Alt und Neu - Bauen im Bestand

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Alt und Neu - Bauen im Bestand
Bauen in Stahl
Bautendokumentation des Stahlbau Zentrums Schweiz
03+04/10
steeldoc
Alt und Neu
Bauen im Bestand
Inhalt
Editorial
3
Einführung
Alt und Neu – Bauen im Bestand
4
Theater 11, Zürich
Skulpturale Stahlkiste
18
Caixa Forum, Madrid
Wohlgeformte Raumerweiterung
24
Collège des Bernardins, Paris
Mit Leichtigkeit in die Neuzeit
30
Kunstmuseum Moritzburg, Halle
Lichte Landschaft über alten Mauern
36
Andel’s Hotel, Lodz
Grandhotel mit industriellem Charme
42
Attika-Loft, Genf
Luxuriöser Adlerhorst
48
Impressum
51
Kompetenz im Stahlbau
Das Stahlbau Zentrum Schweiz ist das Schweizer Kom­
petenz-Forum für den Stahlbau. Als Fachorganisation
­v ereint das SZS die wichtigsten stahlverarbeitenden Betriebe, Zulieferfirmen und Planungsbüros der Schweiz und
erreicht mit seinen Aktionen mehr als 8000 Architek­
tinnen, Bauplaner, Entscheidungsträger und Institutionen.
Das SZS informiert das Fachpublikum, fördert die Forschung, Entwicklung und Zusammenarbeit im Stahlbau,
pflegt internationale Verbindungen und unterstützt
die Aus- und Weiterbildung von Fachleuten. Seine Mitglieder profitieren von einem breiten Leistungsangebot zu
günstigen Konditionen.
www.szs.ch
Stahlbau Zentrum Schweiz
Centre suisse de la construction métallique
Centro svizzero per la costruzione in acciaio
Editorial
Bauen im Bestand ist in der heutigen Architektur praktisch zu einer
neuen Disziplin geworden. Während die Pioniere der Moderne in der
Nachkriegszeit freie Hand hatten für den Bau von Wohnungen und Indus­
trie, ist auch diese Bausubstanz mittlerweile in die Jahre gekommen.
Die fortschrittbegeisterten Architekten der 70er und 80er Jahre machten
mit der historischen Bausubstanz kurzen Prozess. In dieser Zeit wurden
viele Bauten und Ensembles in den Städten abgerissen, die man heute
mit Sicherheit erhalten würde. Die Denkmalpflege geht seither mit
­Städteplanern und Stadtarchitekten Hand in Hand. Der Überdruss von
der teilweise gesichtslosen modernen Architektur hat uns die Augen für
den ästhetischen Wert des Bestandes geöffnet – und insbe­sondere für
das Zusammenspiel von Alt und Neu.
Ein weiterer Faktor für die Bedeutung des Bauens im Bestand ist das
Bedürfnis nach Verdichtung der Städte. Mit dem Bevölkerungswachstum
gewinnt der städtische Boden an Wert, und die Bauzonenordnung
erlaubt vielerorts die Aufstockung der bestehenden Gebäude. Zu neuen
Stadtgebieten werden ehemalige Industriezonen – und damit steht
­Bausubstanz für eine neue Nutzung zur Verfügung, welche die Dimen­
sionen der herkömmlichen Parameter weit übertrifft und Planer vor
ganz neue Aufgaben stellt.
Die Grundlage für die Entwicklung von gebautem Raum ist für Architek­
ten und Ingenieure heute stärker an die Bedingungen des bestehenden
Umfeldes gebunden. Damit ergeben sich auch neue Herausforderungen
an die Planung. Einmal muss die vorhandene Substanz untersucht
­werden, insbesondere unter dem Aspekt der Tauglichkeit für eine neue
Nutzung oder der zusätzlichen statischen Belastung. Das geforderte
Raumprogramm muss in die vorhandene Substanz einge­bunden werden,
und schliesslich stellt sich dem Planer immer wieder die Aufgabe,
­zwischen Erhalten und Ersetzen das richtige Mass zu finden.
Der Baustoff Stahl leistet für diese neuen Aufgaben einen wertvollen Bei­
trag. Sein geringes Gewicht, seine Flexibilität und die modulierbare
Anwendung bieten mannigfache Lösungen für schwierige Bauvorhaben
in komplexen Strukturen – sei es zur Verstärkung bestehender Trag­
systeme oder für leichte Ein- oder Aufbauten, die sich vom Bestand auch
formal abheben.
Das vorliegende Steeldoc ist eine umfangreiche Doppelnummer zu
­diesem Thema und schafft zuerst einen Überblick über die Anwendung
von Stahl beim Renovieren, Ergänzen und Erweitern von Altbauten.
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch «Featuring Steel», das der
Verlag Detail zusammen mit Arcelor Mittal herausgegeben hat. Wir
haben diesen Artikel überarbeitet und vom Englischen ins Deutsche und
Französische übertragen. Anschliessend dokumentieren wir anhand
von sechs gebauten Beispielen die Palette der Anwendungsmöglichkeiten
von Stahl beim Bauen im Bestand. Wir legen dabei den Fokus wie
immer auf die konstruktiven Lösungen und zeigen im Detail, wie Alt
und Neu zusammenkommen. Wir wünschen viel Inspiration und
Anschauungsfreude beim Studium von Steeldoc.
Evelyn C. Frisch
3
Einführung
Alt und Neu – Bauen im Bestand
Pierre Engel, Tomà Berlanda, Andrea Bruno, Feder ico Mazzolani
Der Baustoff Stahl leistet für Umbau und Renovation einen wertvollen Beitrag.
Sein geringes Gewicht, seine Flexibilität und die modulierbare Anwendung
bieten mannigfache Lösungen für schwierige Bauvorhaben in komplexen Strukturen – zur Verstärkung bestehender Tragsysteme oder für leichte Ein- oder
­Aufbauten.
1
Das Bewusstsein für den Wert historischer Bau­
substanz erwachte in Frankreich bereits Mitte des 19.
Jahrhunderts mit dem Architekten Viollet-le-Duc.
Dieser wurde mit der Restaurierung mittelalterlicher
Sakralbauten beauftragt und leistete damit seinen Bei­
trag zur ersten Restaurierungsbewegung in Frank­
reich. Erst in den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts
ebnete jedoch der detailversessene italienische Archi­
tekt Carlo Scarpa der Restaurierung historischer
­Bauten den Weg zur öffentlichen Anerkennung, wie
etwa mit der Renovation des Castelvecchio in Verona.
Mit der Sanierung der Grande Halle im Park von
La Villette in Paris haben die Architekten Reichen und
Robert einen neuen Standard gesetzt, wie die Aus­
2
stellung «Créer dans le créé» (Bauen im Bestand) 1986
im Centre Georges Pompidou in Paris anschaulich
gezeigt hat. [1]
Architektur in bestehenden Strukturen
Es begann eine neue Ära in der Architektur, in welcher
der Stahl eine wichtige Rolle spielte. Seither findet
man in London, Paris, Rom, Tokio, Berlin, Madrid und
New York zahlreiche Beispiele von Stahlbauarchi­
tektur innerhalb bestehender Bauten. Zuerst noch
zögerlich, haben sich zahlreiche bekannte Architekten
allmählich dieser Methode bemächtigt und bewiesen,
dass die Bauerneuerung in den letzten dreissig Jahren
zu einer eigenen Disziplin geworden ist. Die Gründe
für diese Entwicklung sind wirtschaftlicher, struk­
tureller und kultureller Natur. Im Gegensatz zu einer
Zeit, in der man es vorzog, das Bestehende ganz
­abzureissen, arbeiten die Planer heute gerne im Bestand
und wenden immer komplexere Techniken für
­unterschiedlichste Nutzungen an: für Museen, Hotels,
Bürobauten, Wohnbauten, Läden, Bahnhöfe, Flug­
häfen, Stadien. Diese Praktik wurde so geläufig, dass sie
heute 45 bis 60 Prozent des Baumarkts ausmacht.
Eine detaillierte Übersicht über den Stand der Technik
dieser Methoden zeigt Tabelle 5. [2]
Beim Bauen im Bestand ist die Haltung des Architekten
bezüglich Materialien und vorgefundener Gebäude­
struktur massgebend. Der Architekt darf dieser
­Substanz gegenüber keine Hemmungen haben und
sie ohne Vorurteile betrachten. Nur so kann er dessen
Einzigartigkeit erkennen. Dies ist einem rein theo­
retischen und dogmatischen Ansatz vorzuziehen. Eine
gewisse Risikobereitschaft kann durchaus wünschens­
wert sein, immer unter Berücksichtigung der klar
­etablierten Regeln bezüglich der Reversibilität und
zeitlichen Zugehörigkeit der bestehenden Bauten. Das
Zeitgenössische soll in dialektischer Form präsent
sein, erkennbar an den Materialien und Technologien.
Nur so entsteht bei der Sanierung lebendige, archi­
tektonisch wertvolle Bausubstanz.
Das endgültige Ziel ist immer die Wiederherstellung
der materiellen Konsistenz eines Gebäudes oder
Monuments, um seine Geschichte und Bedeutung in
unserer Gesellschaft am Leben zu erhalten. Ob es
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2
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4
Umbau des Pavillon de l’Arsenal, Paris 1988, Reichen & Robert
Bibliothek der Universität Eichstätt, Eichstätt (D) 1996, Karl Frey
Tragender Stahlträger, Castelvecchio, Verona (I) 1964, Carlo Scarpa
Museu do Chiado, Lissabon (P) 1994, Jean-Michel Wilmotte
Übersichtstabelle über die Einsatzmöglichkeiten von Stahl bei
Gebäudesanierungen
5
Massnahme
Ort der Massnahme
Hauptsächliche Intervention*
Geeignete Stahlprodukte
1. H
inzufügen oder konsolidieren von Fundamenten,
provisorische oder permanente Trockenlegung.
Fundationen oder Böden unter oder in der
Nähe eines bestehenden Gebäudes, die
verstärkt oder temporär gegen das Eindringen von Wasser geschützt werden
müssen (Bauwerke im Wasser).
1 bis 10
Sorgfältige Analyse des tragenden
Untergrunds, vom Umfeld der Fundation und von den Ereignissen nach
der Erstellung.
HP Pfähle, Spundpfähle, Gestängerohre, Profilstahl IPE, HE, PRS, oder
Vollstahlprofile.
2. Lokale Verstärkung von
Tragwerkselementen.
Träger, Stützen und bestehende Böden
aus Holz, Stahl, Stahlbeton oder vorgespanntem Beton; Mauern in Backstein
oder Stahlbeton.
1 bis 5
Tragende Elemente verstärken, um
die Beanspruchungen und Deformationen unter den neuen Belastungsparametern zu reduzieren.
Alle Walzprofile, Blechträger, Rohre
kalt und warmgewalzt, Platten aus
Weichstahl oder Edelstahl.
3. Bauaufstockungen,
Erstellen von zusätzlichen
Stockwerken.
Aufbauten auf einem bestehenden Gebäude zur Vergrösserung der Nutzfläche.
1 bis 10
Die neuen Lasten über die bestehende Struktur oder über neue
Stahlstützen ableiten.
Praktisch wie Neubauten: alle leichten
und flexiblen Lösungen in Stahl kommen zur Anwendung.
4. Erweiterung durch
Nebenanstellen von
zusätzlichen Bauten.
Neubauten neben einem bestehenden Gebäude zur Vergrösserung der Nutzfläche.
1 bis 2
Die Verbindung und die Abdichtung
zwischen den neuen und den bestehenden Bauteilen gewährleisten.
Praktisch wie Neubauten: alle leichten
und flexiblen Lösungen in Stahl kommen zur Anwendung.
5. Fassadenerhaltung bei
gleichzeitiger Erneuerung
des Innern.
Aussenwände geschützter Bauten mit Interventionen zur Konsolidierung der Fassaden und für den Neuausbau des Innern.
1 bis 5
Die Stabilität der Fassade während
der Bauarbeiten gewährleisten und
Lösungen finden für die Böden und
internen Tragstrukturen.
Gerüste, Abstützungen aus Profilen,
Träger, Stützen und Böden für die
neue Tragstruktur.
6. Massnahmen gegen Setzungen und Verbesserung
der Erdbebensicherheit.
Zu verstärkende Tragwerke in Erdbebenzonen oder setzungsgefährdete Terrains
unter Berücksichtigung neuer oder
ausserordentlicher Gegebenheiten.
1 bis 10
Tragstrukturen den seismischen Anforderungen oder den Setzungen
des Bodens anpassen durch Anbringen von Verstärkungs- und/oder
Stabilisierungselementen.
Walzprofile oder Blechträger, Stützen,
Träger und/oder Böden in Mischkonstruktion, mit der ursprünglichen Tragstruktur verbunden.
7. Behebung von Korrosionsschäden und Anpassungen an die Brandschutznormen
Statische Elemente, die korrodiert und/
oder neuerdings brandgefährdet sind in
Folge einer neuen Nutzung oder eines
neuen Brandfallszenarios.
1 bis 6
Korrosionsgrad beurteilen, um die
statischen Elemente entsprechend
zu behandeln. Die neuen Brandschutzanforderungen definieren.
Systeme für Korrosionsschutz, aufgespritzte Produkte, Brandschutzfarben,
Verstärkungsprofile in Vollstahl.
8. Renovation der Gebäudehüllen: Fassaden und
Dächer.
Fassaden und Dächer bestehender Gebäude, bei denen die Renovation der Aussenhülle notwendig ist, um die ursprüngliche Schutzfunktion wieder herzustellen
und deren Effizienz zu erhöhen.
1 bis 6
Eine neue ästhetische Hülle ausarbeiten, die sich mit dem Bestehenden verträgt sowie mit den Anforderungen an die akustische und
thermische Isolation.
Produkte aus dünnem Stahl, verkleidete Produkte oder solche aus Edelstahl, Isolation.
9. Erstellen grossflächiger
Verglasungen als Ergänzung bestehender Bauten.
Nutzung von Restflächen wie Gebäudeinnenhöfe oder von Flächen, die durch
Dachausbauten generiert wurden.
1 bis 7
Übertragung der Lasten auf die
bestehende Struktur studieren, die
Abdichtungsanschlüsse und die
Entwässerung der Glasflächen.
Walzprofile oder Blechprofile aus
Stahl oder Edelstahl, Profilbleche.
* Schwierigkeitsgrad von 1 bis 10, 1 = niedrigste, 10 = höchste Stufe
5
Einführung
6
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6b
sich um eine einfache neue Fassade oder eine tiefgrei­
fende Neugestaltung der bestehenden Gebäudestruktur
handelt, tragende Elemente spielen dabei immer eine
wichtige Rolle.
Weil Stahl ein Recyclingmaterial erster Güte ist
und zudem leicht und modular, eignet es sich unter
dem Aspekt der Nachhaltigkeit in hohem Masse für
die Ergänzung und Verstärkung von bestehender
Bausubstanz.
