turska
VERWALTUNG
Leitung Brigitte Käding
Sekretariat Christiane Koscholleck
Personalabteilung Leitung
Elke Günthner; Mitarbeiter Petra
Halfmeier, Sabine Sallamon, Dirk
Welschehold, Linda Wuttke
Rechnungsabteilung Leitung
Ute Hellwig; Mitarbeiter Sandy Bäcker, Sabine Blome, Detlev Massmann
EDV Michael Kowalczyk
143
Haus- und Gebäudeverwaltung
Dominik Hübschen
Urheberrechte/Werbung/
Gastspiele Ulrike Klimach
THEATERKASSE
Leitung Karin Bünten
Mitarbeiterinnen Iris Buttgereit,
Renate Dehnhardt, Eylem Durus,
Heike Glöckner, Daniela Koscholleck,
Tanja Kowalczyk, Petra Krolikowski,
Christel Müller, Ursula Steingaß,
Tülin Ucur, Susanne Wuttke
ABO-BÜRO
Leitung Christina Brand
Mitarbeiterin Ellen Heiermann
EINLASS/GARDEROBE
Leitung Oliver Blum
Vorarbeiterinnen Renate
Münch-Gallasch, Regina Koch
Mitarbeiterinnen Dragina Barzik,
Ute Grutsch, Carola Gurok, Rita Held,
Christiane Kunick, Heide Lobschat,
Birgit Uschkurat
HAUSDIENST
Manfred Bartnick, Oliver Bußmann,
Udo Hermes, Johannes Raser, Helge
Werthschütz
PFORTE
Cornelia Kiszka, Wolfgang Kroner,
Cornelia Skusa, Barbara Sonnak
Nachtpförtner Bernhardt Jeloneck,
Wolfgang Welt
KANTINE
Rosel Bönnemann, Elken Krüger,
Angelika Stanek
PERSONALRAT
Vorsitzende Linda Timmermann
Sekretariat Ute Kruse
GASTRONOMIE
IM SCHAUSPIELHAUS
Leitung Jochen Stein
Leitung Tanas Sebastian Sareika
Küche André Thom
Eve Bar Lena van Dornick
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Bochum Zentrum 35
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U35
Oskar-Hoffmann-Str.
// THEATERKASSE
// ABENDKASSE
Die Abendkasse öffnet eine Stunde vor Vorstellungsbeginn. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir an der
Abendkasse nur Karten für die jeweilige Abendvorstellung
verkaufen.
Parken:
Parkhaus am Schauspielhaus (P9, Zufahrt Königsallee)
zum Pauschalpreis von 3,00 €.
// INTERNET
// BARRIEREFREIHEIT
www.schauspielhausbochum.de
Sichern Sie sich auf www.schauspielhausbochum.de rund
um die Uhr Ihre Eintrittskarten für den nächsten Theaterbesuch. Beim Kartenkauf über unseren Online-Spielplan
zahlen Sie mit Ihrer Kreditkarte und drucken sich Ihre
Karten anschließend über das „Print-at-Home“-System
bequem zu Hause aus. Über das Internet gekaufte Karten
können nicht zurückerstattet oder umgetauscht werden.
Im Schauspielhaus stehen Ihnen zwei Rollstuhlplätze zur
Verfügung (3. Reihe, links außen). Wir bitten um rechtzeitige Reservierung. Um barrierefrei zu Ihren Plätzen zu
gelangen, nutzen Sie bitte die Rampe am Haupteingang.
Behindertengerechte WC-Anlagen befinden sich im Erdgeschoss links. Leider sind die weiteren Spielstätten bislang
noch nicht barrierefrei erreichbar.
144
5
MO10.00-14.00 Uhr
DI-FR10.00-18.00 Uhr
SA10.00-13.00 Uhr,
18.00 Uhr (Abendkasse Schauspielhaus)
SO 17.00-18.00 Uhr (Abendkasse Schauspielhaus)
Tel.:0234 / 33 33 55 55
Fax: 0234 / 33 33 55 12
E-Mail: tickets@schauspielhausbochum.de
Vom 25. Juli bis 4. September 2011 und an Feiertagen ist
die Theaterkasse geschlossen.
Die Zieladressen für Ihr Navigationsgerät:
Schauspielhaus, Kammerspiele/Tanas, Theater Unten:
Königsallee 15, 44789 Bochum
Melanchthonsaal: Königsallee 40, 44789 Bochum
2
Oskar-Hoffmann-Straße 26 / Ecke Hans-Schalla-Platz
44789 Bochum
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Königsa
Das Bochumer Schauspielhaus befindet sich in der südlichen Bochumer Innenstadt und ist von den Autobahnen
A40 und A43 in wenigen Minuten zu erreichen. Unter
www.schauspielhausbochum.de finden Sie eine detaillierte Anfahrtsbeschreibung.
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Melanchthonsaal
// MIT DEM AUTO
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Zur Haltestelle „Schauspielhaus“ gelangen Sie mit den
Buslinien SB 37, CE 31, 353, 354 und 365, den Nachtexpresslinien NE 4 und NE 5 sowie den U-Bahnlinien 308
und 318. Alle Linien fahren über den Bochumer Hauptbahnhof. Planung über www.vrr.de.
0234 / 33 33 55 55
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// MIT BUS UND BAHN
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SCHAUSPIELHAUS.
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Eingang Schauspielhaus
Eingang Theater Unten
Eingang Kammerspiele/Tanas
Eingang Eve Bar
Eingang Melanchthonsaal
Theaterkasse/Abo-Büro
// RUHR-UNIVERSITÄT
Auf dem Campus der Ruhr-Universität können Sie Karten
zu allen Vorstellungen des Schauspielhauses Bochum kaufen und reservieren. An unserem Ticketstand im Mensafoyer sind wir MO-FR von 10.00-14.00 Uhr für Sie da.
// SCHRIFTLICHE BESTELLUNG
Legen Sie bei schriftlichen Kartenbestellungen bitte einen
Verrechnungsscheck oder einen Wahl-Abo-Gutschein
bei. Gerne rufen wir Sie für eine Zahlung mit Kreditkarte
zurück. Die Eintrittskarten werden Ihnen kostenfrei zugesandt. Abonnenten werden bevorzugt berücksichtigt.
Postanschrift:
Theaterkasse
Schauspielhaus Bochum
Königsallee 15
44789 Bochum
145
DAS BEZAHLE
ICH.
Das Schauspielhaus Bochum ist ein Theater für alle
Bevölkerungsschichten und Altersgruppen. Und dass
Sie, liebes Publikum, unser Programm auch annehmen, zeigt die sehr gute Auslastung in den letzten
Monaten. Darüber freuen wir uns sehr und möchten
uns bei den vielen Zuschauern aus Bochum, aber auch
bei den zahlreichen Besuchern aus den umliegenden
Städten herzlich bedanken!
Um Ihnen auch in den nächsten Jahren einen abwechslungsreichen und hochwertigen Spielplan bieten zu können, sind wir jedoch neben dem Betriebskostenzuschuss der Stadt Bochum auch auf Ihre
Unterstützung angewiesen: Im Hinblick auf die allgemeinen Preisentwicklungen, die gestiegenen Material- und Energiekosten und nicht zuletzt durch die
Tariferhöhungen können wir eine Anhebung der Eintrittspreise leider nicht vermeiden. Ab der Spielzeit
2011/2012 müssen wir daher die Preise erhöhen.
