Galleria_2_2013_web_2

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Galleria_2_2013_web_2
Messe Frankfurt Magazin
2/2013
Hightech-Textilien
Wenn Stoffe
mitdenken
GEHT ANS LEDER
Anne-Christin Bansleben
von Deepmello
Funktionale
Bekleidung von
morgen
Color-Trends
Was Farben
uns sagen
Wie Wissenschaftler
die Wirkung von Farben
auf den Menschen
untersuchen
Greenshowroom
Der sanfte Luxus
Bei Schuhen kommen Nachhaltigkeit und Design
besonders gut zusammen
Internationale Fachmesse für
Technische Textilien und Vliesstoffe
11. – 13. 6. 2013
Perfekte Synergien
mit zwei Messen an
einem Ort:
10. – 13. 6. 2013
Weitere Informationen:
QR-Code scannen oder
www.techtextil.com
editorial
briefing
Wachstum und Nähe
Kennen Sie Firmen wie Hiby, Gottschalk oder Polyclip? Nein? Dabei hatten Sie mit großer Wahrscheinlichkeit schon mal eines ihrer Produkte in der Hand.
Die erste stellt praktisch alle Zapfpistolen für Tankstellen in Deutschland her, die zweite ist Europas einziger
Produzent von Heftzwecken und die dritte weltweite
Nummer eins für Verschlüsse in der Wurstproduktion.
Die drei Firmen gehören zu den „Hidden Champions“,
jener Gruppe mittelständischer Unternehmen, der in
letzter Zeit viel Aufmerksamkeit zuteilwird. Viele
dieser „Champions“ sind hoch spezialisiert und Weltmarktführer in ihrem Sektor. Ihr meist internationaler
Auftritt lässt sie an der Dynamik der Globalisierung
teilhaben. Ab Seite 30 behandelt ein Beitrag die
„Champions“ aus einem seltener gewählten Blickwinkel. Viele haben ihren Hauptsitz in ländlichen
Regionen oder verfügen als Industriezulieferer über
keine klangvollen Marken. Das sind aus Sicht von
Jobinteressenten vermeintliche Nachteile. Der Beitrag
skizziert, wie diese Mittelständler qualifizierte Mitarbeiter rekrutieren – und welche Vorteile sie dabei
betonen. Es sind eine Menge! Auch das anhaltende
Wachstum wird ein Argument sein: Während deutsche Konzerne 2010/2011 im Schnitt um fast sieben
Prozent zulegten, wuchsen die Mittelständler um fast
zehn Prozent. Ein weiteres Merkmal der „Hidden
Champions“ stellt die Nähe zum Kunden dar – und
das macht sie zur Kernklientel unserer Messen, denn
vor allem hier lässt sich diese Nähe immer aufs Neue
herstellen. Hier begegnen sich die kleinen, mittleren
und großen Unternehmen zu Austausch und Networking. Erfolgreiche Geschäftskontakte – und eine
inspirierende Lektüre dieser „Galleria“ wünscht Ihnen
Uwe Behm
Geschäftsführer der Messe Frankfurt
PS: „Galleria“ ist jetzt auch preisgekrönt. Bei den amerikanischen „Mercury Excellence Awards“ und „Spotlight Awards“ konnten wir jeweils Gold gewinnen – in
anspruchsvollen internationalen Wettbewerben.
„Galleria“
auf dem iPad
Spannende Themen und
nützliche Infos zur Messe:
Die neuen Ausgaben der
„Galleria“ gibt es jetzt als
Magazin-App im App Store
4
inhalt
navigator
marktplatz
Messe Frankfurt Magazin
2/2013
Hightech-Textilien
Wenn Stoffe
mitdenken
GEHT ANS LEDER
Anne-Christin Bansleben
von Deepmello
Funktionale
Bekleidung von
morgen
Color-Trends
Was Farben
uns sagen
Wie Wissenschaftler
die Wirkung von Farben
auf den Menschen
untersuchen
Greenshowroom
Gre
eenshowroom
Der sanfte Luxus
Bei Schuhen kommen Nachhaltigkeit und Design
besonders gut zusammen
SCHUHDESIGNERIN
Anne-Christin Bansleben
gerbt das Leder für ihre
Schuhe ganz ökologisch –
mit selbst angebautem
Rhabarber
6 Hier kommen
die Textilien 3.0
19 Der Sommer
auf der Messe
Die moderne Textilindustrie setzt auf
die IT-gestützte Herstellung und technische Fasern. So entstehen Produkte
mit ganz neuem
Funktionsprofil
Aktuelle Trends aus
der Welt der Frisuren,
der Textilverarbeitung
und im Markt für
Konsumgüter
20 Die Messe-Karte
Messen weltweit auf
einen Blick – vom
31. Mai bis zum
5. Oktober 2013
11 Führen wie …
ein F1-Manager
Monisha Kaltenborn,
CEO des Rennstalls
Sauber und einzige
Chefin eines FormelEins-Teams, über
ihre Führungsrolle in
der Männerdomäne
22 Gut beschuht
6
13 Kosmetik ohne
Tierversuche
Was Nachhaltigkeit
im Schuhdesign bedeutet – ein Besuch
auf dem Greenshowroom in Berlin
24 Messe-News
Das digitale
Gewebe
Mit dem Ende der
Tierversuche haben
sich neue Testverfahren für Kosmetikprodukte etabliert
26 Wie man
Geschäfte macht
Aussteller über ihren
Alltag auf der Messe
16 Wo der Himmel
grün ist
28 Was wird aus der
Handschrift?
Die Vielfalt der
Farben scheint
unendlich – vor
allem im Verhältnis
zum Ausdrucksvermögen des
Menschen
Ersetzen PC, Maus
und Tastatur den
Kugelschreiber?
30 Mehr als gutes
Gehalt
16
Wie die „Hidden
Champions“ des
Mittelstandes hoch
qualifizierte Mitarbeiter gewinnen können
biz travel
32 Lieber schön
als bequem
Auf Geschäftsreisen
mit dem italienischen Architekten
und Designer Piero
Lissoni
34 Reise-Tipps
Mobil arbeiten für
Fortgeschrittene,
schneller einchecken
und Gewichtsgrenzen einhalten
35 Vernetzt: Dr.
Stefan Schulte
Lieblingsorte des
Vorstandsvorsitzenden der Fraport AG –
mit Hotspots am
Rande der Stadt
38 Global
Peking
China setzt auf die
Schiene: Ende 2012
wurde die längste
Hochgeschwindigkeitstrasse der Welt
eröffnet
Ein Mann und sein Make-up
s gibt wenige Künstler, die in ihrer Karriere so sehr auf Styling, Make-up
und Verkleidung setzen wie der Brite David Bowie. Der Mitbegründer des
„Glam Rock“ ist der Mann, der vom Himmel fiel, der Raumfahrer, der
Superstar, der androgyne Ziggy Stardust – und der futuristische Aladdin
Sane (Foto). Das Make-up dieser Fantasiefigur wurde zum Zeichen einer
Dekade – heute gehört es zu den Standards jedes Make-up-Artisten. Zu seinem
66. Geburtstag schenkte sich Bowie ein neues Album und eine große Ausstellung
im Victoria and Albert Museum in London (bis 11. August 2013), die seine Verwandlungen über die Jahrzehnte dokumentiert. Wem das zu viel Nostalgie ist, der
überzeugt sich auf der Hair and Beauty in Frankfurt von den neuen Styling-Trends.
E
6
marktplatz
Hier kommen
die Textilien 3.0
Die Fasern und Gewebe des digitalen Zeitalters
werden virtuell entworfen, gedruckt und mit allerlei
technischen Fasern aufgerüstet. Ein Streifzug durch
das Modedesign der Zukunft und die HightechInnovationen der Bekleidungsindustrie
AVANTGARDE hat einen
Namen: Die niederländische Designerin Iris van
Herpen begeistert mit ihren Drei-D-Kreationen die
internationale Modewelt
8 marktplatz
AUS HANDWERK und Inspiration entstehen individuelle und passgenaue Drei-DModelle. Diese präsentierte
Iris van Herpen kürzlich auf
der Fashion Week in Paris
FASER MIT FUNKTION:
Spezialgewebe mit besonderen Oberflächen
halten Temperaturen bis
zu 650 Grad stand
von Dr. Raymond Wiseman
tellen Sie sich vor, Sie werden zu den Bayreuther Festspielen eingeladen. Der Blick in den
Kleiderschrank ernüchtert. Ein attraktiver Hingucker für den Abend? Nicht zu sehen. In
einigen Jahren werden Sie vielleicht einfach in den
Drei-D-Printstore gehen und Ihr individuelles Designstück passgenau ausdrucken und anziehen. Änderungen wären überflüssig, denn die Körpermaße lagen ja
im Produktionsprozess schon online vor. „Ich kann mir
vorstellen, dass in Zukunft Menschen ihren Körper
scannen lassen und dann ein passendes Kleidungsstück bestellen“, sagt Iris van Herpen.
Die niederländische Modeschöpferin weiß, wovon sie
spricht. Sie erfährt weltweite Anerkennung für Haute
Couture, die mittels Rapid Prototyping im Drei-D-Drucker Gestalt annimmt. Dabei stehen ihr die österreichische Architektin Julia Körner und Neri Oxman, israelische Designerin und Assistant Professor am MIT
Media Lab, zur Seite. „Für die Kollektion, die Iris van
Herpen auf der Paris Fashion Week präsentierte, war
es wichtig, dass wir nicht allein Form und Material,
sondern auch Bewegung und Tragbarkeit bedachten“,
so Neri Oxman über die Herausforderung ans Drei-DPrinting. „Wir haben Mode als ‚Tech-Couture‘ neu
interpretiert und hierbei Stickerei und Handgenähtes
durch Code ersetzt.“ Anders ausgedrückt: Der Computer avanciert zum Schneider.
S
Mode aus dem Drucker – passt immer
Der Produktionsprozess ist faszinierend: Rock und
Cape entstehen zum Beispiel beim Drei-D-Druckspezialisten Stratasys im Connex-Printer – aus farbigen,
harten und weichen Kunststoffen. Beim Mitstreiter
Materialise erwächst das filigrane Kleid aus Polyurethan-Pulver – auch ein Kunststoff –, den der Drucker
mittels Laser-Sintering, also dem schichtweisen Aufbau des Objekts, präzise verschmilzt. In solchen Verfahren nehmen die Vorstellungen van Herpens Gestalt
an: „Mich fasziniert der Prozess des Drei-D-Drucks, da
ich davon überzeugt bin, dass es nur eine Frage der
Zeit ist, bis unsere Alltagskleidung mit dieser Technik
produziert wird.“ Noch ist die Produktion zeit- und
kostenaufwendig: Der Druck eines Kleides kann je
nach Verfahren und Modell etliche Tausend Euro kosten und fünf Tage oder länger dauern.
Ein Luxus, den sich die Konfektion nicht leisten kann.
In der traditionellen Bekleidungsindustrie werden
CAD-Techniken eingesetzt, um die Zeitspanne vom
Entwurf bis zur Realisation zu verkürzen. Auch die
Produktionskosten für Musterteile fallen ins Gewicht.
Der Prototyp eines Kleidungsstücks kostet zwischen
250 und 1000 Euro, weiß Alexander Neuss, Geschäftsführer der Lectra Deutschland GmbH, Anbieter von
automatisierten Zuschnittsystemen. Verlorenes Geld,
wenn sich der Entwurf als untauglich erweist. Viel
einfacher und kostengünstiger lässt sich ein dreidimensionaler Avatar auf dem Display einkleiden. „Die
Drei-D-Technologie ist zu Zeiten der Fast Fashion der
Garant für einen routinemäßigen Produktentwicklungsprozess“, so Geschäftsführer Neuss. „Ich bin
überzeugt, dass Unternehmen künftig vermehrt auf
kosteneffiziente Drei-D-Technologien setzen – und
damit nachhaltig produzieren.“
Die Technik macht vieles leichter: Änderungen und
Ergänzungen lassen sich automatisiert in die Schnitte
aufnehmen. Musterkleider vermitteln einen Eindruck
von Passform, Nähten, Falten, Stoffeigenschaften,
Lichteffekten und Schattenwurf. Selbst die Wirkung
von Farben und Mustern lässt sich einbeziehen.
Schnittentwicklung, Drei-D-Simulation und Tools wie
Produktlebenszyklus-Management (PLM) und Unternehmensressourcen-Planung (ERP) rücken enger
zusammen. „Smarte Software-Module bringen die
Automatisierung mit Riesenschritten voran“, sagt
Yvonne Heinen-Foudeh, Marketing-Direktor EMEA von
Gerber Technology. Wo sich ein professioneller
Umgang mit den IT-Systemen etabliert, kann der
digitale Weg viele Prozessschritte verkürzen.
10 marktplatz
HANDFESTER VORTEIL:
Der Powerstretch Glove
von Adidas regelt Feuchtigkeit und Wärme, während er mit dem Smartphone kommuniziert
Technische Fasern – retten Leben
Die Vermessung
des Selbst
Body Measures ermittelt
die passende Konfektionsgröße. Einfach die
App mit Fotos füttern,
Körpergröße eingeben
und besser einkaufen
Auch bei funktionalen Textilien hat das technische
Zeitalter Einzug gehalten. Das gilt insbesondere für
Bekleidung, die dem Schutz von Leib und Leben dient,
wie beispielsweise die Webstoffe der Weberei Theodolf Fritsche, die auf Gewebe für flammfeste und
strapazierfähige Arbeitsschutzkleidung spezialisiert ist.