Beitrag zur Nachhaltigkeit
Stahl eignet sich zwar für Prestigeobjekte, bei denen er
als Zeichen einer neuen Epoche stark auftritt, aber
genau so für zahlreiche bescheidenere Sanierungsauf­
gaben. Die Geisteshaltung, die den heutigen Renovatio­
nen zugrunde liegt, hat sich parallel mit dem Umwelt­
bewusstsein der Gesellschaft entwickelt. Denn der
Erhalt einer gewachsenen Bausubstanz ist ein Beitrag
zur nachhaltigen Entwicklung im Bauwesen.
Im Allgemeinen beginnt die Einleitung zum Thema
Nachhaltigkeit mit Zitaten des Brundtland-Berichts,
der nachhaltige Entwicklung als Entwicklung definiert,
«die den gegenwärtigen Bedarf einer Gesellschaft zu
decken vermag, ohne gleichzeitig späteren Generatio­
nen die Möglichkeit zur Deckung des ihren zu verbau­
en». [3] Nachhaltige Entwicklung ist also nur möglich,
wenn sie Umweltbewusstsein, soziale Gerechtigkeit
und ökonomische Effizienz miteinander vereint. Folg­
lich unterliegt jedes realisierte Gebäude dem Zyklus:
Bauen – Nutzen – Abreissen und Rezyklieren. Wie öko­
logisch es ist, bestimmt die Summe der während dieses
Kreislaufs verursachten Umweltbelastungen. Unter
­diesen Umständen bietet die Sanierung offensichtliche
Vorteile: die bestehenden Bausubstanz wird erhalten
und verursacht keine Belastungen durch deren Ersatz.
7a
6
Verschiedene Möglichkeiten von vertikalen Erweiterungen
a Direkt aufgesetzt, ohne zusätzliche Stützen
b Zusätzliche Geschosse mit zusätzlichen Stützen und
Fundamenten
Renovation des Couvent des Bernardins, Paris 2008,
Jean-Michel Wilmotte
a Erstellungsphase der neuen Stahlkonstruktion
b Das Innere nach der Renovation
c Aussenansicht
Istituto di Riposo per la Vecchiaia, Turin (I) 1981, Andrea Bruno
a Gesamtübersicht
b Fassade der Erweiterung
Warum eignet sich Stahl für Sanierungen?
Umnutzungen und Umbauten sowie der intelligente
Schutz und Erhalt von bestehenden, oft historischen,
Bauten haben im Laufe der Zeit immer wieder
gezeigt, welch wichtige Rolle der Stahl dabei spielt.
Die Verwendung von Stahl für Konsolidierungen und
statische Sanierungen bietet offensichtliche Vorteile:
• Stahltragwerke werden im Werk vorfabriziert und
können vor dem Transport probemontiert werden,
sodass sie sich auf der Baustelle einfach verschrau­
ben lassen.
• Die Wiederverwendbarkeit, ein Grundmerkmal von
Stahl, wird noch grösser beim Einsatz von ver­
schraubten Verbindungen, sei es für temporäre oder
für dauerhafte Konstruktionen.
• Dank dem günstigen Verhältnis von Belastbarkeit zu
Gewicht entstehen leichte Konstruktionen, was
Transport und Aufbau vereinfacht sowie die Zusatz­
belastung minimiert.
• Die kleinen Querschnitte der Konstruktionselemen­
te sind eine natürliche Folge der hohen statischen
Effizienz von Stahl und vereinfachen den Ersatz
bestehender und die Integration neuer verstärken­
der Elemente in vorhandene Konstruktionen.
7b
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8a
• Die ansprechende Ästhetik von Stahl wird dort zu
einem fundamentalen Thema, wo die statische Syner­
gie von alten und neuen Materialien mit einer auf
Kontrasten basierenden Architektur kombiniert wird.
• Einfache Montage wird immer geschätzt, vor allem
dann, wenn schnelles Einschreiten dringend
­notwendig ist, um den Verfall zu stoppen oder die
öffentliche Sicherheit zu gewährleisten.
• Die gute Verfügbarkeit und die grosse Auswahl an
Stahlprodukten auf dem Markt erfüllen alle plane­
rischen und konstruktiven Bedürfnisse. Die zur
­Verfügung stehenden Materialien reichen von den
konventionellen Walzprofilen über Bleche für
die Herstellung von geschweissten Blechträgern bis
zu Lochstegsträgern oder galvanisierten oder farb­
beschichteten Trapezblechen.
ein Vielfaches an Raumgewinn. In Toronto beispiels­
weise wurde ein sechsgeschosiges Haus aus Beton
um insgesamt acht Geschosse erweitert. In Beton wären
nur vier zusätzliche Geschosse möglich gewesen.
Die Hauptschwierigkeit von vertikalen Erweiterungen
ist das Übertragen des zusätzlichen Gewichts der
Neubauteile auf die bestehende Tragkonstruktion. Die
neuen Lasten müssen über das vorhandene Tragwerk
in die Fundamente abgetragen werden. In vielen
­Fällen kann die Aufstockung nicht einfach aufgesetzt
werden, da das bestehende Tragwerk und/oder die
Fundamente keine weiteren Lasten übernehmen können.
Dann muss ein Konzept mit zusätzlichen Stützen und
Fundamenten gewählt werden (Abb. 6). In diesen
­Fällen kommen die Qualitäten des Stahlbaus voll zum
Tragen, Dank seinem relativ leichten Gewicht und
dem guten Verhältnis Belastbarkeit/Gewicht.
Muss ein Gebäude statisch verstärkt werden, können
die notwendigen Massnahmen in vier Kategorien
­eingeteilt werden:
1. Absicherung
2. Reparatur
3. Verstärkung
4. Restrukturierung
Sonderlösungen sind oft erforderlich, wenn die beste­
hende Konstruktion keine weiteren Lasten aufneh­
men kann. Dies war der Fall beim Jolly Hotel in
Caserta (Italien), das ursprünglich aus drei Gebäuden
bestand: aus zwei sechsstöckigen Stahlbetonbauten
und einem mittleren dreistöckigen Gebäude aus
­Mauerwerk. Dieses sollte in der Höhe den andern an­gepasst werden. Da der Zustand der gemauerten
­Aus­senwände selbst mit Konsolidierungsarbeiten die
­Aufstockung um drei Etagen nicht zuliess, entschied
man sich für eine Lösung mit Stahl.
1. Vertikale Erweiterung bestehender Bauten
Die Aufstockung von Gebäuden ist eine der geläufigs­
ten Massnahmen zur Verdichtung in Städten. Die
Leichtigkeit und schlanke Abmessung von Stahltrag­
werken erlaubt bei Aufstockungen unter Umständen
7c
8b
7
Einführung
9
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11
Chapelle des Brigittines, Brüssel 1981, Andrea Bruno
a Konzeptskizze
b Sicht auf neue und alte Fassade
Palazzo Carignano, Turin 1992, Andrea Bruno
a Oblicht im Innenhof, der Punkt mit der maximalen
Lastkonzentration fällt mit dem Punkt des Lichteinfalls in das
Untergeschoss zusammen.
b Querschnitt durch den Palazzo Carignano mit dem
unterirdischen Konferenzsaal
Las Arenas, Barcelona 2007, Richard Rogers Partnership
9a
Fünf Portalrahmen, in welche die drei neuen Böden
eingehängt sind, wurden als sichtbare Tragkons­
truktion vor die Fassaden gestellt. Damit hat die Archi­
tektur der Gesamtanlage sehr gewonnen, und es
­entstand ein grosser ästhetischer Mehrwert.
2. Horizontale Erweiterung bestehender Bauten
Bei dieser Art von Erweiterungen handelt es sich um
das Zufügen neuer Volumen vor, neben oder hinter
bestehende Gebäude. Hier spielen eher ästhetische als
bautechnische Aspekte eine grosse Rolle, die unter­
schiedlichen Architektursprachen müssen in Überein­
stimmung gebracht werden. Stahlkonstruktionen
­bieten viel Freiheit und Flexibilität, was die Gebäude­
typologie und Form angeht. Dies verlangt vom Planer
grossen Respekt vor der Authentizität der Konstruk­
tion und der Materialien, aber auch Rücksichtnahme
auf die Geschichte des Gebäudes. Der Architekt
­entscheidet über das Endergebnis.
9b
Ein Beispiel ist die von Andrea Bruno neulich reno­
vierte und erweiterte Chapelle des Brigittines (Abb. 9).
Die im Jahr 1663 erbaute Kapelle steht an einer
­kritischen Stelle in einem in Entstehung begriffenen
Quartier von Brüssel. Zwischen Bahnhof und dem
Marolles-Viertel gelegen, wird sie von einem davor­
stehenden hohen Wohngebäude erdrückt. Dadurch
verliert sie ihre ursprünglihe Monumentalität sowie
ihren historischen und ästhetischen Wert. 1997 wurde
aus der Kapelle ein Zentrum für die Bühnenkunst.
1999 entstand durch das neu ins Leben gerufene
Brüsseler zeitgenössische Kunstzentrum für Bewe­
gung und Stimme das Bedürfnis nach mehr Platz. Es
wurde ein Wettbewerb für eine Erweiterung ausge­
schrieben. Die Idee des Siegerprojektes basiert auf der
poetischen Metapher des Verdoppelns: «Ich bin noch
da – ich verdopple mich».
Die Erweiterung kopiert die Umrisse und die Geometrie der alten Kapelle. Ihr leichtes Traggerüst kontras­
tiert mit der Masse des alten Gebäudes und verstärkt
dessen Identität. Das neue Volumen erscheint wie ein
vereinfachtes Bild der Kirche, da die fundamentalen
konstruktiven Elemente systematisch wiederholt wur­
den. Ein drittes, skulpturales Element zwischen den
beiden fungiert als Bindeglied zwischen der Materia­
lität der alten Fassade und ihrer modernen Negation.
Dieser Zwischenraum ist der Ort, an dem man die
Organisation des Gebäudes ablesen kann. Hier bilden
ein am Dach aufgehängtes Treppenhaus und eine Rei­
he Aufzüge die Vertikalerschliessung für die unter­
schiedlich genutzten sieben Etagen.
Das tragende Skelett besteht aus HEB-Portalrahmen,
die das Achsmass der alten Kirche aufnehmen.
Diese Rahmen tragen die Dach- und Fassadenvergla­
sungen, deren Pfosten in der Konstruktionsstärke
der Aussenhaut verschwinden. Der Boden liegt direkt
auf den aussteifenden Trägern. Damit kann auf eine
Sekundärstruktur verzichtet werden, welche die Flexi­
bilität des Gebäudes verringert hätte. Die Fassadenverkleidung aus Cortenstahl erinnert an die dunkel­
braunen Backsteine und den Naturstein der Kapelle,
ist aber eben ein zeitgenössisches Baumaterial. Eine
grosse Glas­fläche links vom Eingang spiegelt die
benachbarte Kapelle und schafft ein ganz neues Bild.
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10b
Die Verkleidung aus Cortenstahl beginnt an der rech­
ten Ecke und zieht sich rund um das Gebäude. Wie in
einem Spiegel reproduziert sich das Bild des Beste­
henden auf der neuen Fassade, auf deren Metallober­
fläche mehrere Einschnitte ein subtiles Spiel von
Schatten und Lichteffekten bewirken. Das Verdoppeln
stellt die alte K
­ irche in ein neues Bezugssystem, sie
bekommt ein Double. Mit ihrer Zwillingsschwester
verliert sie ihre ursprünglich sakrale Bedeutung gänz­
lich und wird auf ihre pure Form reduziert, auf ein
nützliches und benutzbares Volumen, das die Grund­
lage für eine selbstbewusste Architekturgeste bildet.
3. Sanierung und Einbauten in bestehende Gebäude
Der Hauptgrund für eine Sanierung besteht meist im
Bedürfnis nach der Umnutzung eines Gebäudes.
Strengere Sicherheitsvorschriften und der Wunsch,
mehr Publikum aufnehmen zu können, bedingen oft
eine grundsätzliche Erneuerung der Verkehrswege
und Erschliessungen. Die Erfahrungen beim Ein- oder
Hinzufügen von vertikalen Erschliessungselementen
in bestehende Mauern haben die Vorteile der Stahl­
bauweise bewiesen: die Vorfertigungstechniken,
das geringe Gewicht der Einzelteile, die statische Belastbarkeit sowie die ästhetischen Qualitäten.
konzept ist einfach, aber auch gewagt. Vier starke
Stahlbetonpfeiler in den Ecken eines Rechtecks
von 40 m auf 42 m tragen vier periphere Stahlträger
von 1,50 m Höhe (Abb. 10). Dies sind die einzigen
tragenden Elemente der Deckenplatte, einer StahlBeton Verbundkonstruktion, deren vertikale Achsen
mit vier kreisförmigen Oberlichtern auf der Hofebene übereinstimmen. Der Punkt mit der maximalen Lastkonzentration fällt so mit dem Punkt des
Lichteinfalls in das Untergeschoss zusammen. Hier
sind vier Stahlkugeln mit 60 cm Durchmesser plat­
ziert, als Verbindungs­elemente zwischen den horizon­
talen und vertikalen Tragwerkskomponenten. Sie
unterstreichen die konzeptuelle Vorgehensweise im
Grundriss und dessen Bezug zur geometrischen
Strenge des Barockbaus. Zu den kürzlich realisierten
grossen Umbauprojekten gehören die Las Arenas
in Barcelona von Richard Rogers, wo die Arenafassade erhalten bleibt. Rogers fügt aber neu ein Unter­
geschoss hinzu, um die unterhalb der Arena gelegene
Strasse direkt mit dem bestehenden Gebäude zu ver­
binden (Abb. 11).
11
Ein gutes Beispiel für die Sanierung bestehender
Gbäude ist das Collège des Bernardins das von JeanMichel Wilmotte im Jahr 2008 renoviert wurde. Das
Projekt beinhaltet eine völlig neue Dachkonstruktion
in Stahl, mit welcher der Architekt die ursprüngliche,
gotische Giebelsilhouette übernommen hat. An dieser
Stahlkonstruktion hängen die Böden, die sich ober­
halb des alten Gewölbes befinden (siehe Abb. 7a bis
7c). Das Projekt wird in dieser Publikation auf Seite 30
im Detail vorgestellt.
Der Anbau oder die Eingliederung von Stahlstruktu­
ren und stählernen Treppenhäusern ist eine Thema­
tik, die Andrea Bruno immer wieder aufnahm. So
auch beim umfangreichen Restaurierungs- und Kon­
servierungsprojekt für den Palazzo Carignano. In die­
sem monumentalen Barockpalast im historischen
Kern von Turin entstand ein grosser unterirdischer
Saal für Konferenzen sowie für kulturelle und wissen­
schaftliche Anlässe der Institution. Das Tragwerks­
9
Einführung
a
a
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13
4. Statische Gebäudesicherung
Die Gebäudesicherung ist die erste Stufe der Konsoli­
dierungsarbeiten bei Altbauten. Es handelt sich um
temporäre Vorkehrungen, die angemessene Sicherheit
für das Gebäude und für die Öffentlichkeit garantie­
ren, und zwar während der Übergangsphase, die allen
definitiven Konsolidierungsmassnahmen vorangeht.
