0 - Schauspielhaus Bochum
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Boropa SpIELZEITMaGaZIn 2011/2012 SCHaUSpIELHaUS BoCHUM Weltexperimentiermaschine Jahr 2 Mit Jan Klata durch Warschau S. 10 • Mit Paul Koek nach Moskau S. 24 • Mit Biljana Srbljanovic durch die Welt S. 68 Editorial Zukunft gemeinsam unternehmen. Liebes Publikum, der erste große Schritt ist getan. Hinter uns liegen 24 Premieren, 4 Wiederaufnahmen und 8 Übernahmen. Künstlerinnen und Künstler aus der Elfenbeinküste und den Niederlanden, aus tunesien, Polen, Holland, der türkei und der Schweiz waren zu Gast im Schauspielhaus Bochum. Jugendliche aus dem ganzen ruhrgebiet standen auf der Bühne und haben in „Next Generation“ Einblick in ihre Wünsche und Hoffnungen gegeben. tänzerinnen und tänzer mit den unterschiedlichsten traditionen begeisterten ihr Publikum. Neben großen texten wie „Faust“, „Woyzeck“ oder „Cyrano de Bergerac“ standen Uraufführungen und moderne Stücke. Gemeinsam mit der Stiftung Mercator, dem land NrW und der Stadt Bochum hat das Schauspielhaus Bochum eine akademie der Zukunft ins leben gerufen. die idee, eine Utopie mit dem titel „Boropa“ in die Welt zu setzen, hat laufen gelernt. Und all dies haben Sie – sehr verehrtes Publikum – zahlreich und oft mit Begeisterung begleitet. Unsere Bühne ist die Stadt dieser ort zur identität dieser Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger beitragen. daran haben wir das letzte Jahr gearbeitet und daran werden wir auch in Zukunft arbeiten. auf einen Geist, der dieses Miteinander denken kann und gleichzeitig Unterschiede toleriert, freuen wir uns. diese Haltung lebt am Schauspielhaus, in Bochum und im ruhrgebiet. davon und von der Suche nach neuen Wegen soll unsere arbeit in vielen Begegnungen erzählen. Mit der tradition im Gepäck die Zukunft erforschen – dazu sind wir aufgebrochen und dafür wünschen wir uns ihre Neugierde als treuen Begleiter. Es ist eine schmerzliche Erfahrung, dass die ökonomische Entsorgungsdienstleistungen realität solche reisen erschwert. Zehn Jahre ist es her, dass Unter dem Leitbild „Zukunft gemein- Unsere bei der Umstellung von der dM auf den Euro die Eintrittswir wurden. mit geeigneten Behältersyssam unternehmen“ steht der Einsatz richten preise erhöht Nun ist es leider wieder soweit. Steigende Energie- und Materialkosten, die tariferhöhungen speziell auf Ihr Unternehmen des USB Umweltservice Bochum für temen und die allgemeine Preisentwicklung fordern ihren tribut.aus. durch verschiedene angebote haben wir uns bemüht, dieoptimalen Systemen reduzieren das Wohl von und Region. in denStadt verschiedensten Vorstellungen haben Sie neueMit sen Schritt sozial ausgeglichen zu gestalten. im hinteren Sie Schauspielerinnen und Schauspieler kennen gelernt. Es teil dieses Heftes erfahren Sie mehr über die neuen Preise das und Abfallvolumen und erzielen so eine Unsere hochwertigen Dienstleistungen wurden Beziehungen geknüpft und das Ensemble hat eine angebote. künstlerische Heimat gefunden. der legendäre ruf des BoWirtschaftlichkeit. rund um Stadtreinigung und Abfallent- maximale chumer Publikums wurde oft bestätigt und wir freuen uns Mit dem Wissen und den Erfahrungen des letzten Jahres auf den gemeinsamen Weg, der vor uns liegt. starten wir nun in die neue Spielzeit. Neue Künstlerinnen sorgung sind zuverlässig und kundenund Künstler werden zu uns stoßen. die dinge verändern Ziel war es, mit unserer und arbeit einen Platz in derHaben sich auch der Kontinuität. und von den ideendes SieinFragen zur davon Servicepalette orientiert. Unser Saubere Straßen Plätze Mitte dieser Stadtgesellschaft zu finden – ein ort, den es und Menschen hinter dem Spielplan erzählt dieses Magazu verteidigen gilt. an seinen rändern lebeneiner der ZynismusUSB? zin. der Weg und das Ziel bleiben bestehen. auf die reise sind schließlich die Visitenkarte und die Polemik. Manchmal ist es schick, sich damit zu gemeinsam mit ihnen – sehr verehrtes Publikum – freuen aber da wollten wir nicht hin. deswegen ma-Wir beraten wir uns. Sie gern und finden gemeinStadt. Fürumgeben. gewerbliche und private chen wir theater für alle: ein Stadttheater im Zentrum der Stadt. Es ist einmaßgeschneiderte ort der Freude und der Erregung, dersam saubere Lösungen für ein attrakKunden bieten wir Verwirrung und der Begeisterung, manchmal auch der Ihr Bochum. Lösungen Enttäuschung für Abfälle aller Art. und des Unverständnisses. aber immer solltives Anselm Weber Im Einsatz für Bürger und Umwelt Umweltservice Bochum GmbH Hanielstraße 1, 44801 Bochum Tel.: 02 34/33 36-0 Fax: 02 34/33 36-109 www.usb-bochum.de Inhalt 4 Der Spielplan 2011/2012 46 Von Mamma RAI und Papà Berlusconi Alle Stücke, alle Regisseure, alle Premierendaten auf einen Blick. 10 Jahrmarkt Europa her: Bochumer Stadtansichten aus dem Archiv und von heute. / Zwei Prozent Wandel auf schwarz-weißem Grund: Der Leiter des Stadtplanungsamtes Eckart Kröck erklärt, auf welchen Plänen man die Seele der Stadt sieht. 122 Italienische Frauen und finnisches Sisu 92 Little Creatures Die Regisseurin Agnese Cornelio kommt aus Italien. Sie weiß, was es bedeutet, von Berlusconi nicht nur regiert zu werden, sondern auch mit seinem Fernsehen aufzuwachsen. Biografie einer Zuschauerin. 52 Das Ensemble Mit dem polnischen Regisseur Jan Klata unterwegs in seiner Heimatstadt Warschau. Sie sind diejenigen, die das Ganze spielen. Die Schauspielerinnen und Schauspieler des Ensembles und ihre Erfahrungen mit Veränderungen. 60 Körper ohne Grenzen 24 Der Weltenexperimentierer David Bösch ist leitender Regisseur in Bochum. Er inszeniert die Figuren seiner Dramen nicht nur, er erfindet sie neu. Unter Schmerzen. Ein Porträt. 98 Geisterstunde Cilla Back kommt im Frühjahr nach Bochum. Das ist keine Überraschung, denn die Regisseurin ist sonst schon überall gewesen. Das lässt zumindest ihr Koffer vermuten. 128 Heimathirsch in einzelner Blick auf einen verwunschenen Ort mitten E in Bochum. Das Hotel Eden. 100 Das Prinzip Chiozza Dietmar Bär ist ins Ruhrgebiet zurückgekehrt, um Theater zu spielen. Im Interview bekennt er sich als Wiederholungstäter. 132 Theater für alle: Junges Schauspielhaus Paul Koek kommt aus Holland und macht besonderes Theater mit Musik. Sein Mitstreiter Paul Slangen macht sich Gedanken über Moskau. 32 Angekommen Bochums neues Tanztheater hat viele Gesichter. Eines davon gehört der Choreografin Malou Airaudo. Protokoll eines Arbeitstages kurz vor der Vorstellung. Nuran David Calis gibt einen Vorgeschmack auf das, was passiert, wenn einer wie er Goldoni bearbeitet. 68 Ich renne in jeden Kampf hinein 106 MännerFrauen Das Junge Schauspielhaus ist die nächste Generation des Theaters. Alle Stücke, alle Projekte – das ganze Programm. Die Autorin Biljana Srbljanovic lebt in Belgrad, Baku und Paris. Schwierig für jemanden, der eigentlich nicht gern reist. Ein Gespräch. Warum der Bochumer Hausregisseur Roger Vontobel nach siebzehn Umzügen schließlich im Wiesental gelandet ist. 38 Mit Irma 11/36 durch die Nacht 76 Zukunft macht keiner allein Warum das Land einen Ort braucht, an dem Zukunft erfunden wird: Die Zukunftsakademie NRW. 82 Die Zukunft der Stadt Verwirrte Geschlechter können ziemlich gut aussehen. Das zeigt unsere Modestrecke. 112 Nachrichten aus Boropa Der tunesische Regisseur Fadhel Jaibi war aktiv an den politischen Veränderungen in seiner Heimat beteiligt. / Monika Gintersdorfer war schon oft in der Elfenbeinküste. Doch diesmal ist alles anders. Bericht aus einem blutenden Land. / Warum X-Vision-Gründer Omid Pouryousefi zwar wegen seiner Musik nach Katar eingeladen wird, aber aus gleichem Grund nicht in den Iran reisen darf. 144 Preise, Abos und Infos Wie man in das Theater kommt, wo alles ist und wie man möglichst wenig dafür bezahlt. Unser Praxisführer mit allen Informationen und Hilfen zu Preisen, Abos und allem, was man sonst noch braucht. 156 Wo ein Willy ist, ist auch ein Weg 116 Perfektes Spiel in maximaler Freiheit Samstagnacht auf Streife mit der Bochumer Polizei. Schöne Aussichten: Museumsleiter Dietmar Osses über die Zukunftsfähigkeit von Vergangenheit. / Vorher-Nach- Es war nicht vorgesehen, dass Sebastian Nübling einer der wichtigsten deutschen Regisseure werden sollte. Ein Gespräch darüber, warum es dann doch so gekommen ist. Anselm Weber hat dem langjährigen Fahrer des Schauspielhauses Willy Doering im Gespräch einige Geheimnisse entlockt. 160 Impressum spielplan 2011/2012 schauspielhauS Bochum Drei Schwestern von Anton Tschechow Regie: Paul Koek Premiere am 6. Oktober 2011 im Schauspielhaus Eine Koproduktion mit der Veenfabriek Leiden, Niederlande Die Dreigroschenoper von Bertolt Brecht mit Musik von Kurt Weill Regie: Christoph Frick Musikalische Leitung: Bo Wiget Premiere am 8. Oktober 2011 im Schauspielhaus Der verlorene Drache Renegade in Residence Ein Tanztheaterstück Choreografie und Regie: Malou Airaudo Uraufführung am 15. Oktober 2011 in den Kammerspielen Eine gemeinsame Produktion von Schauspielhaus Bochum und Pottporus/Renegade, Herne Rocco und seine Brüder nach dem Film von Luchino Visconti Regie: Agnese Cornelio Premiere am 4. November 2011 in den Kammerspielen Was ihr wollt von William Shakespeare Regie: Roger Vontobel Premiere am 5. November 2011 im Schauspielhaus Die kleine Hexe Kinder- und Familienstück von Otfried Preußler Regie: Henner Kallmeyer Premiere am 20. November 2011 im Schauspielhaus Das leben ist kein Fahrrad von Biljana Srbljanovic Regie: Anselm Weber Uraufführung am 3. Dezember 2011 in den Kammerspielen Das Leben der BohÈme nach dem Film von Aki Kaurismäki Regie: Barbara Hauck Premiere im Dezember 2011 im Theater Unten Kleiner Mann – was nun? von Hans Fallada Regie: David Bösch Premiere am 7. Januar 2012 im Schauspielhaus Krach in Chiozza in einer Bearbeitung von Nuran David Calis nach Carlo Goldoni Regie: Nuran David Calis Uraufführung am 28. Januar 2012 im Schauspielhaus Bunbury von Oscar Wilde Regie: Jan Neumann Premiere am 10. Februar 2012 in den Kammerspielen Die Räuber von Friedrich Schiller Regie: Jan Klata junges schauspielhauS weiter im spielplan schauspielhauS Premiere am 3. März 2012 im Schauspielhaus Fred und Anabel nach Motiven von Lena Hesse Regie: Martina van Boxen A Tribute to Johnny Cash Eine musikalische Spurensuche• spiel des lebens Uraufführung am 9. Oktober 2011 im Melanchthonsaal AMERIKA von Franz Kafka•Regie: Jan Klata CYRANO DE BERGERAC von Edmond Rostand•Regie: Katharina Thalbach DER AUFHALTSAME AUFSTIEG DES ARTURO UI Ein Projekt von Lutz Hübner und Martina van Boxen mit dem dritten Schauspieljahrgang der Folkwang Universität der Künste Regie: Martina van Boxen Uraufführung am 16. März 2012 in den Kammerspielen Volpone von Ben Jonson Regie: Sebastian Nübling Premiere am 24. März 2012 im Schauspielhaus Yerma von Federico García Lorca Regie: Cilla Back Premiere am 14. April 2012 in den Kammerspielen norway.today von Igor Bauersima Regie: Martina van Boxen von Wolfgang Borchert Regie: David Bösch Premiere am 4. Mai 2012 in den Kammerspielen Vor Sonnenaufgang von Gerhart Hauptmann Regie: Anselm Weber Premiere am 23. Mai 2012 im Schauspielhaus von Bertolt Brecht•Regie: Ulrich Greb DIE LABDAKIDEN Ödipus, Sieben gegen Theben, Die Phönikerinnen und Antigone von Sophokles, Aischylos und Euripides•Regie: Roger Vontobel Premiere am 30. November 2011 im Theater Unten FAUST von Johann Wolfgang von Goethe•Regie: Mahir Günsiray JIM KNOPF UND LUKAS DER LOKOMOTIVFÜHRER in PLANUNG KASIMIR UND KAROLINE von Ödön von Horváth•Regie: Lisa Nielebock PEER GYNT von Henrik Ibsen•Regie: Roger Vontobel WOYZECK von Georg Büchner•Regie: David Bösch zwei weitere inszenierungen von Lisa Nielebock und Jasna Miletic Liebe in Zeiten des Prekariats 3 x Engelhardt & Grothgar Wolken ziehen vorüber DrauSSen vor der Tür Musikalische Leitung: Torsten Kindermann, Karsten Riedel, Regie: Arne Nobel von Aki Kaurismäki STOLZ UND EHRE DER Parnell street von Sebastian Barry Die Legende von Paul und Paula von Ulrich Plenzdorf Kinder- und Familienstück von Michael Ende•Regie: Katja Lauken kammerspiele ALTER FORD ESCORT DUNKELBLAU von Dirk Laucke•Regie: Heike M. Götze DIE JUNGFRAU VON ORLEANS von Friedrich Schiller•Regie: Roger Vontobel DIE RATTEN von Gerhart Hauptmann•Regie: David Bösch EFFI BRIEST von Theodor Fontane•Regie: Cilli Drexel eisenstein von Christoph Nußbaumeder•Regie: Anselm Weber HAUS AM SEE von Reto Finger•Regie: Anselm Weber IRGENDWO Renegade in Residence•Choreografie und Regie: Malou Airaudo MEDEA nach Euripides von Jalila Baccar und Fadhel Jaibi•Regie: Fadhel Jaibi NATHAN DER WEISE von Gotthold Ephraim Lessing•Regie: Lisa Nielebock NEXT GENERATION von Nuran David Calis und Jugendlichen aus dem ganzen Ruhrgebiet•Regie: Nuran David Calis EIN MUSIKALISCHER ABEND mit Thomas Anzenhofer zukunftsakademie NRW Labor – praxis – Qualifikation Ein Haus im Viktoriaquartier für ganz NRW, in dem Zukunft gedacht, geforscht und gemacht wird In Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW, der Stiftung Mercator und der Stadt Bochum THEATER UNTEN HOCHSTAPELN von Jan Neumann•Regie: Jan Neumann LIEBE IST EIN HORMONELL BEDINGTER ZUSTAND Ein Konzert nach dem Roman von Jakob Hein•Regie: David Bösch ORLANDO von Virginia Woolf•Regie: Carola Bühn MELANCHTHONSAAL HIKIKOMORI von Holger Schober•Regie: Martina van Boxen Vermischtes Vermischtes FESTival Fidena Wie ist die Stadt Bochum geworden, wie sie ist? Welche Menschen haben Spuren in der Stadt hinterlassen? Was treibt sie an und was erhoffen sie sich für die Stadt Bochum in Zukunft? An was erinnern wir uns und was bedeutet Geschichte für die Zukunft dieser Stadt? Lassen sich aus den historischen Erfahrungen Pläne und Visionen ableiten? Gemeinsam mit dem Stadtarchiv – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte fragen wir nach wichtigen Daten, Ereignissen und Veränderungen in der jüngeren Geschichte der Stadt Bochum. Ausgesuchte Stichtage bieten den Anlass für Diskussionsrunden: wir laden Zeitzeugen und engagierte Bochumer und Bochumerinnen ein, die dabei waren, als Geschichte gemacht wurde. Mit den Gästen und dem Publikum gehen wir im Theater Unten auf eine gemeinsame Suche nach Bochumer Geschichte(n) und ihren Visionen für die Zukunft der Stadt. Eine Veranstaltungsreihe in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte Die Theaterwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum hat mit der „Szenischen Forschung“ ein neues Angebot im Masterstudium. So soll eine experimentelle, künstlerisch-wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Theater stattfinden. Das Schauspielhaus steht dafür als künstlerischer Partner bereit und öffnet in einem ersten Schritt das Theater Unten für die Reihe „Podest“. Hier zeigen die Studierenden am Ende eines jeden Semesters Ergebnisse ihrer praktischen Versuche: szenische und choreografische Arbeiten sowie Filmessays, Hörstücke oder Videoinstallationen. Es geht nicht darum, fertige Arbeiten zu präsentieren, sondern Zwischenergebnisse kommen hier auf die Bühne. www.fidena.de LIVeticker vfl Auch 2011/12 hat der VfL Bochum seinen festen Platz im Programm des Schauspielhauses. Der Schauspieler Andreas Grothgar lädt Größen des Vereins und Experten aus dessen Umfeld zum Plausch über Fußball im Allgemeinen und den VfL im Besonderen. Dazu gibt es Stadionwurst und Fiege-Pils aus der Kantine – und natürlich viel Fußballgeschichte und -geschichten. Dass der Gastgeber den falschen Verein liebt – geschenkt. Auch rot-weiße Essen-Fans darf es geben. Auf die Freundschaft! In Zusammenarbeit mit dem VfL Bochum 1848 Fußballgemeinschaft e.V. REDEN VON MORGEN Der Schriftzug leuchtet rot über dem Eingang zum Restaurant im Kammerspielfoyer und ist der Unterschrift seiner Namensgeberin nachempfunden. Drinnen ist es räumlich und atmosphärisch ebenso hell und offen, wie Tana Schanzara vielen Theatergängern und -machern in Erinnerung geblieben ist. Und manchmal wird das Tanas auch selbst zur Bühne für kleine Shows oder Gespräche. Sollte übrigens dem einen oder anderen neben Theater und Speisen noch nach Cocktails, Musik und dann und wann auch Tanz sein, dem sei freitags und samstags ab 22.00 Uhr die Eve Bar auf der anderen Seite des Schauspiel-Gebäudes empfohlen. Sie ist Club und Cocktailbar in einem und hinter ihrem Tresen zaubert Lena van Dornick seit nunmehr zehn Jahren die besten Cocktails der Stadt. 6 Es gibt viele Prognosen, Analysen, Meinungsumfragen und Stimmungsbilder, doch wie wir in Zukunft leben werden, können wir uns kaum vorstellen. Der politische Raum ist oft zu eng und funktional für kreative Entwürfe, herkömmliche Talkshowformate zu flach für anspruchsvolle Debatten. Ein Forum in Zeiten politischer und gesellschaftlicher Veränderungen bietet der Radiosender Deutschlandradio Kultur mit seiner Sendung „Wortwechsel“. Gemeinsam laden Deutschlandradio Kultur und das Schauspielhaus Bochum ab Oktober 2011 regelmäßig am Sonntagvormittag Menschen ins Theater ein, die kreative Entwürfe für unser Zusammenleben in der Zukunft haben. Der erste „Wortwechsel“ ist für den 16. Oktober 2011 geplant. Die Sendung wird öffentlich aufgezeichnet und anschließend bundesweit ausgestrahlt. 7 Foto: diana küster Foto: Alexander romey SZENISCHE FORSCHUNG Die FIDENA – das Figurentheater der Nationen (gegründet 1958) – gehört zu den traditionsreichsten Theaterfestivals Europas. Etwa 20 herausragende Inszenierungen aus aller Herren Länder erhalten eine Einladung zur FIDENA. Das Schauspielhaus Bochum und die FIDENA haben ab sofort eine verstärkte Kooperation verabredet. Festivalleiterin Annette Dabs und das FIDENA-Team werden die begehrten Performances des Figurentheaters während des nächsten Festivals im Mai 2012, aber auch zu anderen Gelegenheiten – wie der Verleihung des FritzWortelmann-Preises im Herbst 2012 – auch in den Räumen des Schauspielhauses präsentieren. Damit ist das Schauspielhaus an der Königsallee ein Spielort nicht nur für Schauspieler, sondern ebenso für fragile Marionetten oder freche Handpuppen, Schattenrisse, Puppentrickfilm und Animation. Foto: Gavin Glover Foto: christian rolfes Foto: Bochumer Stadtarchiv OrtsbestImmung Vermischtes TANAS PLATZ Foto: haraldhoffmann.com Ihren Platz im Andenken und in der Erinnerung so vieler Zuschauer, die Tana Schanzara auf der Bühne des Schauspielhauses gesehen und geliebt haben, wird die große Schauspielerin niemals verlieren. Dass nun auch der Platz an der Kreuzung Königsallee/ Oskar-Hoffmann-Str., der ihren Namen trägt, ein Ort wird, den man gerne anschaut und der an sie erinnert, ist das Ziel einer Spendenaktion. Spenden auch Sie für den TanaSchanzara-Platz: Sparkasse Bochum, Kontonr.: 3416401, BLZ 430 500 01, Stichwort: „Tana“ 8 Lange bevor ich auf freiwilliger Basis nach Bochum zog, war mir die volkstümliche Ballade „Tief im Westen“ von Herbert Grönemeyer bekannt, einem Dichter der Epoche der ZuSpätromantik. Jene Epoche, die besonders im Ruhrgebiet zur Blüte kam, brachte in den 1970ern und 80ern berühmte Kunstwerke wie „Der Wanderer im Schwefelmeer“ und Sprichwort gewordene Zeilen wie „Duisburg lässt sein graues Band wieder flattern durch die Lüfte“ hervor. Bevor sie nachgooglen: Das stimmt natürlich nicht, das habe ich mir ausgedacht. So bin ich drauf. Dass Grönemeyer seinerzeit im Schauspielhaus Bochum als Musiker tätig war, stimmt jedoch wirklich. Ich schwöre. Er kannte also die Königsallee sehr gut, da sich dort ja die Pforte befindet, hinter der nachts der fast genauso bekannte Herr Welt schaltet und weltet. Apropos Eingang: Grönemeyer erwähnt die Königsallee gar in seiner eingangs erwähnten Ballade, in der er sich im brüderlichen Duz-Ton an die Stadt wendet: „In deiner Königsallee finden keine Modenschauen statt.“ SHAKESPEARETAGE IN BOCHUM IM APRIL 2012 Glaubensfragen prägen unsere Welt. Wer glauben mochte, dass wir in säkularen Zeiten leben, in denen Religion eine Privatsache ist, muss heute vielfältig erfahren, wie politische Konflikte und Debatten um religiöse Zugehörigkeit sowie um die Zugehörigkeit bestimmter Religionen zu unserer Gesellschaft kreisen. Diese Rückkehr von Bekenntnisfragen in den öffentlichen Diskurs der Moderne nötigt uns zur Stellungnahme. Shakespeares Theater lebt vom Zweifel, deshalb kann es Glaubensfragen umso doppelsinniger verhandeln. Es entstand in einer Zeit des Umbruchs wie der religiösen Neuordnung um 1600, doch es bietet Helden und Konflikte, die uns heute erst recht angehen. Wie steht Religion zur Welt und was für Welten stiftet sie? Wie kann Glaube sich begründen, bewähren oder auch verändern? Und worauf gründen Angehörige von anderen Religionen ihren Glauben? Vom 20. bis 22. April 2012 lädt die Deutsche ShakespeareGesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Schauspielhaus, der Ruhr-Universität und der Stadt Bochum dazu ein, in Vorträgen, Workshops und Aufführungen Fragen dieser Art zu diskutieren. Gegründet 1864 in Weimar und seit der Zeit der deutschen Teilung zusätzlich mit Bochum eng verbunden, stellt sich die Deutsche Shakespeare-Gesellschaft damit kurz vor ihrem 150. Geburtstag wieder einem aktuellen Thema. Information und Kontakt: www.shakespeare-gesellschaft.de P o t t p O ru S festival 2012 Die Kunst von der Straße für die Straße. Und das Ganze so nah wie möglich an die Menschen ran bringen. Das ist die Philosophie des Pottporus-Festivals, mit dem Renegade und Pottporus e.V. jedes Jahr im Herbst Herne und das Ruhrgebiet zum Tanzen bringen. Über 60 internationale Tänzer treffen sich zu Battle und Tanzlabor, vier Tage lang gibt es abendfüllende Tanzproduktionen aus ganz Europa zu sehen. Beim Festival 2012 auch im Schauspielhaus Bochum. www.pottporus.de Bochum-Ehrenfeld, wo die Königsallee ihren Anfang nimmt, entstehen neuerdings in unmittelbarer Nähe zum Schauspielhaus ungeahnte Dinge: Street-Art-Galerien eröffnen neben Szene-Kneipen, leicht gehobene Gastronomie neben stylisch-urbanen Bekleidungsgeschäften. Während die Munkelmeister munkeln, Bochum könne demnächst verkreuzbergen, verbitte ich mir derartige Wortschöpfungen und freue mich über frischen Wind. Zumal man in Ehrenfeld Ruhe vor sauerländischen Sauftouristen hat, die werden vom Bermuda-Dreieck-Ballermann abgefangen. Und so kann man dort, nach einem Theaterbesuch oder einer Vernissage, in Ruhe dem Knarzen im Räderwerk der Zeit lauschen, das Altes malmt und Neues macht. Und vielleicht wird Grönemeyers Zeile ja auch bald Lügen gestraft, so wie der Rest der Zu-Spätromantik. Also, her mit der Modenschau auf der Königsallee. Ich bin dafür. Man reiche mir Models. Sebastian 23 Auch das stimmte wirklich und es ist bis heute wahr geblieben. Aber der zarte Finger des Wandels könnte dies bald ändern und es steht zu befürchten, dass damit ein Unterschied zwischen Düsseldorf und Bochum schwindet. Als Abgrenzung gegen jene Yuppie-Metropole am Rhein war jene Zeile damals nämlich gemeint. Heute gibt es keine Yuppies mehr, diese Bevölkerungsgruppe hat sich aufgelöst in die radikalen Splittergruppen „Schnösel“, „Hipster“ und „Neureiche Gockelpaviane“. Und auch die Städte ändern sich. Es ist nicht so, dass in Düsseldorf demnächst der Steinkohlenbergbau vorangetrieben wird, im Gegenteil: In 9 Foto: CHRISTOPH NEUMANN Ein Fremder ist er nun wirklich nicht, aber ein Spezialist für gute Lieder: Thomas Anzenhofer, seit Jahren auf der Bühne des Schauspielhauses mit den Songs von Johnny Cash zu sehen. Für die kommende Spielzeit plant er ein neues Programm mit Liedern aus der Fremde. Er sammelt Lieder aus allen Kulturen und Zeiten, die eines gemeinsam haben: Sie erzählen von Heimweh und Sehnsucht, von Einsamkeit und Abenteuern, Melancholie, Reiselust und Erinnerungen – genau das Richtige für den „lonesome Cowboy“, der immer unterwegs ist. KNÖCHELTIEF IM WESTEN Foto: OLIVER LOOK Lieder aus der fremde Foto: Birgit hupfeld Vermischtes Poetry wanted – tot oder lebendig! Sebastian 23, Koryphäe der Slampoetry-Szene, ist Mitveranstalter und Moderator der Bochumer „Dead or Alive Slams“, bei denen im Schauspielhaus lebende Poeten gegen tote Dichter – vertreten von Schauspielern des Ensembles – antreten. JAHRMARKT EUROPA JAN KLATA AUF DEM WEG DURCH WARSCHAU jan klata – jahrmarkt europa D TEXT: OLAF KRÖCK Fotos: CHRISTIAN ROLFES Warschau ist im Kommen. So wie überhaupt ganz Polen derzeit in Europa auf der Gewinnerseite steht. Und das nicht nur wirtschaftlich, sondern auch im Bereich von Kunst und Kultur. Einer der kreativsten Köpfe des Landes ist der Regisseur Jan Klata. Wer mit ihm durch Warschau läuft, sieht nicht nur eine, sondern viele Städte. 12 ie ausgebuchte LOT-Maschine landet pünktlich. Noch bevor der Regional Jet die Parkposition erreicht, werden die ersten Mobiltelefone angeschaltet und E-Mails abgerufen. Alle Passagiere tragen Anzug, auch die Frauen. Keiner hat Fluggepäck aufgegeben. Es sind Geschäftsreisende, die nur eine Nacht bleiben oder noch an diesem Abend die letzte Maschine zurück nehmen. Hinter dem Zoll warten Männer in abgewetzten Lederjacken und Bauchansatz mit Schildern in der Hand, auf denen Namen verschiedener Mr. und Mrs. geschrieben sind. Sie warten darauf, die Neuankömmlinge zu ihren Terminen in die GlasStahl-Neubauten der Innenstadt zu kutschieren. Hinter ihnen geht es nach draußen zum Taxi-Stand. Mit Leuchtwesten gekleidete Damen verteilen die Transportsuchenden auf die wartenden Wagen, helfen bei der Übersetzung zwischen Gast und Fahrer, geben Zieladressen weiter. Unvermittelt zerreißt lautes Sirenengeheul den gedämpften Flughafenlärm und das Rauschen der nahen Schnellstraße. Eine Fahrzeugkolonne mit Blaulicht fährt in hoher Geschwindigkeit an den parkenden Taxen vorüber. Zwei Polizeiwagen an der Spitze blockieren die beiden Fahrspuren, dahinter drei schwarze gepanzerte Limousinen mit abgedunkelten Scheiben, dann wieder Polizeifahrzeuge und am Ende ein Kranken- jan klata – jahrmarkt europa wagen. In den ersten Limousinen tragen die Fahrer und Beifahrer Sonnenbrillen, in der dritten studiert im Fond des Wagens eine ältere blonde Dame Akten. Links und rechts der Kühlerhaube zieren kleine Fahnen die Staatskarosse; zwölf fünfzackige goldene Sterne im Kreis auf azurblauem Grund, die Standarte der Europäischen Union. Mein Taxi folgt dem Tross der ranghohen EU-Bürokratin mit deutlich geringerer Geschwindigkeit und landet schon nach wenigen Kilometern im Stau. Große Neuwagen europäischer Edelmarken und alte klapprige Fahrzeuge mit Beulen, defektem Auspuff und großflächigen Roststellen umgeben uns. Nach der vierzigminütigen Fahrt, vorbei an riesigen Werbetafeln mit Schriftzügen bekannter Marken und Slogans in einer mir vollkommen unverständlichen Sprache, habe ich mein Ziel erreicht. Der Kulturpalast ist das Wahrzeichen der Stadt Das Hotel Logos, direkt an der Weichsel gelegen, hat 188 Betten und einen Stern. Es wird von der Gewerkschaft der Lehrer betrieben, ist billig und für meinen Aufenthalt optimal gelegen. Vom einfach eingerichteten Zimmer 508 sieht man auf die Skyline der Innenstadt. In der Mitte zwischen mehreren modernen Hochhäusern sticht als Wahrzeichen der Stadt der 231 Meter hohe Kulturpalast heraus. Das Gebäude des sozialistischen Klassizismus sieht aus wie das von einer riesigen Kreatur zusammengestauchte Empire State Building. Aber das hier ist nicht New York, das ist Warschau. Das Telefon neben dem säuberlich gemachten Bett klingelt und der Portier meldet den Besucher, der in der Lobby wartet. Im kleinen Hotelfoyer steht zwischen eingestaubten Zimmerpalmen und einer violetten Kunstledersesselgarnitur einer der erfolgreichsten Theaterregisseure Polens, Jan Klata. Vor dem Hotel verschwindet eine dreispurige Straße unter einem kleinen Park. Hinter dem Park noch eine zweispurige Schnellstraße, dann der Fluss. „Auf der anderen Uferseite ist meine Laufstrecke“, erklärt mir Jan Klata, als wir vor das achtstöckige Hotelgebäude treten. „Ich wohne ja um die Ecke, also habe ich es nicht so weit.“ Nach einer Herzoperation vor einigen Jahren hat er das Laufen begonnen. Jetzt trainiert er regelmäßig, läuft am Morgen mehr als zehn Kilometer, um einmal im Jahr an einem Marathon teilzunehmen. „Im Augenblick arbeite ich daran, die Drei-Stunden-Marke zu unterbieten. Beim letzten Mal war ich zwei Minuten zu langsam.“ Das Nest eines gigantischen Flugsauriers Was das da auf der anderen Uferseite sei, wo riesige Stahlpfeiler, wie das Nest eines gigantischen Flugsauriers kreisförmig in den Himmel ragen, frage ich. „Hier bauen wir unsere Zukunft“, antwortet Klata spontan. Dann setzt er sich in Bewegung. Mit zügigen Schritten geht es weg vom Wasser. Wir laufen durch das Universitätsviertel Powisle. Es gehört zu den angesagten Quartieren der Hauptstadt. Etwas abseits des Zentrums ist von hier aus alles in weniger als zwanzig Minuten zu Fuß zu erreichen. Klata, der von sich selber sagt, dass er eine katastrophale Orientierungsgabe hat, weist uns den Weg. „Das wird unser neues Nationalstadion für die Europameisterschaft. Dieses Stadion kostet uns 300 Millionen Euro, eine unfassbare Summe in Polen. Für ein Stadion, in dem nur fünf Spiele während des Wettbewerbs stattfinden werden. Das sind 60 Millionen Euro Baukosten pro Spiel. Verkauft wird uns das als Fortschritt und als historischer Moment. Fakt ist aber, dass der Bau ein großes geschichtliches Erbe zerstört hat“, erklärt Klata und lacht dabei ironisch. „Es gibt hier in Polen schon den Witz, dass das erste EM-Spiel der Nationalmannschaft das Eröffnungsspiel ist, im zweiten Spiel geht es dann schon um Alles und das dritte Spiel in der Vorrunde ist dann nur 13 noch das Spiel für die Ehre. Wir waren schon auf Weltmeisterschaften. 1982 sind wir sogar Dritter geworden. Aber für eine Europameisterschaft haben wir uns fast noch nie qualifiziert. Das mussten wir uns erst erkaufen“, lacht er und spielt damit auf die Tatsache an, dass die Ausrichternation auch ohne Qualifikation nominiert ist und darum 2012 im eigenen Land spielen darf. Was für ein geschichtliches Erbe hier zerstört wurde, frage ich und beweise im Verlauf der folgenden Ausführungen, wie wenig ich über Polen und seine Geschichte weiß. „An diesem Ort“, erklärt Klata, während er mich an sechsstöckigen, postsozialistischen Innenstadtwohnhäusern entlang führt, „stand jahrzehntelang das erste Nationalstadion Polens, das Stadion Dziesieciolecia Manifestu Lipcowego, das Stadion des 10. Jahrestages des JuliManifestes.“ Diese Sport-Arena ohne Dach oder Flutlichtanlage wurde auf und aus dem Schutt der nach dem Warschauer Aufstand vollständig zerstörten Stadt gebaut. EIN TRAUMATISCHER MOMENT IN POLENS GESCHICHTE Noch in der Nacht bemühe ich das Internet und schließe zumindest oberflächlich meine Wissenslücken über dieses Ereignis, das für die Polen vermutlich eines der traumatischsten Momente ihrer Geschichte ist: Von August bis Oktober 1944 hatte sich die Warschauer Bevölkerung, angeführt durch Partisanenkämpfer der Heimatarmee, mit Waffengewalt gegen die deutschen Okkupierer erhoben. Zeitgleich hatte sich die rote Armee auf dem gegenüberliegenden Weichselufer eingegraben und tatenlos den Kämpfen zugesehen. Die deutschen Sieger legten nach der Niederschlagung des Aufstandes Feuer an die Stadt, sprengten gezielt alles in Schutt und Asche, ermordeten die Bevölkerung direkt an Ort und Stelle oder verschleppten sie in Konzentrationslager und zur Zwangsarbeit. Dann kam die Rote Armee und schlug die deutschen Truppen. Spä- vorherige Seite: Neues und altes Warschau: Die Baustelle des neuen Nationalstadions in Warschau soll zur EM 2012 fertig sein. Daneben eine Bar im Szeneviertel Powisle. Nächste Seite: Straße in der Nähe der Universität, postsozialistische Wohnarchitektur und Jan Klata in der Frühlingssonne. jan klata – jahrmarkt europa vorherige Seite: Links: Jan Klata in der Lobby des Hotel Logos. Rechts: Das neue Handels- und Bankenviertel der Hauptstadt. ter entwaffnete sie auch die polnische Heimatarmee und Stalin ließ deren Offiziere erschießen oder deportierte sie in den Gulag, weil man ihnen anti-sowjetische Tendenzen unterstellte. Zehn Jahre später, in den 1950ern, wurde dort, wo sich die sowjetischen Truppen verschanzt hatten, das Nationalstadion der Volksrepublik Polen errichtet. Es bot auf den Rängen Platz für 75.000 Sportbegeisterte. „Ich protestiere“, rief er, und ging in Flammen auf „Das wichtigste Ereignis in diesem Stadion trug sich meiner Meinung nach am 8. September 1968 zu“, sagt Klata, während wir eine mehrspurige Straße mitten in der Stadt überqueren. „Da hat sich ein einfacher Buchhalter während der Erntedankfeierlichkeiten vor 100.000 Besuchern aus Protest selbst verbrannt. Das haben Jahrzehnte lang nur sehr wenige in Polen gewusst, weil der Staat es erfolgreich verheimlicht hat. Der Mann hieß Ryszard Siwiec. Er war ein unauffälliger Mann. Aber die Beteiligung des polnischen Militärs an der Niederschlagung des Prager Frühlings war für ihn wie ein persönlicher Angriff. Er fuhr nach Warschau in seinem besten Anzug und übergoss sich während einer Tanzvorführung auf einer der Tribünen mit Benzin. ‚Ich protestiere’, soll er gerufen haben, während er in Flammen aufging.“ Intellektuelle wie Klata fordern, dass das neue Nationalstadion nach Siwiec benannt wird. „Aber vermutlich wird das hier auch eine ‚Arena’ mit dem gut bezahlten Namen eines internationalen Großunternehmens, einer Versicherung oder einer Telekommunikationsfirma“, resümiert Klata nüchtern. Nach 1989 riefen die Polen die „Dritte Republik“ aus. Sie führten die parlamentarische Demokratie ein und überführten ihre Wirtschaft von der Plan- in die Marktwirtschaft. Und das geschlossene Dziesieciolecia Stadion wurde an eine Handelsgesellschaft verpachtet. Die eröffnete auf dem Stadiongelände einen Freiluftmarkt, der zu einem der größten Basare Europas wurde. Das Stadion wurde 1996 umbenannt in „Jahrmarkt Europa“. Parallel zum Paradigmenwechsel in der polnischen Wirtschaftspolitik entwickelte sich hier am Rande der Hauptstadt ein großer, informeller Markt, auf dem alles, Legales wie Kriminelles, zu kaufen war: Lebensmittel, Elektronik, Kleidung, aber auch Waffen und Drogen wurden gehandelt. Vor allem geschmuggelte Zigaretten und gefälschte Markenprodukte, von der Armbanduhr, der DVD, dem Parfum bis zu Schuhen und Unterwäsche wurden auf dem Schwarzmarkt des „Jarmak Europa“ zu Schleuderpreisen angeboten. Neben den polnischen Händlern kamen viele Verkäufer von weiter östlich, aus der Ukraine, Weißrussland, Russland, Vietnam und China. Deutschland verliert, Polen gewinnt Polen war schon vor dem EU-Beitritt im Jahr 2004 das östliche Tor zum kapitalistischen Heilsversprechen Europas. Und tatsächlich wurde der Basar im ehemaligen Sportstadion zum bedeutenden Wirtschaftsfaktor. Während seiner Hochphase wurden hier nach Schätzungen mehrere Milliarden Złoty im Jahr umgesetzt, was heute mehreren hundert Millionen Euro entspricht. Mit einem offiziellen Wirtschaftswachstum von zeitweise über 6 % entwickelte sich parallel dazu das ganze Land östlich von Oder und Neiße Anfang des neuen Jahrtausends rasant vorwärts. Der Chef von CEPS in Brüssel, einem der einflussreichsten Forschungsinstitute der Welt, wagte sogar zu behaupten: „Die Prognose lautet: Deutschland wird im Jahre 2040 nur noch im unteren Drittel des EU-Rankings gelistet sein.“ Und er fügt erklärend hinzu: „Die Deutschen wurden nicht gezwungen, radikal umzudenken und damit an einem neuerlichen Aufschwung zu arbeiten. Sie werden selbstzufrieden absteigen und am Ende nicht verstehen, warum Polen besser dasteht.“ 18 jan klata – jahrmarkt europa gearbeitet, bevor sie an die größeren Bühnen in Krakau oder Breslau gewechselt sind. Wrocław/Breslau, wo Klata heute am häufigsten inszeniert, gilt als ausgesprochene Kulturstadt in Polen mit einem der größten Schauspielhäuser des Landes. Hier ist Jan Klata so etwas wie ein Hausregisseur. Mehrmals im Jahr arbeitet er hier. Dennoch lebt er weiterhin in Warschau, hat sich, wie viele nach dem Fall des sozialistischen Regimes, eine Wohnung gekauft. „Wir finden das eher seltsam, dass ihr in Deutschland eure Wohnungen mietet. In Polen kaufen alle. Es ist doch viel besser, in etwas Eigenes zu investieren, als einen Vermieter zu bezahlen.“ Und tatsächlich ist Polen mittlerweile auf der Liste der größten Wirtschaftsmächte auf Platz 21 vorgerückt. Im Pisa-Ranking steht Polen sogar fünf Plätze vor Deutschland. FÜR EINEN FERRARI GIBT ES ZU VIELE SCHLAGLÖCHER Wir passieren ein großes Wohnhaus. Klata zeigt auf den obersten Stock und meint: „Da wohnen wir.“ Dann eilt er weiter, ich folge. Er erzählt vom Viertel und zeigt mir seine Nachbarschaft. Um die Ecke liegt die Universitätsbibliothek. Daneben steht ein großer Apartmentneubau mit privatem Sicherheitspersonal, videoüberwachten Stahlzäunen und rotem Teppich in der Lobby. „Zu den Feiertagen wie Ostern oder Weihnachten brennt in diesen Apartments am Abend kein einziges Licht“, erklärt Klata und weist mit einer Geste auf das schicke Apartmenthaus. „Das sind alles Leute vom Land, die hier in die Stadt gezogen sind, um in einer Bank oder Firmenverwaltung zu arbeiten. Aber wenn sie frei haben, geht es zurück zu den Familien.“ „Ach darum auch die Geländewagen vor dem Haus?“, frage ich. „Nein“, antwortet Jan Klata süffisant, „das sind die Stadtautos der Leute mit Geld. Einen Ferrari kannst du in Warschau nicht fahren, dafür gibt es hier viel zu viele Schlaglöcher.“ Die räuber von Friedrich Schiller Premiere am 3. März 2012 im Schauspielhaus Schiller erzählt in seinen „Räubern“ die tragische Geschichte der ungleichen Brüder Karl und Franz Moor. Franz gelingt es durch Intrigen, den Vater gegen seinen Bruder aufzubringen. Der Graf enterbt den bisher so geliebten Sohn Karl. Der will sich mit dem Vater versöhnen, doch ein Schandbrief verhindert jede Möglichkeit, nach Hause zurückzukehren. Karl gründet eine Räuberbande. Man schwört sich Treue bis in den Tod. Doch die Räuber haben sehr verschiedene Absichten: Während die einen für Freiheit und Gerechtigkeit kämpfen wollen, streben die anderen nach Reichtum und einem zügellosen Leben. Zu Hause lässt Franz währenddessen den Vater verschwinden und wirbt mit Gewalt um die Gunst von Amalie, der Liebe seines Bruders. Schließlich kehrt der mittlerweile steckbrieflich gesuchte Karl in die Heimat zurück und entdeckt die Gräuel seines Bruders. Dennoch findet die Geschichte kein glückliches Ende. Der Aufwiegler Franz nimmt sich das Leben, auch der Vater stirbt vor Gram und Karl muss sich zwischen seiner Liebe und den Kameraden der Bande entscheiden. Schillers berühmtes Debüt-Werk lotet das Spannungsverhältnis individueller Freiheit zwischen den Gesetzen einer Gesellschaft aus. Es ist ein Stück über Individualismus und Rebellion. Oder, wie es Karl am Ende des Stückes selbst sagt, es zeigt Menschen, die versuchen, „die Welt durch Gräuel zu versöhnen und die Gesetze durch Gesetzlosigkeit aufrecht zu erhalten.“ DIE BANKEN TRAUEN DER EIGENEN WÄHRUNG NICHT Regie: Jan Klata Bühne und Kostüme: Justyna Łagowska, Mirek Kaczmarek Choreografie: Macko Prusak Dramaturgie: Olaf Kröck Die innovativste Theaterstadt ist der furchtbarste Ort Europas Klata wurde in Warschau geboren, seine Familie und die Familie seiner Frau stammen aus der Hauptstadt. Er ist fest verwurzelt mit der Metropole, in der fast zwei Millionen Menschen leben. Und doch hat er in Krakau studiert und bisher nur zwei Mal in Polens größter Stadt gearbeitet. „Die Theaterakademie in Krakau ist einfach viel besser“, resümiert er, „und auch in den Theatern anderer Städte gibt es interessantere Dinge. Es ist vielleicht wie in Deutschland, da passieren die guten Sachen doch auch nicht nur in Berlin. Warum würde ich sonst in Bochum arbeiten?“, fragt er trocken und lässt nicht erkennen, ob das jetzt ein Witz war. Seine Karriere begonnen hat Jan Klata unter anderem im niederschlesischen Wałbrzych, auch unter dem deutschen Namen Waldenburg bekannt. In der ehemaligen Bergbaustadt gibt es nach dem Niedergang der Volksrepublik und der Schließung der unrentablen Zechen nicht viel mehr als ein Autowerk. „Trotzdem arbeiten immer noch viele in den Bergwerken. Sie bauen jetzt illegal die Kohle ab und verkaufen sie auf dem Schwarzmarkt. Das ist natürlich extrem gefährlich. Aber die Leute verdienen damit dreimal so viel wie bei Toyota. Dennoch ist diese Stadt vermutlich einer der furchtbarsten Orte in Europa. Da kannst du nichts anderes machen, als im Theater sein. Draußen auf der Straße ist es zu gefährlich.“ Umso erstaunlicher ist es, dass Waldenburg ein Theater hat, das zurzeit zu den innovativsten des Landes zählt. Künstler wie Klata haben hier 19 Zu lange waren die Polen einer vermeintlich geplanten Gemeinschaftswirtschaft ausgesetzt, in der sich der Staat um das Wohlergehen kümmern wollte, was aber nicht zum Wohle der Leute führte. Die kapitalistische Grundprämisse vom Privatbesitz ist in der „Dritten Republik“ auch für kritische Köpfe wie Klata das überzeugendere Konzept. „Allerdings mussten wir den Kredit für unsere Wohnung in Schweizer Franken aufnehmen. Unsere eigenen Banken trauen unserer Währung nicht. Während der Wirtschaftskrise der letzten Jahre ging es uns in Polen wegen des Złotys eigentlich ganz gut. Es hat uns hier nicht so hart getroffen wie andere Länder. Aber für mich privat war es schon ganz schön heftig. Plötzlich ist der Kredit, den du abzuzahlen hast, doppelt so teuer“, erklärt Klata. Er hält die Türe des „Café Tarabuk“ auf, in dem sich ein gut sortierter Buchladen mit einem Bistro mischt. Ich bestelle italienischen Kaffee, ein großes Stück frisch gebackenen Apfel-Nusskuchen, Klata die Tagessuppe. Die Tische und Stühle sind bunt zusammengetragen. Jeder Quadratzentimeter ist genutzt. Selbst in den Fenstern stehen schmale Tische und Stühle. Es gibt Sofas und Sessel NÄCHSTE SEITE: Links: Klata unterwegs in seinem Viertel. Rechts: Die Altstadt von Warschau wurde spät nach dem Krieg neu aufgebaut und in den 1980ern fertig gestellt. Heute gehört sie zum Weltkulturerbe. 20 21 jan klata – jahrmarkt europa und die Wände sind bis unter die Decke von Bücherregalen verdeckt. Alle Plätze sind besetzt und doch ist es eher ruhig. Die Gäste tragen karierte Baumwollhemden, verwaschene T-Shirts mit den Namen englischsprachiger Heavy-Metal-Bands, asymmetrische Kurzhaarfrisuren, dunkle, dickrandige Brillen und Wollmützen. Die junge Kellnerin, die die an der Theke aufgegebenen Bestellungen schließlich am Tisch serviert, läuft mit wasserstoffblonden Haaren tatsächlich auf Tennissocken über den Fliesenboden. Wie eine vergrößerte Studentenbude ist dieser Laden. „Ich komme gerne hierhin. Auch meine Töchter lieben es hier“, sagt Klata, während er die hausgemachte Linsensuppe löffelt. Geschichte, Politik Fernsehserien und Klata redet in einem ausgezeichneten Englisch, schnell und gewandt. Das Gespräch verläuft assoziativ, doch längst ist klar, welche Themen den 38-Jährigen interessieren, der wöchentlich eine Kolumne für eine große polnische Zeitung schreibt: Geschichte und Politik. „Polen erlebt seit Jahren einen gewaltigen Umbruch und es fällt vielen nicht leicht, mitzuhalten. Daher waren auch die Kaczynski-Brüder eine Zeit lang eine echte Option. Sie haben vielen aus der Seele gesprochen. Wir haben hier so viele Jahrhunderte der Unterdrückung und Fremdbestimmung erlebt, dass wir sehr empfindlich sind, wenn uns jemand vorschreiben will, wie wir zu sein haben. Wenn dann aber zwei kommen und plötzlich die großen Nachbarstaaten und sogar die EU herausfordern, um polnische Interessen stark zu machen, ist das erst einmal gut. Deutschland als direkter westlicher Nachbar und Russland im Osten sind so große Mächte, dass sie nicht nur wegen unserer Geschichte weiterhin große Skepsis herauf beschwören. Und wenn dann ewig gestrige Deutsche immer noch davon reden, dass Teile unseres Landes eigentlich ihnen gehören, haben nationalisti- sche Zwerge wie die Kaczynskis ein leichtes Spiel.