Die Materialmischung solcher Gewebe lässt sich nach
Maßgabe des Auftraggebers optimieren. Je nach
Kombination sorgen die synthetischen Fasern für
verstärkten Flamm- und Hitzeschutz, Bestand gegen
Chemikalien und Abriebfestigkeit. Mit Ergänzungen
durch Stahldrähte oder die Beschichtung von Aluminium können sie zusätzlich auf die Ansprüche des
Kunden ausgerichtet werden.
Verwendung finden technische Textilen aber nicht nur
bei der Schutzkleidung von Extremsportlern bis zu
Bohrinselpersonal, von Industrie bis Feuerwehr, sondern auch bei technischem Gerät und in der Herstellung als Isolierung, in Dichtungen, Filtern, flexiblen
Bauelementen und als Schutz. Hier bewähren sich je
nach Verwendungszweck auch Gestricke, Geflechte,
Vliese und Filze. Neue Materialien entstehen oft in
Kooperationen. So zum Beispiel der Metall-TextilVerbundwerkstoff Mtex von Frenzelit, bei dem thermische Beschichtungsverfahren Metall und Textilfasern
ohne Zusatz von Bindemitteln zu einem hitzebeständigen Material verbinden. Entwickelt wurde Mtex
zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-,
Sicherheits- und Energietechnik in Sulzbach-Rosenberg. Das Ergebnis ist ein Verfahren zur Erzeugung
textiler Trägermaterialien, die Temperaturen von über
650 Grad standhalten. Zum Vergleich: Die sonst üblichen Isolatoren garantieren den Schutz bis zu maximal
200 Grad. Vor allem im Anlagen- und Maschinenbau
oder auch in der Automobilindustrie ist ein solcher
Schutz von Mitarbeitern vor extrem hohen Temperaturen gefragt.
Dass Netzwerke unschlagbar sind, wenn es um
schnelle Innovationen geht, weiß auch Klaus Richter,
der das SmartTex Netzwerk ins Leben gerufen hat und
leitet. Unter seiner Regie haben sich rund 30 thüringische Unternehmen zusammengeschlossen. Das
Geschäftsfeld der smarten Garne, bei denen traditionelle Fasern mit neuen Materialien gemischt werden,
hat der thüringischen Textilindustrie ein neues Spektrum eröffnet. Und die Erfahrungen, die mit heizbaren,
energiespeichernden oder biosensorischen Fasern
gemacht werden, lassen sich dann auch wieder in der
Bekleidung einsetzen. „Im Netzwerk kommen Textilproduzenten und Hersteller von nichttextilen Produkten, die bislang nur mit ihren traditionellen Werkstoffen zu tun haben, in Kontakt mit neuen Materialen und
ihren Produzenten.“ Hierin sieht Richter eine große
Chance: „Eingewebte Solarzellen, Thermofasern oder
dreidimensional aufgebaute Gestricke mit piezoelektrischen Materialien (Gewebearten, in denen sich durch
mechanischen Druck die elektrischen Spannungsverhältnisse in den Fasermolekülen ändern; Anmerkung
der Redaktion) werden in Zukunft elektronische Geräte
wie Mobiltelefone über Licht, Wärme oder Bewegungsenergie mit Strom versorgen.“
Sporttextilien – sorgen für gutes Klima
Beim Sportartikelhersteller Adidas hat die Zukunft
schon begonnen. „Wir arbeiten an Technologien und
Innovationen, die Athleten und Freizeitsportler bei
ihren Aktivitäten bestmöglich unterstützen. Im Trend
liegen Themen wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit und
Leichtigkeit – intelligente Technik und Funktion kombiniert mit frischen Designs und Farben“, fasst Oliver
Brüggen, Director PR Market Central bei Adidas, die
Aktivitäten des Unternehmens zusammen. So bietet
die Produktpalette, die im Frühling 2013 ausgeliefert
wird, unter anderem Outdoor-Kleidung aus CoconaStoff: Hier sind eingearbeitete Partikel aus Aktivkohle
von recycelten Kokosnussschalen im Garn so fest
verankert, dass sie nicht ausgewaschen werden.
Durch die kleinen Poren der Aktivkohlepartikel wird
der Schweiß schnell über eine große Fläche verteilt,
so dass die Kleidung rasch trocknet. Diese Stofftechnologie kühlt, verhindert das Bakterienwachstum,
vermeidet die Entstehung unangenehmer Gerüche
und bietet außerdem einen hohen UV-Schutz (Ultraviolet Protection Factor 50+).
Texprocess
10. bis 13. Juni 2013
Frankfurt am Main
Techtextil
11. bis 13. Juni 2013
Frankfurt am Main
JURISTIN mit Faible für
schnelle Autos: Monisha
Kaltenborn galt 2012 als
potenzielle Nachfolgerin
von F-1-Funktionär Bernie
Ecclestone
Führen wie… ein
Formel-Eins-Manager
Monisha Kaltenborn ist CEO der schweizerischen Sauber
Motorsport AG und führt seit Oktober 2012 auch das
gleichnamige Formel-Eins-Team. „Galleria“ fragte die Juristin,
wie sie sich in der Männerdomäne Gehör verschafft
von Iris Kuhn-Spogat
Sie führen eine Schar von Männern mit Benzin im
Blut. Wie halten Sie sie in Schach?
Durch meine Führung.
Was verstehen Sie darunter?
Das Wichtigste bei mir ist, dass ich sehr konsequent
bin. Wenn ich A sage, dann ist das A.
Frau sein in dieser Position – ist das mehr Voroder eher ein Nachteil?
Weder noch. In den Jahren davor war es für mich in
gewissen Bereichen schwieriger, mich zu behaupten,
als es das für einen männlichen Kollegen gewesen
wäre. Aber diese Aussage hören Sie überall, nicht nur
im Motorsport. Es gibt Vorurteile zu überwinden,
Erwartungen zu erfüllen, und dann muss eine Frau
auch noch etwas besser sein, damit sie ernst genommen wird und aufsteigen kann.
Plagen Sie je Selbstzweifel?
Sicher, und das ist auch richtig, man muss sich immer
wieder hinterfragen. Konsequent zu sein ist das eine.
Anderen zuzuhören und sich kritisch hinterfragen zu
lassen ist mindestens ebenso wichtig. Nur so kann
man aus Fehlern lernen und sich weiterentwickeln.
Führen Sie anders als ein Mann?
Das kann ich nicht sagen. Ich habe nicht den Vergleich zu einem Mann.
Ihr Vorgänger Peter Sauber war ein Mann, und Sie
bekommen doch gewiss Feedbacks?
Sicher, aber ich weiß nicht, ob die Unterschiede, auf
die ich hingewiesen werde, persönlichkeitsbedingt
sind oder mit meinem Frausein zu tun haben. Ich gelte
als nahbar, als emotional auch und rede wohl auch
mehr als mancher Mann.
12 marktplatz
DAS VERTRAUEN ihrer
Mitarbeiter hat sich die
Sauber-Chefin verdient:
„Ich habe nicht oft total
falschgelegen“
Formel Eins auf
allen Straßen
Nie mehr ein Rennsportereignis verpassen – mit
der Formel-Eins-App für
iPhone und Android:
News, Infos zu Fahrern
und Teams sowie aktuelle
Rankings
Und das kommt an in dieser Männerdomäne?
Diese Eigenschaften sind recht nützlich in schwierigen
Momenten, zum Beispiel, wenn zwei Techniker im
Clinch sind. Aus ihrer jeweiligen Perspektive ist es
schlicht unmöglich, einen Kompromiss zu finden,
denn Technik ist immer klar, schwarz oder weiß. Da
hilft es, dass ich keine Technikerin bin. Mit meinem
Blick und meiner Erfahrung kann ich die Basis schaffen, um einen für alle gangbaren Weg zu finden.
Verstehen Sie immer, worum es dabei geht?
Oh, nein. Hier ist jeder so hoch spezialisiert, dass ich
gar nicht alles im Detail kennen kann. Aber ich bemühe mich, die Anliegen der verschiedenen Experten
wenigstens im Ansatz zu begreifen. In einem technischen Komitee habe ich Vertreter der Bereiche Aerodynamik, Design, Vehicle-Performance und Produktion
versammelt. Mit jedem einzelnen verbringe ich viel
Zeit. Als Juristin habe ich zudem gelernt, die richtigen
Fragen zu stellen und anzuerkennen, dass jeder Fall
anders gelagert ist. Das hilft mir hier. Ich sehe es
sogar als Vorteil, dass ich nicht aus einem technischen
Spezialgebiet komme, so bin ich offener, kritischer
und weniger voreingenommen.
Finden Sie immer den für alle gangbaren Weg?
Nicht immer. Ich bemühe mich manchmal auch vergeblich, aber irgendwann muss dann auch einfach
einmal eine Entscheidung getroffen werden.
Und die treffen Sie?
Ja. Ich scheue mich auch nicht davor, Entscheidungen
zu treffen. Klar versuche ich, einen Konsens zu finden.
Aber wenn das nicht zustande kommt, dann wissen
die Leute hier, dass ich übernehme.
Darf man Sie eigentlich kritisieren?
Man darf mich kritisieren, und es gibt immer wieder
Mitarbeiter, die mal nicht einverstanden sind. Ich kann
nicht 300 Mitarbeiter auf meiner Seite haben.
Die Mehrheit brauchen Sie aber schon?
Wichtiger als der Applaus zu meinen Entscheidungen
ist das Wissen, dass die Mitarbeiter grundsätzlich
annehmen, dass ich weiß, was ich tue. Wer dieses
Vertrauen der Mitarbeiter hat, hat auch die Legitimation zu entscheiden.
Und wie kommt man zu diesem Vertrauen?
Ich habe es mir in den letzten Jahren verdient. Es gab
nicht oft Situationen, in denen ich total falschgelegen
habe.
Seit Herbst 2012 sind Sie nicht nur CEO, sondern
auch Teamchefin. Hat sich Ihr Job verändert?
Von der Tätigkeit her nicht sehr stark. Aber ich spüre
deutlich, dass nun die ganze Verantwortung auf meinen Schultern lastet. Bislang konnte ich an der Rennstrecke vieles auf Peter Sauber abschieben. Nun kann
ich mich nicht mehr ausklinken. Andererseits ist nichts
wirklich neu für mich: Ich bin seit 1998 im Unternehmen. Zwischen mir und Peter Sauber hat es keine
eindeutige Abgrenzung gegeben. Meine Denkweise
und Entscheidungsprozesse sind stark von ihm
geprägt, schließlich habe ich es von ihm gelernt.
Wie wählen Sie eigentlich die Fahrer aus?
Er muss schnell sein und effizient. Dann muss er als
Persönlichkeit zum Team passen und mit der technischen Seite gut klarkommen. Der Fahrer spielt bei der
Entwicklung des Autos eine wichtige Rolle.
Und wie locken Sie die Talente zu Sauber?
Alle unsere Fahrer sind auf uns zugekommen, nicht
umgekehrt. Wir haben offenbar eine Atmosphäre, in
der junge Fahrer ihr Talent zeigen und weiterentwickeln können. Wir gelten als typisch schweizerisches
Team: Trotz aller Medienaufmerksamkeit, trotz des
Hochleistungssports, den wir betreiben, sind wir
bodenständig geblieben.
Sauber ist derzeit auf Rang sechs. Für die anrollende Saison haben Sie sich viel vorgenommen.
Was können Sie überhaupt beeinflussen?
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Entwicklung des
Autos. Ich betrachte es als meine primäre Aufgabe, im
Unternehmen die Rahmenbedingungen zu schaffen,
damit die sportlichen Ziele erreicht werden können.
Dazu braucht es Geld, Infrastruktur, Spezialisten. An
der Rennstrecke selbst gilt es, möglichst keine Fehler
zu machen. Wir können weder den Ablauf eines Rennens noch unsere Platzierung vorhersehen. Das Resultat hängt von vielen Dingen ab, die wir nicht beeinflussen können. Daher ist es so zentral, dass wir dort, wo
wir etwas tun können – beim Auto – das Richtige tun.
Geht es immer noch besser und schneller?
Solange man das Rennen nicht gewonnen hat, ja.
Was treibt Sie an?
Mein Ziel: Nummer eins zu sein.
Kosmetik ohne
Tierversuche?
Klappt!
Seit Mitte März
dürfen in der EU
keine Kosmetika
mehr verkauft
werden, die an
Tieren getestet
wurden. Mit dem
Gesetz haben sich
neue Verfahren
etabliert
LEBEN IM EINKLANG:
Für die Schönheit des
Menschen muss kein
Tier mehr leiden
14 marktplatz
von Anja Schnake
xperimente an lebenden Kaninchen, Mäusen
oder Ratten – damit der Mensch ein bisschen
schöner aussieht, als er eigentlich ist? Seit dem
11. März 2013 ist dies vorbei. Kein kosmetischer
Wirkstoff darf mehr in Europa verkauft werden, der an
Tieren getestet wurde. Das gilt unabhängig davon,
ob das Produkt auf dem Kontinent oder in einem sogenannten Drittstaat hergestellt wurde, so will es die
neue Kosmetikverordnung. „Ich bin mir sicher, dass
diese Nachricht vielen Europäern gefallen wird, die
mit uns die Ansicht teilen, dass Tiere niemals für die
Herstellung von Kosmetika leiden dürfen“, sagt EUGesundheitskommissar Tonio Borg. Mehr als zwei
Jahrzehnte hat es gedauert, bis sich der Kontinent von
der umstrittenen Praxis trennen konnte. Im Ergebnis
hat sich die Sicherheitslage für die Verbraucher sogar
verbessert.