Hierbei handelt es sich um die erste Preiserhöhung
seit der Euro-Einführung vor zehn Jahren und sie ist
für uns ein wichtiger Beitrag zur Refinanzierung des
Spielbetriebs.
Im Sinne des Sozialen haben wir uns bemüht, die
Preise je nach Geldbeutel weiterhin attraktiv zu gestalten. So sind die Karten unter der Woche zum Beispiel günstiger als am Wochenende, es gibt nach wie
vor Ermäßigungen für Schüler, Studierende und andere Gruppen. Und mit der Preisaktion „Volle Hütte – alle Plätze 10,00 €“ richten wir uns bei ausgesuchten Vorstellungen auch an diejenigen Besucher,
die normalerweise keine Rabatte erhalten würden.
Besonders sparen können alle Zuschauer, die gerne
regelmäßig unsere Vorstellungen besuchen möchten,
mit einem unserer Fest- und Wahl-Abonnements: je
nach Preisgruppe zahlen Sie als Abonnent für Ihren
Besuch im Schauspielhaus Bochum bis zu 35 % weniger als beim Kauf einer Einzelkarte.
Auf den folgenden Seiten haben wir für Sie alle Informationen rund um unsere neuen Eintrittspreise
zusammengestellt.
Wir bitten wegen der neuen Preise um Ihr Verständnis und hoffen, Sie bleiben uns weiterhin treu!
SCHAUSPIELHAUS UND KAMMERSPIELE
// PREMIERENZUSCHLAG
Sonntagabend bis
Donnerstagabend
Auf alle Karten und Wahl-Abo-Gutscheine 5,00 €.
regulär
ermäßigt
PG 1
PG 2
PG 3
PG 4
27,00 €
21,00 €
15,00 €
11,00 €
14,00 €
11,00 €
8,50 €
7,00 €
Freitagabend bis
Sonntagnachmittag
regulär
ermäßigt
PG 1
PG 2
PG 3
PG 4
29,00 €
23,00 €
17,00 €
12,00 €
15,00 €
12,00 €
10,00 €
8,00 €
// ERMÄSSIGUNG
Für Schüler, Studierende, Auszubildende und Wehr- und
Ersatzdienstleistende (alle bis zum 29. Lebensjahr),
Schwerbehinderte (ab 80 %) und Inhaber eines Vergünstigungsausweises.
// VOLLE HÜTTE
Achten Sie auf das „Volle-Hütte“-Symbol in unserem Monatsspielplan und zahlen Sie bei der
ausgesuchten Vorstellung für keinen Platz mehr
als 10,00 €!
// SERVICEGEBÜHR
KINDER- UND FAMILIENSTÜCKE
„DIE KLEINE HEXE“ UND „JIM KNOPF
UND LUKAS DER LOKOMOTIVFÜHRER“
Alle Preise enthalten 2,00 €, bei ermäßigten Karten 1,00 €
Servicegebühr.
Nachmittage und
Wochenende
regulär
ermäßigt
PG 1
PG 2
PG 3
PG 4
12,00 €
11,00 €
10,00 €
9,00 €
6,00 €
6,00 €
6,00 €
6,00 €
//VORVERKAUFSBEGINN
Vormittage
(nur Schulklassen)
regulär
ermäßigt
PG 1 - PG 4
9,00 €
5,00 €
alle Tage
regulär
ermäßigt
freie Platzwahl
12,00 €
8,00 €
THEATER UNTEN
JUGENDVORSTELLUNGEN
„NORWAY.TODAY“ UND „HIKIKOMORI“
alle Tage
regulär
ermäßigt
freie Platzwahl
10,00 €
6,00 €
Der freie Verkauf für Veranstaltungen des Schauspielhauses
Bochum startet in der Regel zu Beginn des Vormonats, die
genauen Termine entnehmen Sie bitte dem jeweiligen Monatsspielplan. Inhaber eines Wahl-Abonnements können
zwei Tage vor dem regulären Vorverkaufsstart ihre WahlAbo-Gutscheine einlösen, Mitglieder des Freundeskreises
Schauspielhaus Bochum e.V. sogar drei Tage vorher.
//KARTENRESERVIERUNG
Holen Sie Ihre reservierten Karten bitte innerhalb von 14
Tagen ab. Nicht abgeholte Karten gehen zurück in den freien Verkauf. Wir bitten um Verständnis, dass nur bezahlte
Karten an der Abendkasse hinterlegt werden können.
//BEZAHLUNG
Bar, mit EC- oder Kreditkarte an der Theater- und Abendkasse. Mit Kreditkarte über den Online-Spielplan unter
www.schauspielhausbochum.de.
//GUTSCHEINE
KINDERVORSTELLUNGEN UND
JUGENDCLUBS
alle Tage
regulär
ermäßigt
freie Platzwahl
9,00 €
4,00 €
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Verschenken Sie Theater! Gutscheine für Theatervorstellungen erhalten Sie das ganze Jahr über an unserer Theaterkasse. Wir beraten Sie gern. Die Gutscheine sind ab
Kauf zwei Jahre lang gültig und gelten für alle Spielstätten
des Schauspielhauses Bochum.
HIER SITZE
ICH.
