DNA-Verpackung – Ein neuer Ansatzpunkt in der Krebstherapie
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DNA-Verpackung – Ein neuer Ansatzpunkt in der Krebstherapie
GSF-FORSCHUNGSZENTRUM FÜR UMWELT UND GESUNDHEIT GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in der Helmholtz-Gemeinschaft Vom Labor in die Klinik Translationale Forschung in der GSF Inhalt Inhalt Vorwort 3 Brücken bauen für eine Medizin von morgen – Translationale Forschung in der GSF 4 Forschung am Krankenbett – Die Klinischen Kooperationsgruppen der GSF Hyperthermie – Hitzeschock für Tumoren Entzündliche Lungenerkrankungen Pioniere der Knochenmarktransplantation Pollen mit Mehrfachwirkung Husten ist nicht gleich Husten Wegweisende Strategie zur Entwicklung von Krebsimpfstoffen Neue Wege in der Depressionsforschung Gemeinsam stark - Klinische Forschungsplattformen in der GSF 28 Technik und Know-how für alle - Die Immunmonitoring-Plattform Service auf höchstem Niveau - Monoklonale Antikörper nach Maß Kampf gegen Volkskrankheiten Die Gesundheitsplattformen MONICA und KORA 29 32 6 10 13 17 20 22 24 26 35 Forschung aktuell Neue HIV-Impfstoffe im klinischen Test Therapeutische Impfung gegen Nierenkrebs DNA-Verpackung – Ein neuer Ansatzpunkt in der Krebstherapie Strahlenreduzierung in der Computertomographie Glossar 58 Impressum Herausgeber GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, GmbH in der Helmholtz-Gemeinschaft 2 Autoren und wissenschaftliche Beratung Sultan Abdul-Rahman, Uta Behrends, Heidrun Behrendt, Iris Bigalke, Ruth Brack-Werner, Dirk Busch, Antonio Cosma, Martin Dietz, Sonja Duggen, Volker Erfle, Bernhard Frankenberger, Marion Frankenberger, Monika Gödde, Martin Göttlicher, Hans Guldner, Martina Hansen, Christoph Hoeschen, Rolf-D. Issels, Sibylle Kettembeil, Andrea Kleinschmidt, Hans-Jochem Kolb, Ulrike Koller, Susanne Krauss-Etschmann, Elisabeth Kremmer, Hannelore Löwel, Ralph Mocikat, Jeans-Charles Munch, Monika Offenberger, Dolores Schendel, Claudia Traidl-Hoffmann, Daniela Vogt Weisenhorn, Horst Wolff, Wolfgang Wurst Redaktion Ulrike Koller, Michael van den Heuvel, Heinz-Jörg Haury 38 43 48 53 Internet: http://www.gsf.de Redaktionsbeirat Prof. Dr. Dolores Schendel, Dr. Christoph Hoeschen, Prof. Dr. Ralph Mocikat, Dr. Jens Tampe, Dr. Mike Atkinson Bildredaktion Michael van den Heuvel, Ulrike Koller Layout und Grafik Robert v. Aufschnaiter, kraftwork., München unter Mitwirkung von Brigitte Schmid, Monika Wiedemann Litho und Druck Schoder Druck, Gersthofen Redaktionsanschrift GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Abt. Öffentlichkeitsarbeit Ingolstädter Landstraße 1, 85764 Neuherberg Tel.: 089/3187-2711, Fax: 089/3187-3324 E-Mail: oea@gsf.de Auszüge aus diesem Heft dürfen ohne weitere Genehmigung wiedergegeben werden, vorausgesetzt, dass bei der Veröffentlichung der jeweilige Autor und die GSF genannt werden. Um ein Belegexemplar wird gebeten. Alle übrigen Rechte bleiben vorbehalten. Vorwort Ein Wort zuvor ei der GSF arbeiten wir an den Grundlagen einer zukünftigen Medizin und Versorgung sowie an Ökosystemen mit wesentlicher Bedeutung für die Gesundheit des Menschen. Durch ein besseres Verständnis der Umwelteinflüsse auf die Gesundheit und Krankheitssysteme können wir wirkungsvolle Maßnahmen zur Prävention im Sinne einer kausalen Therapie ableiten. Daher stehen umweltbedingte Erkrankungen im Mittelpunkt unserer Forschungsarbeiten. Es kommt uns entscheidend darauf an, dass Ergebnisse aus der biomedizinischen Grundlagenforschung rasch den Patienten zu Gute kommen. B Translationale Forschung – die Umsetzung von Erkenntnissen aus der Grundlagenforschung in die klinische Anwendung und umgekehrt – ist dabei unser Schlüssel zum Erfolg. Arzneimittelforschung im klassischen Sinne ist nicht unsere Aufgabe. Unser Ansatz basiert auf einem sehr interaktiven Netzwerk von Expertisen und Fähigkeiten, welches von Grundlagenforschung an biologischen Mechanismen bis zur Phase III-Studie reicht. Wir verfügen über die Expertise und die Ressourcen, vom Target bis zur Phase III-Studie, also von der Suche nach dem geeigneten Wirkmechanismus bis hin zur Anwendung am Patienten die dafür entscheidende Forschung zu leisten. Mit diesem neuen Ansatz unterscheiden wir uns von der klassischen Arzneimittelforschung, z.B. der Pharmaindustrie. gnostik, Prävention und kausaler Therapie beschreiten. Die vorliegende Broschüre soll Ihnen einen Einblick in die Vielfalt unseres translationalen Forschungsansatzes geben. Im ersten Teil lernen Sie einige unserer Klinischen Kooperationsgruppen kennen, die ganz wesentliche Instrumente translationaler Forschung in der GSF sind. Im Mittelteil erhalten Sie Einblick in unsere klinischen Forschungsplattformen, in denen GSF-Wissenschaftler zusammen mit externen Klinikpartnern unter einem gemeinsamen Dach bei exzellenter wissenschaftlicher Betreuung neueste Methoden und Techniken für ihre gemeinsame Arbeit vorfinden. Im letzten Teil dieser Broschüre können Sie vier aktuelle Highlights aus unserem translationalen Forschungsprogramm genauer unter die Lupe nehmen. Prof. Dr. Günther Wess Wissenschaftlich -Technischer Geschäftsführer Ganz im Sinne des Leitgedankens der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, der unser Forschungszentrum angehört, wollen wir dazu beitragen, die Lebensgrundlagen des Menschen zu erhalten und zu verbessern, indem wir auch in Zukunft neue Wege hin zu einer individualisierten Dia- 3 Translationale Forschung in der GSF Brücken bauen für eine Medizin von morgen Erkenntnisse aus der biomedizinischen Grundlagenforschung unmittelbar für die Prävention, Diagnostik und Behandlung von Krankheiten anwenden – das ist der Kerngedanke translationaler Forschung in der Medizin. Kliniker und Grundlagenforscher entwickeln auf der einen Seite neue Methoden für die Klinik und spiegeln auf der anderen Seite Beobachtungen am Patienten zurück in das Labor. Das GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit vereinigt in seinem Forschungsansatz alle wesentlichen Eckpfeiler für erfolgreiche translationale Forschung: Exzellente Grundlagenforschung, die enge Vernetzung mit Klinikpartnern sowie international genutzte Forschungsplattformen bieten ein gemeinsames Fundament für den Wissensaustausch. Damit leistet die GSF ihren Beitrag für neue Ansätze einer individualisierten Diagnostik, Prävention und kausalen Therapie. ontag morgen, 9.00 Uhr, Hämatologikum in München-Großhadern: Wissenschaftler aus den GSF-Instituten für Molekulare Immunologie sowie Klinische Molekularbiologie und Tumorgenetik sitzen beim Jour fixe zusammen mit Ärzten aus dem Klinikum Großhadern, der zur Ludwig-Maximilians-Universität gehörenden Universitätsklinik. Man bespricht Zwischenergebnisse aus der laufenden klinischen Stu- M 4 die zur Immuntherapie bei NierenkarzinomPatienten. Beide Seiten, Grundlagenforscher wie Kliniker, schätzen diese Treffen sehr, aus denen sie jedes Mal neue Anregungen zurück in ihren Labor- bzw. Klinikalltag nehmen. Der Brückenschlag vom Labor zur Klinik – in Fachkreisen unter dem Begriff „Translationale Forschung“ zusammengefasst – ist beim GSF-Forschungszentrum seit langem vollzo- Translationale Forschung in der GSF gen. Ein in diesem Zusammenhang denkwürdiges Datum war der Tag, an dem im Jahre 1995 die erste Klinische Kooperationsgruppe (KKG) für Aerosolmedizin gegründet wurde. Wissenschaftler aus dem GSF-Institut für Inhalationsbiologie und Klinikvertreter aus der heutigen Asklepios-Fachklinik in Gauting gründeten eine Projektgruppe mit dem Ziel, klinisch relevante Fragestellungen aus dem Klinikalltag mit experimenteller Forschung zu verknüpfen. Langfristig sollten in Form klinischer Studien neue Diagnose- und Therapiestrategien in die klinische Praxis Eingang finden. Das Konzept war erfolgreich und fand innerhalb kurzer Zeit Anklang auch in den wissenschaftspolitischen Entscheidungsgremien. Bis dato wurden bereits 13 solcher translationaler Arbeitsgruppen etabliert. Säulen des Erfolgskonzepts „Die Klinischen Kooperationsgruppen waren aber nur eine der Säulen, mit denen wir unser Konzept zur translationalen Forschung erfolgreich etabliert haben und weiter ausbauen werden“, erklärt Prof. Günther Wess, wissenschaftlich-technischer Geschäftsführer der GSF. Den zentralen Pfeiler für eine translationale Medizin von morgen bildet die exzellente Grundlagenforschung in den Lebenswissenschaften. Wichtige Bausteine der translationalen Forschung sind nicht zuletzt die international genutzten experimentellen Einrichtungen wie die Deutsche Mausklinik oder das Genomanalysezentrum sowie Forschungsplattformen in Kliniknähe wie etwa die Immunmonitoring-Plattform. Eine weitere Säule ist die weltweit einzigartige Verknüpfung von Biomedizin und Umweltforschung im Forschungsprogramm der GSF. „Und schließlich ermöglicht uns gerade die langjährige und enge Vernetzung mit zahlreichen externen Klinikpartnern gänzlich neue individualisierte Ansätze in Diagnostik, Prävention sowie kausaler Therapie,“ führt Wess aus. Konzepte sind nicht für die Schublade gedacht, sie müssen auch in die Praxis umgesetzt werden. In der GSF zeugt eine Vielzahl von Meilensteinen von den Früchten translationaler Forschung. Sie schlagen den Bogen von der Erforschung grundlegender biologischer Mechanismen hin zum direkten Nutzen für den Patienten. Dazu zählt etwa die erste erfolgreiche Knochenmarkstransplantation, die unter Prof. Hans-Jochem Kolb am GSFInstitut für Molekulare Immunologie in Kooperation mit Kliniken zu einem Durchbruch in der Behandlung von Leukämien führte. Dazu zählt auch die regionale Tiefenhyperthermie, die von Prof. Rolf Issels vom GSF-Institut für Molekulare Immunologie entwickelt wurde und heute als Tumorbehandlungsmethode im Rahmen eines Modellvorhabens durchgeführt wird. Ideen für morgen Auf ihren Lorbeeren will sich die GSF aber nicht etwa ausruhen. In ihrem neuen Forschungsprogramm sind bereits die nächsten Schritte für eine weitere Ausweitung des Schwerpunkts „Translationale Forschung“ festgeschrieben. Das Themenspektrum der 13 Klinischen Kooperationsgruppen soll um neue Fragestellungen erweitert werden. Zu bislang kurzfristig angelegten Projekten werden LangzeitStudien mit multidisziplinärem Charakter hinzukommen. In Hinblick auf die zunehmende sozioökonomische Bedeutung von Lungenerkrankungen plant die GSF, zusammen mit der Ludwig-Maximilians-Universität München ein interdisziplinäres Translationszentrum für Lungenkrankheiten einzurichten. Von dem Zentrum sollen neue Impulse für die Lungenforschung in Deutschland ausgehen. Eine weitere Serviceeinrichtung für Wissenschaftler und klinische Partner ist bereits im Aufbau: Das geplante GMP - Labor (GMP = Good Manufacturing Practice) im Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie (IZB) wird einen Bereich für die Produktion von Zellpräparaten und davon getrennt einen Qualitätskontrollbereich enthalten, in dem vor der Freigabe der Präparate überprüft wird, ob sie den vorgegebenen Spezifikationen entsprechen. Ebenfalls in Vorbereitung ist die Inbetriebnahme einer weiteren Serviceinrichtung für Wissenschaftler und ihre klinischen Partner, eine GMP Reinraumanlage zur Herstellung von Zellpräparaten. Die GSF wird also auch in Zukunft ihren Beitrag zur Entwicklung translationaler Forschung auf internationaler Ebene leisten. 