Deutsche Kosmetikhersteller verzichten nach eigenen
Angaben schon seit Jahren auf das Experiment am
Lebewesen, doch europaweit führt die Branche jährlich noch immer knapp 4000 Tierversuche durch.
Länder wie die USA oder China schreiben sie ihren
Importeuren sogar vor. Auch in Europa muss die
Industrie die Unbedenklichkeit ihrer Wirkstoffe nachweisen, bevor ein Produkt die Marktzulassung erhält:
Schadet ein Shampoo der Haut? Löst eine Creme
Allergien aus? Dringt ein Stoff über die Haut in den
Körper ein? Gibt es systemische Nebenwirkungen?
Fragen wie diese werden zunehmend mit ganz
neuen Methoden beantwortet. Gesammelt werden
diese in der Onlinedatenbank beim Bundesinstitut für
Risikobewertung, das zurzeit etwa 150 solcher Verfahren listet. Neben Computersimulationen gewinnen vor
allem Tests an Zellkulturen oder künstlicher Haut an
Bedeutung.
E
Der SchönheitsLotse für überall
Der Beauty Locator findet
Marken, Parfümerien, Friseure, Institute und Spas,
hat jede Menge Tipps
parat und bietet diverse
„Specials“ zum Thema
Tests an Zellkulturen ersetzen
den Mäuseversuch
Eine junge Frau im weißen Kittel hält ein Fläschchen
mit rosa Flüssigkeit in der linken Hand, während ihre
Rechte eine Pipette umschließt. Durch die Schutzbrille beobachtet sie hochkonzentriert, wie aus dieser
die Flüssigkeit, eine Nährlösung mit Hautzellen, auf
ein Plastiktablett mit vielen kleinen Dellen tropft.
Nachdem alle gefüllt sind, fügt die Laborantin eine
weitere Flüssigkeit hinzu: den Wirkstoff. „Substanzen,
die für die Zelle giftig sind, können wir sehr gut an
Zellkulturen erkennen“, erklärt Florian Groeber, Biologe in der Abteilung Zellsysteme beim FraunhoferInstitut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik,
„ob sie dann auch die robustere, menschliche Haut
schädigen, zeigen Experimente an künstlichen Hautmodellen.“ Die Folgen des Kontakts mit einem Wirkstoff können Forscher dann häufig schon binnen
Minuten beobachten.
Versuche an künstlicher Haut sind
aufwendig und teuer
Bereits Ende der 80er Jahre begann der französische
Kosmetikkonzern L’Oréal mit der Entwicklung eines
künstlichen Hautmodells – noch 20 Jahre später, 2007,
galt der Erfolg mit EpiSkin als Sensation. Tests an künstlicher Haut ersetzen heute bei der Entwicklung hauseigener Produkte sämtliche Tierversuche. Entwickelt
wurde die Methode von der Biologin Estelle Tinois-Tessonneaud. Für die Herstellung des sogenannten EpiSkin-Kits nutzte sie echte Hautproben, die Frauen bei
schönheitschirurgischen Operationen entnommen
wurden. Auch der Konsumgüterhersteller Henkel sucht
in einem Düsseldorfer Forschungszentrum nach Hautmodellen, die Allergene erkennen können.
Doch die Herstellung der menschlichen Schutzhülle
ist aufwendig und teuer. Verschiedene Hautschichten,
Zell- und Gewebetypen müssen perfekt zusammenspielen, um den Körper vor Krankheitserregern,
UV-Licht, Kälte und Wärme schützen zu können. Zur
Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben verwendet
die Industrie bisher einschichtige Hautmodelle aus nur
einem Zelltyp, wie sie etwa die Firma CellSystems
produziert: eine künstliche Epidermis, die dort auf
einer Matrix an der Grenzschicht zwischen Luft- und
Nährmedium allein aus den sogenannten Keratinozyten heranwächst. „Am Ende haben wir eine künstliche
Haut, die aufgebaut ist wie ihr natürliches Vorbild“, so
Oliver Engelking, Forschungsleiter bei CellSystems.
Um den Prozess zu beschleunigen – viele Arbeits-
DER KONZERN Beiersdorf steckt 150 Millionen
Euro jährlich in die Forschung (l. außen)
EIN WIRKSTOFF auf dem
Weg zum Produkt (l.)
IM LABOR werden die
Bestandteile fortlaufend
kontrolliert (unten)
Unter Aufsicht einer optischen Bilderkennung entsteht
aus den Zelltypen der Ober- und der Unterhaut
(Keratinozyten und Fibroblasten) eine künstliche Haut
mit nun immerhin schon zwei Schichten. Selbst ein
Dreischichtenmodell hat die Fraunhofer-Gesellschaft
im Angebot, „künstliche Gewebe, die mit Blutgefäßen
versorgt sind, und anhand derer sich zeigen lässt, ob
ein Wirkstoff in die Haut eindringt“, erklärt Zellexperte
Florian Groeber.
Chronik
Neue Testverfahren schaffen
mehr Sicherheit
1986: Deutschland verbietet Tierversuche für
dekorative Kosmetika, lässt aber Ausnahmen zu
1993: EU-weites Vermarktungsverbot von an
Tieren getesteten Kosmetika – das Inkrafttreten
wird indes wiederholt verschoben
2003: Die siebte Änderung der Kosmetikverordnung enthält einen konkreten Stufenplan zur
Abschaffung von Tierversuchen mit zunehmender
Anzahl von Einschränkungen ab 2004 und 2007 –
bis hin zum endgültigen Verbot
2009: Rechtskräftiges Verbot von Tierversuchen
für Kosmetikprodukte innerhalb der EU
2013: EU-weites Verbot des Verkaufs und der
Vermarktung von Produkten, deren Entwicklung
Tierversuche zugrunde liegen
Wie gut sich die Testergebnisse auf den Menschen
übertragen lassen, ist oft nicht leicht zu beantworten –
eine Frage, die sich auch bei der Computersimulation
stellt: Computer bilden Prozesse nach, die in Tausenden Versuchen an Zellen und Tieren beobachtet wurden. Anschließend stellen Wissenschaftler die molekularen Daten auf eine numerische Basis und entwickeln
daraus ein Modell. Die Methode wird also eingesetzt,
„um Hypothesen über Lebensvorgänge abzubilden
und anhand von theoretischen Modellen zu überprüfen – die Aussagen der Simulation müssen am Ende
im Tierversuch überprüft werden“, schreibt die Deutsche Forschungsgemeinschaft in einer Stellungnahme
zum Thema. Trotzdem hilft die Methode, die absolute
Zahl der Tierversuche zu reduzieren.
100-prozentige Sicherheit gab es nie, doch mit den
neuen Methoden hat sich nach Ansicht von Experten
die Sicherheit der Kosmetik-Verbraucher sogar verbessert. Auch durch Tierversuche ließen sich der Deutschen Forschungsgemeinschaft zufolge nur 70 bis 80
Prozent der unerwünschten Nebenwirkungen, die den
Menschen betreffen, vorhersagen. Dass es nicht mehr
sind, liegt an der unterschiedlichen Beschaffenheit der
Probanden, schließlich haben Tiere eine ganz andere
Haut als Menschen. „Manche alternativen Methoden
funktionieren sogar besser als der Test am Kaninchen“, sagt Zellexperte Florian Groeber, „insbesondere
dort, wo es um potenzielle Haut- oder Augenirritationen durch Kosmetika geht.“
schritte müssen in Handarbeit vorgenommen werden – haben Forscher von vier Fraunhofer-Instituten
(Produktionstechnologie, Produktionstechnik und
Automatisierung, Zelltherapie und Immunologie sowie
Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik) eine Art
vollautomatische Gewebefabrik entwickelt: In der
Produktionsanlage verrichten computergesteuerte
Apparate die Arbeit von Laboranten. Roboterarme
rangieren Petrischalen hin und her, automatische
Skalpelle ritzen die menschlichen Gewebeproben an.
Naturkosmetikmarken setzen auf Rohstoffe
aus dem Lebensmittelbereich
Naturkosmetikmarken wie Weleda oder Dr. Hauschka,
die aus ethischen Gründen schon seit jeher auf Tierversuche verzichten, haben eigene Strategien zur
Testung neuer Produkte entwickelt. Sie setzen einerseits auf Rohstoffe natürlichen Ursprungs wie Pflanzenextrakte, Öle oder Wachse, deren Verträglichkeit
bereits erwiesen ist – und dies teilweise sogar im
Lebensmittelbereich. Zusätzlich führen sie vor Markteinführung neuer kosmetischer Präparate
unter fachärztlicher Begleitung Anwendungstests an
eigenen Mitarbeitern und an freiwilligen Studienteilnehmern durch – also am Menschen.
Hair and Beauty
9. und 10. Juni 2013
Frankfurt am Main
16 marktplatz
Wo der
Himmel
grün ist
SPIELERISCHER
ZUGANG: So visualisiert
die Londoner Agentur
„Information is Beautiful“
das Farbempfinden unterschiedlicher Kulturen
Farbschlüssel
Farben spielen im Produktdesign eine Schlüsselrolle. Trendprognosen scheitern oft schon
an der Vielfalt ihrer Nuancen.
Dazu kommt, dass jeder sie ein
bisschen anders sieht
von Christian Tröster
elche die Farben von morgen wären, das
wüssten viele gern. Wer die Farben hat,
hat die Macht über die Märkte – so
zumindest die Hoffnung von Pigmentherstellern, Farbproduzenten und Händlern. Doch die Erforschung künftiger Farbtrends liefert meist nur nebelhafte Ergebnisse. Da tauchen dann Trends mit Namen
wie „Authentic life“ oder „Extraordinary“ auf. Oder
Farbwelten werden so weitläufig definiert, dass kein
Wunsch offenbleibt – wie im Ergebnis einer jüngeren
Farbstudie: „Die Kombinationen reichen von energiegeladenen leuchtenden Farben über mystisch-düstere
und elegante Töne mit geheimnisvollen Nuancen,
natürlichen Farben des Waldes im angloamerikanischen
Indian Summer, bis hin zu klaren, kalten Farben.“
So sehr man solch wolkige Prognosen belächeln mag,
ihre Ungenauigkeiten liegen auch in den Farben
selbst. Farben sind eines der komplexesten Phänomene der Wissenschaft und werfen tiefe Fragen auf
über das Verhältnis des Menschen zur Welt. Sprache
jedenfalls, so ist sich der britische Kunsthistoriker
John Gage sicher, kann „nur einen winzigen Bruchteil
von Millionen Farbempfindungen benennen“. Es ist
das Grundproblem der Farbforschung: So selbstverständlich wir rote oder blaue Töne wahrnehmen, so
unfähig sind wir, die Differenzen zu kommunizieren.
W
Für das Erlebnis fehlen die Worte
Sicher ist nur: Vor einer Berglandschaft im Abendlicht
oder einem Gemälde von William Turner geraten wir
verbal ins Stolpern, sowie es etwas präziser werden
soll. Ähnlich unscharf ist der Geschmackssinn: „Rot“
und „lecker“ als Beschreibung eines alten Weins aus
Bordeaux wirken angesichts der Komplexität der Aromen unbeholfen. Bloß fehlt dem gewöhnlichen Menschen darüber hinaus das Vokabular.
A
B
C
D
E
F
G
H
I
J
Westeuropa/Nordamerika
Japan
Hinduistisch geprägte Länder
Nordamerika, Ureinwohner
China
Asien
Osteuropa
Muslimisch geprägte Länder
Afrika
Südamerika
1
2
3
4
5
6
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8
9
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39
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41
42
43
44
Wut
Kreativität
Autorität
Pech
Balance
Schönheit
Ruhe
Feier
Kinder
Kälte
Mitgefühl
Mut
Feigheit
Grausamkeit
Gefahr
Tod
Verfall
Täuschung
Sehnsucht
Erdnah
Energie
Erotik
Ewigkeit
Böse
Aufregung
Familie
Weiblichkeit
Fruchtbarkeit
Extravaganz
Freiheit
Freundlichkeit
Spaß
Gott
Götter
Glück
Dankbarkeit
Wachstum
Fröhlichkeit
Heilung
Gesundheit
Hitze
Himmel
Helligkeit
Krankheit
45
46
47
48
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75
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77
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79
80
81
82
83
84
Erkenntnis
Intelligenz
Intuition
Religion
Eifersucht
Freude
Lernen
Leben
Liebe
Loyalität
Luxus
Ehe
Bescheidenheit
Geld
Trauer
Geheimnis
Natur
Leidenschaft
Frieden
Buße
Macht
Persönliche Macht
Reinheit
Radikalismus
Rationalität
Verlässlichkeit
Das Böse abweisen
Respekt
Königtum
Selbstkultivierung
Stärke
Style
Erfolg
Probleme
Waffenstillstand
Vertrauen
Traurigkeit
Tugend
Herzlichkeit
Weisheit
Quelle: David McCandless & AlwaysWithHonor – InformationisBeautiful.net
18 marktplatz
Designtrends – die Hingucker der Jahrzehnte
DIE 50ER JAHRE
Der dänische Architekt Finn
Juhl brachte die Formen
und Farben Skandinaviens
nach Amerika und Europa
DIE 60ER JAHRE
Mit Bernsteinglas, Kupfer
und Blümchen-Lampenschirm eine typische Vertreterin des Jahrzehnts
DIE 70ER JAHRE
Die Signalfarbe Orange
verkörperte das Auffällige,
Gewagte, Neue, Kraftvolle
und Kreative
Die Idee, Farben mit Hilfe von Nummern zu klassifizieren hilft da kaum weiter – das Erkenntnisproblem
aufseiten des Menschen bleibt bestehen. Allein wegen
der schier unbegreiflichen Vielfalt an Farben. Schon
beim RAL-Farbfächer Klassik und seinen 213 Tönen
kommt man mit Begriffen wie gelb, grün oder blau
kaum weiter. Das Matching-System des amerikanischen Herstellers Pantone umfasst immerhin 7446
Farbtöne, doch scheinen beide Programme von und
für Blinde gemacht, wenn man die Farbbibliothek in
den Vatikanischen Werkstätten betrachtet, die einst
das Vorbild für alle späteren, numerischen Farbsysteme abgaben: 40.000 Behälter mit unterschiedlichen
Farbproben zählten Besucher dort im 19. Jahrhundert.