Ein Absicherungssystem sollte reversibel sowie
schnell und flexibel einsetzbar sein, auch bei engen
Platzverhältnissen oder an schwer zugänglichen
Orten. Die Haupteinsätze sind folgende:
• Temporäre Sicherung von Fassaden für den Neubau
eines Gebäudes zwischen zwei Altbauten durch
Gerüste oder aufgehängte stabilisierende Raumfach­
werke.
• Fassadensicherung, während der innere Teil eines
Gebäudes abgerissen wird (Auskernung); die
­tragende Funktion kann temporär sein oder Teil der
definitiven Struktur werden (z.B. vertikale Träger
zur Fassadenversteifung).
• Temporäre Fassadensicherung in durch Erdebeben
verursachten Notsituationen mit Stahlgerüsten,
die den Verkehr auf Strassenebene durchlassen.
• Temporäre Überdachung, um den Bauplatz während
der Umbauarbeiten vor Regen, Schnee oder anderen
Wettereinflüssen zu schützen.
5. Permanente Strukturen
Die Eigenschaften von Stahl können von Vorteil sein,
wenn bestehenden Bauten neue tragende Elemente
zugefügt werden. Seiner grossen Belastbarkeit und
seines leichten Gewichts wegen ist Stahl dem Beton
vorzuziehen. Verglichen mit anderen Baumaterialien,
zum Beispiel Holz, hat Stahl eine höhere Lebens­
dauer, was sich langfristig als ökonomischer erweisen kann.
Im Falle des Palazzo Mazzonis in Turin hatte die
Materialwahl formalästhetische Gründe. Da es nicht
möglich war, den Hof mit einem Geschoss für die
neuen Funktionen zu unterkellern, wurde beschlos­
sen, den 11x17 m grossen Hof mit einer verglasten
Stahlskelettkonstruktion zu überspannen. Gleichzeitig
wurde das Innere umgebaut, um dort die Sammlung
des neu gegründeten Museums für Orientale Kunst
unterzubringen. Vier Reihen mit vier kreuzförmigen
10
Stützen tragen ein Gitter aus 20 cm hohen H-ProfilStahlträgern, unter die das Glasdach gehängt ist.
Die schlanken Profile tragen zur Abstraktion der
architektonischen Aussage bei. Die Verschraubung
der Edelstahlelemente wurde bewusst sichtbar gelas­
sen, um die Konstruktionsweise zu zeigen.
Umbauten konfrontieren Planer mit unterschiedlichsten
Situationen. So kann man mit dem Problem konfron­
tiert werden, für ein römisches Amphitheater einen
Zugang schaffen zu müssen, wie es in Tarragona der
Fall war. Hier beschloss Andrea Bruno die mittelalter­
lichen Mauern aufzuschneiden. Ein schmaler Spalt
zwischen Erde und Himmel markiert nun den Punkt,
wo der Besucher durch die unterschiedlichen archä­
ologischen Schichten schreiten kann. Ein 12 m hohes
Tor betont den neuen Durchgang zusätzlich. Der
Stahlrahmen des Türblatts hat einen Kern aus Rohr­
profilen und sechs horizontale Ausleger mit einer
­feinen Bronzeverschalung.
6. Reparatur bestehender Strukturen
Die zweite Stufe der Konsolidierungsarbeiten an bestehenden Bauten ist die Reparatur. Dazu gehört eine
Reihe von Massnahmen zur Wiederherstellung der
ursprünglichen statischen Effizienz. Im Gegensatz zur
Absicherung handelt es sich bei der Reparatur um
einen definitiven Eingriff, der notwendig wird, wenn
Schäden festgestellt wurden, deren Ursache klar
­identifiziert werden konnte. Da die schädigenden Fak­
toren normalerweise über längere Zeit wirken,
er­fordern sie keine sofortige Intervention. Die Repara­
tur ist ein einfaches Mittel zur Wiederherstellung
der statischen Integrität, das genügend Sicherheit bietet,
ohne dass die von Wetter oder Alterung geschädigte
Substanz mit zusätzlichen Elementen verstärkt werden
muss. Für die Reparatur stehen zahlreiche Stahlsyste­
me zur Verfügung, mit denen sich das statische Ver­
halten von Mauerwerk, Stahlbeton und Holzkonstruk­
tionen verbessern lässt. Sie basieren auf technischen
ad hoc Lösungen, die den jeweils spezifischen Anfor­
derungen angepasst sind und zu optimalen Resultaten
führen (Abb. 12 und 13).
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12 /13 Reparatur und/oder Verstärkung einer Betonstütze
mit Stahlelementen
14 Gebäudesicherung
15 Neu hinzugefügte Stahlkonstruktion für Lift und
Treppenhaus, Museum Reina Sofia, Madrid 1990,
Ian Ritchie Architects
16 Verbesserung der Erdbebensicherheit eines
Stahlbetongebäudes in La Gaude (F), Quelle: Engel, Pierre:
Réhabiliter, renforcer, transformer et rénover avec l’acier
Art et technique de rénover les bâtiments avec l’acier.
Paris 2010
7. Verstärkung bestehender Tragwerke
Hier geht es darum, die Statik zu verbessern, um das
Gebäude neuen funktionellen oder ökologischen Erfor­
dernissen anzupassen. Diese Art der Konsolidierungs­
arbeiten schafft keine grundlegenden Veränderungen
innerhalb des statischen Konzepts, sondern integriert
neue Elemente in das Vorhandene, ohne die Masse des
Gebäudes und die Aussteifung wesentlich zu verän­
dern. Im Gegensatz zur einfachen Reparatur können
Verstärkungen in unterschiedlichem Masse erfolgen, je
nach erforderlicher zusätzlicher Belastbarkeit.
Bezüglich Erdbebensicherung können die Verstär­
kungsmassnahmen in zwei Gruppen eingeteilt wer­
den: einfache Verbesserungs- und Anpassungsvorkeh­
rungen sowie Verbesserungen, die für eine erhöhte
Sicherheit notwendig sind. Die Anpassung an die Erd­
bebensicherheit kann auch ein grundlegendes Neu­
überdenken des statischen Konzepts erfordern, mit
einer kompletten Veränderung des seismischen Ver­
haltens. In einem solchen Fall muss die Massnahme
vom konstruktiven Gesichtspunkt aus als Restruktu­
rierungsarbeit angesehen werden (Abb. 16).
Verstärkung ist notwendig wenn:
• Gebäude einer höheren Last standhalten müssen,
was häufig der Fall ist, wenn Umnutzungen zu einer
erhöhten Nutzlast führen.
• bestehende Bauten sich in einer Gegend befinden,
die kürzlich in eine neue Erdebebenrisikozone
­eingestuft wurde, weshalb sie strengeren seismischen
Anforderungen entsprechen müssen.
Erweiterte Erdbebensicherung ist notwendig, wenn:
• eine Aufstockung erfolgt oder bei einer Volumenoder Flächenvergrös­serung.
• die Last durch veränderte Nutzlast erhöht wird.
• Umbauten das statische Konzept grundlegend
verändern.
Die verschiedenen Stufen der Verstärkungsarbeiten,
von der einfachen Verbesserung bis zur Erneuerung,
können mit denselben technischen Systemen aus­
geführt werden wie die Reparatur, sie sind jedoch
weitreichender. Oft werden bei Mauerwerk oder Stahl­
beton Aussteifungssysteme verwendet, um die Erdbeben
15
11
Einführung
17 Renovation des Palazzo Mazzonis, Turin 2008,
Andrea Bruno
18 /19 Konsolidierungsmöglichkeiten für Holzkomponenten
mithilfe von Stahl
20 Verstärkung im Bereich einer Maueröffnung
21 Caixa Forum, Madrid 2008, Herzog & de Meuron
a Bestehendes Gebäude vor dem «chirurgischen Eingriff»
b Aussenansicht nach Fertigstellung
17
sicherheit auf den neuesten Stand zu bringen. Inno­
vative Systeme stützen sich auf «Eccentric Bracing»
(EB), «Buckling Restrained Bracing» (BRB) oder ver­
wenden Schubplatten mit genügender Plastizität.
8. Restrukturierung bestehender Bauten
Die Umnutzung bestehender Gebäude stellt den
­häufigsten Konsolidierungsgrund für Altbauten dar.
Sie führt oft zur teilweisen oder vollständigen Neu­
konzipierung der Erschliessungsfunktionen und der
Volumetrie, unter Umständen gepaart mit weiteren
Eingriffen wie einer radikalen Veränderung des stati­
schen Systems.
Erhalten der Fassaden, Einfügen neuer Funktionen,
Schaffen zusätzlicher Flächen und Entlastungen, dies
sind die vier unterschiedlichen Arten von Restruktu­
rierungs-Massnahmen:
• Erhalten der Fassaden mit teilweiser oder vollstän­
diger Auskernung des Gebäudeinnern und Einfügen
neuer Tragstrukturen.
• Einfügen von neuen Tragstrukturen oder -elemen­
ten in das bestehende Volumen. Zusätzliche Zwi­
schenetagen oder Halbgeschosse werden eingefügt,
um die Nutzfläche innerhalb des bestehenden
Volumens zu erhöhen.
• Erweiterungen durch Vergrösserung des Gebäude­
volumens, um neuen Nutzungsanforderungen zu
entsprechen (Abb. 15).
18
12
19
• Das Entlasten bedeutet im Gegensatz zur Aufsto­
ckung den Abriss von einem oder mehreren oberen
Stockwerken, um die Krafteinwirkungen auf die
Tragstruktur zu verringern. Dies kann auch durch
Substitution erreicht werden, indem gewisse Materi­
alien durch leichtere ersetzt werden. Das Ersetzen
von Böden oder Dachbindern aus Holz durch
schlankere Stahlprofile und Trapezbleche ist sehr
gebräuchlich.
9. Statische Konsolidierung mit Stahl
Das Umbauen bestehender Gebäude und ihre Inte­
gration in neue Ensembles, klar erkennbar und rever­
sibel, stellt eine der häufigsten Aufgaben dar. Die
Stahlbauweise besitzt das notwendige Potenzial für die
geforderte Reversibilität der Massnahmen und lässt
sich besonders gut mit historischen Materialien
­kombinieren, was zu harmonisch integrierten Trag­
systemen führt.
Beschädigte Pfeiler aus Mauerwerk werden üblicher­
weise durch Stahlringe repariert (Abb. 12). Der seit­
liche Gegendruck, der durch die Stahlverstärkungen
ausgeübt wird, erhöht die vertikale Tragfähigkeit
beträchtlich. Im Fall von runden Stützen bestehen die
Verstärkungen aus vertikalen, rechteckigen Stangen,
die mit horizontalen Stahlringen gegen die Stützen
gedrückt werden. Früher wurde die Vorspannung
durch das Erhitzen der Ringe erreicht, die sich beim
20
steeldoc 03+04/10
21a
Kühlungsprozess zusammenziehen und einen radi­
alen Druck auf die Stütze ausüben. Heute werden die
Ringe mit einem Schraubsystem präzise vorgespannt.
Im Fall von quadratischen oder rechteckigen Pfeilern
werden Winkelprofile als vertikale Elemente an den
Ecken verwendet. Diese können auf unterschiedliche
Art miteinander verbunden werden: mit verschweiss­
ten Platten, mit U-Profilen oder durch horizontale, der
Stütze angepasste Ringe. Eine weitere Möglichkeit
besteht im Anbringen von vertikalen und horizontalen
Walzstahlprofilen, die mit einem äusseren Rahmen
miteinander verbunden werden. Dieser U-förmige
Rahmen, zusammengesetzt aus Winkel- oder Flach­
eisen und vorgespannt, bildet ein wirkungsvolles inte­
griertes statisches Element, das die Druckfestigkeit
der Stütze erhöht.
Muss ein bedeutender Teil der Lasten, die auf eine
Mauer wirken, auf eine neue Stahlstruktur übertragen
werden, können die neuen Stahlstützen in Mauer­
schlitze eingeführt oder einfach mit dem Mauerwerk
verbunden werden. Im Falle von Maueröffnungen
wird die verloren gegangene tragende Funktion mit
Verstärkungsrahmen, die in die Öffnung eingesetzt
wurden, kompensiert (Abb. 20). Gemauerte Bögen und
Gewölbe können ebenfalls mit Hilfe von Stahl ver­
stärkt werden. In alten Gebäuden sind die Balkenenden
jeweils in den Mauern eingelassen. Oft müssen die
Balken beim Auflager verstärkt werden wegen Fäulnis
oder Insektenbefall. Für die Verbesserung der Biege­
festigkeit von Holzbalken stehen viele Systeme zur Verfügung. Es gibt zwei hauptsächliche Vorgehensweisen,
abhängig davon, ob die Balken von der Unterseite
oder von der Oberseite her zugänglich sind. Im ersten
Fall wird Stahl auf verschiedene Weise an der Unter­
seite angebracht, in Form einer einfachen Platte oder
mit warm- oder kaltgewalzten Profilen, die der Situa­
tion entsprechend angefertigt wurden (Abb. 18).
Muss die Unterseite des Balkens aus historischem
Interesse konserviert werden, wird von der Oberseite
her verstärkt. In beiden Fällen ist das Endresultat ein
Holz-Stahl Verbundsystem, das die Tragfähigkeit und
Steifigkeit der ursprünglichen Konstruktion erhöht.
Auf jeden Fall muss der Verbund zwischen dem alten
und neuen Material durch angemessene Systeme
b
gewährleistet sein, dies kann von der einfachen Anker­
schraube bis zu den raffiniertesten Verbundbolzen
reichen. Holzbinder halten nicht ewig und können im
Laufe der Zeit zerfallen. Oft können sie durch Stahl­
platten an den Verbindungspunkten oder längs der
Balken repariert werden. Häufig erweist sich diese Art
von Reparatur als umständlich, und die beste Lösung
ist das Ersetzen des gesamten Holztragwerks durch
eine neue Dachkonstruktion aus Stahlprofilen (Abb. 7).
Die Verstärkung oder Reparatur von Träger-StützenVerbindungen aus Stahlbeton wird meistens durch
das Anbringen von Stahlwinkeln und -platten an der
Verbindungsstelle erreicht. Die Stahlteile werden vor
Ort verschweisst, manchmal sogar mit der Beton­
fläche verklebt. Die Abmessungen und die Anzahl der
zugefügten Teile hängen von der gewünschten Erhö­
hung der Schubfestigkeit und Biegekapazität ab.