5 Forschung am Krankenbett – Die Klinischen Kooperationsgruppen der GSF Forschung am Krankenbett – Die Klinischen Kooperationsgruppen der GSF Durch ein noch junges Instrument translationaler Forschung, dem Konzept der „Klinischen Kooperationsgruppen“, verknüpft die GSF ihre biomedizinische Grundlagenforschung auf ideale Weise mit der klinischen Forschung in ihrer direkten Umgebung. Klinisch relevante Fragestellungen bilden so eine fruchtbare Symbiose mit hypothesengeleiteter, experimenteller Forschung. Langfristiges Ziel ist die Translation neuer Diagnose- und Therapiestrategien in die klinische Praxis. anz im Sinne des Translationsgedankens hat die GSF bereits im Jahre 1994 ein innovatives Konzept zur Kooperation mit Kliniken entwickelt. Im Gegensatz zu der bis dahin in den HelmholtzZentren üblichen Zusatzförderung von klinischen Einheiten, etablierte man hier eine gezielte Förderung spezifischer, besonders ausgezeichneter Projekte. Auf Basis der G 6 Exzellenz und der Relevanz für die Aufgabe der GSF bestehen so derzeit 13 Klinische Kooperationsgruppen (KKG). In vielen Bereichen sind die KKG zum Kristallisationskern intensiven Ideen- und Gedankenaustausches zwischen Grundlagenforschung und klinischer Forschung in der GSF geworden. Ganz entscheidend ist dabei, dass sich nicht etwa voneinander isolierte Forschungsinseln ent- Forschung am Krankenbett – Die Klinischen Kooperationsgruppen der GSF KKG-Schwerpunkt I KKG-Schwerpunkt II KKG-Schwerpunkt III Identifizierung von Genotyp / Phänotyp in chronischen Erkrankungen Entzündungsreaktionen und aberrante Immunantworten Modulation des Immunsystems zur Bekämpfung chronischer Erkrankungen Pathogenese der akuten myeloischen Leukämie Prof. Hiddemann Entzündliche Lungenerkrankungen Dr. Frankenberger Hämatopoetische Zelltransplantation Prof. Kolb Umweltdermatologie und Allergologie Prof. Behrendt Tumortherapie durch Hyperthermie Prof. Issels Immunregulation im Kindesalter Dr. Krauss-Etschmann Antigen-spezifische Immuntherapie Prof. Busch Molekulare Onkologie Dr. Gires Osteosarkome Dr. Nathrath Pädiatrische Tumorimmunologie Dr. Behrends Molekulare Neurogenetik Prof. Wurst Immuntherapie urologischer Tumoren Dr. Pohla Plattform-Technologien Immunmonitoring-Plattform Prof. Schendel GMP - Reinraum mit Qualitätskontrolllabor I. Bigalke/S. Tippmer Antikörper-Plattform Dr. Kremmer Zentrale Zellsortierung Dr. Ellwart Tierhaltung – Immundefiziente und andere transgene Mäusestämme Prof. Mocikat KKG-Schwerpunkt III: Immunmodulation Als beispielhaft für die translationale Forschung in der GSF können die Arbeiten der Klinischen Kooperationsgruppen gelten, die sich mit Fragen der Immunmodulation beschäftigen. Das Immunsystem des Menschen hat die Aufgabe, Infektionen zu bekämpfen, es ist jedoch im Prinzip auch in der Lage, bösartige Tumoren abzustoßen. Allerdings vermögen sowohl Tumorzellen als auch Virus-infizierte Zellen dem Angriff des Immunsystems auszuweichen. Um immunologische Mechanismen als therapeutische Option bei solchen Erkrankungen nutzbar zu machen, ist es einerseits erforderlich, die zellulären und molekularen Prinzipien besser zu verstehen, mit deren Hilfe der Organismus Krankheitserreger abwehrt. Andererseits müssen auf der Grundlage dieser Mechanismen Methoden zur gezielten, spezifischen Stimulation des Immunsystems entwickelt werden. Insofern handelt es sich um eine beispielhafte Vernetzung von experimenteller Grundlagenforschung und Anwendung am Patienten. Um diesem translationalen Anspruch gerecht zu werden, hat die GSF fünf Klinische Kooperationsgruppen (KKG) auf dem Gebiet der Immuntherapie eingerichtet. Die KKG „Hämatopoetische Zelltransplantation“, „Immuntherapie urologischer Tumoren“, „Tumortherapie durch Hyperthermie“ „Antigen-spezifische Immuntherapie“ und „Pädiatrische Tumorimmunologie“ beschäftigen sich mit neuen immunologischen Behandlungsverfahren bei Leukämien, Nierenkrebs, Weichteiltumoren bzw. viralen Infektionen. Als übergreifende Plattform steht die KKG „Immunmonitoring“ allen an Immuntherapie interessierten Arbeitsgruppen zur Verfügung. Hier werden die Immunantworten gemessen, die die Patienten nach einer Immuntherapie entwickeln. Auch diese KKG ist dem translationalen Gedanken verpflichtet, indem sie auf der Basis neuer Grundlagenerkenntnisse innovative diagnostische Methoden entwickelt und umgehend in die Anwendung überführt. Der größte Forschungsschwerpunkt innerhalb der Klinischen Kooperationsgruppen der GSF widmet sich der Modulation des Immunsystems. Eine gemeinsame Basis bilden die Plattformtechnologien. Sie stehen allen Klinischen Kooperationsgruppen der GSF, aber auch externen Klinikpartnern zur Verfügung. 7 Forschung am Krankenbett – Die Klinischen Kooperationsgruppen der GSF ensverhältnis zu den Patienten – eine wichtige Voraussetzung für deren Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Klinikum Großhadern Getragen durch vier Säulen GSF-Hämatologikum In unmittelbarer Umgebung des Klinikums Großhadern der Ludwig-Maximilians-Universität München (großer Gebäudekomplex im Bild) haben sich sechs der insgesamt dreizehn klinischen Kooperationsgruppen der GSF etabliert. Sie profitieren von der räumlichen Nähe zum Krankenbett und schlagen gleichzeitig Brücken von der experimentellen zur klinischen Forschung. Solide Finanzierung auf vier Pfeilern: Die Klinischen Kooperationsgruppen (KKG) werden gemeinsam von der GSF, dem jeweils beteiligten klinischen Partner und Sondermitteln der programmorientierten Förderung der Helmholtz-Gemeinschaft getragen. Zusätzlich werben die KKG selbst Drittmittel ein. wickelt haben. Vielmehr ist die Mehrzahl der KKG auf große gemeinsame Themen fokussiert. So ergeben sich viele Berührungspunkte, die zu einer vielfältigen Interaktion auch der einzelnen KKG untereinander geführt haben. Starke Partner aus der Klinik Die Klinischen Kooperationsgruppen in der GSF werden als zeitlich befristete Projekte auf der Basis bestehender, wissenschaftlich exzellenter Teams eingerichtet und sind in die Helmholtz-Programme integriert. Derzeit bestehen Klinische Kooperationsgruppen zusammen mit der Ludwig-Maximilians-Universität, der Technischen Universität und dem Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München sowie den Asklepios-Fachkliniken in Gauting. Viele Forscher der KKG sind auch in den Kliniken tätig und werden so von den Patienten als kompetente und verantwortungsbewusste Mediziner erlebt: Dies stärkt das Vertrau- Der Grundgedanke des KKG Konzepts in der GSF ist: Alle beteiligten Partner bringen eigene Ressourcen ein und dokumentieren so ihr Interesse an der Arbeit der KKG. So hat jede KKG prinzipiell drei institutionelle Finanzierungsquellen: Erstes und zentrales Element sind hierbei Mittel, die speziell für die KKG zur Anstellung von Personal sowie als Sach- und Investitionsmittel zur Verfügung gestellt werden. Diese Gelder werden über die GSF im Rahmen der Programmorientierten Förderung eingeworben und direkt an die KKG weitergeleitet. Als zweite und dritte Säule stellen Partner und GSF aus den eigenen Ressourcen jeweils Personal, weitere Sach- und Investitionsmittel sowie die zur Durchführung der Forschungsarbeiten notwendige Infrastruktur zur Verfügung. Mit dieser, von allen Partnern gemeinsam getragenen Finanzierungsstruktur ist eine solide Basis für den erfolgreichen Brückenschlag zwischen Grundlagenforschung und Klinik gegeben. Ergänzt wird die institutionelle Förderung durch die Einwerbung von Drittmitteln als vierte Säule der Finanzierung. Für die KKG ist dies ein wichtiger Faktor zur Unterstützung ihrer Arbeiten, der zusätzlich auch neue Impulse liefert und es häufig ermöglicht, ihre jeweilige Fragestellung zu erweitern. Klinische Kooperationsgruppe Ressourcen des Partners Ressourcen der GSF KKG spezifische Mittel über die GSF bereitgestellt 8 Drittmittel Forschung am Krankenbett – Die Klinischen Kooperationsgruppen der GSF Die Klinischen Kooperationsgruppen der GSF und ihre Partner Klinische Kooperationsgruppe GSF-Institut Externe Partner Leitung Entzündliche Lungenerkrankungen GSF – Institut für Inhalationsbiologie Asklepios Fachkliniken München-Gauting Molekulare Neurogenetik GSF – Institut für Entwicklungsgenetik Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München Umweltdermatologie und Allergologie GSF – Institut für Epidemiologie Tumortherapie durch Hyperthermie GSF – Institut für Molekulare Immunologie Hämatopoetische Zelltransplantation GSF – Institut für Molekulare Immunologie Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der Techn. Universität (TU) München Med. Klinik III, Klinikum Großhadern der Ludwig-MaximiliansUniversität (LMU) München Med. Klinik III, Klinikum Großhadern der LMU München Pathogenese der akuten myeloischen Leukämie GSF – Institut für Klinische Molekularbiologie und Tumorgenetik Med. Klinik III, Klinikum Großhadern der LMU München Antigen-spezifische Immuntherapie GSF – Institut für Molekulare Virologie TU München, Klinikum rechts der Isar, Inst. für Med. Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene Dr. Marion Frankenberger frankenberger@gsf.de Tel.: 089/8932-3730 Prof. Dr. Wolfgang Wurst wurst@gsf.de Tel.: 089/3187-2887 Prof. Dr. Heidrun Behrendt zaum@lrz.tu-muenchen.de Tel.: 089/4140-3451 Prof. Dr. Rolf Issels rolf.issels@med.uni-muenchen.de Tel. 089/7095-4768 Prof. Dr. Hans-Jochem Kolb hans.kolb@med.uni-muenchen.de Tel. 089/7095-4241 Prof. Dr. Wolfgang Hiddemann hiddemann@gsf.de Tel. 089/7095-2550 Prof. Dr. Dirk Busch dirk.busch@gsf.de Tel.: 089/3187-3655 Pädiatrische Tumorimmunologie GSF – Institut für Klinische Molekularbiologie und Tumorgenetik Molekulare Onkologie GSF – Abteilung Genvektoren Immuntherapie urologischer Tumoren GSF – Institut für Molekulare Immunologie Kinderklinik und Poliklinik der TU München im Städt. Krankenhaus München-Schwabing Klinik für Hals-Nasen- und Ohrenheilkunde der LMU München Urologische Klinik und Poliklinik, Klinikum Großhadern der LMU München Dr. Uta Behrends uta.behrends@lrz.tum.de Tel.: 089/3068-2932 Dr. Olivier Gires olivier.gires@med.uni-muenchen.de Tel.: 089/7095-3895 Dr. Heike Pohla heike.pohla@med.uni-muenchen.de Tel.: 089/7095-4875 Immunmonitoring GSF – Institut für Molekulare Immunologie, GSF-Institut für Molekulare Virologie Prof. Dr. Dolores Schendel schendel@gsf.de Tel.: 089/7099-301 Immunregulation im Kindesalter GSF – Institut für Molekulare Immunologie Osteosarkom GSF – Institut für Pathologie Institut für Med. Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene der TU München; Labor für Tumorimmunologie (LTI), LIFE-Zentrum des Klinikums München-Großhadern, LMU München Dr. von Haunersches Kinderspital, Kinderklinik und Poliklinik der LMU München Kinderklinik der TU München im Städt. Krankenhaus MünchenSchwabing Dr. Susanne Krauss-Etschmann susanne.krauss-etschmann@gsf.de Tel. 089/5160-7706 Dr. Michaela Nathrath michaela.nathrath@gsf.de Tel: 089-3068-3076 Bereits im Jahre 1994 entwickelte die GSF ein innovatives Konzept zur Förderung der Kooperation mit Kliniken. Mit der Einrichtung ihrer mittlerweile 13 klinischen Kooperationsgruppen etablierte die GSF Kristallisationskerne intensiven Ideen- und Gedankenaustausches zwischen Grundlagenforschung und klinischer Forschung. 9 Forschung am Krankenbett Hyperthermie Hyperthermie – Hitzeschock für Tumoren Mit seinen Arbeiten zum Nutzen der regionalen Tiefenhyperthermie (RHT) für die Krebstherapie begann Prof. Rolf Issels, Leiter der Klinischen Kooperationsgruppe „Hyperthermie“ in der GSF, bereits Mitte der 80er Jahre. Seit 1993 wird die RHT als Behandlungsmethode im Rahmen eines Modellvorhabens von den Krankenkassen durchgeführt. 1999 wurde die KKG gegründet, deren Forschungsspektrum von der klinischen Forschung zur Tiefenhyperthermie bis hin zur biologischen Forschung auf dem Gebiet der Immunologie und der Zellbiologie reicht. rhöhte Körpertemperaturen versetzen Zellen in Stress, auch Tumorzellen: Werden diese mit Hilfe elektromagnetischer Wellen auf 40-44 Grad Celsius erwärmt, beginnt ab 42 Grad Celsius das kollektive Absterben der Zellen. Temperaturen über 40 Grad machen Tumorzellen angreifbarer für natürliche Abwehrprozesse und E 10 Strahlen- oder Chemotherapie. „Aufgrund des Abtransports von Wärme aus gut durchbluteten Stellen können wir den Tumor zwar nicht gleichmäßig erhitzen,“ erläutert Professor Rolf Issels, Leiter der Klinischen Kooperationsgruppe Hyperthermie. „Die durchbluteten Bereiche werden aber dafür von Zytostatika besonders gut erreicht.