Doch selbst diese Sammlung bleibt ausschnitthaft.
Naturwissenschaftler gehen heute davon aus, dass wir
bis zu eine Million verschiedene Farben erkennen
können. „Das extreme Ungleichgewicht zwischen
Wahrnehmung und Sprache bedeutet, dass das Farberleben zwangläufig ein assoziativer Vorgang ist“,
schlussfolgert John Gage.
Farbensehen ist auch Übungssache
Besser sehen
mit dem Handy
Der ColorVisor erkennt
Farben mit der HandyKamera in Fotos und Bildern, zudem kann er Farbnamen und -komponenten
identifizieren
Doch assoziativ bedeutet nicht zwangsläufig subjektiv.
Zum Beispiel ist Farbwahrnehmung auch kulturell
geprägt. Grün gilt in Europa als die Farbe der Ökologie, der Hoffnung und des Neides, in arabischen
Ländern ist sie die Farbe Gottes – dazwischen liegt ein
Universum an Gedanken, Gefühlen und Assoziationen.
Derart tief sitzen die kulturellen Konditionierungen,
dass sie wahrscheinlich sogar die Wahrnehmung
selbst beeinflussen. Während für Europäer völlig klar
ist, dass der Himmel blau ist, sehen Asiaten dort
womöglich Grün. Jedenfalls verwenden mehrere asiatische Sprachen identische Begriffe für Blau und Grün,
in Vietnam etwa bezeichnet „xanh“ gleichermaßen die
Farbe des Himmels (bei uns: Blau) als auch die der
Blätter (bei uns: Grün). Was also sehen Vietnamesen,
wenn sie in den Himmel schauen?
Und welche Farbe erkennen Deutsche, wenn sie ein
Glas Orangensaft erblicken? Fragen wie diesen geht
Marktforscherin Cordula Rech in Göttingen nach.
Ihr Arbeitgeber, das Institut für Sensorikforschung
und Innovationsberatung (isi), ist spezialisiert auf
Geschmackstests. „Zum Gesamtbild eines Produktes
gehören immer auch Farben“, berichtet Cordula Rech.
„Wir haben dabei auch mal mit Farbskalen experimen-
DIE 80ER JAHRE
„Anti-Design“ der Designer-Marke Ettore Sottsass:
mit Ironie und Humor
gegen das Establishment
DIE 90ER JAHRE
Die „Backenzähne“ von
Philipp Mainzer und Florian
Asche – mit Mulde ein Hocker, ohne Mulde ein Tisch
tiert, aber die Ergebnisse waren nicht brauchbar, es
gibt einfach zu viele Farben.“ Um endlich auch auf der
Seite des menschlichen Geschmackserlebens zu validen Aussagen zu kommen, haben sich die Göttinger
Forscher ein trickreiches Verfahren ausgedacht. „Wir
machen sozusagen den Menschen zum Messinstrument“, erklärt Cordula Rech. „Meine Aufgabe ist es,
dieses Instrument zu kalibrieren.“ Dafür werden die
Tester so lange geschult, bis sie auf einer Intensitätsskala von eins bis zehn das Gelb eines Saftes übereinstimmend verorten können. Subjektive Schwankungen
werden durch Gruppengröße, Mehrfachmessungen
und vor allem Training minimiert. Das Ergebnis der
Messung ist, wenngleich von Subjekten generiert, objektiv. Ob spätere Konsumenten den Saft dann zu
intensiv gelb, zu wässerig oder genau richtig finden,
wird dann in weiteren Tests geprüft – Rechs Messergebnisse liefern dafür lediglich den Maßstab.
Bei Kaufentscheidungen spielt nach Auffassung von
Christian Prill, Partner der Hamburger Markenagentur
Factor Design, vor allem das persönliche Umfeld eine
Rolle. „Wenn sich ein Farbtrend in Wohnungen durchsetzt, dann machen ihn viele mit. Man will sich mit
seiner Produkt- und Farbwahl vor allem einer Gruppe
zugehörig fühlen. Die vermeintlich individuellen Entscheidungen sind also keine. Sie werden von dem
sozialen Feld getroffen, dem man sich zugehörig
fühlt.“ Ein anderes Beispiel ist die Mode: Sie gilt als
Synonym für Individualität und Wandel, macht aber
immer auch die Grenzen von Veränderungen deutlich:
„Herrenanzüge sind grau oder blau“, sagt Prill, „Farbwechsel finden nur auf der Krawatte statt.“
Weiterer Bezugspunkt für Farbentscheidungen sind
für Prill die Eigenheiten von Marken. So setzt der Konsum- und Haushaltsgerätehersteller Koziol schon so
lange auf farbenfrohe Produkte, dass dies zu seiner
Markenidentität gehört. Gleiches gelte für Anbieter,
die die Kolorierung im Namen festgeschrieben haben:
Wohn-Accessoire-Anbieter Farbenfreude oder Papierserviettenanbieter Colorful Life. Andere verschreiben
sich in ihrer Corporate Identity gleich einer einzigen
Farbe, wie etwa Milka, Nivea oder Ferrari.
Tendence
24. bis 27. August 2013
Frankfurt am Main
navigator
Sommer auf der Messe
Frisuren-Highlights, Neues aus der Textilindustrie und Konsumtrends für
die kommende Saison: Die Märkte der Welt versammeln sich in Frankfurt
Hair and Beauty
Die Fachmesse
der Haarkosmetikindustrie
9./10. Juni 2013
Techtextil/Texprocess
Die Messen für Textilverarbeitung
und Technische Textilien
11.–13. Juni/10.–13. Juni 2013
Tendence
Die Konsumgütermesse
rund um das Thema Lebensart
24.–27. August 2013
Was bringt die neue Saison für den Kopf?
Abwechslungsreiche Kurzhaarschnitte mit
vielen Styling-Varianten für Männer und
Frauen liegen im Trend. Das gesamte
Spektrum der Branche ist auf der Fachmesse für die Haarkosmetikindustrie zu
sehen: Die Hair and Beauty zeigt neue
Frisuren, Styling-Trends und kreative
Techniken. Ein Pflichttermin für Haarkünstler, Styling-Experten, Visagisten
und Naildesigner.
Alle zwei Jahre findet die Techtextil statt.
Auf der Fachmesse für Technische Textilien und Vliesstoffe werden in diesem Jahr
erstmals auch funktionale Bekleidungstextilien präsentiert.
Die Verarbeitung von Textilien steht im
Mittelpunkt der Texprocess 2013, auf der
Hersteller aus aller Welt neue Verfahren
und Maschinen für Bekleidungsindustrie
und Textilverarbeitung vorstellen.
Die Konsumgütertrends von morgen sind
das Thema der Tendence. Bei hochsommerlichen Temperaturen geht es um das
kommende Weihnachtsgeschäft und das
Frühjahr 2014. Mit ihrem Schwerpunkt im
mittleren bis gehobenen Segment konzentriert sich die Leitmesse verstärkt auf
die europäischen Märkte, vor allem auch
im Osten des Kontinents. Im Interesse
von Ausstellern und Besuchern dauert die
Messe ab 2013 vier Tage.
www.hair-beauty.messefrankfurt.com
www.techtextil.com
www.texprocess.com
www.tendence.messefrankfurt.com
20 navigator
New York
Paris
16. 7. –18. 7. 2013
16. 9.–19.9. 2013
International Apparel Sourcing Show (Summer)
Apparel Sourcing Show (Autumn)
Internationale Fachmesse des Friseurhandwerks
und der Haarkosmetikindustrie
www.apparelsourcingshow.com
www.apparelsourcing.messefrankfurt.com
www.hair-beauty.messefrankfurt.com
9. 6 .–10. 6. 2013
16. 9.–19.9. 2013
16. 7.–18.7. 2013
FRANKFURT AM MAIN
10. 6.–13. 6. 2013
Worldwide Fabrics Rendez-vous (Autumn)
Internationale Leitmesse für die Verarbeitung
von textilen und flexiblen Materialien
www.texworld.de
www.texprocess.com
www.hometextilessourcing.com
Mexiko-Stadt
11. 6 .–13. 6. 2013
Internationale Messe für Technische Textilien und Vliesstoffe
www.techtextil.com
16. 7.–18.7. 2013
Fashion, Fabrics, Trims & Accessories
(Summer)
10.7.–12.7.2013
www.texworldusa.com
Mexico’s Leading Regional Trade Fair
for the Automotive Industry Targeting
Trade Visitors from Latin America
13.6.–16.6. 2013
www.frankfurter-gesundheitstage.de
www.paaceautomechanika.com
24.8.–25.8. 2013
Buenos Aires
Erfolgreiches Werben und Verkaufen im Internet –
Fachmesse mit Vortragsforen für den stationären Einzelhandel
www.webchance.de
4.9.–7.9. 2013
International Hardware, Plumbing Parts, Paint and
Construction Material Trade Fair
Made in
Germany
Alle Messetermine
vom 31. Mai bis zum
5. Oktober 2013
auf einen Blick
www.expoferretera.com.ar
24.8.–26.8. 2013
The World of Green Products
www.ecostyle.messefrankfurt.com
24.8.–27.8. 2013
Internationale Frankfurter Messe
Berlin
www.tendence.messefrankfurt.com
10.9.–22.9. 2013
2. 7.–4. 7. 2013
65. Internationale Automobil-Ausstellung
Ethical Fashion Show Berlin (Summer)
www.iaa.de
www.ethicalfashionshowberlin.com
Wiesbaden
Mit der App der Messe Frankfurt
immer aktuell informiert
2. 7.–4. 7. 2013
Platform for Exclusive Ecological Design (Summer)
Für Smartphone-Benutzer: passende Scan-Software
runterladen und das Angebot nutzen
www.green-showroom.net
19. 6./20. 6. 2013
Fachausstellung und Fachtagung für Planung, Bau
und Betrieb von Einrichtungen des ruhenden Verkehrs
www.parken-messe.de
Velbert Heiligenhaus
25.9./26.9. 2013
Kongress mit Ausstellung für Innovationen
in den Sicherheitstechnologien
www.innosecure.de
Moskau
26. 8.–29.8. 2013
Dubai
Schanghai
11.6.–13. 6. 2013
18. 6.–20.6. 2013
The Middle East’s Leading International
Trade Fair for the Automotive Industry
Targeting Trade Visitors from Western Asia,
Eastern Europe, the CIS and Africa
International Exhibition and Conference for Power Electronics,
Intelligent Motion, Renewable Energy and Energy Management
Russia’s Leading Regional Trade Fair for the
Automotive Industry Targeting Trade Visitors
from Russia and the CIS
www.automechanika-expo.ru
www.pcim-asia.com
www.automechanikadubai.com
27.8.–29.8.2013
11.6.–13. 6. 2013
China International Trade Fair for Home Textiles
and Accessories (Autumn)
The Region’s only dedicated Trade Fair for
Tools, Hardware, Materials and Machinery
www.intertextilehome.com
www.hardwaretoolsme.com
24. 9.–26.9. 2013
Trade Fair for Paper Products, Stationery and
Office Equipment
www.paperworld.messefrankfurt.ru
25.9.–27.9. 2013
10.9.–12.9. 2013
The International Exhibition for
Warehousing, Transportation and Services
China International Trade Fair for
Household Products and Accessories
www.il-china.com
www.materialshandlingME.com
25. 9.–27.9. 2013
Tokio
International Trade Fair for Home Textiles, Floor
Coverings and Interior Furnishings
25.9.–27.9. 2013
www.heimtextil.ru
5.6.–7. 6. 2013
Mumbai
International Trade Fair for
Design Collection and Lifestyle
Shanghai International Trade Fair for Heating,
Ventilation & Air-Conditioning
www.ishc-cihe.com
www.interior-lifestyle.com
25.9.–27.9. 2013
3. 10.–5. 10. 2013
3.7.–5. 7. 2013
China International Stationery & Office Supplies Exhibition
International Trade Fair for Technical
Textiles and Nonwovens
The World’s largest Fair focusing on Micro/MEMS,
Nano Technologies & ROBOT Technologies
www.paperworldchina.com
www.techtextil-india.co.in
www.micromachine.jp
Bangkok
25.9.–27.9. 2013
3.7.–5. 7. 2013
3. 7.–5. 7. 2013
International Exhibition on Industrial Furnace,
Thermal Technology, Equipment and Material
China’s Premier Platform for Intelligent Building Technology
www.building.messefrankfurt.com.cn
International Trade Fair for Security,
Fire and Safety
www.thermotec-expo.com
Guangzhou
www.secutechthailand.com
Chiba
Building Solar China
9. 6.–12. 6. 2013
Capture Solar Building Business Opportunities in China
Pusan
www.buildingsolarchina.com
22.8.–25.8.2013
International Trade Fair for Better Life with Pets
12. 6.–15. 6. 2013
www.interpets.jp
Korea Railways & Logistics Fair
International Trade Fair for Railways and Logistics
Industry
Shenzhen
www.raillogkorea.com
Intertextile Pavilion Shenzhen
9. 6.–12. 6. 2013
Guangzhou Electrical Building Technology
www.building.messefrankfurt.com.cn
11.7.–13.7. 2013
Ho-Chi-Minh-Stadt
Intertextile Pavilion Shenzhen at
Shenzhen International Apparel Fair
www.texpertise-network.com/fabricsandfashion
9. 6.–12. 6. 2013
Guangzhou International Lighting Exhibition
Hongkong
www.light.messefrankfurt.com.cn
25.9.–27.9. 2013
24.9.–26.9. 2013
The Home of Cutting-Edge Textiles (Autumn)
Guangzhou International Mould & Die Exhibition
http://www.interstoff-asia.com/
www.asiamold-china.com
8. 8.–10. 8. 2013
The 6th International Security, Fire &
Safety Exhibition & Conference
www.secutechvietnam.com
22 navigator
SCHUHE für eine bessere
Welt: Das brasilianische
Label Caboclo will regionale Kulturen retten
RHABARBER-FAN: Ökotrophologin Anne-Christin Bansleben von Deepmello baut ihr
Gerbmittel selbst an
Gut beschuht
Der grüne Trend hat das Luxussegment erreicht. Während
der Berliner Fashion Week demonstrierten im Greenshowroom viele exklusive Schuhproduzenten, was Verantwortung
für Mensch und Umwelt bedeutet
von Tim Farin
itte Januar zeigte sich in den Suiten des
Hotels Adlon am Pariser Platz in Berlin,
wie gut Exklusivität und Ökologie zusammenpassen. „Es ist eine schöne Möglichkeit für uns, hochwertige Produkte in einer passenden Atmosphäre zu präsentieren“, sagt Anne-Christin
Bansleben, die mit ihrem Label Deepmello eine
Besonderheit vertreibt: mit Rhabarber gegerbtes Leder. Gesunde Materialien für Menschen, die sich
bewusst anziehen. Bansleben gehört zu den Ausstellern des Greenshowroom, der im Rahmen der Berlin
Fashion Week stattfand.