Dasselbe System wird zur Verstärkung von Hourdis­
decken angewendet. Diese lassen sich mit folgenden
Methoden verstärken:
• Anbringen von Stahlplatten auf der Unterseite
der Träger, ohne die Armierung zu unterbrechen.
• Individuelle Verstärkung der Träger durch
Stahl­profile.
• Verstärkung durch zusätzliche H-Profile zwischen
den Betonträgern.
• Verstärkung durch H Profile in Form paralleler
­Träger unter den einzelnen Betonbalken.
Die Widerstandskraft von Stahlbetonkonstruktionen
gegenüber Horizontalbelastungen wird mit Ausstei­
fungselementen aus Stahl innerhalb des Tragwer­
krasters verbessert. Soll eine Mauer Schub aufnehmen
oder eine Windversteifung in Form eines Verbund­
systems geschaffen werden, erreicht man dies durch
Aussteifungen in Stahl innerhalb des Betontragwerk­
systems. Der Verbund zwischen den beiden Materia­
lien geschieht mit klassischen Verbindungstechniken
oder indem die diagonalen Stahlstäbe mit einem
äusseren Rahmen verbunden werden. Diese einfache
Lösung hat den Vorteil, dass bei entsprechend
­geeigneten Aussteifungsmethoden Öffnungen wie
Türen und Fenster möglich sind.
13
Einführung
22a
b
10. Neugestaltung von Gebäudehüllen
Bei Renovationsprojekten muss sich der Planer
immer überlegen, in welchem Verhältnis Alt und Neu
zueinander stehen sollen. Es gibt keine endgültigen
Regeln für diesen Aspekt, denn jeder Fall ist unter­
schiedlich. Es ist jedoch empfehlenswert, den zeitge­
nössischen Eingriff klar erkennbar zu gestalten,
er sollte seine eigene architektonische Berechtigung
haben. Als Hülle verwendet, kann Stahl interessant
sein. Dünne Stahlbleche können in der Werkstatt prä­
zise ausgeschnitten und dann auf die Baustelle gelie­
fert werden.
22c
Die problemlose Montage der Stahlbleche und wenn
nötig auch die einfache Demontage sprechen eben­
falls für dieses Material. Ausserdem sind solche Ver­
kleidungen als zeitgenössische Elemente erkennbar.
Dass Cortenstahl heute bei Umbauprojekten so
beliebt ist, hat mit seinem natürlichen Erscheinungs­
bild zu tun. Dasselbe galt früher für Kupfer. Materia­
lien wie Zink, Marmor, Stein und Backstein sind
Grund-Baumaterialien, an ihnen lässt sich der Verlauf
der Zeit ablesen. Sie verdienen deshalb eine sorgfältig
überlegte Anwendung und Einsatzweise.
Die Tore zum Castello di Rivoli, die Türen in der
Stadtmauer von Tarragona und der Haupteingang
zum Palazzo Mazzonis sind alle mit Stahl verkleidet.
Diese Projekte entstanden in einer Zeitspanne von
fünfundzwanzig Jahren, während der sich die Laser­
technik zum Schneiden und Perforieren von Metall
bedeutend entwickelt hat. Die Idee bleibt jedoch die­
selbe: Ob es sich um Kupfer, Bronze oder natürlich
oxidierten Stahl handelt, es ist immer das Detail, das
für die Einzigartigkeit ausschlaggebend ist, auch
wenn die neuesten Technologien benutzt werden. Die
neue Nutzung des Gebäudes wird bereits am Eingang
sichtbar, ein Signal an den Besucher, dass sich im
«Leben» des alten Gebäudes etwas geändert hat. Die
Fassadenverkleidung in Stahl ist für diesen Zweck
sehr geeignet.
11. Architektonische, übergestülpte Stahlfassaden
Stahl, in allen seinen unterschiedlichen Formen und
Ausführungen, bietet dem Entwerfer eine breite Palette
an Umhüllungsmöglichkeiten, wie ein Projekt von
14
steeldoc 03+04/10
22
23
Kultur- und Kommunikationsministerium, Paris 2005, Francis Soler
a Detailansicht der Fassadenplatten aus Edelstahl
b Eines der Netzelemente
c Ansicht nach Fertigstellung der Fassaden
Erweiterung Theater 11 in Zürich-Oerlikon, 2006, EM2N Architekten
23
Francis Soler im Quartier des Palais Royal in Paris
zeigt. Um zwei Gebäude aus unterschiedlichen
Epochen, in denen das Kulturministerium untergebracht werden sollte, zu vereinen, entwarf Francis
Soler ein einheitliches Netz aus Edelstahl, das alle
Fassaden an der Peripherie des «îlot des Bons Enfants»
überzieht (Abb. 22). Als letzter Schritt einer tiefgreifenden Sanierung illustriert diese Geste eine weitere
Facette der Benutzung von Stahl zur Fassadenrenovierung.
Diese «Glättungs»-Massnahme und die generell neue
Sprache verleihen dem Ganzen einen homogenen
architektonischen Ausdruck. Francis Soler äussert
sich dazu folgendermassen: «Alles Licht, das in das
Gebäude fällt, wird durch das Fassadennetz zerschnit­
ten und geformt. Es fällt auf den Kunstharzboden,
dessen Haselnussfarbe einem Sandbett gleicht. Die
Oberfläche – transparent und gleichmässig – ist
reflektierend und lenkt das Licht weit in die Korridore,
die vollständig mit himbeerfarbenen Teppichmatten
belegt sind.» Die Netzelemente aus Edelstahl wurden
mit dem Laser aus 3020 x 3800 mm grossen und 12
mm starken Platten ausgeschnitten und dann in
­aussteifende Rahmen geschweisst. Sie haben einen
Perforationsgrad von 60 Prozent, ein durchschnittliches
Gewicht von 30 kg/m² und beruhen auf sechs digital
verformten Motiven, die von den Fresken von Giulio
Romano inspiriert sind.
Das Edelstahlnetz wird von Gelenkkonsolen gehalten,
die mit Ankern mit der alten Steinfassade verbunden
sind. Sie sind Teil eines einfachen aber zweckmässi­
gen dreieckigen Tragsystems, das nur die Zug- und
Schubkräfte an das alte Gebäude überträgt. Dank den
Qualitäten des Edelstahls ist die Fassade sehr dauer­
haft und benötigt nur wenig Unterhalt. Das SatinFinish des Edelstahls verleiht ihr ein ständig wech­
selndes Erscheinungsbild, da Farben und Reflektionen
von der jeweiligen Tönung des Himmels und der
Lichtintensität abhängen (Abb. 22).
oder ungenügende Wärmedämmung sind Ursachen,
die diese Investitionen bereits rechtfertigen. Eine solche
neue Ummantelung erfordert eine architektonische
Neudefinition der Fassade sowie Überlegungen zu den
thermischen, statischen und konstruktionstechni­
schen Problemen. Die neue Aussenhaut wird mit ver­
zinkten Z-Profil Stahlpfetten auf die alte Fassade
befestigt. Im Falle eines ebenen Untergrundes können
Dübel und Keile verwendet werden, bei grösseren
Abweichungen von der Senkrechten werden regulier­
bare Pfetten benutzt. Bereiche wie Gewände, Fenster­
stürze und andere Öffnungen erfordern eine sorg­
fältige Planung der Wärmedämmung und Dampfsperre,
damit diese nicht zu einem Schwachpunkt der Fas­
sade werden. Es stehen ganz unterschiedliche Dämm­
materialien zur Verfügung. Steinwolle und expan­
diertes oder extrudiertes Polystyrol können mit Schrauben und breiten Unterlagsscheiben direkt auf der
Fassade fixiert werden. Im Gegensatz zur Mineralwolle
haben Letztere den Vorteil, sich nicht zu verschieben
und wasserabstossend zu sein.
Auslöser für die Fassaderenovierung ist häufig eine
tiefgreifende interne Neustrukturierung, die dann mit
einer neuen isolierenden Haut ergänzt wird, um die
Wärmedämmung wesentlich zu verbessern. Die bei­
den meistbenutzten Techniken sind das Anbringen
einer neuen Aussenhaut auf justierbare Pfetten, um
einen Zwischenraum für Isolationsmaterial zu erhalten,
oder das Montieren von isolierten Sandwichelemen­
ten durch verzinkte Stahlabstandhalter direkt auf den
Rohbau. Ein gutes Beispiel für diese Art der Sanie­
rung ist das Theater 11 in Zürich-Oerlikon (Abb. 23),
das in dieser Ausgabe im Detail vorgestellt wird.
12. Wärmedämmende Fassaden für Altbauten
Das Anbringen einer zusätzlichen Hülle an eine exis­
tierende Fassade kann ästhetische oder technische
Gründe haben. Probleme mit der Gebäudeabdichtung
15
Einführung
24
25
13. Dachrenovationen mit Stahl
Mit der Errichtung des Chrysler-Buildings in den
zwanziger Jahren wurde der Edelstahl als Material
für den Bau von Dächern und Fassaden sozusagen
geadelt. Edelstahl für Dächer ist aus 5 oder 7/10 mm
starken Blechen gefertigt, und wird geformt und
geschweisst analog anderen Dacheindeckungsmateri­
alen wie Zink oder Kupfer. Mit seiner Dichte, die sich
kaum von jener traditioneller Materialien unterschei­
det, ist Edelstahl stabiler und hat einen niedrigeren
Wärmeausdehnungskoeffizienten. Diese vorteilhaften
Eigenschaften erklären die längere Lebensdauer im
Vergleich zu anderen gängigen Dach- und Fassaden­
produkten. Mit seinem hohen Steifigkeitsmodul kann
es auch zu Profilblechen verarbeitet werden. Die Trapez­
bleche haben den Vorteil, sehr steif zu sein, sodass
sie Pfettenabstände von bis zu 2,5 Metern überspannen
können und deshalb keine zusätzliche Lattung benö­
tigen (Abb. 24).
Leisten- oder Stehfalzdächer aus Edelstahl werden
mit speziellen Befestigungen in traditioneller Weise
von Dachdeckern montiert und sind die bevorzugte
Alternative zu Zinkdächern. Die Sanierung von konven­
tionellen Ziegel- oder Schieferdächern durch eine
Neuein­deckung mit Edelstahlwellblechen hat mehrere
Vorteile. Man kann die ursprünglichen Tragelemente
wie Sparren und Pfetten beibehalten und gegebenen­
falls schiften. Das Eigengewicht eines solchen Daches
(80 N/m²) ist meist geringer. Edelstahlwellbleche
­existieren in Längen bis zu 12 Metern. Sie eignen sich
für den Bau von undurchlässigen Dächern und wir­
ken farblich ähnlich wie Zink, formal wie ein Leisten­
dach. Der mögliche Einbau einer zusätzlichen Wärme­
dämmung, deren Stärke auf die Konstruktion abgestimmt
werden kann, ist ein weiterer Trumpf dieser Art von
Renovierung.
was zu entsprechenden Betriebsverlusten führt. Eine
Möglichkeit besteht darin, das Dach mit einer Schicht
aus lackiertem Stahlblech zu überdachen und dabei
die Gelegenheit zu nutzen, eine Isolationsschicht zwi­
schen dem alten und neuen Dach einzubauen. Dies
garantiert eine Dämmung, die den neueren, verschärf­
ten Vorschriften entspricht – Vorschriften, die in den
meisten Ländern zum Energiesparen aus finanziellen
und ökologischen Gründen verschärft wurden (Abb.
24 und 25).
15. Renovationen mit neuen Verglasungen
Historische Gebäude verfügen häufig über aussenlie­
gende Aussenflächen wie Patios oder Innenhöfe.
Sowohl der Mangel an zur Verfügung stehender Nutz­
fläche als auch die Unmöglichkeit solche Gebäude
mit zusätzlichen Anbauten oder Aufstockungen zu erweitern, zwingen den Planer zu erfindungsreichen
Lösungen, mit denen er sich solche Bereiche zu Nutze
macht.
Anders als komplizierte Unterfangungen oder neue
Unterkellerungen, ist das Überdachen mit Glas von
ungenutzten Aussenräumen eine einfache Methode
zusätzliche Bodenfläche zu gewinnen. Da stellt die
Montage solcher Dächer bei Weitem die einfachste
Variante dar. Die Urform davon sind sicher die alten
gedeckten Passagen in Paris, typisch für die Archi­
tektur des 19. Jahrhunderts, ermöglichen sie den
Lichteinfall und schützen gleichzeitig vor schlechtem
Wetter. An Beispielen mangelt es nicht – Hotelpatios,
Receptions, Lobbies in Bürogebäuden. Die Berühm­
testen sind wohl in Museen wie dem Louvre und seinen
Puget-, Marl- und Khorsabad-Höfen vom Architekten
Ieoh Ming Pei zu sehen oder im Britischen Museum
in London von Norman Foster, im Hamburgmusem von
den Deutschen Architekten Volkwin Marg und Mein­
hart von Gerkan zu sehen (Abb. 26).
14. Überdachungen aus farbbeschichtetem Stahl
Die Sanierung von Asbestzement-Dächern ist immer
eine heikle Angelegenheit. Auf der einen Seite beste­
hen Regeln und Richtlinien, welche die Entsorgung
von Asbest in speziellen Einrichtungen erfordert. Auf
der anderen Seite, von den Kosten und speziellen
Massnahmen einmal abgesehen, kann während der
Asbestentfernung das Gebäude nicht benutzt werden,
16
steeldoc 03+04/10
26a
26b
24
25
26
Dacheindeckung eines konventionellen Dachs mit
Edelstahl-Wellblechplatten
Detailansicht eines neuen Dachaufbaus über
Asbestzementplatten
Museum für Hamburgische Geschichte, Hamburg 1989,
von Gerkan, Marg und Partner
a Glasdach
b Schnitt
c Gitterstruktur aus Flachstäben
26c
Quellen und Nachweise
Dieser Beitrag ist eine überarbeitete, gekürzte und übersetzte
Fassung des Beitrages «Steel and Refurbishment» in «Featuring
Steel», ArcelorMittal und Detail, Institut für internationale
­A rchitektur-Dokumentation, München, 2009. Mit freundlicher
­G enehmigung des Verlages. Ins Deutsche übersetzt aus dem
französischen Originaltext von Virginia Rabitsch.
Bildnachweis
1 Christophe Nouri, Boutigny-sr-Essonne; 3, 4, 13, 24, 25:
Pierre Engel, Paris; 7b, 7c ff.: Géraldine Bruneel, Paris; 9b:
Christophe Urbain; 23: Hannes Henz, Zürich
Referenzen
1 Créer dans la crée, Milan-Paris 1986
2 Engel, Pierre : Réhabiliter, renforcer, transformer et rénover
avec l’acier, Art et technique de rénover les bâtiments avec
l’acier, Paris 2010
3 World Commission on Environmental and Development (WCED):
Our common future (Brundtland Report). Suffolk 1987
17
Theater 11, Zürich
Theater 11
Mst: 1:?