IN DEN KAMMERSPIELEN
IM SCHAUSPIELHAUS
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BÜHNE
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SPERRSITZ
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100 102 104 106 108 110 112 114 113 111 109 107 105 103 101
99
134 136 138 140 142 144 146 148 149 147 145 143 141 139 137 135 133
166 168 170 172 174 176 178 180 182 184 186 185 183 181 179 177 175
206 208 210 212 214 216 218 220 222 221 219 217 215 213 211 209 207
244 246 248 250 252 254 256 258 259 257 255 253 251 249 247 245 243
280 282 284 286 288 290 292 294 296 297 295 293 291 289 287 285 283
316 318 320 322 324 326 328 330 332 334 333 331 329 327 325 323 321
352 354 356 358 360 362 364 366 368 370 369 367 365 363 361 359 357
388 390 392 394 396 398 400 402 404 405 403 401 399 397 395 393 391
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97
95
93
91
29
27
54
55
53
89
87
85
83
117 115
123 121 119
131 129 127 125
155
159 157
165 163 161
173 171 169 167
187
189
191
197 195 193
205 203 201 199
225 223
231 229 227
233
235
241 239 237
261
265 263
267
273 271 269
281 279 277 275
299
301
305 303
311 309 307
319 317 315 313
335
339 337
341
343
347 345
355 353 351 349
371
375 373
381 379 377
389 387 385 383
407
411 409
413
415
417
425 423 421 419
443
445
451 449 447
459 457 455 453
477
481 479
487 485 483
494 496 498 500 502 504 506 508 510 509 507 505 503 501 499 497 495 493 491 489
511
513
519 517 515
528 530 532 534 536 538 540 542 543 541 539 537 535 533 531 529 527 525 523 521
Reihe 19
Reihe 20
3
Loge
2
1
5
4
3
5
2
1
4
Rang 1
Rang 3
2
4
6
8
34
36
38
64
10
40
66
12
42
68
14
44
70
16
46
72
18
48
74
Rang 4
92
Rang 5
118 120 122 124
126
Rang 6
94
96
98
20
50
76
22
52
78
100 102
24
54
80
26
56
82
28
58
84
30
60
86
32
62
88
31
63
90
29
61
91
27
59
89
25
57
87
21
23
55
85
83
19
51
53
81
104 106 108 110 112 114 116 115 113 111 109 107 105
128 130 132 134 136 138 140 139 137 135 133 131 129 127
142 144 146 148
2
5
4
Reihe 3
Reihe 3
2
22
42
4
24
44
6
26
46
8
28
48
10
30
50
12
32
52
14
34
54
36
56
18
16
38
58
20
40
60
41
62
17
19
39
37
61
63
15
13
35
59
11
33
57
9
31
55
7
29
53
5
27
51
3
25
49
Reihe 1
1
23
47
Reihe 2
21
45
Reihe 3
43
Reihe 4
Reihe 4
Reihe 5
Reihe 5
Reihe 6
Reihe 6
112 114 116 118 120 122 124 126 128 130 132 134 135 133 131 129 127 125 123 121 119 117 115 113 111
Reihe 7
Reihe 7
136 138 140 142 144 146 148 150 152 154 156 158 160 161 159 157 155 153 151 149 147 145 143 141 139 137
Reihe 7
Reihe 8
Reihe 8
162 164 166 168 170 172 174 176 178 180 182 184 186 188 187 185 183 181 179 177 175 173 171 169 167 165 163
Reihe 8
190 192 194 196 198 200 202 204 206 208 210 212 214 216 215 213 211 209 207 205 203 201 199 197 195 193 191 189
Reihe 9
64
88
90
66
92
68
94
70
96
72
74
76
78
80
82
84
86
85
83
81
79
77
75
98 100 102 104 106 108 110 109 107 105 103 101 99
73
97
71
95
69
93
67
91
Reihe 4
65
89
87
Reihe 5
Reihe 6
Reihe 9
Reihe 9
Reihe 10
Reihe 10
218 220 222 224 226 228 230 232 234 236 238 240 242 244 245 243 241 239 237 235 233 231 229 227 225 223 221 219 217
Reihe 10
Reihe 11
Reihe 11
246 248 250 252 254 256 258 260 262 264 266 268 270 272 274 275 273 271 269 267 265 263 261 259 257 255 253 251 249 247
Reihe 11
Reihe 12
276 278 280 282 284 286 288 290 292 294 296 298 300 302 304 303 301 299 297 295 293 291 289 287 285 283 281 279 277
Reihe 12
Reihe 13
306 308 310 312 314 316 318 320 322 324 326 328 330 332 331 329 327 325 323 321 319 317 315 313 311 309 307 305
Reihe 13
Reihe 14
334 336 338 340 342 344 346 348 350 352 354 356 358 359 357 355 353 351 349 347 345 343 341 339 337 335 333
Reihe 14
Reihe 15
360 362 364 366 368 370 372 374 376 378 380 382 384 385 383 381 379 377 375 373 371 369 367 365 363 361
Reihe 15
Reihe 16
386 388 390 392 394 396 398 400 402 404 406 408 410 409 407 405 403 401 399 397 395 393 391 389 387
Reihe 16
Reihe 12
Reihe 13
Reihe 14
Reihe 15
Reihe 17
gerade Platznummern
ungerade Platznummern
Reihe 19
Reihe 20
Loge
1
Loge
LOGE RECHTS
LOGE LINKS
Rang 2
3
Reihe 2
Reihe 18
639 637 635
636 638 640 642
644 646 648 650 652 654 656 658 660 661 659
Loge
Reihe 1
Reihe 2
Reihe 16
544 546 548
547 545
553 551 549
550 552 554 556
558 560 562 564 566 568 570 572 574 575 573 571 569 567 565 563 561 559 557 555
576 578 580
581 579 577
582 584 586 588
587 585 583
590 592 594 596 598 600 602 60 606
607
608 610 612
613 611 609
614 616 618 620 622
644 626 628 630 632 634 633 631
Reihe 18
Reihe 1
150 152 154 156 158 160 161 159 157 155 153 151 149
17
49
79
15
47
77
103 101
11
9
7
5
3
1
Rang 1
43
41
39
37
35
33
Rang 2
75
73
71
69
67
65
99
97
95
93
13
45
Rang 3
Rang 4
117
125 123 121 119
Rang 5
147 145 143 141
Rang 6
RANG
gerade Platznummern
ungerade Platznummern
PREISGRUPPEN
PREISGRUPPEN
Preisgruppe 1
Preisgruppe 1
Preisgruppe 2
Preisgruppe 2
Preisgruppe 3
Preisgruppe 3
Preisgruppe 4
Preisgruppe 4
Rollstuhlplätze
148
149
MEIN ABOVORTEIL.
Begleiten Sie uns mit einem Abonnement und zahlreichen Vorteilen durch die neue Spielzeit! Mit einem
Wahl-Abo oder einem unserer Fest-Abos sehen Sie
unsere neuen Inszenierungen, lernen die Schauspieler in ihren verschiedenen Rollen kennen, können
mitreden im kulturellen Leben der Stadt und sparen
dabei bis zu 35% gegenüber den regulären Eintrittspreisen.
Damit Sie Ihre Theaterbesuche ganz entspannt und
ohne Vorverkaufsstress planen können, haben wir
nach dem erfolgreichen Start der Fest-Abos im vergangenen Jahr auch in dieser Spielzeit wieder attraktive Vorstellungspakete für Sie geschnürt. Neben
zwei exklusiven Premieren-Abos bieten wir Ihnen
drei Werktags-Abos mit jeweils sechs Vorstellungen
und – wegen der großen Nachfrage – ab sofort nicht
nur ein, sondern zwei Sonntagnachmittags-Abos mit
jeweils fünf Vorstellungen an. Auch das gemeinsame
Abo mit dem Musiktheater im Revier Gelsenkirchen
für Theater- und Opernliebhaber ist wieder dabei.
Alle Individualisten, die sich ihren Spielplan selbst zusammenstellen möchten, haben über das Gutscheinsystem unserer beliebten Wahl-Abos die Möglichkeit,
regelmäßig, flexibel und günstiger ins Schauspielhaus
Bochum zu gehen. Als besonderen Vorteil können
Wahl-Abonnenten ihre Gutscheine bereits zwei Tage
vor Beginn des regulären Vorverkaufs an der Theaterkasse einlösen und sich die besten Plätze sichern.
Schauen Sie sich um – unser Abo-Team berät Sie
gern!
// ABO-BÜRO
Oskar-Hoffmann-Straße 26 / Ecke Hans-Schalla-Platz
44789 Bochum
MO10.00-14.00 Uhr
DI-FR10.00-18.00 Uhr
SA 10.00-13.00 Uhr
Tel.: 0234 / 33 33 55 - 40 oder -49
Fax: 0234 / 32 55 957
E-Mail: abo@schauspielhausbochum.de
Vom 25. Juli bis zum 4. September 2011 ist das Abo-Büro
MO–FR von 10.00–16.00 Uhr geöffnet.
SONNTAGNACHMITTAGS-ABONNEMENT
Der Vorstellungsbesuch am Abend ist Ihnen und Ihrer
Familie zu spät? Dann sind unsere zwei Sonntagnachmittags-Abos das Richtige für Sie: An fünf ausgewählten Terminen sehen Sie jeweils um 17.00 Uhr eine Inszenierung
im Schauspielhaus oder in den Kammerspielen und sparen
dabei bis zu 35% gegenüber den regulären Eintrittspreisen.