“ Klatas Analysen kommen schnell und mit Humor. Man versteht allmählich, wieso dieser Mann in der Lage ist, mit einem Interview einen nationalen Skandal auszulösen. Und dann wechselt er wieder das Thema und ein drittes großes Interessensgebiet tut sich auf: amerikanische TV-Serien. Die „Sopranos“, verrät er, stehen dabei auf Platz 1 seiner privaten Bestenliste. PROBE, UM EINEN BRIEFUMSCHLAG ZU ÖFFNEN Nach zwei Stunden in dem Café verabschiedet er sich. Am Abend ist Klata zu der großen Verleihung des „Paszport Polityki“ geladen, einem der bedeutendsten Kulturpreise Polens. Er wurde als ehemaliger Preisträger gebeten, den diesjährigen Sieger zu verkünden. Auch in Polen imitiert man dafür die Oscar-Verleihungen und zelebriert das Ganze mit großem Pomp in der Nationaloper und mit den Stars und Sternchen des Landes. Klata gehört dazu. Und weil die Show im polnischen Fernsehen übertragen wird und sich der Staatspräsident angemeldet hat, muss Jan Klata jetzt zur Probe. Er, der etliche Aufsehen erregende Theaterabende inszeniert hat, soll proben, einen Briefumschlag zu öffnen. Später, während ich in einem vollbesetzten Brauhaus sitze, heulen draußen wieder Sirenen auf. Diesmal wehen auf dem Kühler der vorbeirasenden Limousine die rot-weißen Standarten Polens. Während ich einen Schluck Bier trinke und auf meine gegrillte Ente mit Kraut warte, fährt Staatspräsident Komorowski an mir vorüber, auf dem Weg ins „Teatr Wielki“, das Große Theater, und zu Jan Klata. 22 Jan Klata wurde 1973 in Warschau geboren, studierte zunächst Regie an der Warschauer Theaterakademie und wechselte dann an die staatliche Theaterschule Krakau. Er assistierte polnischen Theatergrößen wie Jerzy Grzegorzewski oder Krystian Lupa. Seine erste Inszenierung von Nikolai Gogols „Revisor“ wurde als wichtigstes Debüt des Jahres 2003 gefeiert. Seither arbeitet Jan Klata an den bedeutendsten Bühnen seines Landes. Seine Inszenierungen waren auch auf diversen Festivals und an Theatern im Ausland zu sehen und wurden mit zahlreichen bedeutenden polnischen Theaterpreisen ausgezeichnet. In der Spielzeit 2010/2011 brachte er am Schauspielhaus Bochum „Amerika“ nach dem gleichnamigen Roman von Franz Kafka auf die große Bühne. 23 DER WELTEN EXPERIMEN TIERER Paul Koek und sein musikalisches theater Paul Koek ist ein Multitalent. Er ist Musiker, Komponist, Regisseur und Theaterleiter. Der studierte Schlagzeuger hat in jungen Jahren zunächst eine Ausbildung zum Gärtner gemacht – Koek stammt aus einem winzigen Dorf in der Nähe der niederländischen Universitätsstadt Leiden, wo er heute noch lebt. Seine ganze Familie arbeitete in den Gewächshäusern, die in dieser Region typisch sind. Doch seit ihn sein Vater ohne sein Wissen an der örtlichen Musikschule anmeldete, verlief Paul Koeks berufliche Karriere völlig anders: Er wurde einer der bedeutendsten Schlagzeuger der Niederlande. Heute ist er nicht nur Dozent am königlichen Konservatorium in Den Haag, er leitet dort mittlerweile auch mit seinem Dramaturgen Paul Slangen einen eigenen Studiengang für Musiktheater. Bis heute arbeitet er als Schlagzeuger und tourt mit verschiedenen Ensembles um die Welt. Vor allem aber ist Paul Koek Theatermacher. In den 1990er Jahren gelangte die niederländische Theatergruppe Hollandia mit Regisseur Johan Simons und Paul Koek als ihrem Koleiter zu Weltruhm. Sie tourten über die größten Festivals der Welt. Unter anderem entstand 2003 bei der Ruhrtriennale in Bochum die Produktion „Sentimenti“ nach dem Roman „Milch und Kohle“ von Ralf Rothmann. Seit der Auflösung von Hollandia gingen Paul Koek und Johan Simons künstlerisch immer häufiger auch getrennte Wege. 2004 gründete Koek sein eigenes Ensemble, die Veenfabriek in Leiden. Hier entwickelt er als Regisseur und künstlerischer Leiter mit einer kleinen Gruppe aus Musikern und Schauspielern eine eigene Form des Musiktheaters. Die Veenfabriek, die bei ihren Arbeiten mit Komponisten, Autoren und Wissenschaftlern kooperiert, sucht nach einer Verschmelzung von Musik, Text und Bild, bei der jede Alle Fotos entstanden während der Proben zu „Candide“. 26 27 Disziplin dennoch ihre Autonomie behält. Anders als in der Oper geht hier der Text nicht in der Musik auf, und im Gegensatz zur reinen Theatermusik sind die Kompositionen nicht nur der atmosphärische Hintergrund der Produktionen. „Für mich ist Musiktheater eine Art des Theatermachens, bei der sich die Musik, der Text, der Inhalt gegenseitig tragen. Alle Aspekte sind gleichberechtigt und reagieren aufeinander: der Text auf die Musik, die Schauspieler auf die Musik und umgekehrt“, sagt Paul Koek. „Wenn ich ins Theater gehe, nehme ich alles als Musik wahr. Ich kann musikalisch keinen Unterschied machen zwischen dem Klang der Stimme, dem einer Gitarre und dem einer Klimaanlage. Es sind in einem Augenblick alles gleichberechtigte Klänge im Raum.“ Koeks Theater ist experimentelles Theater, das im Ergebnis jedoch nicht zu anstrengend unzugänglichen Spezialistenveranstaltungen führt, sondern zu einer emotionalen und visionären Verbindung von Klangwelt, Textbedeutung und Bildkraft. Sein Theater stellt Fragen, gibt Rätsel auf, fordert heraus und es berührt. Für seine Arbeit erhielt Paul Koek 2009 den „Prins Bernhard Cultuurfonds“-Preis, eine der höchsten Auszeichnungen der Niederlande. In der Spielzeit 2010/2011 eröffnete er in einer auf mindestens drei Jahre angelegten Kooperation zwischen seiner Veenfabriek und dem Schauspielhaus Bochum die Intendanz von Anselm Weber mit einer musiktheatralen Bearbeitung von Voltaires Weltroman „Candide“. In der zweiten deutsch-niederländischen Zusammenarbeit widmet sich Paul Koek nun mit „Drei Schwestern“ zum ersten Mal in seiner fast 30-jährigen Theaterarbeit einem Text von Anton Tschechow. So wird er im Schauspielhaus mit seinem Konzept des Musiktheaters und den Weltentwürfen des russischen Klassikers experimentieren. Olaf Kröck WEG AUS MOSKAU Bis zu einem gewissen Alter treffen andere die wichtigen Entscheidungen für uns. Oft solche mit schwerwiegenden Folgen. Tschechows „Drei Schwestern“ saßen nicht immer in der Provinz fest. Sie waren längst in Moskau, denn sie wurden dort geboren. Bis ihr Vater beschloss umzuziehen. Mit der ganzen Familie. Der Dramaturg Paul Slangen ist ein langjähriger Weggefährte des Regisseurs Paul Koek. Gemeinsam waren sie schon bei der legendären niederländischen Theatergruppe Hollandia, bis auch sie eine Entscheidung getroffen haben: Sie haben ein neues Theater gegründet. Ausgerechnet in Leiden. In der niederländischen Provinz. Paul Slangen kennt sich also aus mit folgenreichen Entscheidungen, auch wenn er sie damals selbst getroffen hat und der Erfolg gezeigt hat, dass sie richtig waren. Natürlich war er bei der Entscheidung des Vaters von Mascha, Irina und Olga nicht dabei, die die Familie aus der pulsierenden Hauptstadt an einen Ort geführt hat, der sich anfühlt wie eine Geisterstadt. Aber er hat darüber nachgedacht, wie es gewesen sein könnte. Eine literarische Mutmaßung über einen Moment mit Folgen. TEXT: Paul slangen Fotos: DIANA KÜSTER „An einer Meeresbucht steht eine grüne Eiche / An dieser Eiche hängt eine goldene Kette: / Und ein gelehrter Kater geht / Tag und Nacht um die Kette herum.“ Seufzend blickt Sergej Prozorov von seinem Buch auf. Wie lange hat er Puschkins Gedicht nicht mehr gelesen? Er blickt in die Flammen des Kaminfeuers und denkt an seine Frau. Wie viele Jahre sie schon tot ist? Für einen Augenblick hat er es vergessen. Er sieht sie wieder vor sich stehen: jung, glücklich, mit offenen Armen, lachend, verliebt, während er ihr den Tee aus dem Samovar reicht, den er ihr zur Hochzeit geschenkt hat, nicht so verliebt, nicht so glücklich und fröhlich wie sie. Trotz all der Zeit, die seit ihrem frühen Tod vergangen ist, erinnert im Haus noch alles an sie. Er bildet sich sogar ein, dass einige Dinge noch nach ihr riechen. Das ist nicht gut, denkt er und streicht sich nachdenklich über den Bart. Es ist nicht gut. REGELN, ORDNUNG, DISZIPLIN „Anfisa!“ Nichts rührt sich. „Anfisa!“, ruft er noch einmal. Man hört sie oben laufen. Die treue Dienstmagd bringt die Kinder ins Bett. Sie wird sich gestört fühlen, denkt er. Verärgert wird sie den Kindern sagen, dass sie warten müssen, da ihr Vater gerufen habe. Sie mögen sich alleine weiter umziehen und waschen, sie werde sofort zurück sein, um sie ins Bett zu stecken. „Sie haben gerufen, edler Herr?“ Schneller, als er erwartet hat, steht sie vor ihm. „Edler Herr“, das sagt sie immer, wenn er ihr auf die Nerven fällt. Sonst sagt sie einfach, „Was gibt es?“, oder „Kann ich was für Sie tun?“. „Entschuldige, dass ich störe, aber kannst du bitte die Kinder holen, ich habe ihnen etwas zu sagen.“ Er gibt sich keine Mühe, ihre Überraschung zu übersehen, denn sie 28 bleibt regungslos in der Türe stehen. Er weiß, dass seine Bitte ungewöhnlich ist. Normalerweise akzeptiert er nicht einmal, wenn eines der Kinder fünf Minuten später als gewöhnlich nach oben geht, und es verärgert ihn, wenn eines noch einmal herunterkommt, weil es nicht einschlafen kann oder irgendein Problem hat. Regeln, Ordnung und Disziplin bringen das Beste im Menschen hervor. So ist es eben. Wenn man vom regelmäßigen Rhythmus von Essen, Schlafen, Arbeiten, Lernen und Entspannen abweicht, führt das zu einer Unruhe, unter der die Menschen nur zu leiden haben. Eine unstete Lebensweise führt zu dummen Gedanken. Das ist nicht gut. Niemand weiß, warum man lebt. Aber das soll nicht heißen, dass man sich nicht nützlich machen kann, solange einem Gott die Zeit dazu lässt. Wir müssen das Beste daraus machen, hat seine Frau immer gesagt. Und so ist es. Und genau das gedenkt er zu tun. „Was stehst du noch rum? Geh und hole sie.“ Einige Augenblicke später sind die Kinder da. Verwundert über das späte Beisammensein und etwas angespannt stehen sie in ihren Pyjamas vor ihm. Olga ist schon fast eine junge Frau. Und auf Andrejs Unterschenkeln zeigt sich die erste Behaarung eines Mannes. Mascha und Irina sind hingegen noch Kinder, mit der stolzen Empörung in den Augen für alles, was sie überrascht. „Kommt, setzt euch zu mir. Friert ihr? Anfisa, hole Decken und setze dich, wenn du magst, zu uns. Was ich zu sagen habe, geht dich auch an.“ Sie hocken sich in gespannter Erwartung im Halbkreis vor ihn. Andrej schaut eher abwesend, während Irina ihn direkt ansieht. Für einen Moment verliert er sich in ihrem Blick und sieht in die haselnussbraunen Augen seiner Frau, die Irina von ihr geerbt hat. Was für eine sanfte Kraft in ihnen verborgen liegt, denkt er. Gerührt schließt er kurz die Au- 29 gen, um sich auf die Entscheidung zu konzentrieren, die er soeben getroffen hat. DREI SCHWESTERN wie soll man leben? von Anton Tschechow „Liebe Kinder“, sagt er, nach einem Einstieg suchend, „ihr wisst, dass ich nur das Beste für euch will. Wir haben es hier in Moskau immer gut gehabt. Und ich bin stolz, dass eure Mutter und ich diese Stadt gewählt haben, um hier eine Familie zu gründen. Aber ich muss gestehen, dass es mir seit dem Tod eurer Mutter schwer fällt, hier noch echte Freude zu empfinden. Das Haus, die Staraja Basmannaja Straße, der Samovar hier zu meinen Füßen, alles erinnert mich an die, die wir alle so vermissen. Und ehrlich gesagt, ich ertrage es nicht mehr. Ich kann hier nicht länger bleiben.“ Premiere am 6. Oktober 2011 im Schauspielhaus Sie sitzen in der Provinz und träumen sich in die große, weit entfernte Stadt. Sie glauben, dass dort alles besser ist als hier in dem Nest, in das sie vor vielen Jahren mit dem Vater kamen. Jetzt sind sie keine Mädchen mehr und der Vater ist tot. Dort, in der großen Stadt, muss Leben sein. Hier auf dem Land ist alles nur ein Abziehbild von dem, was man in die Ferne projiziert. So sitzen die drei Schwestern Olga, Mascha und Irina mit ihrem Bruder Andrej, dem erfolglosen Akademiker, in ihrem Landhaus in der Garnisonsstadt und träumen sich „nach Moskau, nach Moskau, nach Moskau“. In Anton Tschechows Stück sieht man eine Welt im Umbruch. Es ist eine Gesellschaft, die sich überlebt hat, aber mit den Veränderungen um sie herum nicht umzugehen weiß. Denn die Menschen wissen überhaupt wenig mit sich und ihrer Existenz anzufangen. Sie sehnen sich nach Aufgaben, nach großen Taten und sind doch von der Arbeit schnell angestrengt, müde und bekommen Kopfschmerzen. Sie verzehren sich nach Liebe, sie wünschen sich Glück und wissen doch nicht, in welcher Form und wo sie es finden könnten. Sie leben in der Provinz und reden ständig davon, ihr Leben in die Hand zu nehmen, ohne jedoch über Jahre hinweg irgendeine Anstrengung zu unternehmen, ihre Wünsche zu erfüllen. Tschechows Drama ist ein raffiniertes, dicht verwobenes Gesellschaftsspiel voller Witz, das der niederländische Musiktheatermacher Paul Koek als zweite Zusammenarbeit zwischen dem Schauspielhaus und der Veenfabriek aus Leiden zur Spielzeiteröffnung inszeniert. Für einen Augenblick hält Sergej Prozorov den Atem an und schaut sich um. Es ist wirklich so. Alles, was ihn hier umgibt, bringt er mit ihr in Verbindung. Die ganze Stadt ist mit ihr verbunden und er erträgt es nicht mehr. Es engt ihn ein und nimmt ihm die Freiheit zu leben. Es ist die richtige Entscheidung, da ist er sich sicher. „Der Zar möchte, dass ich Brigadekommandant werde. Er hat mir Bedenkzeit gegeben und ich bin nicht verpflichtet, seinem Wunsch zu folgen. Aber ich denke, nein, ich bin sicher, dass es nicht nur für mich, sondern auch für euch gut sein wird, Moskau zu verlassen, irgendwo anders ein neues Leben zu beginnen und dabei unserem Land zu dienen.“ Stille. Niemand sagt etwas. Seine Kinder schauen ihn an, als würden sie Wasser brennen sehen. Anfisa zupft nervös an einer Decke, die sie Mascha umgelegt hat. „Was schaut ihr so besorgt“, lacht er. „Ich nehme euch doch nicht mit in irgendein Regie: Paul Koek Bühne: Theun Mosk Kostüme: Dorothee Curio Musik: Veenfabriek Dramaturgie: Paul Slangen, Olaf Kröck Eine Koproduktion mit der Veenfabriek Leiden, Niederlande Gefördert im Fonds Wanderlust der 30 abgelegenes Dorf. Ich werde Brigadekommandant von sechs Batterien in einer Kreisstadt, die nicht mehr als ein paar hundert Kilometer von hier entfernt ist. Es gibt dort ein Gymnasium und eine Musikschule, ihr werdet also auf euren Unterricht nicht verzichten müssen. Und wir beziehen ein Haus mit einem großen Garten, der direkt an einen Fluss grenzt, hinter dem sich ein großer Wald erstreckt. Es ist prächtig, ihr werdet sehen! Lasst uns wegziehen aus dieser großen Stadt, aus dem Gestank und all dem Elend, das man hier ständig zu sehen hat.“ Stille. Noch immer. Niemand sagt etwas. „Nun. Das war alles. Anfisa, bring die Kinder jetzt ins Bett. Wir sprechen morgen wieder darüber.“ Gedankenverloren wünscht er seinen Kindern eine gute Nacht. Er streicht Mascha übers Haar, gibt Olga einen Kuss auf die Stirn. Irina, seine Jüngste, küsst ihn auf den Mund. Während die drei Schwestern mit Anfisa die Treppe hinaufsteigen, steht Andrej immer noch im Zimmer, als würde er träumen. „Was gibt’s, mein Junge?“ – „Nichts Papa, nichts. Ich dachte nur an die Universität.“ – „Mach dir keine Sorgen. Wenn es soweit ist, kannst du doch zum Studium wieder hier herkommen. Das lässt sich alles einrichten.“ Andrej macht Anstalten etwas zu sagen, überdenkt es noch mal und küsst seinen Vater auf die Wange. „Gute Nacht, Papa.“ – „Schlaf gut, mein Junge.“ In der Nacht wird Sergej Prozorov durch eine plötzliche Erscheinung in seinem Zimmer aufgeschreckt. Für einen Moment weiß er nicht, ob es seine Frau ist, die nach ihm schaut. Doch dann wird ihm klar, dass es seine Tochter Irina ist, die neben seinem Bett steht. „Papa?“ – „Mädchen, was ist denn?“ – „Ich habe geträumt, dass Moskau brannte. Überall waren Flammen und die Feuerwehr fuhr mit lärmenden Alarmglocken los. Plötzlich war hinter unserem Haus 31 ein Fluss und ein alter Mann kam mit der Bitte, mit dem Wagen durch unseren Garten fahren zu dürfen, um Wasser aus dem Fluss zu holen.“ Leise hebt Sergej die Decke und lässt Irina in sein Bett kriechen. Er küsst sie und streichelt ihr den Rücken. Sie beruhigt sich und ihre Atmung wird tiefer. Aus einiger Entfernung, über den Korridor, hört er Mascha ein Kinderlied singen. So versucht sie sich immer selbst in den Schlaf zu singen, wenn sie sich über etwas Sorgen macht. Vielleicht denkt sie wieder an den verliebten Major, der sie ab und zu in diesem Haus besucht hat und von dem sie so beeindruckt war, denkt er lächelnd. Sie weiß gar nicht, dass der Major eigentlich wegen Olga herkommt. Ach ja. Sie wird ihn wieder vergessen. Es werden andere Männer kommen, die sie ebenso interessieren werden. Sie ist doch noch so jung. es ist prächtig, ihr werdet sehen! Langsam döst er wieder ein und stellt sich sein neues Leben vor, in dem seine Kinder in der gesunden Natur glücklich aufwachsen werden. Veränderung tut gut. In Moskau hat das Leben nichts Neues mehr zu bieten. Es war schön hier. Als er beinahe schläft, hört er auf einmal leise, dicht an seinem Ohr: „Papa?“ – „Ja, mein Liebes?“ – „Gehen wir wirklich weg aus Moskau?“ – „Still mein Kind, schlaf jetzt.“ Irina dreht sich um und seufzt tief. Sergej legt seine Hand auf ihren Rücken und schließt die Augen. „Papa?“ – „Ja, mein Schatz?“ – „Geh du besser allein. Ich bleibe lieber zu Hause.“ Aus dem Niederländischen von Olaf Kröck angekommen. Der Regisseur Roger Vontobel ist in seinem Leben bisher siebzehn Mal umgezogen. Jetzt lebt er in Bochum. R roger vontobel – angekommen Der Schweizer Roger Vontobel hat in der halben Welt gewohnt. Vielleicht ist das der Grund, warum er keine Angst davor hat, auf der großen Bühne mit langem Atem große Stoffe zu erzählen. Das hat ihm gerade eine Einladung zum renommierten Berliner Theatertreffen eingebracht. Nach den letzten Stationen New York, Los Angeles und Hamburg ist der 33-Jährige mit seiner Familie im März schon wieder umgezogen. Nach Bochum. In ein kleines Haus am Wiesental. Ein Gespräch mit dem Bochumer Hausregisseur. Interview: AnnA Haas Fotos: Lukas Zabek oger, bist du angekommen? Naja. So, wie man halt immer ankommt im Leben. Es gibt immer eine gewisse Angst vor diesem Wort, ankommen. Denn irgendwie schwingt da ja auch Stillstand mit – insofern, nein, hoffentlich nicht angekommen. Trotzdem – ich bin viel unterwegs und da tut so ein Ort, an dem man zu Hause ist, wo nicht noch tausend andere Sachen sind, extrem gut. Ich habe noch nie in so einer kleinen Stadt gewohnt und finde es sehr schön. Das Häuschen ist toll, unser Garten großartig und der kleine Mann, unser Sohn, freut sich wirklich... insofern ja, angekommen! Wo kommst du her? Aufgewachsen bin ich in Zürich, und dann sind wir nach Johannesburg ausgewandert, meine Eltern und ich... Da war ich vierzehn. Nach dem Abitur an der deutschen Schule bin ich wieder zurück in die Schweiz, erstmal zur Armee. Warum bist du zurückgegangen? Ich fand Südafrika richtig toll. Aber ich wollte wieder nach Europa, weil es da noch viel zu entdecken gab. Ich habe meine Teenagerjahre ja nicht in Europa verbracht. Während dort alle Interrail gemacht haben, bin ich in Afrika rumgegurkt. Daher wollte ich 34 roger vontobel – angekommen zurück. Auch wegen des Studiums. Ich habe Mathe und Physik studiert – an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. Warum Physik? Weil ich das cool fand. Das hat mir schon in der Schule Spaß gemacht. Aber nach einem Semester hab ich’s abgebrochen. Zum einen, weil ich einfach nicht gut genug war. Die Leute dort waren alle Halbgenies. Ich dachte immer, ich wäre super in Physik, aber ich hatte keine Ahnung. Zum anderen war das eine eingeschworene „Gemeinde“. Ich kam mir völlig fehl am Platz vor. Wenn man sich mit einem normalen Buch hingesetzt hat, war man schon ein Alien: „Warum liest du denn das? Da sind ja keine Zahlen drin.“ Dann bin ich ein halbes Jahr durch Europa gereist. Interrail? Mit einem Mitsubishi-Bus, eigentlich ein alter Lieferwagen mit Matratze hinten drin. In Frankreich wurde ich erstmal ausgeraubt, in der Nähe von Cannes. Ich bin zurück in die Schweiz, habe die Sachen, die geklaut wurden, wieder aufgestockt – ich war halt ein Wohlstandskind – und bin „Während alle Interrail gemacht haben, bin ich in Afrika rumgegurkt.“ wieder losgefahren. Dann bin ich von Calais rüber nach Dover, durch England bis hoch nach Schottland und wieder zurück, über Holland, Belgien, nach Skandinavien: Dänemark, Schweden und nach Nordfinnland, wo die Lappen wohnen, hoch bis ans Nordkap und über Norwegen wieder zurück. Ein bisschen roadmoviemäßig. Ich habe dem Bus sogar einen Namen gegeben: „Soul Searcher“. An die Fenster habe ich Zitate geschrieben, eines auf Französisch von Sartre und eines von Wolf Biermann, irgendwas mit Ikarus. Wusstest du, was du machen willst mit deinem Leben? Eigentlich nicht. Was seltsam war, da ich bis dahin immer extrem straight durchs Leben gegangen bin. Ich war nie ein Rebell, konnte mir in der Schule alles erlauben, und es war klar, dass ich dann studiere und irgendwann einen guten Job haben werde. Management Consultant oder so, wie mein Vater. Und dann war ich in London ein paar Mal im Theater. Das war die Initialzündung. was ihr wollt von William Shakespeare Premiere am 5. November 2011 im Schauspielhaus Was ist in London passiert? Da habe ich Kevin Spacey gesehen in „Der Eismann kommt“. Der hatte einen riesigen Monolog und mittendrin hat im Zuschauerraum ein Telefon geklingelt. Kevin Spacey hat „Ich wollte auch mit Kevin Spacey spielen.“ seinen Text einfach unterbrochen und gesagt: „Tell them, we‘re busy.“ Die Leute sind innerhalb von einer Sekunde aufgesprungen und haben Standing Ovations gegeben. Dieser Moment hat mich fasziniert, die Unmittelbarkeit. Als ich von meiner Reise zurückgekommen bin, habe ich meinen Eltern gesagt: „Ich würde gerne Schauspieler werden.“ Regie war damals noch keine Frage. Wie haben sie reagiert? Eigentlich ganz positiv. Natürlich haben sie auch Angst gehabt. Theater ist schließlich kein Beruf. Aber sie haben gesagt: „Du musst machen, was du machen willst.“ Mein Vater wollte selbst Dirigent werden, doch seine Eltern hatten es ihm verboten. Er musste Jura studieren. Das hängt ihm heute noch nach. Deswegen hat er mich trotz aller Zweifel sehr unterstützt. Ich habe in New York Schauspiel studiert. Ich wollte nach Amerika. Ich fand die Sprache toll und war ein bisschen verblendet. Ich dachte: „Jetzt, da es richtig losgeht, dann schon Amerika. Dann will ich auch mit Kevin Spacey spielen.“ Und hast du ihn getroffen? Nein. Wie ging es dir in New York? Manchmal habe ich’s gehasst. Man läuft an den blinkenden Anzeigen „Nichts ist so, wie es ist“, sagt der Narr in Shakespeares melancholischster Komödie irgendwann und bringt damit treffend auf den Punkt, warum sich in Illyrien seit einiger Zeit alles hysterisch im Kreis bewegt. Dabei war doch alles klar, immer schon: Der Herzog Orsino wirbt seit Jahren ausdauernd und mit genussvoller Verzweiflung um die stolze Gräfin Olivia, die sein Liebeswerben seit ebenso vielen Jahren abweist und sich stattdessen der Trauer um ihren toten Bruder hingibt. Gleichzeitig wird Olivia von ihrem Onkel Sir Toby Rülp und seinem Freund und Saufkumpan Andrew Bleichenwang belagert, die ihr Haus mit derben Späßen und viel Alkohol in einen trunkenen Zustand ewigen Karnevals versetzen. Die einen feiern in Illyrien also das Leben mit der gleichen Hingabe, mit der die anderen an ihm leiden. Bis nach einem Schiffbruch Viola an Land gespült wird und die Verhältnisse gründlich durcheinanderbringt: In Männerkleidern begibt sie sich als Cesario in den Dienst von Orsino – und verliebt sich prompt in ihn. Doch der sieht nicht die junge Frau, sondern nur den neuen Diener und schickt ihn/sie als Liebesboten zu Olivia, die sich prompt erweichen lässt und sich endlich verliebt: in Cesario. Das wiederum erzürnt Rülp, der doch Bleichenwang für Olivia vorgesehen hatte. Als dann auch noch ein Zwillingsbruder der verkleideten Viola auftaucht, samt liebeskrankem Kapitän im Schlepptau, weiß keiner mehr, wer hier wen liebt und wer eigentlich wer ist. Viola oder Cesario? Bruder oder Schwester? Und vor allem: Mann oder Frau? Die Geschlechterfrage spitzt sich zu und bedarf dringend einer Auflösung – doch die wird kompliziert, denn die verwirrte Viola ist sich nur noch in einem sicher: „Ich bin nicht, was ich bin.“ Regie: Roger Vontobel Bühne: Claudia Rohner Kostüme: Dagmar Fabisch Dramaturgie: Thomas Laue vom Times Square vorbei, die einem Opulenz und unbegrenzte Möglichkeiten suggerieren. Aber wenn du kein Geld hast... – alles geht, but you have to pay. Nach zwei Jahren bin ich dann nach L.A. gewechselt. Hollywood? Tatsächlich. Die Universität hatte zwei Institute. Das eine in New York in der Madison Avenue und das andere in North Hollywood. Ich hatte 35 eine Agentin, die meinte: „Du musst unbedingt nach L.A. Du bist ein absoluter Film-Mann.“ Und ich habe gedacht: „Krass, wenn die das sagt!“ Hat es geklappt? Das Aufregendste an dem Ganzen war eigentlich die Reise. Ich hab mir in New York einen uralten Ford Mustang Cabrio gekauft. Mit dem bin ich mehr als einen Monat quer durch Amerika gefahren. Auf dem Weg roger vontobel – angekommen habe ich Freunde besucht, die ich in New York kennen gelernt hatte. Filmrollen hab ich keine bekommen. Obwohl ich am Tag zu gefühlt dreißig Castings gegangen bin, mit vier verschiedenen Outfits und einer Liste à la: Da musst du der smarte BusinessMann sein, da bist du der junge Trottel. Aber geklappt hat’s nie. Außer bei einem Studentenfilm und einer Werbung für Nasenspray. Stattdessen habe ich viel Theater gespielt, in insgesamt drei Theatergruppen. Eine war eine professionelle Company, die ihr Geld damit verdient hat, Shakespeare im Altenheim zu spielen. Immer um 11 und um 16 Uhr. Wir haben vier Wochen geprobt und dann zwei Shakespeare-Dramen rausgehauen, in elisabethanischen PseudoKostümen. Ich habe es gehasst. Wie bist du zur Regie gekommen? Bei einer anderen Company, in der ich gespielt habe, ist ein Regisseur abgesprungen. In meinem Kopf ist es schon länger herumgegeistert, mal Regie zu führen. Das war die Chance. Ich habe „Sommergäste“ von Maxim Gorki inszeniert. In einer eigenen Bearbeitung mit sechs Leuten, in einem ganz kleinen Theater, 90 Plätze, in North Hollywood. Also doch Hollywood? Ja, Hollywood. Halt im Norden. Und das war wirklich extrem beglückend. Ein bisschen wie eine Erleuchtung, und das ist wirklich nicht übertrieben. Ich habe mich mit den Schauspielern gut verstanden, wir brannten so sehr für unsere Sache, dass sich die Flamme auf die Leute zu übertragen schien. Am Ende wurde die Produktion auch von der Presse gefeiert. „L.A. Weekly“ hat uns als „pick of the week“ empfohlen. Hast du daraufhin beschlossen, Regisseur zu werden? Ich habe mich an verschiedenen Regieschulen beworben. In Hamburg haben sie mich genommen. Für mich war entscheidend, dass es eine ganz offene Schule war. Man konnte von Anfang an eigene Projekte machen, musste sich alles selber zusammensuchen, hatte aber die Möglichkeiten und Ressourcen dazu. Das fand ich großartig. Im zweiten Semester habe ich, in Kooperation mit dem Festival „Politik im freien Theater“, zusammen mit der Schauspielerin Jana Schulz „[fi‘lo:tas]“ gemacht. Ein Stück, bei dem wir Lessing und die Biografie des amerikanischen Taliban John Walker Lindh zu einem Monolog kombiniert haben. Wir hatten eine eigene Theatergruppe und wurden zu Festivals eingeladen. Eine sehr aufregende Zeit. Dann kamen verschiedene Intendanten, Friedrich Schirmer vom Hamburger Schauspielhaus und Frank Baum- „Nicht locker lassen – weiterbohren.“ bauer von den Münchner Kammerspielen, auf mich zu und haben mir angeboten, bei ihnen zu arbeiten. Und wann kam Anselm Weber dazu? Kurz darauf. Dazu muss man aber auch sagen, dass es bei unserer ersten Arbeit richtig gekracht hat. Da war es erstmal sehr unsicher, ob wir weiter miteinander können. Aber wir haben nicht aufgehört, uns auseinanderzusetzen – und gerade das macht Theaterarbeit für mich aus – nicht locker lassen – weiterbohren! Inzwischen verbindet uns eine sehr gute, gewachsene Zusammenarbeit. Ein großes gegenseitiges Vertrauen. Nicht weil man es geben muss, sondern weil es sich entwickelt hat, gemeinsam. Das finde ich relativ einzigartig. Wohnst du deshalb jetzt – nach New York, Hollywood, Hamburg – in Bochum? Genau. Mich interessiert eben auch, wie Theater nicht nur als Kunstform, sondern als Institution funktioniert. Zudem ist es für mich eine große Chance, kontinuierlich in einem vertrauensvollen Umfeld – mit den Schauspielern, der Dramaturgie und meinem Team – zu suchen. Denn Theater ist für mich eine permanente Auseinandersetzung, eine Suchbewegung im Menschlichen. Um ehrlich Fragen stellen zu können, muss es möglich sein, keine Antwort finden zu müssen. Das braucht Zeit, Raum 36 und eben Vertrauen. All das ist für mich Theater. Und das möchte ich hier in Bochum machen – Theater! Und klar, auch mal grillen in unserem kleinen Garten... Fühlst du dich zu Hause? Inzwischen kann ich das sagen. Nämlich genau da, wo mein Sohn und meine Frau wohnen. Das ist mein Zuhause. Ortsunabhängig. Welche Rolle spielt Veränderung in deinem Leben? Wechsel sind für mich grundsätzlich positiv besetzt. Zum Beispiel der Wechsel nach Südafrika mit vierzehn hat mir einen ganz neuen Horizont eröffnet. Eine neue Schule, eine völlig neue Sprache, ein neues Umfeld, alles komplett anders. Auch wenn es nicht immer leicht war, fand ich das großartig, bereichernd, aufregend. Man muss sich auf Neues einlassen und lernt, dass man das auch kann. Man geht auf Neues zu und verliert sich trotzdem nicht. So ist es mir im Prinzip immer gegangen. Fast ein bisschen krankhaft, dieses: „Ich will jetzt noch weiter, ich will jetzt noch das und das – und jetzt muss ich auch nach L.A... immer weiter, immer noch ein Wechsel.“ Was war die prägendste Veränderung in deinem Leben? Die Geburt meines Sohnes. Was ist für dich Glück? Vieles. Wenn der Kleine lacht, ist das ein totales Glück. Auch wenn es kitschig klingt, es ist eben so. Und es ist Glück, das tun zu können, was man kann. Und Erleben. Erleben ist Glück. Also doch angekommen? Ich glaube, dass man nie „ankommt“. Manchmal wünsche ich mir das, aber das ist ein Pseudo-Wunsch. „Ankommen“ ist der Wechsel von Ankunft und Abreise. Wenn man das akzeptiert, kann man vielleicht sogar „ankommen“ – im Wechsel. Roger Vontobel hat – nach seiner Rückkehr aus Los Angeles – schließlich in Hamburg Regie studiert. Anschließend inszenierte er am Staatstheater Stuttgart, den Münchner Kammerspielen, dem Schauspiel Essen und dem Schauspielhaus Hamburg, wo er mehrere Jahre Hausregisseur war. 2006 wurde er in der Kritikerumfrage der Zeitschrift „Theater heute“ zum Nachwuchsregisseur des Jahres gewählt. Derzeit arbeitet er vor allem regelmäßig am Staatsschauspiel Dresden, am Deutschen Theater Berlin und als Hausregisseur am Schauspielhaus Bochum, wo von ihm bereits „Peer Gynt“, „Die Labdakiden“ und Schillers „Jungfrau“ zu sehen sind. Sein Dresdner „Don Carlos“ wurde mit dem FAUST-Theaterpreis ausgezeichnet und im Frühjahr 2011 zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Nadine Kozminski steuert den silber-blau gestreiften VW-Bus vom Hof des Bochumer Polizeipräsidiums am Bergbaumuseum. 15 Beamte sind heute in der Wache im Einsatz und fahren mit sechs Fahrzeugen durch die Innenstadt. Der VW-Bus mit dem Funkrufnamen Irma 11/36 steuert zuerst das Bermudadreieck an. NOCH IST ALLES NORMAL IM BERMUDADREIECK MIT IRMA 11/36 DURCH DIE NACHT SAMSTAGNACHT AUF STREIFE IN DER INNENSTADT MIT DER BOCHUMER POLIZEI Sobald es Nacht wird, sieht die Stadt anders aus. Und man begegnet anderen Menschen. Den Gestalten aus dem Dunkeln, dem Glamour des Nachtlebens und den Königen der Unterwelt. Olaf Kröck hat sich eine Nacht lang mit zwei Experten auf die Reise durch eine andere Welt begeben. Mit einer Nachtstreife der Bochumer Polizei. TEXT: OLAF KRÖCK FOTOS: ALEXANDER ROMEY V iertel nach zehn am Samstagabend in der Dienststelle Bochum Mitte. Eine 35-jährige Frau und ihr 28-jähriger Kollege. Olivgrüne Hosen und Rollkragenpullover, darüber die obligatorischen schwarzen Lederjacken mit Rückenaufdruck in reflektierender Schrift. Am Gürtel Handschellen, ein Reservemagazin und rechts, im Lederhalfter, eine Walther P99. Die Waffe ist durchgeladen, es gibt keine Sicherheitsverriegelung, sie kann gezogen und direkt abgefeuert werden. Wie bei allen Polizeipistolen. „Erstmal einen Überblick verschaffen, sehen, wie viel los ist, wie die Stimmung ist“, sagt die Fahrerin. Neben ihr sitzt Polizeikommissar René Berger. Er ist für den Funk zuständig. „Wir wechseln uns mit dem Fahren ab“, erklärt der 28-Jährige, „aber ehrlich gesagt fährt Nadine öfter als ich.“ „Ich funke nicht so gerne“, bestätigt sie lachend. „Ich kann mir so schwer dumme Kommentare verkneifen.“ Der Publikumsverkehr in Bochums Kneipenviertel ist normal für diese Uhrzeit und die Stimmung ruhig. Ohne Zwischenstopp geht es zurück auf die Viktoriastraße, dann weiter auf den Ring und von dort in die kopfsteingepflasterte Gußstahlstraße. Hinter der Bahnunterführung liegt der „Eierberg“, Bochums Rotlichtviertel. EINMAL MITTEN DURCH DEN EIERBERG: DER EINGANG ZUR HÖLLE Zur Linken das „Solid Gold“, ein großer Tabledance-Club. Der Eintritt kostet 5 Euro, es gibt Video-Kabinen und Liveshows in der Bar. Zwischen dem „Café Ritze“ und der „Roten Laterne“ liegt ein schmales Gässchen. Nadine Kozminski biegt ohne zu blinken in die schmale Straße ein, die eigentlich nur Fußgängern freigegeben ist. „Der Eingang zur Hölle“, sagt René Berger und lacht. Die Männer draußen, die sich meist in kleinen Gruppen durch die Straße schieben, müssen dem Streifenwagen ausweichen. „Wenn viel los ist, fahren wir hier nicht mehr rein.“ Links und rechts rahmen hohe Schaufenster den Weg. Dann biegt der Polizeibus nach wenigen Metern links ab, wo sich die Gasse zu einer Art Platz öffnet. Auch hier sind die Häuserfronten vollständig verglast. In den Schaufenstern, beleuchtet durch Schwarzlicht und rotes Neon, sitzen Frauen auf Barhockern oder stehen dicht vor der Scheibe auf halsbrecherisch hohen Schuhen, die nicht zum Laufen gemacht sind. Während die flanierenden Männer in der noch recht kühlen Frühjahrsnacht die Jacken hoch geschlossen haben, stehen die Damen in ihren Fenstern im Grunde nackt. Sie sind mit nicht mehr bekleidet als winzigen Bikini-Tops und String-Tangas. GESCHÄFTE AUF PLÜSCHIGEN EINZELBETTEN Der wenige Stoff, der ihre delikatesten Körperstellen nur notdürftig bedeckt, ist Teil der Inszenierung. Es ist der letzte Rest, der noch entfernt werden muss, bevor es schließlich hinter zugezogenen, blickdichten Samtvorhängen zwischen bunten Lichterketten auf plüschigen Einzelbetten oder gekachelten Böden zum Geschäft kommt. „Es ist hier in den letzten Jahren ziemlich ruhig geworden. Wir haben früher richtig Theater im Rotlichtbereich gehabt. Die haben jetzt aber eine eigene Security aus…“, die Polizeikommissarin zögert, „ich sage mal“, sie sucht nach einer möglichst neutralen Formulierung, „zwielichtigen Gestalten. Die regeln fast alles untereinander. Wir sind früher am Wochenende jede Nacht zum Puff gefahren und haben uns geprügelt wie die Besenbinder. Das erleben wir jetzt nicht mehr.“ ES IST DUNKEL, UND DU WEISST NICHT, WAS DICH DADRIN ERWARTET. Der Eierberg liegt hinter der Jahrhunderthalle. Irma 11/36 fährt schon nach wenigen Minuten wieder aus dem Viertel heraus, über die Alleestraße stadtauswärts. Genau gegen- über der ehemaligen Industriehalle, in der heute vor allem Veranstaltungen der Hochkultur stattfinden, liegt die größte polnische Diskothek Deutschlands, das „Sobieski“. „Das sieht von außen klein aus, ist aber von innen sehr geräumig. Da gehen wir nur ganz selten rein. Ein Einsatz hier ist für uns eine unglückliche Situation: Du weißt nicht, was da drinnen auf dich zukommt. Du kennst die Örtlichkeit nicht, es ist dunkel und laut. Vor allem musst du befürchten, dass sich Leute gegen dich verschwören, und du musst durchaus an solchen Orten damit rechnen, dass Menschen bewaffnet sind.“ AB ZWEI UHR KANN ES SCHLÄGEREIEN GEBEN. SONST EIN PAAR ALKOHOLKONTROLLEN Heute ist von außen alles ruhig. Weiter geht es in nördlicher Richtung. Andere Großclubs werden zur Routinekontrolle angefahren, so auch das „Taksim“, eine türkische Disko an der A40, die neben der „Freude 39“, einem FKK- und Sauna-Club, liegt. An den Nummernschildern der Autos auf dem Parkplatz des „Taksim“ sieht man, dass Gäste aus ganz NordrheinWestfalen die Disko besuchen. Auch hier gab es früher mehr Ärger als heute. Sogar Schießereien kamen vor. Obwohl Mitternacht mittlerweile vorüber ist, kam es bisher zu keinem Einsatz. „Man muss trotzdem heute mit einer Nacht rechnen, in der noch viel los sein wird. Es ist aber in den ersten Stunden meist ruhig und so ab ein, zwei Uhr geht es dann los, mit Schlägereien und Ähnlichem. Dann ist man die ganze Zeit gebunden. Auf „2 Meter“ kommen alle einsätze der innenstadtwache rein Wenn wir doch mal Luft haben, führen wir Alkoholkontrollen durch. Aber in der Regel fährt man am Wochenende von einem Einsatz zum nächsten“, sagt René Berger. Er, der Funker, muss gleichzeitig auf zwei Funksender hören. Auf „2 Meter“ kommen alle Einsätze der Innenstadtwache rein. Auf „4 Meter“ werden alle Informationen der Einsatzleitstelle des Polizeipräsidiums Bochum gefunkt. Dieser Funk deckt das Gesamtgebiet der Behörde ab, zu der neben Bochum auch die Städte Witten und Herne zählen. Der Streifenwagen kann heute Nacht auch zu Einsätzen in diesem größeren Gebiet mit der Funkkennung „Irma“ hinzugezogen werden und so, je nach Einsatzlage, in einer Schicht zwischen 40 und 80 Kilometern zurücklegen. Nach der ersten Runde, die vom Schauspielhaus bis zum HannibalEinkaufszentrum reicht, geht es zurück in die Wache. Hier ist auch das zentrale Polizeigewahrsam mit 17 Zellen, in denen vorläufig Festgenommene oder Betrunkene zur Ausnüchterung untergebracht werden können. Bis jetzt sind alle 15 Einzelzellen und die zwei Sammelzellen für bis zu 30 Personen leer. Auf dem großformatigen Flachbildfernseher im Mannschaftsraum, wo Kühlschränke, eine Kaffeemaschine und ein Toaster stehen, läuft der James-Bond-Klassiker „Goldfinger“. Nach einem kurzen Gespräch mit einer Kollegin, einem Kaffee und einem Gang zur Toilette – „Du weißt nie, wann du wieder dazu kommst“ – geht es zurück auf die Straße. WER SCHEISSE MACHT, MUSS SICH AUCH NICHT WUNDERN, WENN WAS PASSIERT. Es ist mittlerweile halb eins. Kurz nach Verlassen der Wache auf dem Nordring überqueren zwei Passanten vor dem Steifenwagen eine rote Fußgängerampel. Unmittelbar bremst die Polizistin den Wagen und schon sind sie und ihr Kollege auf der Straße. Bevor René Berger den Wagen verlässt, drückt er noch auf der kleinen Konsole vor ihm die Taste mit der Nummer Vier. Sie zeigt an, dass der Wagen für einen Einsatz angehalten hat und sich die Schutzbeamten nun außerhalb des Wagens befinden. Es gibt auch einen rot umrandeten Knopf, die Nummer Null. Wenn der gedrückt wird, kann nur noch mit dem in Gefahr geratenen Wagen gefunkt werden. wie dumm kann man sein? Die Beamten sprechen die jungen Männer an. Sofort reagieren die beiden gereizt und aggressiv. Sie sind stark alkoholisiert und haben offensichtlich Lust zu provozieren. Kommissar Berger kehrt mit ihren Ausweisen zum Wagen zurück und bittet per Funk um eine Personenüberprüfung. Gegen die Überprüften liegt nichts vor. Sie werden mit einer mündlichen Verwarnung entlassen. Kurz darauf, am Hauptbahnhof, überfährt ein dunkler Mercedes zum Wenden eine durchgezogene Linie – wieder direkt vor dem Streifenwagen. „Wie dumm kann man sein“, lacht Nadine Kozminski. Sie folgt der Limousine und René Berger aktiviert die Anzeige auf dem VW-Bus, die das vorausfahrende Auto zum Anhalten auffordert. Während der Polizist den Fahrer anspricht, Führerschein und Fahrzeugpapiere fordert, bleibt Nadine Kozminski mit einem kleinen DIE DREIGROSCHENOPER von Bertolt Brecht mit Musik von Kurt Weill Premiere am 8. Oktober 2011 im Schauspielhaus „Die Welt ist arm, der Mensch ist schlecht, da hab ich eben leider recht“, ist einer der zentralen Sätze der „Dreigroschenoper“. Bertolt Brechts Opern-Persiflage, mit der er weltberühmt wurde, zeigt Menschen auf der untersten Stufe der Gesellschaft: Kleinkriminelle, Huren, Bettler. „Wovon lebt der Mensch?“, fragt Macheath, den sie Mackie Messer nennen. „Der Mensch lebt von der Missetat allein“, kommt die Antwort vom Chor der Gangster. In der „Dreigroschenoper“ erzählt Bertolt Brecht, begleitet von der berühmten Musik Kurt Weills, die Geschichte von drei Männern. Da ist Mackie Messer, der Chef einer großen Gangsterorganisation in London. Der wird geschützt von seinem alten Freund Tiger Brown, dem obersten Polizeichef der Stadt. Dafür kassiert er eine saftige Summe. Ihr Widersacher ist Jonathan Jeremiah Peachum, der Inhaber der Firma „Bettlers Freund“. Der hat das Betteln zum einträglichen Unternehmen gemacht, indem er die Bettler organisiert und ihnen einen großen Teil der Almosen als Organisationsgebühr wegnimmt. Dass seine junge, hübsche Tochter Polly den Gangsterboss Mackie Messer heiratet, passt dem Herrn Peachum gar nicht. Denn auch Mackie Messer betreibt ein erfolgreiches Unternehmen mit seinen Straßenräubern. Macheath, Tiger Brown und Peachum sind sich sehr ähnlich. Sie alle kennen zunächst nur ihr eigenes Begehr. Und sie haben ihre Unternehmungen straff nach Geschäftsprinzipien organisiert. Wer ihren Absichten in die Quere kommt, muss weg. Und so beginnt ein rücksichtsloser Kampf um Einfluss und die Wahrung der eigenen Interessen auf Kosten anderer. Die Moral bleibt dabei auf der Strecke. Regie: Christoph Frick Musikalische Leitung: Bo Wiget Bühne: Viva Schudt Kostüme: Maria Roers Dramaturgie: Olaf Kröck Bo Wiget – Musikalische Leitung geboren 1971 in Wattwil in der Schweiz, lebt heute in Berlin. Nach einer klassischen Celloausbildung begann er sich für Rock, Jazz und vor allem improvisierte Musik zu interessieren und beschäftigte sich autodidaktisch mit Komposition. Gleichzeitig verstärkte sich sein Interesse an der Theatermusik. So arbeitete er schließlich u. a. in Zürich, Freiburg, Mannheim, Konstanz, Berlin und Graz. Außerdem spielt er mit verschiedenen Bands und Duos im In- und Ausland. Als musikalischer Leiter der Kammerspiel-Produktion „Oft ist die Natur nicht einmal schön“ arbeitete er zum ersten Mal mit Christoph Frick. Christoph Frick – Regie geboren 1960, lebt seit vielen Jahren in Basel. Dort gründete er 1991 das Theater KLARA, eine freie Theatertruppe, mit der er kontinuierlich eigene Stücke entwickelte, die in der Schweiz und im Ausland zu sehen waren und sind. Außerdem arbeitete er an verschiedenen Stadttheatern, so u. a. in Luzern, Hannover, München, Freiburg und Dresden. Dort inszenierte er Stücke des klassischen Dramenrepertoires. Am Schauspielhaus Bochum entwickelte er in der letzten Spielzeit die Produktion „Oft ist die Natur nicht einmal schön“. Abstand auf der Beifahrerseite stehen. Sie sichert den Kollegen ab. Der Fahrer des Mercedes muss aussteigen und wird zum Alkoholtest gebeten. In der Zwischenzeit lässt René Berger wieder die Personalien überprüfen. Der Fahrer ist sehr bemüht, freundlich zu wirken und keinen weiteren Ärger zu bekommen. Auch bei ihm sind die Eintragungen „negativ“. Der Alkoholtest ergibt 0,0 Promille. Die 30 Euro Strafe akzeptiert er mit dem Kommentar: „Wer Scheiße macht, muss sich nicht wundern, wenn was passiert.