Skulpturale Stahlkiste
Bauherrschaft
MCH Messe Schweiz AG
Architekten
EM2N, Zürich
Ingenieure
Aerni + Aerni, Zürich
Baujahr
2007
Das Theater 11 ist der kulturelle Anziehungspunkt eines neuen, urbanen Stadtquartiers von Zürich. Aus dem zu klein gewordenen Stadthof aus den 50er-Jahren
ist ein mysteriös leuchtender Kulturtempel geworden, der überraschende Einund Ausblicke gewährt.
Zürich Oerlikon ist ein ehemaliges Industriequartier.
Hier produzierte Oerlikon-Bührle bis Ende des Jahr­
tausends Maschinen und Rüstung. Seither ist die
ehemalige Aussengemeinde zu einem gut erschlosse­
nen und aufstrebenden Teil der Stadt Zürich gewor­
den. Der ehemalige Stadthof von Oerlikon wurde im
Zuge dieser Modernisierung zu einem Musicaltheater
für ein zahlreiches Publikum umgebaut. In promi­
nenter Lage gegenüber der Messe und dem Hallen­
Situation
stadion gelegen, tritt der Baukörper durch die geschaf­
fene Vergrösserung, Materialität und Präsenz in
eine angemessene Beziehung zu seinen übergrossen
Nachbarn und dem regen Strassenverkehr. 500 neue
Bühnenplätze, mehr Foyerfläche und moderne Bühnen­
technik erforderten eine radikale Umformung des
bestehenden Altbaus. Im Grunde blieben nur der
Bühnenturm und das Untergeschoss stehen. Eine neue
Raumschicht faltet sich um den freigestellten und
Licht und Schatten spielen mit
der Vielschichtigkeit der Fassade. Die Hülle wirkt fast wie
ein leichter, transparenter
Stoff.
18
steeldoc 03+04/10
Die Stahlfassade zieht sich
wie ein Overall über das
gesamte Volumen. Die perforierten Trapezbleche lassen
Licht durch die dahinterliegenden Öffnungen.
­ ergrösserten Saal- und Bühnenkörper. Die dunkel­
v
graue Haut aus perforiertem Stahltrapezblech umhüllt
das gesamte Gebäude und formt sich in polygonalen
Zügen zu einer kantigen Skulptur. Die Fassade setzt
mit einer kühnen Steigung in die Höhe ein selbstbe­
wusstes, städtebauliches Zeichen. Diese Geste mündet
in einer Aufwerfung der Bodenlinie zu einer Öffnung
in der Gebäudeecke, die so den markanten Haupt­
eingang schafft. Der dreieckige Einschnitt wirkt wie
ein Sog ins Gebäudeinnere.
500 zusätzliche Zuschauerplätze wurden mit dem Umbau
geschaffen. Das Fassungsvermögen des Theaters wurde
um 50 Prozent erhöht.
Charismatische Gucklöcher
Wenige grossformatige und quadratische Fenster
durchstossen in breiten, in heller Farbe abgesetzten
Umrahmungen die Lochblechhülle. Sie geben Ein­
blick in das Haus, aber durch ihre unterschiedliche
Grösse und versetzte Anordnung lassen sie keinen
Auf­schluss über die Anzahl der Geschosse zu. Viele
­kleine hinter der Fassade verborgene Öffnungen zeich­
nen sich tagsüber nur schemenhaft ab, schimmern
aber nachts geheimnisvoll mit der roten Theaterbe­
schriftung um die Wette.
Die raue, industriell geprägte Ästhetik zeigt sich im
Inneren in der sichtbar belassenen Rohbaufläche der
Aussenhaut, der unverhüllten Haustechnik und dem
19
eater 11
t: 1:750
Theater 11
Mst: 1:750
N?
Die überhöhte Gebäudeecke
lässt das Theater perspektivisch grösser erscheinen, als
es ist. Fenster verschiedener
Grösse lassen die Massstäblichkeit schwinden.
Mst: 1
Mst: 1
Mst: 1
Grundrisse EG und OG, M 1:750
20
steeldoc 03+04/10
Schnitt, M 1:750
Im Innern setzt klassisches
Theater-Rot den farblichen
Schwerpunkt. Die übrigen Flächen sind praktisch im Roh­
zustand.
Ortbetonboden. Nur die Sessel und der rote Teppich­
boden setzen einen kräftigen Farbakzent im sonst
dunkel gehaltenen Saal.
Struktur aus Alt und Neu
Vom bestehenden Altbau wurde im Prinzip nur der
Bühnenturm und die Bühne erhalten. Der Stahlbau
inklusive der bestehenden Bauten und der neuen
Betonwände wurde in einem 3D-CAD Stahlbaupro­
gramm geplant. Dies erlaubte die millimetergenaue
Montage der Dachstruktur aus Stahl und der Treppen­
anlagen. Die Saaldecke überspannen 25 Meter lange,
1 Meter hohe Blechträger. Darüber liegen als Sekun­
därträger kleinere Profile und der übliche Dachauf­
bau, wobei sich das Trapezblech der Fassade auch im
Dachbereich fortsetzt. Auch die gesamte Dachhaut der
umliegenden Foyerzonen liegt auf einem Stahltrag­
werk auf, das die Sekundärschicht aus Trapezblech
von innen sichtbar lässt. Dachluken bringen Licht
und Luft ins Innere, während die Fassadenfenster ver­
schiedene Ausblicke gewähren.
Die 25 m quergespannten Stahlfachwerke im Innen­
bereich leiten die Nutzlast des Zuschauerbalkons in
die Betonwände ein. Das übrige Bauwerk aus Wänden
und Decken ist ein Stahlbetontragwerk auf einer
Pfahlfundation. Das Dach des Bühnenturmes bilden
vorgespannte, vorfabrizierte Träger mit Überbeton. Im
Bühnenturm wurde zur Verstärkung der Statik eine
zusätzliche Stahlebene eingezogen. Der Foyerbereich
wird durch Flachdecken auf Stützen gebildet. Im Res­
taurantbereich besteht das Tragwerk aus Flachde­
cken, Stützen, Scheiben und Unterzügen, welche die
stark variierende Geometrie der Geschosse ermögli­
chen. Die Untergeschosse wirken durch die vielen
Betonwände als steifer Kasten, welche die Lasten in
die Pfahlfundation einleiten.
Mst: 1:
Mst: 1:
Mst: 1:
Mst: 1:
Mst: 1:
Mst: 1:
Mst: 1:
Mst: 1:
21
Theater 11, Zürich
7
11
10
9
12
7
8
13
14
1
15
16
2
4
5
6
3
22
Detailschnitt, M 1:20
1
2
3
4
5
6
7
8
Wandaufbau
Trapezblech perforiert 45 mm
Z-Profile Aluminium 40/45 mm
Trapezblech 45 mm
Wärmedämmung Mineralwolle 160 mm
Beton 300 mm
Verkleidung Sonnenschutz Aluminium,
einbrennlackiert 3 mm
Betonsockel 200 mm
Stahlhohlprofil 100/60 mm
Bodenaufbau
Beton beschichtet 300 mm
Akustikdämmplatte Holzwolle, zementgebunden 30 mm
Bodenaufbau
Beton beschichtet 300 mm
Hartschaum 80 mm
Lochblech Aluminium, einbrennlackiert 2 mm
Kastenrinne Blech 0,8 mm
9
10
11
Lüftungsklappe motorisch betrieben
Steildachaufbau
Trapezblech perforiert 45 mm
Z-Profile Aluminium 110/110 mm
Trapezblech 45 mm
Hinterlüftung 50 mm
Unterdachbahn
Wärmedämmung Mineralwolle 160 mm
Dampfbremse
Trapezblech 80 mm, Stege perforiert
Dachaufbau
Substrat für extensive Begrünung 50 mm
Folie Wurzelschutz
Wasserisolation
Wärmedämmung Mineralwolle 160 mm
Dampfbremse
Gipsfaserplatte 15 mm
Trapezblech 105 mm, Stege perforiert
steeldoc 03+04/10
Neue Umhüllung
Die allseitige Umhüllung des Bauvolumens ist eine
mehrschichtige, teilweise transluzide Stahlstruktur.
Das Trapezblech ist im Bereich der dahinterliegenden
Öffnungen perforiert, so das Licht einfällt. Dieser
Overall umhüllt den Baukörper, wobei Wand- und
Dachflächen praktisch gleich behandelt werden.
Die Stahlhaut wird nur von wenigen, präzise gesetz­
ten «Schaufenstern» und von der Eingangsverglasung
durchbrochen. Direkt auf das Blech aufgespritzte,
grossformatige Beschriftungen sowie temporäre
Grossplakate verstärken die Präsenz des Theaters im
öffentlichen Raum. Die Fluchttreppen aus Stahl pas­
sen sich mit den Lochblechverkleidungen der Gelän­
der nahtlos in die transluzide Struktur des Gesamt­
bauwerkes ein.
Analog zum Hallenstadion erhält das Theater damit
zwei Gesichter: am Tag wirkt es eher geheimnisvoll
verschlossen, während in der Nacht eine glitzernde
und festliche Stimmung entsteht. Eine gewisse eroti­
sche Ausstrahlung wird dabei durchaus gesucht,
soll doch beim Publikum eine Erwartungshaltung auf
ein nicht alltägliches Erlebnis geweckt werden. (ef)
Ort Theater 11, Thurgauerstrasse 7, Zürich
Bauherrschaft MCH Messe Schweiz (Zürich) AG
Architekten EM2N, Zürich; Mathias Müller, Daniel Niggli;
Projektleiter: Christof Zollinger, Verena Lindenmayer
Bauingenieure Aerni + Aerni, Zürich
Generalunternehmung Bauengineering.com, Zürich
Baurealisation b+p Baurealisation, Zürich
Bühnenstatik Nüssli, Huttwilen; Planungsgruppe AB, Leutwil
Brandschutz Hautle Anderegg + Partner, Bern
Stahlbau Tuchschmid AG, Frauenfeld
Daten Stahlbau Stahlgewicht 210 t, 6 200 Einzelteile,
4 600 Schrauben
Trapezblech Montana Bausysteme AG, Villmergen
Montagebau K&K Fassaden AG, St. Gallen
Raumprogramm 1535 Plätze, Restaurant 120 Plätze
Grösse 9 188 m 2 Nutzung, 15 825 m 3 Volumen
Kosten PKP 1–9 CHF 27,2 Mio.
Daten Wettbewerb 2003; Planung 2003–2005; Fertigstellung
10.2006; Eröffnung 2007
23
Caixa Forum, Madrid
Wohlgeformte Raumerweiterung
Bauherrschaft
Fundación «La Caixa», Madrid
Architekten
Herzog & de Meuron, Basel
Ingenieure
WGG Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel
Baujahr
2008
Auf den Mauern eines ehemaligen Elektrizitätswerkes im Stadtgebiet Madrids
sitzt stolz wie die Coiffure einer älteren Dame eine Kunsthalle aus Stahl. Der
­körperhafte Aufbau spiegelt die vielgestalte Dachlandschaft des Quartiers, das
mittlerweile ein Magnet für die Kunstszene geworden ist.
Das Caixa Forum liegt in privilegierter Lage am Paseo
del Prado, vis à vis des Botanischen Gartens. Dieser
Ort der Kunst ist an einer Stelle entstanden, wo einst ein
völlig unspektakuläres enges Gassengeviert die Bau­
ten eines Elektrizitätswerks und einer Tankstelle
beherbergte. Die denkmalgeschützte Backsteinhülle
des Elektrizitätswerks zeugt von einem alten, ver­
gangenen Madrid der frühen Industriezeit, während
die Tankstelle als reiner Zweckbau hier deplaziert war.
Die Tankstelle wurde abgebrochen, so dass zwischen
dem Paseo del Prado und dem zum Caixa Forum
umgestalteten Elektrizitätswerk ein kleiner Platz ent­
stand, der Passanten anzieht und das Forum mit der
Museumsmeile verbindet. Eine der seitlichen Haus­
wände ist von oben bis unten bepflanzt und wird
ständig bewässert – ein Werk des französischen Bota­
nikers und Fassaden-Künstlers Patrick Blanc.
Spektakuläre Transformation
Das einzige noch verwendbare Material des alten
Elektrizitätswerks war seine denkmalgeschützte
Backsteinhülle. Gleichsam mit einem chirurgischen
Eingriff wurden zunächst der Sockel und die anderen
nicht mehr gebrauchten Teile des Bauwerks abge­
trennt und entfernt. Eine Betonkonstruktion stabilisiert
Der Sockel des Altbaus wurde
komplett entfernt und die Decke vonoben abgehängt – die
Unterkonstruktion skulptural
verkleidet.
24
steeldoc 03+04/10
das ganze Gebäude und festigt die bröckelnde Back­
steinschale. Darunter entsteht ein freier von mehreren
Seiten zugänglicher Raum, eine Art eine Fortsetzung
des Vorplatzes bis in das Innere des Gebäudes. Hier
eröffnen sich dem Besucher zwei Welten, eine unterir­
dische und eine oberirdische. Die Unterwelt beher­
bergt ein Theater und Auditorium, Nebenräume und
einige Autoabstellplätze. Im oberen Baukörper sind
auf mehreren Etagen Ausstellungsräume, sowie
zuoberst Administration und ein Restaurant unterge­
bracht. Eine mit zunehmender Höhe sich erweiternde
Treppenspirale durchdringt das Gebäude und bringt
Licht bis in die Untergeschosse.
Mehr Raum für Kunst und
Kultur: vor dem Caixa Forum
ist ein kleiner Platz entstanden. Die angrenzende Brandmauer wurde für einen vertikalen Garten genutzt.
Schwebender Block
Das primäre Gebäudetragwerk besteht aus zwei
Haupt­tragelementen: drei Erschliessungskerne aus
Stahl­beton und eine sich um diese Kerne windende
und alles zusammenbindende Umfassungswand.
25
a
a
Caixa Forum, Madrid
b
b
a
a
b
Grundrisse 4. OG, EG und UG, M 1:1500
b
a
a
b
Im Bereich des Dachgeschosses sind die Stahlplatten mit
einem Muster perforiert, das
wie eine Schablone ein magisches Spiel von Licht und
Schatten im Inneren bewirkt.
26
steeldoc 03+04/10
Die drei Erschliessungskerne bilden ein Dreibein, das
alle vertikalen und horizontalen Lasten in den Bau­
grund abträgt. Die Umfassungswand trägt die Fassadenund die Gebäudelasten sowie die aufgesetzte, zwei­
geschossige Stahlkonstruktion. Zusammen mit zwei
zueinander parallel verlaufenden Innenwänden bildet
sie eine Abfangkonstruktion, die sämtliche Gebäude­
lasten auf das erwähnte Dreibein überträgt. Damit
werden grossflächige Ausstellungsräume ermöglicht.