Beim siebten Greenshowroom und der ebenso in Berlin ausgerichteten Ethical Fashion Show geht es um
die Kombination von Modedesign und Nachhaltigkeit
für Mensch und Umwelt. Die Schuhmode markiert im
solide wachsenden Öko-Fashion-Markt einen eigenen
Trend. Immer mehr Anbieter entdecken die Nische:
Schuhwerk, bei dem nicht nur die Passform stimmt,
sondern auch der ökologische Fußabdruck. Labels wie
John W. Shoes, Caboclo, Boombuz und Kavat standen
schon auf der Ethical Fashion Show Berlin im Januar
im Mittelpunkt.
Die Firma Caesar, Grosser und Partner aus dem hessischen Sulzbach ist bereits seit zwei Jahrzehnten in
diesem Segment aktiv. Martin Caesar gründete damals
sein inzwischen mit der Marke Grand Step Shoes
bekanntgewordenes Unternehmen. „Wir verwenden
ausschließlich pflanzlich gegerbtes Leder ohne
umwelt- oder gesundheitsschädliche Zusätze“, sagt
M
Josephine Grosser. Als sie damit vor 20 Jahren anfing,
war ihre Firma der Zeit voraus.
Mode mit kleinen Macken
Heute noch unterscheiden sich Grand Step Shoes von
Mainstream-Lederschuhen, weil sie nicht bis zur Uniformität gegerbt, geschliffen, gewachst und versiegelt
werden. Auch belastende Metalle kommen nicht zum
Einsatz. Das Unternehmen setzt auf eine vegetabile –
also rein pflanzliche – Gerbung beim Leder, das vom
Zulieferer Ecopell kommt, auf Allergieverträglichkeit
getestet ist und zudem das Naturlederzertifikat des IVN
(Internationaler Verband der Naturtextilwirtschaft)
trägt. In den Schuhen bleibt das Leder unversiegelt
und lässt Luft an den Fuß. „Es ist eine große Herausforderung, Kunden dafür zu sensibilisieren, dass nicht
jedes Paar exakt gleich aussieht, sondern das natürliche Leder eben seine kleinen Macken hat“, sagt Josephine Grosser.
Die Klientel schaut genau hin, Marken-Checks im Fernsehen liefern tagelang Gesprächsstoff. In diesem
Umfeld lohnt es sich für die Modemacher, auf kritische
Fragen Antworten geben zu können. Grand Step Shoes
beispielsweise lässt das eigene Sortiment vollständig in
Europa fertigen, damit die Transportwege kurz bleiben.
Bei ihrem Deepmello-Leder achtet Anne-Christin Bansleben auf die Nähe zur Produktion. „Unser Rhabarberleder wird zu 100 Prozent in Deutschland gefertigt“,
sagt Bansleben, „so können wir hohe Standards in der
Verarbeitung des Leders sicherstellen.“ Der Rhabarber
Grüne Mode auf
dem Prüfstand
Der Fair-Fashion-Guide
informiert über die soziale
Verantwortung von Modeherstellern und hilft bei
der Suche nach fairen
Produkten
24 navigator
LUXUS-LOCATION:
der Greenshowroom im
Berliner Hotel Adlon
kommt sogar aus eigenem Anbau. Die Zielgruppe ist
eigenwillig, aber zahlungskräftig, weiß Laura Marie
Schons, die im Marketing-Department der Ruhr-Universität Bochum habilitiert. „Luxus und Nachhaltigkeit
schließen sich in der Gruppe der LOHAS (,Lifestyle of
Health and Sustainability’) nicht aus“, beobachtet
Schons. „Das Einzige, was die LOHAS mit Vehemenz
ablehnen, ist die sogenannte Geiz-ist-geil-Mentalität.“
Renaissance des Handwerks
Viel Beachtung erfuhr beim Greenshowroom Stefanie
Stolitzka, Nachhaltigkeitsmanagerin beim Grazer Hersteller Legero. Ihr Studium zu nachhaltiger Mode hatte
die Österreicherin an der Berliner Kunsthochschule für
Mode ESMOD absolviert – als Siegerin eines Wettbewerbs durfte sie ihr Abschlussprojekt nun den Messebesuchern präsentieren: eine fast vollständig biologisch abbaubare Sneaker-Kollektion aus Hirschleder.
Dafür integrierte sie Lodenmaterial und Motive aus
klassisch österreichischen Trachten. Besondere Aufmerksamkeit schenkt sie Problemen, die die industrielle Gerbung für Mensch und Umwelt mit sich bringen
können – und setzt stattdessen auf Tradition. Für ihre
Modell-Serie Vios besuchte sie alle Lieferanten persönlich: „Die Schuhe sollen den Wert des Handwerks
zeigen“, sagt Stolitzka. Derzeit arbeitet sie für ihren
Arbeitgeber an einer Kollektion aus komplett biologisch abbaubaren Kinderschuhen.
Bei allem Anspruch an Material und Herstellungsbedingungen bleibt aber das Design entscheidend:
„Es muss gut ausschauen, denn es muss ja gekauft
werden“, sagt Stefanie Stolitzka. Das Zusammenspiel
aus Schönheit und Gesundheit sei im öffentlichen
Bewusstsein noch keineswegs verankert, sagt Josephine Grosser: „Oft sind selbst die Besucher überrascht, dass ökologische Mode auch beim Design
überzeugen kann.“
Greenshowroom
2. bis 4. Juli 2013
Hotel Adlon, Berlin
Ethical Fashion Show Berlin
2. bis 4. Juli 2013
Ewerk, Berlin
Das
digitale
Gewebe
Die Messe Frankfurt bietet
ihren Besuchern eine Fülle
digitaler Services. Wird der
virtuelle Kontakt irgendwann
den direkten ersetzen?
Bestimmt nicht, sagt Trendforscher Matthias Horx
Interview: Anja Schnake
uf einer Messe treffen Vertreter einer
Branche zusammen, tauschen sich aus,
vernetzen sich. Auch im digitalen Zeitalter
steht dieser direkte persönliche Kontakt
im Mittelpunkt einer Messe. Doch die Neuen
Medien bieten zusätzliche Möglichkeiten: eine Art
„digitales Gewebe“, das rund um den persönlichen
Kontakt auf der Messe gesponnen wird, und das
auch über den Zeitraum der Messe hinaus. Die
Messe Frankfurt fasst unter der Marke Dexperty
ihre digitalen Dienste zusammen. Diese reichen
von Apps für Smartphone und Tablet-PC, die dem
Nutzer unter anderem Geländepläne und Messeprogramme anbieten, über den GPS-gestützten
sogenannten „Buddy Finder“, mit dem Besucher
ihren eigenen jeweiligen Standort und den ihrer
Business-Partner ermitteln können, bis hin zu
Networking-Angeboten, mit denen Branchenvertreter auch das Geschäftsjahr über miteinander
in Kontakt bleiben können. Über die Verbindung
von realer und digitaler Welt sprachen wir
mit dem Trendforscher Matthias Horx.
A
Kommunizieren Menschen im Zeitalter mobiler
Internetgeräte mehr oder weniger?
Scheinbar mehr, aber wir müssen hier sehr mit
Klischees aufpassen. Die Kommunikationsstile sind
sehr persönlich und divers geworden. Nur etwa
30 Prozent der Bundesbürger nutzen Facebook, ein
ziemlich großer Anteil lehnt es ab, weil es zu viele
soziale Verpflichtungen mit sich bringt. Facebook
ist ja wie eine Echokammer, in der man unentwegt
zu Reaktionen gezwungen wird. Eine Art soziales
Spinnennetz. Da wollen viele nicht hinein, und die
Anzahl der „Netzwerk-Genervten“ steigt. Neueste Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung
und Anthropologie zeigen auch, dass Menschen
niemals mehr als etwa zwölf intensive und bis zu
80 freundschaftliche Beziehungen führen können.
Mit dem mobilen Internet kommunizieren wir also
nicht mehr, sondern eher oberflächlicher und öfter.
Werden digitale Anwendungen den persönlichen Kontakt im Business einst ganz ersetzen?
Niemals. Im Gegenteil, es gibt sogar einen deutlichen Gegentrend. Heute gehen in den USA und
Deutschland die Nutzerzahlen bei den sozialen
Netzwerken langsam wieder zurück – und zwar
bei den Jüngeren. Auch Firmen werden mehr und
mehr skeptisch, ob der Zeitaufwand nicht größer
ist als der Nutzen. Bislang gab es E-Mail-freie Freitage, demnächst wird es in Unternehmen vielleicht
Facebook-freie Wochen geben, damit die Leute
wieder in Realtime am Kaffeeautomaten kommunizieren. Das Internet kommt allmählich von der
Pubertät ins frühe Erwachsenenalter, wo gewisse
Exzesse abgelegt werden. Elektronische Kommunikation ist gut, wenn man Prozesse steuern und
Teamabläufe koordinieren will. Wenn es darum
geht, Ideen und Innovationen zu generieren oder
Vertrauen neu zu gewinnen, ist sie fehl am Platz.
Muss man neue kognitive und soziale Kompetenzen entwickeln, um gleichzeitig menschliche und digitale Informationen zu verarbeiten?
Menschen sind es gewohnt, auf mehreren Ebenen
zu kommunizieren. Unsere Vorfahren konnten ja
auch mit Geistern und Göttern und realen Menschen gleichzeitig umgehen. Es ist eher eine Frage
der Überwältigung durch Information, die irgendwann keinen Sinn mehr ergibt. Wir nehmen Information immer in bestimmten „Frames“ wahr – und
die sind von unseren sozialen Umfeldern bestimmt.
Es ist meist viel wichtiger, WER etwas sagt, als,
WAS gesagt wird. Und so gewichten wir Information: Wir fragen, ob sie von denen, die wir mögen,
von unserer Peergroup, geteilt wird.
„Jedes neue Medium verändert die bestehenden“, schreiben Sie in Ihrer neuen Studie.
Was kann das für ein Forum des persönlichen
Austausches wie eine Messe bedeuten?
Ich werde zum Beispiel immer wieder gefragt:
„Wann wird die letzte Papierzeitung gedruckt?“
Meine Antwort: „Niemals.“ So hat zum Beispiel das Fernsehen das Kino nicht, wie viele
erwarteten, abgeschafft. Aber es hat das Kinoevent
verändert: Heute ist das eher ein Erlebnis-Ereignis,
bei dem nicht nur der Film, sondern auch das
Essengehen, das Ambiente eine Rolle spielen.