“ Und entschuldigt sich nochmal persönlich bei den Beamten. RUHESTÖRUNG IN DER FUSSGÄNGERZONE Es ist halb zwei am Sonntagmorgen und es gibt bislang noch keine nennenswerten Vorkommnisse im gesamten Einsatzgebiet. Irgendwo wurden Mülltonnen entwendet, am Ümminger See ruft eine Gruppe Jugendlicher Nazisprüche. Dann kommt über den 2-Meter-Funk der erste Einsatz, eine Ruhestörung in der Fußgängerzone. Während der Polizeibus wendet, wird ein weiterer Einsatz ausgegeben. Noch während die Funkerin im Präsidium die Einsatzbeschreibung durchgibt, beschleunigt Nadine Kozminski den Polizeibus. „Dann fahren wir mit in die Richtung. Du kannst uns erst mal diesen Einsatz reingeben“, sagt Berger in den Sprechfunk. Jetzt zeigt sich, wie eingespielt die beiden sind. Ohne miteinander zu reden, läuft das weitere Vorgehen ab. Die erste Ampel steht auf Rot. Hier verlangsamt sich der Wagen noch. Schon springt die Ampel auf Grün. Wieder beschleunigt der Streifenwagen. Der Motor heult auf und für die Innenstadt überschreitet er zweifelsohne die zugelassene Höchstgeschwindigkeit. Dann reflektieren auf den Häuserwänden draußen blaue Lichter. Die nächste rote Ampel wird mit leichter Verlangsamung überfahren. Bei der dritten und letzten Ampel wird die Geschwindigkeit nicht mehr gedrosselt. An der Kreuzung von Viktoriastraße und Südring fährt Nadine Kozminski eine scharfe Linkskurve und stoppt den Wagen mitten auf der Straße. Fast im selben Augenblick jagen mit Einsatzhorn und Blaulicht zwei weitere Wagen heran. EINE MINUTE VOM EINSATZBEFEHL BIS ZUR ANKUNFT AM EINSATZORT Der Verkehr stockt. Alles geht sehr schnell. Vom Eingang des Einsatzbefehls bis zur Ankunft am Einsatzort ist weniger als eine Minute vergangen. Sechs Polizisten sind zur Stelle. Später kommt noch ein vierter Wagen aus nördlicher Richtung mit Blaulicht und hoher Geschwindigkeit. Es ist der Leiter der Nachtschicht, Bernd Klein, der sich einen Überblick verschafft und seine Beamten koordiniert. Doch eigentlich ist das gar nicht nötig. Ohne Absprachen übernimmt jeder der Beamten eine Aufgabe. Es ist eine Mannschaft, in der alle ihre Position kennen und sie ohne Anweisung einnehmen. Am Boden liegt regungslos ein Mann um die vierzig. Ein Passant ist bei ihm, zwei Polizisten kümmern sich um den Verletzten und leisten Erste Hilfe. Die anderen Polizisten suchen unter den Umstehenden nach Zeugen. Nadine Kozminski spricht mit zwei jungen Frauen, die den Tathergang genau beobachtet haben. Sie bittet sie in den warmen Bus. Die beiden setzen sich auf die Rückbank an einen Tisch, die Polizistin nimmt ihnen gegenüber Platz und notiert ihre Aussagen: Der Mann wollte die Fußgängerampel überqueren, als ein dunkler BMW mit Dortmunder Kennzeichen heranschoss, die vordere Seitentür aufflog, der Beifahrer heraussprang und dem Fußgänger mit der Faust direkt und unvermittelt heftig ins Gesicht schlug. Der Mann sei daraufhin rückwärts auf die Straße gefallen und mit dem Hinterkopf auf den Asphalt geschlagen. Anschließend sei eine zweite Person aus dem hinteren Teil des Wagens ausgestiegen und habe den am Boden Liegenden von der Straße auf den Gehweg gezogen und dort liegengelassen. Schließlich sei der BMW in südlicher Richtung mit überhöhter Geschwindigkeit davongerauscht. Bevor die Polizistin genauer nachfragt, gibt sie das Kennzeichen an den Einsatzleiter weiter. Dann wird eine Fahndung nach dem Wagen ausgegeben, die auch an die Kollegen in Dortmund geht. FASSUNGSLOSIGKEIT ÜBER DIE WILLKÜR DER GEWALT Einsatzleiter Klein koordiniert, welche Wagen noch vor Ort bleiben und welche abgezogen werden. Da die Tat erst kurz zurückliegt, wird das Fahrzeug der Täter noch in der Nähe vermutet. Zunächst, so gilt die Anweisung, sollen die Parkplätze der umliegenden Clubs abgefahren werden. Da die Polizisten so schnell vor Ort waren, scheint es eine Ewigkeit zu dauern, bis schließlich ein Krankenwagen eintrifft. Tatsächlich sind es nicht mehr als zehn Minuten. Ein Polizist und ein Sanitäter helfen dem Verletzten in den Rettungswagen. Dort wird er untersucht und einem Alkoholtest unterzogen. Der Mann hat weit über zwei Promille Alkohol im Blut und kann sich an nichts erinnern. Er scheint offenkundig ein willkürliches Opfer zu sein. Auch die routinierten Polizisten vor Ort sind von der Drastik der Tat mitten in der belebten Innenstadt geschockt. „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagt ein älterer Beamter, der sich bisher um das Opfer gekümmert hat. „Aber wir finden die“, erklärt er entschieden. Die Zeuginnen, die Nadine Kozminski befragt hat, konnten keine genaue Täterbeschreibung machen. „Das ist leider sehr allgemein, was sie sagen konnten. Es wird schwer sein, aufgrund ihrer Beschreibungen den Schläger zu finden. Es waren ja mehrere Personen im Wagen. Wenn die sich gegenseitig schützen, kann man den Täter vermutlich nicht ermitteln. Aber viele Zeugen merken sich bei so einem Vorfall nicht mal das Kennzeichen. Und das haben wir ja von den Frauen bekommen.“ MANCHMAL MUSS MAN DIE GANZE NACHT WARTEN Der Krankenwagen fährt mit dem Mann, der eine Platzwunde am Hinterkopf hat, ins Bergmannsheil. Die Verletzung ist weit weniger schlimm, als es zunächst aussah. 11/36 wird in die Wache zurückbeordert, um die Anzeige aufzuneh- men. Dort beginnt für die beiden Polizeikommissare der bürokratische C Teil ihrer Arbeit. Mit einem spezielM len Computerprogramm ermittelt Y René Berger den Namen und die Anschrift des Fahrzeughalters, während CM Nadine Kozminski die ZeugenaussaMY gen im Computer protokolliert. CY Nach dem Schreiben der Anzeige gilt es noch, Statistikbögen auszufülCMY len. Fast eine Stunde sind die beiden K damit beschäftigt. Dann geht Irma 11/36 wieder raus auf die Straße. Es ist nach drei Uhr am Sonntagmorgen. Noch drei Stunden dauert ihr Nachtdienst. In der Zwischenzeit haben Kollegen eines Streifenwagens das gesuchte Fahrzeug vor einem Haus in der Innenstadt gefunden. Die Beamten haben sich in einiger Entfernung aufgestellt und observieren den verlassenen Wagen. Gleichzeitig wird eine Zivilstreife angefordert. Sie soll die Streifenpolizisten ablösen. Es kann die ganze Nacht dauern, bis jemand zu dem Wagen zurückkehrt. Solange müssen die Polizisten warten, in der Hoffnung, so den Täter zu finden. Währenddessen sitzen Nadine Kozminski und René Berger wieder in ihrem Bus und wissen nicht, was auf sie heute Nacht noch zukommt. Bitte keine Folklore Von Mamma RAI zu Papà Silvio: Biografie einer italienischen TV-Zuschauerin. 46 47 A agnese cornelio – von mamma rai zu papa silvio Agnese Cornelio ist so alt wie das Fernsehen von Berlusconi. Sie erhielt ihre Fernseh-Taufe unter der Mamma RAI und auf Italia 1, dem zweiten privaten Sender, mit dem Berlusconi das öffentlich-rechtliche Fernsehen RAI demontierte, um dann den italienischen Staat zu übernehmen. Dazu tanzten junge Mädchen an Swimmingpools. Agnese Cornelio erinnert sich an Italien und was davon übrig blieb. Sabine Reich versucht zu erklären, was nicht zu verstehen ist: italienische Politik. TExt: Agnese Cornelio und Sabine Reich Fotos: Alexander romey gnese Cornelio lebt wie viele andere ihrer Generation nicht mehr in Italien. Sie verweigern die Anpassung an das System Berlusconi und verlassen das Land. Vor allem junge Intellektuelle und Akademiker gehen ins Ausland, um nicht in unterbezahlten Jobs gegängelt und zensiert zu werden. Sie erzählt: „2008 traf ich auf einer Weihnachtsparty viele meiner ehemaligen Kommilitonen wieder. Wir stellten fest, dass wir alle im Ausland leben und arbeiten. Die wenigen in Italien Gebliebenen nehmen unterqualifizierte Jobs, nicht bezahlte Doktorandenstellen und kurzfristige Verträge hin. Über uns berichten die Fernsehsender kaum, wir haben nur einen Namen: Gehirn-Abfluss. Wir sind die, die weggegangen sind, aber eigentlich sind wir noch da: wir sind dazwischen, in Italien und über mehrere Länder verteilt. Italien hat uns daran gewöhnt, die Treue derjenigen, die sich anpassen, zu belohnen. Allen anderen macht man klar, dass es einfacher sei, zu gehen, als zu versuchen, Dinge zu ändern. Für uns ausgewanderte Intelligenzler stellt es eine Herausforderung dar, verständlich zu machen, dass im Ausland zu leben und zu arbeiten nicht die Abkehr vom italienischen kulturellen und gesellschaftlichen Leben bedeutet.“ Auch wenn demokratische Institutionen noch arbeiten, eine de48 mokratische Öffentlichkeit gibt es schon lange nicht mehr. Umberto Eco nennt Italien eine Telekratie, in der Politik sich nach den Regeln des Fernsehens entwickelt. Nicht im Parlament, sondern in den Medien verkündet Berlusconi Entscheidungen. Hier kann er sie widerrufen und inszenieren, wann und wie es ihm gefällt. Berlusconi hat die Italiener in Zuschauer und Fans verwandelt, die gebannt seiner unglaublichen Reality-Show folgen, in der er gleichzeitig Star, Autor und Produzent ist. Wie viele in ihrem Alter ist Agnese Cornelio mit dem Fernsehen Berlusconis aufgewachsen. Sie rekonstruiert die Verwandlung der italienischen Öffentlichkeit anhand ihrer eigenen Fernseh-Geschichte. Mit jeder neuen Sendung und mit jedem neuen Kanal, den Berlusconi gründete, veränderte sich die kulturelle Landschaft Italiens. Schritt für Schritt vollzog sich die Verwandlung der Italiener in Zuschauer, die ihr eigenes Land allein aus den bunten Bildern Berlusconis kennen. Die unglaubliche realityshow des Berlusconi 1972 trat in Italien zum ersten Mal ein privater Fernsehsender in Erscheinung: „Milano 2“. Der junge Bauunternehmer Silvio Berlusconi, der Ende der 1960er Jahre mit seiner damaligen Immobiliengesellschaft die Trabantenstadt „Milano 2“ vor den Toren Mailands erbaut hatte, gründete nun den gleichnamigen lokalen Fernsehsender. Schon bald darauf folgten weitere regionale Programme. 1980 ließ Berlusconi plötzlich über all seine regionalen Sendestationen dasselbe Programm abspielen, so dass über Nacht ein landesweiter Sender entstand, der damit gegen geltendes Recht verstieß. Es war die Regierung von Bettino Craxi, die 1984 die Gesetze änderte und damit „Mediaset“, dem Unternehmen, mit dem Berlusconi heute das Film-, Fernseh- und Kinogeschäft Italiens dominiert, den Weg bereitete. „Sehr erfolgreich wurde ‚Striscia la notizia‘, eine satirische Tagesschau mit den ‚Veline‘, jungen Damen, 49 agnese cornelio – von mamma rai zu papa silvio ROCCO UND SEINE BRÜDER nach dem Film von Luchino Visconti ten durch das Land und bescherten einen „italienischen Frühling“. Die Untersuchungen gegen Korruption, Amtsmissbrauch und illegale Parteifinanzierung stellten Anfang bis Mitte der 1990er Jahre das gesamte politische Establishment in Italien in Frage. Es blieb nicht viel übrig von der Ersten Republik. Zeit für Silvio. Premiere am 4. November 2011 in den Kammerspielen AUFKLÄRUNG am swimmingpool „La famiglia, la famiglia!“ – neidisch schauen wir in den Süden, auf die italienische Familie oder das, was wir uns darunter vorstellen. Die Familie geht über alles – schlimm nur, wenn sie alles ist, was bleibt. Vier Brüder und ihre Mamma kommen aus dem armen Süden Italiens nach Mailand, wo der fünfte und älteste Sohn sich bereits eingerichtet hat. Mit nichts kommen sie und nichts wird ihnen geschenkt in der kalten Stadt, nur mühsam finden sie Arbeit und Unterkunft. Jeder von ihnen muss seinen eigenen Weg finden. Das gelingt Ciro, der bei Alfa Romeo eine feste Arbeit bekommt, und Vincenzo, der seine eigene Familie gründet. Doch Simone und Rocco verirren sich haltlos im Labyrinth der Stadt. Simone, der Boxer, kämpft, siegt und verliert sich. Unrettbar ist er, auch für Rocco, der ihm, dem gefallenen Bruder, alles opfert, was er hat. Sogar Nadja, die Frau, die er liebt. Doch wenn eine Familie zerfällt, kann keiner sie retten. Rocco und Simone, für die die Familie alles ist, gehen unter und mit ihnen die alte Welt des Südens. 1960 gelang es Visconti mit diesem Film, die Geschichte der Migration vom Süden in den Norden als eine zentrale Geschichte Europas zu erzählen, in der es nicht nur um Arbeit und Geld geht, sondern um die Frage, wie Menschen leben und was ihnen im Leben wichtig ist. Visconti schildert anhand der Lebenswege der fünf Brüder verschiedene Möglichkeiten, die Zerreißprobe der Moderne zu bestehen: zwei Brüder richten sich ein in der großen Stadt, zwei gehen unter und der jüngste muss seinen Weg noch finden. Agnese Cornelio: „Und noch ein Tabu fiel: Hatte bis dato allein die RAI das Vorrecht gehabt, live zu senden, so nahm sich nun auch Mediaset dieses Recht. Im Jahr 1991 startete das neue Programm ‚Non è la rai‘: Hundert Mädchen tanzten und sangen um einen Swimmingpool herum. Hier haben wir Spaß, schienen alle zu sagen. Die Mädchen, meist minderjährig, verhielten sich, als ob sie auf einer Dauerparty wären. Jungs durften bei der Poolparty nicht dabei sein, sie sahen lediglich am Bildschirm zu. Bald sollte Mediaset, das inzwischen zur allmächtigen Fininvest Holding von Berlusconi gehörte, die erste Tagesschau senden und uns von nun an über die Ereignisse der Politik informieren. Die politische Debatte ähnelte plötzlich einer Fernsehshow.“ Regie: Agnese Cornelio Dramaturgie: Sabine Reich die als Krankenschwestern tanzten und dabei sehr viel nackte Haut und großzügige Kurven zeigten. Mediaset brachte alles, was man auf RAI nicht sendete, und schuf daraus eine kollektive Fantasie von Wohlstand, die das Wahrwerden eines gemeinsam gehegten Traumes via Fernsehen suggerierte“, erinnert sich Agnese Cornelio. Die Fotos wurden aufgenommen im italienischen Spezialitätengeschäft der Familie Coniglio auf der Herner Straße 3 in Bochum. Als 1986 Berlusconi zum Besitzer des AC Milan wurde, war er der Mann in Italien, der alle Träume wahr machen konnte: Er hatte einen po- pulären Fußballverein gekauft, der ihm die Stars auf die Bildschirme seiner Sender lieferte und der in der Lage war, Juventus Turin, die Mannschaft der Familie Agnelli, Gründer und Eigentümer von Fiat, zu schlagen: „Jeden Sonntag sahen wir im Fernsehen, wie Cavaliere Berlusconi am Spielfeldrand stand und sich in seinem Gesicht ein breites Grinsen ausbreitete.“ Mag sein, dass ihm in den folgenden Jahren das Grinsen schwerfiel: „Mani pulite“ (Saubere Hände) feg50 1992, als in Sizilien die Richter Borsellino und Falcone, die gegen die Mafia ermittelten, einem Attentat zum Opfer fielen, endete der Traum von den „Sauberen Händen“: „Dass die Mafia plötzlich ihren Ehrencode änderte und Unschuldige ermordete, war beunruhigend. War die bleierne Zeit zurückgekehrt? Die unbeschwerten späten 1980er Jahre schienen nun in weite Ferne gerückt zu sein.“ 1994, die politische Welt Italiens hatte den Boden unter den Füßen und die etablierten Parteien ihren Einfluss verloren, nahm Berlusconi die Sache in die Hand. Der Unternehmer und Fußballclubbesitzer, der mit seiner Holding Fininvest bereits weite Teile der italienischen Medienund Finanzwelt kontrollierte, ging in die Politik. Er verschickte an jeden Italiener seine Biografie und verkündete über seine Sender: „Italien ist meine Heimat, deswegen bin ich heute als Leiter meiner Unternehmen abgetreten, um den Traum einer von Angst befreiten Gesellschaft umzusetzen.“ rückkehr der Grinsekatze Agnese Cornelio: „Während die Sender über die Prozesse berichteten und auf diese Weise die Machtstrukturen auseinandernahmen, wurden die Städte mit anonymen Werbeplakaten überschwemmt. Auf knallbuntem Hintergrund, mit der Parole ‚Forza Italia‘ versehen, blickte uns ein Baby an. Der farbenfrohe Spot ohne Absender schien ein gutes Omen zu sein in einer schweren Zeit. Ein Jahr später stießen wir auf denselben Spruch, diesmal als Name für die neugegründete Partei Berlusconis. Man glaubte nicht wirklich, dass er damit gewinnen würde, doch genau das trat ein. Viele hatten gelernt, ihm zu trauen – und viele waren von der Grinsekatze verführt worden. Mein Altersgenosse und Landsmann Enrico Brizzi versucht in seinem Buch ‚Der italienische Alltag zu Silvios Zeiten‘ die damalige massenhafte Zustimmung zu erklären: ‚Wie hätte man denn nicht für den Signor Mike, der viel Geld mit seinen Quizshows verschenkte, und für den Cavaliere, der dem AC Milan wieder zu internationalem Ruhm verholfen hatte, stimmen können? 1994 klang der Name ‚Forza Italia‘ nach Vereinigung von Politik und Antipolitik, nach Neuem und Tradition und so unbestimmt, als ob er einem Traum geähnelt hätte. Silvio hatte seine Fans Tag für Tag großgezogen.“ Doch inzwischen verlieren die Fans den Glauben und die Geduld. Die Bunga-Bunga-Skandale des Cavaliere scheinen selbst die sedierte italienische Öffentlichkeit wachzurütteln. Im vergangenen November gingen Tausende auf die Straße, davon sehr viele Frauen, um gegen Berlusconi zu demonstrieren. Es ist die Generation Facebook, die schon in Ägypten und Tunesien die Proteste mit aktivierte, die sich heute auch in Italien die Macht über die Worte und Bilder zurückerobert. „2003, mit der zweiten Regierung Berlusconis, verschwanden viele TV-Gesichter, mit denen ich groß geworden war, aus der RAI. Was war mit ihnen geschehen? Waren sie zu kritisch, wurden sie auf öffentliche Anweisung Berlusconis verbannt? Dem Römischen Reich von CäsarBerlusconi, der sich nun auch die RAI einverleibt hatte, widerstand nur das ‚Dorf von Asterix‘, die kleine und am wenigsten leistungsfähige RAI 3, geführt von sogenannten ‚Kommunisten‘. Aber wie können wir unsere Stimme hörbar machen? Eine mögliche Antwort gab mir und vielen anderen als Erster der Komiker Beppe Grillo, der seit Jahren aus dem italienischen Fernsehen verbannt ist. 2005 sah ich in der Schweiz seine letzte Theatershow. Er verkündete, dass er einen Blog als Informationsalternative zum Fernsehen eröffnet habe. Beppe Grillo ermutigte uns dazu, das Netz politisch zu nutzen. Das war der Anfang einer Gegenbewegung, der es darum geht, alternative Berichterstattung zu sammeln und damit eine Diskussion so groß wie die vor dem Fernseher in Gang zu setzen. An dem Tag, an dem das Wort ‚Sendeschluss‘ hinter der Berlusconi-Ära steht, müssen wir uns mit der Frage auseinandersetzen, zu welchen Zwecken wir das Medium Fernsehen verwenden. Wir werden es wieder neu begreifen müssen.“ Agnese Cornelio wurde 1978 in Bologna geboren. Zunächst studierte sie dort Theater- und Kommunikationswissenschaft, später Regie in Rom. 2003 kam sie als Stipendiatin der Schauspielhochschule „Ernst Busch“ Berlin nach Deutschland, anschließend war sie Regieassistentin am Theater Basel und an den Münchner Kammerspielen. 2009 machte sie ihren Master in „Advanced Performance and Scenography Studies“ am Kunstcampus de Singel in Antwerpen, wo sie verschiedene Projekte entwickelte. 2010 eröffnete ihre Inszenierung „Verbrennungen“ von Wajdi Mouawad das Nuovo Teatro Nuovo in Neapel. Zuletzt inszenierte sie „Kasimir und Karoline“ in Piacenza. 51 ensemble ensemble Manfred Böll Therese Dörr „Wandel und Wechsel liebt, wer lebt.“ (Wagner, Wotan) Kurz davor ist alles möglich, dann nur noch das Eine. Dietmar Bär* Matthias Eberle Bettina Engelhardt veränderungen dauern manchmal so schnell – so schnell kann man ja keinen einzigen satz darüber zu ende denk. und was ändert sich eigentlich schneller: das innere oder das äußere?! wisst ihr noch, damals? erinnert ihr euch, wie es früher war – als ihr angefangen habt, diese zeilen zu lesen? Neue Stadt, neues Theater und somit auch ein neuer Bäcker meines Vertrauens, an dem ich auf meinem täglichen Arbeitsweg einfach nicht vorbeikomme. (bravery + change)² = short hair – Thanks to Steffi Walz Düsseldorf – Friederike Becht Maja Beckmann Andreas Grothgar Jonas Gruber* Ich will immer, dass etwas bleibt, wenn es ganz schön ist, und kann den einzelnen Moment dann oft gar nicht ohne eine gewisse Melancholie genießen, weil ich weiß, er geht vorüber. Veränderung ist immer gut – einfach mal Diesel in den Benziner! Emil ist jetzt größer als ich, Wilhelmine hat lange Haare, Theo zieht sich alleine an, meine Mutter ist tot, mein Vater auch. Ich bin hier. Mit ca. 13 hatte ich die Befürchtung, verrückt zu werden. An einem Sommerabend im Schullandheim zog ich mich deshalb in ein Gebüsch zurück, zerriss mir das Leibchen und wartete, ob ich jetzt wahnsinnig würde. Ich blieb aber ziemlich normal! Nach einer Viertelstunde kam ich wieder raus und war um eine mir wichtige Erkenntnis reicher. Das Shirt konnte ich allerdings wegwerfen. Städte ändern sich in der Regel zwei Prozent im Jahr, die ganze Welt scheint sich immer schneller zu verändern und das Ruhrgebiet war auch mal anders. Was wir jedoch ganz genau wissen und niemals vergessen, sind die Veränderungen in unserem eigenen Leben. Nichts prägt sich so ein, wie die Momente, in denen sich alles verändert. Manche Veränderungen haben wir erwartet und erhofft, andere gefürchtet und schmerzhaft erlebt, aber sie haben uns geprägt und zu dem gemacht, was wir sind. Wir haben die Schauspielerinnen und Schauspieler des Ensembles gefragt, was Veränderung für sie bedeutet. Auf den folgenden Seiten finden Sie ihre Antworten. Die Fotografin Diana Küster hat sie an den verschiedensten Orten in Bochum porträtiert. fOTO: Nils-Hendrik Zündorf fOTO: Privat Manuela Alphons* 52 53 Ensemble Jürgen Hartmann ensemble Paul Herwig* Stille, mein Herz. Nur der Wechsel ist beständig! Florian Lange Katharina Linder Ohne Veränderung bliebe immer alles gleich und das wäre ja saulangweilig. Verändere dich oft und du passt in keine Schublade. Perspektive wechseln Barbara Hirt Martin Horn Marco Massafra Nicola Mastroberardino Fernweh trieb mich aus meinem kuscheligen Basler Heimatnest nach Leipzig an die Schauspielschule. Ohne Familie und ohne Migros spürte ich erst dort, was Heimat bedeutet. Soll ich älter werden? (fragt mein Freund Jürgen Wolf, und ich sage: Schluss damit, dieser Unsinn hat aufzuhören. Keine Veränderungen mehr – musealisiert Euch, dann bleibt alles, wie es ist – erfindet die Dramaturgie des Unweglichen – Unabänderbaren – des Stillstandes schlechthin – nur noch einmal – lasst Hugo Ball auferstehen dann geht es im Stillstand von da nach da.) Jede sinnvolle Veränderung erfordert eine gründliche Wahrnehmung, Beobachtung und Wertschätzung des Bestehenden. Ich bin für das Reparieren der Dinge, nicht für deren Neuerfindung. Weil die Bäume immer höher wuchsen und es schwieriger wurde, Blätter und andere Leckereien zu fressen, musste die damals noch kleine Ur-Giraffe ihren Hals „verändern“. Wäre ja ganz schön blöd gewesen, wenn sie ’s nicht getan hätte. Dieter Hufschmidt* Raiko Küster Ronny Miersch Veronika Nickl Das deutsche Stadttheater hat sich nach der Nazi-Zeit erschreckend veränderungsresistent gezeigt. Heute ist es womöglich da und dort veränderungssüchtig. Da gibt es auch manch überflüssigen Ärger, aber die faule Schwester der Veränderung, die Gewohnheit, hätte uns nur zuzuflüstern: Ruhe sanft! Das Älterwerden als größter Wandel in meinem Leben!? Bob Hope hat gesagt: „Du wirst alt, wenn die Kerzen mehr kosten als der Geburtstagskuchen.“ Da der Preis für Kerzen in den letzten Jahren nicht exorbitant gestiegen ist und ich die Zutaten für den Kuchen im teuren Bioladen kaufe, darf ich sicher noch eine ganze Weile mit Fug und Recht von mir behaupten – ich bin total jung. Meine Mutter hat gesagt, ich soll so bleiben wie ich bin! Der Rest ist Schicksal! ;) Die Veränderung, die Veränderung, / die macht mich leider nicht mehr jung. / Auf’s Leben folgt der Tod, / das ist ja uns’re Not. / Doch wenn die Blümlein wieder sprießen, / tu ich sie gießen, trotz der Krisen. 54 55 Ensemble Ensemble Kristina-Maria Peters Bernd Rademacher Armin Rohde* Dimitrij Schaad Bedeutung von Wechsel: 1.Das Austauschen von Personen oder Gegenständen 2.Eine regelmäßige Aufeinanderfolge von Ereignissen 3.Eine Veränderung in einem Zustand (aus dem Duden) Veränderung? Hab ich. Tut gut. Ich bin und weiß nicht wer. Ich komm’ und weiß nicht woher. Ich geh’ und weiß nicht wohin. Mich wundert, dass ich so fröhlich bin. (Verfasser unbekannt) Geboren worden, Kind gewesen, früh erwachsen, aktuell Mann sein, irgendwann Vater werden, Groß- und Urbestimmt, später sterben und dann erstmal eine Weile gar nichts. Felix Rech Matthias Redlhammer Henrik Schubert Jana Schulz* „Wenn man beginnt, seinem Passfoto ähnlich zu sehen, sollte man in den Urlaub fahren.“ (Ephraim Kishon) Die Westfälische Schauspielschule unter der Leitung von Otto Wilhelm und meinem Lehrer Dieter Braun war der Ausgangspunkt. Das war klasse, danke! Wer von Ihnen würde auch nur eine Sekunde daran zweifeln, dass Miami in Florida und Florida in Amerika liegt? Und doch ist Florida früher einmal Teil Afrikas gewesen. Ein Teil, der bei der Kontinentalverschiebung an Amerika hängen geblieben ist. Die Tatsachen ändern sich. Alles ändert sich. Was heute wahr ist – vielleicht ist es schon morgen falsch. „I feel strange / Covered in waves of confusion / And people not / Looking inside / All is lost in a storm / Of something sinister. / As I leave / To go away / The lazy sun / Burns a hole / And I remember / The feeling / Of losing everything.“ (Archive: Controlling Crowds, Part IV) Roland Riebeling Nadja Robiné Michael Schütz Lena Schwarz* Einer meiner größten Wechsel war von scharf auf extra-scharf. Persönliche Momentaufnahme: Alles gut. Bitte nichts verändern! WECHSEL? Ja wie jetzt? WANDEL IST EWIG 56 57 ENSemble ENSemble *Gäste Krunoslav Sebrek Xenia Snagowski Klaus Weiss Stündlich mein Gemüt. Täglich meine Unterhose. Wöchentlich das Katzenklo. Monatlich die Frisur. Saisonal die Farbe an der Wand. Jährlich auch schon mal die Stadt. Von Z nach B zu S nach D. Von Blau zu Schwarz. Und dann zum Sonnenaufgang. Von Treten zu Rollen. Von gleich auf jetzt. Und dann schon mal gar nicht mehr. „Allen Veränderungen, selbst jenen, die wir ersehnt haben, haftet etwas Melancholisches an, denn wir lassen einen Teil von uns selbst zurück. Wir müssen ein Leben sterben, ehe wir ein anderes beginnen können.“ (Anatol France) Was wäre gewesen, wenn... Die erste Veränderung brachte der Krieg in mein Leben. Er machte uns zu Flüchtlingen. Und so wuchs ich nicht an der ostpreußischen Ostseeküste auf, sondern in der Binnenhafenstadt Mannheim. Daniel Stock Werner Strenger Jutta Wachowiak* Es stinkt. Es stinkt bestialisch. Es gibt keinen Ausweg, ich werde mich dem stellen und wechseln. Wie soll ich es angehen? Augen zu und durch. Oder soll ich mich stellen – mit spielerischer Geduld? Wechsel ist anders und einzigartig und verlangt mir alles ab. Bis jetzt konnten wir das Schlimmste verhindern. Bis jetzt. Danke Herr Pampers. Ich bin gern mit der Bahn unterwegs, über Stunden. Ich bin dann nirgendwo und habe alles bei mir, und alles um mich wandelt sich, ändert sich, löst sich auf, endet; und ich sehe, so geht es mit allem, auch mit mir: ich habe in diesem Leben keinen bleibenden Ort, bin immer nur zu Gast – zu Hause ist anderswo. Das zu wissen ist ziemlich gut und ändert alles. Ich bin im Krieg geboren. Die erste Veränderung war der Frieden. Seitdem kann ich mich an keinen Zeitraum erinnern, in dem sich nichts verändert hätte. Henriette Thimig* Stephan Ullrich* Anke Zillich Trifft man nach vielen Jahren jemanden wieder, der sagt: „Du hast dich gar nicht verändert“, frage ich mich: Ist das ein Kompliment oder keines. Veränderung ist wichtig, aber nicht um jeden Preis. PS: Positiv unverändert ist das Café am Shakespeareplatz mit seinem Chef Thomas. Die alten Griechen besaßen dank ihrer kreisförmigen Vision der Zeit die Fähigkeit, sich regelmäßig wiederkehrende grandiose Katastrophen vorstellen zu können. WOZU EIGENTLICH DAUERND ETWAS VERÄNDERN? Fest steht, dass wir Menschen unseren Lauf hätten unterbrechen sollen; wir werden manches noch erleben, das unsere Väter sich nicht träumen ließen. Hallo und Adieu!? Solange ich die Kraft habe, mich zu verändern, lebe ich. 58 Thomas Anzenhofer Roland Bayer Katharina Brenner Anne-Marie Bubke Dunja Dogmani Christoph Finger Julia Giesbert Lukas Graser Jost Grix Karolina Horster Holger Kunkel Werner Lustig Mandana Mansouri Oliver Möller Karin Moog Sierk Radzei Agnes Riegl Verena Schulze Thomas Schweiberer Heiner Stadelmann Nicola Thomas Atef Vogel Judith van der Werff Aljoscha Zinflou 59 Studierende der Folkwang Universität der Künste Jugendliche aus dem ganzen Ruhrgebiet Tänzer von Renegade: Elena Friso Jeong Lee Szu-Wei Wu Roberto Di Camillo Adnan Dushaku Patrick Seebacher Peter Sowinski Christian Zacharas Rymon Zacharei KÖRPER OHNE GRENZEN TEXT: THOMAS LAUE Fotos: CHRISTIAN ROLFES 60 rENEGADE IN RESIDENCE – Tanztheater Tanz gehörte in Bochum schon immer dazu. Das neue Bochumer Tanztheater verbindet verschiedene Stile, die eigentlich nicht zusammenpassen. Doch die Art, wie Renegade und die ehemalige Pina-Bausch-Tänzerin Malou Street Art und modernen Tanz zusammenbringen, ist Energie pur. E s gibt Bewegungen, die eigentlich nicht möglich sind. Jedenfalls nicht für Menschen mit normalem Körper. Kopfüber auf einer Hand stehen, die Beine im 45-Grad-Winkel schräg in der Luft überstrecken und sich dann auf dieser Hand hüpfend drehen, ist zum Beispiel eine dieser Bewegungen. In atemberaubendem Tempo um die eigene Achse wirbeln und dabei ständig von einer Hand auf die andere wechseln, während die Beine gleichzeitig unter dem eigenen Körper hindurch fliegen, gehört auch dazu. Gerade in der Unmöglichkeit dieser Bewegungen liegt ein Teil ihrer Schönheit. Und in ihrer Einzigartigkeit. Jedenfalls wenn man sie trotz aller Gesetze der Schwerkraft und der Grenzen des menschlichen Körpers beherrscht. So wie Adnan. Der Zwanzigjährige nennt sich „B-Boy“ oder auch „Breaker“ oder „Breakdancer“, wobei Letzteres schon fast eine laienhafte, sozusagen „eingedeutschte“ Bezeichnung für das ist, was Adnan tut. Seine Kunst besteht darin, viele solcher unmöglichen Bewegungen aneinanderzureihen und gleichzeitig permanent neue zu erfinden. Ganz eigene „Moves“, wie B-Boys das nennen. Moves, die nur er beherrscht oder die er als erster gezeigt hat und die kopiert werden, wenn ein B-Boy gut ist. Und Adnan ist gut. Sehr gut sogar. Das hat er in zahlreichen Wettbewerben bewiesen. In „Battles“, in denen Breaker gegeneinander antreten und um die besten Moves und die damit verbundene Anerkennung ringen. Adnan tanzt seit seinem achten Lebensjahr und in seinem Tanzbereich ist er berühmt: „Es gibt keinen B-Boy, der mich nicht kennt.“ So wie er das sagt, klingt das nicht anmaßend, sondern ist einfach eine nüchterne Feststellung. Adnan hat auf Battles in ganz Europa getanzt, oft wird er eingeladen, um seinen Tanzstil und seine Moves zu zeigen: nach Frankreich, Norwegen, Korea. 2010 hat er zum dritten Mal am berühmten „International Breakdance Event“ in den Niederlanden teilgenommen. Nicht als normaler B-Boy im Wettbewerb, sondern im sogenannten „Legend-Team“, in dem die wichtigsten Tänzer der Szene versammelt waren. Eine Legende. Mit neunzehn. EINES DER UNGEWÖHNLICHSTEN TANZENSEMBLES, DAS DIE REGION ZU BIETEN HAT Im Moment jedoch steht die Legende im Dunkeln am Rande der Kammerspielbühne des Bochumer Schauspielhauses und hält ein zwei Monate altes Baby im Arm. Jeong, die Mutter des Babys, das in Adnans Armen noch kleiner und 62 zerbrechlicher wirkt, als zwei Monate alte Babys das ohnehin tun, tanzt gerade auf der Bühne. Völlig ohne Musik, aber mit Bewegungen von höchster Konzentration und schlichter Eleganz. Bewegungen, die ganz anders sind als Adnans schnelle und energiegeladenen Moves: weich, fließend, leicht und von absoluter Präzision. Begleitet werden sie und die anderen Tänzer auf der Bühne von einer Stimme aus dem Zuschauerraum, die noch mehr Leichtigkeit und noch mehr Präzision einfordert und einzelne Sequenzen nochmal und nochmal wiederholen lässt, bis sie perfekt sind. Sie tut das abwechselnd auf Französisch, auf Englisch oder auf Deutsch mit einem charmanten französischen Akzent. Oft wechselt sie die Sprache mitten im Satz. ES GAB STEHENDE OVATIONEN, MINUTENLANG Die Stimme gehört der Choreografin Malou Airaudo, die in den Kammerspielen an diesem Samstagvormittag eines der ungewöhnlichsten Tanzensembles versammelt hat, das die Region derzeit zu bieten hat. Adnan wird Jeongs Baby gleich vorsichtig weiterreichen und auf die Bühne zu den anderen springen, wo er mit vier weiteren B-Boys, die wie er ihren Tanzstil buchstäblich auf der Straße gelernt haben, auf vier Tänzerinnen und Tänzer trifft, die wie Jeong eine klassische und vor allem eine langjährige moderne, zeitgenössische Tanzausbildung haben. Am Abend werden sie gemeinsam die Vorstellung „Irgendwo“ tanzen. „Irgendwo“ ist der Überraschungserfolg der noch jungen Intendanz von Anselm Weber. Die Begegnung von modernem Tanz und Street Art hat die Besucher bei der Premiere im Oktober 2010 von den Sitzen gerissen. Es gab stehende Ovationen, minutenlang. Das Überraschende und Besondere: In „Irgendwo“ stehen die verschiedenen Tanzstile nicht einfach nebeneinander. Breakdance und zeitgenössischer, moderner Tanz verbinden sich in der Produktion zu einer neuen, ganz eigenen aufregenden Tanzspra- rENEGADE IN RESIDENCE – Tanztheater Choreografen, die weit über das Ruhrgebiet hinaus arbeiten, und mit Tänzern, die teilweise zum ersten Mal beim hauseigenen Pottporus Festival aufgefallen sind, zu dem Renegade einmal im Jahr die Szene aus ganz Europa einlädt. Ein Battle natürlich inklusive. Auch Adnan ist hier aufgetreten, als er noch nicht so bekannt war und Renegade-Chef Zekai Fenerci ihm die Fahrtkosten zahlen musste, damit er überhaupt teilnehmen konnte. DER VERLORENE DRACHE Renegade in Residence Tanztheater von Malou Airaudo Uraufführung am 15. Oktober 2011 in den Kammerspielen Das Schauspielhaus Bochum arbeitet in enger Partnerschaft mit der Herner Street-Art-Company Renegade zusammen. Die Tänzer – Hip Hopper und Breaker – von Renegade nutzen die Räume und die Infrastruktur des Schauspielhauses, tauchen als Künstler in Vorstellungen des Schauspielhauses auf und einmal im Jahr entsteht eine gemeinsame Tanztheaterproduktion: „Renegade in Residence“. In der ersten Spielzeit ließ die Choreografin und Regisseurin Malou Airaudo auf der Bühne fünf Breaker und vier zeitgenössische Tänzer mit klassischer Ausbildung aufeinandertreffen. In „Irgendwo“ hat sie so die Stile der B-Boys und der Modern-Dancer zu einer eigenen, neuen Sprache des Tanzes verschmolzen. Publikum und Presse reagierten begeistert, Bochum hat ein neues Tanztheater. Nun wird Malou Airaudo mit einer neuen Produktion die Arbeit fortführen. Wieder werden Tänzer unterschiedlicher Stilrichtungen gemeinsam auf der Bühne stehen. Und sie werden, jeder auf seine Weise und zusammen, nach dem verlorenen Drachen suchen. Nach der Sehnsucht und der Hoffnung, der Liebe, aber auch der Traurigkeit und eben der Verlorenheit, die der Mensch nun einmal in sich trägt. Choreografie und Regie: Malou Airaudo Dramaturgie: Anna Haas Eine gemeinsame Produktion von Schauspielhaus Bochum und Pottporus/Renegade, Herne che. Das wurde möglich durch eine besondere Kooperation: Für drei Jahre hat das Schauspielhaus Bochum die freie Tanzcompagnie „Renegade“ aus Herne eingeladen, als „Renegade in Residence“ mit ihren Tänzern in den Räumen des Theaters zu arbeiten, sich an verschiedenen Projekten wie „Next Generation“ zu beteiligen und einmal im Jahr eine komplette Produktion auf die Bühne zu bringen. Renegade gibt es seit 2003. Die Truppe versammelt Tänzer, die von der Straße kommen. Ihre Erfahrungen und Erfolge haben sie wie Adnan bei Wettbewerben und Battles gesammelt und gleichzeitig Hip Hop 64 und Breakdance als Bühnentanz perfektioniert. Seit einigen Jahren gehört zu Renegade noch der Verein „Pottporus e.V.“, der so etwas wie die Talentschmiede der professionellen Compagnie ist und sowohl Ausbildung und Projekte mit Jugendlichen im Bereich Musik und Tanz als auch die Graffitiszene des Ruhrgebiets in der Dorstener Straße in Herne unter einem Dach bündelt. Die noch junge Geschichte von Renegade und Pottporus ist die Geschichte einer stetigen Professionalisierung und einer unermüdlichen Förderung junger Talente. Zahlreiche abendfüllende Tanzproduktionen sind entstanden, mit 65 B-Boying, Popping, House, Electro-Boogie, Locking Von Zekai Fenerci, ohne den es weder Renegade noch den Pottporus-Verein gäbe, kann man nicht nur lernen, dass Hip Hop nicht gleich Hip Hop und Breakdance nicht gleich Breakdance ist. Im Gespräch mit ihm fliegen die Namen von Tanzstilen durch die Luft, wie sonst die Tänzer selbst: B-Boying, Popping, House, ElectroBoogie, Locking, Roboting, Crumping. Für den Laien sind die Feinheiten und die Spezialisierungen der Szene kaum zu überschauen. Von Zekai Fenerci, im Hauptberuf Logistiker bei der Deutschen Bahn, kann man aber vor allem lernen, was Beharrlichkeit ist. Stück für Stück hat er seinen Laden ausgebaut, ist auf der Suche nach Talenten herumgefahren und hat ein Projekt nach dem nächsten initiiert. Immer im Blick, dass man sich weiterentwickeln muss, dass es – wie es unter Breakern nun mal üblich ist – nicht darum gehen kann, das Gleiche zu wiederholen, sondern Neues zu entwickeln. DA STAND PINA. SIE WAR WIE EIN SCHMETTERLING. So hat er auch Malou Airaudo überzeugen können, als Choreografin mit Tänzern aus dem klassischen und modernen Bereich mit Renegade zusammenzuarbeiten. Die in Marseille geborene Choreografin, die von allen nur Malou genannt wird, hat über Wochen aus den so unterschiedlichen Tänzern ein Ensemble geformt. Und formt es stetig weiter: Am Tag der Vorstellung rENEGADE IN RESIDENCE – Tanztheater sehen, so ruhig, so sensibel. Wie ein Schmetterling. Ich war voller Energie damals. Und sie war auch voller Energie, aber auf ganz andere Weise, und eine große Liebe begann.“ Diese künstlerische Seelenverwandtschaft war so groß, dass sie Pina Bausch folgte, als die sie einlud, Mitglied einer neuen Compagnie zu werden. Einem Tanztheater in Wuppertal, ausgerechnet. „Ich hatte nie gesehen, wie Pina arbeitete, aber da war plötzlich jemand, von dem ich wusste, der fühlt wie ich.“ Ohne zu zögern ging Malou mit. Von New York ins Bergische Land. ICH HABE EINE GROSSE MENGE ENERGIE. ABER MANCHMAL NUR FÜR EINEN MOMENT. Der Rest ist Tanzgeschichte. Malou tanzte in berühmten Pina-Bausch- Tanzpartner gesucht Mit „Renegade in Residence“ ist das Tanztheater ins Schauspielhaus Bochum zurückgekehrt. Die Kooperation zwischen Schauspielhaus und der freien Tanzcompagnie Renegade ist eine Verbindung, mit der die lange Tradition des Tanzes im Schauspielhaus wieder auflebt – in neuer, zeitgenössischer Form und mit ungewöhnlicher Qualität. Damit das, was im Kulturhauptstadtjahr 2010 so erfolgreich begonnen hat, auch in den nächsten Spielzeiten fortgesetzt werden kann, braucht es weitere, finanzstarke Partner. Und einmal mehr zeigen die Bochumer, wie sehr ihnen ihr Theater an der Königsallee am Herzen liegt. Mehrere Firmen und Privatpersonen haben sich schon jetzt bereit erklärt, Patenschaften für einen Tänzer oder eine Tänzerin des neuen Tanzensembles zu übernehmen und so Probenund Vorstellungshonorare für ein oder zwei Produktionen zu sichern. Für diese besondere Förderung, mitten aus dem gesellschaftlichen Engagement der Stadt heraus, bedanken wir uns herzlich und freuen uns auf viele inspirierende Begegnungen zwischen den Künstlern, den Förderern und den anderen Mitgliedern des Theaters. Wollen auch Sie zum exklusiven Kreis der Förderer des neuen Bochumer Tanztheaters gehören? Gerne informieren wir Sie über mögliche Patenschaften. Wir freuen uns auf Sie und sind dankbar für Ihre Unterstützung! Alle Informationen erhalten Sie im Schauspielhaus Bochum bei Brigitte Käding unter Tel.: 0234 / 33 33 55 33 oder E-Mail: bkaeding@bochum.de. 66 Produktionen wie „Café Müller“, „Iphigenie auf Tauris“ oder „Orpheus und Eurydike“ und wurde selbst berühmt durch ihren Solotanz in „Sacre du printemps“. Immer wieder verließ sie die Compagnie und immer wieder kehrte sie zurück. Immer wieder suchte sie das Neue, den neuen Energieschub. „Da bin ich wie Zekais Breaker“, lacht sie, „ich habe eine große Menge an Energie zu geben, aber manchmal nur für einen Moment.“ Pina Bausch starb, während Malou für „Irgendwo“ probte. „Sie war mein Alles, meine Schwester, meine Freundin“, sagt Malou über diesen großen Verlust. Natürlich sei sie künstlerisch von Pina Bausch beeinflusst. „Pina und ich haben 35 Jahre zusammen gearbeitet. Sie war mein Herz, mein Leben. Und trotzdem gehe ich meinen eigenen Weg.“ Auf die B-Boys traf sie das erste Mal bei „Melez“, dem Festival der Kulturhauptstadt, für das sie mit Renegade die Produktion „Schwarze Katze“ entwickelte. „Normalerweise dürfte die Zusammenarbeit zwischen uns gar nicht funktionieren“, beschreibt Zekai Fenerci die Arbeit zwischen Renegade und Malou. „Von der ganzen Herangehensweise laufen wir gegeneinander. Von der Arbeitsweise passen die Breaker eigentlich nicht in Malous Struktur. Die braucht so viel Disziplin. Und der Breaker an sich treibt nur voran, um den neuen Move zu entwickeln, darüber bekommt er Status.“ GRÜNE WOLLMÜTZE, COOLNESSFAKTOR 100 PROZENT Dass es trotzdem klappt und es gleichzeitig ein unaufhörliches Training erfordert, die Breaker und die modernen Tänzer zusammenzubringen, wird auf der Probe am Samstag deutlich. „Wir lernen voneinander, immer noch“, sagt Malou und spricht von großem gegenseitigen Respekt. „Für uns ist die klassische Ausbildung wichtig. Ich habe auch mein Leben lang klassischen Unterricht genommen. Aber es gibt Leute, die haben noch nie davon gehört, und trotzdem ist das, was sie machen, Tanz. Breakdancer haben sehr schwere Bewegungen. So eine Drehung auf einem Arm kostet viel Kraft, die kannst du nicht einfach zehn Mal wiederholen. Wir sind dagegen gewohnt, etwas 10.000 Mal zu machen.“ Man sieht die unterschiedlichen Arbeitsstile schon am Outfit. B-Boy Robo zum Beispiel: grüne Wollmütze über den Wuschellocken, Coolnessfaktor 100 Prozent. Auf jede Anweisung Malous reagiert er mit einem lässigen Spruch. Und müht sich gleichzeitig an einer Bewegung ab, die bei den anderen Tänzern federleicht aussieht. „Noch mal“, sagt Malou, „again.“ Unerbittlich. WER SICH ANPASST, WIRD UNSICHTBAR „Die sind wie ein Schwamm“, sagt Adnan über seine Mittänzer aus der anderen Sparte. „Die saugen alle Schritte auf. Die lernen das so schnell, das ist diese Disziplin. Wir sind halt locker, erst mal was essen, und die sind immer gleich drauf, echt anders.“ Und andersherum, was kann er, was die nicht können? Adnan grinst. „Also ich könnte das, was die können, aber es sähe ganz anders aus. Es kommt drauf an, wie man es macht. Die Bewegungen könnte ich machen, aber die hätten einfach nicht diese Ausstrahlung. Ich bringe das nicht so rüber wie die. Und bei denen ist das so: Die können meine Moves nicht machen. Die können die auch nicht antäuschen. Mein Move – entweder man kann ihn oder man kann ihn nicht. Man kann nicht so tun als ob, den muss man schon können.“ Alles anders also und so verschieden, und eigentlich genauso unmöglich wie die rauschhaften Bewegungen, die man am Abend in der Vorstellung zu sehen kriegt. In der die Compagnie wirkt, als hätten alle schon immer miteinander getanzt. Egal woher sie kommen, egal welche Sprache sie sprechen und welchen Tanzstil sie gelernt oder eben auch nicht gelernt haben und spielerisch voneinander abnehmen. Energie pur. Perfektion. Tanz eben. Und inzwischen eine eingespielte Tanzfami- lie. In der gleichzeitig jeder in seiner Besonderheit sichtbar bleibt. „Wer sich anpasst, wird unsichtbar“, sagt Adnan. Noch so eine Legendenweisheit, die in „Irgendwo“ außer Kraft gesetzt wird und trotzdem stimmt. Das Publikum steht wieder beim Applaus am Abend. ENERGIE PUR. TANZ EBEN. Und Malou? Hat die Vorstellung begleitet und gesehen und gelitten, wie jedes Mal. Es lief doch sehr gut, oder? „Es war Vollmond, heute“, seufzt sie, und es bleibt offen, ob das gut ist oder schlecht. Sie wird weiterarbeiten, vor der nächsten Vorstellung, natürlich. Eine Tanzvorstellung ist nie zu Ende gearbeitet, sonst lebt sie nicht mehr. Schon gar nicht, wenn darin Bewegungen vorkommen, die eigentlich gar nicht möglich sind. Und die Menschen wie Adnan einfach trotzdem machen. Fotografie: Renate Ritzenhoff ist Probe, den ganzen Tag. Malou geht dann über mehrere Stunden die Choreografie durch, frischt auf, ändert, verbessert, perfektioniert in einem nie endenden Prozess. Mit den B-Boys von Renegade und jungen Tänzern, die sie zum Teil selbst ausgebildet hat. Seit über 25 Jahren ist Malou Airaudo Professorin für modernen Tanz an der Essener Folkwang Universität der Künste. Vor allem aber war sie selbst über Jahrzehnte Tänzerin. Als Mitglied der ersten Stunde in der weltberühmten Compagnie von Pina Bausch. Die hat sie 1973 kennen gelernt. „Ich war 25, kam aus Frankreich und war gerade drei Jahre in New York“, erinnert Malou sich. Sie tanzte dort in der Compagnie von Paul Sanasardo, der seinem Ensemble eine junge Choreografin vorstellte: „Da stand Pina. Ich habe diese Frau ge- Bühne frei für unsere Kunden Hunderttausende sind Tag für Tag in unseren modernen Bussen und Bahnen unterwegs. Jeder hat dabei sein eigenes Ziel: Ob zur Schule, zur Arbeit, zum Einkaufen oder zum Schauspielhaus. Steigen Sie ein! – Wir bringen Sie hin. Malou Airaudo wurde 1948 in Marseille geboren und begann dort bereits im Alter von acht Jahren ihre Ausbildung an der Schule der Opéra de Marseille. Nach Engagements in Monte Carlo, Amiens und New York folgte sie Pina Bausch 1973 an ihr neu gegründetes Tanztheater in Wuppertal, wo sie eine der prägenden Solistinnen der Compagnie wurde. Sie ist Professorin für Zeitgenössischen Tanz an der Folkwang Universität der Künste und arbeitet als international gefragte Choreografin. 