// FEST-ABONNEMENTS
Erleben Sie die neue Saison im Schauspielhaus Bochum
ohne lange Schlangen an der Theaterkasse, dafür aber mit
Sitzplatzgarantie und einem Preisvorteil von bis zu 35%
gegenüber dem Kauf einer Einzelkarte. Wenn Sie sich für
eines unserer acht Fest-Abo-Angebote entscheiden, suchen Sie nur ein Mal Ihren Lieblingsplatz aus und wissen
anschließend über die gesamte Spielzeit, wann Sie welche
Inszenierung sehen werden.
Ihr Abo-Ausweis gilt als Eintrittskarte zu den jeweiligen
Vorstellungen. Und wenn Ihnen trotzdem einmal etwas
dazwischen kommt, können Sie ihn an Ihre Nachbarin
oder Ihren netten Kollegen weiterreichen oder alternativ
bis zu zwei Abo-Termine gegen andere Vorstellungstermine
des Stücks in der laufenden Spielzeit tauschen.
PREMIEREN-ABONNEMENTS
Spüren Sie die besondere Atmosphäre und Spannung
eines Premierenabends und gehören Sie zu den ersten
Zuschauern, die unsere neuen Inszenierungen sehen.
Unsere beiden Premieren-Abos bieten Ihnen jeweils acht
Höhepunkte der Theatersaison, der Premierenzuschlag
von je 5,00 € ist bereits inklusive.
Premieren-Abo 1: Schauspielhaus
Drei Schwestern
Die Dreigroschenoper
Was ihr wollt
Kleiner Mann – was nun?
Krach in Chiozza
Die Räuber
Volpone
Vor Sonnenaufgang
6. Oktober 2011
8. Oktober 2011
5. November 2011
7. Januar 2012
28. Januar 2012
3. März 2012
24. März 2012
23. Mai 2012
Premieren-Abo 2:
Schauspielhaus und Kammerspiele
Die dreigroschenoper
der verlorene drache
was ihr wollt
Das Leben ist kein fahrrad
krach in chiozza
yerma
drauSSen vor der tür
vor sonnenaufgang
8. Oktober 2011
15. Oktober 2011
5. November 2011
3. Dezember 2011
28. Januar 2012
14. April 2012
4. Mai 2012
23. Mai 2012
240,00 €
192,00 €
152,00 €
128,00 €
150
WERKTAGS-ABONNEMENTS:
JETZT MIT 6 VORSTELLUNGEN
Mittwochs-Abo
drei schwestern
rocco und seine brüder
kleiner mann – was nun?
volpone
draussen vor der tür
bunbury
23. Oktober 2011
11. Dezember 2011
19. Februar 2012
29. April 2012
17. Juni 2012
Sonntagnachmittags-Abo 2 (NEU)
Machen Sie den Mittwoch, den Freitag oder jetzt auch den
Donnerstag zu Ihrem Theatertag und sehen Sie verteilt
über die ganze Spielzeit sechs ausgesuchte Neuinszenierungen im Schauspielhaus und in den Kammerspielen.
Ihre Plätze sind Ihnen sicher – und das bei einer Vergünstigung von bis zu 30%.
12. Oktober 2011
14. Dezember 2011
8. Februar 2012
18. April 2012
23. Mai 2012
20. Juni 2012
die dreigroschenoper
kleiner mann – was nun?
bunbury
was ihr wollt
vor sonnenaufgang
13. November 2011
29. Januar 2012
11. März 2012
6. Mai 2012
1. Juli 2012
Preise Sonntags-Abo:
3 x Schauspielhaus und
2 x Kammerspiele
regulär
ermäßigt
PG 1
PG 2
PG 3
PG 4
95,00 €
75,00 €
55,00 €
45,00 €
55,00 €
42,50 €
32,50 €
30,00 €
Donnerstags-Abo (NEU)
Drei schwestern
kleiner mann – was nun?
KRACH IN CHIOZZA
YERMA
VOR SONNENAUFGANG
BUNBURY
24. November 2011
12. Januar 2012
16. Februar 2012
19. April 2012
31. Mai 2012
28. Juni 2012
Freitags-Abo
was ihr wollt
DAS LEBEN ist kein fahrrad
drei schwestern
bunbury
rocco und seine brüder
die dreigroschenoper
Preise Werktags-Abo:
3 x Schauspielhaus und
3 x Kammerspiele
Preise Premieren-Abos:
8 Premieren
PG 1
PG 2
PG 3
PG 4
Sonntagnachmittags-Abo 1
DER AUfHALTSAME AUFSTIEG
DES ARTURO UI
Das leben IST KEIN FAHRRAD
DREI SCHWESTERN
BUNBURY
DIE RÄUBER
PG 1
PG 2
PG 3
PG 4
11. November 2011
20. Januar 2012
24. Februar 2012
23. März 2012
27. April 2012
1. Juni 2012
regulär
ermäßigt
123,00 €
96,00 €
69,00 €
52,20 €
90,00 €
70,20 €
49,80 €
39,60 €
DAS REVIER-ABO:
BOCHUM UND GELSENKIRCHEN
Ein Revier, zwei Häuser, sechs Inszenierungen: Mit dem
städteübergreifenden Revier-Abo erleben Sie – immer donnerstags – drei Theatervorstellungen im Schauspielhaus
Bochum und drei Opern im Musiktheater im Revier Gelsenkirchen.
GE: im weissen rössl
BO: kleiner mann – was nun?
BO: Krach in chiozza
GE: grande magia
ge: rusalka
bo: die dreigroschenoper
24. November 2011
12. Januar 2012
16. Februar 2012
19. März 2012
3. Mai 2012
21. Juni 2012
Preise Revier-Abo:
3 x Schauspielhaus und
3 x Musiktheater im Revier
PG 1
PG 2
PG 3
140,00 €
120,00 €
100,00 €
151
ABO-BESTELLFORMULAR
// ABO-BEDINGUNGEN
// VERTRAG
Mit der Bestellung eines Abonnements und der Zusendung der Abo-Unterlagen wird ein rechtsgültiger Vertrag
zwischen Ihnen und dem Schauspielhaus Bochum geschlossen. Bitte teilen Sie uns Änderungen Ihrer Adresse
oder Telefonnummer mit, damit der Monatsspielplan und
andere Informationen Sie ohne Verzögerung erreichen.
// Wahl-Abonnements
Mit den Gutscheinen eines Wahl-Abos haben Sie die große
Freiheit: Gehen Sie zu zweit oder auch mal alleine, nehmen Sie Freunde und Verwandte zu einem gemeinsamen
Theaterbesuch mit und entscheiden Sie selbst, wann Sie
welche Inszenierung sehen oder welchen Schauspieler Sie
in seinen verschiedenen Rollen erleben möchten. Über 40
Produktionen stehen Ihnen im Laufe der Spielzeit zur Auswahl. Und wenn Sie sich mit Hilfe unseres Monatsspielplans entschieden haben, nehmen wir Ihre Kartenwünsche
exklusiv zwei Tage vor Beginn des freien Verkaufs entgegen.
Damit haben Sie als Wahl-Abonnent ein Vorkaufsrecht
auch bei schnell ausverkauften Vorstellungen.
// BEZAHLUNG
Bar, mit EC- oder Kreditkarte im Abo-Büro. Für eine besonders komfortable Abwicklung bieten wir unseren
Abonnenten das Lastschrifteinzugsverfahren an.