“ Forschung am Krankenbett Hyperthermie Symbiose von biologischer Forschung und Klinik Ganz im Sinne des translationalen Forschungsansatzes der GSF haben nicht nur die rein klinischen Untersuchungen, sondern auch zugehörige biologische Forschungsaspekte in der Klinischen Kooperationsgruppe „Hyperthermie“ einen hohen Stellenwert. Verschiedene Arbeitsgruppen konzentrieren sich vor allem auf zwei Bereiche: Den Einfluss von Hitzeschockproteinen auf das Immunsystem und die Liposomenforschung. Hitzeschockproteine – Aktivatoren des Immunsystems Biologisch bedeutet eine Behandlung mit Hyperthermie, dass im Tumor Hitzeschockproteine (HSP), auch Stressproteine genannt, induziert werden. Sie sind für die Krebsforschung interessant, weil sie auf verschiedene Weise in das körpereigene Immunsystem eingreifen. Unter anderem markieren sie Tumorzellen und machen sie für die Killerzellen des Immunsystems erkennbar. Zellen, die HSP bilden, können daher stärker von den Killerzellen zerstört werden und das Immunsystem kann den Tumor wirksamer bekämpfen. Issels und seine Mitarbeiter fanden bei ihren Untersuchungen, dass die Induktion des Proteins HSP 70 die Immunantwort gegen den Tumor auf zweierlei Weise verstärkt. Zum einen wirkt HSP 70 als Gefahrensignal für natürliche Killerzellen und für dendritische Zellen, wodurch deren Vermehrung und zytotoxische Aktivität verstärkt wird. Zusätzlich zu dieser Zytokin-Funktion konnte mit HSP 70 aus humanen Melanomzellen auch eine antigenspezifische T-Zellantwort erreicht werden: Werden HSP-Komplexe aus den Melanomzellen isoliert und auf dendritische Zellen gegeben, dann reifen diese aus zu Antigen-präsentierenden Zellen (APC), die Antigene so verarbeiten und auf ihrer Zelloberfläche vorführen, dass sie von den T-Zellen erkannt werden können. Die Untersuchungen zu den dendritischen Zellen wurden in enger Kooperation mit Dr. Elfriede Nössner vom GSF-Institut für Molekulare Immunologie durchgeführt. Liposomen als Fähren Das zweite wichtige Standbein der biologischen Forschung in der KKG „Hyperthermie“ sind Liposomen. Diese künstlichen Kügelchen aus Phospholipiden, in die Wirkstoffe eingebracht werden können, sind „höchst interessant“, schwärmt Issels. In Zusammenarbeit mit dem MPI für biophysikalische Chemie in Göttingen gelang es seinem Mitarbeiter Dr. Lars Lindner, thermoempfindliche Liposomen herzustellen, die sich bei ganz bestimmten Temperaturen (41-42°C) öffnen und ihren Inhalt freigeben. Der Therapie mit Hyperthermie eröffnen sich dadurch ungeahnte Möglichkeiten: Hochtoxische Zytostatika könnten mit den Liposomen zum Tumor gebracht und dort durch Erwärmung gezielt freigesetzt werden. Dies wird für die KKG-eigenen Liposomen am Modell des amelanotischen Melanoms beim syrischen Goldhamster untersucht. Am selben Modell wird neuerdings auch eine weitere Einsatzmöglichkeit für die Liposomen geprüft: Temperaturempfindliche Liposomen, die mit einem Kontrastmittel gefüllt sind, sollen die Temperaturkontrolle während der Hyperthermie-Behandlung vereinfachen. Wird das Kontrastmittel bei definierten Temperaturen freigesetzt und im Kernspin sichtbar, könnte die invasive Temperaturkontrolle über Sonden überflüssig werden. Dies wäre eine wesentliche Erleichterung für die Patienten, denn es würde „eine richtige nicht-invasive Temperaturmessung erlauben, nicht nur das Monitoring von Hot Spots“, blickt Issels in die Zukunft. Jüngst erhielt die Arbeitsgruppe von Lindner einen Preis beim Münchener Businessplan-Wettbewerb. Klinik und Labor befruchten sich „Mit den klinischen Untersuchungen und der gleichzeitigen Anbindung an die Grundlagenforschung ist die KKG ein ideales Instrument translationaler Forschung“ bilanziert Issels. „Ich glaube, dass gerade die Einrichtung dieser KKG für das Vorankommen einer neuen Behandlungstechnik mit allen Facetten der Forschung hier ganz entscheidend war.“ 11 Forschung am Krankenbett Hyperthermie Neue Form der Teilkörperbehandlung Prof. Rolf Issels, Leiter der Klinischen Kooperationsgruppe „Hyperthermie“ in der GSF, begann als einer der Pioniere auf seinem Gebiet erstmals 1986 mit Arbeiten zum Nutzen der regionalen Tiefenhyperthermie (RHT) für die Krebstherapie. Kontakt Prof. Dr. Rolf Issels GSF-Institut für Molekulare Immunologie KKG „Hyperthermie“ Tel.: 0 89/70 95-47 69 rolf.issels@ med.uni-muenchen.de 12 Issels begann als einer der Pioniere auf diesem Gebiet erstmals 1986 mit seinen Arbeiten zum Nutzen der regionalen Tiefenhyperthermie (RHT) für die Krebstherapie. Als Modelltumoren dienten Issels von Anfang an Weichteil- und Knochentumoren, die vom Binde- und Stützgewebe ausgehen und als Sarkome bezeichnet werden. Im klinischen Bereich interessierte Issels und seine Mitarbeiter besonders, wann ein bestimmtes Weichteilsarkom durch die Kombination von Hyperthermie mit anderen Therapiemethoden besser behandelbar ist. An HochrisikoWeichteilsarkom-Patienten wurde eine Phase-III-Studie begonnen, die zeigen soll, ob bei diesen tief lokalisierten, großen Tumoren die Kombination von Hyperthermie und Chemotherapie die Heilungschancen im Vergleich zu alleiniger Chemotherapie verbessert. Eine vorangegangene Phase-II-Studie brachte hierzu ermutigende Ergebnisse: Es zeigte sich, dass Patienten, die auf die Hyperthermiebehandlung ansprechen, eine signifikant höhere Chance haben, nach einem Zeitraum von fünf Jahren tumorfrei zu leben. Issels übertrug das bei den Sarkomen erworbene Wissen mittlerweile auch auf Dick- und Enddarmkrebs sowie zuletzt auf das Pankreaskarzinom im lokoregional fortgeschrittenen Stadium. Auch hier wird untersucht, ob die Kombination von Chemotherapie bzw. Radiochemotherapie und Hyperthermie den Therapieerfolg verbessert. Für diese im Bauch oder im Becken sitzenden Tumoren besitzt die KKG ein neuartiges Hybridsystem, das aus dem Hyperthermiegerät und einem Kernspintomographen besteht. Mit diesem System kann der gesamte Bereich vom Becken bis unterhalb der Lunge auf einmal erwärmt werden. Mit Hilfe des Kernspintomographen wird dabei gleichzeitig verhindert, dass in so genannten „Hot Spots“ gesundes Gewebe durch zu hohe Temperaturen geschädigt wird. „In Deutschland sind unsere KKG im Klinikum Großhadern und die Charité in Berlin die einzigen Zentren, die als Modellvorhaben die Teilkörperhyperthermie durchführen“, berichtet Issels stolz. Unter Leitung der GSF wurde zwischen beiden Zentren über den Impuls- und Vernetzungsfonds der Helmholtz-Gemeinschaft für vorerst drei Jahre ein „Virtuelles Institut der Exzellenz“ eingerichtet. Im SIGMA-EYE-MR-Applikator, einem Hybridsystem aus Hyperthermiegerät und Kernspintomograph, erhalten Tumorpatienten Teilkörperbehandlungen. Die GSF ist neben der Charité in Berlin die einzige Einrichtung, die diese erweiterte Methode zur Verfügung stellt. Forschung am Krankenbett Entzündliche Lungenerkrankungen Entzündliche Lungenerkrankungen Chronische Bronchitis und andere Atemwegserkrankungen können auch durch inhalierte Partikel hervorgerufen werden. Die Klinische Kooperationsgruppe „Entzündliche Lungenerkrankungen“ der GSF analysiert in Zusammenarbeit mit den Asklepios-Fachkliniken die Mechanismen der Pathogenese. Mit ihrer Arbeit erschließt die Gruppe neue Wege für die Diagnostik und Therapie entzündlicher Lungenerkrankungen. n Gauting bei München hat die GSF auf dem Gelände der Asklepios-Fachkliniken die Klinische Kooperationsgruppe (KKG) „Entzündliche Lungenerkrankungen“ angesiedelt. Die KKG war die erste ihresgleichen, die Erkenntnisse aus dem Labor in die klinische Praxis überführte und umgekehrt klinische Ergebnisse in ihre weitere Grundlagen- I forschung einbaute. Sie ist dem GSF-Institut für Inhalationsbiologie angegliedert und arbeitet eng mit den Ärzten der Fachkliniken für Pneumologie und Thoraxchirurgie zusammen. Dadurch können die Forscher zum Beispiel Untersuchungsmaterial von Lungenpatienten der Klinik erhalten. 13 Forschung am Krankenbett Entzündliche Lungenerkrankungen Im Fokus der Gautinger KKG „Entzündliche Lungenerkrankungen“ steht die umweltbedingte, chronisch obstruktive Lungenerkrankung, kurz COPD (chronic obstructive pulmonary disease). Es bestehen Überschneidungen zu anderen Krankheitsbildern wie chronischer Bronchitis, Asthma und Emphysem. Die orangefarbenen Bereiche werden der COPD zugeordnet. Fatale Folgen feiner Teilchen Im Fokus der KKG steht die umweltbedingte chronisch obstruktive Lungenerkrankung, kurz COPD (chronic obstructive pulmonary disease). Hierzu gehören die chronisch obstruktive Bronchitis und das Lungenemphysem. Beim Emphysem wird Alveolargewebe abgebaut, was dazu führt, dass sich die für den Gasaustausch wichtige innere Oberfläche der Lunge verkleinert. COPD zählt zu den weltweit häufigsten Erkrankungen und war im Jahr 2001 die vierthäufigste Todesursache in Deutschland. Das Fatale an diesem Leiden: Derzeit angewandte Therapieformen lindern lediglich die Symptome, den Krankheitsverlauf können sie nicht stoppen. Auch die Diagnose COPD ist schwierig zu stellen. Die meisten Patienten mit COPD zeigen alle drei Symptome: Chronische Bronchitis, Emphysem und Schleimüberproduktion. Im Bronchialsekret von COPD-Patienten wies die Klinische Kooperationsgruppe eine MakrophagenPopulation nach, deren Zellen kleiner als die bisher bekannten Makrophagen sind und daher kleine Sputummakrophagen genannt werden. Der Anteil dieser Population macht normalerweise nur etwa zehn Prozent aller Makrophagen aus, kann bei COPD-Patienten aber auf bis zu 90 Prozent ansteigen. Die am Bildschirm zu erkennenden Zellen werden aus den Sputumproben isoliert und durch Zentrifugieren auf einen Objektträger aufgebracht. Mit Hilfe einer Pappenheim-Färbung können die zellulären Strukturen sichtbar gemacht werden, so dass auch eine morphologische Differenzierung vorgenommen werden kann. 14 Forschung am Krankenbett Entzündliche Lungenerkrankungen Kleine Sputummakrophagen verweisen auf COPD Die KKG erforscht den Einfluss von Partikeln auf die Mechanismen der Entstehung von COPD und will neue Diagnose- und Therapieverfahren entwickeln. Dr. Marion Frankenberger, Leiterin der Kooperationsgruppe und ihr Team analysierten zu diesem Zweck Lungenzellen von COPD-Patienten und wurden fündig: Die Wissenschaftler wiesen im Bronchialsekret der Patienten eine MakrophagenPopulation nach, deren Zellen kleiner als die bisher bekannten Makrophagen sind und daher kleine Sputummakrophagen genannt werden. Bei gesunden Menschen stellen Makrophagen die Hauptpopulation aller weißen Blutkörperchen in diesem Kompartiment dar. Ganz anders ist ihr Anteil in den Proben der erkrankten Patienten: Hier nimmt ihre Population nur 15 Prozent ein, circa 80 Prozent der Zellen sind neutrophile Granulozyten. Der Anteil der kleinen Sputummakrophagen, die normalerweise nur etwa zehn Prozent aller Makrophagen ausmachen, kann bei COPDPatienten auf bis zu 90 Prozent ansteigen. „Auch Asthma können wir auf diese Weise von COPD abgrenzen, da bei Asthmatikern die Konzentration der kleinen Sputummakrophagen nur wenig erhöht ist“, erklärt Marion Frankenberger. Entzündungsfördernde Gene aktiviert Makrophagen spielen in den Atemwegen und in der Peripherie der Lunge, den Alveolen, eine zentrale Rolle: Sie nehmen körperfremde Bakterien, Viren und auch Aerosolpartikel auf. Die bei COPD-Patienten gehäuft vorkommenden kleinen Sputummakrophagen produzieren große Mengen des TumorNekrose-Faktors (TNF). Dieses Zytokin fördert Entzündungsreaktionen und trägt so dazu bei, dass die chronische obstruktive Bronchitis entsteht und aufrechterhalten bleibt. „Wir vermuteten, dass luftgetragene Partikel bestimmte Gene dieser Makrophagen aktivieren“, so Frankenberger. Die Analyse der Genexpression bestätigte diese Annahme: Dieselruß- und Kohlenstoffpartikel bewirken hier, dass in der Makrophagen-ähn- lichen Zelllinie (Mono Mac 6) das Gen COX-2 vermehrt abgelesen wird. Zyklooxigenase-2, so der vollständige Name des Enzyms, das nach dem Bauplan des COX-2-Gens synthetisiert wird, ist an Oxidationen in der Lunge beteiligt. Sind viele COX-2-Enzyme aktiv, so entsteht eine große Anzahl oxidativ reaktiver Substanzen, die zunächst die Entzündungsreaktion in der Lunge verstärken. Daraufhin werden weitere Botenstoffe wie Leukotrien B4 (LTB4) und Prostaglandin E2 (PGE2) aktiviert, die ebenfalls die Entzündung beeinflussen. Dabei wirkt LTB4 stimulierend, während PGE2 eher dazu beiträgt, dass der Entzündungsprozess zum Stillstand kommt. Ob dies tatsächlich gelingt, hängt von der Verteilung dieser biologischen Signalstoffe und ihrer Empfängermoleküle, den Rezeptoren ab. „In einer Entzündungsreaktion greifen viele verschiedene Schritte ineinander“, so Frankenberger. „Wie dieses Netzwerk genau aufgebaut ist, wissen wir noch nicht. Fest steht aber, dass irgendwann in dieser Kette auch das Zytokin TNF aktiviert wird, das seinerseits den Entzündungsstatus in der Zelle aufrechterhält.“ In der untersuchten Zelllinie Mono Mac 6 fördern ultrafeine Partikel also die Genexpression entzündungsfördernder Proben von induziertem Sputum ermöglichen auf nichtinvasivem Wege, zelluläres Material aus der Lunge zu gewinnen. Die Ergebnisse können Aufschluss über den Entzündungsstatus in der Lunge geben. Eine neu in der KKG angewandte Methode, die Untersuchung von Exhalat - Luft, die beim Ausatmen aus der Lunge strömt - bereitet den Patienten noch weniger Unannehmlichkeiten. 15 Forschung am Krankenbett Entzündliche Lungenerkrankungen Auf der Suche nach wirksamen Therapieansätzen für COPD setzen Marion Frankenberger und ihre klinische Kooperationsgruppe große Hoffnung auf Vitamin A. Es nimmt direkten Einfluss auf die Enzyme von Makrophagen und kann so Schäden an Lungengewebe stoppen. und entzündungshemmender Mediatoren der Lunge. Ob die kleinen Teilchen auch Gene in Zellen von COPD-Patienten und in gesunden Probanden aktivieren, will die Gruppe um Frankenberger in Zukunft untersuchen. Irgendwann hoffen die Forscher, mit diesem Wissen entzündungsfördernde Gene stilllegen oder entzündungshemmende Prozesse verstärken zu können. Vitamin A gegen den Gewebeabbau Kontakt Dr. Marion Frankenberger GSF – Institut für Inhalationsbiologie KKG „Entzündliche Lungenerkrankungen“ Tel.: 0 89/89 32 37-30 frankenberger@gsf.de 16 Um den Verlauf von Entzündungserkrankungen in der Lunge zu verfolgen, müssen Ärzte und Wissenschaftler regelmäßig Entzündungsmarker kontrollieren. Bisher bereiteten invasive Methoden und auch die Entnahme von Sputum Patienten mit weit fortgeschrittener COPD große Unannehmlichkeiten. Doch damit ist nun Schluss: Die Kooperationsgruppe in Gauting kontrolliert anhand von Markern im Exhalat – in der Luft, die beim Ausatmen aus der Lunge strömt –, ob beispielsweise eine Cortisontherapie anschlägt. Nehmen Zytokine und Lipidmediatoren wie LTB4 und PGE2 während der Therapie ab, ist die Entzündung in der Lunge ebenfalls zurückgegangen. Mittels Markern im Exhalat wollen die Forscher der KKG in Zukunft auch kontrollieren, ob Vitamin A Gewebeschäden stoppen kann, die zu Emphysemen in den Alveolen führen. Zunächst transferierten die Wissenschaftler in Zellkulturtests Vitamin A, verpackt in kleine Fetttröpfchen, den Liposomen, gezielt in die Makrophagen. Deren Enzyme sind dafür bekannt, dass sie Lungengewebe abbauen. Beim gesunden Menschen sind die Protease MMP9 (Matrix Metalloproteinase 9) und ihr Inhibitor TIMP1 (Tissue Inhibitor of Matrix Metalloproteinasis) in gleichen Konzentrationen in den Makrophagen vorhanden. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass gerade soviel Lungengewebe abgebaut wird, wie neues gebildet wird. Bei COPD-Patienten dagegen liegt ein Ungleichgewicht vor: Das abbauende Enzym MMP9 kommt hier in viel höheren Konzentrationen vor als sein Gegenspieler TIMP1. „Klar, dass in diesem Fall die Lunge immer weiter verdaut wird“, sagt Frankenberger. Ein Rettungsanker könnte in diesem Prozess Vitamin A sein: Es senkt in Zelllinien die Protease MMP9 und aktiviert gleichzeitig den Inhibitor TIMP1. Zweifach fördert Vitamin A so den Schutz des Gewebes. „Wir planen derzeit entsprechende Phase-II-Studien und hoffen, dass sich unsere bisherigen Ergebnisse darin bestätigen“, so Frankenberger. COPD-Patienten wäre damit sehr geholfen: Durch gezielte Vitamin A-Therapie wären Gewebe abbauende Mechanismen in der Lunge herunterreguliert und inhalierte Partikel könnten weniger Schaden anrichten. Am 8. März 2006 wurde der Erfindung ein Europäisches Patent für ein „Mittel zur Behandlung von Erkrankungen des Trachen-Bronchialtraktes, insbesondere der COPD“ zugeteilt. Forschung am Krankenbett Hämatopoetische Zelltransplantation Pioniere der Knochenmarktransplantation Gerade durch die enge Vernetzung von Labor und Klinik haben sich Grundlagenforscher und Ärzte der GSF als Pioniere der Knochenmarktransplantation hervorgetan: 1975 rettete Prof. Hans-Jochem Kolb, heute Leiter der Klinischen Kooperationsgruppe „Hämatopoetische Zell-Transplantation“, gemeinsam mit Kollegen vom Krankenhaus Schwabing der Stadt München, einem Jugendlichen mit Knochenmarkversagen durch die Übertragung gesunden Knochenmarks das Leben. Es war die erste erfolgreiche Transplantation dieser Art in Deutschland. eukämie, eine Störung der Blutbildung im Knochenmark, führt ohne Behandlung zum sicheren Tod des Betroffenen. Deshalb hat man schon früh versucht, das kranke Knochenmark des Patienten zu zerstören und durch gesundes Mark von einem geeigneten Spender zu ersetzen. Ge- L meinsam mit Kollegen vom Krankenhaus Schwabing der Stadt München gelang es Prof. Hans-Jochem Kolb 1975, einem Jugendlichen mit Knochenmarkversagen (aplastischer Anämie) durch die Übertragung gesunden Knochenmarks das Leben zu retten. 17 Forschung am Krankenbett Hämatopoetische Zelltransplantation Hämatopoetische Zelltransplantation 1979 bis 2005 Seit der ersten erfolgreichen Knochenmarkstransplantation im Jahr 1975 nahm die Anzahl der unter Leitung von Prof. Kolb in München durchgeführten Transplantationen stetig zu. Ein sprunghafter Anstieg war im Jahr 1997 zu verzeichnen, als mit Mitteln der Deutschen Jose Carreras Leukämiestiftung eine neue Transplantationseinheit gegründet wurde. Während zuvor Patienten in München im Durchschnitt ein Jahr auf ein Bett warten mussten, gibt es seither kaum noch Wartezeiten. Pro Jahr können heute bis zu 170 Patienten transplantiert werden. 18 T-Zellen außer Gefecht gesetzt Der spektakulären Behandlung waren langjährige experimentelle Arbeiten am damaligen GSF-Institut für Immunologie unter Leitung von Prof. Stefan Thierfelder vorausgegangen. Zunächst mussten im Tierexperiment geeignete Bestrahlungsmethoden entwickelt werden. Damit ließen sich die entarteten Blutzellen im Körper leukämiekranker Patienten vernichten und zugleich Raum schaffen, den die gesunden Zellen des Transplantats besiedeln konnten. Doch damit war es nicht getan. Denn das gespendete Knochenmark enthält nicht nur die lebensnotwendigen Blut bildenden Stammzellen, sondern auch so genannte T-Zellen, die den Körper des Empfängers als fremd betrachten und dessen Organe und Gewebe angreifen. „Prof. Thierfelder hatte experimentell gezeigt, dass die Behandlung des Spenders mit Antiserum gegen T-Zellen diese bedrohliche Immunreaktion des Spenders gegen den Empfänger verhindern kann“, erinnert sich Prof. Kolb: Leukämiezellen im Knochenmark eines Patienten mit myeloblastischer Leukämie Forschung am Krankenbett Hämatopoetische Zelltransplantation „Allerdings kann man schlecht den menschlichen Spender mit Antiserum behandeln, um die Reaktion beim Patienten zu verhindern. Prof. Thierfelder hatte die Idee, einfach vor der Transfusion die T-Zellen aus dem Knochenmark zu entfernen“. 1978 behandelten die GSF-Ärzte im Haunerschen Kinderspital weltweit zum ersten Mal - ein leukämiekrankes Mädchen mit T-Zell-gereinigtem Spenderknochenmark; heute ist die „T-Zell-Depletion“ eine etablierte Methode bei der Knochenmarktransplantation. Adoptive Immuntherapie hilft Bereits ein Jahr später führte Prof. Thierfelder eine weitere Neuerung ein: Die Reinigung des Knochenmarks von Leukämiezellen. Damit kann auch das eigene Knochenmark zur Transplantation verwendet werden. Es wird während einer ruhigen Phase der Leukämie entnommen und mit einem Anti-Leukämie-Serum behandelt, das restliche Leukämiezellen ausmerzt. Das so vorbereitete Knochenmark erhält der Patient nach einer Ganzkörperbestrahlung zurück. Die Methode zeigt zwar Erfolge, kann aber nicht alle verbliebenen Leukämiezellen ausschalten. Bei der Suche nach einer besseren Lösung dieses Problems kam den Ärzten eine Besonderheit zugute, die das Knochenmark gegenüber allen anderen Organen auszeichnet: Es wird vom Immunsystem des Empfängers nur anfangs als Fremdkörper bekämpft und schon wenige Monate nach der Übertragung toleriert. Diese „Toleranz“ des Patienten gegenüber dem Spender-Knochenmark nutzten Prof. Kolb und seine Arbeitsgruppe für einen neuen Ansatz der Leukämie-Behandlung: Die adoptive Immuntherapie. Dabei werden eben jene T-Zellen des Spenders, die vor der Transplantation aus dem Knochenmark entfernt worden waren, dem mittlerweile „toleranten“ Patienten in einem zweiten Schritt wieder zugeführt, damit sie gezielt dessen restliche Leukämiezellen zerstören. „Wir haben als erste gezeigt, dass man bei einem transplantierten Patienten, bei dem die Leukämie wiedergekommen ist, mit der Gabe von T-Zellen des Spenders diese Leukämie beseitigen kann - und zwar ohne Chemo- oder Strahlentherapie“, betont Prof. Kolb. Zwar sind die KKG Hämatopoetische Zelltransplantation Drittmittelgeber Deutsche Forschungsgemeinschaft Krebshilfe Deutsche José CarrerasLeukämie-Stiftung e.V. Bundesministerium für Bildung und Forschung Selbst eingeworbene Drittmittel sind neben Zuwendungen von GSF und Ludwig-Maximilians-Universität ein wichtiges Standbein der Klinischen Kooperationsgruppe „Hämatopoetische Zelltransplantation“. Kröner Stiftung Wilhelm Sander Stiftung Europäische Union (Transeurope, Transnet, Eurocord) Nationales Genomforschungsnetzwerk klassischen Waffen gegen den Krebs, Chemikalien und Strahlen, noch immer unverzichtbar zur Vorbereitung jeder Knochenmarktransplantation. Doch durch anschließende adoptive Immuntherapie lässt sich die Dosis der vorangehenden Chemotherapie und Bestrahlung - und damit die Belastung des Patienten - erheblich vermindern. Über die Therapie der Leukämien hinaus kann möglicherweise mit Hilfe der von Kolb entwickelten Methode in Zukunft noch ein weiteres Problem gelöst werden: Die Transplantation von bislang nicht passenden Organen. Denn im Gegensatz zur klassischen Knochenmarktransplantation, bei der eine möglichst hohe Übereinstimmung zwischen dem Spender und dem Empfänger gegeben sein muss, ermöglicht Kolbs Methode auch die Übertragung von nicht passendem Knochenmark. Patienten, deren Körper solch ein Transplantat angenommen hat, könnten auch ein anderes Organ des Knochenmark-Spenders transplantiert bekommen, ohne dieses als fremd abzustoßen - eine neue Chance für die Transplantationsmedizin. Kontakt Prof. Dr. Hans-Jochem Kolb GSF-Institut für Molekulare Immunologie KKG „Hämatopoetische Zelltransplantation“ Tel.: 0 89/70 95-42 41 hans.kolb@ med.uni-muenchen.de 19 Forschung am Krankenbett Umweltdermatologie und Allergologie Pollen mit Mehrfachwirkung – Bahnbrechende Erkenntnisse für die Allergologie Pollen sind mehr als nur Allergenträger - sie können sich über die Freisetzung von Fettsäuren selbst den Weg für die Entwicklung einer allergischen Reaktion bahnen. Diese wichtige Entdeckung machte jüngst die Klinische Kooperationsgruppe „Umweltdermatologie und Allergologie“ der GSF unter Leitung von Prof. Dr. Heidrun Behrendt. ollen gehören - wie man lange weiß zu den wichtigsten Allergie auslösenden Substanzen in der Außenluft. Nach bisheriger Lehrmeinung wird die allergische Entzündungsreaktion dadurch ausgelöst, dass aus den Pollen freigesetzte Proteine, die Allergene, über Haut oder Schleimhaut in den menschlichen Körper gelangen und dort eine spezifische allergische Immunreaktion hervorrufen. Warum es jedoch durch diese Proteine zu einer „abnormen“ Immunreaktion mit der Bildung von ImmunglobulinE-Antikörpern kommt, ist bislang wenig bekannt. Diskutiert wurden T-Zell-abhängige oder individualspezifische Faktoren. Nun haben Wissenschaftler der Klinischen Kooperationsgruppe „Umweltdermatologie und Allergologie“ (KKG UDA) am Zentrum Aller- P 20 gie und Umwelt an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der Technischen Universität München unter Leitung von Prof. Heidrun Behrendt eine wichtige Entdeckung gemacht, welche die Allergologie einen großen Schritt voran bringen könnte: Bei ihren Untersuchungen zur Allergenfreisetzung fanden Dr. Claudia Traidl-Hoffmann und ihre Arbeitsgruppe eine gänzlich neue biologische Eigenschaft von Pollen: Diese setzen neben den Proteinen auch eine Reihe von ungesättigten Fettsäuren frei. „Im weiteren Verlauf unserer Untersuchungen stellten wir zu unserer Überraschung fest“, so Dr. Claudia Traidl-Hoffmann, Arbeitsgruppenleiterin der KKG UDA, „dass diese Fettsäuren eine direkte immunstimulatorische und -modulatorische Wirkung auf den Forschung am Krankenbett Umweltdermatologie und Allergologie KKG Umweltdermatologie und Allergologie Leitung: Univ. Prof. Dr. med. H. Behrendt AG Tierexperimentelle Allergiemodelle PD Dr. T. Jakob AG Klinisch-experimentelle Forschung PD Dr. U. Darsow AG Toxikologie & Expositionsforschung PD Dr. J. Buters AG Zelluläre Immunologie PD Dr. C. Traidl-Hoffmann menschlichen Organismus ausüben.“ Die demgemäß als pollenassoziierte Lipidmediatoren oder PALMs bezeichneten Substanzen sind tatsächlich in der Lage, auf direktem Wege menschliche Entzündungszellen wie neutrophile und eosinophile Granulozyten anzulocken und zu aktivieren. Darüber hinaus modulieren sie dendritische Zellen – zentrale Zellen des menschlichen Immunsystems – so, dass diese eine Allergie-fördernde Immunantwort in Gang setzen. Das heißt, dass Pollen viel mehr als nur Allergenträger sind: Sie können sich über die PALM-Freisetzung selbst den Weg für die Entwicklung einer allergischen Reaktion bahnen. PALMs – Schlüssel zu vielen Fragen? Damit war die Überraschung für die Mitarbeiter der Klinischen Kooperationsgruppe aber noch keineswegs perfekt: „Die beobachteten Effekte fanden wir nicht nur bei Allergen DC Allergikern, sondern auch bei Nicht-Allergikern“, so Traidl-Hoffmann. Dies eröffnet den Wissenschaftlern nun gänzlich neue Ansätze. Früher galt das Augenmerk sensibilisierten Patienten mit der Fragestellung, warum eine Allergie entsteht. Zukünftig kann man auch der Frage nachgehen, welche Mechanismen es sind, die bei Nicht-Allergikern die Entstehung einer Allergie verhindern. Möglicherweise können so PALMs zukünftig Antworten darauf geben, warum zu Zeiten starken Pollenflugs auch nicht-allergische Reaktionen des oberen Atemtrakts gehäuft auftreten. Noch ein weiteres Rätsel könnte durch die Entdeckung der PALMs in naher Zukunft gelöst werden: Man weiß aus epidemiologischen Studien, dass in Gebieten mit erhöhter Luftschadstoffbelastung mehr Menschen an Allergien leiden. Auch dafür könnten PALMs mitverantwortlich sein – denn: Die Klinische Kooperationsgruppe konnte auch nachweisen, dass Pollenkörner, die mit Luftschadstoffen belastet sind, ebenfalls verstärkt PALMs freisetzen. IL12niedrig Th1 (IFN-γ) (IL4) Die neu entdeckten PALMs könnten dafür mitverantwortlich sein, dass in Gebieten mit erhöhter Luftschadstoffbelastung, wie zum Beispiel entlang von befahrenen