67 www.bogestra.de Ich renne in jeden kampf hinein Eine Begegnung mit der serbischen Autorin Biljana Srbljanovic INTERVIEW: THOMAS LAUE FOTOS: LUKAS ZABEK UND BILJANA SRBLJANOVIC biljana srbljanovic – Ich renne in jeden Kampf hinein W eil sie ihre Reisepläne plötzlich ändert, platzen Verabredungen mit Biljana Srbljanovic manchmal kurzfristig. Wenn sie dann aber kommt, ist sie charmant und von einer absoluten Präsenz. Ein Treffen zum Mittagessen in Frankfurt, um über ihr neues Stück für Bochum zu reden. Sie ist müde, aber sie ist da. Und wie. Welche Rolle spielt Reisen für dich? Es ist ein Alptraum. Ich reise ständig, weil ich keinen wirklich festen Wohnsitz habe. Ich bin die Frau mit der Reisetasche: Ich reise überall hin mit dieser riesigen Reisetasche mit meinen persönlichen Sachen, und trotzdem fehlt ständig alles. Außerdem bin ich EconomyClass-Reisende. Das bedeutet, dass man ständig zu viel bezahlt, um dann wie eine Sardine irgendwo neben der Toilette eingequetscht zu werden. Und das in Fluggesellschaften wie Azerbaijan Air, Iran Air, Georgian Airways oder ähnliches. Ich denke beim Fliegen oft: „Das war es, hier werde ich sterben.“ Aber ich reise auch viel, weil ich wirklich gerne an verschiedenen Orten bin. In welchen Städten hast du derzeit eine Wohnung? Ich selbst habe nur ein Apartment in Belgrad. Das ist meines. Mein Ehemann hat ein Haus in Paris, und wir haben unseren Wohnsitz momentan in Baku in Aserbaidschan. Wie lebt es sich in Baku? Was tust du dort den ganzen Tag? Ich lese, lese, lese, lese. Wirklich, ich lese. Und ich laufe. Man weiß in Deutschland erstaunlich wenig über Aserbaidschan. Und es gibt gute Gründe, warum das so ist. (lacht) Nein, es ist ein sehr interessantes, sehr reiches Land. Reich auch an Geschichte. Besonders in diesem verrückten 20. Jahrhundert gab es so viele Kämpfe, als man dort Öl und Gas gefunden hat. Und eigentlich alle zwei Jahre einen Wechsel: Erst die Russen, die die Deutschen umbringen, dann die Deutschen, die zurückkommen, dann die Iraner, die alle umbringen, und dann hörte mit den Sowjets erstmal alles auf. Eigentlich entdeckt das Land erst jetzt wieder seine eigene Kultur. Vor zehn Jahren zum Beispiel haben sie ihr Alphabet geändert. Du lebst dort jetzt seit drei Jahren. Fühlst du dich in Aserbaidschan zu Hause? Seltsamerweise ja und das irritiert mich. Ich werde sehr traurig sein, wenn wir im Herbst wieder gehen. Aber richtig als Heimat empfinde ich nach wie vor Belgrad. Bist du oft dort? Ich versuche, oft da zu sein. Manchmal entscheide ich mich aber, sechs Monate überhaupt nicht hinzufahren. Einfach um Belgrad zu vermissen, es wirklich zu vermissen. Bis die Sehnsucht so stark ist, dass ich wieder hinfahren muss. Aber normalerweise bin ich ungefähr alle zwei Monate wenigstens für ein paar Tage in Belgrad. Wenn du nach Belgrad zurückkommst, stellst du da Veränderungen fest? Belgrad verändert sich unglaublich schnell. Aber ich scheine die einzige zu sein, der das auffällt. Früher 70 sind mir so von Sommer zu Sommer größere Veränderungen aufgefallen. Aber inzwischen ist schon nach zwei Monaten so vieles anders. Wie alles aussieht, aber auch wie es funktioniert. Zum Beispiel die öffentlichen Busse: Es gibt seit neuestem Busse, bei denen man wie in Deutschland oder Frankreich ganz geordnet nur vorne einsteigen kann. Das ist wie eine kleine Revolution in Serbien, denn seit ich denken kann, war es eher wie in Aserbaidschan, wo man mindestens drei ältere Damen und drei Kids verprügeln muss, um über- „Ich war zur gleichen Zeit in Belgrad wie Conan der Barbar.“ haupt in den Bus zu kommen. Das war wie eine Art verbrieftes Grundrecht: Leute verprügeln, um in den Bus zu kommen. Und plötzlich sollen alle in einer Schlange warten. Und die Leute tun das tatsächlich. Das sind riesige mentale und kulturelle Veränderungen. Gleichzeitig existieren noch viele der alten Probleme, sie sind wie alte Narben auf dem Körper des Landes. Selbst in Belgrad sieht man noch viele Spuren an den Gebäuden, die bombardiert wurden. Und es ist in den Köpfen der Leute. Egal was passiert, immer heißt es: „Ja, ja, ja, aber seht ihr, sie mögen uns nicht, schließlich haben sie uns bombardiert.“ Hat Belgrad die damaligen Bombardements inzwischen verarbeitet? Nicht wirklich. Und die große Krise der 1990er Jahre? Die schon. Aber ich denke, das NATO-Bombardement war damals nicht die richtige Antwort, denn es hat die Probleme nur kurzfristig gelöst. Für die Menschen dort ist es wie ein großes Missverständnis. Sie können es einfach nicht fassen, dass sie die Bösen gewesen sein sollen. Und das sitzt sehr, sehr tief. Wie hat sich Serbien in der NachMiloševic-Zeit entwickelt? Ab einem bestimmten Punkt wurde es eine sehr langweilige DemokraDer Fotograf Lukas Zabek hat Fotos aus dem Album von Biljana Srbljanovic auf die Wände des Schauspielhausfoyers projiziert. Auf dieser Seite zum Beispiel vermischt sich der Blick aus dem Belgrader Apartment der Autorin mit dem Bochumer Eingangsbereich. biljana srbljanovic – Ich renne in jeden Kampf hinein tie. Beinahe ein normales demokratisches Land. Dann wurde unser Ministerpräsident ermordet und es wurde fast wieder eine Art Möchtegern-Demokratie. Aber nur fast. Wir haben diese sehr spezielle Beziehung zu Russland. Eigentlich nicht wirklich zu Russland, eher zur Mafia und zur Geheimpolizei. Und besonders zu Putin. „Serbien wird immer ein europäisches Land bleiben.“ Putin war letzte Woche da. Und ich war gerade im Landeanflug mit Aeroflot. Es ist eigentlich gegen meine Religion, mit Aeroflot zu fliegen, aber es ist so viel billiger, also tue ich es trotzdem. Und dann lande ich im gleichen Moment wie Putin! Niemand hatte mich gewarnt, dass das der Tag ist, an dem man Belgrad unbedingt meiden muss. Putin bekam irgendeine Ehrendoktorwürde verliehen, in Jiu-Jitsu oder in Karate oder was weiß ich. Er war ungefähr fünf Stunden in Belgrad. Eigentlich hätte er über wirtschaftliche Dinge reden sollen. Wir haben viel an Russland verkauft, wofür wir nie Geld gesehen haben. Aber das war nicht wichtig. Wichtig war Fußball und so, und dass er uns vor dem Westen beschützen wird. Das ist verrückt, oder? Und dann wurden Politikerfrauen interviewt: Ist er im wirklichen Leben auch so attraktiv oder nicht? Wie groß ist er? Er ist wie ein Superheld. Conan der Barbar war zur gleichen Zeit in der Stadt wie ich. Ist Serbien ein europäisches Land? Absolut. Es war immer ein europäisches Land. Nur mit ein paar Problemen mehr. Aber es war wirklich ein zutiefst europäisches Land. Wenn auch mit der Fähigkeit zum Völkermord. Aber es gibt andere europäische Länder, die zum Völkermord fähig waren, oder? Es wird auch immer ein europäisches Land bleiben. Engagierst du dich immer noch so stark politisch in Belgrad, wie du es vor einigen Jahren getan hast? Die Berge von Aserbaidschan im Bochumer Foyer. Ich schreibe viel. Viele Artikel, und ich rede viel. Aber ich bin in keiner politischen Gruppe oder Partei mehr. Diese Art von politischer Aktivität war nie wirklich etwas für mich. Selbst als ich mich direkt politisch engagiert habe, war das mehr ein Statement und weniger, um tatsächlich ins Parlament einzuziehen. Ich war nur einmal Mitglied einer Partei, vermutlich der kleinsten Partei der Welt. Wir waren vielleicht hundert. Inzwischen redet die Hälfte von uns nicht mehr miteinander, weil wir ständig über politische und ideologische Dinge gestritten haben. Jeder von uns hatte seine sehr eigene Vorstellung davon, was das Beste für Serbien sei. Eine Ansammlung von lauter Individualisten. Da ist es schwer, ein loyaler Parteisoldat zu sein. Aber wie gesagt, ich schreibe und rede viel. Kennen dich die Menschen in Belgrad noch? Ja, leider. In Baku oder Frankreich bin ich eine freie Person. In Belgrad auf den Markt zu gehen ist dagegen eine echte Herausforderung. Immer trifft man dort Leute, die einem erklären, warum man mit einer Sache völlig Unrecht hatte oder die sagen: „Rette uns, du bist die letzte Hoffnung.“ Natürlich bin ich nichts davon, weder eine Hoffnung noch kann ich jemanden retten. Ich kann in Belgrad keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, weil es Menschen gibt, die dort andere zusammenschlagen, die sich politisch exponieren. Gleichzeitig kann ich kein Taxi besteigen, ohne in eine politische Diskussion verwickelt zu werden. Selbst wenn ich eigentlich nur zu meiner Mutter zum Essen fahren will. Worüber schreibst du in den Zeitungen, dass sich die Leute so aufregen? Ich schreibe weniger in Zeitungen, mehr im Internet. Die Diskussionen dort sind oft leidenschaftlicher und emotionaler als in den Zeitungen. Ich gebe meine Kommentare ab, wenn es etwas gibt, wozu ich einfach nicht schweigen kann. Meist geht es um Rechte von Minderheiten, um irgendwelche Arten von Gewalt oder 73 um wirklich offensichtliche Dummheiten der Regierung. Kürzlich habe ich mich für eine Schwulenparade in Belgrad ausgesprochen und gegen Gewalt gegen Homosexuelle geschrieben. Und sofort ging es los. Ich habe das ein wenig zugespitzt und mich über die Leute lustig gemacht, die an der Macht sind und Angst vor so etwas wie Homosexualität haben. Und ich benutze dazu eine spezielle Sprache... Was für eine Sprache? Eine sehr vulgäre Sprache zum Beispiel. Darüber regen sich die Leute wahnsinnig auf. Sie sehen, dass ich eine normale Frau bin, mit gekämmten Haaren und ordentlich gekleidet, aber gleichzeitig habe ich diese Sprache, von der sie sich sehr angegriffen fühlen. Also wissen sie nicht, wie sie mit mir umgehen sollen. „Sie wissen nicht, wie sie mit mir umgehen sollen.“ Wäre das bei einem Mann anders? Natürlich, vollkommen anders! Aber es ist ihre Sprache und es ist die einzige Sprache, die sie verstehen. Man muss ihre eigenen Worte benutzen, ihr eigenes vulgäres Denken, um ihnen zu zeigen, was es eigentlich bedeutet, vor Homosexuellen Angst zu haben. Du bist mit dem französischen Botschafter in Baku verheiratet. Das bedeutet doch sicher, dass du dich dort anders verhalten musst als in Belgrad. Diplomatischer. Wie machst du das? Oh, ich arbeite an etwas, das man Geduld nennt, und ich bleibe höflich, damit kommt man auch relativ weit. Und ich verfolge auch dort, was alles im Internet geschieht. Es kommt vor, dass Aserbaidschaner für Blogs oder aufgrund einer Satire gegen die Regierung, die sie auf YouTube hochladen, im Gefängnis landen oder verprügelt werden. Was ich tue, ist die Aufmerksamkeit der anderen Botschafterfrauen auf diese armen Kinder zu lenken. „Die machen doch nur Spaß im Internet. Lasst sie uns im Gefängnis MUSIKTHEATER IM REVIER GELSENKIRCHEN PREMIER 2 1 . 1 1 T I E Z EN SPIEL MERLIN (DE) UBU (UA) von Sidney Corbett Ab 14.04.2012, KleIneS HAuS von Isaac Albéniz Ab 08.10.2011, GroSSeS HAuS ADAM SCHAf HAT ANGST (wA) RUSALKA von Antonín Dvorák ˇ Ab 29.04.2012, GroSSeS HAuS IM wEISSEN RÖSSL SALoME von richard Strauss - konzertante Aufführung Ab 20.05.2012, GroSSeS HAuS von Georg Kreisler Ab 22.10.2011, KleIneS HAuS von ralph benatzky Ab 12.11.2011, GroSSeS HAuS DAS KIND UND DER KÖNIG Musiktheater für Kinder von Carsten Kirchmeier Ab 20.11.2011, KleIneS HAuS DER MESSIAS (wA) von Patrick barlow Ab 03.12.2011, KleIneS HAuS LA TRAVIATA von Giuseppe Verdi Ab 17.12.2011, GroSSeS HAuS DIE CoMEDIAN HARMoNISTS von Franz Wittenbrink und Gottfried Greiffenhagen Ab 13.01.2012, KleIneS HAuS LA BoHèME (wA) von Giacomo Puccini Ab 11.02.2012, GroSSeS HAuS DIE HEXEN VoN EASTwICK (DE) von Dana P. rowe und John Dempsey Ab 09.06.2012, GroSSeS HAuS CoPYLEfT - SPIEL MIT DEM oRIGINAL (UA) ballett von Annett Göhre Ab 15.10.2011, KleIneS HAuS GRoSSSTADT-TRIPTYCHoN Kurzopern von Wolpe | Weill | nick ballett von bridget breiner Ab 14.01.2012, GroSSeS HAuS HEAVY MUSIC – CooL LoVE 2012 „A VISIoN of GoD“ Ab 30.06.2012, KleIneS HAuS LA GRANDE MAGIA von Manfred Trojahn Ab 24.03.2012, GroSSeS HAuS ÖNSTE H C S S DA HAUS N R E P o IER IM REV MUSIKTHEATER IM REVIER GMBH KENNEDYPLATZ 45881 GELSENKIRCHEN www.MUSIKTHEATER-IM-REVIER.DE KARTENTELEfoN 0209. 40 97-200 biljana srbljanovic – Ich renne in jeden Kampf hinein besuchen.“ Wenn man solche Dinge tut, humanitäre Aktivitäten für nette Botschafterfrauen, kann man auch einiges bewegen. Allein unsere Anwesenheit schafft schon Aufmerksamkeit, die Leuten hilft. Zu Hause in Serbien würde ich offen kämpfen, aber das ist nicht mein Land, ich bin dort eingeladen, also genau genommen nicht mal ich, sondern mein Mann. Ich bin einfach die Frau des Botschafters. Mit welchem Leben ist deine Identität als Dramatikerin verbunden? Meine Identität als Dramatikerin ist meine eigentliche Identität. Das bin ich und nur ich. Alles andere ist etwas, das man im Leben einsammelt. Man macht so viele Dinge: ich bin Professorin, eine politische Person, Ehefrau. Das sind alles Dinge, die ich tue, aber nichts davon bin vollständig ich. Hörst du es gerne, wenn man dich eine politische Dramatikerin nennt? Eigentlich nicht. Auf der anderen Seite stört es mich aber auch nicht besonders, weil ich glaube, dass das ganze Leben heutzutage politisch ist. Jede Alltagsentscheidung ist immer auch eine politische Entscheidung, das muss einem klar sein. Also ist alles, was ich über mein Leben oder über den Alltag von irgendjemandem schreibe, zwingend auch politisch. Alles andere wäre Blödsinn. Ich habe keine politische Agenda, die ich durchsetzen will, in dem Sinne bin ich keine politische Autorin. Ich bin nicht Bertolt Brecht, ich verfolge keine Idee. Ich schreibe nur über Dinge, die ich sehe, über Gedanken, die mich verfolgen. Und es ist doch ganz normal, dass das politisch ist. In deinem Stück für Bochum geht es um Familie und um den Abschied von Vätern. Hat das einen Grund? Natürlich, es gibt immer einen Grund. Aber es ist Unsinn, darüber zu reden, denn es ist sehr persönlich. Andererseits ist es überhaupt nicht persönlich, denn ich bin nicht die erste Person, die ihren Vater verloren hat. Unter absurden Umständen zwar, aber wenn es auf das Ende zu- geht, sind die Umstände immer absurd. Er war krank, und dann ist er gestorben und wir wissen bis heute nicht, warum. Mein Vater war ein sehr spezieller Charakter. Ich habe mein ganzes Leben damit zugebracht, gegen ihn zu kämpfen. Wirklich heftig zu kämpfen, bis zum letzten Tag. Ich habe auch meinen eigenen Charakter, meine Identität in diesen Kämpfen geformt. Ich kann heute sehr genau sagen, wogegen ich bin, auch wenn es mir schwer fällt, zu begründen, wofür ich eigentlich bin oder was ich bin. Das hängt sicher mit dem ganzen Streit zusammen, den ich mit der Generation meines Vaters hatte. Er war ein ganz normaler Kerl. Er war so normal, eine so typische Verkörperung dieser Ex-JugoslawienUtopie, dass ich ihn den „Everyman“ „Manchmal komme ich mir vor wie ein Clown.“ genannt habe. Er war ein typischer Ex-Jugoslawe aus der alten Zeit, als wir ein riesiges Land mit 22 Millionen Einwohnern waren – 22 Millionen ist riesig für uns – und wir dachten, wir seien im Himmel. Aber egal ob es seine Moralvorstellungen waren, seine politischen Einstellungen, seine mangelnden Vorstellungen von Familienleben, alles, woran er geglaubt hat: Ich habe mein ganzes Leben dagegen gekämpft. Ich habe nicht gewonnen, aber ich habe mich selbst geformt in diesem Kampf. Ist Kämpfen immer noch ein Charakteristikum in deinem Leben? Unglücklicherweise ja. Aber es ist so ermüdend. Manchmal komme ich mir vor wie ein Clown. Ich habe oft den Eindruck, dass die Leute es von mir erwarten, um sie zu unterhalten. Auch die Medien. „Unterhalte uns, mach deine Nummer. Kämpfe, mit oder gegen wen auch immer!“ Es ist ermüdend, und es führt auch die Idee zu kämpfen ad absurdum. Aber trotzdem ist es meine Natur. Ich glaube, deshalb bin ich auch DAS LEBEN IST KEIN FAHRRAD von Biljana Srbljanovic Premiere am 3. Dezember 2011 in den Kammerspielen „Du findest dich im Leben überhaupt nicht zurecht.“ Dieser Satz ihres Vaters klingt Nadezda noch lange im Ohr. Sogar nachdem er längst tot ist. Überhaupt: Es sind die Väter, die das neue Stück von Biljana Srbljanovic bestimmen. Die anwesenden ebenso wie die abwesenden. Da ist zum einen Nadezda, die ihren Vater ins Krankenhaus bringt, weil er krank ist, obwohl er sich stur dagegen wehrt. War er nicht immer gesund? Was soll er dann in einem Krankenhaus? Eine Auseinandersetzung zwischen Tochter und Vater folgt: kämpferisch, persönlich und zutiefst berührend. Aber auch die anderen Figuren von Biljana Srbljanovic arbeiten sich an ihren Vätern ab: Kindchen wartet, eigentlich immer schon, auf den Vater, der niemals auftaucht, und findet in Ropac Ersatz – und vielleicht sogar so etwas wie Liebe. Und Aleksa, der Arzt aus dem Krankenhaus, lebt wieder bei seiner Mutter. Mit fünfzig. Auch hier ein Vater, der fehlt. Und eine Mutter, die auch das noch mit übernimmt. In einem Reigen hängen sie alle miteinander zusammen. Sie begegnen einander, obwohl sie sich eigentlich nicht kennen. Zufällig und in starken persönlichen Szenen. Und sie wissen doch nicht, wie sehr sie tatsächlich miteinander verbunden sind. Die serbische Autorin Biljana Srbljanovic gehört zu den wichtigsten Stimmen der europäischen Gegenwartsdramatik. Sie hat ihr neues Stück für das Schauspielhaus Bochum und für den Regisseur Anselm Weber geschrieben. Regie: Anselm Weber Bühne: Raimund Bauer Kostüme: Meentje Nielsen Dramaturgie: Thomas Laue Dramatikerin und nicht Romanautorin, denn der Disput und der Dialog gehören in meinem Herzen zusammen. Das ist die Art, wie ich mich ausdrücken kann. Gibt es Momente ohne Kampf ? Nicht mal im Schlaf, das kannst du mir glauben. Ich laufe herum, rede und kämpfe im Schlaf. Aber doch, es gibt einige sehr private Momente, in denen ich mir erlaube nicht zu kämpfen. Aber dann bin ich schon wieder unterwegs zum nächsten Kampf. Ich renne einfach hinein. 75 Boxt du noch? Ich habe damit aufgehört, weil ich festgestellt habe, dass es mich aggressiv macht. Du denkst, du hast diesen ganzen Stress und die ganze Frustration in dir und du boxt einfach eine Stunde, dann ist alles raus. Aber stattdessen fühlst du dich danach, als könntest du die ganze Welt zusammenschlagen und wärst die Allerstärkste. Mein Ehemann fing an, ein bisschen Angst vor mir zu bekommen. Er hat meine Muskeln gesehen. Also habe ich damit aufgehört. Jetzt laufe ich und meditiere. Zukunft macht keiner allein Warum ein Theater heute über morgen nachdenken muss, und warum sich das Schauspielhaus Bochum an der neuen Zukunftsakademie NRW beteiligt. Wer von sich selbst erzählt, wird wahrgenommen: „Next Generation“ in Bochum. Zukunft macht keiner allein D TEXT: THOMAS LAUE, SABINE REICH FOTOS: DIANA KÜSTER ie Frage nach Zukunft ist heute drängender denn je. Dass die Zeiten sich ändern, ist eine Binsenweisheit, und dass Zukunft Gestaltung braucht ebenso. Das war schon immer so. Und doch stellen wir fest, dass das Tempo von demografischem Wandel, eine durch Migration veränderte Gesellschaftszusammensetzung, aber auch sich stetig verändernde ökonomische Rahmenbedingungen uns aktuell und in Zukunft vor Herausforderungen stellen, die sich mit den gegenwärtigen Instrumenten zur Beschreibung, Bewertung und Bearbeitung gesellschaftlicher Phänomene allein nicht werden lösen lassen. Hinzu kommt eine Finanznot der Kommunen, denen dadurch trotz Einsichten und guter Absichten in vielen Bereichen die Hände gebunden sind. Es steht nicht gut um das Leben in den Städten, möchte man meinen. Auf der anderen Seite hat das Kulturhauptstadtjahr 2010 gerade im Ruhrgebiet gezeigt, wie groß das Bedürfnis danach ist, sich Gedanken darüber zu machen, wie der Ort aussieht, an dem wir leben, und wie das Leben und vor allem das Zusammenleben der Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit sich in Zukunft an diesem Ort gestalten sollen. „Nachhaltigkeit“ war 2010 das Wort der Stunde, der Lackmustest, dem sich alle Kulturhauptstadtprojekte unterziehen mussten. Sollte heißen: Was bleibt eigentlich von dem, was wir heute tun, für morgen? Und wie zukunftsfähig sind wir – über das aktuelle Kulturevent hinaus? Sehr, lautete das Mantra der gesamten Region. „Statt Staub atmet das Ruhrgebiet in diesem Jahrtausend Zukunft“ war und ist die neue optimistische Ruhrgebietsbehauptung. REDET EIGENTLICH IRGENDJEMAND MITEINANDER? Und in der Tat: Zwar herrscht derzeit kein Mangel an aufwändigen Studien, neuartigen Denkmodellen und ambitionierten Masterplänen. Das Nachdenken über Zukunft scheint auf den ersten Blick in vielen gesellschaftlichen und kulturellen Disziplinen selbstverständlich geworden zu sein. Allerorten reagieren Soziologen, Ökonomen, Stadtplaner und Politiker, aber auch Künstler, Philosophen und Kulturwissenschaftler in ihrer Arbeit vehement auf gegenwärtige gesellschaftliche Strömungen und Veränderungen. Nur: Redet dabei eigentlich irgendjemand miteinander? Oder bleibt nicht heute beim Planen von Zukunft noch immer jeder automa- tisch (und vielleicht sogar lieber?) für sich? In den seltensten Fällen, so ist der Eindruck, gelingt die dringend notwendige Zusammenführung verschiedener Handlungskonzepte oder gar die gemeinsame Diskussion aktueller Denkansätze über den eigenen Arbeitshorizont hinaus. Im Gegenteil: Oft ist die eigene Arbeit von großem Nichtwissen über die Arbeit der anderen geprägt. Dabei könnten gerade aus der Zusammenführung unterschiedlicher Perspektiven und Arbeitsweisen viel stärkere Positionen und viel innovativere Ergebnisse entstehen. ES BRAUCHT EINEN ORT, DER ALLEN GEHÖRT. Denn soviel ist klar: Die Zukunft in den Städten kann heute, wo der Wandel ein so tiefgreifender und zugleich rasanter ist, keine gesellschaftliche Gruppe, keine Institution und keine wissenschaftliche oder kulturelle Disziplin allein bewältigen. Vielmehr ist die Entwicklung neuer, gemeinsamer Handlungsstrategien gefordert. Deshalb stellt sich die Frage: Wo ist der Ort, an dem sich Wissenschaft und Kunst begegnen, um über Gesellschaft zu diskutieren? Wo ist der Ort, an dem Stadtplaner, Ökonomen und Philosophen gemeinsam über die Folgen von Migration nachdenken? Wo ist der Ort, an dem die verschiedenen Handlungskonzepte und Positionen gebündelt, verbunden, gegeneinander abgewogen und auch öffentlich diskutiert werden? Wo ist der Ort, an dem Zukunftsstrategien entwickelt werden, die nicht nur die Perspektive einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe oder Disziplin berücksichtigen, sondern tatsächlich das Know-how und die Lebensrealität möglichst vieler sammeln und weiterentwickeln? Und wo ist der Ort, an dem nachwachsende Generationen in die Gestaltung von Zukunft eingebunden werden und ihre enormen kreativen Potenziale systematisch nutzen lernen, um sich schon heute Gedanken über morgen zu machen? NACHHALTIGKEIT LAUTET DAS MANTRA DER STUNDE Das Schauspielhaus Bochum hat während des Kulturhauptstadtjahres 2010 gemeinsam mit vielen Partnern das ganze Ruhrgebiet bespielt: Für das Kulturhauptstadtprojekt „Next Generation“ wurden Zukunftshäuser in Duisburg-Marxloh, Essen, Bochum und Herne eingerichtet, in denen Jugendliche ein Jahr lang ihre Vorstellungen von Zukunft entwickelt haben. Der Autor und Regisseur Nuran David Calis hat parallel dazu Jugendliche aus allen Häusern in einer großen Produktion auf der Bühne der Kammerspiele des Bochumer Schauspielhauses versammelt. Gemeinsam spielen 40 von ihnen seit Herbst 2010 „Next Generation – Das Stück“ – vor nahezu ausverkauftem Haus, denn das, was sie zu erzählen haben, geht alle an. Was in „Next Generation“ erst klein in den einzelnen Stadtteilen begann und dann in der Begegnung der verschiedenen Zukunftshäuser immer größer wurde, bis es fast eine „Bewegung“ geworden ist, wie einer der teilnehmenden Jugendlichen es nennt, hat vor allem eines gezeigt: wie wichtig es ist, gehört zu werden und teilhaben zu können, und wie produktiv es ist, dabei auf Leute zu treffen, die nicht das Gleiche tun, wie man selbst. DIE THEATER MÜSSEN ZENTRUM DER STÄDTE SEIN Es sind in diesem Fall tatsächlich vor allem die Künste, es ist ein Stadttheater, das als Motor und Katalysator für den Prozess von Zukunftsgestaltung agiert. Im Kontext des Ortes, an dem sie sich befinden, kommt den Theatern heute und in Zukunft eine besondere Rolle zu: Stadttheater müssen Zentrum sein. Nicht nur räumlich, sondern auch im Rahmen eines Diskurses über die Stadtgesellschaft und ihre Zukunft. Sie müssen sich öffnen, aber nicht aus der defizitären Not heraus, neue Publikumsschichten für den alten Betrieb zu gewinnen, sondern aus einer Lust heraus, sich einzumischen und Verbindungen herzustellen. Zwischen den verschiedenen Milieus einer Stadt, den unterschiedlichen Disziplinen von Kultur und Stadtplanung und ja, auch zwischen unterschiedlichen künstlerischen Formen. Sie können und müssen der Ort sein, an dem sich die Bewohner einer Stadt begegnen. Und zwar alle Bewohner. Als Motor für Stadtentwicklung kann ihnen so eine Rolle zukommen, deren Kraft gerade von den Kommunen als Träger der großen Häuser oft immer noch unterschätzt wird. EINE NEUE ZUKUNFTSAKADEMIE FÜR NRW Um diesen Prozess der Öffnung und der Gestaltung einer zukünftigen Stadtgesellschaft weiter voranzutreiben und auch, um noch stärker Teil eines breiteren Diskurses zu werden, beteiligt sich das Schauspielhaus Bochum als Ideengeber an der Gründung und Ausgestaltung einer neuen Institution: Gemeinsam mit dem Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen – dort vor allem mit dem Referat für Interkulturelle Kunst- und Kulturarbeit – und der Stiftung Mercator ruft das Schauspielhaus Bochum die „Zukunftsakademie NRW“ ins Leben. Die neue Landeseinrichtung, die ihren Sitz in Bochum in einem Haus Eine Bühne und ein Ensemble für Ihren Traumurlaub. Spürbar nah. Vorhang auf … …für unser neues Büro! Seit 15 Jahren in Bochum – jetzt mit neuer Adresse und neuem Design. Auf dieser Bühne entfalten sich Ihre schönsten Reiseträume. Unser qualifiziertes und erfahrenes Mitarbeiter-Team führt Sie durch Ihr persönliches Urlaubs-Stück. Aus unserem Vollsortiment können Sie jede Reise, jede Airline und jeden Veranstalter wählen – ganz nach Ihren individuellen Wünschen und Ansprüchen. Eine Extra-Vorstellung bieten wir Geschäftsreisenden: Sie treten entspannt zu Ihren Terminen auf, wir kümmern uns um die Backstage-Arbeit. Besuchen Sie uns! Lassen Sie sich inspirieren. Wir haben viele kreative Reiseideen und individuelle Hotelempfehlungen für Sie. Massenbergstr. 7 • 44787 Bochum Tel.: 0234 96180 0 • Fax: 0234 96180 30 info@LCC-bochum.de • www.LCC-bochum.de Reisen. Spürbar nah. 78 79 Zukunft macht keiner allein im Viktoriaquartier haben wird, das die Stadt Bochum zur Verfügung stellt, wird sich Zukunftsfragen unter dem Schwerpunkt der Interkultur und der kulturellen Bildung widmen. Sie kann der Ort werden, an dem sich verschiedene Denkansätze und Strategien begegnen können – und dabei auf praktische Projekte treffen. Die Zukunftsakademie versteht sich so als ein landesweites Laboratorium für Kunst-, Kultur- und Praxisprojekte sowie als Ort für Austausch und Diskussionen. Sie ist Qualifizierungseinrichtung für Fachkräfte und Forschungsstätte für zukunftsrelevante Themen. In ihr sollen Modelle für die Zukunft der Ruhrregion und darüber hinaus entwickelt und erprobt werden. Durch die Verbindung der Konzepte DREI SÄULEN: LABOR, PRAXIS, QUALIFIZIERUNG „Kulturelle Bildung“ und „Interkultur“ will die Zukunftsakademie NRW für alle den Zugang zu Kunst und Kultur ermöglichen. Interkultur wird dabei nicht ausschließlich als Dialog zwischen Migranten und Nichtmigranten verstanden, sondern als Verständigungsprozess einer komplexen Stadtgesellschaft über sich selbst. Es ist geplant, die Arbeit der Zukunftsakademie auf drei Säulen aufzubauen: 1. Labor: „Die Kunst des Denkens“ – Wie sieht die Stadtgesellschaft von morgen aus? Diese Säule der Akademie versteht sich als Forschungs- und Entwicklungslabor für die Beantwortung der Frage, was Regionen wie das Ruhrgebiet und andere brauchen, um zukunftsfähig zu sein, und wie sich diese Zukunftsfähigkeit erreichen lässt. Hier geht es um Debatten, Symposien, öffentliche Diskussionen und Forschung. 80 Zukunft macht keiner allein 2. Praxis: „Die Kunst der Beteiligung“ – In Beteiligung Zukunft gestalten. Hier werden in enger Zusammenarbeit mit Kunst- und Kultureinrichtungen, Schulen, Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten aus NRW kulturelle Bildungsprojekte sowie Programme und Kunstprojekte zum Thema „Interkultur“ initiiert. So entstehen Kunst- und Kulturprojekte und übergreifende Praxis- und Bildungsprogramme. 3. Qualifizierung: „Die Kunst der Vermittlung“ – Wissen und Kompetenzen für die Zukunft entwickeln. Hier findet eine Fokussierung auf Schlüsselpersonen im Übergang von kultureller Bildung, Schule und interkultureller Kunst und Kultur statt. In Beratungen, Seminaren und qualifizierter Aus- und Weiterbildung. Durch das vernetzte Zusammenspiel dieser drei Säulen soll die Zukunftsakademie zu einem innovativen Gebäude der Zukunft werden. Ein Ort mitten in Bochum für ganz NRW. In Zeiten, in denen die Zukunft alles andere als sicher ist. Die Zukunftsakademie NRW befindet sich derzeit in Gründung und wird voraussichtlich Ende 2011 ihre Arbeit aufnehmen. Sie ist eine gemeinsame Initiative des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, der Stiftung Mercator und des Schauspielhauses Bochum mit Sitz in Bochum. Im Rahmen von „Next Generation“: „Auf der Suche nach dem Gedächtnis des Ruhrgebiets“ 81 Zukunft der stadt – Schöne Aussichten Zukunft der stadt – Schöne Aussichten BONGARDSTRASSE 1952 Schöne Aussichten Warum Geschichte für die Zukunft wichtig ist / von Dietmar Osses BONGARDSTRASSE heute Wir leben in wechselhaften Zeiten. Und der Wandel scheint immer schneller vonstatten zu gehen. Das gilt vor allem für den technologischen Wandel: Computer, Software, Handy – kaum hat man sich an die Bedienung und neue Funktionen gewöhnt, schon folgt die neue Generation. Wer kann da noch mithalten? Aber auch Staat und Gesellschaft ändern sich, zumindest in Europa, 82 in einem ungeahnten Tempo. Fall der Mauer, Wiedervereinigung, Auflösung des Ostblocks, Krise, Krieg und Neuformierung von Staaten in Osteuropa und auf dem Balkan, Zusammenrücken der EU-Staaten, Reform und Revolution in arabischen und afrikanischen Staaten – immer schneller scheint sich das Rad der Geschichte zu drehen. Droht der Kollaps? Oder liegt es vielleicht auch an der Perspektive? Schließlich leben wir im Informationszeitalter. Unzählige Nachrichten aus aller Welt prasseln pausenlos auf uns ein. Per Internet. Liveticker. Fernsehen. Radio. Mit dem Informationszeitalter kommt die Globalisierung der Information. Nachrichten aus aller Welt sind überall verfügbar. Und das alles praktisch ohne Zeitverzug: in Echtzeit. Bemerkenswert, diese Wortneuschöpfung. Als wäre langsamen Medien nicht zu trauen, verlören die Informationen an „Echtheit“, wenn sie verzögert zu uns kämen. Gleichzeitig droht die Banalisierung der Information. E-Mail, SMS, Twitter, Facebook: Milliarden von Belanglosigkeiten werden täglich ausgetauscht. „A mag B nicht mehr“. „C geht heute in die Kneipe“. „Der 83 Hund von D hat ein neues Halsband – gefällt mir!“ Im Smartphone verschmelzen die Informationsströme zur skurrilen Mischung: Hundehalsband-News neben Live-Berichten von Revolutionen in Nordafrika. Manche von denen elektronisch organisiert per „social networks“. Um hier den Überblick zu behalten und nicht haltlos einem Taumel des immer schnelleren Wandels zu Zukunft der stadt – Schöne Aussichten Zukunft der stadt – Schöne Aussichten kortumstraSSe heute kortumstrasse 1955 verfallen, lohnt der Perspektivwechsel: neuer Fokus, Veränderung der Brennweite. Erster Brennpunkt: Die USA. „Change“ war das Stichwort der Wahlkampagne von Barack Obama beim Präsidentschaftswahlkampf 2008. „Change“ wurde weit über die USA hinaus zum Slogan für das Aufbrechen verkrusteter Strukturen und Ansichten. Wandel, hier aus der politischen Erfahrung der USA eben nicht als Naturgewalt einer fortwährenden selbstständigen Beschleunigung verstanden, sondern als bewusste Aktion, die es anzustoßen galt, als aktives Handeln, als erster Schritt zur positiven Veränderung. Zweiter Brennpunkt: Das Ruhrgebiet. Spätestens seit dem Titel „Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010“ scheut das Revier nicht den Vergleich 84 mit den großen Metropolen. „Kultur durch Wandel – Wandel durch Kultur“ war das Motto. Beschreibung des Erreichten oder Ansporn für die Zukunft? Große Teile des Programms waren auf die Zukunft ausgerichtet. Ohnehin hat Zukunft Konjunktur. „Herausforderungen der Zukunft meistern“, „Zukunftsfähigkeit“, das sind in unserer Gesellschaft allgemein anerkannte Forderungen. Wo- bei die Zukunft allein ja kein Wert ist: „Sie kommt“, wie der Dortmunder Kabarettist Fritz Eckenga treffend bemerkt, „ja sowieso“. Der heute für die kommenden Zeiten anzunehmende Wandel bildet die Herausforderung – und die Chance, durch aktives Handeln in der Gegenwart die künftige Entwicklung zu beeinflussen. Aktives Handeln, Experimentieren, Erproben: Gerade die Kultur hat gezeigt, welche innovativen Kräfte in ihr stecken. Schauspielhäuser, Theater und Bühnen zeigen sich als Zukunftslabore und Ort der Utopien. Der Wandel hat indes eine lange Tradition in der Region. Und kaum eine andere industrielle Region hat einen solch umfassenden und sich dabei über einen solch langen Zeitraum erstreckenden Wandlungsprozess durchlebt wie das Ruhrgebiet. 85 Vor mehr als fünfzig Jahren begann mit der ersten großen Kohlekrise der Nachkriegszeit der langsame und stete Niedergang des Steinkohlenbergbaus im Revier, der die gesamte Schwerindustrie erfasste und in dessen Folge sich die wirtschaftliche und gesellschaftliche Struktur der Region grundlegend änderte. Änderung der Brennweite: Utopien schauen nach vorn. Sie können Zukunft der stadt – Schöne Aussichten Zukunft der stadt – Schöne Aussichten kortumstraSSe/Engelbert-brunnen heute kortumstrasse/Engelbert-brunnen 1955 begeistern, irritieren, verstören. Sie entwickeln Dynamik, reißen mit. Wohin? Was bleibt – bleibt was? Was geben wir auf, was bekommen wir? Die Änderung der Brennweite, der Blick zurück in die Geschichte, kann hier oft neue Perspektiven eröffnen. Geschichte wiederholt sich nicht, aber ein Blick in die Geschichte kann die Bedingungen der Möglichkeiten zeigen, die die Entwicklung in der Vergangenheit beeinflusst haben. Geschichte liefert keine Rezepte für die Zukunft. Sie bietet aber die Chance, Veränderungen in ihrer historischen Bedingtheit zu erkennen und damit Anstöße für die Gegenwart zu liefern: Änderung ist möglich. „Aus der Geschichte für die Zukunft lernen“ – als bewusster Perspektivwechsel eingesetzt, bleibt das keine blutleere Formel der Ge- 86 schichtsdidaktiker, sondern kann zur Methode werden, den Wandel gestalten zu helfen. Geschichte ist ständig erlebbar und greifbar nahe. Besonders im Ruhrgebiet. Hier ragen zufällige Überreste und gepflegte Industriedenkmale, Brachen und Siedlungen, Halden und Senken als Zeugnisse des schwindenden Industriezeitalters auf Schritt und Tritt in unsere Gegenwart hinein. Sie erzählen von Aufstieg und Fall, Macht und Ohnmacht, Gestaltungswillen und Widerstand, erreichten und unerreichten Utopien. Sie zeigen die Spuren ihrer Nutzung und der Zeit – und verweisen damit letztlich immer auf die Menschen. Was für die Gegenwart das Theater ist, ist für die Vergangenheit das Museum: Bühne und Labor zugleich. Beide schauen mit wechselnden Perspektiven auf die Menschen, sind Experimentierfeld für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In kaum einer anderen Region ist das spannender als im Ruhrgebiet. Dietmar Osses ist Historiker und Leiter des LWL-Industriemuseums Zeche Hannover im Städtedreieck Bochum, Herne und Wattenscheid. 87 vorher – nachher Die Fotos auf diesen Seiten sind historische Aufnahmen aus den Beständen des Bochumer Stadtarchivs. Der Fotograf Alexander Romey hat sich auf Spurensuche begeben und Jahrzehnte später am gleichen Standort nochmal auf den Auslöser gedrückt. Zukunft der stadt – Zwei Prozent wandel Zukunft der stadt – Zwei Prozent wandel Damit keiner verloren geht, ist in diesem Plan das Zentrum der Stadt als Koordinate markiert: Das Schauspielhaus an der Königsallee. Zwei Prozent Wandel auf schwarz-weißem Grund Dieser Plan zeigt die Seele der Stadt / von Eckart Kröck Die Analyse und Deutung der räumlichen Grundstrukturen der gebauten Stadt erfordern die Darstellung in Karten, Plänen und Modellen. Die gewöhnliche Stadtkarte mit ihren bunten Flächen und Linien, den Straßennamen, den Bezeichnungen der öffentlichen Gebäude, den unterschiedlichen Nutzungsangaben und den politischen und administrativen Grenzen unter dem kar- 88 tografischen Suchraster ist uns ein täglicher Begleiter in der Heimat wie in der Ferne. Sehr viel einfacher dagegen sind die Darstellungselemente des Figur-Grund-Plans. Auf weißem Grund zeigt er die Leerstellen der Stadt und mit den geschwärzten Flächen die Körnigkeit und die Stellung der Bebauung – hier die kleinen Reihen- und Doppelhäuser, dort die großen Strukturen der Fabriken oder die Shopping-Malls. Die Raumbildung oder eben auch das öde Auseinanderfließen des ungestalteten Raumes werden deutlich, und wer auf eine historische Reise gehen will, findet mit ein wenig Übung den ganzen Vorrat der Stadtgeschichte. Jeder Bruch oder jede Abkehr von einer harmonischen Ordnung wie auch die geschickte Verzahnung unterschiedlichster Strukturen berichten vom Werden und Vergehen einer Stadt. Vor allem aber ist der Figur-GrundPlan reinste Poesie: Er offeriert in tiefer perspektivischer Abschattung einen möglichen Seelenzustand der Stadt, vergleichbar den Furchen und Narben in einer Hand, die von der Lebensgeschichte und dem Zustand eines Menschen berichten. Auf Treu und Glaube sind wir alle unumkehrbar in die globale Stadt eingebunden. 89 Die Arbeit in und mit der Stadt ist eine Arbeit am Lesebuch der Stadt, dem Figur-Grund-Plan. Wir schreiben uns in dieses Dokument mit unseren unterschiedlichen Beiträgen ein und bestimmen damit die Zukunft der Stadt. Der vom Menschen verortete Erfahrungsraum sichert die Differenz zwischen der objektiv messbaren und Zukunft der stadt – Zwei Prozent wandel der gefühlten Zeit. Zugleich bildet er das stabile und dauerhafte Gerüst für Offenheit, Toleranz und beständigen Wandel und vice versa benötigt die Verortung des unendlichen Raumes die drei Zeitzustände: Vergangenheit, flüchtige Gegenwart und Zukunft. Das beständige Nebeneinander von stabilen und instabilen Prozessen sowie die drastische Verminderung der Entfernungszeiten und die Mechanisierung unserer Arbeitsund Lebensprozesse heben die Simultanität von Raum und Zeit auf. Die gebaute Stadt verändert sich maximal zwei Prozent im Jahr Nicht allein die rasante Entfaltung der Informationstechnologien verwandelt binnen kürzester Zeit unsere Lebenswelt. Bereits die Zeit für die Urfunktion der Stadt, das Wohnen, stellt sich für verschiedene Altersgruppen und ihre jeweiligen Bedürfnislagen höchst unterschiedlich dar. Der Kontrast zwischen der Zeit des dynamisch aktiven Lebens und dem langsamen Verrinnen der Zeit für die Menschen in Altersheimen verändert unmittelbar die Bedeutung des Hauses oder Quartiers, gar der Stadt. Extrem kurze Werbespots, Fastfood, die Erhöhung der Redegeschwindigkeit und selbst das Tempo der Fußgänger hat sich in den letzten zwei Dekaden um 20 bis 30 Prozent gesteigert, freilich ohne dass sich das steinerne Trottoir änderte. Die Beschleunigung der ökonomischen, technischen, kulturellen und sozialen Prozesse überholt fortwährend die Trägheit des gebauten Raumes. Die maximal 2 Prozent Veränderung pro Jahr, die die Stadttheorie der gebauten Stadt attestiert, kann mit dem nachmodernen Beschleunigungsrausch nicht Schritt halten. Selbst in wirtschaftlich prosperierenden Zeiten und in den Wachstumszentren der Republik wird sich unsere bauliche Umwelt – die Straßen und Gleise, die Fabriken und Bürohäuser, die Parkanlagen und Wohnungen – nicht schneller verändern. Die Architektur ist zu langsam für den sich unerbittlich um sich selbst drehenden Zeiger oder die Pulsation des ewigen Metronoms. Alle radikalen Versuche zu einer Flexibilisierung der gebauten Stadt sind im Grunde gescheitert. Auf der Ebene des Gebäudes hatte sich der wohl wichtigste Architekt des 20. Jahrhunderts, Le Corbusier, mit einem Pavillon für die Fa. Philips auf der Weltausstellung in Brüssel 1958 mit einer vierdimensionalen RaumZeit-Architektur probiert. Sein acht Minuten dauerndes, auf Wiederholung programmiertes „Gedicht“ zur Veränderung des Innenraumes durch Ton, Licht, Farbe und Rhythmus darf als ein erster poetischer Ansatz für ein intelligentes Gebäude verstanden werden. Am weitesten reichten die Allmachtsfantasien der Mondfahrergeneration zu einer umfassenden Flexibilisierung ganzer Städte. Die sozial und technisch ambitionierte Avantgarde der 1960er und 70er Jahre konzipierte riesige Primärgerüste aus Raumfachwerken. In das neutrale Trag- und Versorgungsgerüst konnten Wohnkapseln an beliebigen Stellen angedockt und entsprechend der gewünschten sozialen Figurationen untereinander verkoppelt werden. Die baulichen Deserteure des Stadtraumes Die rechtlichen, ökonomischen und verkehrlichen Restriktionen des Grund und Bodens sollten sich durch die Kolonisierung des Luftraumes in der zweiten Schicht über der alten Stadt auflösen. Die visionären, ortlosen Superplastiken blieben lediglich Papierskizzen, landeten, wie das Pariser Centre Georges Pompidou der Architekten Renzo Piano und Richard Rogers, als bauliche Deserteure im Stadtraum oder wurden, wie die Metastadt Wulfen des Architekten Richard Dietrich in den 1980er Jahren, nach nur 20 Jahren zurückgebaut. Die kühnen Entwürfe befeuerten zwar die Architektur- und Städtebaudiskussionen, fanden jedoch nur sehr begrenzten Eingang in die Praxis. Als wichtigste Einsicht bleibt, dass nur 90 robuste Bau- und Siedlungsstrukturen in der Lage sind, es mit den beständigen Veränderungsprozessen der Stadt aufzunehmen. Die traditionellen städtebaulichen Grundstrukturen der europäischen Stadt besitzen hier ganz augenscheinlich große Vorteile: Kompakt bebaut und damit flächensparend, randständig an der Straße orientiert sowie raumbildend situiert, schaffen sie räumlich und sozial verständliche öffentliche Bereiche und trennen diese eindeutig von den intimeren Nutzungen auf der privaten Parzelle. Auch die beste Einzelarchitektur kann sie nicht ersetzen. Wenn der Hauseingang nicht mehr direkt von der Straße zu erreichen ist, verliert das Gebäude sein öffentliches Gesicht und der Straßenraum seine Attraktivität. Die soziale Kontrolle auf der Straße geht verloren und sie wird zum eindimensionalen Verkehrsträger reduziert. Die vierdimensionale Gewissheit aus Raum und Zeit konstituiert unsere urbane Umwelt. Sie bildet ein solides Fundament für Stabilität und Veränderung. In der Raumzeit entfaltet sich das ganz große Theater der Stadt und die Inszenierung der Alltagswelt findet ihre Bühne. Die komplexe Matrix aus Raum und Zeit eröffnet einen urbanen Möglichkeitsraum für beständig neue Aushandlungsprozesse zwischen Individuen und sozialen Gruppen zu den unterschiedlichsten Initiativen, Aktivitäten und Nutzungen. Je überschaubarer der Möglichkeitsraum ist, um so eher besteht die Chance zur Intervention und Beherrschbarkeit. Eine Überlagerung des räumlichen Planes mit einer Zeitleitplanung als einem verdeckten Stellwerk wird aber selbst im kleinsten Stadtquartier keine durchgreifend planvolle Modulation der Lebens- und Arbeitszeit ermöglichen. Es braucht den von der Straße erreichbaren Hauseingang Die Kontrolle über Raum und Zeit ist uns verwehrt. Was uns ankert, ist der urbane Möglichkeitsraum als praktisches Labor für die Gestaltung kooperativer Entwicklungswege, für die Ausbildung demokratischer Entscheidungs- und Durchsetzungsstile sowie für das fortwährende Lernen der Stadt aus ihrer Praxis heraus, als ein Schlüssel ihrer erfolgreichen Existenz. Schon längst werden ursprünglich monofunktional geplante Räume, etwa Schulhöfe oder Turnhallen, durch verschiedenste Gruppen und zu unterschiedlichsten Aktivitäten genutzt und die Straßen und Plätze gewinnen zunehmend ihre vielfältige Bedeutung als öffentlich genutzten Raum zurück. Wenn auch die Lärmempfindlichkeit und die Reizschwelle für Störungen gewachsen sind, wird doch eine der wesentlichsten Errungenschaften der über 2.000 Jahre alten europäischen Stadt, das neue alte Paradigma der Nutzungsmischung, weiter an Bedeutung gewinnen. Vielfältige und kreative Städte formulieren sich aus dieser Überschneidung und Verschränkung und entwickeln daraus bislang nicht wahrgenommene Möglichkeitsräume. Auch dazu sind die einfachen und robusten Grundstrukturen des traditionellen europäischen Stadtraumes unabdingbar. Nachhaltig, über die biografische Lebensspanne der Erbauer hinaus, sorgen sie für die notwendige „Umkonstruktionsfähigkeit“ der Gebäude wie der Stadt. Frank Reiners** Christian Vietmeyer Dr. Oskar A. Trost** Dr. Karl-Heinz Böttner* Guido Zimmermann Wirtschaftsprüfer Steuerberater Rechtsanwalt Wirtschaftsprüfer Steuerberater Steuerberater Rechtsanwalt Wirtschaftsprüfer Steuerberater Integrierte Wirtschaftsberatung Um optimale Beratungsresultate für unsere Mandanten zu erreichen, haben wir verschiedene Kompetenzen aus drei Fachbereichen integriert: • Wirtschaftsprüfung • Steuerberatung • Rechtsberatung Trost · Rudoba & Partner betreut Unternehmen, Organisationen, Gesellschafter, Freiberufler und Privatpersonen in den Fachbereichen Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung. Die Rechtsberatung erfolgt durch die Anwälte der Sozietät Trost · Rudoba & Sozien. Je nach Aufgabe arbeitet ein individuell zusammengestelltes Team für Sie. * Internationales Steuerrecht ** Qualitätskontrollen gem. § 57a WPO Eckart Kröck war Stadtplaner und Architekt unter anderem in Frankfurt am Main und in Gelsenkirchen für die Internationale Bauausstellung Emscher Park 1. Derzeit ist er Amts- und Institutsleiter für Stadtplanung und Bauordnung der Stadt Bochum. Morianstraße 45 42103 Wuppertal Telefon: (0202) 49 23-0 Telefax: (0202) 49 23-111 david bösch – little creatures little creatures ein portrÄt des bochumer Hausregisseurs david bösch Text: Sabine Reich Fotos: christian Rolfes G eht man in eine Inszenierung des Regisseurs David Bösch, weiß man nie, wer einem dort begegnen wird. Es sind merkwürdige Wesen, die uns da plötzlich gegenüberstehen: ekelige Monster, Zombies, Freaks und wilde Geister haben sich auf die Bühne verirrt. Traurige Schattengestalten stehen plötzlich im grellen Licht und berühren uns mit ihren Geschichten, die in keinem Theaterstück der Welt geschrieben wurden. Sie alle sind Figuren, die es gar nicht gibt. Sie existieren nicht, bevor David Bösch sie nicht auf die Bühne bringt. Kein Autor hat sie erdacht, keine Buchstaben bannen sie schwarz auf weiß auf 93 Papier. David Bösch hat sie von Probe zu Probe ins Leben gerufen. Er hat sie gesucht und verworfen, gehasst und geliebt, sie täglich neu erfunden und täglich wieder zerstört. Am Ende stehen sie vor uns und warten auf Applaus. Sie sind seine Kreaturen und er hat sie zur Welt gebracht. david bösch – little creatures A riel und Caliban sind zur Welt gekommen in Shakespeares „Sturm“. Luftgeist und Hexenbalg gehören und gehorchen Prospero, dem mächtigen Zauberer, und ihn verfluchen sie. Aus dieser Ambivalenz zwischen Liebe und Hass, Aufbegehren und Verrat hat David Bösch zwei Figuren entwickelt, die plötzlich im Zentrum stehen. Sie sind es, die die Ereignisse auf der Insel erzählen und ihre Sehnsucht begleitet uns durch das Stück. Es ist ihr Stück, das David Bösch erzählt. Und so, wie es seine Kreaturen sind, so ist es immer seine Geschichte, die er erzählt. Puck war die erste Kreatur, die er zum Leben erweckte – jener wilde Geist, der zwischen Wald und Wiesen im „Sommernachtstraum“ sein Unwesen treibt. 