// FRISTEN
Ihr Abonnement verlängert sich automatisch um eine weitere Spielzeit, sofern der Vertrag nicht von einem der beiden Vertragspartner bis spätestens 15. Juni der laufenden
Spielzeit schriftlich gekündigt wird. Ausgenommen sind
ermäßigte Abonnements und Geschenk-Abonnements.
WAHL-ABO MIT 10 GUTSCHEINEN
// HINWEISE
Das Schauspielhaus Bochum behält sich vor, bei Premieren
und bei Vorstellungen mit großer Nachfrage pro Wahl-Abo
nur zwei Gutscheine einzulösen. Wahl-Abo-Gutscheine
sind nicht in die folgende Spielzeit übertragbar, ein Ersatz
bei Verlust der Gutscheine ist nicht möglich.
Im Rahmen der Fest-Abo-Bestellung wird das Schauspielhaus Bochum alles unternehmen, die durch den Abonnenten getroffene Platzwahl einzuhalten. Das Schauspielhaus
Bochum hat aus künstlerischen und/oder organisatorischen Gründen allerdings das Recht, kurzfristig Platzänderungen oder Änderungen der Spielstätte vorzunehmen,
Abonnement-Vorstellungen auf einen anderen Termin zu
verlegen oder das vorgesehene Programm zu ändern. Bei
Ausfall einer Vorstellung durch Streik oder höhere Gewalt
hat der Abonnent keinen Anspruch auf eine Ersatzleistung.
Dies gilt ebenso bei Versäumnis einer Vorstellung.
Inhaber eines Fest-Abos haben die Möglichkeit, bis zu zwei
Abo-Termine gegen andere Vorstellungstermine des Stücks
in der laufenden Spielzeit zu tauschen. Dieser UmtauschService kann bis 10 Tage vor der geplanten Abo-Vorstellung genutzt werden, die Umtauschgebühr beträgt bei den
Werktags- und Sonntagnachmittags-Abos jeweils 1,00 €,
bei einem Premieren-Abo entfällt sie. Bei Verlust des AboAusweises kann gegen eine Gebühr von 3,00 € ein Ersatzausweis im Abo-Büro ausgestellt werden.
Erwerben Sie zehn Wahl-Abo-Gutscheine bei freier Stückund Terminwahl und sparen Sie dabei je nach Preisgruppe
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Preise Wahl-Abo:
10 Gutscheine
PG 1
PG 2
PG 3
PG 4
regulär
ermäßigt
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150,00 €
110,00 €
80,00 €
100,00 €
80,00 €
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KOMBI-WAHL-ABO MIT 10 GUTSCHEINEN
Beim kombinierten Theater- und Konzert-Abo sehen Sie
sechs Vorstellungen des Schauspielhauses Bochum und
hören vier Konzerte der Bochumer Symphoniker. Bei den
Theatervorstellungen haben Sie freie Stückwahl, die Gutscheine für die Konzerte gelten für die Konzertreihen „Symphoniekonzert“ (DO und FR) und „Symphonie Spezial“.
Preise Kombi-Wahl-Abo:
6 x Theater und
4 x Konzert
PG 1
PG 2
PG 3
PG 4
regulär
ermäßigt
196,20 €
147,16 €
107,20 €
79,82 €
99,60 €
78,00 €
66,20 €
55,80 €
Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des
Schauspielhauses Bochum, Anstalt des öffentlichen
Rechts. Sie sind einzusehen in der Theaterkasse und unter
www.schauspielhausbochum.de.
ICH BESTELLE FÜR DIE SPIELZEIT 2011/2012
FOLGENDE(S) ABONNEMENT(S):
// FEST-ABO
Premieren-Abo:
Abo 1
Abo 2
8 Premieren
PG 1
PG 2
PG 3
PG 4
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192,00 €
152,00 €
128,00 €
x
x
x
x
Werktags-Abo:
FR
DO
MI
6 Vorstellungen
PG 1
PG 2
PG 3
PG 4
regulär
123,00 €
96,00 €
69,00 €
52,20 €
ermäßigt
x
x
x
x
90,00 €
70,20 €
49,80 €
39,60 €
x
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x
x
Sonntagnachmittags-Abo:
Abo 2
Abo 1
5 Vorstellungen
PG 1
PG 2
PG 3
PG 4
regulär
95,00 €
75,00 €
55,00 €
45,00 €
ermäßigt
x
x
x
x
55,00 €
42,50 €
32,50 €
30,00 €
x
x
x
x
Revier-Abo:
3 x Theater & 3 x Oper
PG 1
PG 2
PG 3
regulär
140,00 € x
120,00 € x
100,00 € x
Platzwunsch bei Fest-Abo:
Lieblingsplatz (nach Verfügbarkeit): Nr.
oder
Bestplatzgarantie
// WAHL-ABO
Wahl-Abo:
10 Gutscheine
PG 1
PG 2
PG 3
PG 4
regulär
195,00 €
150,00 €
110,00 €
80,00 €
ermäßigt
x
x
x
x
100,00 €
80,00 €
70,00 €
60,00 €
x
x
x
x
Kombi-Wahl-Abo:
10 Gutscheine
6 x Theater & 4 x Konzert
PG 1
PG 2
PG 3
PG 4
regulär
196,20 €
147, 16 €
107,20 €
79,82 €
Änderungen vorbehalten
152
regulär
153
ermäßigt
x
x
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99,60 €
78,00 €
66,20 €
55,80 €
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x
KONTAKT
ABO-BESTELLFORMULAR
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Name
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Königsallee 15
44789 Bochum
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Vorname
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Schauspielhaus Bochum
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ESSEN UND
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Das Restaurant in den Kammerspielen
Geschlossen, wenn sowohl im Schauspielhaus als auch
in den Kammerspielen keine Vorstellung stattfindet.
Reservierungen:
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E-Mail: reservierung@restaurant-tanas.de
// TIPP: Theater-Menü
Beginnen Sie Ihren Theaterabend mit einem Besuch im
Tanas: Neben einem À-la-carte-Angebot bietet Ihnen das
Restaurant in den Kammerspielen auch ein Theater-Menü an, das Sie vor oder auch nach Ihrem Vorstellungsbesuch genießen können. Gutscheine für das dreigängige
Menü (exklusive Getränke) sind zum Preis von 20,00 €
an der Theaterkasse erhältlich und ab Kaufdatum zwei
Jahre gültig. Vor der Einlösung bitten wir wenn möglich
um rechtzeitige Reservierung.
154
Unser Spielzeitmagazin informiert Sie ausführlich über
die geplanten Premieren und Projekte der Saison, die mitwirkenden Künstler, unser Abo-Angebot und alle weiteren
Servicethemen. „Boropa“ wird jährlich im Frühjahr zur
Präsentation des kommenden Spielplans veröffentlicht.
// MONATSSPIELPLAN
Der Monatsspielplan mit allen Vorstellungsterminen des
Schauspielhauses Bochum erscheint zu Beginn des Vormonats und liegt an der Theaterkasse, in unseren Spielstätten
und an vielen weiteren Orten in Bochum und Umgebung
aus. Auf Wunsch schicken wir Ihnen den Monatsspielplan
postalisch oder per E-Mail zu. Im Internet finden Sie unter
www.schauspielhausbochum.de eine Download-Version.