Straßen, mehr Menschen an Allergien leiden: Die Klinische Kooperationsgruppe konnte nachweisen, dass Pollenkörner, die mit Luftschadstoffen belastet sind, verstärkt PALMs freisetzen. Kontakt PALMs Th2 Die Klinische Kooperationsgruppe Umweltdermatologie und Allergologie untersucht den Einfluss von Umweltfaktoren auf allergische Erkrankungen und entwickelt dabei neue Ansätze in Diagnostik und Therapie allergischer Erkrankungen. Die vier Arbeitsgruppen sind sowohl im Klinikbereich als auch in der GSF etabliert. PC IgE Neu entdeckte Botenstoffe: Die von Pollen auf der Schleimhaut freigesetzten pollenassoziierten Lipidmediatoren (PALMs) ziehen neben dem spezifischen Effekt eine unspezifische Aktivierung und Modulierung des Immunsystems nach sich und bahnen somit den Weg für die Entwicklung einer allergischen Reaktion. (DC = Dendritische Zelle, Th1/Th2 = T-Helferzellen des Immunsystems, IgE = Immonglobulin E-Antikörper) Prof. Dr. Heidrun Behrendt ZAUM – Zentrum Allergie und Umwelt GSF – KKG „Umweltdermatologie und Allergologie“ Tel.: 0 89/41 40-34 50 Heidrun.Behrendt@lrz. tu-muenchen.de 21 Forschung am Krankenbett Immunregulation im Kindesalter Husten ist nicht gleich Husten – Erstmals immunspezifische Marker gefunden Die Klinische Kooperationsgruppe „Immunregulation im Kindesalter“ hat sich auf die Suche nach immunspezifischen Markern begeben, mit deren Hilfe eine diagnostische Unterscheidung von allergischem Husten gegenüber Husten anderer Ursachen erleichtert wird und damit gezieltere Therapieansätze als bisher möglich sind. Und sie hat einen ersten Erfolg erzielt. usten ist ein weit verbreitetes Symptom, besonders bei Kindern und Säuglingen. Die Ursachen für Husten können vielfältig sein: So kann Husten zum Beispiel das alleinige Symptom von allergischem Asthma sein. Eine klare diagnostische Differenzierung ist bislang schwierig. Sie wäre aber wichtig, da man Husten bei allergischem Asthma anders behandelt als H 22 beispielsweise Husten bei viralen Infektionen, wie sie im Kindesalter häufig sind. Die Klinische Kooperationsgruppe „Immunregulation im Kindesalter“ hat sich auf die Suche nach immunspezifischen Markern begeben, mit deren Hilfe eine diagnostische Unterscheidung von allergischem Husten gegenüber Husten anderer Ursachen erleichtert Forschung am Krankenbett Immunregulation im Kindesalter wird und damit gezieltere Therapieansätze als bisher möglich sind. Und sie hat einen ersten Erfolg erzielt: „Ein möglicher Schlüssel liegt in den Th1-/Th2- bezogenen pulmonalen Chemokinen und ihren Rezeptoren“, erläutert Dr. Susanne Krauss-Etschmann, Leiterin der KKG. In einer eben abgeschlossenen klinischen Studie untersuchte ihre Gruppe 12 Kinder mit allergischem Asthma, 15 Kinder mit chronischem Husten ohne atopischen Hintergrund sowie 10 Kinder ohne jegliche Erkrankung der Atemwege. Unter anderem bestimmte man die Konzentration der pulmonalen Chemokine und der entsprechenden rezeptortragenden Lymphozyten in der bronchoalveolären Lavage der Kinder. Das Ergebnis: Bei den Kindern mit allergischem Asthma war der Gehalt zweier Arten von pulmonalen Chemokinen sowie von spezifischen Lymphozyten deutlich erhöht. Umgekehrt fanden sich bei den übrigen Kindern ohne asthmatischen Hintergrund höhere Konzentrationen an anderen Chemokinen sowie spezifischen Lymphozyten. Die Analyse dieser neu identifizierten Marker stellt nicht nur einen wesentlichen Beitrag zur differenzierten Diagnostik von allergischen und nichtallergischen Atemwegserkrankungen in Aussicht. In einem nächsten Schritt will die KKG nun die Suche nach den Immunmarkern auch in Sputumproben fortsetzen, so dass zukünftig auf das invasive Verfahren der Bronchoalveolarlavage verzichtet werden kann. Weiter sollen die Ergebnisse bei einer größeren Fallzahl von Kindern prospektiv überprüft werden, ehe sie dann im klinischen Alltag eingesetzt werden können. Th1 –/Th2 – assoziierte Chemokine und Rezeptoren Virale Infektionen Kontakt Dr. Susanne KraussEtschmann Asthma Bei Kindern mit allergischem Asthma ist der Gehalt an den pulmonalen Chemokinen TARC und MDC sowie an CCR4+CD4+-Lymphozyten deutlich erhöht. Umgekehrt finden sich bei den übrigen Kindern ohne asthmatischen Hintergrund höhere Konzentrationen an ITAC und IFN- sowie CXCR3+ CD8+-Zellen. Die von der Klinischen Kooperationsgruppe „Immunregulation im Kindesalter“ neu identifizierten Marker leisten einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung einer differenzierten Diagnostik allergischer gegenüber nichtallergischen Atemwegserkrankungen. GSF-Institut für Molekulare Immunologie KKG „Immunregulation im Kindesalter“ Tel 089/5160-7706 susanne.krauss-etschmann @gsf.de 23 Forschung am Krankenbett Pädiatrische Tumorimmunologie Epstein-Barr-Viren Wegweisende Strategie zur Entwicklung von Krebsimpfstoffen Um spezifische Impfstoffe gegen bösartige Erkrankungen entwickeln zu können, müssen geeignete Zielantigene identifiziert werden. Von der Klinischen Kooperationsgruppe „Pädiatrische Tumorimmunologie“ wurde kürzlich dank eines neuen Verfahrens ein strategischer Durchbruch bei der Suche nach T-Helferzell-Antigenen von Krebszellen errungen. Erste so identifizierte Antigene lieferten vielversprechende Ansatzpunkte für die Immuntherapie virusassoziierter Tumoren. Von diesem Verfahren erwartet sich die Gruppe einen entscheidenden Beitrag zur Immuntherapie von Krebs bei Erwachsenen und Kindern. n rund 15 Prozent aller menschlichen Tumoren, so schätzt man, sind Viren als Kofaktoren beteiligt. So spielt das im Jahr 1964 entdeckte, zu den Herpesviren gehörende Epstein-Barr-Virus (EBV) bei verschiedenen Krebserkrankungen eine Rol- A 24 le, unter anderem bei EBV-assoziierten Lymphomen immunsupprimierter Patienten. Schon lange ist bekannt, dass EBV lebenslang im infizierten Individuum verbleibt, und dass das Immunsystem bei der Überwindung der aktiven Infektion eine entscheidende Rol- Forschung am Krankenbett Pädiatrische Tumorimmunologie Die KKG „Pädiatrische Tumorimmunologie“ hat entdeckt, dass T-Helferzellen EBV-infizierte Zellen erkennen können, bevor das Virus sich in diesen Zellen vermehrt: Sie erkennen Proteine der Virushülle und können Zellen, die diese Hüllantigene präsentieren, ausschalten. Auf diese Weise kann die EBV-Streuung und möglicherweise die EBV-assoziierte Lymphomentstehung verhindert werden. le spielt. Welchen Beitrag T-Helferzellen zu der Kontrolle der Virusinfektion leisten, war bis heute kaum untersucht worden. Mit ihrer Klinischen Kooperationsgruppe „Pädiatrische Tumorimmunologie“ hat deren Leiterin Dr. Uta Behrends die EBV-Immunerkennung durch T-Helferzellen näher unter die Lupe genommen. Ihr Ziel war es, Antigene des EBV zu identifizieren, die von T-Helferzellen erkannt werden. Behrends und ihre Mitarbeiter konnten zeigen, dass T-Helferzellen EBV-infizierte Zellen erkennen, bevor das Virus sich in diesen Zellen vermehrt. Die T-Helferzellen erkennen Proteine der Virushülle und können Zellen, die diese Hüllantigene präsentieren, ausschalten. Diese Ergebnisse weisen auf eine zentrale Bedeutung der T-Helferzellen, sowohl bei der Kontrolle der primären Virusstreuung als auch bei der Elimination von Zellen, in denen die aktive Virusinfektion zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufflackert. Zu diesen zählen neben gesunden B-Lympho- zyten die EBV-positiven Tumorzellen. T-Helferzellen mit Spezifität für EBV-Hüllproteine stellen damit wichtige, neue Ansatzpunkte für die Immuntherapie von lebensbedrohlichen EBV-assoziierten Erkrankungen dar. Mittlerweile konnte die Klinische Kooperationsgruppe um Uta Behrends eine Methode entwickeln, mit der T-Helferzell-Antigene nicht nur bei EBV, sondern prinzipiell auch bei anderen Viren, Bakterien und z.B. Tumorzellen sehr schnell und zuverlässig identifiziert werden können. Dieses so genannte DANIVerfahren wurde kürzlich zum Patent angemeldet und als wegweisend für eine Anwendung in der Medizin anerkannt. Uta Behrends und ihre Arbeitsgruppe hoffen, dass sie mit dem neuen Verfahren in nächster Zeit verschiedene Zielantigene für Vakzine gegen infektiöse Erreger und Tumoren identifizieren und so zur verbesserten Behandlung der betroffenen Patienten beitragen können. Kontakt Dr. Uta Behrends GSF-Institut für Klinische Molekularbiologie und Tumorgenetik KKG „Pädiatrische Tumorimmunologie“ Tel.: 0 89/30 68-2932 uta.behrends@lrz.tum.de 25 Forschung am Krankenbett Neurogenetik Vom Modell zum Patienten – Neue Wege in der Depressionsforschung Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass Depressionen zusammen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Jahr 2020 die größte Gruppe von Erkrankungen bilden werden. In der Klinischen Kooperationsgruppe „Molekulare Neurogenetik“ versuchen GSF- und Max-PlanckWissenschaftler gemeinsam, die molekularen Mechanismen und Ursachen von Depression und Angststörungen aufzuklären und damit neue Ansätze für geeignete Therapieformen zu finden. Nun haben sie in einer klinischen Studie festgestellt, dass der Hormonhaushalt bei Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen deutliche Veränderungen aufweist. Damit Kontakt Prof. Dr. Wolfgang Wurst könnten vielleicht schon in naher Zukunft Medikamente auf hormoneller Ebene als Alternative zu klassischen Antidepressiva zum Einsatz kommen. GSF-Institut für Entwicklungsgenetik KKG „Molekulare Neurogenetik“ Tel.: 0 89/31 87-41 11 wurst@gsf.de 26 mmer noch hält sich eine Reihe von Vorurteilen, die Depression mit Charakterschwäche oder Versagen gleichsetzen und Vorstellungen von einem unbehandelbaren Schicksal nach sich ziehen. Was aber sind Depressionen im medizinischen Sinne? Das Krankheitsbild umfasst affektive Störun- I gen, die sich durch deutlich ausgeprägte und fortdauernde gereizt-gedrückte Stimmung oder den Verlust von Interessen und Freude an üblichen Aktivitäten kennzeichnen lassen. Bei der Suche nach Ursachen für Depressionen geht man grundsätzlich von einem multifaktoriellen Zusammenwirken genetischer Forschung am Krankenbett Neurogenetik Wolfgang Wurst und seine Mitarbeiter erstellten nun auf der Grundlage dieser Beobachtung ein Mausmodell: Durch gezielte genetische Veränderung des CRH-Rezeptors Typ 1 (CRH-R1) in der Maus konnten sie auf- zeigen, dass dieser in einem bestimmten Gehirnareal, dem limbischen System, das Angstverhalten reguliert – und zwar unabhängig von seiner Rolle im Rahmen der HHNAchse. Überdies konnte die KKG auch zeigen, dass der CRH-R1 eine wichtige Rolle bei Stress-induziertem Alkoholkonsum spielt. Diese Ergebnisse untermauern die Bedeutung des CRH-R1 für die Entstehung psychiatrischer Erkrankungen. „Mit dieser Erkenntnis gehen wir nun wieder zurück in die Klinik,“ schildert Dr. Jan Deussing vom MaxPlanck-Institut das Vorgehen. „In ersten klinischen Studien konnten wir schon bestätigen, dass spezifische CRH-R1-Antagonisten einen antidepressiven Effekt haben.“ Damit ist der Weg bereitet, um vielleicht schon in naher Zukunft über weitere Studien CRH-R1-Antagonisten als Alternative zu klassischen Antidepressiva zu etablieren. Crhr1 loxP/loxP CaMK Bei Patienten mit Depression findet man, ähnlich wie in Stresssituationen, in welchen die körpereigene Stressachse (Hypothalamus – Hypophyse – Nebenniere) aktiviert wird, eine Erhöhung des Cortocotropin-Releasing Hormons (CRH) im Gehirn. Im Tiermodell konnte gezeigt werden, dass die Erhöhung von CRH im Gehirn zu Verhaltensänderungen führt, die auch bei der Depression beobachtet werden können. Crhr1 loxP/loxP CaMK CRHR1 Hier setzt die Arbeit der Klinischen Kooperationsgruppe „Molekulare Neurogenetik“ an, die gemeinsam von dem GSF – Institut für Entwicklungsgenetik unter Leitung von Prof. Wolfgang Wurst und dem Max-Planck-Institut für Psychiatrie unter Leitung von Prof. Florian Holsboer getragen wird. „Unser Ziel ist es, die molekularen Mechanismen und Ursachen von Depression und Angststörungen aufzuklären und damit neue Ansätze für geeignete Therapieformen zu finden“, so Wolfgang Wurst. Zu diesem Zweck überprüfen die GSF-Wissenschaftler zusammen mit den Kollegen vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie Befunde an eigens dafür entwickelten Mausmodellen, welche die Klinikstudien nachbilden. Jüngst haben sie einen Anhaltspunkt aus der klinischen Forschung erhalten, der möglicherweise die Ursachenforschung bei Depressionen einen großen Schritt voranbringen könnte: Sie untersuchten bei den Teilnehmern einer klinischen Studie deren Hormonhaushalt und entdeckten Veränderungen im komplexen Wechselspiel zwischen dem Corticotropin-Releasing Hormon (CRH) und seinen Rezeptoren. Das CRH spielt eine Schlüsselrolle bei der Koordinierung der physiologischen Antwort des Organismus auf Stress, indem es die Stresshormon-Antwort über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren- (HHN-) Achse reguliert. Darüber hinaus ist das CRH aber auch in der Lage, direkt im Gehirn Verhaltensweisen zu beeinflussen, die bei der Stressbewältigung von Bedeutung sind. Die Beobachtung, dass Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen vermehrt CRH in der Hirnflüssigkeit, eine verminderte Dichte von CRH-Rezeptoren im frontalen Kortex und erhöhte Stresshormon-Spiegel (Cortisol) im Blut aufweisen, lassen auf eine zentrale Rolle des CRH bei der Entstehung und dem Verlauf von Depressionen und Angsterkrankungen schließen. Stress/Depression CRHR1 Vorbelastungen und unbewältigter Belastungen in der Lebensumwelt aus. Mäuse (Crhr1loxp/loxpCaMKCre), denen durch gezielte genetische Veränderung der Rezeptor1 für CRH im Vorderhirn - speziell dem limbischen System – fehlt (c,d,f im Vergleich zu a,b,e), sind im Gegensatz zu ihren genetisch nicht veränderten Geschwistertieren (Crhr1loxp/loxpCaMK), weniger ängstlich. 