Das alte Backsteingebäude wurde komplett ausgekernt und die Fensteröffnungen zugemauert. Die bestehende Mauerwerksfassade ist mit einer innenliegenden Umfassungswand stabilisiert. Um die Stützen­
losigkeit des Eingangsgeschosses zu erreichen, wurde
der Betonboden mittels punktuellen Hängestützen
mit sternförmigen Tellern aufgehängt und an der Ver­
bunddecke über dem ersten Obergeschoss befestigt.
Man kann sich diese Aufhänger als umgekehrte
Regenschirme vorstellen, die Schirme aus zugeschnittenen Stahlträgern bilden die stark facettierte Unter­
decke der Plaza.
Für die Decken der Obergeschosse wurden Verbund­
decken eingesetzt aus Blechträgern mit darüber
­liegenden Profilblechen und einem eingegossenen
Betonüberzug gefertigt. Die Beleuchtung und Ent­
lüftung der Ausstellungsräume ist in das Stahltragwerk
integriert, so dass Konstruktionshöhe gespart wurde.
Mikrostruktur von Rost
Die festungsartige Aufstockung setzt sich kantig vom
Bestand ab und springt in Teilen vor- und zurück.
Voroxidierte Stahlplatten verleihen dem Gebäude sein
besonderes Gesicht. Im Bereich des Dachgeschosses
sind die Stahlplatten mit einem Muster perforiert, das
an Mikrostrukturen von Rost angelehnt ist und wie
eine Schablone ein magisches Spiel von Licht und
Schatten im Inneren bewirkt. Dahinter verbergen sich
ein Cafe und Verwaltungsräume. Nischen und Schra­
gen beleben die Flächen und nehmen Bezug auf
die umgebende Dachlandschaft. Ein vertikaler Garten
überzieht die Brandmauer eines Nachbargebäudes
und begleitet das farblich strengen Ensembles mit sei­
ner pelzigen Oberfläche und farbigen Vielfalt. (ef)
Schnitt aa, M 1:1500
Schnitt bb, M 1:1500
27
Caixa Forum, Madrid
Detailschnitt c– c, M 1:10
1
2
3
4
5
6
7
8
Verkleidung Gusseisen-Platten perforiert,
voroxidiert 1 000/1 000/9 –11 mm
Hinterlüftung
Stahlblech gefalzt schwarz 0,8 mm
Abdichtung
Wärmedämmung Mineralwolle 50 mm
Akustikpaneel Stahlblech mit Dämmung
Mineralwolle 100 mm
Rahmen Stahlrohr 30/30 mm
Gipskartonplatte 15 mm
Stahl-Winkelprofil 30/60 mm
Stahl-U-Profil 130/55 mm
Stahlhohlprofil SHS 40/40 mm
Stahl-Winkelprofil 50/60 mm
Punkthalter Aluminiumprofil
Stütze Stahlprofil I 300 mm
Bedachung Gusseisen-Platten perforiert,
voroxidiert 1000/1000/9 –11 mm
Hinterlüftung
9
10
11
12
13
14
Stahlblech gefalzt schwarz 0,8 mm
Abdichtung
Wärmedämmung Mineralwolle 40 mm
Akustikpaneel Stahlblech mit Dämmung,
Mineralwolle 80 mm
Rahmen Stahlrohr SHS 30/30 mm
Gipskartonplatte 15 mm
Träger Stahlprofil I 300 mm
Träger Stahlhohlprofil 160/80/6 mm
Flachstahl 160/50/40 mm
Regenrinne Stahlblech
Verbindungsplatte und Auflager Flachstahl
8 mm mit Versteifung 12 mm
Stahlrohr RHS 100/60/5 mm
1
2
3
5
4
6
7
28
steeldoc 03+04/10
8
5
4
3
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11
9
12
10
3
14
2
13
c
c
1
5
7
6
Ort Caixa Forum, Paseo del Prado 36, Madrid
Bauherrschaft Obra Social Fundación LaCaixa, Madrid;
Caixa d’Estalvis i Pensions de Barcelona, Barcelona
Architekten Herzog & de Meuron, Basel;
Büropartner: Jacques Herzog, Pierre de Meuron, Harry Gugger
Projektarchitekten: Peter Ferretto, Carlos Gerhard, Stefan Marbach, Benito Blanco
Architekturpartner: Mateu i Bausells Arquitectura, Madrid
Tragwerksplanung WGG Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel; NB35, Madrid
Fassadenplanunung Emmer Pfenninger Partner AG, Basel, Switzerland
Stahlbau Emesa-Trefileria, SA Arteixo, Spanien
Licht Arup Lighting, London, UK
Green Wall Herzog & de Meuron in Zusammenarbeit mit Patrick Blanc,
Artist-Botanist, Paris, France; Beratung: Benavides & Lapèrche, Madrid
Grösse Grundstückfläche 1 934 m 2; Geschossfläche 11 000 m 2
Stahl Deckenträger HEM 700, Blechträger, Schirm-Hängekonstruktion
HEB 500 und Stahlstangen RND 80
Daten Projekt 2001–2003, Fertigstellung 2008
29
Collège des Bernardins, Paris
Mit Leichtigkeit in die Neuzeit
Bauherrschaft
Association Diocésaine de Paris
Architekten
Jean-Michel Wilmotte, Paris; Hervé Baptiste, Paris
Ingenieure
Bureau Michel Bancon, Paris
Baujahr
2008
Für das spätromanische Collège des Bernardins in Paris hat ein neues Zeitalter
begonnen. Ein neuer Dachstuhl und Verstärkungen der Tragstruktur: überall musste
das moderne und vielseitige Material Stahl der denkmalgeschützten Substanz
unter die Arme greifen – und doch sieht man nichts davon.
Nach fünf Jahren Renovationsarbeiten begann im
Herbst 2008 für das Collège des Bernardins in Paris
eine neue Ära. Von den Zisterziensern 1245 gegründet,
diente es ursprünglich der Ausbildung der Mönche.
Nach der Revolution war das Gebäude im Besitz der
Stadt Paris, die es als Salzlager und später als Feuer­
wehrkaserne benutzte. 2001 kaufte die Diözese von
Paris das Collège des Bernardins der Stadt ab, liess es
renovieren und zu einem Kulturzentrum umbauen.
Das Gebäude sollte wieder eine Funktion erfüllen, die
seiner ursprünglichen Bestimmung möglichst nahe
kommt: eine offene, universitäre Nutzung sowohl für
kirchliche als auch laizistische Veranstaltungen.
Das sanierte Hauptgebäude ist ungefähr 75 Meter lang
und 15 Meter breit. Die Längsfassade ist geprägt vom
Rhythmus der Strebepfeiler und den dazwischen lie­
genden Fassadensegmenten mit Spitzbogenfenstern.
Nachdem alle früher hinzugefügten Ein- und Ausbau­
ten entfernt worden sind, kommt nun das grosse
romanische Mittelschiff mit seinen filigranen Stützen
in ganzer Länge voll zur Geltung. In diesem eindrück­
lichen Raum finden heute Empfänge, Konzerte und
Ausstellungen statt.
Beunruhigender Befund
Bereits bei den ersten Untersuchungen vor den Reno­
vationsarbeiten stellten die Spezialisten eine alarmie­
rende Diagnose. Das Gebäude wies grosse unregel­
mässige Setzungen auf. Auch die zentralen Stützen
des Kellergewölbes waren stark eingesunken. Im Erd­
geschoss waren die Verformungen weniger ausge­
prägt, hier stellte man deformierte Bögen und leicht
aus der Achse verschobene Schlusssteine fest. Alte
Verstärkungen an den Stützen im Keller liessen darauf
30
schliessen, dass die ursprünglichen Erbauer die Schä­
den bereits früh bemerkt und entsprechend reagiert
hatten. Um diesen Problemen zu begegnen, wurde
das Gebäude bei der Renovation mit 322 Mikropfäh­
len und zusätzlichen Betonfundamenten konsolidiert.
So konnte das Kellergeschoss vom darin aufgehäuften
Erdmaterial befreit werden, und auch die Aufschüt­
tungen an der Süd- und Ostfassade, die zur Stabilisie­
rung des Gebäudes dienten, wurden abgetragen.
Damit konnte über die Kellerfenster wieder Licht ins
Gewölbe des Untergeschosses fallen.
Erleichterung mit Stahl
Aber auch bezüglich des Tragwerks war der Befund
der Experten nicht minder alarmierend: Die Stützen
des Erdgeschosses waren von der bestehenden Situa­
tion bereits überbeansprucht, sodass sie unmöglich
noch zusätzliche Lasten aufnehmen konnten. Sie
mussten entlastet werden. Dies geschah über eine neue
Tragstruktur aus Stahl, mit der die ursprüngliche
Dachneigung und Volumetrie des grossen Dachraums
wiederhergestellt wurde und an deren 1 m hohen
Wabenträgern die Decke über dem Gewölbe des Erd­
geschosses aufgehängt werden konnte. So wurden
die Lasten des Ober- und des Dachgeschosses nicht
mehr über die Stützen im Erdgeschoss sondern über
die Aussenwände abgeleitet.
Um allfälligen, durch die Entlastung der Stützen
­ausgelösten Veränderungen in der Gewölbestruktur
des Erdgeschosses vorzubeugen, wurden die Stützen
jeweils am Kopf über eine Stahlgitterstruktur ver­stärkt und blockiert. Diese hier erstmal angewendete
Technik besteht aus Stahlträgern, die in den Aus­
senwänden verankert sind und völlig unabhängig
steeldoc 03+04/10
31
Collège des Bernardins, Paris
Auch die Erschliessung ist als
klarer, zeitgemässer Eingriff
in Stahlleichtbauweise erstellt
und vom Altbau getrennt.
­D adurch wird die alte Bausubs­
tanz geschont.
zwischen dem Gewölbe über dem Erdgeschoss und
der Bodenkonstruktion des Obergeschosses verlaufen.
Das Stahlgitter liegt gerade soviel unterhalb der Bal­
kenlage des Bodens, dass auch bei einer maximalen
Durchbiegung der Balken keine Lasten auf das Gitter
übertragen werden. Genau senkrecht über den Achsen
der Stützen im Erdgeschoss sind unterhalb der Stahl­
träger «Halterungen» aus H-Profilen angebracht für
die höhenregulierbaren Stäbe, die in die Bohrungen
oberhalb der Stützen bis unmittelbar über das Kapitell
eingeführt wurden. Nach dem Platzieren dieser
«Nadeln» wurden die Bohrungen über Injektionsöff­
nungen mit schwindfreiem Mörtel gefüllt.
Der ökologische Spagat
Aus denkmalpflegerischen Gründen war es nicht
möglich, die Natursteinmauern zu isolieren. Entspre­
chend wurde versucht, mit umweltfreundlicher
Gebäudetechnik den ökologischen Aspekten Rech­
nung zu tragen. Die Planer machten sich deshalb vor
allem die grosse thermische Trägheit des Gebäudes
zu Nutze und entschieden sich für ein Heizsystem,
das nicht auf häufige und schnelle Temperaturverände­
rungen eingestellt ist. Mit zwei reversiblen WasserWasser Wärmepumpen mit Entnahme- und Rückgabebrunnen im Grundwasser werden die Flächenheizund kühlsysteme in den Fussböden betrieben. Diese
Lösung bot den Vorteil hoher Leistungsfähigkeit bei
geringem Platzbedarf. Die Lüftung ist in fünf Technik­
räumen in kleine Einheiten aufgeteilt, von denen
jede separat funktioniert, in Abhängigkeit der Räume
für die sie ausgelegt ist. Sie bläst immer genau die
für saubere Luft notwendige Menge – warme oder
kühle – Frischluft ein.
Unsichtbar und irreversibel
Die sorgfältige Sanierung und Restaurierung des
Collège des Bernardins zeigt, wie zeitgenössische
Tragwerke und historische Bausubstanz kombiniert
­werden können. Trotz des tiefgreifenden Eingriffs,
und obwohl Stahl von den Fundationen bis in den Dachstuhl fast omnipräsent ist, sieht man davon heute
nichts mehr. (vra)
32
steeldoc 03+04/10
Das Dachgeschoss wurde mit
einer leichten Stahlstruktur
neu aufgebaut und mit einem
modernen Auditorium aus­
gestattet.
rnardins
t: 1:500
Schnitt, M 1:500
33
Collège des Bernardins, Paris
Grundrisse EG, 1. OG, 2. OG, M 1:1000
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Eingang
Garten
Seiteneingang
Graben
Ausstellung
Rezeption
Bookshop
Konzerthalle
Mehrzweckraum
Konferenzraum
Büros
Technikraum
Stahlträger I 180 mm (HEA 180)
Stahlträger I 200 mm (HEA 200)
Stahlrohr 168/7 mm
Stahlrohr 80 mm
9
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12
9
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a
3
6
5
2
8
4
4
34
7
1
a
steeldoc 03+04/10
Die schlanken Stützen des
Erdgeschosses messen lediglich 27 cm im Durchmesser.
Um diese zu entlasten, wurde
im Dachgeschoss eine Stahldecke eingezogen, um die
­D ecke über dem Erdgeschoss
daran aufzuhängen. Die Lasten
wurden so in die Aussenmauern
geleitet. Genau senkrecht
über den Achsen der Stützen
sind «Halterungen» aus H-­
Profilen angebracht.
13
14
13
14
15
A
16
Verbindungsdetail, M 1:50
Ort 7 rue Saint Vincent, Paris
Bauherrschaft Association Diocésaine de Paris
Architekten Hervé Baptiste, Paris, Leiter Denkmalpflege,
Verantwortlicher Restauration; Jean-Michel Wilmotte, Paris,
Verantwortlicher Konzept
Ingenieure Bureau Michel Bancon, Paris
Stahlbau ACMA, Vouziers
Tragsystem Bestehende Aussenwände, Stahlträger, StahlBetonverbunddecken, Mikropfähle
Brandschutz Beflockung oder Verkleidung, keine sichtbaren
Elemente
Daten Nutzfläche 5 000 m 2, Abmessungen L/B 75/15 m,
Baukosten 49 Mio. Euro
Bauzeit 5 Jahre
Fertigstellung September 2008
35
Kunstmuseum Moritzburg, Halle
Lichte Landschaft über alten Mauern
Bauherrschaft
Stiftung Moritzburg, Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt
Architekten
Nieto Sobejano Arquitectos S.L., Berlin
Ingenieure
GSE Ingenieur-Gesellschaft mbH, Berlin
Baujahr
2008
Situation
Die mittelalterliche Moritzburg erstrahlt in neuem Glanze. Die alten Mauern
öffnen sich für eine leichte Raumstruktur, die sich in schlichter Eleganz darüber
hinaus bewegt. Zwischen Alt und Neu entstehen lichte Räume, die den Dialog
zwischen den Zeitaltern spiegeln.