// programmhefte
Die Programmhefte unserer Inszenierungen sind zu allen
Vorstellungen und nach den Premieren auch an der Theaterkasse erhältlich. Zu unseren Uraufführungen veröffentlichen wir Programmhefte mit Stückabdruck, zu unseren
weiteren Premieren klassische Programmhefte oder faltbare Programmhefte mit Stückplakat.
// WEBSITE
Das Tanas steht Ihnen samt Veranstaltungs- und Cateringservice auch für private Feierlichkeiten zur Verfügung. Anfragen unter reservierung@restaurant-tanas.de.
Auf www.schauspielhausbochum.de finden Sie aktuelle Änderungen und alle Infos zum Schauspielhaus Bochum, zum
Spielplan, den Schauspielern, Regisseuren und den Inszenierungen. Hier können Sie auch online Karten für unsere Vorstellungen kaufen und sich für den Newsletter anmelden.
// EVE BAR
// FACEBOOK UND TWITTER
Club und Cocktailbar
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FR & SA ab 22.00 Uhr
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Die Eve Bar kann auch für private Veranstaltungen genutzt werden, ebenso ist ein professioneller Cocktailservice für Außer-Haus-Veranstaltungen buchbar. Anfragen
ebenfalls unter reservierung@restaurant-tanas.de.
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Tel.: 0234 / 33 33 -54 28 oder -55 28
Fax: 0234 / 33 33 54 24
E-Mail: jungesschauspielhaus@bochum.de
// DAS SPIELZEITMAGAZIN
// FOYERS
Im Schauspielhaus bieten wir Ihnen an drei Tresen vor
Vorstellungsbeginn und in der Pause kleine Snacks sowie
eine breit gefächerte Getränkeauswahl an.
// Theaterführungen
Werfen Sie einen interessanten Blick hinter die Kulissen!
Die Führungen finden regelmäßig sonntags statt, Termine
entnehmen Sie bitte unserem Monatsspielplan.
// Zu Gast in Bochum
Informationen über die Stadt Bochum, Übernachtungsmöglichkeiten, Stadtführungen und viele weitere Angebote
rund um Ihren Aufenthalt in Bochum erhalten Sie bei der
Bochum Touristinfo, Huestraße 9, 44787 Bochum
Tel.: 01805 / 26 02 34 (14ct/Min. aus dem dt. Festnetz)
E-Mail: info@bochum-tourismus.de
www.bochum-tourismus.de
155
WO EIN WILLI IST
Wo ein
willy ist,
ist auch
ein weg
Intendanten
kommen
und
gehen – Willy bleibt. Der UrBochumer hat sie alle gefahren: Peymann, Steckel, Haußmann, Hartmann, Goerden,
Weber – und nicht nur die. In
seinem Auto wurde Theatergeschichte geschrieben. Dabei
wäre er fast Fußballprofi ge-
testanten nachmittags gingen,
bis zum Lebensmittelladen der
Tante, an dessen Stelle heute eine
Garage steht.
Heute hört man hier ziemlich laut die
A40 – die gab es damals noch nicht,
oder?
Es gab nur die B1. Auf der habe ich als
kleiner Junge Fußball gespielt. Und
auf der anderen Seite, wo jetzt die
Autobahn ist, war die Planschwiese.
Willy Doering, 1947 geboren, ist seit über 30
Jahren Fahrer am Schauspielhaus.
Samstag, 12. März 2011, 14.16
Uhr im Dienstwagen des Schauspielhauses vor dem Hintereingang des Theaters. Wir machen
heute eine Reise durch Bochum,
entlang des Lebensweges eines
Menschen, der mit diesem Theater wie kaum ein Zweiter verbunden ist: Willy Doering, genannt
Willy, seines Zeichens Fahrer am
Schauspielhaus. Als Erstes fahren
wir zu Willys Elternhaus.
Eine Fahrt durch Bochum mit
Willy Doering und Intendant
Anselm Weber.
Hinter dem Schauspielhaus erwartet Willy
seine Fahrgäste.
Willy, du bist Bochumer?
Ja, klar. Mein Vater hat bei Krupp
gearbeitet, auf der Alleestraße, Torhaus 14. Meine Mutter hat bei Pastor
Doppelstein in Grumme den Haushalt geführt. Grumme war damals
wie ein eigenes Dorf, da haben zwischen den Zechen noch die Bauern
ihre Felder bestellt.
Als wir sein Elternhaus am Wachtelweg erreichen, steht uns im
Umkreis von wenigen hundert
Metern Willys ganze Kindheit
vor Augen – von der Schule, in die
Katholiken vormittags und Pro156
Erwin Steden, der Jugendleiter und
spätere Stadionsprecher, war fast wie
ein zweiter Vater für mich. Wenn
der nicht beim VfL gewesen wäre,
wäre Bochum nie in die Bundesliga
aufgestiegen. Erwin hat mit seiner
Jugendarbeit den Grundstein gelegt.
So 1963, ´64 wurden wir sogar nach
Russland eingeladen, nach Stalingrad.
Die Fahrt geht weiter, am Gefängnis an der Krümmede vorbei zum
Gelände der Stahlwerke Bochum,
wo Willy in den 1960ern in die
Lehre ging.
Ich bin Former von Beruf, genau wie
mein Vater.
Na klasse, ich bin gerade geboren und
du spielst Fußball in Stalingrad!
Da waren Begleiter bei uns, die hatten im Krieg dort gekämpft. Natürlich auch Russen, die auf der anderen Seite gestanden hatten. Die sind
dann zusammen auf die Wolga gefahren und haben Brüderschaft getrunken.
Die Stahlwerke Bochum waren Willys erster
Arbeitsplatz.
Wie hast du die ersten großen Krisen
erlebt, die dann kamen?
Ich habe Glück gehabt. Genau 1970,
als das anfing, bin ich zur Stadt gegangen, als Fahrer beim Oberstadtdirektor. Da hatte ich dann auf einmal
Bundespräsidenten im Auto – Scheel,
Carstens. Willy Brandt hab ich auch
mal gefahren.
In Willys Elternhaus wohnten nach dem
Krieg drei Generationen unter einem Dach.
Planschwiese?
Ja! Die Planschwiese war ein riesiges
Tal, es gab Wasser, eine Liegewiese...
Es war ein Paradies für uns Kinder.
Für die A40 haben sie das dann leider
alles zugekippt. Und da hinten sieht
man das Stadion. Beim VfL hab ich ja
fast meine ganze Jugend verbracht.
worden.
Interview und fotos: Anselm Weber
Aufgezeichnet von sascha kölzow
IST AUCH EIN WEG
Wir steigen wieder ins Auto und
fahren von hinten auf das Stadion des Vereins zu, in dem Willy
es beinahe zum Profifußballer
gebracht hätte – wenn da nicht
eine gewisse Holländerin namens
Olga gewesen wäre.
Der VfL hatte in den 1960ern die beste Jugendmannschaft Westdeutschlands.
Hast du auch in der Bundesliga gespielt?
Ich war Vertragsamateur, Mittelstürmer. Mit Werner Balte oder Günter
Groß zum Beispiel. Die haben dann
später Bundesliga gespielt. Werner
Balte, mein Kollege, der hat hier im
Stadion die Bayern geschlagen.
Weggehauen willst du sagen.