2005 eröffnete David Bösch damit die Intendanz von Anselm Weber am Schauspiel Essen und jahrelang war von diesem Puck die Rede. Der kleine Puck hatte sich von einem Naturgeist in ein Menschenkind verwandelt, aus dem Schritt für Schritt eine junge Frau wurde. Jedes Mal, wenn Puck einem Menschen im Wald begegnete, entdeckte er, was er eigentlich ist. Aus dem Kind, das spielt, wurde eine junge Frau, die liebt oder zumindest weiß, dass sie dazu in der Lage ist. Es war ihre Geschichte, die den „Sommernachtstraum“ besonders machte. Puck ist die kleine Schwester der beiden großen, erwachsenen Brüder Ariel und Caliban. Ihre eigentümliche Familie scheint entfernt verwandt zu sein mit der Familie der Gremlins, jenen liebenswerten Kuscheltieren, die sich jeden Augenblick in fiese Monster verwandeln können. Nur funktionieren David Böschs Figuren umgekehrt: Sie sind fiese Monster, denen wir dabei zuschauen, wie sie liebenswerte Menschen werden oder zumindest davon träumen, solche zu sein. Anders gesagt: Sie sind Menschen in der Pubertät, jener Phase im Leben, in der wir werden, was wir sind. P ubertät, das ist absoluter Ausnahmezustand, findet David Bösch. „Niemals wieder erleben wir Emotionen so stark und intensiv, niemals empfinden wir so absolut und tief. Diese starken Emotionen vermissen wir später im Leben“, sagt er. In der Pubertät geschieht alles das erste Mal: Man fällt heraus aus seinem Leben und wird sich fremd, fühlt sich wie ein Alien, ein Monster, so hässlich, ungeliebt und unverstanden. Hass auf die Welt, blinde Zerstörungswut, narzisstische Allmachtsfantasien und Aggressionen wüten in den Seelen, in denen immer noch ein kleines Kind wohnt, das kuscheln will und spielen. Es ist, als ob die Mächte des Bösen und Guten um die Seelen kämpfen, und in einem großen Sturm wird das Kind, das sie einmal waren, vertrieben. Eine Sehnsucht, die sie nicht benennen und begreifen können, treibt sie an, und aus kleinen Raupen werden schöne Schmetterlinge. Auf der Bühne schauen wir David Böschs Figuren zu, wie aus Monstern Menschen werden. „Mein Vater sagt immer, ich hatte eine schlimme Kindheit, aber ich glaube das nicht.“ David Böschs Vater ist Psychologe und Psychoanalytiker. Die Arbeit auf den Proben im Theater empfindet er nicht so weit weg von dem, was sein Vater tut: „Einer erzählt etwas und einer hört zu.“ Aufgewachsen ist David Bösch in Ostwestfalen-Lippe, seine Eltern leben heute noch dort. Erste Theatererfahrungen sammelte er in Bochum bei dem Projekt „Theater Total“. Dort, erinnert er sich, gab ihm sein Tanzlehrer den Rat, ein Jahr zu trainieren, dann könne ein merkwürdiger Tänzer aus ihm werden. Lieber aber inszenierte er den „Urfaust“ und in seiner Erinnerung passierte es während dieser ersten Proben, dass er merkte: „Das ist meine Art, Kreativität auszuleben. Das macht Spaß.“ P roben mit David Bösch machen Spaß, aber sie sind eine schwere Geburt, denn die Geschichten und Kreaturen, die uns und ihm am Ende auf der Bühne gegenüberstehen, müssen mühsam auf die Welt gebracht werden. Es gibt sie weder in dem Stück, das er inszeniert, noch in seinem Kopf. Sie erwachen während der Proben und nehmen Schritt für Schritt Gestalt an. Seine Arbeit beginnt mit Stri94 david bösch – little creatures Kleiner Mann – was nun? Draussen vor der tür Premiere am 7. Januar 2012 im Schauspielhaus Premiere am 4. Mai 2012 in den Kammerspielen Manchmal sind es die kleinen Dinge, die das Leben ausmachen. Zum Beispiel die Liste über den Normal-Etat, die Lämmchen erstellt hat für alle Einnahmen und Ausgaben der kleinen Familie Pinneberg. Lämmchen und ihr Mann geben sich ein großes Versprechen: Sie werden den Etat einhalten, drei Zigaretten am Tag und Blumen für 1,15 im Monat müssen reichen. So werden kleine Dinge zu großen Träumen. Irgendwann einmal ein Leben ohne Sorgen, in dem das Geld reicht, die Arbeit sicher ist und in dem der Murkel, der bald zur Welt kommt, in Sicherheit aufwachsen kann. Das wäre schön. Ein kleines bisschen Glück haben die beiden bereits gefunden, als sie sich und ihre Liebe fanden. Das reicht lange, aber ob es auch ausreicht, wenn Pinneberg ohne Arbeit ist und alles abwärts geht? Wenn Mutter Pinneberg und alle anderen nur an sich denken? „Die wollen alle was von mir, für mich wollen sie doch nichts“, denkt Pinneberg traurig. 1932 schrieb Hans Fallada den Roman über den kleinen Angestellten und seine beherzte Frau, die in den wirren Jahren der Weltwirtschaftskrise des letzten Jahrhunderts verzweifelt um ihre Existenz kämpfen. 1972, vierzig Jahre später, brachte Peter Zadek das Stück auf die Bühne des Schauspielhauses Bochum und prägte damit eine neue Art von politischem Volkstheater. Wiederum vierzig Jahre später inszeniert David Bösch diese Geschichte erneut. „Ein Mann kommt nach Deutschland... Einer von denen, die nach Hause kommen und die dann doch nicht nach Hause kommen, weil für sie kein Zuhause mehr da ist. Und ihr Zuhause ist dann draußen vor der Tür. Ihr Deutschland ist draußen, nachts im Regen, auf der Straße.“ Mit diesen Worten eröffnet Wolfgang Borchert 1946 sein Stück „Draußen vor der Tür“, das wie kein anderes die Gefühle der Nachkriegsgeneration zum Ausdruck brachte. Wie ein Schrei durchbrachen die leidenschaftlichen Worte des Kriegsheimkehrers Beckmann das beklemmende Schweigen und die Stille in dem vom Krieg zerstörten Land. Das Stück folgt den Stationen von Beckmann, der durch seine Heimatstadt irrt und kein Zuhause findet. Dabei begegnet er verschiedenen Figuren, die ihn und sein Schicksal befragen: Gott, an den keiner mehr glaubt, dem Tod, der floriert, der Elbe, die ihn nicht als Selbstmörder haben will, beim Mädchen wird er vertrieben und im Bett seiner Frau liegt ein anderer. Er bleibt allein mit seinen Wunden und Erinnerungen, mit seiner Verantwortung und der Schuld. Er bleibt draußen vor der Tür. von Hans Fallada Zwei Mal vierzig Jahre später und die Fragen sind doch die gleichen geblieben: Wie können Menschen in unsicheren Zeiten überleben, wenn gigantische wirtschaftliche Systeme zerbrechen und sie wie Zwerge zermalmen? Sie stehen immer wieder auf und kämpfen weiter. Eine alte, traurige und schöne Geschichte über die Liebe und das Glück in dunklen Zeiten – immer noch. von Wolfgang Borchert Auch heute irren Menschen durch die Straßen unserer Städte, auch für sie liegt Deutschland draußen auf der Straße. Sie kommen aus dem Krieg, der heute überall, aber fern von hier geführt wird, sind auf der Flucht, von wo auch immer, vielleicht auch nur vor sich selber, vor der Armut, dem Scheitern. Sie finden kein Zuhause und bleiben draußen vor der Tür. David Bösch befragt und inszeniert diesen Klassiker der neuen deutschen Dramatik für die Bühne der Kammerspiele. Regie: David Bösch Bühne: Dirk Thiele Dramaturgie: Sabine Reich Regie: David Bösch Dramaturgie: Sabine Reich chen. Wort für Wort, Satz für Satz wird aus dem ursprünglichen Stück Text gestrichen. David Bösch schafft Schlupflöcher und Freiräume, aus denen seine Kreaturen schlüpfen können. Er sucht die zentralen Momente des Stückes, schafft konzentrierte Situationen, reduziert Rahmenhandlungen und Personen auf das Nötigste. Übrig bleibt ein Skelett von einem Stück, das er neu belebt. Aus den Tiefen des Textes steigen Figuren empor und nehmen sich ihren Raum. Plötzlich stehen sie da, allein und geblendet im Licht: Großaufnahme. „Die Großaufnahme im Film ist der Blick in die Seele. Darum beneide ich den Film, aber das kann Theater auch, ich versuche es zumindest immer wieder.“ Die Großaufnahme, der Blick in die Seele, ist der Moment, in dem eine Figur mit sich kämpft und darum ringt, das werden zu können, was sie zu sein glaubt. Üblicherweise ist das ein Monolog: viele Worte, die ein Mensch zu sich sagt. David Bösch inszeniert Monologe mit wenig Text. Es sind nicht die Worte, die eine Figur ausmachen. Er vertraut nicht der Sprache, sondern der Sehnsucht der Figur. D er Tambourmajor in „Woyzeck“ braucht kein einziges Wort auf der Bühne, um all seinen Hass, seine Angst, seine Wut und seine Einsamkeit in die Welt zu schreien. Seine ganze Figur ist ein einziger stummer Monolog und wir schauen in den Abgrund seiner Seele. Ihm fehlen die Worte und vielleicht hat deshalb dieses Monster als einziges in David Böschs Welt keine Chance, sich zu verwandeln und zu etwas anderem zu werden, als es ist. Der Tambourmajor ist eine der schärfsten und hoffnungslosesten Figuren, die David Bösch inszeniert hat, so wie auch der „Woyzeck“ einer seiner dunkelsten und doch faszinierendsten Abende ist. Es ist eine alte und müde Welt, durch die Woyzeck, Marie und die anderen irren. Sie sind verlorene Seelen, die vergessen haben, dass sie einst Kinder mit einem großen Herzen waren. In ihre Welt hat David Bösch die Kinder nicht mitgenommen. Viele seiner anderen Arbeiten hingegen sind Familienaufstellungen, in denen Kinder wütend gegen die Schatten ihrer viel zu schwachen Eltern antreten. Wenn sie scheitern, scheitert mit ihnen eine ganze Generation von Eltern, die ihren Job nicht machten. „Romeo und Julia“, inszeniert 2004 in Bochum, gehören zu diesen verlorenen Kindern wie auch „Antigone“ am Schauspiel Essen. Die Tragödie passiert in beiden Inszenierungen, weil Kinder vollkommen überfordert die Schuld der Eltern zu tragen haben und daran zerbrechen. Sie werden alleingelassen von hilflosen Vätern und Müttern, die sich ihrer Verantwortung nicht stellen. Auch das ist Pubertät: zu spüren, wie schrecklich allein man ist in der Welt. Niemand kann helfen, kei95 ner kennt den Weg hinaus aus dem dunklen Wald. W o der Wald am dunkelsten ist, dahin zieht David Bösch mit jeder Probe. Jede Probe ist ein Schritt weiter hinein ins Dickicht, dahin, wo kein Sonnenlicht mehr scheint. Jetzt gilt es nur noch, den eigenen Monstern zu begegnen. Der Weg wird von Tag zu Tag undurchsichtiger, das Labyrinth verworrener. Doch im Innersten des Waldes gelten keine Regeln: hier ist alles erlaubt, wird alles ausprobiert und alles ist möglich. Von nun an wird gespielt und das ist ein großer, wilder Spaß. Auf diesen Weg begleiten ihn nur die Schauspieler. Sie sind es, die mit ihm gemeinsam die Freaks und Monster wachrufen. Aus ihren Spielen erwachsen diese eigentümlichen, wilden und zarten Wesen. Sie verleihen ihnen Hand und Fuß, geben ihnen Energie und hauchen ihnen Leben ein. Dann endlich stehen sie vor uns, geblendet vom Bühnenlicht. Irgendwie haben sie ihren Weg aus der Tiefe der Dunkelheit an die Rampe gefunden. Unbeholfen und linkisch stehen sie da, aggressiv und ängstlich. Doch wenn sie uns anschauen und wenn sie – nach langer Zeit, denn es dauert und ist ein langer Weg – die ersten Worte finden und zu uns sprechen, dann kann es sein, dass sie lächeln. Und plötzlich sind sie wunderschön. D enn David Bösch gibt jedem Monster eine Chance. Er hat sie freigelassen und auf die Bühne gestellt, damit wir sie erlösen. So wie er mit ihnen in den dunklen Wald zieht, so führt er sie auch wieder hinaus und weist ihnen den Weg ins Licht. Dann sehen sie uns an und wir sehen sie. Großaufnahme: der Blick in die Seele. Sehnsucht, sichtbar für einen Moment. Aus Monstern werden Menschen. Das gelingt immer dann, wenn wir und unsere Monster uns anschauen. Wir haben nur dann eine Chance, ein Mensch zu werden, wenn wir Menschen begegnen. Dieser magische Moment, in dem wir uns im anderen erkennen, das ist das Theater von David Bösch. Was nun? Fragt man sich doch oft. Ich zumindest. Mal lauter und mal leise. Da, wo Du jetzt bist, gibt es die Frage wohl nicht mehr… Ach, wer weiß das schon. Hier unten (oder ist es oben?) gibt es sie aber immer noch. Bei den Kleinen und den Großen. Den Guttenbergs und den Pinnebergs. Vielleicht sogar den Tieren, zumindest den Fischen. Ach, wer weiß das schon. Roman auf der Bühne. Fandest Du, als Du jung warst, gut, als Du älter warst, nicht mehr so gut. Seufz. „Kleiner Mann“ machen wir hier unten/oben jetzt viel. Scheint sie wieder zu geben. Die Lämmchens, Pinnebergs, Jachmanns, Mias, Heilbutts, Marias und auch die dicken Männer mit Brille. Peter, ich wollte Dich um Erlaubnis fragen. Ich möchte auch gerne? Wie, kein Problem… Dich in Ruhe lassen mit dem Theaterquatsch… Besseres zu tun… endlich?... Also, dürfte ich… wie, kein Anschluß unter dieser… Wer ich überhaupt bin??... Hallo… Peter… Hallooo. „Die heißen Jahre“ hast Du Deine Bochumer Zeit mal genannt. Also, lauwarm darf es dann wohl nicht werden. Ich bemühe mich. Ehrenwort. Und wenn’s nix wird (passiert im Theater, aber wem sag ich das), können wir uns ja immer noch erinnern. An Dich. Und an das Leben. 1972. Vor 40 Jahren. Die Arbeit, die Liebe, die Wohnung. Die neue Wohnung, die neue Liebe. Und den unbedeutsamen Rest. Man sieht sich, David Böschs Brief richtet sich an Peter Zadek (1926-2009), der von 1971-1975 Intendant des Schauspielhauses Bochum war. 1972 inszenierte er hier sehr erfolgreich „Kleiner Mann – was nun?“ nach dem Roman von Hans Fallada. 96 GEISTERSTUNDE Kein Mensch weiß, wann dieses Hotel im Zentrum der Stadt das letzte Mal tatsächlich geöffnet war. Und doch: es wirkt, als sei das Leben hier nur kurz zum Stillstand gekommen, als könnte es jeden Moment wieder losgehen. Und sind nicht nachts manchmal Stimmen zu hören, wenn man daran vorbei geht, oder sogar Musik? Aus manchen Orten zieht man eben einfach nicht aus. Over and out. DAS LEBEN DER BOHÈME nach dem Film von Aki Kaurismäki Premiere im Dezember 2011 im Theater Unten Sie sind Überlebenskünstler. Der albanische Maler Rodolfo, der Komponist Schaunard und der Schriftsteller Marcel sind ein poetisches Trio infernal. Am Rande des Existenzminimums schlagen sie sich mit Stil und Fantasie durch den Dschungel der Großstadt. Sie leben von Tag zu Tag, von der Hand in den Mund. Inspiriert von Henri Murgers Roman „Scènes de la vie de bohème” (1851) und Giacomo Puccinis Oper „La Bohème“ erzählt der finnische Regisseur Aki Kaurismäki in „Das Leben der Bohème“ vom Leben drei gestrandeter Künstlerexistenzen. Mit bestechender Zartheit und liebevollem Humor lässt er sie gegen verständnislose Vermieter, ungeduldige Gönner und die Willkür der Behörden kämpfen. Und natürlich ihre Liebe finden. Doch ihr fragiles Glück lässt sich nicht halten. Als Rodolfos Geliebte Mimi sterbenskrank wird, wenden die drei Freunde all ihren Erfindungsreichtum und ihre letzten finanziellen Mittel auf, um die verbleibenden Tage ihres Lebens zu verschönern. Eine melancholische Komödie so traurig-schön wie finnischer Tango. Regie: Barbara Hauck Bühne und Kostüme: Johanna von Gehren Dramaturgie: Anna Haas Foto: diana küster Barbara Hauck ist Regieassistentin am Schauspielhaus Bochum und stellt mit dieser Arbeit ihre erste Inszenierung vor. nuran david calis – das prinzip chioZZa Das prinzip chiozza „Machen wir uns nichts vor. Ich sollte das tun, was ich am besten kann: Rambazamba“, sagt Nuran David Calis. Wie gut er es kann, hat der Autor und Regisseur zuletzt mit „Next Generation“ gezeigt. Und auch, dass man laut sein und trotzdem klug von heute erzählen kann. Nun nimmt er sich – mit Schauspielern des Ensembles und Sängern und Tänzern aus der Stadt – Goldoni vor und dessen Komödie „Krach in Chiozza“. Ein Vorgeschmack. E s war Sonntag auf Montag. 3.00 Uhr. Auf dem Meer vor der Küste Chiozzas. Nass und kalt war es. Der Wind wehte stark und Titta Nane, samt seiner Mannschaft, war todmüde. Aber Titta Nane konnte nicht früher Schluss machen… – sein Boot nach Hause steuern, zu Lucietta, seinem Mädchen. Titta Nane würde sowieso kein Auge zubekommen. Die Nacht konnte so nicht enden. Die Netze waren leer. Die Köder mussten noch mal ausgeworfen werden. Hier und da, um dieses und jenes einzufangen. Bloß nicht mit leeren Händen zu Hause blicken lassen. Niemals den Appetit verlieren, den Hunger. Mehr wollen als andere. „Habt ihr schon mal daran gedacht abzuhauen?“ Die Frage war plötzlich in seinem Kopf, und Titta Nane hatte es wohl auch laut gesagt, Titta Nane war so müde, dass Titta Nane das nicht mehr unterscheiden konnte. Am Hafen saßen sie noch alle zusammen. Keiner wollte mit leeren Netzen nach Hause gehen. In dieser Nacht hatte niemand was gefangen. Leere verbindet. Es war schon fünf. Die Sonne ging allmählich auf über der Stadt. Lucietta, seine große Liebe, hatte ihm gestern Nachmittag diesen Gedanken ins Ohr gesetzt. Kurz nach dem Kuchen, den sie für ihn gebacken hatte, den er mit ihr aß. Die anderen Fischer und Kahnbesitzer – Toffolo, Fortunato, Toni und 101 text: nuran david caliS FOTO: CHRISTIAN ROLFEs nuran david calis – das prinzip chioZZa Vicenzo – runzelten die Stirn, und Titta Nane wusste, dass sie noch nie darüber nachgedacht hatten. Auch wenn Fortunato mal zehn Tage raus aus Chiozza war. An einem Ort, an den er sich mittlerweile nicht mehr erinnern konnte. Ging er von alleine? Oder hatten ihn Dämonen entführt? HUSTLE AND FLOW Also wirklich weg wollte keiner von hier, keiner von ihnen, Titta Nane kannte auch niemanden, der aus Chiozza aus eigener Kraft rausgekommen war. Hier strandet man irgendwie, dachte Titta Nane, und es gibt keinen, der einem hilft, keinen Retter von Greenpeace, der einen ins Meer zieht. Der Hafen von Chiozza ist Endstation, hier geht man irgendwann ein wie ein verirrter Wal, man trocknet aus, im Kopf, im Körper, man wird unbeweglich und steif und erstickt, die Haut reißt auf, keine Nivea-Creme der Welt schafft es, die Haut wieder zusammenzuflicken, niemand in Chiozza hat eine gesunde Haut, Titta Nanes Haut löst sich auch schon langsam auf, Titta Nane kann die stärkste Fettcreme nehmen, aber das hilft nicht, denn in Chiozza bekommst du die Pest direkt am Arsch und wirst sie nicht mehr los. Das Salz, das Wasser, der Sand, der Regen, die Sonne, der Asphalt… – Hier draußen hast du keinen Schutz, hier wirst du zerrieben, bis du zu Staub zerfällst und von der nächsten Flut weggespült wirst. Im Hafen von Chiozza stranden Nutten, Zuhälter, geschiedene Männer, alleine oder mit Kind. Hier stranden geschiedene Frauen, alleine, mit einem Kind, mit vielen Kindern. Hier enden Kinder ohne Eltern, bei einem Onkel, der auch von seiner Frau verlassen wurde, oder auch nicht, oder bei einer Tante, die verlassen wurde, oder auch nicht, oder bei Oma oder bei Opa. Hier verenden Oma und Opa, alleine oder getrennt, ohne ihre Kinder, denn die Kinder besuchen einen hier nicht. Hier kommt dich niemand besuchen, und die, die hier gelandet sind, wollen auch keinen Besuch hier, sie verbieten es sogar, und der, der es rausgeschafft hat, ist ein Held hier, der aber nicht zurückkommen darf, damit er die anderen, die es nicht geschafft haben, nicht demütigt. Nein, hierher kommt keiner. Man trifft sich lieber woanders, im Zentrum von Chiozza und nicht am Hafen, man nimmt den Bus, die Linie 33, da braucht man fast 45 Minuten. 45 Minuten für 12 Kilometer, hin und zurück sind das 1½ Stunden, da überlegst du sehr genau, wen du triffst und warum. Du triffst nur jemanden, von dem du wirklich was willst, Geld oder Liebe. Du fährst nur ins Zentrum, wenn du gerufen wirst, das Ausländeramt, das entweder deinen Aufenthalt verlängern oder dich abschieben will. Aufs offene Meer, ohne Schiff, ohne Mannschaft, ohne Familie, ohne Freunde, ohne alles. Du weißt nie genau, woran du bist. Die ganze Busfahrt über zitterst du, hast Angst vor der Entscheidung, die nicht in deinen Händen liegt, sondern in den Händen der Paragrafen und manchmal in der Willkür eines Beamten. Desjenigen, der dich bearbeitet und der dir hilft, wenn er an dich glaubt, wenn er das Gefühl hat, dass du kein Schnorrer bist, kein billiges, verfaultes Treibgut und deinen Beitrag leisten willst. BABYLON ANNO DOMINE Aber wie soll einer, der in Chiozza gestrandet ist, seinen Beitrag leisten, überhaupt, was soll der Beitrag von jemandem sein, der nicht hier ankommen darf, kein Boot bekommt, um fischen zu können? Trotzdem am Hafen ausharren muss, zwischen Meer und Land. Und wie soll einer seinen Beitrag leisten, wenn es nur eine Buslinie gibt, die die Küste mit dem Zentrum verbindet? Ein Bus, der nur zweimal in der Stunde fährt, und um 20 Uhr ist Schluss, und der Bus kostet 4 Euro hin und zurück, und das ist die Hälf102 nuran david calis – das prinzip chioZZa te des dir am Tag zur Verfügung stehenden Budgets bei dem momentanen Hartz-IV-Satz. Und wenn du kein Auto hast oder ein Boot, wer hat hier in Chiozza schon ein Auto oder ein Boot, wie willst du dann zur Arbeit kommen, in die Stadt oder aufs Meer, die vielleicht eine Schichtarbeit ist? Aber so weit kommt es meistens ja gar nicht, denn Arbeit gibt es nicht ohne Abschluss, deshalb gehst du Nacht für Nacht fischen, illegal, mit Gummi-Booten, Flößen, irgendwas, was sich über Wasser hält oder Räder hat, fängst ein Auto hier, ein Fahrrad da, ein Fischchen hier, einen Tresor da, ne volle Geldkasse hier, eine Makrele da… – Denn legale Arbeit gibt es für dich nicht… Die legale Arbeit, die du nicht bekommen hast, weil du die Sprache nicht kannst, weil die Schule am Hafen, auf der du gelandet bist, fast zu hundert Prozent aus Leuten wie dir besteht, ohne Sprache, ohne Heimat, aus Menschen, die nicht wissen, wohin sie gehören, und zu Hause gibt es dank Satellitenfernsehen schon lange keine deutschen Programme mehr. ABOVE THE LINE In den Cafés und Teehäusern, im Supermarkt, sogar auf den städtischen Mülltonnen ist Deutsch nicht mehr die Sprache, in der man sich hier verständigt. Man spricht Türk-arabpersisch-mau-mau, eine ganz neue Sprache, ein Mischmasch aus allem. So versteht sich ein Saudi super mit einem Tunesier, ein Armenier super mit einem Bosnier oder ein Türke super mit einem Iraner, aber alle zusammen verstehen sich nicht mit einem einfachen deutschen Polizeibeamten, der sie nur mal so kontrollieren möchte am Hafen. Die deutsche Sprache nimmst du nur dann wahr, wenn dir ein Bulle über den Weg läuft, sonst klaust du dir aus allen Sprachen das Nötigste, damit du dich hier durchschlagen kannst, ja, nein, bitte, danke, Arschloch! Mein Schiff! Meine Frau! 103 Du kennst den Innenraum deines Hafenbeckens besser als den Innenraum einer Bibliothek, denn die einzige Bibliothek hier am Hafen von Chiozza wurde vor fünf Jahren geschlossen, kein Geld. Und was macht die ABOVE THE LINE von Chiozza? Die Nicht-Fischer? Vor zwei Jahren hat sie das einzige Jugendzentrum am Hafen geschlossen. Und warum? Kein Geld. Chiozza sagt: Kein Geld, wir haben kein Geld. Wenn einer weiß, was es bedeutet, kein Geld zu haben, dann die Fischer von Chiozza. Also: Mund halten, denn jetzt wissen die Kinder von den einfachen Fischern auch nicht mehr, wohin sie gehen sollen, wenn sie mal nichts zu tun haben. Und hier hast du die meiste Zeit deines Lebens nichts zu tun, deshalb fischst du auch die ganze Nacht, den ganzen Tag, lässt dich treiben auf dem Meer der Armut. Und wenn du so fischst und fischst und nichts fängst, was machst du dann? Du fängst an zu kapieren, dass du der Welt da draußen scheißegal bist und Greenpeace gerade Atomkraftwerke besetzt, statt dir zu helfen, damit du wieder schwimmen kannst. Also knüpfst du weiter deine Netze, immer engmaschiger, in der Hoffnung, etwas richtig Fettes zu fangen, doch das Engmaschige ist die Hölle. Sie tötet alles, was sich in ihr verfängt. Große Fische, kleine Fische, Schuldige, Unschuldige, Genießbare, Ungenießbare. Frauen. Männer. Kinder. Statt des blühenden Lebens hinterlässt du eine Wüste. SIN CITY CHIOZZA Und darum fangen alle an, sich gegenseitig zu bescheißen: Fortunato, Toni, Pasqua, Beppo, Libera, Osetta, Checca, Vicenzo, Toffolo, Titta Nane und Lucietta. Die Frauen betrügen ihre Männer mit anderen Männern, die Männer betrügen ihre Frauen mit anderen Frauen. Da will der Araber nichts mit dem Perser zu tun haben, weil der ein Schiite, Sunnite oder irgendein Alevite ist. Da will der Calvinist nuran david calis – das prinzip chioZZa nichts zu tun haben mit dem Katholiken, der Protestant nichts mit dem Zeugen Jehovas. Der Moslem nichts zu tun mit dem Juden, der Jude nichts zu tun mit dem Christen. Und doch sitzen alle fest im Hafen von Chiozza und müssen trotzdem raus aufs Meer und fischen, damit sie was zu fressen haben. Das Meer, der Sturm kennt kein Schwarz oder Weiß, Arm oder Reich. Für die Naturgewalten des Meeres, des Lebens sind wir alle gleich viel wert, nämlich: WERTLOS(!) In SIN CITY CHIOZZA holt sich irgendeiner, der sein ganzes Geld zusammengekratzt hat, ein Boot, einen kleinen Kutter, ein kleines Schiff, damit er beweglich ist, raus aufs Meer kann, zu seiner Nachtschicht kann, und ein anderer klaut ihm die Netze, oder gleich das ganze Boot, und versucht, dieses Netz, oder gleich das ganze Schiff, einem dritten, der mit Schiffen und Netzen handelt, vielleicht ist es sogar der, von dem er das Boot hat, zu verkaufen. Der kauft es ihm ab und verkauft es wieder, und alle sind beschissen, und jeder verarscht jeden, bis am Ende alles im Arsch ist, und niemand vertraut niemandem. IT’S NOT YOUR CHOICE Und dann zieht einer die Knarre und knallt den, der ihn verarscht hat, oder auch nicht, von dem er aber denkt, dass er ihn verarscht hat, ab. Und der, der verarscht hat und jetzt tot ist, hatte eigentlich auch keine andere Wahl, weil sein Vadder oder seine Mutter oder seine beschissene Schwester, sein beschissener Bruder, seine beschissene Frau oder seine beschissenen Kinder, oder wer auch immer, krank oder tot oder im Gefängnis ist, weil sie alle so nicht mehr leben wollen, nicht mehr mit der Miete im Verzug sein wollen, den Gerichtsvollzieher nicht mehr vor der Tür haben wollen. Und so wandert einer ins Gefängnis und der andere ins Grab, und das Rad dreht sich weiter, die nächste Generation lernt nicht daraus, und Krach in chiozZa von Nuran David Calis nach der venezianischen Komödie von Carlo Goldoni Uraufführung am 28. Januar 2012 im Schauspielhaus Die Regeln im Fischerdorf Chiozza sind klar. Die Männer fahren hinaus aufs Meer, während die Frauen daheim auf sie warten. Man lebt von der Hand in den Mund, und ein Mann, der ein Boot hat, ist wer im Dorf. Und wer ein Mädchen hat sowieso. Da braucht sich nur Toffolo einmal zu Lucietta zu setzen und ihr einen auszugeben und schon brodelt die Gerüchteküche. Denn Lucietta ist mit dem jungen Fischer Titta Nane verlobt. Natürlich erfährt der sofort von Toffolos vermeintlichem Annäherungsversuch. Dabei steht dieser doch in Wirklichkeit auf Checca und sie auch auf ihn. Also gibt es Krach in Chiozza. Verlobte trennen sich, Freundschaften zerbrechen, es wird mit Steinen geworfen und Messer werden gezückt. Junge Männer suchen nach einer Perspektive, Frauen hören nicht auf herumzuzicken und ein junger Gerichtsassessor verliert beim Versuch zu schlichten sein Herz und schließlich vollkommen den Überblick. Was bleibt, ist nicht nur die Frage, wer nun eigentlich wen liebt, sondern auch, wer als Erster über seinen Schatten springt. Carlo Goldoni hat seine Komödie 1761 geschrieben. Vorbild für sein Stück war der reale Fischerort Chioggia in der Lagune von Venedig. Nuran David Calis überschreibt Goldonis Geschichte und erzählt von seinem ebenso realen Chioggia, das im 21. Jahrhundert liegt – in Italien, im Süden Europas oder mitten im Ruhrgebiet. Bevölkert wird es von Schauspielern des Bochumer Ensembles und von jungen Sängern und Tänzern aus der Ruhrregion. Und die kommen bekanntlich von überall her. Regie: Nuran David Calis Bühne: Irina Schicketanz Kostüme: Silke Rekort Musik: Vivan Bhatti Dramaturgie: Thomas Laue das sind die einzigen Wege raus hier: Gefängnis oder Friedhof. Da mag jeder erzählen, was er will, die NichtChiozzaner, da mögen sie sagen, das sei Sozialkitsch, da mag jeder außerhalb von Chiozza denken, das sei Betroffenheitslaberei, das sei alles so nicht wahr, wir seien nicht in den 104 Slums von was weiß ich wo, hier gäbe es ein soziales Netz, hier müsse niemand hungern, hier habe jeder eine Chance, der nur wirklich wolle. Nein, hört gut zu, ihr Staatsanwälte, Richter, ihr Bürgermeister, du Senat von Chiozza, der noch nicht ein Mal, so lange Titta Nane hier am Hafen lebt, hier durchgelaufen ist, ihr Besserwisser, ihr Besserverdiener, ihr Sozialarbeiter, Pfarrer, Imame, ihr Rattenfänger, ihr Christen, Moslems, Juden und Buddhisten, Deutschland und die ganze Welt drum herum, die diese Stadt umgibt! Alle haben den Hafen von Chiozza vergessen, denn Chiozza hat kein Geld. Nein, ans Weggehen denkt keiner hier, weil das Überleben alle Energien aufbraucht, weil all deine Träume und Wünsche und Ausbrüche erschöpft sind, alles ist pulverisiert, du willst nur irgendwie den Tag rumkriegen, die Nacht, das Meer. Nachts zurückkommen mit ein paar kleinen Fischen, die weder zum Leben noch zum Sterben reichen. Chiozza hat noch nicht einmal ein Pizza-Taxi. Und deswegen konnten die Fischer und deren Frauen keine Antwort geben auf die Frage von Titta Nane, weil sie nicht an ein Leben außerhalb von Chiozzas Hafen glaubten. Titta Nanes Frage blieb unbeantwortet und verhallte im Hafenbecken. Sie war endgültig fort, als die Leinen wieder losgemacht wurden. So konnten alle wenigstens etwas Geld verdienen, und darum ging es schließlich, Geld verdienen, sich über Wasser halten, irgendwie sauber bleiben, alles, was die Menschen von Chiozza im Grunde wollten, war: irgendwie sauber bleiben und überleben. Das war ihr Traum. Auch wenn sauber zu bleiben der schwierigere Weg ist. Das Meer ist gerecht, der Mensch nicht. Aber Vorsicht: Irgendwann werden sich die Fischer zusammentun, dann werden sie die Flut abwarten. Das Meer. Die Flut wird kommen. Dann werden sie sich auf den Kämmen der Wellen treiben lassen und alles mitreißen, was sich ihnen in den Weg stellt. Nuran David Calis wurde 1976 geboren und wuchs im Bielefelder Stadtteil Baumheide auf. Leicht war das nicht. Falsch wäre es, ihn darauf zu reduzieren. Und doch gehört die Zeit als Türsteher genauso zur Biografie des Theaterautors, Regisseurs und Filmemachers wie sein Regiestudium an der Otto-Falckenberg-Schule in München, wo Calis heute lebt. Neben Stücken wie „Dog eat Dog“, das sich aus Erlebnissen seiner Jugend speist und mit zwei weiteren die „Baumheide-Trilogie“ bildet, schreibt er auch Drehbücher und dreht Spielfilme wie „Meine Mutter, mein Bruder und ich“, der 2008 in die Kinos kam. Als Theaterregisseur arbeitet er an großen Häusern in ganz Deutschland. Viele seiner Arbeiten sind Überschreibungen literarischer Stoffe, die er selbst inszeniert und einige davon auch verfilmt. Außerdem entwickelt Calis Stücke mit Jugendlichen, darunter „Homestories“ am Schauspiel Essen und „Next Generation – Das Stück“, für das er 2010 erstmals am Schauspielhaus Bochum arbeitete. 105 Frische Küche · Biofleisch Täglich frischer Fisch Pieperstraße 13 · Bochum Nähe Schauspielhaus täglich ab 17 Uhr · Küche bis 24 Uhr Montag Ruhetag Telefon: 0234-66611 www.aubergine-bochum.de menanzug, gefunden bei „Schrankzauber“, Bla für 85 € FOYER, GROSSE TRE PPE: Nadja: Cocktailkle id, gefunden bei „Jungl Roland: Karierte Hose, e I“ für 99,90 € • Da zu kaufen bei „Jungle III niel: Shorts gibt’s bei „M “ für 90,30 €, Schirm Hemden & Schuhe: Fu aniero“ für 85 €, Stroh bei „Schrankzauber“ für ndus Schauspielhaus Bo hut bei „Schrankzauber 28 € chum, unbezahlbar “ für 18 € Da FARBLAGER: Nadja: bei „Jungle II“ 2-teiligen Anzug, gibt’s Es tut sich was rund um die Bochumer Kö: Unsere Schauspieler tragen, was man in unmittelbarer Nähe des Schauspielhauses kaufen kann. t gehört zu einem • Daniel: Das Jacket zer & Hose für je 45 € Nur die Oberflächlichen kennen sich selbst. Oscar Wilde bezahlbar 4-Ho KULISSENLAGER: 3/ Bochumer Läden: Jungle I & II: Brüderstr. 6 • Jungle III: Oskar-Hoffmann-Str. 2 • Maniero: Grabenstr. 38 • RNDM-Store: Alte Hattinger Str. 29 • Schrankzauber: Dr. Ruer Platz 2 • Wohnbar: Alte Hattinger Str. 15 BELEUCHTERBR ÜCKE ÜBER DE M ZUSCHAUERR Daniel: Jerseyklei AUM: Nadja: Ab d mit Spitzeneinsa endkleid, gefunden tz von „Jungle II“ bei „Schrankzaub für 59,99 € • Sc er“ für 65 € huhe & Strumpfho sen: Fundus Scha uspielhaus Bochum , un ngle I“ für 39 € “ für 69 €, Shirt bei „Ju unden bei „Jungle III se mit Hosenträgern, gef Models: Nadja Robiné, Roland Riebeling, Daniel Stock • Fotos: Christian Rolfes Styling: Nini von Selzam, Anna Haas, Franziska RiemeR • Make Up / Haare: Anna ObendieK • Perücken: Ursula MenSSen von Oscar Wilde Premiere am 10. Februar 2012 in den Kammerspielen aus dem „RNDM-Store“ „Jungle II“ für 99 €, Sch al Jan Neumann ist Schauspieler, Autor und Regisseur. Er entwickelt nicht nur Stücke mit Schauspielern, sondern ist auch ein ausgewiesener Komödienspezialist – für seine „innovative Gestaltung von Komik“ erhielt er 2011 den Förderpreis für Komische Literatur der Stadt Kassel. Er inszeniert am Maxim Gorki Theater Berlin, am Staatstheater Stuttgart, am Nationaltheater Mannheim und am Staatsschauspiel Dresden. LOGE: Rüschenkleid von Regie: Jan Neumann Bühne: Daniel Angermayr Kostüme: Nini von Selzam Dramaturgie: Anna Haas für 20 € Wer wünscht sich nicht hin und wieder einen Bruder, dem man all seine schlechten Eigenschaften zuschreiben kann? Käme ein schwerkranker Freund als Ausrede für alle Lebenslagen nicht manchmal gelegen? Wer hätte nicht schon mal gerne einen Antrag auf ein Zweitleben gestellt? Die Dandys Jack Worthing und Algernon Moncrieff genießen ihr Doppelleben: Während Algernon seine ausgedehnten Landpartien mit Krankenbesuchen bei seinem vermeintlichen Freund Bunbury begründet, rechtfertigt Jack seine häufigen Ausflüge in die Metropole mit seinem hoffnungslos verkommenen und hilfsbedürftigen Bruder namens Ernst – und nennt sich in der Stadt selbst Ernst. Kompliziert wird es, als die Frauen ins Spiel kommen. Schon immer wollte Gwendolyn Fairfax einen Mann namens Ernst heiraten. Als sich Jack ihr als sein Alter Ego Ernst vorstellt, ist es um sie geschehen. Zeitgleich reist Algernon auf das Landgut seines Freundes Jack und stellt sich als Jacks Bruder Ernst vor. Er trifft dort auf Jacks Pflegetochter Cecily, die auch schon immer von einem Ernst träumte. Als nun Jack frühzeitig heimkehrt und seine Rückkehr auch noch mit dem Tod seines Bruders Ernst begründet, ist die Verwirrung komplett. „The Importance of Being Earnest“ lautet der englische Untertitel von Oscar Wildes Verwechslungskomödie. Nur E/ernst kann in diesem irrwitzigen Spiel um Identitäten auf Dauer niemand bleiben. Außer Jack, denn der hat – ohne es zu wissen – lügend die Wahrheit gesagt: Er ist ein Findelkind und heißt tatsächlich Ernst. 90 € in der „Wohnbar“ für & Hose: privat uke Kreuder, erhältlich Fra e II“ für 139 €, Hemd in ngl ner „Ju sig De von r e me ack chu erj Bo Led d: der lan bel Ro La • dem € “, „faym re“ für 30 Nadja: Retrokleid von gibt’s im „RNDM-Sto ZUSCHAUERRAUM: 85 €, Gepunktetes Hemd für II“ e ngl „Ju von zug Daniel: 70er-Jahre-An BUNBURY Nachrichten aus boropa Nachrichten aus BOROPA Viele von den Künstlern, die in der vergangenen Spielzeit am Schauspielhaus Bochum gearbeitet haben, kommen aus anderen Teilen der Welt oder reisen für ihre Arbeit dorthin. Einige von ihnen haben uns geschrieben, andere haben angerufen. Fragmente aus der ganzen Welt. Glücksrausch in Tunesiens Herzen Wie hast du persönlich die Woche des Umsturzes erlebt? Sehr instinktiv, fast animalisch. Man hat gespürt, dass etwas Besonderes passieren wird, ohne genau zu wissen, was. Wir wussten nur, irgendetwas bewegt sich. Es war der Moment des Handelns und nicht des Denkens. Die Künstler haben sich vor dem Stadttheater getroffen. Am Anfang waren wir nur wenige, aber nach und „Um 18 Uhr hieß es: Ben Ali ist geflohen!“ nach kamen immer mehr Menschen. Aber auch die Anzahl der Polizisten, die sich dann auf uns gestürzt haben, war riesig. Sie haben uns beleidigt, geschubst und getreten. Das war für uns eine völlig neue Situation, körperlich und psychisch. Habt ihr Angst um euer Leben gehabt? Angst ja, aber nicht um unser Leben. Obwohl man gespürt hat, dass es sehr gefährlich werden kann. Das ist alles im Bauch passiert, nicht im Kopf. Trotz meines Alters hatte ich ja keine Erfahrung mit so etwas. Man ist überrascht über sich selbst! Interview: THOMAS LAUE Foto: Christian Rolfes Im Herbst 2010 hatte er in Bochum mit seiner „Medea“Bearbeitung Premiere. Ein Vierteljahr später war der tunesische Regisseur aktiv an den Umbrüchen in seiner Heimat beteiligt. Eine Woche nach dem Sturz Ben Alis schildert Fadhel Jaibi in einem Gespräch in Paris seine Erlebnisse. Wann hattet ihr das erste Mal das Gefühl, dass sich etwas so Grundlegendes ereignet? Als Ben Ali Donnerstagabend diese Rede im Fernsehen gehalten hat, standen wir vor unserem Haus. Dort waren vier Militärwagen und Soldaten positioniert. Als Ben Ali seine Ansprache beendete, haben wir Freudenhupen gehört. Da habe ich gedacht: „Es ist vorbei. Er hat es mit drei oder vier Albernheiten geschafft, die Leute wieder auf seine Seite zu ziehen.“ Der Moment, als ich gespürt habe, dass es anders werden würde, war dann der Freitagmorgen während des Generalstreiks. Wir sind zu Fuß von unserem Büro zum Innenministerium auf der Avenue Habib Bourguiba gelaufen. Von weitem haben wir Plakate gesehen, und Menschen rufen hören: „Nein zu Ben Ali! Hau ab, Ben Ali! Ben Ali raus!“ Und da 112 haben wir uns gefragt: „Das ist ja unglaublich, wo sind denn die anderen? Wo sind die Ben-Ali-Anhänger?“ Und die Polizei tat nichts! Parteianhänger Ben Alis gab es nicht, die waren nicht da! Als hätte die Erde sie verschluckt. Und wir haben gehört, dass parallel in den anderen großen Städten Tunesiens das Gleiche stattfand. Entweder wird es ein großes Opferfest und sie werden uns alle töten, oder etwas Besonderes wird passieren, das war plötzlich die Alternative. Gegen halb drei sind dann Polizisten mit Tränengas auf uns los. Die Leute sind weggelaufen, geflohen und viele unserer Freunde sind zu uns ins Büro, mit Tüchern vor der Nase. Wir haben die ausländischen Nachrichten angemacht und um 18 Uhr hieß es dann: „Ben Ali ist geflohen.“ Was ist da in dir vorgegangen? Es war eine riesige Überraschung, eine riesige Erleichterung, aber auch Angst, dass das wieder eine Taktik von Ben Ali ist. Ich konnte einfach nicht fassen, dass er die Macht abgeben würde. Hast du während dieser Zeit der Revolution in irgendeiner Form Kontakt mit der Administration gehabt? Nach der Demonstration vor dem Stadttheater habe ich Interviews bei Al Jazeera, France.24 und BBC gegeben. Als ich freitags mitdemonstriert habe, sind Menschen auf mich zugekommen und haben mich geküsst, umarmt und gesagt, sie wollen mich in der Politik sehen. Einen Tag bevor Ben Ali geflohen ist, hat der Kulturminister mich angerufen und gesagt, er wolle meine Frau Jalila und mich sprechen. Wir haben geglaubt, er würde uns dro- „Es wird einen Moment geben, wo dieser Glücksrausch seinen Höhepunkt überschritten hat.“ hen, doch als wir in das Büro kamen, haben wir einen Mann vorgefunden, der ganz klein in sich zusammengesackt in seinem Sessel saß und ein ganz weißes Gesicht hatte. Er hat uns umarmt und gesagt, dass der Präsident uns ja liebt und respektiert und dass er sich wünscht, dass wir das Bewusstsein des Volkes sind. Er hat uns versprochen, dass sich alles ändern wird. Als wir dann weiter mit ihm geredet haben über die Freiheiten, über die Polizeidiktatur, wurde das eine sehr surrealistische Diskussion über die Mafia und die Frau des Präsidenten. Ich habe dem Kulturminister gesagt: „Du willst mir erzählen, dass alles die Schuld seiner Frau ist und der Präsident nicht so ist wie sie? Und dass er nicht weiß, was sie alles Schlimmes tut!? Dann kannst du jetzt genauso gut mit uns runter auf die Straße demonstrieren gehen!“ Danach sind wir gegangen. Wie muss es nun weitergehen? Es ist gut, sich zu umarmen. Es ist gut, zusammen zu demonstrieren. Es gibt große Momente des Glücks. Die sind sehr wichtig, denn was passiert ist, kam ganz tief aus den Herzen der Tunesier. Aber es wird einen Moment geben, wo dieser Glücksrausch seinen Höhepunkt überschritten hat. Dann wird die große Frage sein, ob die Tunesier zusammen arbeiten und zusammen denken und die Slogans verteidigen können, die sie während der Demonstrationen gerufen haben. Das, was wir angefangen haben, müssen wir unbedingt zu Ende führen und dürfen keine Angst vor Bedrohungen haben. Wir müssen die neue Demokratie und die Freiheiten verteidigen. Es wird drei Kräfte geben: die RCD-Parteianhänger, die Islamisten und die neue demokratische Kraft. Natürlich werden die Künstler und Intellektuellen mit der neuen demokratischen Partei mitziehen, aber die brauchen Programme und nicht nur Slogans. Es ist eine ganz große, schwere Arbeit, die alle Menschen in Tunesien erwartet. Aus dem Französischen von Dunja Dogmani Hotel Golf, Abidjan text: Monika Gintersdorfer, aufgezeichnet von Olaf Kröck FotoS: monika gintersdorfer „Die Elfenbeinküste hat zwei Präsidenten“, haben wir in der ersten Ausgabe unseres Spielzeitmagazins „Boropa“ geschrieben. Damals war das eine Metapher. Heute ist es politische Realität in Abidjan. Und die zerreiSSt das Land und führt es zurück an den Rand des Bürgerkriegs. Die Regisseurin Monika Gintersdorfer, die in der letzten Saison „Eleganz ist kein Verbrechen“ im Theater Unten inszenierte, war mit ihrem künstlerischen Partner, dem ivorischen Tänzer Franck Edmond Yao, in dem westafrikanischen Land. Protokoll eines Telefongesprächs mit Monika Gintersdorfer aus Burkina Faso über ihre Eindrücke aus Abidjan. Für uns war seit Monaten klar, dass wir in die Elfenbeinküste fliegen. Das war aber nicht möglich, weil zu dem Zeitpunkt die Flughäfen gesperrt waren. Als sie wieder offen waren, habe ich mich entschlossen hinzufliegen, das war kurz nach Weihnachten. Es ist jetzt in Abidjan ganz anders als noch vor einem Jahr. Es ist weniger los, die Leute haben weniger Geld, sind vorsichtiger, sie geben nicht mehr so viel aus. Sie gehen zwar noch in die Clubs, aber nur noch am Wochenende, später am Abend sind nur noch UN-Soldaten auf den Straßen. 