Die Moritzburg zählt zu den eindrucksvollsten spät­
mittelalterlichen Burganlagen Mitteldeutschlands.
Ihre vielflügelige, leicht trapezförmige Anlage hat
eine Ausdehnung von 72 auf 85 Metern. Im 2. Welt­
krieg wurde diese stark beschädigt. Seit 1904 werden
Teile der Moritzburg als Museum genutzt. Der Mangel
an adäquat nutzbaren Ausstellungsflächen für das
Kunstmuseum machte tiefgreifende Umbauten not­
wendig, im Zuge derer die ehemalige Westflügelruine
sowie der Nordflügel eine Überdachung erhielten.
Der Entwurf der spanischen Architekten legt über die
alten Mauern des zu beplanenden Nord- und Westflü­
gels ein gefaltetes Dach, das durch eine umlaufende
Fuge über der Mauerkrone zu schweben scheint und
die historische Wirkung der Ruine erhält. Über plas­
tisch ausgeformte Oberlichter, die aus der dynami­
schen Faltung der Dachflächen entstehen, wird Tages­
licht in die Ausstellungsräume geleitet. West- und
Nordflügel der Moritzburg werden in ihrer gesamten
Ausdehnung als grosse Raumformen innerhalb der
Die Neubauten sind von der
alten Bausubstanz durch
Fugen klar getrennt und fügen
sich doch zu einem harmonischen Ganzen.
36
steeldoc 03+04/10
Moritzburg
Mst: 1:?
Die leichte, bewegte Dachlandschaft hebt sich deutlich
von den Mauern der Burgruine
ab. Die Beleuchtung verdeutlicht die Schnittlinie zwischen
Alt und Neu.
alten Bausubstanz belassen. Die Obergeschosse der
Ausstellungsräume sind als weisse Boxen von der
Dachkonstruktion abgehängt und über eine Galerie
entlang der Aussenmauern zu erreichen. Ein neu
geplanter Erschliessungsturm, der den Platz der zer­
störten Südwestbastion einnimmt, sowie der im
Innenhof vor die Fassade gestellte Windfang, der den
neuen Haupteingang markiert, nehmen die Architek­
tursprache des Daches auf.
So tritt zu den historischen Baustilen und -formen aus
den verschiedenen Epochen in der Moritzburg die
Moderne hinzu, markiert von der neuen Dachlandschaft,
die auf die bewegte Sprache der bestehenden histo­
rischen Satteldächer und Giebel eine eigenständige
Antwort formuliert und das Ensemble wieder zu
einem funktionierenden Organismus zusammenfasst.
Die Aussenmauern im Westflügel der Burg werden
steinsichtig belassen und halten als historische Gebäude­
hülle die Erinnerung an die ehemalige Westruine
wach. Mit dieser Gestaltung entsteht ein inte­ressantes
Wechselspiel kleiner und grosser, moderner und
­historischer Räume, wobei die architektonischen Mit­
tel der Moderne selbständig bleiben und mit dem
­historischen Bau in einen spannenden Dialog treten.
37
Kunstmuseum Moritzburg, Halle
Moritzburg
Mst: 1:1000
ritzburg
t: 1:1000
Grundriss 2. OG, M 1:1500
Schnitt Nordflügel, M 1:1000
Schnitt Westflügel, M 1:1000
N?
Mst: 1
Mst: 1
Mst: 1
Mst: 1
Mst: 1
Mst: 1
Mst: 1
Mst: 1
Mst: 1
Mst: 1
Mst: 1
Mst: 1
Mst: 1
Die Ausstellungsräume sind
als Boxen von der darüberliegenden Stahldecke abgehängt.
Eine umlaufende Galerie dient
zur Erschliessung.
38
steeldoc 03+04/10
Die grosszügenen, stützen­
freien Ausstellungsflächen
konnten nur durch Abhängen
der Räume erreicht werden.
Hängende Räume
Ein komplexes, räumliches Stahltragwerk, bei
dem jeder einzelne Träger ein Unikat ist, bildet die
Dachkonstruktion. Daran abgehängt sind die weissen
Boxen, die als zusätzliche Ausstellungsräume über
einer Galerie entlang der Aussenmauer erschlossen
werden. Die Böden dieser Boxen sind als Stahlbetonverbunddecken ausgeführt, das Stahlfachwerk der
Wände ist beidseitig mit einer Brandschutzverklei­
dung versehen. Innenseitig wurde eine Installations­
wand davor gesetzt, in der die Lüftung und Elektrik
geführt wird. Aufgrund der grossen Geschosshöhen
und der Neigung der Decken der Oberlichter wurden
speziell angepasste Stahlunterkonstruktionen entwickelt, die zwischen dem Haupttragwerk des Stahl­
baus spannten und als Unterkonstruktion für die
Standardbauteile des Trockenbaus dienten.
Um die Stahlkonstruktion auf den alten Burgwänden
absetzen zu können, musste das Mauerwerk mit Hilfe
von Vernadelungen stabilisiert werden. Die Nadeln
bestehen aus Edelstahlgewindestäben, zementgebun­
denen Verpresskörpern und einem Textilgewebe,
das unkontrollierte Verbindungen von den neuen
Injektionsmaterialien mit den historischen Mörteln
vermeidet. Die neuen Decken wurden wegen der
­grossen Spannweiten als Stahlverbundkonstruktion
erstellt.
Für die aus der Burgwand auskragende Galerie wurden
Standard Walzprofile vorgesehen, die etwa zweiein­
halb Meter in das Bestandsmauerwerk einbinden. Zur
Aufnahme der hohen Druckspannungen im vorders­
ten Auflagebereich wurden lastverteilende Stahlplatten
bzw. Betonpolster eingesetzt.
Stahltragwerk Dach
Preis des deutschen Stahlbaus 2010
Dieses Projekt wurde mit dem Preis des Deutschen
Stahlbaus 2010 ausgezeichnet. Die Jury lobte die
­sinnvolle Nutzung des alten Bestandes insbesondere
unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit. Der Umgang
mit der vorhandenen Substanz sei vorbildlich. Die
neue Dachlandschaft reagiere eindrucksvoll auf die
Formensprache der historischen Bausubstanz und
zeige sich gleichzeitig selbstbewusst und kompro­
misslos modern. Auch wenn als Material nach aussen
kaum sichtbar wird, würden doch die konstruktiven
Vorteile von Stahl als leichtem und flexiblen Baustoff
sinnvoll ausgespielt.
39
Kunstmuseum Moritzburg, Halle
10
9
11
12
6
8
13
5
14
7
4
7
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3
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2
1
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21
19
20
22
40
steeldoc 03+04/10
Detail des Dachaufbaus, M 1:20
1 Naturstein mit Dichtschlämme, Perimeterdämmung,
Abdichtung, Stahlbetonbalken, Bestand Mauerwerk
2 Paneel mit RWA-Funktion aus Stahlblech 2,5 mm verzinkt
­b eschichtet, Mineralwolle WLG 035 50 mm,
Stahlblech 2,5 mm verzinkt, beschichtet
3 Lüftungsgitter Stahl verzinkt, beschichtet
4 Leitblech 0,8 mm
5 Aluminiumblech korrosionsbeständig (Schiffsaluminium)
­g eschliffen K 40 8 mm, Stahlrohr verzinkt | 60/60/3,6 mm,
Stahlrohr verzinkt ¡ 100/60/6,3 mm, Abdichtung EPDM,
­Wärmedämmung druckfest 160 mm, Dampfsperre,
­Trapezblech 40 mm
6 Stahlprofil I HEB 180 Brandschutz F 60
7 Stahlprofil I HEA 100 Brandschutz F 60
8 Stahlprofil verz. mit Folienmanschette
9 Stahlzarge 370/450/10 mm verzinkt
10 Isolierverglasung U = 1,1 W/m²K,
ESG 10 mm + SZR 16 mm + VSG 16 mm
11 Verdunkelung/Blendschutz
12 Lichtdecke mit Leuchtstoffröhren
13 Folienspanndecke lichtstreuend
14 Brandschutzplatte F30
Gipskarton 2 x 12,5 mm
15 Dämmung WLG 040 40 mm
16 Brandschutzplatte F 90 Gipskarton 2 x 20 mm
17 Gipskartonplatten 2 x 12,5 mm
18 Lüftungsrohr Durchmesser 80 mm gedämmt
19 Stahlprofil U 250 mm aus Flachstahl 10 mm geschweißt
20 Lüftungskanal Stahlblech verzinkt 2 mm
21 Zementestrich geschliffen mit Fussbodenheizung 80 mm,
­P E-Folie, Dämmung 70 mm, Stahlbetonverbunddecke 140 mm
22 Akustikpaneel verputzt 17 mm
23 Stahlrohr 100/60/4,5 mm
Moritzburg
Mst: 1:?
Ort Halle an der Saale, Sachsen-Anhalt, D
Bauherrschaft Stiftung Moritzburg, Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt
Architekten Nieto Sobejano Arquitectos S.L.
Ingenieure GSE Ingenieur Gesellschaft mbH
Stahlbau Willy Johannes Stahlbau GmbH & Co. KG, Hemslingen
Brandschutz IBB Ingenieurbüro Prof. Dr. Beilicke, Leipzig
Haustechnik Rentschler & Riedesser Ingenieur Gesellschaft mbH
Nettogeschossfläche 3 900 m²
Baukosten Kostengruppen KG200 – KG700 18 Mio. Euro
Daten Wettbewerb 2004; Fertigstellung 2008
Axonometrie Dachtragwerk, Galerie und
abgehängte Decken aus Stahl
41
Mst: 1:
Andel’s Hotel, Lodz, Polen
Grandhotel mit industriellem Charme
Bauherrschaft
Warimpex Finanz- und Beteiligungs AG, Wien
Architekten
OP Architekten, Wien/Warschau
Ingenieure
ARBO Projekt Sp. z o.o.
Baujahr
2009
Situation/EG
Die Stadt Lodz in Polen gilt als Manchester des Ostens. Der Umbau einer
ehemaligen Textilfabrik in ein Design-Hotel von beeindruckender Grösse nutzt
den authentischen Charme alter Fabrikhallen und die neu erwachte Lust am
zeitlich begrenzten Wohnen im Loft.
Das Andel’s Hotel in der ehemaligen Arbeiterstadt
Lodz in Zentralpolen ist ein Design-Hotel der
ge­hobenen Klasse. Der siebengeschossige Industrie­
bau wurde in ein Grandhotel mit einem spektaku­
lären Spa-Bereich auf dem Dach umgebaut.
Heute ist Lodz mit rund 750 000 Einwohnern die
zweitgrösste Stadt Polens. Die Textilindustrie hatte
Lodz gross gemacht. Von einem verschlafenen Nest
war Lodz im 19. Jahrhundert zu einer der bedeutendsten Industriestädte herangewachsen. 1904 zählte
man 546 Fabriken mit 70 000 Beschäftigen. Eine der
grössten von ihnen war die Fabrik von Izrael Pozńnanski. 1887 errichtete der Unternehmer eine Weberei,
die in ihren Abmessungen an einen Ozeandampfer
erinnert. Fast 200 Meter lang und 33 Meter hoch,
Kühn ragt der Stahlriegel
über die Fassade hinaus. In
den 5 Türmen befanden
sich ­u rsprünglich die Dampf­
maschinen. Heute sind
hier die Appartements und
Suiten untergebracht.
42
steeldoc 03+04/10
Lodz
Mst: 1:750
Das Prunkstück des Hotels ist
der Swimmingpool, wo einst
der Löschwassertank der
­F abrik eingebaut war. Die
leichte Konstruktion aus Stahl
und Glas lässt Schwimmer
den Blick über die Stadt
schweifen.
verfügte der prunkhafte Koloss aus roten Ziegeln über
sieben Stockwerke mit insgesamt 40 000 Quadrat­
metern Produktionsfläche.
Dinieren im authentischen Ambiente
Das Gebäude wurde noch bis in die neunziger Jahre
industriell genutzt – danach stand es leer. Der Abriss
war die wohl wahrscheinlichste Perspektive für
das Ensemble, denn welcher Nutzung sollte man ein
Gebäude dieser Dimension zuführen? Schliesslich
wagten es österreichischer Investoren und ein polni­
sches Architekturbüro, den wuchtigen Backsteinbau
in ein Viersternehotel mit allen Annehmlichkeiten zu
verwandeln. Im Gebäude fanden nicht nur 278 Zim­
mer und Suiten Platz, sondern auch ein 3 100 Quadratmeter grosser Konferenzbereich im Erdgeschoss,
ein Spa mit Schwimmbad und Wellnesslandschaft im
Dachgeschoss sowie ein Ballsaal, der 800 Gäste fasst.
Er nimmt mit seinen 1 300 Quadratmetern rund die
Hälfte der vierten Etage ein und ist akustisch vom übrigen Gebäude separiert. Vervollständigt wird die Aus­
stattung durch Bars und ein Restaurant, das die grün­
derzeittypische Gusseisen-Ziegel-Deckenkons­truktion des Altbaus als authentisches Ambiente nutzt.
Um diese ursprüngliche Wirkung des Innenraums
zu erhalten und die Konstruktion zu verstärken wurde
Schnitt, M 1:750
43
Andel’s Hotel, Lodz, Polen
Lodz
Mst: 1:1500
Lodz
Mst: 1:1500
Im der ehemaligen Maschinenhalle wurden die Gusseisensäulen entfernt und durch
eine Stahlrahmenkonstrukton
­e rsetzt. Der Ballsaal ist mit
1 300 m 2 einer der grössten
in Polen.
Längsschnitt, M 1:1500
Grundriss Dachgeschoss, M 1:1500
Die insgesamt 280 Zimmer
und Suiten sind individuell
gestaltet. In den Türmen sind
kleine, zweigeschossige
Appartments eingerichtet.
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steeldoc 03+04/10
Mst: 1:5000
Mst: 1:2000
Mst: 1:1000
Mst: 1:500
Mst: 1:200
Mst: 1:100
Mst: 1:50
Mst: 1:20
Schnitt, M 1:750
praktisch jede Säule mit einen Mantel aus 1 Zentime­
ter dickem Stahl und mit einer Schicht dünnflüssigem
Beton gefüllt.
Ovale Lichthöfe
Wo immer möglich wurde die raue Schale und die
Tragstruktur der Industriearchitektur bewahrt und mit
zeitgenössischen Elementen kontrastiert. Als grösse­
rer baulicher Eingriff wurden in der Längsachse des
Gebäudes drei ellipsenförmige Lichthöfe über sieben
Etagen in die Geschossdecken geschnitten. Um die
Aussteifung des Gebäude zu sichern, wurde in diesem
Lichthof statt der Ziegeldecken eine 22 Zentimeter
dünne Stahlbetonplatte eingegossen und die ovalen
Einschnitte ausgespart. Die weissen Ballustradenflä­
chen sind aus Laser geschnittenem 1 Zentimeter star­
kem, geflammten Schwarzstahl gefertigt und an die
Stahlunterkonstruktion genietet. Die Flächen der Ballus­
traden sind leicht geneigt. Durch die Atrienausschnitte
entsteht eine übergrosser Brandabschnitt: die Flucht­
weggänge sind durch Rauchvorhänge geschützt die im
Brandfall automatisch nach unten fallen und nur im
Geschoss des Brandes unter der Decke bleiben. Ein
Überdruck im Erdgeschoss und leistungsfähige Venti­
latoren im Dachgeschoss würden im Bedarfsfall die
Atrien entrauchen.