27 Technik und Know-how für alle Klinische Forschungsplattformen in der GSF Gemeinsam stark Klinische Forschungsplattformen in der GSF Neu ist der Gedanke keineswegs: Wissenschaftler verschiedener Disziplinen betreiben eine gemeinsame Forschungseinheit, in welcher sie auf gemeinsame Ressourcen zugreifen, gemeinsame Kommunikationswege nutzen und gemeinsame Studien entwerfen. Ziemlich neu ist aber die Einrichtung von Forschungsplattformen an der Schnittstelle zwischen Labor und Krankenbett. Die GSF unterhält bereits drei davon – Instrumente der Translationsforschung par excellence. ie GSF unterhält – neben wichtigen experimentell ausgerichteten Einrichtungen wie der deutschen Mausklinik oder dem Genomanalysezentrum – auch drei Forschungsplattformen in Kliniknähe. Diese widmen sich jeweils interdisziplinär speziellen Fragestellungen und setzen gemeinsam ihre Erkenntnisse konsequent für Prävention, Diagnose und Therapie von Krankheiten um. Es sind dies die Immunmonitoring-Plattform, die Antikörper-Plattform, sowie das Untersuchungszentrum KORA. D 28 Unter Leitung von Prof. Dr. Dolores Schendel entwickeln, standardisieren und validieren die Mitarbeiter der Immunmonitoring-Plattform laufend neue Verfahren zur bestmöglichen Überwachung der Immunantwort im Rahmen klinischer Studien. Denn nur mit einer Vielfalt von Methoden können die individuell an den Patienten angepassten Therapieformen auch optimal in ihrer Wirkung kontrolliert werden. Klinische Partner profitieren von den neuesten Technologien der Plattform, ohne selbst die komplexen Verfahren bei sich etablieren zu müssen. Technik und Know-how für alle Die ImmunmonitoringPlattform In der Forschungsplattform Monoklonale Antikörper produzieren Dr. Elisabeth Kremmer und ihre Arbeitsgruppe bereits seit 1995 Antikörper in hoher Qualität und in großem Maßstab. In engem Austausch mit den Auftraggebern aus der Forschung entwickeln sie für jeden Bedarf die am besten geeigneten Antikörper. Für die besondere Qualität der Antikörper hat die Medizinerin zusammen mit Kollegen im Jahr 2000 den Erwin-Schrödinger-Preis erhalten. Ebenfalls in Kliniknähe hat die Gesundheitsplattform KORA der GSF ihren Sitz. Die Wissenschaftler verwalten dort einen Datenschatz, den sie zusammen mit ihrem Partner vor Ort, dem Zentralklinikum Augsburg, über einen Zeitraum von über 20 Jahren gesammelt haben. Dank der detaillierten Untersuchung und Befragung von mittlerweile rund 18.000 Studienteilnehmern können vielfältige Fragestellungen zu den Risikofaktoren sämtlicher Herz-Kreislauf-Erkrankungen bearbeitet werden. An den Studien beteiligen sich zahlreiche externe Partner aus anderen Forschungseinrichtungen, Kliniken und Universitäten. Sie profitieren von dem exzellenten Datenmanagement und der großen Expertise der Mitarbeiter der KORA-Plattform. Alle drei Einrichtungen kooperieren weltweit vernetzt mit Forschungspartnern und bringen so immer wieder ganz neue Strategien zur klinischen Anwendung. Technik und Know-how für alle Die Immunmonitoring-Plattform der GSF Mit Hilfe neuester Technologien können heute Immunantworten bei Patienten, die im Rahmen klinischer Studien behandelt werden, zuverlässig überwacht werden. Zu diesem Zweck richteten die GSF-Institute für Molekulare Immunologie und für Molekulare Virologie im Jahre 2004 gemeinsam eine Immunmonitoring-Plattform ein, die heute allen Klinischen Kooperationsgruppen der GSF, aber auch externen Klinikpartnern zur Verfügung steht. ie wachsende Kenntnis über die Rolle des Immunsystems bei der Entstehung von malignen und infektiösen Erkrankungen hat zu neuen Ansätzen für deren Behandlung geführt. So hofft man heute, mit Immuntherapien das körpereigene Abwehrsystem bald gezielt gegen Viren und Tumorzellen mobilisieren zu können. Über die Hälfte der von der GSF eingerichteten Klini- D schen Kooperationsgruppen widmet sich schwerpunktmäßig diesem Forschungsbereich. Ihr gemeinsames Ziel ist es, neue Immuntherapien zu entwickeln und in der klinischen Anwendung umzusetzen sowie im Rahmen der klinischen Studien Immunreaktionen bei Patienten zu erkennen und sie quantitativ zu bewerten. 29 Technik und Know-how für alle Die ImmunmonitoringPlattform Zellsortierung in der Immunmonitoring-Plattform der GSF: Zellen, die zuvor mit Fluoreszenzfarbstoffen markiert wurden, werden im Zellsortierer (Bild oben) mit Hilfe eines abreißenden Flüssigkeitsstrahls sortiert. Die sortierten Zellen stehen nun für weitere Experimente oder Messungen zur Verfügung. Stationen der Zellsortierung Durchflusszytometer Laserstrahl 1. Zellsuspension 4. Zellkultur, Analyse, etc. 2. Anfärbung 3. Zellsortierung Für eine exakte Überwachung dieser Immunantworten hat die GSF im Jahr 2004 eine eigene Immunmonitoring-Plattform in Kliniknähe geschaffen. Kollegen aus der Klinik erhalten hier nicht nur Zugang zu neuesten und 30 leistungsfähigsten Technologien. Sie haben auch stets hoch spezialisierte Experten an ihrer Seite, die mit ihnen gemeinsam maßgeschneiderte Monitoringverfahren für ihre klinischen Studien entwickeln. Technik und Know-how für alle Die ImmunmonitoringPlattform Methode der Wahl für jeden Bedarf Meist reicht ein einzelnes diagnostisches Verfahren nicht aus, um die vielschichtigen Folgen verschiedener therapeutischer Maßnahmen auf das Immunsystem zu erfassen. Denn das Besondere an diesen Behandlungen ist, dass sie für jeden Patienten individuell angepasst sind. „Wir brauchen in der Tat ein ganzes Methodenarsenal, aus dem wir nach Bedarf die jeweils geeigneten Verfahren auswählen“, erklärt Prof. Dolores Schendel, Direktorin des GSF-Instituts für Molekulare Immunologie und Leiterin der Immunmonitoring-Plattform. Einerseits stehen hierfür etablierte Methoden zur Verfügung, andererseits werden die Verfahren fortwährend weiterentwickelt und verbessert. „Wenn uns beispielsweise bei einer Therapiestudie die Antigene nicht bekannt sind, kontrollieren wir mit Hilfe von TZell-Untersuchungen, Zytokinmessungen im Mikromilieu und PCR-Analysen den Verlauf der Immunantwort“, erklärt Schendel. Sind dagegen die immunogenen Antigene bereits definiert, ohne dass man die individuellen MHC-Restriktionselemente kennt, werden andere Vorgehensweisen nötig. Und schließlich: Kennt man bereits die spezifischen Epitope und MHC-Restriktionselemente, bedient man sich fluoreszenzmarkierter MHCPeptid-Komplexe als Marker für das Monitoring. Auch externe Klinikpartner profitieren Die Gruppe um Schendel bildet einen wichtigen Bestandteil der gesamten PlattformTechnologie für die translationale Medizin: Eine Kerneinheit von qualifizierten Wissenschaftlern und technischem Personal standardisiert und validiert vielfältige Immunmonitoring-Tests und stellt dadurch sicher, dass die klinischen Partner die neuesten Technologien nutzen können, ohne selbst viele komplizierte Methoden etablieren zu müssen. Dies gilt natürlich nicht nur für die GSF-eigenen Klinischen Kooperationsgruppen, sondern auch für externe Kooperationspartner: Seit langem mit im Boot sind das Institut für Me- Monitoringverfahren auf der GSF – Plattform Sterile Zellsortierung T-Zell-Rezeptor-Analysen Multiparameter-Zytometrie Untersuchung des T-Zell-Rezeptor-Vorrats Nachweis spezieller Zellpopulationen durch Antikörperfärbung Typisierung von Zytokinen und humanen Leukozyten-Antigenen ELISPOT-Quantifizierung der Immunantwort spezifischer T-Lymphozyten anhand ihrer Zytokinproduktion Bildgebung für lebende Zellen dizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene der Technischen Universität München sowie das Labor für Tumorimmunologie der Urologischen Klinik des Klinikums Großhadern der Ludwig-Maximilians-Universität München. Neben der Betreuung klinischer Studien betreiben die Mitarbeiter in der Immunmonitoring-Plattform auch Grundlagenforschung, die wertvolle Beiträge für das grundlegende Verständnis der zellulären und molekularen Regulation der menschlichen Immunantwort liefert. ELISPOT vorher nachher Immunmonitoring Anhand ihrer Zytokinproduktion wird mittels ELISPOT die Immunantwort spezifischer TLymphozyten quantifiziert: Eine Farbreaktion macht die aktivierten Lymphozyten (Spots) sichtbar (rechtes Bild), ihre Anzahl dient als Maß für die Reaktivität des Immunsystems und ermöglicht so eine standardisierte Beurteilung der Immunreaktion im Therapieverlauf. Kontakt Prof. Dr. Dolores Schendel GSF-Institut für Molekulare Immunologie Tel.: 0 89/70 99-3 01 schendel@gsf.de 31 Technik und Know-how für alle Die Antikörper-Plattform Service auf höchstem Niveau Monoklonale Antikörper nach Maß Vom Immunsystem seit Jahrmillionen etabliert, sind Antikörper schon seit langem nicht mehr aus Forschung und Therapie wegzudenken. Gute Antikörper herzustellen ist aber eine Sache für Spezialisten – und nicht jede Einrichtung hat dafür so hervorragende Möglichkeiten wie die GSF. Mit ihrer Forschungsplattform Monoklonale Antikörper stellt sie eine wichtige Schnittstelle im Netzwerk der Gesundheits- und Umweltforschung dar. ereits Anfang der 80er Jahre gründete Dr. Manfred Eulitz, damals als Wissenschaftler am GSF-Institut für Immunologie tätig, eine Lehrgruppe, die monoklonale Antikörper produzierte. Grundidee der Lehrgruppe war, dass sich jeder daran interessierte GSF-Wissenschaftler das nötige Wissen aneignen konnte, um die von ihm gewünschten monoklonalen Antikörper B 32 selbst entwickeln zu können. Bald stellte sich jedoch heraus, dass die hierbei zu bewältigenden logistischen Anforderungen für die meisten Labore zu hoch waren. Daher wurde die Lehrgruppe in eine Serviceeinrichtung umgewandelt. Heute leitet Dr. Elisabeth Kremmer die Forschungsplattform Monoklonale Antikörper am GSF-Institut für Molekulare Immunologie. Technik und Know-how für alle Die Antikörper-Plattform Produktion im großen Maßstab „Unsere Arbeitsgruppe ist heute in der Lage, kontinuierlich die Antikörper herzustellen, die genau auf die Bedürfnisse der anfragenden Wissenschaftler abgestimmt sind“, erklärt Kremmer. „Mit dem neuen Servicekonzept produzieren wir seit 1995 in kurzer Zeit maßgeschneiderte monoklonale Antikörper in hoher Qualität, pro Jahr gegen 300 verschiedene Antigene, Tendenz steigend.“ Dabei ist die Gruppe um Kremmer äußerst flexibel: Gemeinsam mit dem Auftraggeber besprechen sie, welches Antigen sich für die Produktion der gewünschten Antikörper am besten eignet. „Manche Proteine lösen keine oder nur eine sehr schwache Immunantwort aus, sie sind nicht immunogen“, erläutert Kremmer. „Gegen sie kann man keine Antikörper herstellen. Mit den Partnern zusammen suchen wir dann nach geeigneteren Antigenen.“ Hat man eine immunogene Substanz gefunden, wird gegen diese im Tiermodell eine Immunantwort erzeugt. Die dabei aktivierten und gegen das Antigen gerichteten B-Zellen der Körperabwehr werden entnommen und mit einer Tumorzelllinie, einer so genannten Myelomzelllinie, verschmolzen. „Dabei geht die gewünschte Eigenschaft der B-Zelle, einen spezifischen Antikörper zu produzieren, auf die Myelomzelle über und es entsteht ein so genanntes Hybridom“, erläutert Kremmer. Dieses wird nun in der Zellkultur vermehrt, die ins Medium abgesonderten Antikörper entnommen und zu dem Antigen gegeben. „Bindet der Antikörper spezifisch und stark an das eingesetzte Antigen, so hat es die gewünschte hohe Affinität und Spezifität. Für die weitere Charakterisierung werden die Antikörper an die Partner verschickt“, so Kremmer. Gute Antikörper herzustellen ist eine Sache für Spezialisten – und über die verfügt die Serviceeinheit der GSF: Mit erfahrenem Blick erkennen ihre Mitarbeiter, welche Zellen so gut gewachsen sind, dass es sich lohnt, sie zu testen. „Alle Wachstumsmedien und Reagenzien werden von uns auf ihre Eignung für die Hybridomherstellung überprüft“, sagt Kremmer. „Dadurch sparen wir Zeit.