113 Was macht Ihr Geld in einem Bio-Laden? Sinn. Bei der GLS Bank ist Ihr Geld gut angelegt: Es fließt ausschließlich in Vorhaben, die sozial, ökologisch und ökonomisch sinnvoll sind. Dabei machen wir transparent, wo und was wir finanzieren. Vom Girokonto bis zur Vermögensanlage – alles über unsere leistungsstarken und sinnstiftenden Angebote unter www.gls.de Jetzt Konto mit Sinn eröffnen: www.gls.de // 0234 - 57 97 332 Nachrichten aus boropa Es hat sich für mich die Möglichkeit ergeben, mit dem deutschen Botschafter in das „Hotel Golf“ zu fahren. Es ist der Sitz von Ouattara, dem sein Recht auf die Präsidentschaft verweigert wird. Das Hotel ist seit vielen Jahren traditionell in Rebellen-Hand, jedoch vollkommen umfunktioniert. Die Struktur eines Hotels ist offensichtlich sehr praktisch. In den Kongressräumen kann der Ministerrat tagen, kleine Zimmer wurden zu Büros und man kann dort wohnen. Im Garten um den Swimmingpool herum campieren 400 UNO-Soldaten aus Bangladesch und aus anderen afrikanischen Ländern. Die du- sprecherin, getroffen. Eine sehr engagierte Frau. Rechtsanwältin, die schon in Paris gelebt hat, aber zu- „Es gibt Guerillakrieg in den Wohnvierteln.“ rückgekommen ist, um jetzt diesen politischen Kampf auszufechten. Und das bedeutet, wenn man da ist, in diesem Hotel, kommt man weder rein noch raus. Also wir schon, aber die Politiker nicht, weil sie in der Stadt nicht sicher sind. Die sind da gefangen. Es gibt einen Helikopter-Shuttle-Service von der UNO. Wir hätten also auch mit dem Helikopter fliegen können, aber an dem Tag war zu viel Staub in der Luft. Die UNO sorgt auch dafür, dass genug Lebensmittel ins Hotel kom- „Zum Hotel Golf musst du durch drei Sperren.“ schen da und waschen ihre Wäsche im Pool. Alles ist natürlich stark überwacht und von Stacheldraht umgeben. Um das Hotel gibt es eine ziemlich große Sperrzone. Die eine Seite wird von den Rebellen, die andere von den Regierungssoldaten bewacht. Dazwischen steht die UNO. Wenn du also zum „Hotel Golf“ willst, musst du durch drei Sperren. Wir haben dort Madame Bamba, eine Regierungs- men. Ouattara, heißt es, habe drei Monate dieses Hotel nicht verlassen, bis er vor kurzem, für ein paar Tage, seine erste Reise als Präsident nach Nigeria gemacht hat. Aber davor war er praktisch ein Gefangener im eigenen Land. Auch wenn Gbagbo von niemandem mehr als Präsident anerkannt wird, weder von der EU noch der Afrikanischen Union, so kontrolliert er weiter große Teile des Landes, die Medien und das ivorische Fernsehen. Mittlerweile sind wirklich harte Sanktionen gegen ihn verhängt worden, seine Konten wurden gesperrt. Aber trotzdem hat er weiterhin die Macht. Es stellt sich also die Frage, wie er seine Staatsbeamten und sein Militär bezahlt? Er ist anscheinend eine ganze Weile noch gut an Geld gekommen. Einige Banken haben sich offensichtlich nicht an den Boykott 114 gehalten. Jetzt hat man versucht diese Schlupflöcher zu schließen. Da hat uns der deutsche Botschafter dringend geraten, das Land zu verlassen, mit den Worten: „Das wird sich jetzt alles sehr, sehr negativ entwickeln.“ Und genauso ist es gekommen. Es gibt eine massive Geldknappheit, Europa kauft den Kakao nicht mehr und sehr viele Güter kommen nicht mehr ins Land. Die medizinische Versorgung ist bedenklich schlecht. Jetzt ist die ganze Bevölkerung betroffen. Alles kostet mehr Geld und zusätzlich haben auch noch die Institute geschlossen, mit denen man Geld ins Land schicken kann. Es gibt immer häufiger kleine Angriffe, Guerillakrieg in den Wohnvierteln. Dauernd gibt es „verirrte Kugeln“, die die Falschen treffen. Es sterben täglich ein paar Leute. Gestern ist der Bruder einer der Tänzer erschossen worden, die gerade hier mit uns unterwegs sind. Und deswegen haben wir heute den ganzen Tag über versucht, Geld für das Begräbnis zu schicken. Man dachte, der neue Präsident könnte die Lösung eines neunjährigen Konflikts sein. Alle waren schon guten Mutes. Aber es ist genau in das Gegenteil umgeschlagen. Und die absurde Situation, dass es zwei Präsidenten gibt und zwei Ministerräte, ist ja auch zum Lachen. Manchmal machen wir auch unsere Witze darüber oder Franck macht sich darüber lustig, dass an der Elfenbeinküste alle immer so kleinklein kämpfen und dass das nie mal so richtig zur Sache geht, wie jetzt eben in anderen Ländern. Nach Kuba, Katar und hoffentlich bald in den Iran wir elektronischen Rap, House und Weltmusik aus dem Ruhrpott mit kubanischer Musik zusammenbringen. Vor Ort nehmen wir eine CD auf und gehen dann in Deutschland auf Tour. Das ist ein offizielles Projekt zwischen Kuba und NRW, um den Kulturaustausch zwischen den Ländern zu fördern. Es ist geplant, dass X-Vision auch an dem Projekt teilnehmen. Die Verhandlungen laufen auf Hochtouren, Daumen drücken! VIKTORIA KLINIK BOCHUM PRIVATE FACHKLINIK FÜR ORTHOPÄDIE UND ORTHOPÄDISCHE CHIRURGIE SPORTKLINIK VIKTORIA „Dozenten aus aller Welt sorgen für frischen Wind im Königreich.“ text: OMID POURYOUSEFI Foto: x-Vision Im kulturhauptstadtjahr waren X-Vision aus bochumwattenscheid teil von „next generation“. Der Gründer des musikprojekts Omid Pouryousefi macht Musik, wo immer er darf. In den Iran reisen darf ich nicht, da ich dort wegen meines populären Bandprojektes „Tapesh 2012“ seit Ende 2008 offiziell als Staatsfeind eingestuft bin. Doch die Geschehnisse im Iran 2009 und die aktuellen Ereignisse in Ägypten, Tunesien und anderen Ländern lassen uns hoffen, dass wir 2012 in einem demokratischen Iran ein Konzert geben können. Als wir vor fast fünf Jahren beim Start von „Tapesh 2012“ auf die Macht und Möglichkeiten des Internets für die Demokratiebewegung im Nahen Osten hingewiesen haben, guckte man uns mit großen Augen ungläubig an, heute geben uns die Entwicklungen Recht. Hoffen wir, dass die Behörden auf Kuba meine zweite geplante Reise erlauben. Dann fahre ich im Mai 2011 mit unserem Projekt „Hands Up for Cuba“ dorthin. Hier wollen Nicht nur in Bochum, auch in Katar entsteht eine neue Akademie, und ich wurde eingeladen, dort zu unterrichten. 2006 war ich in dem Königreich als DJ für ein großes Festival gebucht. C Auf der Party stand ein junger Mann M im weißen arabischen Gewand plötzlich neben meinem DJ-Pult und Y streckte seine Karte hin: „National CM Council for Culture & Arts“. MY Aus der kurzen Bekanntschaft entstand schließlich die IdeeCYfür eine Akademie der Künste in Katar, in CMY der talentierte „Kataries“ und junge Menschen aus den Emiraten Kin Tanz, Theater und Musik ausgebildet werden. Dozenten aus aller Welt sollen hier unterrichten und für frischen Wind im Königreich sorgen. Dass ich auf der einen Seite muslimischer Abstammung bin und auf der anderen Seite ein Kenner und Aktivist der DJ- und Technoszene aus Deutschland, macht mein Mitwirken bei diesem Projekt für beide Seiten einfacher. Der Start der Akademie ist für Mitte 2012 geplant. Das sind viele spannende Projekte, viele Reisen und große Hoffnungen. Ob ich wirklich an der Akademie in Katar mitwirke, ist noch nicht sicher. Doch ganz sicher erscheint im Sommer 2011 mein Buch „Omid 2012“. Darin geht es um meine Geschichte als Migrant und Musiker und vor allem um mein Bandprojekt „Tapesh 2012“, mit dem ich in den Iran reisen will, so schnell es geht. 115 Gelenk- und Sportverletzungen // Kniegelenksverletzungen // Meniskusoperationen // Kreuzbandersatz // arthroskopische Knorpelchirurgie mit Knorpelersatztherapie // Arthroskopie der Schulter // minimal-invasive Therapieverfahren der Wirbelsäule // minimal-invasiver Gelenkersatz // multimodale Schmerztherapie // mikrochirurgische Dekompressions- und Bandscheibenchirurgie // Endoprothetik Viktoriastr. 66-70 . 44787 Bochum T (0234) 912 25 58 . F (0234) 912 25 57 info@viktoriaklinik-bochum.de www.viktoriaklinik-bochum.de sebastian nübling – PERFEKTES SPIEL IN MAXIMALER FREIHEIT perfektes Spiel in maximaler Freiheit Wie viel Geld hast du in der Finanzkrise 2008 verloren? Direkt? Gar keins. Ich habe kein Geld angelegt. Weil du keins hattest oder weil du dich nicht traust? Ich habe nichts zum Zurücklegen. Ich habe drei halberwachsene Kinder, da geht alles direkt durch. (lacht) Das ist relativ simpel. Falls du Geld hättest, wärst du anfällig für spekulative Finanzanlagen? Tendenziell eher nicht. Die Vermehrung von Geld durch Geld, das ist so ein abstraktes Unterfangen. Mir ist das nicht gegeben. Man braucht dafür ja nicht nur Risikobereitschaft, sondern auch Disziplin. Und man braucht Zeit. Aber das ist so eine Art von Zeitaufwand, den ich nicht zu leisten bereit bin. Es langweilt mich auch auf einer emotionalen Ebene, weil ich nichts zurückkriege von dem Geschäft. Also der gewisse Kick, der gibt mir nichts, ich hole den woanders her. Woher? Von bestimmten Situationen am Theater, deswegen arbeite ich ja dort. INTERVIEW: THOMAS LAUE FOTOS: ALEXANDER ROMEY Der Regisseur Sebastian Nübling hat sich mehrmals im Leben neu erfunden. Unter anderem als Kämpfer in der freien Szene, als Familienvater, als international gefragter Regisseur und sogar als Teilzeitvertretung im Kulturamt einer Kleinstadt. Inzwischen gehört er längst zu den Großen seiner Zunft. Und hat trotzdem nichts übrig für spekulative Geldanlagen. Ein Gespräch über Risiken und Umbrüche, Gier und Geld und die richtigen Einsätze. 116 Zum Beispiel? Der Kick kommt zum Beispiel bei einer Probe, wenn man merkt, dass Leute anfangen miteinander nicht nur über Sprache, sondern auf ganz vielen Ebenen zu kommunizieren. Wenn plötzlich von einem Moment auf den anderen Spiel entsteht. Die Amis benutzen dafür das deutsche Wort „Spiel“ und meinen damit eine bestimmte Art von intuitiven Zusammenspiel, wie es das zum Beispiel im Jazz gibt. Das gibt es manchmal für eine ganze oder eine halbe Stunde. Perfektes Spiel und darin maximale Freiheit. Das gibt mir Energie zurück. Und natürlich diese Art von „auf Termin arbeiten“. Es gibt einen Premierentermin und alle wissen: „Dann möchten wir etwas abgeben.“ Zu sehen, was mit den Leuten auf der Bühne und im Saal passiert, wenn eine Premiere oder eine Vorstellung ansteht. Was investierst du, um so einen Moment von Inspiration zu bekommen? Wie kriegt man die Leute dazu, dass sie zusammenspielen? Kommunikation aufzubauen zwischen Leuten, sich auch dafür zu interessieren, was die da eigentlich machen und das dann wirklich passioniert zu beobachten und dem ganzen einen Rahmen zu geben, in dem sich etwas entfalten kann. Das ist mein Einsatz. Das machst du nicht immer alleine, sondern im Zusammenspiel mit Partnern. Welche Rolle spielt dein Team für dich? Das Ganze, die ganze Probenarbeit ist „Team“. Ich bin nur gut in Proben, wenn ein Ensemblegeist entsteht, Teamgeist, oder wie man das nennen mag. Aber ich finde das Wort „Team“ eigentlich blöd. Team ist Sport. Teamchef meint immer noch Beckenbauer, und der verkörpert gerade nicht diese Art von Freiheit im Austausch, die ich mir vorstelle. Dass so etwas wie Zusammenspiel entsteht, dafür braucht es alle bis hin zu den Assistenten und Hospitanten. 117 sebastian nübling – PERFEKTES SPIEL IN MAXIMALER FREIHEIT Wenn der Teamchef Beckenbauer nicht das Modell ist, in dem du dich siehst, was ist dann das Gegenmodell? Ich weiß, dass ich die Maschine anwerfen muss, ob das nun Ideen sind oder konzeptionelle Vorgaben oder überhaupt die Entscheidung für einen Text. Zu sagen: „Hallo Ensemble, das ist das Stück oder der Stoff oder das Thema, mit dem wir uns alle beschäftigen.“ Es braucht meine Inspiration oder meine Leidenschaft für einen Gegenstand, um von einer zentralen Stelle aus, auf die sich alle beziehen, etwas so anzukicken, dass andere sagen: „OK, da beteilige ich mich.“ Wenn es dann läuft, bin ich mehr „einer von“, also Teil von etwas. Das ist für mich der Idealzustand, den ich möglichst lange zu halten versuche. Wenn eine Probenphase dann ans Ende kommt, geht es wieder zurück, dann geht es auch ans zentrale Entscheiden. Fällt es dir leicht, Entscheidungen zu treffen? Na ja, grundsätzlich nicht. Aber Entscheidungen muss jeder fällen. Die Realität verlangt es einfach, Punkt. Aber meine Arbeitsweise ist eher, Dinge immer weiter an den Punkt zu schieben, wo sie entschieden werden müssen. Andere machen das anders, die planen komplett im Voraus. Das mache ich nicht. Und ich gebe zu, das sind Proben- heißt und nicht ganz so romantisch ist, wie es der Name vortäuscht. Ist ja nicht gerade eine der Weltmetropolen dieses Landes. Warum lebst du nicht in Berlin, München oder Hamburg wie die meisten anderen Regisseure? Ah, tun sie das? Schon, ja. Wusste ich gar nicht. Irgendwann, als ich noch kein Regisseur war, sondern einfach nur ein arbeitsloser Gar-Nix, hatte ich die Möglichkeit, in Basel zwei, drei Jobs zu machen. Aber weil die Schweiz damals noch nicht zu Schengen gehörte, konnte ich als Vater von drei Kindern und ohne feste Anstellung nicht in die Schweiz ziehen, sondern musste mich sozusagen vor den Toren der Stadt ablagern. Und das war eben in dieser südwestdeutschen Ecke. Zwar nicht Schweiz, aber ziemlich nah an Basel. Außerdem ist es die Gegend, in der ich aufgewachsen bin. Und ich mag das immer noch: einfach so auf die Berge hinaufsteigen zu können. Das ist auch ein guter Ausgleich zu der reisenden Tätigkeit, die ich ausübe. „ICH MUSSTE MICH VOR DEN TOREN DER STADT ABLAGERN.“ Du bist ja für dein Alter noch gar nicht so lange in diesem klassischen Stadttheater-Geschäft tätig. Eigentlich erst seit gut zehn Jahren… Ja, 1999 habe ich zum ersten Mal am Stadttheater inszeniert. prozesse, die für manche auch nicht ganz unanstrengend sind. Aber wenn es dann ein bis zwei Wochen vor der Premiere eng wird, entscheide ich auch. Was wir im Theater machen, ist ja immer das Spiel mit Möglichkeiten. Das hat auch einen spekulativen Anteil. Auch wir setzen auf die Zukunft. Wir starten so ein Unternehmen, wir proben und behaupten, wir werden am Ende etwas haben, das andere Leute interessiert. Und dieses Versprechen in die Zukunft, das hat etwas mit Vertrauen zu tun und mit Energieeinsatz. Und es hat einen großen Lust-Anteil. Was hast du die ganze Zeit vorher gemacht? Kulturwissenschaften studiert in Hildesheim und dann am Ende meines Studiums mit zehn Kolleginnen und Kollegen ein freies Theater gegründet. „Theater Mahagoni“ hieß das. Und dann sehr viel produziert, aber eben in der freien Szene, Mitte der 1980er Jahre. Das heißt, man musste für jede Produktion einen Ort finden, Mittel beantragen bei Stiftungen oder öffentlichen Förderern. Während der Probenzeit kam man da irgendwie mit durch. Und dann wurde gespielt, gastiert, viel gereist, auch damals schon. Und dann mit irgendwelchen Jobs die Zwischenräume zwischen zwei Produktionen gestopft. Das habe ich relativ lange gemacht. Aber so, wie du probst, ist das oft relativ riskant, oder? Weil du dich auf komplett unsicheres Gelände begibst. Ist das ein bewusstes Risiko? Weiß ich gar nicht. Es ist halt das Risiko des Misserfolges, aber das ist in der Arbeit ehrlich gesagt gar nicht so wahnsinnig wichtig, das gibt es immer. Das ist erstmal ein Risiko, das ich trage, aber das auch das Theater trägt. Die Theaterleitungen sind doch eigentlich die Spekulanten in unserem Business, oder? Die spekulieren doch: Wir holen diese oder jene Leute in unser Haus und die werden uns die ganz große Kunst bringen und auch noch das Haus voll machen. Das sind die Finanzjongleure der Theaterwelt. Wo lebst du? Im Südwesten Deutschlands, kurz vor der Schweizer Grenze. In einem kleinen Dorf, das „Hausen im Wiesental“ 118 Und in der Zeit hast du eine Familie gegründet? Meine Frau und ich haben beide in dieser Gruppe gespielt. Dann haben wir angefangen, eine Familie zu gründen und brauchten einen etwas größeren finanziellen Rahmen. Es reichte einfach nicht. Außerdem war es auch genug. Ich hatte das Gefühl, ich habe es dann irgendwann auch alles gesehen, als freier Schauspieler und so. Ich habe dann angefangen, für Festivals zu arbeiten, also Kulturorganisation zu machen. Zwischendurch war ich mal arbeitslos, dann habe ich nochmal für irgendein Kulturzentrum gearbeitet, war wieder arbeitslos und dann bin ich auf einem Kulturamt in einer Kleinstadt gelandet, auf einer halben Stelle. Da war ich schon Mitte dreißig und dachte: „Nee, das kann es jetzt echt noch nicht gewesen sein!“, und habe angefangen zu inszenieren. Alles Mögliche am Anfang: volpone von Ben Jonson Premiere am 24. März 2012 im Schauspielhaus Ben Jonson war ein Zeitgenosse Shakespeares. Von heutigen Begriffen wie Finanzderivat, Spekulationsblase oder Wirtschaftskrise wusste er noch nichts. Wohl aber viel über die Gier des Menschen und seine Bereitschaft viel zu geben, wenn er sich davon einen Vorteil für die Zukunft verspricht. Selbst dann, wenn dieser Vorteil höchst ungewiss ist. Hauptsache, er ist groß genug. Auch der reiche Volpone in Jonsons gleichnamiger Komödie weiß das. Er stellt sich krank und seine Mitmenschen auf die Probe: Durch seinen Diener Mosca lässt er kundtun, er werde ein Vermögen hinterlassen und denjenigen in seinem Testament besonders berücksichtigen, der ihm den größten Freundschaftsbeweis erbringe. Den nahen Tod Volpones und damit den schnellen Gewinn vor Augen, sind die Menschen in der Stadt zu erstaunlichen Investitionen bereit: Der Wucherer Corbaccio überschreibt Volpone sein Vermögen, um es vervielfacht wiederzugewinnen, auch wenn er dafür seinen eigenen Sohn enterben muss. Und der Kaufmann Corvino ist sogar bereit, Volpone seine schöne Frau zu überlassen. Zu eindeutigen Zwecken, in der Hoffnung, dass dieser Freundschaftsdienst das kranke Herz Volpones noch schneller zum Stillstand bringe. Doch es kommt nicht zur Gewinnausschüttung und die Blase platzt, als klar wird, dass Volpone kerngesund ist und damit der Finanzwette die Grundlage fehlt. Doch weil Ben Jonson trotz allem auch an das Gute und an Gerechtigkeit glaubte, kommt Volpone nicht davon, ohne kräftig zu bezahlen. Regie: Sebastian Nübling Musik: Lars Wittershagen Dramaturgie: Thomas Laue 119 sebastian nübling – PERFEKTES SPIEL IN MAXIMALER FREIHEIT Schultheater, Kindertheater, Kabarett. Meine Frau hat auch inszeniert – damit wir irgendwie die Familie über Wasser halten konnten. So sechs, sieben, acht Produktionen im Jahr und mehr. In dieser Zeit habe ich mir eine handwerkliche Basis zusammengeschustert, um den Beruf überhaupt machen zu können. Und dann kam die Möglichkeit am Jungen Theater in Basel zu inszenieren. Das ist ein Theater, in dem Jugendliche spielen. Daraufhin hat mir das Theater Basel „Die kleine Hexe“ angeboten. Wenn du das so erzählst, klingt das wie ein großer Bruch in der Biografie, denn seit du an den Stadttheatern arbeitest, hat sich eigentlich das Gegenteil eingestellt: nämlich der permanente große Erfolg. Du arbeitest nur noch an den großen Häusern und bist viele Male zum Berliner Theatertreffen eingeladen worden. Wie erklärst du dir das? Ich habe da gar nicht über Erklärungen nachgedacht, sondern einfach hingenommen, dass es Täler und Aufwärtsbewegungen gibt. Ich glaube, ich habe einfach eine Position gefunden, in der ich irgendwie richtig bin, an der ich wirklich etwas machen oder mich ausdrücken und mit anderen etwas produzieren kann, was präsentationsfähig, oder besser: diskussionsfähig ist. „DIE DISTANZ DER KUNST SCHÄRFT DEN BLICK AUF DAS, WAS WIR TUN.“ Wärst du ein anderer Regisseur, wenn du vorher nicht diese zehn, fünfzehn Jahre das gemacht hättest, was du gerade beschrieben hast, sondern gleich im Stadttheater angefangen hättest? Ja klar. Als ich angefangen habe mit freiem Theater, war Stadttheater „der Feind“. Der Graben war eigentlich unüberwindbar. Freie Szene war freie Szene, da war jeder stolz darauf, nicht am Stadttheater zu sein. Es ging immer um Gegenmodelle, auch um inhaltliche Gegenmodelle: keine Texte aus dem Kanon, sondern Prosatexte, Geschichten, Filmgeschichten, auch ganz neues Material. Auch um andere Formen: weg von der Groß-Schauspielerei. Wir haben zum Beispiel mit chorischen Erzählformen experimentiert. Es ging nicht um die Sprachkultur eines Einzelnen, sondern darum, wie man eine Geschichte an Figuren oder Personen aufhängt, die man vielleicht nicht mal richtig als Figuren identifizieren kann. Heute ist das anders: Die Bereiche sind ja relativ offen, gerade die Stadttheater suchen permanent auch Leute, die aus der freien Szene kommen und auch wieder dahin zurückgehen. Das gab es früher nicht. Insofern ist es für mich manchmal immer noch fast fremd oder ich bin überrascht, was der Apparat alles so leisten kann. Suchst du immer noch nach Gegenmodellen, auch jetzt innerhalb der Arbeit im Stadttheater, oder bist du sozusagen „angepasst“? 120 Von der Institution aufgesaugt. (lacht) Ich weiß gar nicht – nö. Ich glaube, das braucht man gar nicht mehr. Das sind ja auch keine starren und sturen, zentral ausgerichteten Apparate mehr, sondern relativ offene, flexible Strukturen an den großen Theatern. Die natürlich versuchen, den Leuten, die sie einladen, Möglichkeiten zu bieten, die ihrer Arbeitsweise entgegenkommen. Würdest du heute Regie studieren, wenn du noch mal anfangen müsstest? Ich glaube eher Völkerrecht, oder so etwas. Warum ausgerechnet Völkerrecht? Es würde mich sehr interessieren, in so einer unabhängigen Institution zu arbeiten. Das sind Fragen, die mich beschäftigen: Wie definiert sich eigentlich Zusammenleben auf einer übergeordneten Ebene? Sind das Fragen, die dich auch in der Arbeit begleiten? Strukturelle Fragen begleiten mich überhaupt viel. Einmal ganz direkt auf der Probenebene: im Kern arbeiten da oft 30, 40 Leute relativ dicht an so einer Produktion mit – mal ganz abgesehen von den ganzen Handwerkern und der Öffentlichkeitsarbeit und was da alles noch mit dran hängt. Das ist die eine komplizierte Struktur, die es zu bewältigen gilt. Und oft sind es strukturelle Fragen in den Stoffen, die mich interessieren, auf die ich losgehe. Ich wollte übrigens ursprünglich nach dem Abitur Sonderpädagogik studieren. So etwas schwebte mir vor: an einer Förderschule oder im sozialen Bereich zu arbeiten. Aber ich habe so ein schlechtes Abitur und bekam keinen Studienplatz. FÜR MICH, FÜR DICH, FÜR UNS! DIE VBW HAT FÜR UNS ALLE DAS PASSENDE ZUHAUSE! Hat Theater irgendwas mit dem Leben zu tun? Theater? Ja, klar! Das ist ja Leben. (lacht) Da investieren so viele Leute viel Lebenszeit, das kann ich gar nicht trennen. Aber wodurch gewinnt für dich das, was auf einer Bühne stattfindet, im Verhältnis zur realen Welt in unserer Zeit heute Relevanz? Indem es eine Distanz schafft zwischen mir und dem, wie ich selbstverständlich mein Leben gestalte. Das ist das, was mich interessiert. Auch beim Proben gucken. Das können formale Aspekte sein, das können inhaltliche Fragen sein. Alles, wo ich mich befremde über mein scheinbar selbstverständliches Leben. Nur so kann ich in den Blick bekommen, was ich eigentlich tue, warum ich wie handele. Das ist für mich das Wesentliche an jeder Kunsterfahrung. Glaubst du, dass die Welt um die Finanzkrise herumgekommen wäre, wenn in den Banken in diesem Sinne mehr Künstler gesessen hätten? Die sitzen ja nicht umsonst nicht in den Banken, was sollen die da machen? Die machen Kunst ja auch genau deshalb, weil sie sich für diese Art von onanistischer Vermehrung von Kapital nicht interessieren. Sebastian Nübling wurde 1960 in Lörrach im Südschwarzwald geboren. Nach dem Studium der Kulturwissenschaften gründete er die Gruppe „Theater Mahagoni“, bei der er mehrere Jahre spielte. Nach ersten Arbeiten am Stadttheater wurde er 2002 von der Jury der Zeitschrift „Theater heute“ als Nachwuchsregisseur des Jahres ausgezeichnet. Im selben Jahr wurde er zum ersten Mal zum Berliner Theatertreffen eingeladen, zahlreiche weitere Einladungen folgten. Sebastian Nübling inszeniert an verschiedenen großen Häusern wie dem Hamburger Schauspielhaus, dem Zürcher Schauspielhaus, der Ruhrtriennale und den Münchner Kammerspielen. Außerdem arbeitet er regelmäßig mit Jugendlichen und gemischten Ensembles am Jungen Theater Basel. In Bochum war seine Essener Inszenierung „Ubu“ zu sehen, die in Kooperation mit der Toneelgroep Amsterdam entstand. www.vbw-bochum.de VBW BAUEN UND WOHNEN GMBH, Wirmerstraße 28, 44803 Bochum, 0234 310-310 CILLA BACK – Finnisches sisu ITALIENISCHE FRAUEN UND FINNISCHES SISU Finnland, SCHWEDEN, BERLIN, Oslo, Basel, Italien, Bochum. Die finnische Regisseurin CILLA BACK ist so viel unterwegs, dass man sich manchmal fragt, wie sie das eigentlich schafft. Für uns hat sie ihren Koffer geöffnet. 123 TEXT: SABINE REICH Fotos: Christian Rolfes I n Finnland gibt es ein Wort, das sich nicht übersetzen lässt: es heißt „sisu“ und meint eine bestimmte Art von Energie. Was auch immer das ist, Cilla Back hat es. Sie redet rasant schnell, ist immer in Bewegung. Cilla Back wurde in Finnland geboren, ihre Mutter ist Schwedin. Zum Studium ging sie nach Mailand, nun inszeniert sie in Basel, Tampere und Oslo, lebt in Berlin, hat Gastspiele mit ihren Produktionen in Frankreich und Portugal. Aber im Sommer macht sie Urlaub in Italien. Sie schätzt die Offenheit Italiens für Künstler und Exzentriker: „Es gibt bestimmte Kulturen, zu denen ich auch Finnland und Deutschland zähle, in denen exzentrisch zu sein absolut inakzeptabel ist. Wer anders, bunt oder laut ist, wird schräg angeschaut und verurteilt. Was auch immer man über Italien, das Chaos dort oder über die politische Situation sagen kann, ich mag die Akzeptanz der Verrücktheit dort.“ Die italienische Poetin Alda Merini, die Cilla Back in Mailand traf, war eine hochgeachtete „Verrückte“, die sie beeindruckte und der sie während ihrer Zeit in Italien nahe gekommen ist. Cilla Back: „Alda Merini verbrachte fast vierzig Jahre in der Psychiatrie, wo sie Gedichte schrieb, für die sie für den Literaturnobelpreis nominiert wurde. Sie hatte einmal einen Familienstreit, der Ehemann rief den Krankenwagen und sie wurde in die Psychiatrie gebracht. Bist du einmal drin, kommst du nicht mehr raus. Alda Merini beschreibt diese Welt als eine komplett eigene Welt der Anarchie, voller Sexualität, Perversion, doch auch voller Solidarität und Freundschaft. Sie verschrieb schließlich ihr Leben mehr dem Drinnen-Sein als dem Draußen-Sein. Ich habe sie mehrere Male getroffen und sie erzählte über ihr Leben. Sie hat dabei geraucht wie der Teufel.“ Die extremen Haltungen interessieren Cilla Back. Damit meint sie vor allem radikale Entscheidungen für die Kunst. So wie bei einer anderen italienischen Künstlerin, die Die Madonna für immer und unterwegs Die Madonna zieht mit um in jede neue Tasche und in jedes neue Land. Der Fischkopf von Yvonne Wir haben ein Herz, das schlägt, und Francesco Calcagnini, der Bühnenbildner von Cilla Back, „hat einen Stift, der unablässig zeichnet“, sagt sie. Diesen Fischkopf zeichnete er während der Proben zu „Yvonne, Prinzessin von Burgund“ am Det Norske Teatret in Oslo 2008. Ein Messer aus Finnland Das Messer trägt man in Finnland immer bei sich, denn man braucht es im Wald und beim Fischen. Es steht für das finnische „Sisu“. In dieses hier ist der Name von Cilla Backs Sohn eingraviert. Eine italienische Hommage an den Wahnsinn Dies ist ein Buch von Alda Merini. Sie war eine italienische Poetin und Romanautorin. In „L’altra verità. Diario di una diversa“ („Die andere Wahrheit. Tagebuch einer Andersartigen“) schrieb sie über ihr Leben in der Psychiatrie. Cilla Back traf die Dichterin oft in Mailand. Ein Käfig für Fräulein Else In diesem Käfig ist das Herz von „Fräulein Else“ gefangen. Die Schauspielerin, die „Fräulein Else“ in der Regie von Cilla Back spielte, schenkte ihr diesen zur Premiere in Oslo. Ein Bild, selbstgemalt, vielleicht „Lulu“ Cilla Back malt am Abend nach den Proben. Das entspannt sie. Egal, wo sie ist. Dornen aus Mailand Fünf Jahre ihres Lebens wohnte Cilla Back bei einer italienischen Bildhauerin, die ihr diese kleine Skulptur schenkte. Es war eine sehr besondere Wohngemeinschaft, zu der nur ein einziger Mann Zutritt hatte – der Putzmann. CILLA BACK – Finnisches sisu YERMA von Federico García Lorca Premiere am 14. April 2012 in den Kammerspielen Was brauchen wir, um glücklich zu sein? Wohlstand und Sicherheit? Ein Kind und eine große Familie? Wofür leben wir und was gibt unserem Leben einen Sinn? Viele dieser Fragen beantworten wir mit der Geburt eines Kindes. Und wenn ein Kind nicht dann kommt, wenn wir es erwarten, entsteht eine Leere, die alles im Leben auszulöschen vermag. Doch auf was warten wir, wenn wir auf ein Kind warten? Auf das Glück? Yerma braucht ein Kind, damit ihr Leben einen Sinn hat. Die Ehe mit Juan macht sie nicht glücklich. Er arbeitet hart, will Wohlstand und Sicherheit. Ein Kind fehlt ihm nicht, doch Yerma wird trauriger mit jedem Jahr, das sie ohne Kind verbringen muss. Wird sie nicht schwanger, weil Juan kein Kind will? Oder weil sie ihn nicht liebt? Für Victor empfindet sie ganz anders, doch auf Wunsch ihres Vaters hat sie Juan geheiratet und bleibt ihm treu, auch wenn eine Alte ihr rät, den Kinderwunsch etwas unkonventioneller, mit einem anderen Mann, zu befriedigen. Doch Yerma bleibt bei ihrem Mann und wird beide in den Abgrund reißen. Federico García Lorca schrieb dieses hochemotionale, realistische und doch auch poetische Stück über ein gescheitertes Leben und die Suche nach Glück und Liebe im Jahr 1934. Die Geschichte ist in der traditionellen Welt Andalusiens verwurzelt und zeigt doch Menschen, die verzweifelt auf der Suche nach dem richtigen Leben sind. So ist es eine zeitlose Geschichte, die Lorca in einer berührenden und kraftvollen Poesie erzählt. Cilla Back, die aus Finnland stammt, in Italien studierte und in ganz Europa arbeitet, inszeniert „Yerma“ für die Bühne der Kammerspiele. Regie und Kostüme: Cilla Back Dramaturgie: Sabine Reich sie ebenso beeindruckte wie die rauchende Schriftstellerin. Während ihres Regiestudiums an der Scuola del Piccolo Teatro in Mailand lebte sie bei einer italienischen Bildhauerin. Cilla Back erinnert sich: „Unsere Wohngemeinschaft erinnerte ein wenig an ‚Bernarda Albas Haus’ von Lorca: ‚La Signora’ hatte sich entschieden, die Türen zur Außenwelt zu verschließen, und ist nie ausgegangen. Sie hat sich ausschließlich der Kunst gewidmet, was sie dank ihrer wohlhabenden und berühmten Familie auch konnte. Außerdem war da Rebecca, ihre total neurotische Hündin. Die Einzige, der Rebecca gehorchte, war ich. Es gab eine Haushälterin und der einzige Mann, der diese Wohnung je betrat, war Signor Ponzoni, der Putzmann. Ich war eine arme Studentin und habe fünf Jahre in diesem seltsamen, riesigen Appartement gewohnt. Das war eine fantastische Zeit. Ich führte damals ein ziemlich verschlossenes Leben und vielleicht hatten wir deshalb eine sehr gute Kommunikation.“ An Italien liebt Cilla Back die Exzentrik, mit Finnland, wo sie geboren 126 ist, verbindet sie „sisu“, diese Energie, die zum Beispiel durch das Messer, das sie bei sich trägt, ausgedrückt wird. „Das Messer hat eine Aggressivität und eine Art von Energie, die wir ‚sisu’ nennen. Es meint diesen inneren Antrieb, von dem ich glaube, dass nur die Finnen ihn haben. Finnen sind wie Schamanen und die Schamanenkultur ist sehr stark in Finnland vertreten. Finnische Tänzer sind so fantastisch, weil sie diese Energie haben und sie kanalisieren. Wenn man das nicht kanalisiert, gibt es viele Schwierigkeiten wie Alkoholismus und Gewalttätigkeit. Es ist kein Zufall, dass das Messer die häufigste Mordwaffe in Finnland ist.“ Energien freizusetzen und zu kanalisieren scheint Cilla Backs besondere Begabung zu sein. Ihr eigenes Theater beschreibt sie als Suche nach einer Form und einer Präzision, die im Extrem übersteigert verdrängte Energien freisetzen. Die ehemalige Ballerina dehnt und zerrt die Emotionen bis sie reißen. Ruhe findet sie selber nur selten. „Ich male in der Nacht, wenn ich Regie führe. Das ist das Einzige, was mich dann entspannt.“ Entspannung ist schwer vorstellbar im Leben von Cilla Back, und es ist auch nicht das, was sie sucht: Unruhe, nicht Ruhe, treibt sie an. In Berlin, am Prenzlauer Berg, Samstagnachmittag am Kollwitzplatz zwischen Spielplatz und Biomarkt, fühlt sie sich unwohl. Obwohl sie und ihre zwei Kinder in Berlin leben, sie mehr und mehr Deutsch lernt, die Stadt gut kennt und schätzt, fühlt sie sich als eine Fremde in diesem neu-bürgerlichen Familienidyll. Sie gehöre nicht dazu, sagt sie über sich. Sie bleibt bei sich und ist doch immer schon woanders. Eine einzige konstante Begleitung auf ihren Reisen lässt sie zu: die Madonna, die ihr einst eine Freundin schenkte. „Ich bin selbst nicht im klassischen Sinne religiös, aber die Madonna habe ich immer bei mir, wenn ich ein Flugzeug nehme und von Land zu Land reise.“ Bestimmt hat diese Madonna genügend finnisches Sisu, um bei den rasanten Reisen der Cilla Back mitzukommen. 127 Dietmar Bär – Heimathirsch Heimathirsch Natürlich kennt man ihn als Tatort-Kommissar Freddy Schenk. In „Eisenstein“ hat Dietmar Bär gezeigt, dass er noch andere Seiten hat. Auch in Zukunft will er beides verbinden: Theater in Bochum und Film und Fernsehen. Eine Zwischenbilanz. W ie war es, nach all den Jahren wieder auf die Bühne zurückzukehren? Für mich war das vor allem eine Rückkehr auf diese spezielle Bühne. Ich hatte ja ein paar Jahre zuvor schon wieder Theater gespielt, aber in Bochum bin ich das erste Mal seit 1984 wieder gewesen. Mir hat das großen, großen Spaß gemacht. Die Arbeit, die Premiere von „Eisenstein“, die Kollegen vor allen Dingen und das Wiedererkennen des Bochumer Publikums. Was heißt Wiedererkennen? Die Atmosphäre, die Energie, die da von unten kommt. Man spürt als Schauspieler, aber auch als Zuschauer, dass es je nach Publikum verschiedene Betriebstemperaturen im Raum „Mein Kulturdoppel: mittags Fußball im Ruhrgebiet, abends Theater im Ruhrgebiet.“ gibt. Es gibt Orte, da kommt es mir ein bisschen unangenehm und kalt vor und abschätzig oder arrogant. Und das ist etwas, was es in Bochum, glaube ich, noch nie gegeben hat und nie geben wird. Man merkt, wo man ist, wenn man spielt. Für dich ist es eine doppelte Rückkehr. Auf die Bühne, aber auch in diese Stadt. Wann hast du zuletzt hier gelebt? So richtig gelebt habe ich in Bochum von 1982 bis 1985 während meiner Ausbildung an der Bochumer Schauspielschule. Aber ich habe in der großen Nachbarstadt von Bochum immer noch eine Dauerkarte des Ballspielvereins Borussia. Ich bin in der Stadt aufgewachsen und spüre da eine gewisse Tradition, der ich mich nicht entziehen kann. Fährst du tatsächlich zu jedem BVBHeimspiel von Berlin, wo du jetzt lebst, nach Dortmund? Nein, aber ich bin viele Wochen im Jahr in Köln zu den Dreharbeiten vom „Tatort“ oder zu anderen Filmarbeiten und da fahre ich dann am Wochenende nicht zurück nach BerInterview: thomas laue Foto: Christian rolfes lin, sondern nach Dortmund. Und mittlerweile verquicke ich ja auch Heimspiele mit Vorstellungsterminen in Bochum, wie du weißt. Das heißt, nachmittags Spiel gucken und abends selber spielen. Das ist mein Doppel-Kulturprogramm: mittags Fußball im Ruhrgebiet, abends Theater im Ruhrgebiet. Und das ist ja im Moment beides eine helle Freude. Spürst du so etwas wie Aufschwung in der Ruhrregion? Vielleicht auch durch RUHR.2010? Ich kann das jetzt nicht ständig an jeder Ecke spüren, aber durch die Teilnahme an verschiedenen Events und auch als Besucher der Kulturhauptstadt habe sogar ich als gebürtiger Ruhrgebietler einen neuen Blick auf die Region bekommen. Ich bin ja öfter zu Hause, und ich bemerke da Veränderungen an mir selbst. Auch im Austausch mit Leuten: wie man darüber spricht, auf der Arbeit. Ich bin ja überall unterwegs, und klar: man redet über das Ruhrgebiet. Du hast eben gesagt: „Ich bin ja öfter zu Hause.“ Ist das Ruhrgebiet immer noch „zu Hause“, auch wenn du seit 25 Jahren nicht mehr hier lebst? Es ist halt die alte Heimat. Und immer noch der Ort, wo meine Mutter und die Geschwister leben. Durch die Probenarbeit letztes Jahr war ich gut anderthalb Monate am Stück im Ruhrgebiet. Gerade in dieser Zeit konnte ich das alte Heimatbiotop zwischen Essen, Bochum und Dortmund noch mal intensiver einatmen. Da werden auch alte Gefühle wieder stark... Wie unterscheidet sich das Arbeiten am Theater vom Arbeiten beim Film? Das sind erstmal zwei völlig verschiedene Berufe. Ich hatte das Glück, dass ich früh beides kennen lernen konnte. Im Theater kann man sich über Wochen an Themen ab- und auf eine Premiere hinarbeiten, an der dann über Stunden eine zusammenhängende Geschichte erzählt wird. Beim Drehen hast du jeden Tag ein ziemlich eng gepacktes Pensum un129 ter einem riesigen Zeitdruck abzuarbeiten. Eigentlich ist jeden Tag Leseprobe und Premiere gleichzeitig und alles wird dann im Schneideraum zusammengesetzt, wenn du selbst schon wieder ganz woanders bist. Theater entsteht bei jeder Vorstellung neu, ein Organismus, der sich ständig verändert. Ein Film ist irgendwann für die Ewigkeit auf Zelluloid gebannt und in seinem letzten Ergebnis dann fest und starr. Ich glaube weiterhin fest daran, dass das Handwerk für diesen Beruf „Schauspieler“ im Theater liegt. Ich bin sehr konservativ, was die Filmerei angeht, weil ich in meinem Berufsleben als ganz junger Mensch mit den tollen, großen Alten drehen durfte, die alle aus dem Theater kamen und diesen riesigen Background hatten. Heute werde ich am Set oft mit Menschen konfrontiert, die die erste Theaterprobe nicht überleben würden, aber im Film funktionieren können, weil dort eben andere Gesetze gelten. Das hat sicher auch damit zu tun, dass sich Formate und Philosophien im Fernsehfilmgeschäft stark „Man unterhält sich am Lagerfeuer darüber, wann man das letzte Mal gespielt hat.“ verändert haben. Siehe die CastingShows, wo man den Menschen erzählt, dass man mit so einer kleinen Instant-Tüte Musik und Talent irgendwie ein Sänger oder ein Schauspieler oder gar ein Model werden kann. Fatale Aussichten eigentlich. Ist das einer der Gründe, warum du wieder Theater spielst? Nein, mir ging es wie vielen Kollegen mit Theaterhintergrund, die jahrelang nur noch im Film- und Fernsehgeschäft gearbeitet haben: Man unterhält sich dann am Lagerfeuer darüber, wann man das letzte Mal gespielt hat, und ob man das noch kann. Ich hatte das Glück, nicht an alle Türen der Theater Deutschlands klopfen zu müssen, sondern eingeladen worden zu sein, von euch in Bochum, und da zu spielen. Da war es einfach, zu sagen: „Ja, ich will da Dietmar Bär – Heimathirsch vorgestellt, die Kostüme, und man fängt an, zusammen zu lesen und die Atmosphäre entstehen zu lassen, in der man eine Geschichte, wie in diesem Fall „Eisenstein“, erzählen will. Das ist immer ein besonderer Tag. Und da kam der Herr Bär ein bisschen spät rein. VOR SONNENAUFGANG von Gerhart Hauptmann Aber es hat der ganzen Sache nicht geschadet, es ist sogar so gut gegangen, dass du dem Bochumer Publikum auch in der nächsten Spielzeit in der Produktion von Gerhart Hauptmanns „Vor Sonnenaufgang“ erhalten bleibst. Ja, wir wollen das fortsetzen, aber das hat wie gesagt viel mit der Atmosphäre zu tun, die andere mitschaffen. Man kommt ja da rein und bringt sich mit und muss dann gucken, was zurückkommt. Es war halt alles da und wahrscheinlich hängt das auch mit den alten, beruhigenden Sprüchen der Kolleginnen und Kollegen zusammen, die sagen: „Du, das ist wie Fahrradfahren, das verlernt man nicht.“ Man kommt an und sofort gehen alle Türen wieder auf im Kopf. Die Kommunikation zwischen dem Regisseur Weber und dem Schauspieler Bär hat auch funktioniert, so dass man dann sagt: „OK, da kann man doch jetzt noch mal was Intensiveres probieren.“ Und da gibt es ein paar Ideen. Premiere am 23. Mai 2012 im Schauspielhaus Ungeahnte Kohlenschätze lagern unter den Feldern von Witzdorf, einem fiktiven Ort in der niederschlesischen Provinz. Das schwarze Gold hat den Unternehmer Hoffmann über Nacht reich gemacht. Nachdem er geschickt in die Familie des Großbauern Krause eingeheiratet hat, kontrolliert er inzwischen den Kohleabbau in der gesamten Region. Mit den Bauern, denen die neuerdings so ertragreichen Felder gehören, soll der Unternehmer ausbeuterische Pachtverträge abgeschlossen haben. Als Hoffmanns Jugendfreund Alfred Loth zu Besuch kommt, wird er mit seinen früheren, längst verratenen Idealen konfrontiert. Loth, der für seine kommunistische Überzeugung ins Gefängnis ging, plant ein Buch über die Situation der schlesischen Bergarbeiter. Als er durch seine Recherchen in den Kohlegruben die Profite Hoffmanns aus dem Bergbau empfindlich bedroht, verweist dieser den alten Freund des Hauses. Währenddessen verliebt sich Hoffmanns Schwägerin Helene Krause in den weltgewandten Neuankömmling Alfred Loth. Aufgewachsen in einem Pensionat, erscheint ihr das Leben in der schlesischen Provinz wie ein Gefängnis. Die beiden planen gemeinsam durchzubrennen, doch konfrontiert mit der „Erblast“ des Alkoholismus in der Familie Krause, steht Loth zwischen den Stühlen: Soll er sich für die Frau entscheiden, die er liebt, oder für sein Ideal einer Ehe mit einer gesunden, vollkommenen Frau? Ist der Mensch frei in seinen Entscheidungen oder ist er durch sein soziales Umfeld oder seine Gene determiniert? Helene kämpft in der folgenden Nacht nicht nur um das Leben ihrer Schwester, die in den Wehen liegt, sondern auch um ihre eigene Freiheit: ihr Schicksal wird sich vor Sonnenaufgang entschieden haben. Regie: Anselm Weber Bühne: Alex Harb Kostüme: Meentje Nielsen wieder hin!“ Das Live-Spiel, das Gefühl mit dem Publikum im Raum an so einem Premierenabend, das hast du eben beim Dreh nicht, das ist der gute alte „Thrill“ auf der Bühne. Erinnerst du dich noch an deinen ersten Probentag in Bochum? Sehr gut, weil ich damals aus Köln kam und mitten auf der Rheinbrücke umkehren musste: Ich hatte vor lauter Aufregung meinen Rucksack vergessen hatte. (lacht) Ich musste wieder zurück und kam dann natürlich zu spät auf der Probebühne an... natürlich. Ist aber in meinem Leben leider ein Klassiker. Es war der Tag 1, wo man natürlich alle Kollegen – die ich zum größten Teil noch gar nicht kannte – kennenlernt. Und es gibt das gute Flair der ersten Probe: Die Konzeption des Bühnenbilds wird 130 Bleibt denn noch genug Zeit zum Drehen oder wird man dich demnächst nur noch im Theater sehen? Das denke ich erst mal nicht, aber es hat funktioniert. Das war ja zu überprüfen von meiner Seite aus. Auch die Verbindung mit dem TatortDrehplan. Aber das klappt, für ein Stück pro Spielzeit. Ich bin bestimmt erstmal noch auf beiden Gleisen unterwegs, und was dann später passiert, wenn wir alle unsere Theater vielleicht sogar unter Waffengewalt beschützen müssen, damit wir überhaupt noch Kultur machen können in Deutschland, werden wir sehen. Da muss ich wahrscheinlich dann auch dabei sein und die Sandsäcke aufschichten vorm Schauspielhaus. FrEundEskrEis schauspiElhaus Bochum E.V. FördErung dEr thEatErarBEit sEit 1994 EinE FrEundschaFt, diE sich lohnt! Das Schauspielhaus Bochum ist ein Leuchtturm innerhalb der reichen Kulturlandschaft des Ruhrgebietes. Die herausragende Stellung und überregionale Strahlkraft dieses so traditionsreichen wie renommierten Theaters ideell und finanziell zu stützen und zu fördern – das hat sich der Freundeskreis Schauspielhaus Bochum e.V. zum Ziel gemacht. Der Freundeskreis ist ein Gewinn für alle – sowohl für das Schauspielhaus Bochum und sein Publikum als auch für die Mitglieder selbst. Denn diese profitieren in vielerlei Hinsicht von ihrem Engagement! 