Wenn wir das auf das Thema Messe übertragen,
lässt sich sagen: Massenmessen, auf denen man
nur Kataloge sammelt, sind nicht attraktiv. Auch
das einfache „Kontakten“ ist nicht mehr das
zentrale Motiv. Messen sind entweder Innovationsplattformen, auf denen man neue Ideen und
Kooperationen sucht. Oder Riesenevents, eine Art
Zauberschau mit vielen Ahs und Ohs. Oder HighEnd-Spezialisten-Veranstaltungen, bei denen man
sich einmal im Jahr trifft und Interessenten für sein
Spezialthema findet. Das sind die drei sicheren
Evolutionsnischen für Messen im Internetzeitalter. Müssen Schnittstellen zwischen virtuellem und
realem Austausch neu definiert werden? Wenn
man sich ein Auto kauft, weiß man alles aus
dem Internet. Was macht der Verkäufer dann?
Der Verkäufer ist, wenn es nur ums Verkaufen
geht, überflüssig. Er steht dann im wörtlichen
Sinne „zwischen“ dem Kunden und dem Fahrzeug.
Und so führen sich leider immer noch viele Autohändler auf – sie sind es gewohnt, dass die Kunden etwas wissen wollen. Aber die potenziellen
Kunden kommen allenfalls noch in den Autoshop,
wenn sie etwas fühlen (riechen, schmecken)
wollen. Deshalb wird es in Zukunft entweder
richtige Auto-Erlebniswelten geben oder „AutoAgenten“, die zu einem nach Hause kommen
und mit einem eine Probefahrt unternehmen.
– MATTHIAS HORX
Trendforscher und Gründer
des Zukunftsinstituts in
Kelkheim
Der Digitalservice
der Messe
Business Matching,
digitale Apps, Productpilot
und vieles mehr finden Sie
unter: www.dexperty.
messefrankfurt.com
26 navigator
Geschäfte
machen auf
der Messe
Frankfurt
Ausstellen will gelernt sein.
„Galleria“ fragt nach, wie das geht …
Originell werben
SARUUL FISCHER, Inhaberin des Modelabels Edelziege, steht mit dem
Greenshowroom noch am Anfang ihrer Messeauftritte
Durch Social Media wie Facebook und
Twitter, ihre Webseite sowie persönliche
E-Mails informiert die Modeschöpferin
ihren Kundenkreis über Auftritte bei Modeschauen und Messen. Für ihre Kollektionen
verwendet sie Kaschmirwolle, die sie aus
dem Unterhaar der Kaschmirziege in der
Mongolei gewinnt. Flyer und kleine Broschüren sind
meist einem bestimmten Thema gewidmet, das Lookbook bietet einen Überblick über die aktuelle Kollektion.
Neben Visitenkarten finden Interessenten auf Grußkarten mit Style-Motiven die wichtigsten Informationen
zum Unternehmen. Statt klassischer Kundengeschenke
setzt Fischer auf originelle Give-aways, die oft direkt
aus der Mongolei kommen – und sich auf Kaschmir
beziehen.
Miteinander reden
Der Wohlfühlfaktor
FRANK GOEHRING, Chief Business Officer der Global Safety Textiles
GABRIELE APFELBACHER, Marketing Director der Veit GmbH, freut
GmbH, geht mit guter Laune auf die Techtextil
sich mit ihren über 100 Kollegen auf die Texprocess
Wie bereiten Sie sich und Ihre Mitarbeiter auf Messegespräche vor?
Unsere Mitarbeiter werden fachlich vorbereitet, um alle Fragen beantworten zu können. Dabei gibt es keine 08/15-Lösungen,
denn jeder Gesprächspartner ist individuell.
Wie gehen Sie auf Ihre Besucher zu?
Ein freundliches, aufmerksames und aufgeschlossenes
Auftreten ohne Berührungsängste oder aufdringliche
Verkaufstaktiken ist bei uns üblich.
Ihre Tipps zum Gelingen eines Messegesprächs?
Zuhören, die Interessen unserer Besucher erkennen
und authentisch sein, Kompetenz vermitteln, Gummibärchen und Kaffee anbieten.
Unser internationales Team legt Wert auf
eine angenehme, familiäre Atmosphäre.
Wir betreuen unsere Kunden fachlich und
persönlich – belagern sie aber nicht. Die
Gäste sollen sich wohlfühlen und unsere
Maschinen in Aktion beobachten können.
Zusätzlich laden Infotheken und großzügige
Besprechungsbereiche zum Networken ein. Visuell
überzeugen wir mit einem ansprechenden, modernen
Stand, der zu unserem Image als Marktführer der
Bügeltechnik passt. Für uns als bayrischer Betrieb
gehört der 70 Quadratmeter große Biergarten seit Jahren zur Tradition – und zu den Highlights der Texprocess. Unsere Gäste genießen diese besondere Atmosphäre und natürlich auch die bayrisch-kulinarischen
Highlights unseres Veit-Kantinenchefs.
Unser Messestand
GEORG MESSING, Geschäftsführer der Fink GmbH & Co. KG, legt als
Aussteller der Tendence Wert auf individuellen Service
Wie heben Sie sich aus der Masse ab?
Wir legen den Fokus auf große und eindrucksvolle Inszenierungen von außergewöhnlichen und handgefertigten Dekorationselementen, die bis ins Detail
authentisch abgestimmt sind.
Wie schaffen Sie Interaktion?
Unser Service ist gastfreundschaftlich, persönlich und
individuell. Unser Pluspunkt: Wir schaffen Erlebniswelten und denken unsere Einrichtungskonzepte gemeinsam mit den Kunden durch.
Was gehört zum Aussteller-„Werkzeugkasten“?
Kreative und gründliche Planung, Qualitätsanspruch,
Begeisterung und ein engagiertes, menschliches Team.
Fünf Tipps zum
Gelingen der Messe
CHRISTIANE ZAGLER, Vertriebsleiterin für Ost- und
Norddeutschland der Hairdreams Haarhandels GmbH,
stellt auf der Hair and Beauty aus
1. Das Image der Messe und die Messedaten der Vorveranstaltung beurteilen
2. Eine professionelle Zusammenarbeit mit
der Messeorganisation
3. Einen klaren Zeitplan erstellen mit konkreten
Angaben dazu, wer was wann wie zu tun hat
4. Ein durchdachtes Rahmenprogramm und eine gute
Show, um sich den zahlreichen Messebesuchern gut zu
präsentieren
5. Mit großem Elan auf die Messe gehen
KOLUMNE
Aufgewacht!
Doping mit Kaffee ist einfach,
bezahlbar, nützlich und legal
in deutsches Wirtschaftsmagazin verbreitete im
Jahr 2012 eine interessante Theorie: Der lokale
Kaffeekonsum korreliere direkt mit dem gesamtwirtschaftlichen Chaos eines Landes. Der empirische Nachweis gelingt angeblich so: Je mehr Filialen
einer bekannten Kaffeehauskette an einem Finanzplatz
zu finden sind, desto aggressiver, ungehemmter und
überdrehter benähmen sich die Marktteilnehmer bei
ihren Transaktionen. Das ist beunruhigend. Denn
Kaffee gehört am Messestand zu den Grundnahrungsmitteln. Es gilt, lange Tage zu überstehen, im Akkord
Kontakte herzustellen und Kompetenz zu demonstrieren. Vor allem morgens oder beim unvermeidlichen
Formtief am Nachmittag gilt der Griff zur Kaffeetasse
als probates Mittel, um in mauer Verfassung eine gute
Figur zu machen. Zu Recht: Kaffee regt die Produktion
von Stresshormonen an und hält wach, wenn der
Körper auf müde schaltet. Das ist praktisch. Aber
sollte man so Geschäfte machen?
Viele haben schon probiert, der schwarzen Brühe
Übles nachzuweisen. Der schwedische König Gustav
III. soll sogar versucht haben, ihre Giftigkeit im Experiment am Menschen zu beweisen. Zwei zum Tode
verurteilte Häftlinge wurden eigens begnadigt, einer
bekam täglich Kaffee, der andere Tee zu trinken. Beide
haben offenbar sowohl die behandelnden Ärzte als
auch den König überlebt. Heute wissen wir noch mehr:
Das populäre Heißgetränk steigert beim Menschen die
Konzentration – allerdings mit Einschränkungen:
„Komplizierte Rechenaufgaben lassen sich unter Einfluss von Koffein eher schlechter als besser lösen“,
sagt Professorin Karen Nieber, Direktorin des Instituts
für Pharmazie an der Universität Leipzig gegenüber der
„Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“: „Die
Denkfähigkeit wird zugunsten von Reflexen und hoher
Aufmerksamkeit herabgesetzt.“ Die Zauberformel für
den Messeerfolg lässt sich nun ganz einfach ausrechnen: in Maßen konsumieren, den Kontakt zu Menschen suchen, jeden Umgang mit Zahlen aber auf die
Woche danach verschieben.
Anja Schnake
E
28 navigator
Was wird aus
der Schrift?
Der digitale Mensch droht,
die Handschrift zu vergessen.
Doch ihre Rettung hat schon
begonnen
m das Schreiben mit der Hand scheint es
schlecht zu stehen: PC-Tastatur und Maus,
SMS, E-Mails und Facebook lösen Tinte und
Füller ab. Nicht nur der Ärztestand ist mittlerweile für seine Klaue berühmt – an deutschen Schulen
hat die Malaise ein Ausmaß erreicht, das den Grundschulverband zur Vorstellung einer Art „Grundschrift“
aus Druckbuchstaben nötigte, die das Schönschreiben
ablösen soll. Hirnforscher fürchten um feinmotorische
Kompetenzen künftiger Generationen. Und Pädagogen
betonen einhellig, dass handgeschriebene Texte besser durchdacht seien als Word-Dokumente.
Doch offensichtlich will sich der moderne Mensch
dem Prozess der „mentalen Zerflatterung“ nicht
kampflos überlassen. Dem Schreiben ergeht es wie
dem Kochen: Während es aus dem Alltag verschwindet, wird es Kult. Postalische Weihnachtsgrüße, teure
Tintenfüller und japanisches Washi-Papier haben Konjunktur. Und das US-Literaturmagazin „The Rumpus“
lässt regelmäßig Schriftsteller handgeschriebene Briefe verfassen, die es fotokopiert an Abonnenten verschickt. All das merkt auch die Papierwarenindustrie,
die sich 2012 erneut über stabile Umsätze freute. „Das
Ende der Handschrift wurde schon oft beschworen“,
sagt Manfred Meller, Geschäftsführer des Industrieverbands Schreiben, Zeichnen, Kreatives Gestalten,
etwa, „als Microsoft den Markt eroberte und zuletzt
mit dem Erfolg der Tablet-PCs“. Und wieder einmal zu
Unrecht: Selbst mit dem iPad kann man handgeschriebene Briefe verfassen.
U
Paperworld
25. bis 28. Januar 2014
Frankfurt am Main
Worauf legen Sie beim Kauf eines Schreibgeräts Wert?
Angaben in Prozent
Gutes Schreibgefühl
Einfache Handhabung
Zuverlässiges Funktionieren
Schönes Schriftbild
Lange Haltbarkeit
Zeitloses Design
Handwerkliche Verarbeitung
Auffälliges Design
Marke mit Tradition
Passender Stil
Exklusiver Hersteller
Ultramodernes Design
Neueste Technik
Edles Material
Antik-Design
68,6
63,8
58,9
45,9
45,8
23,0
13,0
8,0
7,0
6,0
6,0
5,0
5,0
5,0
3,0
0
Quelle: „Manager Magazin“
10
20
30
40
50
60
Handschrift
fürs iPad
Das Notizbuch für Handgeschriebenes mit interessanten Features und vielen
„Papiersorten“ im Angebot, sei es liniert, kariert
oder als Notenblatt
Welches Schreibgerät verwenden Sie meistens?
Der deutsche PBS*-Markt nach Segmenten 2011
Angaben in Prozent
(Veränderungsrate zu 2010; * Papier, Bürobedarf, Schreibwaren)
Kugelschreiber
87,4
Bleistift
14,5
Füllhalter
58,3 %
(+3,1 %)
8,5
Textmarker
23,5 %
(+0,4 %)
8,0
Rollerball
6,4
Drehbleistift
4,0
Kugelschreiber/
Drehbleistift
in einem
3,1
5,9 %
(+4,6 %)
6,0 %
(-1,9 %)
6,3 %
(-3,2 %)
0
Quelle: „Spiegel“
20
40
60
80
Quelle: Marktmedia 24
Büro-/Schulbedarf
Schreibgeräte
Briefpapier/
-umschläge,
Postkarten
Grußkarten, Kalender,
Alben/Diarien
Papiere für Haushalt/
Büro
30 navigator
Mehr als gutes Gehalt
Mittelständische Firmen finden oft schwer Fach- und
Führungskräfte – selbst wenn sie zu den „Hidden Champions“
zählen, also den häufig in der Öffentlichkeit unbekannten
Marktführern. Doch es gibt neue Recruiting-Strategien
von Anja Schnake
ie bitte? Du ziehst wohin?“ – Verwunderung bis hin zu Unverständnis war es,
was Florian Wackermann bei seiner
Entscheidung zum Berufseinstieg entgegenschlug. Der Betriebswirtschaftler hatte deutschfranzösisches Management in Augsburg und Rennes
studiert, seinen Master an der Wayne State University
in Detroit absolviert und über Innovationsökonomik
promoviert. Müsste er nicht als „High Potential“ zu
einem internationalen Konzern gehen? Tat er nicht. Er
zog aus München ins ostwestfälische Versmold, eine
Stadt mit gut 20.000 Einwohnern, um dort für die
Fleischerei Reinert zu arbeiten.