Na gut: weggehauen! Aber ich selber
bin nicht Profi geworden. Ich hatte
mal ein Angebot vom KSC, aber was
soll ich in Karlsruhe? Außerdem kam
ja dann meine Frau ins Spiel. Mit 18
habe ich nämlich Olga kennen gelernt, eine Holländerin, da wurde es
dann weniger mit Fußball.
Die Planschwiese in den 1920er Jahren. Sie
musste für den Bau der A40 weichen.
Wegen einer holländischen Frau ist
uns ein großer Mittelstürmer verloren
gegangen?
Genau! So ist das Leben.
Das waren ja die ganz Großen. Aber
hier im Ruhrgebiet, hat die Politik
da geschlafen? Die Krisen kamen ja
nicht von heute auf morgen.
Die Politiker haben fast immer geschlafen hier bei uns. Die haben
gesagt: „Wir haben unsere Kohle,
wir haben unseren Stahl, was brauchen wir Bosch?“ Dann sind die
ganzen Firmen eben nach BadenWürttemberg gegangen. Na ja, es
gab einfach ein bisschen viel Filzokratie hier.
Filzokratie? Schönes Wort, das kenne ich als Bayer auch, da ist die Farbe nur eine andere. Wie kamst du
eigentlich zum Schauspielhaus?
Als Peymann kam, habe ich ihn
14 Tage vertretungsweise gefahren.
Anscheinend war er mit mir zufrieden und jetzt bin ich seit gut drei
Jahrzehnten am Theater. Damals
sind wir mit dem blauen Admiral
durch die Gegend gefahren.
157
Blauer Admiral? Ich steig sofort aus,
ich will nur noch mit ’nem blauen Admiral gefahren werden!
Leider trotzdem nur im schwarzen Signum sitzend, fahren wir
noch einmal am Stadion vorbei,
an der besten Pizzeria der Stadt
– Tipp von Willy: „Trulli“ in der
Castroper Straße – dann an der
Bergmannskneipe „Goeke“ am
Fuße des Hügels, der einmal die
Zeche Constantin war.
Was ist für dich das Ruhrgebiet?
Also die Mentalität der Menschen ist
ein großes Plus. Man hat immer das
Gefühl zu Hause zu sein. Früher war
das noch ausgeprägter, weil die Leute
alle auf der Zeche gearbeitet haben
oder auf den großen Werken. Da hat
keiner viel Geld gehabt, dadurch ist
kein Neid aufgekommen. Diese Solidarität hat sich ja bis heute gehalten. Das Ruhrgebiet hat nach dem
Krieg für den Aufschwung in ganz
Deutschland gesorgt. Damals hatten
wir sogar Gastarbeiter aus Bayern!
Im Gasthaus Goeke kehrten früher die durstigen Bergleute der benachbarten Zeche ein.
Und jetzt hast du wieder einen, nämlich mich, verstehe. Stört es dich, wenn
Leute sagen, dass es hier hässlich ist?
Matthias Hartmann soll ja mal mit
seiner damaligen Frau durchs Ruhrgebiet gefahren sein und sie hat geweint,
weil sie es so schrecklich fand.
Ja, das hab ich auch gehört. Das ist
wie mit den Schauspielern, die damals mit Peymann aus Stuttgart kamen. Die wollten am Bahnhof auch
erst nicht aussteigen. Und am Ende
wollten sie nicht weg nach Wien!
Das geht ja vielen so. Irgendwie ist
hässlich ja auch schön.
und das seit über 30 jahren
Willy würde jetzt gern zu seinem
Schrebergarten fahren, sein großes Hobby. Doch der Gastarbeiter aus Bayern möchte sehen, wie
seine Vorgänger gewohnt haben.
Noch einmal quer durch Bochum
also, zur Galerie M am Schlosspark, in deren Obergeschoss Steckel zeitweise lebte, später dann
zurück ins Ehrenfeld, wo Hartmann und Goerden wohnten.
Du weißt, dass der Schrebergarten für
viele der Inbegriff des Spießertums
ist?
Dann bin ich gerne Spießer! Das
ist nämlich der Ort, wo man sich
am besten erholen kann. Selbst die
Theaterleute haben jede Gelegenheit
genutzt in meinen Schrebergarten zu
kommen. Steckel zum Beispiel, oder
Heiner Müller. Hartmann hat sich
auch mal selber eingeladen, er wollte das natürlich erzählen vor seinen
Kollegen: „Ja, ich hab auch gegrillt!
Mit Willy natürlich. Ja, aber hallo!
Im Schrebergarten, wo sonst!“
Während wir uns vorstellen,
wie die gesamte Prominenz des
deutschsprachigen Theaters in
Willys Schrebergarten sitzt und
grillt, berichtet Willy bereits von
einer seiner Lieblingsdienstfahrten.
Frank-Patrick Steckel wohnte zeitweise im
Obergeschoss einer Galerie.
und lassen uns da verbinden.“ Wir
hatten noch Autotelefon damals, es
gab ja keine Handys. Er hat da also
angerufen, hat sich mit dem Tower
verbinden lassen und dann weiter
zum Flugkapitän. Und siehe da: Die
Maschine ist eine halbe Stunde später abgehoben – mit Bernhard drin.
Nach Peymann kam ja dann...
... der dunkle Steckel.
Der dunkle Steckel?
Der zum Lachen in den Keller geht.
Das sagt man über ihn, oder? Ich
habe ihn ganz anders kennen gelernt, als sehr sozialen Menschen.
Auf Steckel lass ich absolut nichts
kommen! Er war ein bisschen grummelig, hatte seine Macken, gar kein
Thema, aber er war einfach ein guter
Kerl. Auch mit der Familie, mit Jette.
Jette Steckel, die Regisseurin?
Ganz genau. Die nie zum Theater
wollte! Die war ganz oft bei uns, ist
quasi im Schrebergarten groß geworden. Einmal habe ich sie im Auto
gehabt und ich sag: „Ich muss den
Chef gleich abholen, ne?“ Auf einmal kommt das kleine Patschehändchen von hinten und sie sagt: „Das
ist nicht der Chef, das ist der Papa!“
Im Auto von Willy wird seit Jahrzehnten
Schauspielhausgeschichte geschrieben.
Thomas Bernhard und Peymann
hatten einen Termin verpasst und
ich musste natürlich wieder die Kastanien aus dem Feuer holen, um
pünktlich zum Flughafen zu kommen. Aber dann kam ein Stau, nichts
zu machen. Da sagt Peymann: „Wir
rufen jetzt einfach am Flughafen an
Und die anderen Intendanten?
Also bei Leander zum Beispiel, da
war ich der Einzige, der immer wusste, wo er gerade war. Aber ich hab‘s
natürlich nie verraten.
Alle haben Leander Haußmann gesucht und du hast nichts gesagt?
Nee, so gehört sich das auch. Dafür
bin ich ja Fahrer.
158
Hast du auch diesen legendären Krach
in der Kantine mitbekommen, zwischen ihm und Kruse?
Ich war nicht dabei. Aber am nächsten Morgen rief mich Maravic, der
Verwaltungsdirektor, an: „Willy, wir
müssen jetzt Streit schlichten, und
zwar bei Kruse im Garten.“ Da saß
Kruse, Arm verbunden, am Gesicht
verletzt... Und dann haben wir vier
– also Kruse, Haußmann, Maravicć
und ich – da Steinchen in den Teich
geschmissen. So hat die Versöhnung
zwischen den beiden stattgefunden.
Du hattest mit vielen Schauspielern zu
tun. Gibt es welche, denen du immer
noch freundschaftlich verbunden bist?