1994 gegründet, versteht sich der Freundeskreis als Motor für eine effiziente und nachhaltige Förderung der Theaterarbeit. So hat er in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, die technische Ausstattung des Schauspielhauses zu optimieren, und darüber hinaus zahlreiche Einzelprojekte unterstützt. Dabei ist es dem Freundeskreis ein besonderes Anliegen, junge Besucher – auch über das Modell der „Patenkarten“ für finanziell benachteiligte Schüler, Schülerinnen und Studierende – an das Schauspielhaus heranzuführen. Doch nicht nur dem Haus lassen die Mitglieder des Freundeskreises die angemessene Unterstützung zukommen, durch vielfältige Aktionen tragen sie auch dazu bei, dieses Theater und seine Mitarbeiter noch besser kennen zu lernen und so die Identifikationsbereitschaft zu erhöhen. So haben die Freundinnen und Freunde Gelegenheit, die Arbeit des Schauspielhauses durch verschiedene exklusive Veranstaltungen näher kennen zu lernen – sei es in Gesprächsrunden mit Regisseuren, Schauspielern und Dramaturgen, bei Führungen, Vorstellungen der verschiedenen Theaterberufe oder auch bei Vorträgen und Podien zur Theatergeschichte. Über sämtliche Angebote werden die Mitglieder des Freundeskreises durch Rundbriefe informiert. Darüber hinaus sind die Mitglieder des Freundeskreises bei der Kartenreservierung privilegiert: Sie können ihre Theaterkarten bereits einen Tag vor dem Beginn des regulären Vorverkaufs für Wahl-Abonnenten bestellen bzw. erwerben. Die Freundeskreismitglieder kommen nicht nur aus Bochum, sondern auch aus anderen Städten der Region und sogar aus Berlin, wie das prominenteste Mitglied Otto Sander. Es lohnt sich, Mitglied im Freundeskreis des Schauspielhauses Bochum zu werden. Wollen Sie nicht auch dabei sein? Werden Sie Mitglied! Kontakt: Freundeskreis Schauspielhaus Bochum e.V. • c/o Hans Joachim Salmen (Vorsitzender) Heinrich-König-Str. 73 • 44795 Bochum • Tel.: 0234 / 47 35 93•E-Mail: hajosalmen@aol.com Jährliche Beiträge: Einzelmitglieder 45,00 € / Studierende 10,00 € / Familien 60,00 € / Juristische Personen 300,00 € „Ich bin Mitglied im Freundeskreis, weil mir das Schauspielhaus Bochum wichtig ist, weil ich das zeigen will, weil ich erstklassige Aufführungen sehen möchte und weil ein Theater gerade heute dafür Unterstützung braucht.“ Volker Fleige „... weil ich gerne auch einmal selbst auf der Bühne stehe.“ Ute Lange nach einer Bühnenführung für den Freundeskreis Theater für alle: junges schauspielhaus Theater und Schule Das Junge Schauspielhaus steht für ein Theater für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, das sowohl durch soziale als auch künstlerische Ansprüche geprägt ist; das sich besinnt auf seine kulturellen Möglichkeiten Schule des Sehens zu sein, Kommunikation in Gang zu setzen und Mut zum Leben zu machen. Das Junge Schauspielhaus ist ein Ort der Begegnung, Kommunikation und Kreativität für Kinder und Jugendliche aus allen sozialen Schichten. Hier bekommen Kinder und Jugendliche Gelegenheit, sich – von Künstlern und Theaterpädagogen begleitet – auszuprobieren, zu entfalten, ihre Kreativität zu nutzen und damit Wege und Handlungsstrategien für ihr Leben zu entdecken. Durch die praktische Auseinandersetzung mit Musik, Theater, Tanz und Bildender Kunst erweitert sich der kulturelle Horizont wie auch die gesellschaftliche Kompetenz. Das Selbstbewusstsein der Kinder und Jugendlichen wird gestärkt, sie erfahren vielfältige Möglichkeiten sich auszudrücken und ihre Gedanken zu formulieren. Sie erlernen Teamfähigkeit und den konstruktiven Umgang miteinander. Das Junge Schauspielhaus ist Heimat für hunderte von Bochumer Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die sich in Projekten und Workshops kennen lernen. Es arbeitet mit allen Bevölkerungsschichten, Religionszugehörigkeiten und Altersgruppen, die sich auf diese Weise durchmischen und gegenseitig entdecken. So entsteht Kommunikation, Respekt, Verständnis und im besten Fall Zuneigung zwischen Menschen, die sich sonst vielleicht niemals getroffen hätten. Martina van Boxen Leiterin Junges Schauspielhaus Martina van Boxen, geboren 1960, studierte Visuelle Kommunikation in Düsseldorf und absolvierte ihre Schauspielausbildung an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Sie arbeitete an verschiedenen Theatern als Schauspielerin und Regisseurin und leitete die Theaterwerkstatt Hannover. Dort und an anderen Theatern inszenierte sie zahlreiche Stücke für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Ihre Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet und zu nationalen wie internationalen Festivals eingeladen. Seit der Spielzeit 2005/2006 leitet sie das Junge Schauspielhaus Bochum. SIB – Schulen in Bewegung 80 Schülerinnen und Schüler aus sechs Bochumer Schulen entwickeln zusammen mit Künstlern ein Theaterprojekt. Das Besondere daran: Die Schüler kommen nicht nur aus sechs unterschiedlichen Schulen, sondern auch aus sechs unterschiedlichen Schulformen: Förderschule, Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Gesamtschule und Berufskolleg. Alle teilnehmenden Schüler haben unter der Anleitung von Künstlern die Möglichkeit, verschiedene kreative Ausdrucksformen und Arbeitstechniken zu erproben und schöpferische Kräfte zu entwickeln. Entsprechend ihrer individuellen Neigungen können sie sich für die Bereiche Schauspiel, Tanz, Musik, Film, Bühnenbild, Kostüm oder auch Website-Erstellung entscheiden. Die Gruppen werden gleichmäßig durchmischt, d. h. jede Gruppe wird aus Förder-, Haupt-, Real-, Gesamt-, Berufsschülern und Gymnasiasten gebildet. Ziel ist es, auf Stigmatisierungen in und aus allen Richtungen („Die sind doch alle dumm und blöd“, „Die sind doch alle Streber und Karrieristen“) mit Integrationsangeboten zu antworten. Die Arbeit als Gruppe an einem gemeinsamen künstlerischen Ausdruck, an einem ästhetischen Gesamtwerk jenseits von Notenzwang und Schulalltag macht es möglich, dass sich jeder Einzelne mit seinen besonderen Fähigkeiten, Kompetenzen, Ressourcen und Vorlieben einbringen und entwickeln kann. Mit Columbus Theater entdecken Moderne Klassikerinterpretationen kennen lernen, neue Stoffe und Texte hautnah erleben, erfahren, wie ein Theaterabend entsteht – Neugier auf das Theater weckt unser Schul-Kooperationsprojekt Columbus. Columbus ist eine Einladung an Schülerinnen und Schüler des 8. bis 11. Jahrgangs aus Bochum und der Region, gemeinsam im Klassenverband das Bochumer Schauspielhaus in Besitz zu nehmen. Das Angebot erstreckt sich über ein oder zwei Jahre mit jeweils zwei Vorstellungsbesuchen pro Schuljahr. Diese werden von Vor- oder Nachbesprechungen durch Theaterpädagogen und Dramaturgen flankiert. Zusätzlich können die Gruppen im Rahmen einer gebuchten Columbus-Vorstellung nach vorheriger Anmeldung an einer Führung durch das Schauspielhaus Bochum teilnehmen. Wir machen den Lehrern der teilnehmenden Klassen Vorschläge, welche Stücke aus dem Gesamtspielplan für Columbus geeignet sind und für die sie Kartenkontingente abrufen können. Dies sichert Ihnen auch bei stark gefragten und schnell ausgebuchten Vorstellungen Karten für die gesamte Klasse. Schulen in Bewegung wird gefördert von: Die Kosten für die zweijährige Teilnahme betragen inklusive aller vier Vorstellungen sowie der Vor- und Nachbereitungsangebote pro Schüler 20,00 € (bzw. 10,00 € für ein Jahr). Einfacher und preisgünstiger kann man nicht ins Theater gehen! Weitere Informationen im Jungen Schauspielhaus bei: Tobias Diekmann Tel.: 0234 / 33 33 54 28 E-Mail: tdiekmann@bochum.de FOTOS: DIANA KÜSTER illustrationen: Anne Peter 132 133 Kinder- und Familienstück von Michael Ende ab 6 Jahren Wiederaufnahme im November 2011 im Schauspielhaus DIE KLEINE HEXE Wer kennt nicht Jim Knopf und Lukas den Lokomotivführer, die dicke Lokomotive Emma, Prinzessin Li Si und den Scheinriesen Tur Tur? Ausgezeichnet mit dem Deutschen Jugendbuchpreis und in 33 Sprachen übersetzt, verzaubert Michael Endes Roman „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ seit über 50 Jahren die Kinder in aller Welt. Seit November ist die Geschichte der beiden Freunde Jim und Lukas und ihrer weiten Reise durch eine Welt voller Abenteuer mit großem Erfolg im Schauspielhaus Bochum zu sehen – für Schulklassen an vielen Vormittagen und familienfreundlich auch nachmittags und am Wochenende. Kinder- und Familienstück von Otfried Preußler ab 6 Jahren Premiere am 20. November 2011 im Schauspielhaus Mit 127 Jahren ist sie noch ganz schön jung für eine Hexe. Aber alt genug für die Walpurgisnacht, denkt sich die kleine Hexe. Warum sollen denn bei der größten Party des Jahres immer nur die alten Hexen ihren Spaß haben? Also ist die kleine Hexe einfach heimlich zum Blocksberg geflogen, wurde aber leider erwischt. Doch die alten Hexen geben ihr eine Chance: Wenn sie innerhalb eines Jahres eine gute Hexe wird, darf sie bei der nächsten Walpurgisnacht ganz offiziell dabei sein. Wir werden die Produktion auch in der zweiten Spielzeit weiter im Programm halten und Jim Knopf und Lukas regelmäßig mit ihrer Lokomotive auf die Reise schicken. Damit stehen mit der „Kleinen Hexe“ und „Jim Knopf“ erstmals zwei große Kinder- und Familienstücke gleichzeitig auf dem Spielplan des Schauspielhauses. Also macht sich die kleine Hexe an die Arbeit und ihr bester Freund, der Rabe Abraxas, hilft ihr dabei. Sie lernt täglich sieben statt sechs Stunden aus dem großen Hexenbuch. Sie hext Gutes und hilft den Menschen, wo sie kann: zum Beispiel den alten Frauen, denen der neue Revierförster das Holzsammeln verbieten will, dem Maronimann mit seinem Schnupfen oder den Kindern, denen der böse Sepp immer den Schneemann kaputt macht. „Regisseurin Katja Lauken lässt zu Beginn ganz Lummerland auf die Bühne fliegen. Die Aufführung verzaubert durch Liebe zum Detail. Und weil sie ganz unaufdringlich Jim Knopfs Geschichte, die eines farbigen Findelkindes, als Migrantenschicksal ernst nimmt. Alle Figuren sind spezielle Charaktere, Außenseiter mit melancholischem Kern, die sich auf heiterste Weise durchs Leben schlagen.“ (Welt am Sonntag) Dann, am Tag vor der Walpurgisnacht, muss die kleine Hexe vor dem Hexenrat beweisen, dass sie eine gute Hexe geworden ist. Nur wenn sie diese Prüfung besteht, darf sie mit auf den Blocksberg. Erst läuft es ganz gut, denn das große Hexenbuch kann sie in- und auswendig. Aber dann berichtet die Muhme Rumpumpel von den guten Taten der kleinen Hexe – und anstatt sie zu loben, wollen die alten Hexen sie nun bestrafen, denn eine Hexe darf nun einmal immer nur Böses hexen. Aber wie hätte die kleine Hexe das wissen sollen? Und überhaupt: sind nicht die alten Hexen die schlechten Hexen? Die sollen in dieser Walpurgisnacht noch ihr blaues Wunder erleben! FRED UND ANABEL nach Motiven von Lena Hesse für Kinder ab 3 Jahren Uraufführung am 9. Oktober 2011 im Melanchthonsaal Fred und Anabel haben einen wunderschönen Sommer verbracht, denn sie sind Freunde geworden. Fred, der Kater, und Anabel, die Graugans, waren unzertrennlich und deshalb war dieser gemeinsame Sommer der schönste Sommer überhaupt. Sie haben viele Abenteuer erlebt, doch dann kommt der Herbst. Anabel beginnt zu frieren und sie muss mit den anderen Graugänsen in den warmen Süden fliegen. Fred dagegen bleibt lieber auf dem warmen Ofen bei Paula Mai. Aber Anabel hält es ohne Fred kaum aus und Fred ist traurig ohne Anabel. Beide vermissen einander ganz schrecklich. Und so beschließen sie, sich gegenseitig Briefe zu schreiben. Nun wissen sie, dass es dem anderen gut geht und die Zeit bis zum Wiedersehen geht viel schneller vorbei! Tatsächlich sind sich Fred und Anabel die ganze Zeit über viel näher, als sie gedacht haben. von Igor Bauersima für Jugendliche ab 13 Jahren Premiere am 30. November 2011 im Theater Unten Martina van Boxen inszeniert diese Geschichte über Freundschaft, Trennung, Sehnsucht und Liebe für Kinder ab 3 Jahren. Regie: Martina van Boxen Bühne: Michael Habelitz Kostüme: Cathleen Kaschperk Musik: Manuel Loos Dramaturgie: Anna Haas Regie: Katja Lauken Bühne: Kathrine von Hellermann Kostüme: Yvette Schuster Musik: Torsten Kindermann, Oliver Siegel Dramaturgie: Anna Haas Regie: Henner Kallmeyer Bühne: Franziska Gebhardt Kostüme: Silke Rekort Musik: Burkhard Niggemeier Dramaturgie: Sascha Kölzow NORWAY.TODAY Illustration: Lena Hesse weiter im Spielplan: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer Lena Illustration: Hesse Theater für Kinder und Jugendliche August ist lebensmüde. Er denkt an Selbstmord. Dabei ist er noch keine 20. Im Internet sucht er nach Gleichgesinnten. Es meldet sich Julie, die mit ihm zusammen sterben will. Sie verabreden sich auf einer 600 Meter hohen Klippe an einem norwegischen Fjord, um gemeinsam in den Tod zu springen. Ihren Abschiedsbrief wollen sie als Videobotschaft verfassen. Und so beginnen die beiden ihre letzten Stunden für die Nachwelt zu dokumentieren. Vor laufender Kamera fangen sie an zu spielen. Und je mehr sie spielen, umso mehr sind sie voneinander fasziniert und umso weniger wollen sie sterben... Frei nach Schiller, für den der Mensch „nur da ganz Mensch“ ist, „wo er spielt“. Für August und Julie wird das Spiel zum (Über-)Lebenselixier. „norway.today“ war 2001 zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen und ist inzwischen ein Klassiker unter den zeitgenössischen Jugendstücken. Ausgangspunkt für Igor Bauersimas Stück war ein realer Fall, auf den er durch eine Notiz im „Spiegel“ aufmerksam wurde. Die beiden Jugendlichen sind tatsächlich in den Tod gesprungen. Wie waren die letzten Stunden im Leben der beiden Selbstmörder? Bauersima gibt der Geschichte zwischen Sinnlosigkeit und Hoffnung eine neue Wendung. Regie: Martina van Boxen Bühne und Video: Michael Habelitz Kostüme: Cathleen Kaschperk Dramaturgie: Sascha Kölzow Kindertheater des Monats für Kinder von 2 bis 12 Jahren In der Gastspielreihe „Kindertheater des Monats“ zeigen wir sechs ausgewählte Produktionen aus ganz Deutschland. Dabei stellen wir dem Publikum die ganze Bandbreite an künstlerischen Theaterformen vor. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt, wenn Figuren zum Leben erweckt und Bilder neu in Szene gesetzt werden. Vielfältig, kreativ und überraschend! Das ist anspruchsvolles Theater für unsere jüngsten Zuschauer. Die Termine können Sie unseren Monatsspielplänen entnehmen. Henner Kallmeyer, 1974 in Lübeck geboren, begann seine Theaterlaufbahn am Schauspielhaus Bochum als Regieassistent während der Intendanz von Leander Haußmann. Nach einer Zwischenstation in Hannover, wo er seine ersten eigenen Inszenierungen herausbrachte, kehrte er ins Ruhrgebiet zurück und lebt heute in Essen. Er inszenierte unter anderem in Göttingen, Salzburg, Graz, Bielefeld, Bochum und Essen so unterschiedliche Dinge wie Shakespeare, Film-Adaptionen oder Kinder- und Familienstücke. 134 134 Märchenlesungen für Kinder ab 5 Jahren Die Märchenlesungen erzählen von wundersamen Begebenheiten und beflügeln die Fantasie. An den Adventssonntagen lesen Schauspieler des Ensembles aus ihren ganz persönlichen Lieblingsmärchen und nehmen Groß und Klein mit auf eine Reise an fremde und verwunschene Orte. Mehr Jeans im Theater! ERSTER AMANDA DA GLORIA LISA FÖRSTER IM FO JOACH Frühlingsanfang. Eine kleine Garten-Idylle zwischen Mietskasernen. Einige Schauspielstudierende nutzen die ersten Sonnenstrahlen, um die Grillsaison zu eröffnen und nach einem arbeitsintensiven Projekt durchzuatmen. Ein Gespräch über Schauspielerei mit Damir Avdic und Lisa Förster. RA ZO NN MA TER DAMIR AVDIC S KLO INTERVIEW: SASCHA KÖlZOW FOTOS: LUKAS ZABEK RD BERNHA NBERG -HACKE T IT SCHM ANDRÉ JULIA LUD WIG ROHDE CHARL ES MORILL ON MECHTHILD GRABNER Was hat euch zum Schauspielstudium an die Folkwang-Uni verschlagen? Lisa: Ich hatte einfach diese fluxe Idee, Schauspielerin zu werden. Ich fand das faszinierend. Aber bis zum Abi wusste ich nicht einmal, dass es Schauspielschulen gibt. Ich bin völlig ahnungslos zu den Vorsprechen gegangen. An der Folkwang-Schule habe ich mich gleich wohl gefühlt und wie eine Verrückte gekämpft, um aufgenommen zu werden. Das war toll, man ist echt durch die Hölle gegangen. Ich hatte keine Ahnung, wie das geht, sondern habe einfach gezeigt, wie ich denke, dass es sein könnte. Das kam offenbar gut an. Als es dann geklappt hat, wusste ich erstmal überhaupt nicht, was mich erwartet. Damir: Ich habe eigentlich nie den Wunsch gehabt, Theater zu spielen. Aber ich stand schon mit neun im Zirkus auf der Bühne und habe gezaubert. Ich war hier in Bochum auf der Hauptschule und kam über „Hauptschule in Bewegung“ zum Jungen Schauspielhaus. Ich war in der Mediengruppe – damals habe ich mich noch gar nicht getraut selbst auf der Bühne zu stehen. Aber dann habe ich gemerkt, dass das ziemlich viel Spaß macht. Als dann auf einmal alle von Schauspielschulen erzählt haben, dachte ich, das könnte mir helfen, weil ich Zauberer werden wollte. Bei den Vorsprechen hatten die anderen Bewerber immer einen riesigen Druck. Ich habe das gar nicht so wichtig genommen. Aber irgendwas in mir sagte „Ja“. Es ist immer noch ein Rätsel für mich, warum ich das mache. Aber ich merke: Es gibt mir viel, weil ich ganz viel geben kann. Warum wollt ihr Schauspieler werden? Was macht den Beruf aus? Damir: Das ist ein Beruf wie eine Achterbahnfahrt. Das fasziniert mich. Du hast riesig Schiss davor, aber es macht so viel Spaß. Wenn ich morgens sehe, wie Leute an der Theaterkasse stehen, wenn ich merke, dass wir ihnen etwas schenken können, sie manchmal sogar glücklich machen – das ist wunderschön! Deswegen mache ich es, für die Zuschauer. Ohne sie gäb’s das Theater nicht. Lisa: Das stimmt. Wenn man merkt, dass man Spannung erzeugen kann auf der Bühne, dass ein ganzer Saal voller Menschen auf einmal bei dir ist – das finde ich super. Die Bühne ist ein magischer Ort, da ist ganz viel Wahrhaftigkeit. Wo man sich sonst gerne herauswindet, auf der Bühne kommt man nicht mehr drumrum. Das ist das Schöne. Wollt ihr berühmt werden? Lisa: Ich denke da gerade nicht dran. Ich möchte in diesem Beruf so gut wie möglich werden, nicht so berühmt wie möglich. Damir: Also ich will überhaupt nicht berühmt werden. Ich will einfach, dass das Theater als Ganzes die Leute packt. Für mich ist Theater wie ein Körper: wenn nur das Herz da ist, bringt das überhaupt nichts. Der ganze Körper muss funktionieren. Gibt es auch Momente, in denen man verzweifelt? Lisa: Ja. Gerade nachdem man einen entscheidenden Schritt nach vorne gegangen ist, fällt man oft gefühlte sieben Schritte zurück. Das Empfinden ist in solchen Momenten sehr absolut. Aber das gehört auch dazu: richtig an sich zweifeln und dann die Kraft besitzen weiter zu machen. Damir: Das ist ein sehr gefährlicher Beruf. Daran kann man auch kaputt gehen. Du musst es 100 Prozent wollen – es reicht nicht, dass es dir ganz gut gefällt, du brauchst die Bereitschaft zu bluten! Und es ist natürlich auch deswegen hart, weil man uns nicht braucht. Man braucht keine Schauspieler. Mein Vater kann auch leben, ohne dass er je ein Theater besucht hat. Trotzdem habt ihr euch für die Schauspielerei entschieden. Was ist so faszinierend am Theater? Damir: Ich finde es toll, dass man einfach alle Emotionen herbeirufen kann. Es ist eben nicht nur Unterhaltung. Leute weinen, lachen, kriegen Angst, stehen sogar auf, weil sie konfrontiert werden mit Sachen, die sie nicht kennen oder nicht kennen lernen wollen. Oder die sie ganz genau kennen... Lisa: Eben! Man konfrontiert die Leute mit Dingen, denen sie vielleicht im Leben ausweichen. Und vielleicht regt das an und inspiriert die Leute. Leider besteht das Publikum oft nur aus sehr kultivierten Menschen. Ich würde mir wünschen, dass man es schafft, auch andere Menschen ins Theater zu bringen – gerade die jungen, denen es fremd ist. Damir: Oft sagen Leute, sie gehen da nicht hin, weil sie nicht die richtigen Klamotten dafür haben! Da sage ich ganz klar: Mehr Jeans im Theater! Ich will, dass die Sicht aufs Theater sich ändert. Dafür stehe ich auch auf der Bühne. Lisa: Ja! Da habe ich die Hoffnung, dass wir als junge Schauspieler Zugang zu diesen jungen Menschen kriegen können. Dass man nicht irgendwelche alten Dinge versucht aufzubacken, sondern was Neues schafft, gemeinsam mit dem Publikum. Warum hat die Welt genau auf euch gewartet? Lisa: Weil wir jung sind, weil wir ganz viel Energie mitbringen und die Kraft, etwas zu verändern. Damir: Die Welt hat gar nicht auf uns gewartet. 137 SPIEL DES LEBENS Ein Projekt von Lutz Hübner und Martina van Boxen mit dem 3. Jahrgang Schauspiel der Folkwang Universität der Künste Uraufführung am 16. März 2012 in den Kammerspielen Die Aufnahmeprüfung ist geschafft – und nicht erst seit gestern. Damir, Joachim, Lisa, Mechtild, Amanda, Zora, Julia, Charles, André und Bernhard gehen ins dritte Jahr ihrer Schauspiel-Ausbildung an der Folkwang Universität der Künste. Mit welchen Träumen und Erwartungen haben sie sich damals an der Schauspielschule beworben? Wie blicken sie jetzt auf den nächsten Vorsprech-Marathon, der ihnen bevorsteht, wenn sie nach der Ausbildung auf die Jagd nach dem ersten Engagement gehen? Zehn junge Menschen voller Enthusiasmus, Fantasie und Visionen, auf die bis jetzt jedoch keiner gewartet hat. Sie wollen alles geben, doch wer will sie haben? Wie gelingt die perfekte Performance, die sie nach vorne bringt? Oder sind sie schon mitten drin in der Show ihres Lebens? Der Autor Lutz Hübner und die Regisseurin Martina van Boxen, beide selbst ausgebildete Schauspieler, tauchen in die Welt dieses Folkwang-Jahrgangs ein und entwickeln gemeinsam mit den Studierenden ein neues Stück. Es geht um zehn junge Menschen an einer Schnittstelle. Ausgangspunkt sind die realen Erlebnisse und Geschichten der Schauspiel-Stars von morgen, doch am Ende werden wir vielleicht nicht so genau wissen, ob sie uns nicht nur verdammt gut etwas vorspielen. Denn was ist schon „echt“ in diesem Beruf? Hat Oscar Wilde recht, wenn er sagt: „Ich liebe es Theater zu spielen. Es ist soviel realistischer als das Leben“? Regie: Martina van Boxen Bühne: Michael Habelitz Kostüme Cathleen Kaschperk Musik: Torsten Kindermann Dramaturgie: Anna Haas, Sascha Kölzow In Zusammenarbeit mit der Folkwang Universität der Künste Lutz Hübner weiß, wie es ist, Schauspielschüler zu sein, denn er war selbst mal einer. Nachdem er sich bei einem Engagement als junger Schauspieler in eine Kollegin verliebte, bekam er vom Intendanten keine Rollen mehr. Er hat sich stattdessen aufs Regieführen und vor allem aufs Schreiben verlegt. Eine gute Entscheidung, denn als Autor wurde er schnell zum meistgespielten deutschsprachigen Gegenwartsdramatiker. Bekannt wurde er als Jugendtheaterautor, doch mit ihm selbst sind auch seine Figuren älter geworden. Seine Stücke entstehen meist als Auftragswerke in enger Zusammenarbeit mit den Theatern. So zum Beispiel „Blütenträume“ oder „Nachtgeschichte“, die er für Anselm Weber geschrieben hat. Mit seinem Stück „Die Firma dankt“ wurde er gerade zum zweiten Mal zu den renommierten Mülheimer Theatertagen eingeladen. Die Kollegin von damals ist übrigens heute seine Frau. Theater in der Stadt mit der Stadt Das Junge Schauspielhaus ist für junge Leute – aber nicht nur. Es ist auch der Ort für ein Theater, das sich in die Stadt vernetzt und Geschichten erzählt, die wir sonst nicht hören. Dazu gehören seit Jahren die Projekte von Sandra Anklam, die in der Bochumer Psychiatrie und der Justizvollzugsanstalt Stücke entwickelt, die vom Leben abseits der ausgetretenen Wege der vermeintlich „normalen Bürger“ erzählen – egal wie alt die Darsteller auf der Bühne sind. Für „Boropa“ berichtet sie von ihren Erfahrungen in der JVA Bochum. Theater mit Tätern Club in der JVA Sandra Anklam über ihre Arbeit in der JVA „Wenn der Mensch spielt, ist er im Vollbesitz seiner Freiheit und Würde.“ Mihály Csíkszentmihályi, Psychologe, prägte die Theorie des „Flow“ Vieles ist anders in der Theaterarbeit in einer JVA – das Warten beispielsweise. Es scheint, dass das Gebäude den Zustand Warten atmet. Das Warten der Gefangenen hat sich in den Mauern manifestiert und somit institutionalisiert. Warten und warten lassen. Vielleicht ist es auch das Thema Macht. Vielleicht hängt das eine eng mit dem anderen zusammen. Warten ist ein zentrales Motiv. Woche für Woche darauf warten, dass jemand Handy und Personalausweis entgegennimmt, Daten in den Anstaltscomputer eingibt, die nummerierte Marke als Tauschobjekt herausgibt. Warten auf den Beamten, der die sechs Türen aufschließt, die zwischen draußen und drinnen liegen, zwischen Wirklichkeits- und Möglichkeitsraum, den die Theaterarbeit erschafft. Vielleicht ist das eine naive Vorstellung von dem, was Theater im Gefängnis macht. Oder eine idealistische. Theater und Gefängnis gehen eigentlich nicht zusammen. Das Gefängnis vollstreckt Strafe durch den Entzug von Freiheit. Theater ermöglicht Freiheiten im Denken und Handeln. In diesem Spannungs- Sandra Anklam ist Diplom- und Theaterpädagogin sowie Drama- und Theatertherapeutin. Seit der Spielzeit 2002/2003 arbeitet sie am Schauspielhaus Bochum. Im Jungen Schauspielhaus entwickelt sie regelmäßig Inszenierungen und Projekte mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, gibt Workshops für Jugendliche und führt Fortbildungen für Pädagogen im Bereich Theater durch. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind Kooperationsprojekte mit unterschiedlichen Institutionen der Stadt Bochum (JVA, Psychiatrie, Universität) sowie generationenübergreifende Theaterprojekte. feld schafft und bietet Theaterarbeit Möglichkeiten und Beweglichkeit, ästhetische Spielräume, ein wenig freien Willen und Gestaltung, wo kaum Spielräume und Freiheiten vorgesehen sind. alitätscheck: Wer lacht an welcher Stelle über wen? Doch vor und hinter und neben und zwischen all dem steht das Warten. Auf die Gefangenen, die für die Probe durch Beamte von ihren jeweiligen Arbeitsstätten innerhalb der Anstalt geholt werden. Darauf, dass jemand die drei Türen aufschließt, die auf dem Weg zur nächsten Damentoilette liegen. Darauf, dass nach Probenende jemand die sechs Türen öffnet, die vor der Pforte liegen, damit auf die Herausgabe von Handy und Personalausweis gewartet werden kann, damit auf das Öffnen der letzten Tür auf dem Weg nach draußen gewartet werden kann. Lachen hat Gefahrenpotenzial. Lachen ist Demonstration von Macht. Wer wen wann auslachen und wer zurücklachen darf, ist eine differenzierte Kunst und erzählt viel über soziale Ränge. Zwischen den Gefangenen und zwischen Beamten und Gefangenen. Witze machen dürfen nur die Bosse und lachen dürfen auch nicht alle über alles. Lachen ist immer auch riskant. Und dann das Theater. Hier wird viel und ständig gelacht. Über Einfälle, über einander, über Fehler und Schwächen. Über Machos und Mäuse und Schließer und Schlösser. Lachen ermöglicht andere Konnotationen, Distanz und damit auch Öffnung zu anderen Bedeutungsinhalten. Das ist befreiend. Lachen ist befreiend. Konflikte werden entschärft. Warten wird erträglicher. Zwischen dem Warten liegt die Arbeit mit Männern, die Täter sind und oft genug Opfer. Allen gemein ist die Angst vor dem Gesichtsverlust und die Lust am kontrollierten Gesichtsverlust – die Lust zu spielen. Auch auf die Gefahr hin, dass Theaterarbeit hochgradig unmännlich und vermutlich sogar schwul ist. Das schaffen nur wenige. Und die meisten eher punktuell und temporär. Bis zur Premiere vor den Mitgefangenen. Bis zum endgültigen Re- Vieles ist anders in der Theaterarbeit in einer JVA – das Lachen beispielsweise. Vieles ist anders in der Theaterarbeit in einer JVA – das Warten und das Lachen beispielsweise. Sandra Anklam Warteschleifen oder: „Sie werden verbunden, bitte Warten…“ Die Zusammenarbeit mit der JVA Bochum geht in das vierte Jahr. Gefangene erforschen den realen und theatralen Zustand des Wartens und bringen ihre ästhetischen Ergebnisse auf die Bühne: Qualitäten von Warten und Abgründe von Warten – von „Warten auf…“ bis „Warten bis...“. Regie: Sandra Anklam Club in der Psychiatrie Ver-Stimmungen oder: Himmelhoch und Höllentief Die erfolgreiche Kooperation mit dem LWL-Universitätsklinikum Bochum der Ruhr-Universität Bochum für Psychiatrie, Psychotherapie und Präventivmedizin wird auch in der Spielzeit 2011/2012 fortgesetzt: Ein Projekt für Patienten und Mitarbeiter, das sich literarisch und biografisch mit dem Thema Depression auseinandersetzt. Regie: Sandra Anklam 138 FOTOS: DIANA KÜSTER Theater und Angebote für Kinder, Jugendliche und Pädagogen Jugendclubs Workshops I n unseren Jugendclubs entwickeln wir mit Jugendlichen zwischen 12 und 25 Jahren Produktionen zu Themen, die ganz nah dran sind am Leben junger Menschen. Gegenwart und Zukunft, Visionen und Utopien, Liebe und Leid? Mit Hilfe von Theaterpädagogen können die Jugendlichen ihre Fragen und Interessen künstlerisch-kreativ reflektieren. Sie schreiben Texte und beschäftigen sich mit verschiedenen Formen des Theaters vom Schauspiel über Tanz bis hin zur Musik. Alles ist möglich. Das Junge Schauspielhaus hat neben mehreren Jugendclubs auch einen intergenerativen Club, in dem Menschen aller Alterklassen in einem gemeinsamen Projekt zusammenkommen. Außerdem können sich Jugendliche, die lieber auf der anderen Seite der Bühne stehen, in unserer Regiewerkstatt mit einem eigenen Konzept ausprobieren. Am Ende der gemeinsamen Entdeckungsreise stehen jeweils öffentliche Vorstellungen im Theater Unten des Schauspielhauses Bochum. Theaterscouts Fortbildungen A Newsletter für Pädagogen I Förderverein K D as Theater ist für alle da! Unter diesem Motto laden wir theaterbegeisterte Jugendliche, Pädagogen und alle Theaterinteressierten dazu ein, sich beim Theaterstammtisch gemeinsam mit anderen über die Bretter, die die Welt bedeuten, auszutauschen – wir diskutieren über aktuelle Inszenierungen und Projekte, laden Gäste ein und gehen natürlich gemeinsam ins Theater. W Z u ausgewählten Produktionen bieten wir ein- bis vierstündige theaterpädagogische Vor- und/oder Nachbereitungen im Theater oder in Ihrer Institution an. Die zentralen Themen der Stücke werden in Übungen, Spielen und Improvisationen aufgegriffen. Ziel dabei ist es, die Lust auf Theater zu wecken, die Wahrnehmung für theatereigene Gesetzmäßigkeiten zu schulen, die Bildersprache des Theaters zu erschließen und so einen eigenen Zugang zu der jeweiligen Inszenierung zu finden. Jede theaterpädagogische Einheit wird dabei speziell auf den Kenntnis- und Entwicklungsstand der jeweiligen Gruppe zugeschnitten. 140 erne stehen wir Ihnen telefonisch mit Rat und Tat zu allen theaterpädagogischen Fragestellungen zur Seite. Rufen Sie uns unter Tel. 0234 / 33 33 55 28 an, wir helfen Ihnen gerne! inder und Jugendliche brauchen eine Lobby! Ziel des Vereins ist es, das Bürgerinteresse am Kinder- und Jugendtheater zu fördern. Jeder, der die Theaterarbeit mit Kindern und Jugendlichen am Schauspielhaus Bochum ideell oder auch materiell unterstützen möchte, ist in diesem Verein willkommen. Sei es als aktives Mitglied oder als Fördermitglied. Natürlich sind auch Spenden gern gesehen. Ab einer Spende von 50,00 € können wir Ihnen eine Spendenbescheinigung ausstellen. Kontakt: Ulricke Hasselbring Tel.: 0234 / 58 11 48 E-Mail: ulricke.hasselbring@rub.de Patenkarten Der Theaterstammtisch und die Scouts treffen sich, außer in den Schulferien am 1. Dienstag im Monat. Theaterpädagogische Vor- und Nachbereitungen n regelmäßigen Rundmails informieren wir Sie über die aktuellen Projekte des Jungen Schauspielhauses, über theaterpädagogische Veranstaltungen, laufende Inszenierungen und unser Fortbildungsangebot. Falls wir Ihre E-Mail-Adresse noch nicht in unseren Verteiler aufgenommen haben sollten, melden Sie sich gerne bei uns: jungesschauspielhaus@bochum.de G ungen Menschen, die nicht gleich ein ganzes Stück auf die Bühne bringen wollen, bieten wir Schnupper-Workshops in den Bereichen Theater, Tanz, Musik, Medien und Literatur an. ir suchen auch in dieser Spielzeit wieder theaterbegeisterte Pädagogen und Schüler, die Lust haben über Inszenierungen und Projekte des Schauspielhauses innerhalb ihrer Schule oder Einrichtung zu informieren. Für die Scouts ist der Eintritt ins Schauspielhaus bei allen Vorstellungen frei! uch in der neuen Spielzeit bieten wir wieder Fortbildungen für Pädagogen in den Bereichen Theater, Theaterpädagogik, Gewaltprävention und vieles andere mehr an. Details erfahren Sie ab Sommer 2011 aus unseren Publikationen und über den Newsletter. Service-Telefon J Das detaillierte Programm für die Jugendclubs und Workshops mit allen Infos und Anmeldefristen finden Sie ab Sommer 2011 in unseren Publikationen. Theaterstammtisch Infos für Pädagogen und Unterstützer Kontakt Junges Schauspielhaus Bochum Königsallee 15 44789 Bochum Tel.: 0234 / 33 33 55 28 Fax: 0234 / 33 33 54 24 E-Mail: jungesschauspielhaus@bochum.de Um finanziell benachteiligten Kindern und Jugendlichen einen Theaterbesuch, einen Workshop oder die Teilnahme an einem Jugendclub zu ermöglichen, hat das Junge Schauspielhaus in Kooperation mit dem Freundeskreis Bochumer Schauspielhaus e.V. ein Patenkarten-System eingeführt. Dafür suchen wir Bürgerinnen und Bürger, die eine Summe in beliebiger Höhe spenden. Von diesem Geld können Eintrittskarten für Kinder und Jugendliche finanziert werden, deren Eltern die finanziellen Mittel für einen Besuch im Schauspielhaus oder einen Workshop nicht aufbringen können. Ab einer Spende von 50,00 € können wir Ihnen eine Spendenbescheinigung ausstellen. Kontakt: Hans Joachim Salmen Tel.: 0234 / 47 35 93 E-Mail: hajosalmen@aol.com Wenn Sie Patenkarten in Anspruch nehmen möchten, melden Sie sich bitte im Jungen Schauspielhaus unter Tel. 0234 / 33 33 54 28. Wir helfen Ihnen schnell und unbürokratisch! 141 MITARBEITER. THEATERLEITUNG Intendant Anselm Weber Kaufmännischer Direktor Rolf D. Suhl Persönliche Mitarbeiterin der Intendanz Tonia Tilch Persönliche Referentin des Kaufmännischen Direktors Anne Rockenfeller Verwaltungsleitung Brigitte Käding KÜNSTLERISCHES BETRIEBSBÜRO Künstlerischer Betriebsdirektor Stephan Wasenauer Chefdisponentin und Leiterin des Künstlerischen Betriebsbüros Jutta van Asselt Mitarbeiterin Christina Lutz DRAMATURGIE Chefdramaturg Thomas Laue Dramaturgen Anna Haas, Olaf Kröck, Sabine Reich, Paul Slangen (Gast) Assistent Sascha Kölzow KOMMUNIKATION Leitung und Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Christine Hoenmanns Marketing und Öffentlichkeitsarbeit Janna Rohden Assistentin Kommunikation und Dramaturgie Miriam Ferstl Grafik Stefanie Weber Fotografen Thomas Aurin, Arno Declair, Birgit Hupfeld, Diana Küster JUNGES SCHAUSPIELHAUS Leitung Martina van Boxen Theaterpädagogin Sandra Anklam Assistent Tobias Diekmann REGIE Malou Airaudo, Cilla Back, David Bösch (leitender Regisseur), Carola Bühn, Nuran David Calis, Agnese Cornelio, Cilli Drexel, Christoph Frick, Heike M. Götze, Ulrich Greb, Mahir Günsiray, Barbara Hauck, Fadhel Jaibi, Henner Kallmeyer, Jan Klata, Paul Koek, Katja Lauken, Jasna Miletic, Jan Neumann, Lisa Nielebock, Arne Nobel, Sebastian Nübling, Stephanie Sewella (†), Katharina Thalbach, Martina van Boxen, Roger Vontobel (Hausregisseur), Anselm Weber BÜHNEN- UND KOSTÜMBILDNER Birgit Angele, Daniel Angermayr, Henriette Barniske, Cilla Back, Patrick Bannwart, Raimund Bauer, Julia Borchert, Dorothee Curio, Dagmar Fabisch, Franziska Gebhardt, Johanna von Gehren, Thomas Goerge, Gerhard Gollnhofer, Nadine Grellinger, Sascha Gross, Michael Habelitz, Alex Harb, Kathrine von Hellermann, Mirek Kaczmarek, Cathleen Kaschperk, Inge Gill Klossner, Justyna Lagowska, Claude Leon, Theun Mosk, Christina Mrosek, Meentje Nielsen, Silke Rekort, Isabell Robson, Maria Roers, Claudia Rohner, Kaïs Rostom, Julia Scheurer, Irina Schicketanz, Kathrin Schlecht, Viva Schudt, Yvette Schuster, Nini von Selzam, Ansgar Silies, Elisabeth Strauß, Julia Ströder, Dirk Thiele, Ezio Toffolutti MUSIK Jan-Philipp Alam, Vivan Bhatti, Cornelius Borgolte, Karsten Dönneweg, Turgay Erdener, Bertram Ernst, Heiner Gulich, Holger Hahn, Emanuel Hauptmann, Gregor Hengesbach, Nils Imhorst, Jürgen Jaeger, Andreas Jansen, Christoph Kammer, Volker Kamp, Torsten Kindermann, David Kuckhermann, Lars Kuklinski, Ingmar Kurenbach, Manuel Loos, Joe Masi, Daniel Murena, Burkhard Niggemeier, Sven Nowocyn, Will-Jan Pielage (Sounddesign), Karsten Riedel, Oliver Siegel, Philipp aus den Siepen, Thomas Spies, Roderik Vanderstraeten, Jan Sebastian Weichsel, Bo Wiget, Lars Wittershagen VIDEO Bibi Abel, Karnik Gregorian, Michael Habelitz, Immanuel Heidrich, Matthias Lippert, Peter Rachel, Ansgar Silies, Nils Voges REGIEASSISTENZ Tobias Diekmann, Monika Gies, Barbara Hauck, Jasna Miletic, Christina Pfrötschner BÜHNEN- UND KOSTÜMBILDASSISTENZ Johanna von Gehren, Anna Heinz, Mara Klimek, Sophia Lindemann, Julia Scheurer 142 SPRECHERZIEHUNG UND STIMMBILDUNG Prof. Peter-Georg Bärtsch CHOREOGRAFIE Malou Airaudo, Danny Costello, Klaus Figge (Kampfszenen), Maćc ko Prusak, Renegade INSPIZIENZ Christina Baston, Christiane Laux, Ulrike Schaper, Alexander Störzel SOUFFLEUSEN Sybille Hadulla-Kleinschmidt, Fee Sachse, Jutta Schneider, Isabell Weiland STATISTERIE Beatrix Feldmann TECHNISCHE LEITUNG Technischer Direktor Hajo Krause Sekretariat Marion Treckmann Assistent des Technischen Direktors Matthieu Götz Produktions- und Werkstättenleiter Oliver Kroll Konstrukteure Christian Acht, Michael Friebele Fachkraft für Arbeitssicherheit Alexandra Kaiser BÜHNENTECHNIK Bühnentechnische Leitung Franz Schenkel Bühnenobermeister Michael Mikolajczak Bühnenmeister Andreas Dudzik, Uwe Marx Bühnentechniker Michael Chudy, Michael Doering, Christian Drolshagen, Holger Dünnebacke, Andreas Fernau, Erwin Fiebrandt, Jan Flügge, Reinhard Frese, Dietmar Görtzen, Jörg Hommann, Detlef Kornath, Frank Koslowski, Abdelkader Lashab, Alfred Lübbehusen, Lucian Martin, Manfred Mollenhauer, Maik Rohnke, Peter Schaffrinna, Olaf Schmeink, Jürgen Schnurbusch, Martin Sievering, Patrick Steinkamp, Ali Tugrul, Uwe Wagner, Thomas Wessling, Dirk Wils, Thomas Wrobel Dekorateure Thomas Arndt, Verena di Battista, Klaus Fabri, Andreas Korfmann, Frank Kuhlmeier, Hans-Georg Ludwiczak, Saskia Sawatzki, Nafiz Sayki, Christian Szyska, Julia Wagner VERANSTALTUNGSTECHNIKER Frank Engel, Michael Hopp, Sven Klauswald, Daniel Lüder, Moritz Macho, Marie-Claire Pauli Auszubildende Demian Meier, Christian Mertens TRANSPORTARBEITER Ulrich Brozio, Udo Giehl, Bernhard Kampik, Torben Schmidt KRAFTFAHRER Willy Doering, Jürgen Gönder, Christian Kückelheim BELEUCHTUNG / VIDEO Leitung Andreas Bartsch, Bernd Felder Assistent der Leitung der Beleuchtungsabteilung Jan Bregenzer Beleuchtungsoberinspektor Bernd Kühne Beleuchtungsmeister Denny Klein, Wolfgang Macher Beleuchtung Theater Unten Alexandr Gershman Beleuchter Timo Berghaus, Armin Bönnemann, Fiorenzo Bonazza, Hans Dzwigoll, Norbert Eggers, Christoph Jacob, Detlev Jon, Gerd Jordan, Kay Kämper, Waldemar Lehmann, Frank Lukaschewski, Ulrich Meist, Axel Middeke, Metin Onay, Max Reinhardt, Marek Schoder, Thomas Sikora, Michael Stumpf, Erich Swist, Paul Wallraff, Michael Zoll Video Matthias Fleskes, Christof Schnelle TON Leitung Christoph Bonk Tontechniker Andreas Eich, Karl Haase, Jürgen Jaeger, Andreas König, Frederic Mingo, Benjamin Ruddat MALERSAAL Leitung Gudrun Schönbeck-Wach Theatermaler Markus Loer, Anja Mauruschat, Silke Kost, Katrin Ulrich Theatermalerin/Kascheurin Miriam Sasserath Maler Jörg Palmberg SCHLOSSEREI Leitung Olaf Schug Schlosser Michael Bitzkowski, Jörg Borrmann, Michael Holle, Thomas Marx, Joachim Stroka SCHREINEREI Leitung Jürgen Brucks Schreiner Vitalij Grauberger, Andreas Rauth, Britta Sabanovic, Ursula Schemme, Oliver Sievers SCHNEIDEREI Kostümdirektorin Britta Brodda Gewandmeisterei Damen Cornelia Fischer Gewandmeister Herren Dieter Zunke Damenschneiderei Anne Burkhardt, Anke Flüs, Claudia Hellwig, Anita Pyrkosch, Ellen Salewsky, Doris Schaefer, Sylvia Staub, Petra Woytke Herrenschneiderei Hannah Brüggemann, Erich Ciecior, Monika Drost, Jörg Liebisch, Andrea PoglajenLoetters, Nicole Weber-Meyer, Christel Sareyka, Nicole Wippich, Robert Zydek Ankleiderinnen Oumlaid Strenger, Silvia Stemmer Schuhmacher Ralf Oberste-Beulmann Putzmacherin Andrea Räckers Fundusverwalter Guido Hußmann MASKE Chefmaskenbildnerin Elke Böttcher Stellvertretender Chefmaskenbildner Georg Herzog Maskenbildner Tanja Bade, Christian Bernecker, Katharina Bondzin, Parwin Fakir, Birte Greiwe, Monika Jankowski, Stefanie Lingener, Barbara Lork, Ursula Menßen, Jana Deba, Astrid Schenkel, Ursula Schürer Auszubildende Svenja Hartnack REQUISITE Leitung Kornelia Helisch Requisiteure Jessica Cosse, Andrea Figger, Astrid Freyer, Sonja Klisch, Juliane Görtzen, Wolfgang Vogt, Janneta Turska VERWALTUNG Leitung Brigitte Käding Sekretariat Christiane Koscholleck Personalabteilung Leitung Elke Günthner; Mitarbeiter Petra Halfmeier, Sabine Sallamon, Dirk Welschehold, Linda Wuttke Rechnungsabteilung Leitung Ute Hellwig; Mitarbeiter Sandy Bäcker, Sabine Blome, Detlev Massmann EDV Michael Kowalczyk 143 Haus- und Gebäudeverwaltung Dominik Hübschen Urheberrechte/Werbung/ Gastspiele Ulrike Klimach THEATERKASSE Leitung Karin Bünten Mitarbeiterinnen Iris Buttgereit, Renate Dehnhardt, Eylem Durus, Heike Glöckner, Daniela Koscholleck, Tanja Kowalczyk, Petra Krolikowski, Christel Müller, Ursula Steingaß, Tülin Ucur, Susanne Wuttke ABO-BÜRO Leitung Christina Brand Mitarbeiterin Ellen Heiermann EINLASS/GARDEROBE Leitung Oliver Blum Vorarbeiterinnen Renate Münch-Gallasch, Regina Koch Mitarbeiterinnen Dragina Barzik, Ute Grutsch, Carola Gurok, Rita Held, Christiane Kunick, Heide Lobschat, Birgit Uschkurat HAUSDIENST Manfred Bartnick, Oliver Bußmann, Udo Hermes, Johannes Raser, Helge Werthschütz PFORTE Cornelia Kiszka, Wolfgang Kroner, Cornelia Skusa, Barbara Sonnak Nachtpförtner Bernhardt Jeloneck, Wolfgang Welt KANTINE Rosel Bönnemann, Elken Krüger, Angelika Stanek PERSONALRAT Vorsitzende Linda Timmermann Sekretariat Ute Kruse GASTRONOMIE IM SCHAUSPIELHAUS Leitung Jochen Stein Leitung Tanas Sebastian Sareika Küche André Thom Eve Bar Lena van Dornick A40 Bochum Zentrum 35 A40 Richtung Dortmund BochumRuhrstadion 36 r Str . nring Stadio tene r. Dors BOCHUM Nordring as C . Südring U . Str er ing t t 308/318 Ha Schauspielhaus U W itt en er Str . U35 Oskar-Hoffmann-Str. // THEATERKASSE // ABENDKASSE Die Abendkasse öffnet eine Stunde vor Vorstellungsbeginn. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir an der Abendkasse nur Karten für die jeweilige Abendvorstellung verkaufen. Parken: Parkhaus am Schauspielhaus (P9, Zufahrt Königsallee) zum Pauschalpreis von 3,00 €. // INTERNET // BARRIEREFREIHEIT www.schauspielhausbochum.de Sichern Sie sich auf www.schauspielhausbochum.de rund um die Uhr Ihre Eintrittskarten für den nächsten Theaterbesuch. Beim Kartenkauf über unseren Online-Spielplan zahlen Sie mit Ihrer Kreditkarte und drucken sich Ihre Karten anschließend über das „Print-at-Home“-System bequem zu Hause aus. Über das Internet gekaufte Karten können nicht zurückerstattet oder umgetauscht werden. Im Schauspielhaus stehen Ihnen zwei Rollstuhlplätze zur Verfügung (3. Reihe, links außen). Wir bitten um rechtzeitige Reservierung. Um barrierefrei zu Ihren Plätzen zu gelangen, nutzen Sie bitte die Rampe am Haupteingang. Behindertengerechte WC-Anlagen befinden sich im Erdgeschoss links. Leider sind die weiteren Spielstätten bislang noch nicht barrierefrei erreichbar. 144 5 MO10.00-14.00 Uhr DI-FR10.00-18.00 Uhr SA10.00-13.00 Uhr, 18.00 Uhr (Abendkasse Schauspielhaus) SO 17.00-18.00 Uhr (Abendkasse Schauspielhaus) Tel.:0234 / 33 33 55 55 Fax: 0234 / 33 33 55 12 E-Mail: tickets@schauspielhausbochum.de Vom 25. Juli bis 4. September 2011 und an Feiertagen ist die Theaterkasse geschlossen. Die Zieladressen für Ihr Navigationsgerät: Schauspielhaus, Kammerspiele/Tanas, Theater Unten: Königsallee 15, 44789 Bochum Melanchthonsaal: Königsallee 40, 44789 Bochum 2 Oskar-Hoffmann-Straße 26 / Ecke Hans-Schalla-Platz 44789 Bochum llee Königsa Das Bochumer Schauspielhaus befindet sich in der südlichen Bochumer Innenstadt und ist von den Autobahnen A40 und A43 in wenigen Minuten zu erreichen. Unter www.schauspielhausbochum.de finden Sie eine detaillierte Anfahrtsbeschreibung. HBF tr. offmann-S ar-H Osk Melanchthonsaal // MIT DEM AUTO 4 allee Zur Haltestelle „Schauspielhaus“ gelangen Sie mit den Buslinien SB 37, CE 31, 353, 354 und 365, den Nachtexpresslinien NE 4 und NE 5 sowie den U-Bahnlinien 308 und 318. Alle Linien fahren über den Bochumer Hauptbahnhof. Planung über www.vrr.de. 0234 / 33 33 55 55 1 gs Köni // MIT BUS UND BAHN H . sstr hum Boc feld en Ehr 1 S U 308/318 Schauspielhaus 3 ät ersit Univ Viktoriastr. S tro Haltestelle Schauspielhaus tti Ha 6 H r. St er ng U U35 Oskar-Hoffmann-Str. lee Königsal g estr Alle r. St n-Str. offman Oskar-H tring Os in str We Innenstadt r pe HIER BEKOMME ICH DIE KARTEN. . riastr Vikto Richtung Essen Herner St SO KOMME ICH ZUM SCHAUSPIELHAUS. 