Nie gehört? Das ist nicht erstaunlich. Die Firma Reinert gehört mit 1500 Mitarbeitern zu den größten
Fleisch- und Wurst-Veredlern des Landes. Große mittelständische Unternehmen – sogar die heimlichen
Weltmarktführer unter ihnen – beliefern oft Industriekonzerne oder Markenhersteller und treten auf dem
Verbrauchermarkt nicht unbedingt in Erscheinung.
Trotz weltweiter Standorte haben etliche ihren Hauptsitz in ländlichen Regionen. „Dieser Nachteil gewinnt
in Zeiten des Fachkräftemangels und kleinerer Jahrgänge zunehmend an Bedeutung“, sagt Professor
Hermann Simon, Gründer und Chairman der Unternehmensberatung Simon, Kucher & Partners und
„Entdecker“ der „Hidden Champions“ im deutschen
Mittelstand. Aufgrund ihres ständigen Personalbedarfs
engagieren sich diese Firmen besonders nachhaltig
beim Rekrutieren neuer Mitarbeiter.
W
Buchtipp
Hermann Simon:
Hidden Champions –
Aufbruch nach Globalia.
Die Erfolgsstrategien
unbekannter Weltmarktführer,
Campus Verlag
(August 2012),
447 Seiten,
Preis: 42 Euro
Auf die Reputation kommt es an
Klassische Stellenausschreibungen in Print- und
Onlinemedien nebst eigener Webseite tun zwar noch
immer ihre Wirkung: Einer Studie des Jobportals
Monster.de zufolge resultieren mit 22,4 Prozent noch
immer die meisten Einstellungen aus Printanzeigen,
gefolgt von Internet-Ausschreibungen mit 21,7 Prozent. Mittelständische Firmen tummeln sich auch
tapfer in sozialen Netzwerken, hören auf Empfehlungen ihrer Mitarbeiter und setzen für Fach- und Führungskräfte auch mal auf Personalberater oder Headhunter. Doch ihre Überzeugungskraft gewinnen diese
Maßnahmen durch Reputation, meint Klaus Becker,
Inhaber der Becker Personal- und Managementberatung für den Mittelstand: „Die erfolgreich rekrutierenden Firmen betreiben meist ein exzellentes Personalmarketing, das heißt: Sie engagieren sich nach innen
für ein gutes Betriebsklima – und tragen dies energisch nach außen.“
Dabei hat ein typischer Hidden Champion seinen
angehenden Führungskräften per se schon einiges zu
bieten. „Diese Firmen sind ja nicht klein, aber noch
überschaubar. Man wächst schnell in echte Verantwortung hinein und hat auch Zugang zu den TopFührungskräften. Durch ihre Internationalität bieten
sie zudem viele Chancen, Auslandserfahrung zu
gewinnen“, sagt Hermann Simon.
Häufig muss jedoch vom Umzug in die Provinz auch
die Familie überzeugt werden, und so spielen flexible
Arbeitszeitmodelle, Home-Office-Optionen sowie die
betriebseigene Kita im mittelständischen EmployerBranding die Hauptrolle. Auch der Faktor Firmenkultur
gewinnt an Bedeutung. Kein Wunder, findet der Personalexperte Becker: „Die Leute wollen sich mit ihrem
Arbeitgeber identifizieren und gern dorthin gehen –
darauf kommt es an.“ Vor allem auf dem internationalen Arbeitsmarkt müssten Firmen mit ihrer Kultur
überzeugen, „denn für Menschen aus dem Ausland ist
das ländliche Deutschland womöglich eher unattraktiv
GUTE ANGEBOTE
Betriebseigene Kitas
gehören zu den Vorteilen,
die Firmen ihren Mitarbeitern bieten, um damit
den einen oder anderen
regionalen Nachteil
aufzuwiegen
und die Sprachbarriere hoch.“ Mehr Erfolg verspricht
daher die Mitarbeitersuche in der Region. Fachleute
für Produktion und mittlere Führungsebene bilden
mittelständische Betriebe oft selbst aus. Um den
potenziellen Bewerberpool langfristig zu vergrößern,
bauen viele darüber hinaus Kontakte zu Universitäten
auf: Sie betreiben entweder systematisches Hochschulmarketing – das sich in der Regel nur langfristig
auszahlt – oder nehmen an Networking- oder Absolventenevents teil.
Erfolgreiche Suche auf Recruiting-Events
Selbst auf Fach- und Branchenmessen lohnt es sich
für immer mehr Aussteller, einen Ansprechpartner für
potenzielle Mitarbeiter dabeizuhaben. „Bewerber, die
sich zunächst für die großen Marken der Branche
interessieren, treffen dort auf ihre unbekannten, aber
möglicherweise attraktiven Partner- oder Zulieferfirmen“, sagt Hermann Simon. Internationale Industrieoder Software-Messen seien stets auch ein Tummelplatz für Ingenieure, Software-Experten und Bewerber
ähnlicher Fachrichtungen, die von vornherein auf
bestimmte Branchen ausgerichtet sind.
Weniger Streuverluste gibt es auf ausgewiesenen
Jobmessen, die meist in der nächstgelegenen Landeshauptstadt stattfinden. Allein 21 solcher Veranstaltungen listet das Job-Portal Monster.de bundesweit für
den Monat Juni. Unbekannte Firmen können sich hier
gut von den Großen ihrer Branche abheben und
zunächst unverbindlich Kontakte knüpfen. „Die Teilnahme lohnt sich für mittelständische Firmen unbe-
dingt“, sagt Klaus Becker. Wenn der persönliche
Eindruck stimmt, kann schließlich alles sehr schnell
gehen. Auch Florian Wackermann traf seinen heutigen Arbeitgeber auf einem Bielefelder Karrieretag.
Vier Wochen später war der Vertrag unterschrieben.
Recruiting im Mittelstand
Karrieremessen Zielgruppe sind Berufsein-, -aufund -umsteiger. Jobmessen haben selten Branchenschwerpunkte, so ergeben sich viele Kontakte mit
Bewerbern verschiedener Fachbereiche. Der Wettbewerb um einzelne Berufsgruppen ist gering ausgeprägt, der Aufwand für die Teilnahme überschaubar.
Hochschulmessen Zielgruppe sind angehende
Absolventen einer Universität oder Hochschule,
meist einer bestimmten Fachrichtung. Das verringert
die Streuverluste, erhöht aber den Wettbewerb um
attraktive Bewerber. Der Aufwand für Marketing und
Organisation hält sich auch hierbei in Grenzen.
Hauseigene Recruiting-Events Zielgruppe sind in
der Regel Interessenten und potenzielle Bewerber, zu
denen bereits Kontakte bestehen. Der Gastgeber hat
ein authentisches Forum, um sich selbst und den
Arbeitsplatz zu präsentieren. Vorbereitung, Marketing und Organisation sind sehr aufwendig.
32
biz travel
AUSGEZEICHNET
wurden Piero Lissoni
und seine Entwürfe oft –
unter anderem ist er
Mitglied der N.Y. Hall of
Fame of Interior Design
Lieber schön als bequem
… hat es der italienische Produktdesigner, Grafiker und
Architekt Piero Lissoni, wenn er unterwegs ist. „Galleria“ sprach
mit ihm über die ästhetische Dimension des Reisens
von Anja Schnake
Wie viele Tage im Jahr sind Sie auf Reisen?
Ich reise mindestens 100 bis 120 Tage im Jahr.
entdecken, und verbringe dort auch am liebsten die
Zeit meiner Zwischenstopps.
Sie haben mal gesagt: „Ich zahle lieber den Preis
des Unbequemen und trage dafür elegantes
Schuhwerk.“ Leiden Sie unterwegs mehr unter
mangelndem Komfort oder schlechtem Stil?
Ganz gewiss unter dem Mangel an Stil. Die meisten
öffentlichen Bereiche in Flughäfen haben wirklich
hässliche Möbel.
Wie können es sich Reisende unterwegs selbst ein
bisschen schöner machen?
Man sollte immer etwas Warmes dabeihaben, das
man sich umwickeln kann. Sehr weiche, bequeme
Kleidung. Und ich habe gern Bücher dabei, weil ich
nicht gern auf elektronischen Geräten lese.
Ihr Lieblingssofa, das LC3 von Le Corbusier, gilt
als unbequemstes Sofa auf der Welt. Mal ehrlich,
würden Sie einen Zehnstundenflug im LC3 absolvieren wollen?
Nicht wirklich, wenn ich es verhindern kann. Der LC3
ist der schönste Sessel der Welt, aber zehn Stunden
darauf zu sitzen scheint mir doch eine sehr lange
Zeit …
Welches ist das schönste Verkehrsmittel, mit dem
Sie reisen?
Ich liebe Züge und auch Flugzeuge. Tatsächlich finde
ich auch, dass beide Verkehrsmittel in den letzten
Jahren ihr Design verbessert haben, nicht nur in den
ersten Klassen, sondern beispielsweise auch in einigen Schweizer Bahnen oder in italienischen Regionalzügen. Die Automobilindustrie bringt hingegen keine
besonders schönen Fahrzeuge hervor.
Sie haben mal gesagt, ein Sofa sollte eine Insel
sein. Wo finden Sie Ihre Lieblingsinseln auf Reisen?
Fast überall, in jedem Flughafen oder Bahnhof, kann
man ein kleines High-Quality-Café finden, sogar an
völlig unmöglichen Orten. Oder im „Le Pain Quotidien“ in Berlin-Tegel können Sie einen wirklich guten
Kaffee bekommen. Ich genieße es sehr, diese Orte zu
Was halten Sie eigentlich von aufblasbaren
Nackenkissen für Langstreckenflüge?
Ein Fall für „Die Reisen des Mr. Leary“ – widerwillig
Reisende, die sich unterwegs wie zu Hause fühlen und
gegen alle Eventualitäten wappnen wollen.
Beim Design ist Nachhaltigkeit ein Thema für Sie –
nehmen Sie auch mal den Zug, statt zu fliegen?
Wenn es eine gute Schienenverbindung gibt, ziehe
ich den Zug immer vor.
Sie arbeiten ja seit langer Zeit an Projekten auf allen
Kontinenten der Welt. Inwiefern haben sich Ihre
Ansprüche und Bedürfnisse auf Reisen verändert?
Alles ist schlechter geworden! Die notwendigen
Kontrollen ziehen den ganzen Prozess in die Länge.
Es ist sinnlos, einen Eineinhalbstundenflug zu
buchen, wenn man drei Stunden braucht, um am
Flughafen durch die Kontrollen zu kommen.
Modernisierung hätte unser System verbessern
sollen. Aber das ist nicht geschehen.
Schon mal die neue A380-Businessclass ausprobiert?
Ja, das habe ich. Es war fantastisch. Ein Erlebnis, wie
in einem fliegenden Hotel zu übernachten. Paradoxerweise sind Langstreckenflüge im A 380 sogar einfacher und angenehmer als kurze Reisen.
Design fürs
Tablet
Dribbblr zaubert die aktuellen Entwürfe berühmter
Designer aufs iPad: „Einfach und herausragend,
wie eine App sein soll“,
urteilen die Nutzer
34 biz travel
WOHIN ZUM
ARBEITEN? Worksnug
kennt sich aus: Die Mitglieder der Community
haben Hotspots und
Cafés in der ganzen
Welt bewertet
Die Stadt als Büro
Der mobile Lebensstil hat seine Tücken,
aber auch seine
Vorzüge. Zu Letzteren gehört die Augmented-Reality-App
Worksnug, die dem
mobilen Wanderarbeiter den kürzesten Weg zum nächsten Arbeitsplatz
zeigt. Zumindest
dann, wenn er sein
Laptop dabeihat
und in erster Linie
WLAN und einen
guten Kaffee
braucht. „Das ist
eigentlich eine romantische Idee – die
Stadt ist dein Büro“,
findet WorksnugGründer Richard
Leyland. Weltweit
arbeitet rund eine
Milliarde Menschen
mindestens einmal
pro Woche nicht im
Büro, schätzen
Experten. Viele von
ihnen haben sich mit
der Worksnug-Community vernetzt,
können also eigene
Orte hinzufügen und
bewerten. Die App
zeigt, wo Internet
und Steckdose vorhanden sind, ob das
kulinarische Angebot
überzeugt und ob
der Lärmpegel effektives Arbeiten überhaupt zulässt. Zusätzlich lotst Worksnug
zum nächsten Printshop. Nicht nur
Metropolen wie
London, New York,
Barcelona oder
Berlin hat die Community bereits vermessen – Worksnug
ist theoretisch überall. Erhältlich ist die
App für iPhone,
Android-Handys,
Blackberry und
Ovi (Nokia). www.
worksnug.com
Fast Lane
Lost & Found
Schneller abheben
Kein Gramm zu viel
Die Flughäfen bauen ihre Services für eilige Fluggäste
aus. War die Überholspur bisher den VIP-, Gold- oder
Business-Gästen vorbehalten, so gibt es heute Fast
Lanes für fast jedermann. So dürfen in Frankfurt und
München Reisende, deren Maschine in weniger als 30
Minuten abhebt, speziell eingerichtete Fast Lanes nutzen. In Stuttgart wird den Fluggästen die verbleibende
Wartezeit an allen Schlangen angezeigt, so dass sie
selbst wählen können, wo sie sich anstellen – was
immerhin für eine optimale Verteilung sorgt. Das gleiche Prinzip hat sich am Terminal fünf des Londoner
Airports Heathrow etabliert. Am Nachbarflughafen
Luton kostet die Nutzung der Fast Lane hingegen drei
Pfund extra – eine Idee, die der Billigflieger Easyjet in
die Welt gesetzt hat: Für Speed-Boarding fällt hier seit
jeher eine Extragebühr an. Ein Übriges leisten Onlineoder Mobile-Check-in sowie die Check-in-Automaten.