Ja klar, Adam Oest zum Beispiel oder
Michi Maertens. Zu dem könnte ich
365 Geschichten erzählen. Einmal
hab ich ihn morgens abgeholt und
unten war die Tür abgeschlossen.
Michi stand in der ersten Etage und
kam nicht runter. Da hab ich gesagt:
„Komm, wir machen Räuberleiter!“
– „Wie, was ist Räuberleiter?“ – „Indem du dich bei mir auf den Kopf
stellst, auf die Schultern und dann
eben runter.“ Das hat er gemacht.
Gegenüber wohnte ein Techniker,
der hat das gesehen und mich dann
nachmittags gefragt: „Sag mal, holst
du deine Fahrgäste immer so ab?“
Wir sind inzwischen auf dem Weg
zum Bermudadreieck, wo wir die
Reise bei einer Currywurst ausklingen lassen. Zeit für ein kurzes Fazit nach drei Jahrzehnten
Bochumer Theatergeschichte.
Was ist das Schauspielhaus für Bochum?
Was haben wir denn sonst? Ohne
Theater ist das hier ja Diaspora. Der
Stern, der muss einfach glänzen!
Wenn du jetzt ein Jahr vor dem Ruhestand zurückblickst: Wie war’s?
Ich hab zwar oft die Faust in der
Tasche geballt, vor Wut hätte ich
manchmal heulen können, aber
wenn mich jemand fragen würde:
„Willy, wie sieht’s aus? Machste das
nochmal?“, würde ich sofort ja sagen. Es war einfach schön, nie langweilig, immer spannend. Ich hatte
einfach ’ne supergeile Zeit.
Freundschaftsspiel
T
heater und Fußball – da fragt man sich vor allem:
Muss das denn sein? Fast jeden Tag ein Spiel im
Fernsehen, dazu der ganze Trubel in den Zeitungen
und Magazinen, da will man doch wenigstens mal
im Parkett seines Stadttheaters in Ruhe gelassen werden,
wo es schon bedauerlich genug ist, dass sich auf der Bühne
bisweilen immer noch halbnackte Schauspieler als Trolle
mit Farbe übergießen und man überhaupt auch seinen
Rotwein gar nicht mit an den Platz nehmen kann.
Und haben die denn überhaupt was gemeinsam, die
spitzwegartig am Existenzminimum dahinvegetierenden
Künstler in schwarzen Rundhals-T-Shirts oder Rollkragenpullovern und die in stets etwas zu auffälligen Klamotten
daherkommenden Jungmillionäre?
über hinaus) schleppen unterschiedlichste Fanviren ein,
das technische Personal und die übrige Belegschaft liefern
mit ihrer deutlichen Ausrichtung auf den seit 1848 sympathischsten Club Deutschlands das notwendige Gegengift.
Fatal wird die Kombination Fußball und Theater immer
nur dann, wenn der eine sich an den anderen heranwanzt,
um entweder zu zeigen, dass man nicht so dumm ist wie
alle glauben (Fußball) oder um auf Proll komm raus Volksnähe zu beweisen (Theater). Da betonen dann schon mal
alte Trainer, dass sie seit Jahren mit Festspielintendaten dicke sind, oder es suchen Theaterleiter hektisch nach noch
arbeitenden Zechen, um sich bei Grubenfahrten ablichten
zu lassen, weil man ja demnächst wieder Brecht auf den
Spielplan bringt.
Ob sich der denkende Feingeist mit so etwas Grobschlächtigem wie Fußball befassen darf, diese Frage ist längst obsolet geworden. Und in Bochum hat das ja schon Tradition,
angefangen mit dem Doppel-Abonnement in der guten
alten Zeit der siebziger Jahre und den Blau-Weißen-Montagen in den Neunzigern. Der aktuelle Intendant beweist
Mut und bekennt sich öffentlich zu einem süddeutschen
Edelclub, allerdings nicht deshalb, weil er zwar als Künstler
stets für die Entrechteten kämpft, ab und an aber auch mal
auf der Seite der Sieger stehen möchte, sondern weil sein
Schulweg früher durch die Säbener Straße am Clubgelände
entlang führte, was ja durchaus eine authentische Anhängersozialisierung darstellt.
Dass es so peinlich bei der Reihe „Liveticker VfL“, welche das
Zusammenspiel zwischen Königsallee und Castroper Straße wieder aufleben lässt, nicht wird, dafür steht schon der
Gastgeber. Mit dem Schauspieler Andreas Grothgar hat das
Schauspielhaus einen Mann im Kader, in dem sich, wie ich
selbst als Gast feststellen durfte, Wahnsinn und Kompetenz
aufs Trefflichste vermählen, interessiert er sich doch immer
noch für Fußball, obwohl er Rot-Weiss Essen anhängt.
Fußball ist am Theater immer ein Thema. Schauspieler
und Regisseure aus allen Teilen Deutschlands (und dar-
Frank Goosen
Stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender VfL Bochum
Und so stellen wir uns, liebe Sportkameradinnen und
Sportkameraden am Ende noch mal die Eingangsfrage:
Fußball und Theater – muss das sein? Nun, so wie wir es
hier machen auf jeden Fall!
127
Zukunft gemeinsam unternehmen.
Impressum
Impressum
Herausgeber:
schauspielhaus Bochum Aör
Intendant:
Anselm Weber
KaufmännIscHer dIreKtor:
rolf D. suhl
Redaktion:
Thomas Laue (verantwortlich),
Anna Haas, sascha Kölzow, Olaf
Kröck, sabine reich (Dramaturgie
schauspielhaus Bochum); miriam
Ferstl, Christine Hoenmanns, Janna
rohden (Kommunikation schauspielhaus Bochum)
autoren:
David Bösch, Nuran David Calis,
Agnese Cornelio, monika Gintersdorfer, eckart Kröck, Dietmar Osses, sebastian 23, paul slangen
fotos:
siehe rechts
WeItere fotos:
monika
Gintersdorfer,
Gavin
Glover, Harald Hoffmann, Birgit
Hupfeld, Oliver Look, Christoph
Neumann, Biljana srbljanovic, Bochumer stadtarchiv, Anselm Weber,
X-Vision
redaKtIonsadresse:
schauspielhaus Bochum, Kommunikation, Königsallee 15, 44789 Bochum; www.boropa.de
anzeIgen:
rolf D. suhl, Janna rohden (jrohden@
bochum.de, Tel.: 0234 / 33 33 54 35)
desIgn:
scheer Werbeagentur, www.scheer.tv
creatIVe dIrector:
stefan scheer
KreatIVe KoordInatIon:
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Layout:
Anne peter, Lukas Zabek
LItHografIe:
purpur / Wolfgang Herrig e. K.
drucK:
NeeF + sTumme premium printing
GmbH & Co. KG
ausgabe 2
aufLage 30.000
erscHeInungstermIn:
12. mai 2011
redaKtIonsscHLuss:
7. April 2011
Änderungen vorbehalten
160
fotografen
und grafIKer dIeser
ausgabe
Diana
Küster
Anne
Peter
Christian
Rolfes
Alexander
Romey
Unsere Bühne ist die Stadt
Unter dem Leitbild „Zukunft gemeinsam unternehmen“ steht der Einsatz
des USB Umweltservice Bochum für
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Lukas
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Im Einsatz für Bürger und Umwelt
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