“ Weniger die Laborausstattung als dieses Können, Sorgfalt und langjährige Erfahrung verbunden mit einem feinen Gespür dafür, ob etwa eine Kultur noch einen zusätzlichen Mediumwechsel braucht, gewährleisten den hohen Qualitätsstandard der Serviceeinheit. Wissenschaftler aus aller Welt lassen bei der GSF-Antikörperplattform ihre Antikörper anfertigen. Mit nur vier Mitarbeitern stellt Dr. Elisabeth Kremmer, Leiterin der Plattform, jährlich etwa 300 hochspezifische Antikörper her. Neben den hohen Qualitätsstandards schätzen die Auftraggeber an der Service-Plattform besonders die intensive Betreuung noch lange nach der Produktion. Hohe Effizienz auch ohne Hightech „Besonders effektiv sind wir, obwohl oder gerade weil wir ohne spezielle Geräte wie Pipettierroboter, Einfriermaschinen und Bioreaktoren arbeiten“, sagt Kremmer. „Mit nur vier Mitarbeitern stellen wir etwa 30 unterschiedliche Hybridome pro Woche her, die wir in Kulturflaschen vermehren.“ Viel zu aufwändig wäre es, einen Bioreaktor für die geringen Antikörpermengen, die angefordert werden, zu bestücken. Außerdem kann, falls versehentlich mal eine Kulturflasche mit Bakterien verunreinigt wurde, diese eine Kultur schnell entsorgt werden, während alle anderen weiter wachsen können. „Ein Bioreaktor müsste in diesem Fall komplett gereinigt werden und alle zu dieser Zeit darin befindlichen Zellen wären auf einen Schlag unbrauchbar“, so Kremmer. Für die besonders hohe Qualität der Antikörper hat die Medizinerin bereits zusammen mit ihren Kollegen Dr. Martin Lipp und Dr. Reinhold Forster vom Max-Delbrück-Zentrum Mit erfahrenem Blick erkennen die Spezialisten der Antikörperplattform, welche Zelllinien so gut gewachsen sind, dass es sich lohnt, sie für die Antikörperherstellung zu testen. Langjährige Erfahrung zählt dabei mehr als jede hochtechnische Laborausstattung. 33 Technik und Know-how für alle Die Antikörper-Plattform Detektive für die Forschung Antikörper sind komplizierte Proteinstrukturen, die durch die Variation von Aminosäuren in bestimmten Bereichen der Proteinketten mit chemischen Strukturen verschiedenster Art reagieren können. Die Fähigkeit des Organismus, auf eingedrungene Noxen mit Antikörperbildung zu reagieren, hat sich im Laufe vieler Millionen Jahre entwickelt. Vorläuferstrukturen der Antikörper haben schon Knorpelfische. Dass sie viele verschiedene chemische Strukturen sehr spezifisch binden können, macht die Antikörper zusammen mit immunologischen Nachweisverfahren wie Radio- und Enzymimmunoassays „RIA“ und „ELISA“ zu einmaligen Detektiven in der Forschung. Die normale Antikörperantwort des Körpers nach Antigen- Die Fähigkeit des Organismus, auf eingekontakt hat jedoch einen Nachteil: Sie ist inhomogen, weil drungene Fremdstoffe mit der Bildung von Antikörpern zu reagieren, hat sich im Laufe sie aus einem Gemisch spezifisch und weniger spezifisch von Jahrmillionen entwickelt. Vorläufer der bindender Antikörper besteht. Hieraus hochreine Moleküle klassischen Y-Struktur von Antikörpern, die zu isolieren ist mühsam, zeitaufwändig und nicht selten sehr viele chemische Strukturen an sich erfolglos. Dank der Arbeiten von Georges Köhler und Cesar binden können, finden sich schon in KnorMilstein können heute aus der Vielzahl möglicher Antikör- pelfischen wie dem Ammenhai. per diejenigen ausgewählt werden, die das gewünschte Antigen mit hoher Spezifität binden. Für diese 1975 veröffentlichte Hybridom-Technologie erhielten beide Forscher 1984 den Nobelpreis für Medizin. Als Endprodukt dieses Verfahrens werden Zellen ausgewählt, die nur noch einen einzigen Antikörper der geforderten Spezifität produzieren. Kontakt Dr. Elisabeth Kremmer GSF-Institut für Molekulare Immunologie Tel.: 0 89/70 99-3 21 kremmer@gsf.de 34 für Molekulare Medizin sowie Dr. Eckhard Wolf vom Genzentrum der Universität München den Erwin-Schrödinger-Preis 2000 erhalten. Dass neben GSF-Forschern auch Wissenschaftler verschiedenster Universitäten und Forschungseinrichtungen weltweit ihre Antikörper von der GSF-Plattform anfertigen lassen, liegt auch an der speziellen Betreuung nach dem Versand: Noch viele Jahre später kann die Arbeitsgruppe einmal in Auftrag gegebene Antikörper nachliefern, weil sie alle bisher hergestellten Hybridome, eindeutig gekennzeichnet, in flüssigem Stickstoff aufbewahrt. Außerdem unterstützen die GSFMitarbeiter ihre Partner bei der nachfolgenden eingehenden Charakterisierung der Antikörper, etwa indem sie so genannte Sekundärantikörper zum Markieren der ursprünglich eingesetzten Proteine liefern. Diese und weitere Hilfestellungen lassen letztlich so hochwertige Produkte entstehen. „Monoklonale Antikörper erkennen die gewünschten Proteine so zielsicher, weil das System Antigen-Antikörper sehr alt ist und von der Natur mit der Zeit immer mehr perfektioniert wurde“, resümiert Kremmer. „Deshalb funktionieren die mit ihnen entwi- ckelten Methoden auch so gut und gelangen vermehrt von der Forschung in die klinische Anwendung.“ Zielsicher in die klinische Anwendung So vielleicht auch bald jener Antikörper, der eine Deletionsmutante des Proteins E-Cadherin erkennt. E-Cadherin ist ein Protein, das mitverantwortlich ist, dass die Zellen in Kontakt bleiben. Das deletierte E-Cadherin, das ausschließlich auf Krebszellen vorkommt, besonders häufig beim diffusen Magenkrebs, wird durch einen monoklonalen Antikörper erkannt. Werden an den Antikörper -Strahler gekoppelt, so sterben nur die Krebszellen ab, weil der Antikörper ausschließlich an sie bindet. Was im Labor bereits gelingt, heilt hoffentlich auch bald Krebspatienten in den Kliniken. Technik und Know-how für alle KORA und MONICA Kampf gegen Volkskrankheiten Die Gesundheitsplattformen MONICA und KORA Seit bereits gut 20 Jahren betreibt die GSF eine Gesundheitsforschungsplattform im Raum Augsburg. Ärzte, Epidemiologen, Statistiker und Genetiker nehmen dort gemeinsam Volkskrankheiten wie Diabetes, Herzkreislauferkrankungen oder Allergien unter die Lupe. In großen, für die Bevölkerung repräsentativ ausgewählten Studienpopulationen untersuchen die Wissenschaftler neben den klassischen Risikofaktoren auch Ernährungsgewohnheiten, körperliche Aktivität, psychosoziale Faktoren oder die Inanspruchnahme der medizinischen Versorgung. egonnen hatte das erste Großprojekt in den 70er Jahren mit dem Ziel, ein international verbindliches, einheitliches Studienprotokoll zur Messung der wichtigsten Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck und Übergewicht zu entwickeln. Weltweit nahmen 28 Länder aus vier Kontinenten mit über 40 Regionen an dieser für zehn Jahre geplanten MONICA-Studie der Weltgesundheitsorganisation teil. MONICA steht für Monitoring of Trends and Determinants in Cardiovascular Disease. Dr. Ulrich B Keil, Leiter der Arbeitsgruppe Epidemiologie vom damaligen GSF-Institut für Medizinische Informatik und Systemforschung wählte die Region Augsburg als Standort für eines der vier deutschen MONICA-Zentren aus gutem Grund: Augsburg besitzt ein modernes Großklinikum als Behandlungszentrum, die Bevölkerungsstruktur entspricht den Verhältnissen der Bundesrepublik, und es wandern aus dieser Region besonders wenig Menschen ab oder zu. 35 Technik und Know how für alle KORA und MONICA Im so genannten Herzinfarktregister Augsburg erfasst die Leiterin des Herzinfarktregisters Dr. Hannelore Löwel vom GSF-Institut für Epidemiologie, seit 1985 alle Patienten mit einem tödlichen oder nicht tödlichen Herzinfarkt sowie alle vor Erreichen einer Klinik plötzlich Verstorbenen. Gesundheitsbewusstein nach wie vor schlecht Aus den Einwohnermelderegistern der Region Augsburg wurden in der KORA-Gesundheitsplattform bis dato bereits über 18.000 25- bis 74-jährige Probanden als repräsentative Stichprobe ausgewählt. Die KORA-Mitarbeiter erheben an ihnen Daten zu den klassischen Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder Übergewicht, aber auch psychosoziale Faktoren und verschiedene Blutparameter. Die anonymisierten Daten stehen allen wissenschaftlichen KORA-Partnern verschiedener Teilstudien zur Verfügung. 36 „Das Herzinfarktrisiko beginnt bei Männern etwa vom 40. Lebensjahr, bei Frauen vom 55. Lebensjahr an deutlich zu steigen“, konstatiert Löwel. „Bei Frauen ist diese Gefahr grundsätzlich viel geringer. Allerdings steigt das immer noch sehr niedrige Risiko der jüngeren Frauen kontinuierlich an – vermutlich weil sie zunehmend früher anfangen zu rauchen und viele auch die Pille nehmen. Insgesamt aber ging die Rate der Herzinfarkte bei Männern und älteren Frauen zurück. Das Gesundheitsbewusstsein ist dennoch nach wie vor indiskutabel schlecht. Das erinnert oft an Glücksspielverhalten: „Die meisten hoffen, trotz des Risikos nicht zu erkranken“, kritisiert Löwel. Diese Passivität lässt sich insbesondere bei Patienten mit hohem Blutdruck beobachten, bei denen unverändert viele Erkrankungsfälle auftreten. Nur etwa die Hälfte der Personen weiß von ihrem Bluthochdruck, davon werden nur etwa 50 Prozent medikamentös behandelt und wiederum nur die Hälfte von diesen erreicht damit normalisierte Blutdruckwerte. Kooperative Gesundheitsforschung in großem Stil Als die MONICA-Studie der WHO auslief, entschied sich die GSF 1996, die Gesundheitsforschung in der Region Augsburg ihm Rahmen von KORA (Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg) weiterzuführen. So wurde die erste deutsche, fast 14.000 Personen einschließende, Kohortenstudie zu der Frage, wie typische Risikofaktoren und Herzinfarkt zusammenhängen, langfristig etabliert. Die wissenschaftliche Federführung des Gesamtvorhabens liegt – wie schon bei MONICA – bei der GSF, das Zentralklinikum Augsburg ist weiterhin Partner für die meisten Laboranalysen. KORA erhielt ein eigenes Untersuchungszentrum, das von Dr. Christa Meisinger geleitet wird. KORA-Sprecher ist Prof. H.-Erich Wichmann, Leiter des GSF-Instituts für Epidemiologie. Um die zeitlichen Trends der Risikofaktoren für Herzkreislauferkrankungen beurteilen zu können, kann KORA auf die MONICA-Daten zurückgreifen. Besonders hilfreich dabei ist, dass alle Daten der Studienteilnehmer von Anfang an elektronisch erhoben und gespeichert wurden. „Dank dieses einmaligen exzellenten Datenqualitätsmanagements können wir die alten Proben und Daten auch heute noch nach neuen Gesichtspunkten Technik und Know how für alle KORA und MONICA Mehr Herzinfarkte bei hoher Luftverschmutzung 20 Jahre MONICA / KORA heißt in erster Linie wissenschaftliche Kleinarbeit, die aber spektakuläre Erfolge lieferte. „Vor einigen Jahren erkannte man, dass Arteriosklerose nicht nur eine Ablagerung von Plaques in den Gefäßen, sondern eine Entzündungskrankheit ist. Das war ein wissenschaftlicher Durchbruch, zu dem die GSF-Wissenschaftler des KORA-Teams einen großen Beitrag geleistet haben“, erinnert sich Löwel. Die Langzeitbeobachtung der MONICA/KORA-Probanden bietet die in ihrer Komplexität einmalige Möglichkeit, zeitnah aus eingefrorenen Blutproben der Basisuntersuchung die neuen als relevant eingeschätzten pro- oder anti-inflammatorischen sowie genetische Parameter zu bestimmen und mit den inzwischen eingetretenen Krankheitsereignissen in Beziehung zu setzen. Zunehmend werden die KORA-Studien auch in internationale Meta-Analysen einbezogen, wodurch der Forschungsstandort Deutschland stärker sichtbar wird. Ein weiteres international relevantes Ergebnis der Wissenschaftler in der KORAGesundheitsplattform war der Nachweis, dass Luftverschmutzung und Arteriosklerose beziehungsweise Herzinfarkt zusammenhängen. Dieser Befund stieß zwar anfangs auf größte Skepsis, mittlerweile ist er aber die Grundlage für weltweite Forschungsaktivitäten. Es zeigte sich, dass in Phasen hoher Luftverschmutzung – vor allem mit ultrafeinen und lungengängigen Teilchen – vermehrt Herzinfarkte auftreten. „Für dieses erhöhte Risiko könnten auch die Gene eine wichtige Rolle spielen“, mutmaßt Löwel. Deshalb sollen in der noch laufenden, von der EU geförderten AIRGENE-Studie zum Komplex „Entzündungsreaktionen und Luftverschmutzung“ auf Grundlage von Genotypisierungen in sechs europäischen Großstädten besonders empfindliche Personen definiert werden. So wurden bei den entsprechenden Patienten regelmäßig Entzündungsmarker bestimmt und zeitlich mit den Luftschadstoffwerten korreliert. Auch die Fäden dieses Projekts laufen in der GSF zusammen: Dr. Annette Peters, GSF-Institut für Epidemiologie, koordiniert das internationale Projekt. auswerten. Weitere Partner können auf der Basis wissenschaftlicher Kooperationsaufträge in das Projekt einsteigen“, erklärt Löwel. So beteiligen sich an den KORA-Studien auch Wissenschaftler aus vielen Forschungsinstituten in Kliniken, Universitäten und anderen Einrichtungen mit dem Ziel Versorgungsstrukturen und -prozesse zu bewerten, Entscheidungsträger wissenschaftlich zu unterstützen und die Gesundheitsforschung in den Bereichen Epidemiologie und Gesundheitsökonomie zu fördern. Ermöglicht wird die erfolgreiche Zusammenarbeit auch durch das große finanzielle