Seit die Fluggesellschaften immer genauer hinschauen
beim Gepäckgewicht, sollten es auch die Reisenden
tun. Die Gepäckwaage wird deshalb zum beliebten
Flugbegleiter. Den Klassiker baut die deutsche Traditionsfirma Soehnle: „Travel“ ist leicht zu handhaben
und wiegt nur 95 Gramm. Ein praktischer Hingucker ist
die Kofferwaage „On your Weigh“ von Travelon (beide
circa 20 Euro), während der Preissieger im Premiumsegment, die Beurer „732.10 LS 10“, durch Präzision
besticht. Das beste Preis-Leistungs-Verhältnis erzielt die
Kofferwaage „TripNeeds Mini“, die für 13 Euro fast das
gesamte Funktionsspektrum der Premium-Waagen
abdeckt: Wiegen bis 40 Kilo, gutes Handling, batteriebetrieben, Hinweiston bei erfolgter Messung, gut lesbares Display, Gewichtsanzeige in Kilo und englischen
Pfund (lbs). Für Nostalgiker haben die Anbieter MQ und
BGS auch noch eine analoge Variante im Programm.
SYMBIOSE: Der Airport
brummt, wenn die Messe
floriert – und umgekehrt.
2012 verbuchte der Flughafen einen neuen
Rekord an Fluggästen:
57,5 Millionen!
Flugzeuge
im Handy
Plane Spotter kennt
die Welt der Passagierluftfahrt: sämtliche
Flugzeugmodelle mit
physikalischen, betrieblichen und kommerziellen Informationen
Herr der Flieger
Dr. Stefan Schulte prägt das Gesicht der Region Frankfurt.
In „Galleria“ verrät er seine Lieblingsorte
von Kristin Menzel
r. Stefan Schulte spricht nicht gern über sich
selbst. Seine Lieblingsthemen betreffen die
Wirtschaft, genauer den internationalen Flugverkehr. Der 53-Jährige ist ein wichtiger
Mann für den Standort Deutschland, denn als
Vorstandsvorsitzender der Fraport AG lenkt er die
Geschicke des wichtigsten und größten Flughafens
der Republik – mit 75.000 Beschäftigten gleichzeitig
die größte Arbeitsstätte Deutschlands. In dieser Position treibt er unter anderem den Ausbau des Flughafens energisch voran – ein Projekt, mit dem man
sich leicht Vorwürfe einhandelt. Zum Beispiel den, die
D
Landebahn Nordwest auf Kosten des Wohlergehens
der Bürger Frankfurts gebaut zu haben. Doch Schulte
nimmt seine Kritiker ernst, sucht den Dialog mit
Betroffenen, investiert in Schallschutzprogramme und
lärmarme Flugtechnologien. Er kennt seine Verantwortung, ist dialogbereit, aber auch entschlossen, wenn
es darum geht, eine leistungsfähige und zukunftsgerechte Luftverkehrs-Infrastruktur zu schaffen.
Nach Ausbildung und Studium arbeitete Schulte in
verschiedenen großen Konzernen, bevor er 2003 zur
Fraport AG kam. 2009 stieg er zum Vorstandsvorsitzenden auf. Seine Ressorts reichen von Rechtsange-
2
36 biz travel
legenheiten über Compliance bis hin zur Unternehmenskommunikation. Seine Mission: die
wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens und
die Modernisierung und Erweiterung des Flughafens.
Mit fast 20.000 Angestellten am Frankfurter Flughafen
ist die Fraport AG nicht nur einer der größten Arbeitgeber Hessens, sondern mit 300 Auszubildenden
ebenfalls Top-Ausbilder im Rhein-Main-Gebiet.
Obwohl die Luftverkehrsindustrie 2012 immer wieder
kriselte, konnte die Fraport AG mit 57,5 Millionen
Menschen einen neuen Fluggastrekord vermelden.
Auch im Ausland ist Fraport erfolgreich auf vier Kontinenten an insgesamt 13 Flughäfen beteiligt und bringt
sein Know-how dort gewinnbringend ein. Die Gegner
der neuen Landebahn haben es nicht leicht, denn sie
bietet gute Entwicklungschancen für die Stadt – mit
deren 300 ansässigen Banken, etlichen Unternehmen
und etwa 50 Messen, die jährlich drei Millionen Besucher aus aller Welt anlocken.
Nachhaltig wirtschaften für die Region
Im Zuge des demografischen Wandels setzt der Fraport-Chef auf ehrliche gesellschaftspolitische Diskussionen, um auch in Zukunft motivierte Mitarbeiter
beschäftigen zu können. Besonders die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz treibt er voran. Zum sechsten Mal in Folge findet man die Fraport AG im „Sustainability Yearbook“, einem Jahrbuch für Unternehmen
und ihre Nachhaltigkeitsperformance. Intern hat das
Unternehmen flexible Arbeitsmodelle und die Förderung von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund etabliert. Auch den Frauenanteil in der Führung will
Schulte in den kommenden Jahren ausbauen. Im
Klimaschutz fördert er eine effiziente Energienutzung
von Gebäuden – wie bei der jüngst eröffneten, von der
Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen mit
dem Prädikat „Gold“ ausgezeichneten Unternehmenszentrale. Schulte selbst ist seit 2012 Mitglied der
Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, der die in Deutschland geltenden Regeln
für verantwortungsvolle Unternehmensführung transparent macht.
Darüber hinaus engagiert sich die Fraport AG vor Ort,
etwa, wenn es um die Unterstützung von gemeinnützigen Projekten oder des Regionalparks RheinMain
geht. „Wir sind ein Bestandteil dieser Region und
sehen uns in der gesellschaftlichen Verantwortung,
uns auch auf diese Weise am sozialen Leben im
Rhein-Main-Gebiet zu beteiligen“, betont Schulte das
Selbstverständnis seines Unternehmens. So wird die
soziale Verbundenheit des Flughafens mit der Region
wohl auch weiterhin wachsen.
6
Auch wenn sein
Terminkalender
wenig Platz für
Privates offenlässt – an diesen
sieben Orten in
Frankfurt hält
sich Stefan
Schulte am
liebsten auf:
7
1 Museumsufer
www.museumsuferfrankfurt.de
Schaumainkai
Frankfurts Museen
sind ein Pfund zum
Wuchern – für
jeden Geschmack
ist etwas dabei.
2 Nidda
Die Radwege entlang des idyllisch
gelegenen Flüsschens sind Teil des
Regionalparks
RheinMain und
laden am Wochenende zu ausgiebigen Touren ein.
7
3
4
5
1
3 Nordend/
Berger Straße
Individuelle, kleine
Läden und Boutiquen neben urigen
Kneipen und Bars
machen aus Bornheim und dem
Nordend ein Szeneviertel von besonderem Reiz.
4 Kleinmarkthalle
5 Oper und
Schauspiel
6 Eintracht
Frankfurt
www.kleinmarkthalle.de
Hasengasse 5
www.oper-frankfurt.de
www.schauspielfrankfurt.de
Willy-Brandt-Platz
www.eintracht.de
Ein versteckter Ort
mediterraner
Lebensart mitten in
Frankfurt: Streifzüge
durch die kulinarischen Highlights
vieler Länder regen
die Fantasie an.
Äußerlich 50er
Jahre, inhaltlich
bieten die Bühnen
hervorragend
besetzte und international anerkannte
Aufführungen.
Mit ihren begeisterungsfähigen Anhängern und dem
(fast) immer vollen
Stadion ist die Eintracht ein Aushängeschild für
Frankfurt.
7 Der Flughafen
www.frankfurt-airport.de
Ein dynamischer
Wirtschaftsstandort, Treffpunkt für
Menschen aller
Nationalitäten und
Wahrzeichen Frankfurts in der Welt.
38
global
Peking
Asiens Weg in die Moderne verläuft auch auf der
Schiene: Ende 2012 wurde in China die längste
Hochgeschwindigkeitstrasse der Welt eröffnet
IMPRESSUM
Galleria
Das Magazin der
Messe Frankfurt
www.galleria-online.de
Herausgeber
Messe Frankfurt GmbH
Unternehmenskommunikation
Kai Hattendorf
Ludwig-Erhard-Anlage 1
60327 Frankfurt am Main
www.messefrankfurt.com
Chefredaktion
Messe Frankfurt GmbH
Unternehmenskommunikation
Gabriele Wehrl
Telefon:
+49 69 7575-5625
Telefax:
+49 69 7575-6760
E-Mail: gabriele.wehrl@
messefrankfurt.com
Objektleitung
HOFFMANN UND
CAMPE VERLAG GmbH
Corporate Publishing
Jutta Groen
E-Mail:
jutta.groen@hoca.de
Redaktion
HOFFMANN UND
CAMPE VERLAG GmbH
Corporate Publishing
Kaiserstraße 68
60329 Frankfurt
E-Mail: galleria-redaktion
@hoca.de
Michael Hopp (V. i. S. d. P.)
Lesley Vinson
(Art-Direktion)
Elisabeth Frenz
(Fotoredaktion)
Wilm Steinhäuser
(Schlussredaktion)
Autoren
Dr. Raymond Wiseman,
Iris Kuhn-Spogat, Anja
Schnake, Christian
Tröster, Tim Farin, Kristin
Menzel
S. 35–37 ddp images;
Frankfurt Tourismus Congress GmbH; S. 38 Getty
Images
Gestaltung
Messe Frankfurt
Medien und Service GmbH
Publishing Services/
Petra Herold
Verlag
Messe Frankfurt Medien
und Service GmbH
Ludwig-Erhard-Anlage 1
60327 Frankfurt am Main
publishing.services@
messefrankfurt.com
www.verlag.
messefrankfurt.com
Litho
Repro 45
Frankfurt am Main
Druck
NK Druck+Medien GmbH
Hammersbach
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den Inhalt von Eintragungen und Anzeigen und
eventuell daraus entstehende Schäden ist der
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am Main.
© Messe Frankfurt GmbH
ür die Strecke zwischen Peking
und der Millionenstadt Guangzhou
im Südosten Chinas brauchten
Reisende bisher mehr als 20 Stunden – neuerdings legt ein Hochgeschwindigkeitszug die 2298 Kilometer in circa
acht Stunden zurück. Auf der Strecke
verkehren nach staatlichen Angaben
täglich etwa 155 Züge des chinesischen
Herstellers CNR. Seit dem Betriebsstart
der neuen Verbindung umfasst das chinesische Hochgeschwindigkeitsnetz knapp
9000 Kilometer, bis 2020 soll es auf
50.000 Kilometer ausgebaut werden –
eine Entwicklung, von der die gesamte
F
Region profitiert. Das milliardenschwere
Investitionsprogramm wird deshalb
zweifellos auch auf der Korea Railways &
Logistics Fair in Pusan (12. bis 15. Juni
2013) ein wichtiges Thema sein.
8951
Kilometer misst zurzeit das Netz der
neuen Hochgeschwindigkeitsbahntrassen in China
Fotos
Titel: Andreas Troitsch;
S. 3 Messe Frankfurt
Exhibition GmbH; S. 4/5
Guardian News, Istockphoto; Duffy Archiv/V&A
Images; S. 6–10 Mercedes
Benz; Getty Images; Plainpicture; Adidas; S. 11–12
Sauber Motor Sport;
Imago; S. 13–15 Mauritius;
Beiersdorf (2); Henkel;
S. 16–18 Illustration: David
McCandless & AlwaysWithHonor-InformationisBeautyful.net; House of
Finn Juhl; Lampen Shop;
Fotolia; Vitra Design
Museum; e15 Design und
Distributions GmbH;
S. 19 Plainpicture; Iris van
Herpen; e15 Design
und Distributions GmbH;
S. 22–24 Caboclobrasil;
Andreas Troitsch; Greenshowroom; S. 25 Illustration: Sabine Hecher;
privat; S. 26–27 privat (5);
Plainpicture; S. 28–29
Christoph Weiser; S. 31
Laif; S. 32 Piero Lissoni;
S. 34 Plantronics;
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BM BRAND MEDIA GMBH
Doris Bielstein
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Tel. 040/27 17-20 95
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hochtief.de
MEIN
UNTERNEHMEN.
UNSERE
GESCHICHTE.
OCHTIEF
JAHRE
1873 haben die Gebrüder Helfmann ein kleines Baugeschäft gegründet – und auf langfristigen Erfolg gehofft.
2013 feiert HOCHTIEF sein 140-jähriges Bestehen und zählt zu den führenden globalen Baukonzernen. Von
der Schaffenskraft des Unternehmens zeugen viele bemerkenswerte Projekte auf der ganzen Welt. HOCHTIEF
hat in seiner langen Geschichte Lebensräume gestaltet, spektakuläre Landmarken errichtet und technische
Höchstleistungen erbracht. Dabei konnte der Konzern auf seine gewachsenen Kompetenzen vertrauen und
musste auch Veränderungen nie scheuen – auf diese Tradition kann HOCHTIEF auch in Zukunft bauen.
Aus Visionen Werte schaffen.
BMW i
Freude am Fahren
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