1 2 3 4 5 6 Eingang Schauspielhaus Eingang Theater Unten Eingang Kammerspiele/Tanas Eingang Eve Bar Eingang Melanchthonsaal Theaterkasse/Abo-Büro // RUHR-UNIVERSITÄT Auf dem Campus der Ruhr-Universität können Sie Karten zu allen Vorstellungen des Schauspielhauses Bochum kaufen und reservieren. An unserem Ticketstand im Mensafoyer sind wir MO-FR von 10.00-14.00 Uhr für Sie da. // SCHRIFTLICHE BESTELLUNG Legen Sie bei schriftlichen Kartenbestellungen bitte einen Verrechnungsscheck oder einen Wahl-Abo-Gutschein bei. Gerne rufen wir Sie für eine Zahlung mit Kreditkarte zurück. Die Eintrittskarten werden Ihnen kostenfrei zugesandt. Abonnenten werden bevorzugt berücksichtigt. Postanschrift: Theaterkasse Schauspielhaus Bochum Königsallee 15 44789 Bochum 145 DAS BEZAHLE ICH. Das Schauspielhaus Bochum ist ein Theater für alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen. Und dass Sie, liebes Publikum, unser Programm auch annehmen, zeigt die sehr gute Auslastung in den letzten Monaten. Darüber freuen wir uns sehr und möchten uns bei den vielen Zuschauern aus Bochum, aber auch bei den zahlreichen Besuchern aus den umliegenden Städten herzlich bedanken! Um Ihnen auch in den nächsten Jahren einen abwechslungsreichen und hochwertigen Spielplan bieten zu können, sind wir jedoch neben dem Betriebskostenzuschuss der Stadt Bochum auch auf Ihre Unterstützung angewiesen: Im Hinblick auf die allgemeinen Preisentwicklungen, die gestiegenen Material- und Energiekosten und nicht zuletzt durch die Tariferhöhungen können wir eine Anhebung der Eintrittspreise leider nicht vermeiden. Ab der Spielzeit 2011/2012 müssen wir daher die Preise erhöhen. Hierbei handelt es sich um die erste Preiserhöhung seit der Euro-Einführung vor zehn Jahren und sie ist für uns ein wichtiger Beitrag zur Refinanzierung des Spielbetriebs. Im Sinne des Sozialen haben wir uns bemüht, die Preise je nach Geldbeutel weiterhin attraktiv zu gestalten. So sind die Karten unter der Woche zum Beispiel günstiger als am Wochenende, es gibt nach wie vor Ermäßigungen für Schüler, Studierende und andere Gruppen. Und mit der Preisaktion „Volle Hütte – alle Plätze 10,00 €“ richten wir uns bei ausgesuchten Vorstellungen auch an diejenigen Besucher, die normalerweise keine Rabatte erhalten würden. Besonders sparen können alle Zuschauer, die gerne regelmäßig unsere Vorstellungen besuchen möchten, mit einem unserer Fest- und Wahl-Abonnements: je nach Preisgruppe zahlen Sie als Abonnent für Ihren Besuch im Schauspielhaus Bochum bis zu 35 % weniger als beim Kauf einer Einzelkarte. Auf den folgenden Seiten haben wir für Sie alle Informationen rund um unsere neuen Eintrittspreise zusammengestellt. Wir bitten wegen der neuen Preise um Ihr Verständnis und hoffen, Sie bleiben uns weiterhin treu! SCHAUSPIELHAUS UND KAMMERSPIELE // PREMIERENZUSCHLAG Sonntagabend bis Donnerstagabend Auf alle Karten und Wahl-Abo-Gutscheine 5,00 €. regulär ermäßigt PG 1 PG 2 PG 3 PG 4 27,00 € 21,00 € 15,00 € 11,00 € 14,00 € 11,00 € 8,50 € 7,00 € Freitagabend bis Sonntagnachmittag regulär ermäßigt PG 1 PG 2 PG 3 PG 4 29,00 € 23,00 € 17,00 € 12,00 € 15,00 € 12,00 € 10,00 € 8,00 € // ERMÄSSIGUNG Für Schüler, Studierende, Auszubildende und Wehr- und Ersatzdienstleistende (alle bis zum 29. Lebensjahr), Schwerbehinderte (ab 80 %) und Inhaber eines Vergünstigungsausweises. // VOLLE HÜTTE Achten Sie auf das „Volle-Hütte“-Symbol in unserem Monatsspielplan und zahlen Sie bei der ausgesuchten Vorstellung für keinen Platz mehr als 10,00 €! // SERVICEGEBÜHR KINDER- UND FAMILIENSTÜCKE „DIE KLEINE HEXE“ UND „JIM KNOPF UND LUKAS DER LOKOMOTIVFÜHRER“ Alle Preise enthalten 2,00 €, bei ermäßigten Karten 1,00 € Servicegebühr. Nachmittage und Wochenende regulär ermäßigt PG 1 PG 2 PG 3 PG 4 12,00 € 11,00 € 10,00 € 9,00 € 6,00 € 6,00 € 6,00 € 6,00 € //VORVERKAUFSBEGINN Vormittage (nur Schulklassen) regulär ermäßigt PG 1 - PG 4 9,00 € 5,00 € alle Tage regulär ermäßigt freie Platzwahl 12,00 € 8,00 € THEATER UNTEN JUGENDVORSTELLUNGEN „NORWAY.TODAY“ UND „HIKIKOMORI“ alle Tage regulär ermäßigt freie Platzwahl 10,00 € 6,00 € Der freie Verkauf für Veranstaltungen des Schauspielhauses Bochum startet in der Regel zu Beginn des Vormonats, die genauen Termine entnehmen Sie bitte dem jeweiligen Monatsspielplan. Inhaber eines Wahl-Abonnements können zwei Tage vor dem regulären Vorverkaufsstart ihre WahlAbo-Gutscheine einlösen, Mitglieder des Freundeskreises Schauspielhaus Bochum e.V. sogar drei Tage vorher. //KARTENRESERVIERUNG Holen Sie Ihre reservierten Karten bitte innerhalb von 14 Tagen ab. Nicht abgeholte Karten gehen zurück in den freien Verkauf. Wir bitten um Verständnis, dass nur bezahlte Karten an der Abendkasse hinterlegt werden können. //BEZAHLUNG Bar, mit EC- oder Kreditkarte an der Theater- und Abendkasse. Mit Kreditkarte über den Online-Spielplan unter www.schauspielhausbochum.de. //GUTSCHEINE KINDERVORSTELLUNGEN UND JUGENDCLUBS alle Tage regulär ermäßigt freie Platzwahl 9,00 € 4,00 € 147 Verschenken Sie Theater! Gutscheine für Theatervorstellungen erhalten Sie das ganze Jahr über an unserer Theaterkasse. Wir beraten Sie gern. Die Gutscheine sind ab Kauf zwei Jahre lang gültig und gelten für alle Spielstätten des Schauspielhauses Bochum. HIER SITZE ICH. IN DEN KAMMERSPIELEN IM SCHAUSPIELHAUS BÜHNE BÜHNE BÜHNE SPERRSITZ Reihe 1 2 Reihe 2 Reihe 3 662 663 Reihe 4 Reihe 5 Reihe 6 Reihe 7 Reihe 8 Reihe 9 Reihe 10 Reihe 11 Reihe 12 Reihe 13 Reihe 14 Reihe 15 Reihe 16 Reihe 17 BÜHNE 82 84 54 4 56 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 25 23 21 19 17 15 13 11 9 7 5 3 1 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 51 49 47 45 43 41 39 37 35 33 31 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 81 79 77 75 73 71 69 67 65 63 61 59 86 88 90 92 94 96 116 118 120 122 124 126 128 130 132 150 152 154 156 158 160 162 164 188 190 192 194 196 198 200 202 204 224 226 228 230 232 234 236 238 240 242 260 262 264 266 268 270 272 274 276 278 298 300 302 304 306 308 310 312 314 336 338 340 342 344 346 348 350 372 374 376 378 380 382 384 386 406 408 410 412 414 416 418 420 422 442 444 446 448 450 452 454 456 458 478 480 482 484 486 488 490 492 512 514 516 518 520 522 524 526 98 100 102 104 106 108 110 112 114 113 111 109 107 105 103 101 99 134 136 138 140 142 144 146 148 149 147 145 143 141 139 137 135 133 166 168 170 172 174 176 178 180 182 184 186 185 183 181 179 177 175 206 208 210 212 214 216 218 220 222 221 219 217 215 213 211 209 207 244 246 248 250 252 254 256 258 259 257 255 253 251 249 247 245 243 280 282 284 286 288 290 292 294 296 297 295 293 291 289 287 285 283 316 318 320 322 324 326 328 330 332 334 333 331 329 327 325 323 321 352 354 356 358 360 362 364 366 368 370 369 367 365 363 361 359 357 388 390 392 394 396 398 400 402 404 405 403 401 399 397 395 393 391 424 426 428 430 432 434 436 438 440 441 439 437 435 433 431 429 427 460 462 464 466 468 470 472 474 476 475 473 471 469 467 465 463 461 97 95 93 91 29 27 54 55 53 89 87 85 83 117 115 123 121 119 131 129 127 125 155 159 157 165 163 161 173 171 169 167 187 189 191 197 195 193 205 203 201 199 225 223 231 229 227 233 235 241 239 237 261 265 263 267 273 271 269 281 279 277 275 299 301 305 303 311 309 307 319 317 315 313 335 339 337 341 343 347 345 355 353 351 349 371 375 373 381 379 377 389 387 385 383 407 411 409 413 415 417 425 423 421 419 443 445 451 449 447 459 457 455 453 477 481 479 487 485 483 494 496 498 500 502 504 506 508 510 509 507 505 503 501 499 497 495 493 491 489 511 513 519 517 515 528 530 532 534 536 538 540 542 543 541 539 537 535 533 531 529 527 525 523 521 Reihe 19 Reihe 20 3 Loge 2 1 5 4 3 5 2 1 4 Rang 1 Rang 3 2 4 6 8 34 36 38 64 10 40 66 12 42 68 14 44 70 16 46 72 18 48 74 Rang 4 92 Rang 5 118 120 122 124 126 Rang 6 94 96 98 20 50 76 22 52 78 100 102 24 54 80 26 56 82 28 58 84 30 60 86 32 62 88 31 63 90 29 61 91 27 59 89 25 57 87 21 23 55 85 83 19 51 53 81 104 106 108 110 112 114 116 115 113 111 109 107 105 128 130 132 134 136 138 140 139 137 135 133 131 129 127 142 144 146 148 2 5 4 Reihe 3 Reihe 3 2 22 42 4 24 44 6 26 46 8 28 48 10 30 50 12 32 52 14 34 54 36 56 18 16 38 58 20 40 60 41 62 17 19 39 37 61 63 15 13 35 59 11 33 57 9 31 55 7 29 53 5 27 51 3 25 49 Reihe 1 1 23 47 Reihe 2 21 45 Reihe 3 43 Reihe 4 Reihe 4 Reihe 5 Reihe 5 Reihe 6 Reihe 6 112 114 116 118 120 122 124 126 128 130 132 134 135 133 131 129 127 125 123 121 119 117 115 113 111 Reihe 7 Reihe 7 136 138 140 142 144 146 148 150 152 154 156 158 160 161 159 157 155 153 151 149 147 145 143 141 139 137 Reihe 7 Reihe 8 Reihe 8 162 164 166 168 170 172 174 176 178 180 182 184 186 188 187 185 183 181 179 177 175 173 171 169 167 165 163 Reihe 8 190 192 194 196 198 200 202 204 206 208 210 212 214 216 215 213 211 209 207 205 203 201 199 197 195 193 191 189 Reihe 9 64 88 90 66 92 68 94 70 96 72 74 76 78 80 82 84 86 85 83 81 79 77 75 98 100 102 104 106 108 110 109 107 105 103 101 99 73 97 71 95 69 93 67 91 Reihe 4 65 89 87 Reihe 5 Reihe 6 Reihe 9 Reihe 9 Reihe 10 Reihe 10 218 220 222 224 226 228 230 232 234 236 238 240 242 244 245 243 241 239 237 235 233 231 229 227 225 223 221 219 217 Reihe 10 Reihe 11 Reihe 11 246 248 250 252 254 256 258 260 262 264 266 268 270 272 274 275 273 271 269 267 265 263 261 259 257 255 253 251 249 247 Reihe 11 Reihe 12 276 278 280 282 284 286 288 290 292 294 296 298 300 302 304 303 301 299 297 295 293 291 289 287 285 283 281 279 277 Reihe 12 Reihe 13 306 308 310 312 314 316 318 320 322 324 326 328 330 332 331 329 327 325 323 321 319 317 315 313 311 309 307 305 Reihe 13 Reihe 14 334 336 338 340 342 344 346 348 350 352 354 356 358 359 357 355 353 351 349 347 345 343 341 339 337 335 333 Reihe 14 Reihe 15 360 362 364 366 368 370 372 374 376 378 380 382 384 385 383 381 379 377 375 373 371 369 367 365 363 361 Reihe 15 Reihe 16 386 388 390 392 394 396 398 400 402 404 406 408 410 409 407 405 403 401 399 397 395 393 391 389 387 Reihe 16 Reihe 12 Reihe 13 Reihe 14 Reihe 15 Reihe 17 gerade Platznummern ungerade Platznummern Reihe 19 Reihe 20 Loge 1 Loge LOGE RECHTS LOGE LINKS Rang 2 3 Reihe 2 Reihe 18 639 637 635 636 638 640 642 644 646 648 650 652 654 656 658 660 661 659 Loge Reihe 1 Reihe 2 Reihe 16 544 546 548 547 545 553 551 549 550 552 554 556 558 560 562 564 566 568 570 572 574 575 573 571 569 567 565 563 561 559 557 555 576 578 580 581 579 577 582 584 586 588 587 585 583 590 592 594 596 598 600 602 60 606 607 608 610 612 613 611 609 614 616 618 620 622 644 626 628 630 632 634 633 631 Reihe 18 Reihe 1 150 152 154 156 158 160 161 159 157 155 153 151 149 17 49 79 15 47 77 103 101 11 9 7 5 3 1 Rang 1 43 41 39 37 35 33 Rang 2 75 73 71 69 67 65 99 97 95 93 13 45 Rang 3 Rang 4 117 125 123 121 119 Rang 5 147 145 143 141 Rang 6 RANG gerade Platznummern ungerade Platznummern PREISGRUPPEN PREISGRUPPEN Preisgruppe 1 Preisgruppe 1 Preisgruppe 2 Preisgruppe 2 Preisgruppe 3 Preisgruppe 3 Preisgruppe 4 Preisgruppe 4 Rollstuhlplätze 148 149 MEIN ABOVORTEIL. Begleiten Sie uns mit einem Abonnement und zahlreichen Vorteilen durch die neue Spielzeit! Mit einem Wahl-Abo oder einem unserer Fest-Abos sehen Sie unsere neuen Inszenierungen, lernen die Schauspieler in ihren verschiedenen Rollen kennen, können mitreden im kulturellen Leben der Stadt und sparen dabei bis zu 35% gegenüber den regulären Eintrittspreisen. Damit Sie Ihre Theaterbesuche ganz entspannt und ohne Vorverkaufsstress planen können, haben wir nach dem erfolgreichen Start der Fest-Abos im vergangenen Jahr auch in dieser Spielzeit wieder attraktive Vorstellungspakete für Sie geschnürt. Neben zwei exklusiven Premieren-Abos bieten wir Ihnen drei Werktags-Abos mit jeweils sechs Vorstellungen und – wegen der großen Nachfrage – ab sofort nicht nur ein, sondern zwei Sonntagnachmittags-Abos mit jeweils fünf Vorstellungen an. Auch das gemeinsame Abo mit dem Musiktheater im Revier Gelsenkirchen für Theater- und Opernliebhaber ist wieder dabei. Alle Individualisten, die sich ihren Spielplan selbst zusammenstellen möchten, haben über das Gutscheinsystem unserer beliebten Wahl-Abos die Möglichkeit, regelmäßig, flexibel und günstiger ins Schauspielhaus Bochum zu gehen. Als besonderen Vorteil können Wahl-Abonnenten ihre Gutscheine bereits zwei Tage vor Beginn des regulären Vorverkaufs an der Theaterkasse einlösen und sich die besten Plätze sichern. Schauen Sie sich um – unser Abo-Team berät Sie gern! // ABO-BÜRO Oskar-Hoffmann-Straße 26 / Ecke Hans-Schalla-Platz 44789 Bochum MO10.00-14.00 Uhr DI-FR10.00-18.00 Uhr SA 10.00-13.00 Uhr Tel.: 0234 / 33 33 55 - 40 oder -49 Fax: 0234 / 32 55 957 E-Mail: abo@schauspielhausbochum.de Vom 25. Juli bis zum 4. September 2011 ist das Abo-Büro MO–FR von 10.00–16.00 Uhr geöffnet. SONNTAGNACHMITTAGS-ABONNEMENT Der Vorstellungsbesuch am Abend ist Ihnen und Ihrer Familie zu spät? Dann sind unsere zwei Sonntagnachmittags-Abos das Richtige für Sie: An fünf ausgewählten Terminen sehen Sie jeweils um 17.00 Uhr eine Inszenierung im Schauspielhaus oder in den Kammerspielen und sparen dabei bis zu 35% gegenüber den regulären Eintrittspreisen. // FEST-ABONNEMENTS Erleben Sie die neue Saison im Schauspielhaus Bochum ohne lange Schlangen an der Theaterkasse, dafür aber mit Sitzplatzgarantie und einem Preisvorteil von bis zu 35% gegenüber dem Kauf einer Einzelkarte. Wenn Sie sich für eines unserer acht Fest-Abo-Angebote entscheiden, suchen Sie nur ein Mal Ihren Lieblingsplatz aus und wissen anschließend über die gesamte Spielzeit, wann Sie welche Inszenierung sehen werden. Ihr Abo-Ausweis gilt als Eintrittskarte zu den jeweiligen Vorstellungen. Und wenn Ihnen trotzdem einmal etwas dazwischen kommt, können Sie ihn an Ihre Nachbarin oder Ihren netten Kollegen weiterreichen oder alternativ bis zu zwei Abo-Termine gegen andere Vorstellungstermine des Stücks in der laufenden Spielzeit tauschen. PREMIEREN-ABONNEMENTS Spüren Sie die besondere Atmosphäre und Spannung eines Premierenabends und gehören Sie zu den ersten Zuschauern, die unsere neuen Inszenierungen sehen. Unsere beiden Premieren-Abos bieten Ihnen jeweils acht Höhepunkte der Theatersaison, der Premierenzuschlag von je 5,00 € ist bereits inklusive. Premieren-Abo 1: Schauspielhaus Drei Schwestern Die Dreigroschenoper Was ihr wollt Kleiner Mann – was nun? Krach in Chiozza Die Räuber Volpone Vor Sonnenaufgang 6. Oktober 2011 8. Oktober 2011 5. November 2011 7. Januar 2012 28. Januar 2012 3. März 2012 24. März 2012 23. Mai 2012 Premieren-Abo 2: Schauspielhaus und Kammerspiele Die dreigroschenoper der verlorene drache was ihr wollt Das Leben ist kein fahrrad krach in chiozza yerma drauSSen vor der tür vor sonnenaufgang 8. Oktober 2011 15. Oktober 2011 5. November 2011 3. Dezember 2011 28. Januar 2012 14. April 2012 4. Mai 2012 23. Mai 2012 240,00 € 192,00 € 152,00 € 128,00 € 150 WERKTAGS-ABONNEMENTS: JETZT MIT 6 VORSTELLUNGEN Mittwochs-Abo drei schwestern rocco und seine brüder kleiner mann – was nun? volpone draussen vor der tür bunbury 23. Oktober 2011 11. Dezember 2011 19. Februar 2012 29. April 2012 17. Juni 2012 Sonntagnachmittags-Abo 2 (NEU) Machen Sie den Mittwoch, den Freitag oder jetzt auch den Donnerstag zu Ihrem Theatertag und sehen Sie verteilt über die ganze Spielzeit sechs ausgesuchte Neuinszenierungen im Schauspielhaus und in den Kammerspielen. Ihre Plätze sind Ihnen sicher – und das bei einer Vergünstigung von bis zu 30%. 12. Oktober 2011 14. Dezember 2011 8. Februar 2012 18. April 2012 23. Mai 2012 20. Juni 2012 die dreigroschenoper kleiner mann – was nun? bunbury was ihr wollt vor sonnenaufgang 13. November 2011 29. Januar 2012 11. März 2012 6. Mai 2012 1. Juli 2012 Preise Sonntags-Abo: 3 x Schauspielhaus und 2 x Kammerspiele regulär ermäßigt PG 1 PG 2 PG 3 PG 4 95,00 € 75,00 € 55,00 € 45,00 € 55,00 € 42,50 € 32,50 € 30,00 € Donnerstags-Abo (NEU) Drei schwestern kleiner mann – was nun? KRACH IN CHIOZZA YERMA VOR SONNENAUFGANG BUNBURY 24. November 2011 12. Januar 2012 16. Februar 2012 19. April 2012 31. Mai 2012 28. Juni 2012 Freitags-Abo was ihr wollt DAS LEBEN ist kein fahrrad drei schwestern bunbury rocco und seine brüder die dreigroschenoper Preise Werktags-Abo: 3 x Schauspielhaus und 3 x Kammerspiele Preise Premieren-Abos: 8 Premieren PG 1 PG 2 PG 3 PG 4 Sonntagnachmittags-Abo 1 DER AUfHALTSAME AUFSTIEG DES ARTURO UI Das leben IST KEIN FAHRRAD DREI SCHWESTERN BUNBURY DIE RÄUBER PG 1 PG 2 PG 3 PG 4 11. November 2011 20. Januar 2012 24. Februar 2012 23. März 2012 27. April 2012 1. Juni 2012 regulär ermäßigt 123,00 € 96,00 € 69,00 € 52,20 € 90,00 € 70,20 € 49,80 € 39,60 € DAS REVIER-ABO: BOCHUM UND GELSENKIRCHEN Ein Revier, zwei Häuser, sechs Inszenierungen: Mit dem städteübergreifenden Revier-Abo erleben Sie – immer donnerstags – drei Theatervorstellungen im Schauspielhaus Bochum und drei Opern im Musiktheater im Revier Gelsenkirchen. GE: im weissen rössl BO: kleiner mann – was nun? BO: Krach in chiozza GE: grande magia ge: rusalka bo: die dreigroschenoper 24. November 2011 12. Januar 2012 16. Februar 2012 19. März 2012 3. Mai 2012 21. Juni 2012 Preise Revier-Abo: 3 x Schauspielhaus und 3 x Musiktheater im Revier PG 1 PG 2 PG 3 140,00 € 120,00 € 100,00 € 151 ABO-BESTELLFORMULAR // ABO-BEDINGUNGEN // VERTRAG Mit der Bestellung eines Abonnements und der Zusendung der Abo-Unterlagen wird ein rechtsgültiger Vertrag zwischen Ihnen und dem Schauspielhaus Bochum geschlossen. Bitte teilen Sie uns Änderungen Ihrer Adresse oder Telefonnummer mit, damit der Monatsspielplan und andere Informationen Sie ohne Verzögerung erreichen. // Wahl-Abonnements Mit den Gutscheinen eines Wahl-Abos haben Sie die große Freiheit: Gehen Sie zu zweit oder auch mal alleine, nehmen Sie Freunde und Verwandte zu einem gemeinsamen Theaterbesuch mit und entscheiden Sie selbst, wann Sie welche Inszenierung sehen oder welchen Schauspieler Sie in seinen verschiedenen Rollen erleben möchten. Über 40 Produktionen stehen Ihnen im Laufe der Spielzeit zur Auswahl. Und wenn Sie sich mit Hilfe unseres Monatsspielplans entschieden haben, nehmen wir Ihre Kartenwünsche exklusiv zwei Tage vor Beginn des freien Verkaufs entgegen. Damit haben Sie als Wahl-Abonnent ein Vorkaufsrecht auch bei schnell ausverkauften Vorstellungen. // BEZAHLUNG Bar, mit EC- oder Kreditkarte im Abo-Büro. Für eine besonders komfortable Abwicklung bieten wir unseren Abonnenten das Lastschrifteinzugsverfahren an. // FRISTEN Ihr Abonnement verlängert sich automatisch um eine weitere Spielzeit, sofern der Vertrag nicht von einem der beiden Vertragspartner bis spätestens 15. Juni der laufenden Spielzeit schriftlich gekündigt wird. Ausgenommen sind ermäßigte Abonnements und Geschenk-Abonnements. WAHL-ABO MIT 10 GUTSCHEINEN // HINWEISE Das Schauspielhaus Bochum behält sich vor, bei Premieren und bei Vorstellungen mit großer Nachfrage pro Wahl-Abo nur zwei Gutscheine einzulösen. Wahl-Abo-Gutscheine sind nicht in die folgende Spielzeit übertragbar, ein Ersatz bei Verlust der Gutscheine ist nicht möglich. Im Rahmen der Fest-Abo-Bestellung wird das Schauspielhaus Bochum alles unternehmen, die durch den Abonnenten getroffene Platzwahl einzuhalten. Das Schauspielhaus Bochum hat aus künstlerischen und/oder organisatorischen Gründen allerdings das Recht, kurzfristig Platzänderungen oder Änderungen der Spielstätte vorzunehmen, Abonnement-Vorstellungen auf einen anderen Termin zu verlegen oder das vorgesehene Programm zu ändern. Bei Ausfall einer Vorstellung durch Streik oder höhere Gewalt hat der Abonnent keinen Anspruch auf eine Ersatzleistung. Dies gilt ebenso bei Versäumnis einer Vorstellung. Inhaber eines Fest-Abos haben die Möglichkeit, bis zu zwei Abo-Termine gegen andere Vorstellungstermine des Stücks in der laufenden Spielzeit zu tauschen. Dieser UmtauschService kann bis 10 Tage vor der geplanten Abo-Vorstellung genutzt werden, die Umtauschgebühr beträgt bei den Werktags- und Sonntagnachmittags-Abos jeweils 1,00 €, bei einem Premieren-Abo entfällt sie. Bei Verlust des AboAusweises kann gegen eine Gebühr von 3,00 € ein Ersatzausweis im Abo-Büro ausgestellt werden. Erwerben Sie zehn Wahl-Abo-Gutscheine bei freier Stückund Terminwahl und sparen Sie dabei je nach Preisgruppe bis zu 30 %. Bei Premieren zahlen Sie zu Ihrem Wahl-AboGutschein nur den allgemeinen Premierenzuschlag von 5,00 €. Die Gutscheine gelten für die Spielzeit 2011/2012. Preise Wahl-Abo: 10 Gutscheine PG 1 PG 2 PG 3 PG 4 regulär ermäßigt 195,00 € 150,00 € 110,00 € 80,00 € 100,00 € 80,00 € 70,00 € 60,00 € KOMBI-WAHL-ABO MIT 10 GUTSCHEINEN Beim kombinierten Theater- und Konzert-Abo sehen Sie sechs Vorstellungen des Schauspielhauses Bochum und hören vier Konzerte der Bochumer Symphoniker. Bei den Theatervorstellungen haben Sie freie Stückwahl, die Gutscheine für die Konzerte gelten für die Konzertreihen „Symphoniekonzert“ (DO und FR) und „Symphonie Spezial“. Preise Kombi-Wahl-Abo: 6 x Theater und 4 x Konzert PG 1 PG 2 PG 3 PG 4 regulär ermäßigt 196,20 € 147,16 € 107,20 € 79,82 € 99,60 € 78,00 € 66,20 € 55,80 € Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Schauspielhauses Bochum, Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie sind einzusehen in der Theaterkasse und unter www.schauspielhausbochum.de. ICH BESTELLE FÜR DIE SPIELZEIT 2011/2012 FOLGENDE(S) ABONNEMENT(S): // FEST-ABO Premieren-Abo: Abo 1 Abo 2 8 Premieren PG 1 PG 2 PG 3 PG 4 240,00 € 192,00 € 152,00 € 128,00 € x x x x Werktags-Abo: FR DO MI 6 Vorstellungen PG 1 PG 2 PG 3 PG 4 regulär 123,00 € 96,00 € 69,00 € 52,20 € ermäßigt x x x x 90,00 € 70,20 € 49,80 € 39,60 € x x x x Sonntagnachmittags-Abo: Abo 2 Abo 1 5 Vorstellungen PG 1 PG 2 PG 3 PG 4 regulär 95,00 € 75,00 € 55,00 € 45,00 € ermäßigt x x x x 55,00 € 42,50 € 32,50 € 30,00 € x x x x Revier-Abo: 3 x Theater & 3 x Oper PG 1 PG 2 PG 3 regulär 140,00 € x 120,00 € x 100,00 € x Platzwunsch bei Fest-Abo: Lieblingsplatz (nach Verfügbarkeit): Nr. oder Bestplatzgarantie // WAHL-ABO Wahl-Abo: 10 Gutscheine PG 1 PG 2 PG 3 PG 4 regulär 195,00 € 150,00 € 110,00 € 80,00 € ermäßigt x x x x 100,00 € 80,00 € 70,00 € 60,00 € x x x x Kombi-Wahl-Abo: 10 Gutscheine 6 x Theater & 4 x Konzert PG 1 PG 2 PG 3 PG 4 regulär 196,20 € 147, 16 € 107,20 € 79,82 € Änderungen vorbehalten 152 regulär 153 ermäßigt x x x x 99,60 € 78,00 € 66,20 € 55,80 € x x x x KONTAKT ABO-BESTELLFORMULAR // besteller/in des Abos: // SCHAUSPIELHAUS BOCHUM Name Anstalt des öffentlichen Rechts Königsallee 15 44789 Bochum Tel.: 0234 / 33 33 -0 (Zentrale) Vorname Straße HIER INFORMIERE ICH MICH. // THEATERKASSE PLZ, Ort Telefon E-Mail Datum, Unterschrift Oskar-Hoffmann-Straße 26 / Ecke Hans-Schalla Platz 44789 Bochum Tel.: 0234 / 33 33 55 55 Fax: 0234 / 33 33 55 12 E-Mail: tickets@schauspielhausbochum.de // TANAS // ABO-BÜRO Öffnungszeiten: MO-SA 18.00-1.00 Uhr SO 17.00-1.00 Uhr Schwerbehinderte (ab 80 %), Inhaber eines Vergünstigungsausweises Oskar-Hoffmann-Straße 26 / Ecke Hans-Schalla-Platz 44789 Bochum Tel.: 0234 / 33 33 55 -40 oder -49 Fax: 0234 / 32 55 957 E-Mail: abo@schauspielhausbochum.de Schüler, Studierende, Auszubildende, Wehr- und Ersatzdienstleistende (alle bis zum 29. Lebensjahr) // INTENDANZ Ermäßigung bitte ankreuzen und Nachweis beilegen: Anselm Weber Persönliche Mitarbeiterin: Tonia Tilch Tel.: 0234 / 33 33 55 20 Fax: 0234 / 33 33 55 19 E-Mail: ttilch@bochum.de Ermäßigungen können nur nach Vorlage des Berechtigungsausweises gewährt werden. // empfänger/IN des Abos (bei Geschenk): // KAUFMÄNNISCHER DIREKTOR Name Rolf D. Suhl Persönliche Referentin: Anne Rockenfeller Tel.: 0234 / 33 33 55 30 Fax: 0234 / 33 33 55 21 E-Mail: arockenfeller@bochum.de Vorname Straße PLZ, Ort // KOMMUNIKATION Leitung und Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Christine Hoenmanns Tel.: 0234 / 33 33 55 23 Fax: 0234 / 33 33 54 37 E-Mail: choenmanns@bochum.de Telefon E-Mail // EINZUGSERMÄCHTIGUNG: Marketing und Öffentlichkeitsarbeit: Janna Rohden Tel.: 0234 / 33 33 54 35 Fax: 0234 / 33 33 54 37 E-Mail: jrohden@bochum.de Kontoinhaber Konto-Nr. BLZ // DRAMATURGIE Assistenz: Sascha Kölzow, Miriam Ferstl Tel.: 0234 / 33 33 -54 38 oder -55 07 Fax: 0234 / 33 33 55 19 E-Mail: schauspielhaus@bochum.de Bankinstitut Datum, Unterschrift Ich ermächtige das Schauspielhaus Bochum zum Bankeinzug mittels Lastschrift. Die einmal erteilte Ermächtigung gilt bis auf Widerruf für alle Zahlungen an das Schauspielhaus Bochum. Mit dieser Bestellung erkenne ich die Abonnement-Bedingungen an. Bitte senden Sie das ausgefüllte Formular per Post an: Abo-Büro Schauspielhaus Bochum Königsallee 15 44789 Bochum ESSEN UND TRINKEN. Das Restaurant in den Kammerspielen Geschlossen, wenn sowohl im Schauspielhaus als auch in den Kammerspielen keine Vorstellung stattfindet. Reservierungen: Tel.: 0234 / 33 33 54 44 E-Mail: reservierung@restaurant-tanas.de // TIPP: Theater-Menü Beginnen Sie Ihren Theaterabend mit einem Besuch im Tanas: Neben einem À-la-carte-Angebot bietet Ihnen das Restaurant in den Kammerspielen auch ein Theater-Menü an, das Sie vor oder auch nach Ihrem Vorstellungsbesuch genießen können. Gutscheine für das dreigängige Menü (exklusive Getränke) sind zum Preis von 20,00 € an der Theaterkasse erhältlich und ab Kaufdatum zwei Jahre gültig. Vor der Einlösung bitten wir wenn möglich um rechtzeitige Reservierung. 154 Unser Spielzeitmagazin informiert Sie ausführlich über die geplanten Premieren und Projekte der Saison, die mitwirkenden Künstler, unser Abo-Angebot und alle weiteren Servicethemen. „Boropa“ wird jährlich im Frühjahr zur Präsentation des kommenden Spielplans veröffentlicht. // MONATSSPIELPLAN Der Monatsspielplan mit allen Vorstellungsterminen des Schauspielhauses Bochum erscheint zu Beginn des Vormonats und liegt an der Theaterkasse, in unseren Spielstätten und an vielen weiteren Orten in Bochum und Umgebung aus. Auf Wunsch schicken wir Ihnen den Monatsspielplan postalisch oder per E-Mail zu. Im Internet finden Sie unter www.schauspielhausbochum.de eine Download-Version. // programmhefte Die Programmhefte unserer Inszenierungen sind zu allen Vorstellungen und nach den Premieren auch an der Theaterkasse erhältlich. Zu unseren Uraufführungen veröffentlichen wir Programmhefte mit Stückabdruck, zu unseren weiteren Premieren klassische Programmhefte oder faltbare Programmhefte mit Stückplakat. // WEBSITE Das Tanas steht Ihnen samt Veranstaltungs- und Cateringservice auch für private Feierlichkeiten zur Verfügung. Anfragen unter reservierung@restaurant-tanas.de. Auf www.schauspielhausbochum.de finden Sie aktuelle Änderungen und alle Infos zum Schauspielhaus Bochum, zum Spielplan, den Schauspielern, Regisseuren und den Inszenierungen. Hier können Sie auch online Karten für unsere Vorstellungen kaufen und sich für den Newsletter anmelden. // EVE BAR // FACEBOOK UND TWITTER Club und Cocktailbar Werden Sie Fan auf Facebook: www.facebook.com/schauspielhausbochum Folgen Sie uns auf Twitter: www.twitter.com/theaterbochum Öffnungszeiten: FR & SA ab 22.00 Uhr Sondertermine und Programminfos auf der FacebookSeite der Eve Bar. Die Eve Bar kann auch für private Veranstaltungen genutzt werden, ebenso ist ein professioneller Cocktailservice für Außer-Haus-Veranstaltungen buchbar. Anfragen ebenfalls unter reservierung@restaurant-tanas.de. // JUNGES SCHAUSPIELHAUS Martina van Boxen, Sandra Anklam Tel.: 0234 / 33 33 -54 28 oder -55 28 Fax: 0234 / 33 33 54 24 E-Mail: jungesschauspielhaus@bochum.de // DAS SPIELZEITMAGAZIN // FOYERS Im Schauspielhaus bieten wir Ihnen an drei Tresen vor Vorstellungsbeginn und in der Pause kleine Snacks sowie eine breit gefächerte Getränkeauswahl an. // Theaterführungen Werfen Sie einen interessanten Blick hinter die Kulissen! Die Führungen finden regelmäßig sonntags statt, Termine entnehmen Sie bitte unserem Monatsspielplan. // Zu Gast in Bochum Informationen über die Stadt Bochum, Übernachtungsmöglichkeiten, Stadtführungen und viele weitere Angebote rund um Ihren Aufenthalt in Bochum erhalten Sie bei der Bochum Touristinfo, Huestraße 9, 44787 Bochum Tel.: 01805 / 26 02 34 (14ct/Min. aus dem dt. Festnetz) E-Mail: info@bochum-tourismus.de www.bochum-tourismus.de 155 WO EIN WILLI IST Wo ein willy ist, ist auch ein weg Intendanten kommen und gehen – Willy bleibt. Der UrBochumer hat sie alle gefahren: Peymann, Steckel, Haußmann, Hartmann, Goerden, Weber – und nicht nur die. In seinem Auto wurde Theatergeschichte geschrieben. Dabei wäre er fast Fußballprofi ge- testanten nachmittags gingen, bis zum Lebensmittelladen der Tante, an dessen Stelle heute eine Garage steht. Heute hört man hier ziemlich laut die A40 – die gab es damals noch nicht, oder? Es gab nur die B1. Auf der habe ich als kleiner Junge Fußball gespielt. Und auf der anderen Seite, wo jetzt die Autobahn ist, war die Planschwiese. Willy Doering, 1947 geboren, ist seit über 30 Jahren Fahrer am Schauspielhaus. Samstag, 12. März 2011, 14.16 Uhr im Dienstwagen des Schauspielhauses vor dem Hintereingang des Theaters. Wir machen heute eine Reise durch Bochum, entlang des Lebensweges eines Menschen, der mit diesem Theater wie kaum ein Zweiter verbunden ist: Willy Doering, genannt Willy, seines Zeichens Fahrer am Schauspielhaus. Als Erstes fahren wir zu Willys Elternhaus. Eine Fahrt durch Bochum mit Willy Doering und Intendant Anselm Weber. Hinter dem Schauspielhaus erwartet Willy seine Fahrgäste. Willy, du bist Bochumer? Ja, klar. Mein Vater hat bei Krupp gearbeitet, auf der Alleestraße, Torhaus 14. Meine Mutter hat bei Pastor Doppelstein in Grumme den Haushalt geführt. Grumme war damals wie ein eigenes Dorf, da haben zwischen den Zechen noch die Bauern ihre Felder bestellt. Als wir sein Elternhaus am Wachtelweg erreichen, steht uns im Umkreis von wenigen hundert Metern Willys ganze Kindheit vor Augen – von der Schule, in die Katholiken vormittags und Pro156 Erwin Steden, der Jugendleiter und spätere Stadionsprecher, war fast wie ein zweiter Vater für mich. Wenn der nicht beim VfL gewesen wäre, wäre Bochum nie in die Bundesliga aufgestiegen. Erwin hat mit seiner Jugendarbeit den Grundstein gelegt. So 1963, ´64 wurden wir sogar nach Russland eingeladen, nach Stalingrad. Die Fahrt geht weiter, am Gefängnis an der Krümmede vorbei zum Gelände der Stahlwerke Bochum, wo Willy in den 1960ern in die Lehre ging. Ich bin Former von Beruf, genau wie mein Vater. Na klasse, ich bin gerade geboren und du spielst Fußball in Stalingrad! Da waren Begleiter bei uns, die hatten im Krieg dort gekämpft. Natürlich auch Russen, die auf der anderen Seite gestanden hatten. Die sind dann zusammen auf die Wolga gefahren und haben Brüderschaft getrunken. Die Stahlwerke Bochum waren Willys erster Arbeitsplatz. Wie hast du die ersten großen Krisen erlebt, die dann kamen? Ich habe Glück gehabt. Genau 1970, als das anfing, bin ich zur Stadt gegangen, als Fahrer beim Oberstadtdirektor. Da hatte ich dann auf einmal Bundespräsidenten im Auto – Scheel, Carstens. Willy Brandt hab ich auch mal gefahren. In Willys Elternhaus wohnten nach dem Krieg drei Generationen unter einem Dach. Planschwiese? Ja! Die Planschwiese war ein riesiges Tal, es gab Wasser, eine Liegewiese... Es war ein Paradies für uns Kinder. Für die A40 haben sie das dann leider alles zugekippt. Und da hinten sieht man das Stadion. Beim VfL hab ich ja fast meine ganze Jugend verbracht. worden. Interview und fotos: Anselm Weber Aufgezeichnet von sascha kölzow IST AUCH EIN WEG Wir steigen wieder ins Auto und fahren von hinten auf das Stadion des Vereins zu, in dem Willy es beinahe zum Profifußballer gebracht hätte – wenn da nicht eine gewisse Holländerin namens Olga gewesen wäre. Der VfL hatte in den 1960ern die beste Jugendmannschaft Westdeutschlands. Hast du auch in der Bundesliga gespielt? Ich war Vertragsamateur, Mittelstürmer. Mit Werner Balte oder Günter Groß zum Beispiel. Die haben dann später Bundesliga gespielt. Werner Balte, mein Kollege, der hat hier im Stadion die Bayern geschlagen. Weggehauen willst du sagen. Na gut: weggehauen! Aber ich selber bin nicht Profi geworden. Ich hatte mal ein Angebot vom KSC, aber was soll ich in Karlsruhe? Außerdem kam ja dann meine Frau ins Spiel. Mit 18 habe ich nämlich Olga kennen gelernt, eine Holländerin, da wurde es dann weniger mit Fußball. Die Planschwiese in den 1920er Jahren. Sie musste für den Bau der A40 weichen. Wegen einer holländischen Frau ist uns ein großer Mittelstürmer verloren gegangen? Genau! So ist das Leben. Das waren ja die ganz Großen. Aber hier im Ruhrgebiet, hat die Politik da geschlafen? Die Krisen kamen ja nicht von heute auf morgen. Die Politiker haben fast immer geschlafen hier bei uns. Die haben gesagt: „Wir haben unsere Kohle, wir haben unseren Stahl, was brauchen wir Bosch?“ Dann sind die ganzen Firmen eben nach BadenWürttemberg gegangen. Na ja, es gab einfach ein bisschen viel Filzokratie hier. Filzokratie? Schönes Wort, das kenne ich als Bayer auch, da ist die Farbe nur eine andere. Wie kamst du eigentlich zum Schauspielhaus? Als Peymann kam, habe ich ihn 14 Tage vertretungsweise gefahren. Anscheinend war er mit mir zufrieden und jetzt bin ich seit gut drei Jahrzehnten am Theater. Damals sind wir mit dem blauen Admiral durch die Gegend gefahren. 157 Blauer Admiral? Ich steig sofort aus, ich will nur noch mit ’nem blauen Admiral gefahren werden! Leider trotzdem nur im schwarzen Signum sitzend, fahren wir noch einmal am Stadion vorbei, an der besten Pizzeria der Stadt – Tipp von Willy: „Trulli“ in der Castroper Straße – dann an der Bergmannskneipe „Goeke“ am Fuße des Hügels, der einmal die Zeche Constantin war. Was ist für dich das Ruhrgebiet? Also die Mentalität der Menschen ist ein großes Plus. Man hat immer das Gefühl zu Hause zu sein. Früher war das noch ausgeprägter, weil die Leute alle auf der Zeche gearbeitet haben oder auf den großen Werken. Da hat keiner viel Geld gehabt, dadurch ist kein Neid aufgekommen. Diese Solidarität hat sich ja bis heute gehalten. Das Ruhrgebiet hat nach dem Krieg für den Aufschwung in ganz Deutschland gesorgt. Damals hatten wir sogar Gastarbeiter aus Bayern! Im Gasthaus Goeke kehrten früher die durstigen Bergleute der benachbarten Zeche ein. Und jetzt hast du wieder einen, nämlich mich, verstehe. Stört es dich, wenn Leute sagen, dass es hier hässlich ist? Matthias Hartmann soll ja mal mit seiner damaligen Frau durchs Ruhrgebiet gefahren sein und sie hat geweint, weil sie es so schrecklich fand. Ja, das hab ich auch gehört. Das ist wie mit den Schauspielern, die damals mit Peymann aus Stuttgart kamen. Die wollten am Bahnhof auch erst nicht aussteigen. Und am Ende wollten sie nicht weg nach Wien! Das geht ja vielen so. Irgendwie ist hässlich ja auch schön. und das seit über 30 jahren Willy würde jetzt gern zu seinem Schrebergarten fahren, sein großes Hobby. Doch der Gastarbeiter aus Bayern möchte sehen, wie seine Vorgänger gewohnt haben. Noch einmal quer durch Bochum also, zur Galerie M am Schlosspark, in deren Obergeschoss Steckel zeitweise lebte, später dann zurück ins Ehrenfeld, wo Hartmann und Goerden wohnten. Du weißt, dass der Schrebergarten für viele der Inbegriff des Spießertums ist? Dann bin ich gerne Spießer! Das ist nämlich der Ort, wo man sich am besten erholen kann. Selbst die Theaterleute haben jede Gelegenheit genutzt in meinen Schrebergarten zu kommen. Steckel zum Beispiel, oder Heiner Müller. Hartmann hat sich auch mal selber eingeladen, er wollte das natürlich erzählen vor seinen Kollegen: „Ja, ich hab auch gegrillt! Mit Willy natürlich. Ja, aber hallo! Im Schrebergarten, wo sonst!“ Während wir uns vorstellen, wie die gesamte Prominenz des deutschsprachigen Theaters in Willys Schrebergarten sitzt und grillt, berichtet Willy bereits von einer seiner Lieblingsdienstfahrten. Frank-Patrick Steckel wohnte zeitweise im Obergeschoss einer Galerie. und lassen uns da verbinden.“ Wir hatten noch Autotelefon damals, es gab ja keine Handys. Er hat da also angerufen, hat sich mit dem Tower verbinden lassen und dann weiter zum Flugkapitän. Und siehe da: Die Maschine ist eine halbe Stunde später abgehoben – mit Bernhard drin. Nach Peymann kam ja dann... ... der dunkle Steckel. Der dunkle Steckel? Der zum Lachen in den Keller geht. Das sagt man über ihn, oder? Ich habe ihn ganz anders kennen gelernt, als sehr sozialen Menschen. Auf Steckel lass ich absolut nichts kommen! Er war ein bisschen grummelig, hatte seine Macken, gar kein Thema, aber er war einfach ein guter Kerl. Auch mit der Familie, mit Jette. Jette Steckel, die Regisseurin? Ganz genau. Die nie zum Theater wollte! Die war ganz oft bei uns, ist quasi im Schrebergarten groß geworden. Einmal habe ich sie im Auto gehabt und ich sag: „Ich muss den Chef gleich abholen, ne?“ Auf einmal kommt das kleine Patschehändchen von hinten und sie sagt: „Das ist nicht der Chef, das ist der Papa!“ Im Auto von Willy wird seit Jahrzehnten Schauspielhausgeschichte geschrieben. Thomas Bernhard und Peymann hatten einen Termin verpasst und ich musste natürlich wieder die Kastanien aus dem Feuer holen, um pünktlich zum Flughafen zu kommen. Aber dann kam ein Stau, nichts zu machen. Da sagt Peymann: „Wir rufen jetzt einfach am Flughafen an Und die anderen Intendanten? Also bei Leander zum Beispiel, da war ich der Einzige, der immer wusste, wo er gerade war. Aber ich hab‘s natürlich nie verraten. Alle haben Leander Haußmann gesucht und du hast nichts gesagt? Nee, so gehört sich das auch. Dafür bin ich ja Fahrer. 158 Hast du auch diesen legendären Krach in der Kantine mitbekommen, zwischen ihm und Kruse? Ich war nicht dabei. Aber am nächsten Morgen rief mich Maravic, der Verwaltungsdirektor, an: „Willy, wir müssen jetzt Streit schlichten, und zwar bei Kruse im Garten.“ Da saß Kruse, Arm verbunden, am Gesicht verletzt... Und dann haben wir vier – also Kruse, Haußmann, Maravicć und ich – da Steinchen in den Teich geschmissen. So hat die Versöhnung zwischen den beiden stattgefunden. Du hattest mit vielen Schauspielern zu tun. Gibt es welche, denen du immer noch freundschaftlich verbunden bist? Ja klar, Adam Oest zum Beispiel oder Michi Maertens. Zu dem könnte ich 365 Geschichten erzählen. Einmal hab ich ihn morgens abgeholt und unten war die Tür abgeschlossen. Michi stand in der ersten Etage und kam nicht runter. Da hab ich gesagt: „Komm, wir machen Räuberleiter!“ – „Wie, was ist Räuberleiter?“ – „Indem du dich bei mir auf den Kopf stellst, auf die Schultern und dann eben runter.“ Das hat er gemacht. Gegenüber wohnte ein Techniker, der hat das gesehen und mich dann nachmittags gefragt: „Sag mal, holst du deine Fahrgäste immer so ab?“ Wir sind inzwischen auf dem Weg zum Bermudadreieck, wo wir die Reise bei einer Currywurst ausklingen lassen. Zeit für ein kurzes Fazit nach drei Jahrzehnten Bochumer Theatergeschichte. Was ist das Schauspielhaus für Bochum? Was haben wir denn sonst? Ohne Theater ist das hier ja Diaspora. Der Stern, der muss einfach glänzen! Wenn du jetzt ein Jahr vor dem Ruhestand zurückblickst: Wie war’s? Ich hab zwar oft die Faust in der Tasche geballt, vor Wut hätte ich manchmal heulen können, aber wenn mich jemand fragen würde: „Willy, wie sieht’s aus? Machste das nochmal?“, würde ich sofort ja sagen. Es war einfach schön, nie langweilig, immer spannend. Ich hatte einfach ’ne supergeile Zeit. Freundschaftsspiel T heater und Fußball – da fragt man sich vor allem: Muss das denn sein? Fast jeden Tag ein Spiel im Fernsehen, dazu der ganze Trubel in den Zeitungen und Magazinen, da will man doch wenigstens mal im Parkett seines Stadttheaters in Ruhe gelassen werden, wo es schon bedauerlich genug ist, dass sich auf der Bühne bisweilen immer noch halbnackte Schauspieler als Trolle mit Farbe übergießen und man überhaupt auch seinen Rotwein gar nicht mit an den Platz nehmen kann. Und haben die denn überhaupt was gemeinsam, die spitzwegartig am Existenzminimum dahinvegetierenden Künstler in schwarzen Rundhals-T-Shirts oder Rollkragenpullovern und die in stets etwas zu auffälligen Klamotten daherkommenden Jungmillionäre? über hinaus) schleppen unterschiedlichste Fanviren ein, das technische Personal und die übrige Belegschaft liefern mit ihrer deutlichen Ausrichtung auf den seit 1848 sympathischsten Club Deutschlands das notwendige Gegengift. Fatal wird die Kombination Fußball und Theater immer nur dann, wenn der eine sich an den anderen heranwanzt, um entweder zu zeigen, dass man nicht so dumm ist wie alle glauben (Fußball) oder um auf Proll komm raus Volksnähe zu beweisen (Theater). Da betonen dann schon mal alte Trainer, dass sie seit Jahren mit Festspielintendaten dicke sind, oder es suchen Theaterleiter hektisch nach noch arbeitenden Zechen, um sich bei Grubenfahrten ablichten zu lassen, weil man ja demnächst wieder Brecht auf den Spielplan bringt. Ob sich der denkende Feingeist mit so etwas Grobschlächtigem wie Fußball befassen darf, diese Frage ist längst obsolet geworden. Und in Bochum hat das ja schon Tradition, angefangen mit dem Doppel-Abonnement in der guten alten Zeit der siebziger Jahre und den Blau-Weißen-Montagen in den Neunzigern. Der aktuelle Intendant beweist Mut und bekennt sich öffentlich zu einem süddeutschen Edelclub, allerdings nicht deshalb, weil er zwar als Künstler stets für die Entrechteten kämpft, ab und an aber auch mal auf der Seite der Sieger stehen möchte, sondern weil sein Schulweg früher durch die Säbener Straße am Clubgelände entlang führte, was ja durchaus eine authentische Anhängersozialisierung darstellt. Dass es so peinlich bei der Reihe „Liveticker VfL“, welche das Zusammenspiel zwischen Königsallee und Castroper Straße wieder aufleben lässt, nicht wird, dafür steht schon der Gastgeber. Mit dem Schauspieler Andreas Grothgar hat das Schauspielhaus einen Mann im Kader, in dem sich, wie ich selbst als Gast feststellen durfte, Wahnsinn und Kompetenz aufs Trefflichste vermählen, interessiert er sich doch immer noch für Fußball, obwohl er Rot-Weiss Essen anhängt. Fußball ist am Theater immer ein Thema. Schauspieler und Regisseure aus allen Teilen Deutschlands (und dar- Frank Goosen Stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender VfL Bochum Und so stellen wir uns, liebe Sportkameradinnen und Sportkameraden am Ende noch mal die Eingangsfrage: Fußball und Theater – muss das sein? Nun, so wie wir es hier machen auf jeden Fall! 127 Zukunft gemeinsam unternehmen. Impressum Impressum Herausgeber: schauspielhaus Bochum Aör Intendant: Anselm Weber KaufmännIscHer dIreKtor: rolf D. suhl Redaktion: Thomas Laue (verantwortlich), Anna Haas, sascha Kölzow, Olaf Kröck, sabine reich (Dramaturgie schauspielhaus Bochum); miriam Ferstl, Christine Hoenmanns, Janna rohden (Kommunikation schauspielhaus Bochum) autoren: David Bösch, Nuran David Calis, Agnese Cornelio, monika Gintersdorfer, eckart Kröck, Dietmar Osses, sebastian 23, paul slangen fotos: siehe rechts WeItere fotos: monika Gintersdorfer, Gavin Glover, Harald Hoffmann, Birgit Hupfeld, Oliver Look, Christoph Neumann, Biljana srbljanovic, Bochumer stadtarchiv, Anselm Weber, X-Vision redaKtIonsadresse: schauspielhaus Bochum, Kommunikation, Königsallee 15, 44789 Bochum; www.boropa.de anzeIgen: rolf D. suhl, Janna rohden (jrohden@ bochum.de, Tel.: 0234 / 33 33 54 35) desIgn: scheer Werbeagentur, www.scheer.tv creatIVe dIrector: stefan scheer KreatIVe KoordInatIon: Nina Obendorfer Layout: Anne peter, Lukas Zabek LItHografIe: purpur / Wolfgang Herrig e. K. drucK: NeeF + sTumme premium printing GmbH & Co. KG ausgabe 2 aufLage 30.000 erscHeInungstermIn: 12. mai 2011 redaKtIonsscHLuss: 7. April 2011 Änderungen vorbehalten 160 fotografen und grafIKer dIeser ausgabe Diana Küster Anne Peter Christian Rolfes Alexander Romey Unsere Bühne ist die Stadt Unter dem Leitbild „Zukunft gemeinsam unternehmen“ steht der Einsatz des USB Umweltservice Bochum für das Wohl von Stadt und Region. Unsere hochwertigen Dienstleistungen rund um Stadtreinigung und Abfallentsorgung sind zuverlässig und kundenorientiert. Saubere Straßen und Plätze sind schließlich die Visitenkarte einer Stadt. Für gewerbliche und private Kunden bieten wir maßgeschneiderte Lösungen für Abfälle aller Art. Unsere Entsorgungsdienstleistungen richten wir mit geeigneten Behältersystemen speziell auf Ihr Unternehmen aus. Mit optimalen Systemen reduzieren Sie das Abfallvolumen und erzielen so eine maximale Wirtschaftlichkeit. Haben Sie Fragen zur Servicepalette des USB? Wir beraten Sie gern und finden gemeinsam saubere Lösungen für ein attraktives Bochum. Lukas Zabek Im Einsatz für Bürger und Umwelt Umweltservice Bochum GmbH Hanielstraße 1, 44801 Bochum Tel.: 02 34/33 36-0 Fax: 02 34/33 36-109 www.usb-bochum.de Stadtwerke Bochum Stadtwerke Bochum anders agenten, bochum Wir geben gebenIhnen Ihnendie dienötige nötige Energie Wir Energie