Die ellipsenförmigen Einschnitte in den Geschossdecken reichen über sieben
­G eschosse und bringen Licht
in die E
­ rschliessungszonen.
Schwimmen hoch über der Stadt
Ein zweiter grösserer Eingriff erfolgte im Dachbe­
reich. Ein gläserner Riegel ragt kühn über die Haupt­
fas-sade hinaus und zeigt deutlich, dass das histori­
sche Gebäude eine neue Nutzung beherbergt. Diese
Stahl-Glas-Konstruktion gehört zum Wellnessbereich
im Dachgeschoss und überdacht das Schwimmbad,
das anstelle des ehemaligen Löschwassertanks der
Fabrik gesetzt wurde. Die Wände des alten Tanks sind
links und rechts des Beckens durch den verglasten
Boden erkennbar. Der Tank wurde vor 130 Jahren in
Manchester konstruiert und als Bestandteil eines sei­
ner-zeit fortschrittlichen Feuerlöschsystems ins Dach
der ­Fabrik integriert. Die historische Stahlkonstruktion, 12 genietete Stahlträger mit einer Spannweite
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Lodz
Mst: 1:100
Andel’s Hotel, Lodz, Polen
Vom Gymnastikraum aus sind
die genieteten Stahlträger
des alten Wassertanks gut zu
erkennen. Darüber befindet
sich der Pool.
Querschnitt Hallenbad, M 1:100
von 12 Metern, trägt den gusseisernen Löschwasser­
tank. Um diesen zu sanieren, wurde der Tank vorläu­
fig auf Stahlbetonwänden neu positioniert. Ein neues
Becken wurde in den historischen Tank eingesetzt
und damit zu einer Einheit verschweisst. Der Becken­
rand und somit die Wasseroberfläche liegt 4 Zentimeter über dem Niveau des teils verglasten Bodens.
Eine möglichst filigrane Stahlfassade umschliesst
den Raum von Boden bis zur Decke, um einen unein­
geschränkten Panoramablick zu gestatten.
Kühne Auskragung
Die 6 Meter lange Auskragung – ein Ruhebereich des
Pools – war eine technische Herausforderung. Zwei
80 Zentimeter hohe Stahlträger bilden zusammen
mit den anderen Trägern und Balken konstruktiv einen
Rahmen und halten dadurch Auskragung aus. Eine
Durchbiegungen der Stahlkonstruktion von bis zu 1,5
Zentimeter wird in der Fassade aufgenommen.
Ort Ul. Ogrodowa, Lódz, Polen
Investor Warimpex Finanz- und Beteiligungs AG, Wien
Architektur und Projektleitung
OP Architekten, Wien/Warschau, Wojciech Poplawski, Andrzej
Orlinski, Mitarbeit: Maciej Ciesielka, Robert Szczepaniak, Marcus
Weissenböck, Wojciech Buczynski, Tomasz Zalesny, Filip Sobstel,
Marcin Jablonski, Pawel Nawrocki, Zofia Kulpa, Michael Bardet,
Magda Marciniak, Agnieszka Szustak; UBM: Christian Eitzen­
berger, Peter Kadlec
Ingenieure ARBO Projekt Sp. z o.o.
Innendesign Jestico + Whiles, London / OP Architekten
Generalunternehmung PORR Polska
Stahlbau Zeman HDF
Besonderheit European Hotel Design Award 2009, Contract
Magazine Interior Award 2010 Kategorie «Adaptive Re-Use»,
Auszeichnungen der Immobilienwirtschaft, MIPIM Awards 2010
Grösse Länge 187 m, Höhe 33 m; BGF: 40 100 m 2; NGF:
33 300 m 2; Anzahl Hotelzimmer: 220 Zimmer und
58 Apartments; Baukosten: 70 Mio. Euro
Planung und Bauzeit 2006–2009
Fertigstellung 2009
Von dem frei in den Himmel ragenden Bassin aus
geniessen Schwimmer einen Blick über die Dächer
der Stadt. In luftiger Höhe verschmelzen Innenraum
und Stadtlandschaft, das Wasser im Pool und die
­Skyline von Lodz. Wer heute die grosszügigen Räume
der alten Fabrik betritt, kommt zum Wohlfühlen
her – die Stadt der Arbeiter ist Geschichte. (fpj)
46
steeldoc 03+04/10
Längsschnitt Hallenbad, M 1:100
Der Dachbereich wird als SpaLandschaft genutzt. Rückseitig
ist das Hallenbad an einen der
alten Ziegeltürme angebaut.
Von hier aus geniesst der Gast
den himmlischen Blick über
die Stadt.
47
Attika-Loft, Genf
Luxuriöser Adlerhorst
Made J2
Mst: 1:100
Bauherrschaft
Privat
Architekten
Made in, Genf
Ingenieure
ESM, Genf; BCS SA, Neuenburg
Baujahr
2009
Schnitt, M 1:100
Auf das Dach eines Genfer Stadthauses aus den 60er Jahren ist mit minimalen
Eingriffen eine luxuriöse Raumerweiterung gesetzt worden. Die Treppe funk­
tioniert dabei als skulpturales und verbindendes Element, das auch mehr Licht
in die Räume darunter bringt.
Der Umbau der Wohnung beinhaltete eine Erwei­
terung der Wohnfläche im Dach, eine direkte Verbin­
dung zwischen den beiden Ebenen sowie die kom­
plette Sanierung der gesamten Bausubstanz des
im Zentrum von Genf gelegenen luxuriösen Wohnhauses aus den 60er-Jahren.
Ausserdem sollten die ursprünglich gemachten
Fehler bei der Grundrisstypologie korrigiert werden:
die schlecht belichtete Mittelzone und die unbefrie­
digende Erschliessung des im Vergleich zu den übrigen
Räumen überdimensionierten Wohnzimmers.
48
Während die Renovation der Wohnung unter Berück­
sichtigung der Gegebenheiten des Gebäudes in klassi­
scher Art und Weise geschah, unterscheidet sich das
Dachgeschoss mit seiner Tragstruktur und Funktions­
weise radikal vom Bestehenden. Das Volumen orien­
tiert sich auf zwei Terrassen, eine begrünt, eine mit
Hartbelag.
Dank Fensterfronten, die sich komplett öffnen lassen,
kann nun eine völlige Durchlässigkeit geschaffen
werden. In diesem Raum mit glatten und reflektieren­
den Oberflächen kann das Innen oder das Aussen in
steeldoc 03+04/10
Made J2
Mst: 1:250
Made J2
Mst: 1:250
verschiedenen Stufen inszeniert werden, in Abhängig­
keit des Öffnungsgrads der Glasfronten. Ein Raum mit
variabler Geometrie, je nach Gebrauch, Laune oder
Jahreszeit.
Made J2
Mst: 1:250
Die Treppe als Skulptur
Die Treppe, welche die beiden Geschosse verbindet,
wird als physischer und formaler Eindringling in ein
bestehendes Universum empfunden. Sie besteht aus
drei separaten Elementen, die statisch gesehen von
einander abhängig sind: ein quer verlaufendes Stahl­
profil, an dem der Aluminiumrahmen der Glasrampe
und die Treppe mit den Betonstufen befestigt sind. Ein
viertes Element betont das Ganze: der mit Leder ein­
gefasste Handlauf aus Stahl. Neben ihrer verbinden­
den Funktion zwischen den beiden Geschossen wirkt
die Treppe durch ihre gezielte Platzierung als raum­
bildendes Element und definiert den Zugangsbereich.
Technisch gesehen sind vor allem die beiden Glas­
fronten interessant, die sich öffnen lassen wie zwei
Falt-Schiebetüren. Jede Front ist mehr als sechs Meter
lang, sodass der Rahmen der Verglasung beim Öffnen
mehr als drei Meter über die Fassade auskragt.
Sowohl im Hinblick auf das Stahlgerippe des gesam­
ten Dachvolumens als auch auf die beiden Motorantriebe war eine enge Zusammenarbeit zwischen
Bauingenieur, Fassadenbauer und Motorlieferant
unabdingbar. Die Tatsache, dass es sich um einen
Umbau in einem Mehrfamilienhaus und nicht um
einen Neubau handelte, machte das Ganze noch
anspruchsvoller: statische und konstruktive Unklar­
heiten, begrenzte Platzverhältnisse für die Integration
der Motoren, Minimierung der Lärmemissionen auf
die anderen Geschosse beim Bewegen der Glasfronten.
Schnitt, M 1:250
Grundriss Attikageschoss, M 1:250
Grundriss 7. OG, M 1:250
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Attika-Loft, Genf
Made J2
Vertikalschnitt Terrasse - Attik
Mst: 1:20
Stahl für urbane Eingriffe
Dass eine Stahlkonstruktion am naheliegendsten ist,
hat sich rasch gezeigt: begrenztes Gewicht, schnelle
Montage, technische Lösbarkeit des Öffnungsmecha­
nismus der Glasfronten. Wegen des erschwerten
Zugangs zur Baustelle im städtischen Umfeld sowie
wegen der Gebäudehöhe von 30 Metern waren für
Abbruch und Neuaufbau 7 separate Lieferungen mit
einem Autokran notwendig. Die gesamte Planungsund Bauzeit betrug 18 Monate.
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Ort Genf, Schweiz
Bauherrschaft Privat
Architekten Made in, Genf
Ingenieure ESM, Genf (Tragstruktur);
BCS SA, Neuenburg (Fassade)
Stahlbau AAV Contractors SA, Genf
Stahl 3 t, S235 warmverzinkt, Vorfabrikation
Tragsystem Rahmen, Träger und Pfetten
Daten Bebaute Fläche 220 m 2; Bauvolumen 900 m 3;
Abmessungen der Stahlkonstruktion 6/6/3,5 m
Bauzeit 18 Monate
Fertigstellung September 2009
Während der Bauarbeiten ein
Schutzdach errichtet. Die Montage der vorfabrizierten Stahlstruktur war innerhalb weniger
Tage abgeschlossen.
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Vertikalschnitt Terrasse – Attika, M 1:20
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Terrassenaufbau
Rasen, Humusschicht, Filtervlies, Kiesschüttung, bituminöse Abdichtung,
Wärmedämmung, Schaumglas verklebt 70 mm, Beton 320 mm
Stahlblech, demontierbar
Motor Fensterflügel
Verbundsicherheitsglas
Stahlrahmen 100/60/5 mm
Obere Laufschiene
IPE-Träger 500
Dachaufbau, bituminöse Abdichtung, zwei Lagen, Dreischichtplatte,
Sandwichelement, Wärmedämmung, Glaswolle 14 mm, Gipsplatte gestrichen
Gipsplatten, zwei Lagen, gestrichen
Synthetikkautschuk 5 mm auf Blech verklebt
Zentraler Schliessriegel
Verkleidung in rostfreiem Stahl
Wärmedämmung, Schaumglas 70 mm
Beton bestehend, Sichtkante aufgeschnitten
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Impressum
steeldoc 03+04/10, Dezember 2010
Alt und Neu – Bauen im Bestand
Bautendokumentation des Stahlbau Zentrums Schweiz
Herausgeber:
SZS Stahlbau Zentrum Schweiz, Zürich
Evelyn C. Frisch, Direktorin
Redaktion und Layout:
Evelyn C. Frisch, dipl. Arch. ETH, Zürich
Texte:
Einführungstext: siehe Artikel
Projekttexte aufgrund der Projektinformationen der Planer von
Evelyn C. Frisch (ef)
Virginia Rabitsch (vra): Collège des Bernardins
Frank P. Jäger (fpj): Andel’s Hotel Lodz (aus Entwurfshandbuch
Bauen im Bestand, Birkhäuser, Basel 2010)
Übersetzung:
Virginia Rabitsch, Zofingen (Französisch-Deutsch)
Léo Biétry, Lausanne (Deutsch-Französisch)
Fotos:
Titel: Andel’s Hotel, Lodz: Wallphotex
Editorial: Theater 11, Zürich: Hannes Henz, Zürich
Einführung: siehe Artikel
Theater 11: Hannes Henz, Zürich; Roger Frei, Zürich (S. 20)
Collège des Bernardins: Geraldine Bruneel, Paris;
Pascal Tournaire (S. 33 beide oberen); J.M. Wilmotte (Baustelle)
Kunstmuseum Moritzburg: Roland Halbe, Berlin
Andel’s Hotel, Lodz: Wallphotex, OP Architekten, Wien;
W. Poplawski (S. 45)
Attika-Loft, Genf: Walter Mair, Zürich
Quellen:
Featuring Steel, ArcelorMittal und DETAIL, 2009.
Die Informationen und Pläne stammen von den Planungsbüros.
Zeichnungen teilweise überarbeitet durch Deck 4 GmbH, Zürich
Designkonzept:
Gabriele Fackler, Reflexivity AG, Zürich
Administration, Abonnemente, Versand:
Giesshübel-Office, Zürich
Druckvorstufe und Druck:
Kalt-Zehnder-Druck AG, Zug
ISSN 0255-3104
Jahresabonnement Inland CHF 48.– / Ausland CHF 60.–
Einzelexemplar CHF 15.– / Doppelnummer CHF 25.–
Preisänderungen vorbehalten. Bestellung unter www.steeldoc.ch
Bauen in Stahl / steeldoc© ist die Bautendokumentation des
Stahlbau Zentrums Schweiz und erscheint viermal jährlich
in deutscher und französischer Sprache. Mitglieder des SZS
erhalten das Jahresabonnement und die technischen
Informationen des SZS gratis.
Steeldoc abonnieren für CHF 48.– im Jahr
(Studierende gratis) auf www.steeldoc.ch
Die Rechte der Veröffentlichung der Bauten bleiben den
Architekten vorbehalten, das Copyright der Fotos liegt bei den
Fotografen. Ein Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur mit
schriftlicher Genehmigung des Herausgebers und bei deutlicher
Quellenangabe gestattet.
STAHLBAU ZENTRUM SCHWEIZ
CENTRE SUISSE DE LA CONSTRUCTION METALLIQUE
CENTRALE SVIZZERA PER LE COSTRUZIONI IN ACCIAIO
SWISS INSTITUTE OF STEEL CONSTRUCTION
SZS
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Centre suisse de la construction métallique
Centro svizzero per la costruzione in acciaio
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