Engagement der GSF und das Einwerben weiterer Fördermittel des Bundes, der DFG, der EU und anderer internationaler Geldgeber. Den Erfolg dieser Forschungsplattform zeigen nicht zuletzt zahlreiche Publikationen in hochkarätigen internationalen Zeitschriften. Neben KORA lebt auch das ursprüngliche Projekt MONICA weiter: Nach immer gleichem, aber um aktuelle Parameter erweiterten Protokoll wurden 1999-2001 weitere 6.000 Bürger zufällig aus der Adressdatei der Einwohnermeldeämter ausgewählt und zur Studienteilnahme eingeladen, ausführlich untersucht und befragt. Sie gaben Auskunft über Lebensgewohnheiten wie Rauchen, Ernährung, Alkoholkonsum, sportliche Betätigung, das berufliche Umfeld sowie über chronische Erkrankungen. Alle Blutproben, aus denen die Wissenschaftler zahlreiche Laborparameter erheben, wurden wie seit Beginn der Studie für spätere Analysen tiefgefroren. So haben die GSF-Forscher mittlerweile einen Datenschatz von rund 18.000 Personen erhoben, den sie über Befragungen und Folge-Studien weiter verfolgen wollen. Dass gerade die Genforschung stark von den KORA-Daten profitiert, zeigen die über 30 Studien im Genomforschungsnetz. In der Infarktforschung lässt die gezielte Kombination genetischer Parameter mit immer mehr Einzelfaktoren zunehmend maßgeschneiderte Rezepte erwarten. „Heute wollen wir nicht mehr nur allgemeine Aussagen treffen, sondern das Herzinfarktrisiko Einzelner abschätzen und gefährdete Menschen in die Lage versetzen, ihr ganz persönliches Risiko zu erkennen und gezielt zu senken“, so Löwel. Kontakt Dr. Hannelore Löwel GSF – Institut für Epidemiologie Tel. 08 21/4 00-43 72, 0 89/31 87-41 52 hannelore.loewel@gsf.de 37 Forschung aktuell – Neue HIV-Impfstoffe Mit den eigenen Waffen schlagen Neue HIV-Impfstoffe im klinischen Test Die Entwicklung eines Impfstoffs, der das Immunsystem zum Kampf gegen HIV stimuliert, ist eine der größten Herausforderungen in der AIDS-Forschung. Dabei steht die Impfstoffforschung vor der großen Aufgabe, einen therapeutischen Impfstoff gegen eine schon bestehende Infektion zu entwickeln. Erste Erfolge erzielten Wissenschaftler nun am GSF-Institut für Molekulare Virologie mit einem Impfstoff auf Basis eines gentechnisch veränderten Vaccinia-Virus, der nun mit einem weiteren Impfstoff zu einer schlagkräftigen Verbindung kombiniert werden soll. Mit Hilfe solcher Kombi-Impfstoffe hoffen die Wissenschaftler, eines Tages Gesunde vor einer Infektion schützen zu können. 38 Forschung aktuell – Neue HIV-Impfstoffe rotz aller Aufklärungskampagnen ist AIDS weltweit auf dem Vormarsch. Vor allem im südlichen Afrika hat die Krankheit katastrophale Ausmaße angenommen, aber auch in zahlreichen anderen Ländern steigt die Zahl der Neuinfektionen rapide. Zwar gibt es mittlerweile hoch wirksame antivirale Therapien, aber besonders für Drittweltländer sind diese unerschwinglich weltweit stehen diese Medikamente nur etwa fünf Prozent aller Infizierten zur Verfügung. Zudem halten moderne Therapien (HAART – Hochaktive anti-retrovirale Therapie) die Viruslast zwar lange Zeit niedrig und verhindern damit einen Ausbruch der Krankheit, sie können jedoch das Virus nicht vollständig aus dem Körper entfernen. T HIV-Infektionsraten 2005 HIV-Infizierte, weltweit >>> 40,3 Mio (36,7-45,3 Mio) HIV-Neuinfektionen 2005 >>> 4,9 Mio (4,3-6,6 Mio) HIV-bedingte Todesfälle (2005) >>> 3,1 Mio (2,8-3,6 Mio) HI-Viren im Rasterelektronenmikroskop: Nach rasanter Vermehrung in den Zellen des menschlichen Immunsystems bahnen sich die HI-Viren den Weg zu neuen Wirtszellen. Vektor-Impfstoff mit speziellem Bauplan „Ziel einer Impfung muss es sein, das Immunsystem bereits HIV-infizierter Patienten mit Hilfe des Vektor-Impfstoffs so zu stimulieren, dass der Ausbruch von AIDS hinausgezögert oder sogar verhindert wird“, erklärt Professor Volker Erfle, kürzlich verabschiedeter Direktor des GSF-Instituts für Molekulare Virologie. Die Wissenschaftler des Instituts entwickelten dazu zunächst einen Vektor-Impfstoff auf der Basis harmloser gentechnisch veränderter MVA-Viren (modifiziertes Vacciniavi- rus Ankara), in die der Bauplan für das HIVProtein Nef eingeschleust wurde. Nef wurde gewählt, weil es im Lebenszyklus des Virus eine entscheidende Rolle spielt: Nef wird von infizierten Zellen bald nach der Infektion gebildet und sorgt für eine effektive Vermehrung des Virus. Ohne Nef bricht AIDS nicht aus. Funktioniert die Impfung, schlägt sie den Erreger mit seinen eigenen Waffen: Die eingeimpften Vektoren befallen Körperzellen und regen sie zur Bildung von Nef an, wodurch die Immunantwort gegen Nef stimuliert wird und dieses ausgeschaltet wird. Dabei werden sowohl Antikörper gegen Nef gebildet (= humorale Abwehr), als auch spezifische Abwehrzellen aktiviert, die infizierte Zellen zerstören (= zelluläre Abwehr). „Unsere Idee war, nach einer therapeutischen Impfung zu suchen, die die Immunantwort so stimuliert, dass die Zahl der virusspezifischen CD4-positiven T-Zellen hoch bleibt“, erklärt Dr. Antonio Cosma vom GSFInstitut für Molekulare Virologie. Allein im Jahr 2005 infizierten sich weltweit 4,9 Millionen Menschen mit dem HI-Virus. Als ersten Praxistest führte Erfle gemeinsam mit Professor Frank Goebel, dem Leiter der AIDS-Ambulanz an den Münchner Innenstadt-Kliniken und Wissenschaftlern des Münchner Klinikums rechts der Isar eine kli- 39 Forschung aktuell – Neue HIV-Impfstoffe Helferzellen im Einsatz Anstieg der HIV-Nef spezifischen CD4-T-Zellen nach Immunisierung () mit einer Vaccinia Virus (MVA)- basierten HIV-Nef-Vakzine Den Erreger mit seinen eigenen Waffen schlagen: Nach Immunisierung mit einer Vaccinia-virus (MVA-)basierten HIV-NefVakzine werden spezifische CD4-Abwehrzellen aktiviert, die infizierte Zellen zerstören. CD4-positive T-Zellen sind so genannte Helferzellen, die das Immunsystem stimulieren und für die Ausbildung schützender Immunantworten eine entscheidende Bedeutung haben. Bei Infektionen produziert das befallene Gewebe bestimmte Antigene, die von T-Zellen erkannt werden. Die Zahl der spezifisch auf das jeweilige Antigen reagierenden T-Zellen ist daher ein gutes Indiz für die Abwehrbereitschaft des Immunsystems. HIV attackiert diese Zellen, deswegen sinkt ihre Zahl nach einer Infektion in der Regel ab. Dass das Immunsystem prinzipiell HIV auch aus eigener Kraft kontrollieren kann, zeigen so genannte LNTP-Patienten („Long-term non-progressors“), bei denen AIDS auch ohne Therapie nicht ausbricht, obwohl sie teilweise seit mehr als 20 Jahren infiziert sind. Sie schaffen es, das Virus in Schach zu halten, weil ihr Immunsystem anders auf eine HIV-Infek- Prof. Dr. Volker Erfle, früherer Direktor des GSFInstituts für Molekulare Virologie (rechts im Bild) entwickelte mit der Vektorgruppe einen therapeutischen Impfstoff gegen HIV. Dieser stimuliert die Immunantwort dahingehend, dass die Zahl der virusspezifischen CD4-positiven Zellen hoch bleibt und infizierte Zellen zerstört werden. Dr. Antonio Cosma (links im Bild) führt bei den klinischen Studien das Immunmonitoring durch. 40 tion reagiert: Normalerweise steigt die Zahl der CD4-Zellen nach der Infektion zwar an, fällt dann aber auf sehr niedrige Werte ab. Im Gegensatz dazu bleibt bei LNTP-Patienten die Anzahl der CD4-positiven T-Zellen nach der Infektion konstant erhöht. nische Phase-I-Studie zur Impfung mit MVANef durch. Das Ergebnis war schon bei einmaliger Immunisierung ermutigend: Bei vier der zehn geimpften Patienten stieg die Zahl der Nef-spezifischen CD4-Zellen an. „Bei keinem Patienten war dieser Zelltyp vorher nachweisbar, es zeigte sich somit eine deutliche Immunreaktion auf die Zielstruktur HIVNef“ erklärt Cosma. Alle Probanden waren seit längerem HIV-infiziert und wurden mit HAART behandelt, was auch während der klinischen Studie zunächst fortgesetzt wurde. Nach der Impfung waren sieben der zehn Patienten damit einverstanden, die antivirale Therapie zu stoppen. Zwar nahm bei allen die Zahl der HI-Viren daraufhin zu, aber auch die Immunantwort gegen Nef steigerte sich – ein Beweis dafür, dass der Patient von der Impfung profitiert. Dennoch mussten sechs Patienten nach einigen Wochen die medikamentöse Therapie wieder aufnehmen. Impfstoff im Praxistest Der am besten auf die Impfung ansprechende Patient schafft es seit fast drei Jahren, das Forschung aktuell – Neue HIV-Impfstoffe Virus aus eigener Kraft zu kontrollieren. Bei diesem Patienten ist nicht nur die Zahl der CD4-Zellen hoch und stabil, sondern er zeigt auch eine starke CD8-Immunantwort. CD8-TZellen sind zytotoxische Zellen, die infizierte Zellen erkennen und vernichten. CD4-T-Zellen produzieren Wachstums- und Signalfaktoren, die dafür sorgen, dass CD8-T-Zellen gebildet und erhalten werden. Für eine erfolgreiche Immunabwehr müssen beide Zelltypen ausreichend vorhanden sein. „Dieser Patient ist für uns natürlich sehr interessant, denn wenn wir herausfinden, warum seine Immunantwort so stark ist, können wir eventuell auch anderen Patienten besser helfen“, erklärt Cosma. Die Immunantwort im Auge behalten Da sich am klinischen Zustand geimpfter Patienten oft wenig ändert, ist es wichtig, den Zustand des Immunsystems durch ein gutes Immunmonitoring zu erfassen. Um den Impferfolg zu bewerten und um Marker für die Immunantwort zu finden, entwickelten die Wissenschaftler neue Methoden, die einen tieferen Einblick in immunologische Vorgänge erlauben. „Mit Hilfe neuer Methoden der Durchflusszytometrie beispielsweise können wir den Phänotyp einzelner T-Zellen erfassen und exakt bestimmen, welche Marker diese Zellen exprimieren – und zwar bis zu 13 Marker gleichzeitig“, erklärt Cosma. Auf diese Weise können die Wissenschaftler untersuchen, wie T-Zellen auf die Impfung reagieren und die Immunantwort einzelner Patienten charakterisieren. „Um Marker für eine besonders gute Immunantwort zu finden, wollen wir beispielsweise herausfinden, inwiefern sich die Immunantwort des Patienten, der am besten auf die HIV-Nef-Impfung reagierte, von der anderer Patienten unterscheidet“, so Cosma. T - Zellen besser charakterisieren Ein wesentlicher Durchbruch für das Monitoring von Immuntherapien war die Etablierung der MHC-Tetramer-Technologie durch die Klinische Kooperationsgruppe „Antigen-spezifi- sche Immuntherapie“ unter Leitung von Prof. Dr. Dirk Busch. Diese Methode zur Charakterisierung Antigen-spezifischer T-Zellpopulationen nutzt die so genannte MHC-Restriktion: T-Zellen erkennen Antigene nur, wenn diese durch ein MHC-Molekül präsentiert werden. Allerdings werden einzelne MHCAntigen-Komplexe nur schwach gebunden und dissoziieren schnell. Die Wissenschaftler vernetzen deshalb mehrere Komplexe miteinander, wodurch Strukturen mit stabilerer Bindung entstehen. In der Regel werden vier Komplexe zu so genannten Tetrameren zusammengeschlossen. An T-Zellen gebundene Tetramere wiederum können mit Hilfe von Fluoreszenz-Farbstoff direkt sichtbar gemacht werden. „Die Tetramer-Technologie ist Einen wesentlichen Durchbruch für die direkte Untersuchung von Antigen-spezifischen T-Zellen erzielte Prof. Dr. Dirk Busch mit seiner Klinischen Kooperationsgruppe „Antigen-Spezifische Immuntherapie“: Mit der von ihm entwickelten MHC-Multimer-Technologie ist es jetzt möglich, epitop-spezifische T-Zellen sichtbar zu machen und mit hoher Reinheit zu isolieren. Europaweite Suche nach therapeutischem Impfstoff Die Vakzinierungsstudien waren und sind Teil europäischer Kooperationen. Um nun die Entwicklung eines neuen Kombi-Impfstoffs gegen HIV noch besser zu koordinieren und Im Rahmen des europäischen zu beschleunigen, wurden europaweit alle Großprojekts AVIP (AIDS Vaccibestehenden und geplanten Aktivitäten in ne Integrated Project) arbeiten einem großen gemeinsamen Projekt Wissenschaftler des GSF-Instizusammengefasst. Im Rahmen von AVIP tuts für Molekulare Virologie an („AIDS Vaccine Integrated Project“) wollen der Entwicklung eines neuen Kombi-Impfstoffs. Er soll als the15 verschiedene Arbeitsgruppen und Institurapeutischer Impfstoff für infitionen, darunter auch eine Arbeitsgruppe zierte Patienten eingesetzt werdes GSF-Instituts für Molekulare Virologie, den, eines Tages aber auch vier neue Impfstoffe gegen HIV entwickeln Gesunde vor einer Infektion mit und in klinischen Phase-I- Studien mit gesunHIV schützen. den Probanden testen. Allen Impfstoffen gemeinsam ist die Kombination von regulatorischen und strukturellen HIV-Proteinen. 2009, wenn die fünfjährige Förderperiode endet, will AVIP eine Vakzine präsentieren, die sich für den Einsatz als therapeutischer Impfstoff in klinischen Phase-II- und -III-Studien bei HIV-infizierten Patienten eignet. Für dieses Ziel stehen dem AVIP-Konsortium insgesamt mehr als 20 Millionen Euro zur Verfügung, die Hälfte davon aus dem 6. Rahmenprogramm der EU. 41 Forschung aktuell – Neue HIV-Impfstoffe Patent für HIV-Diagnose im Frühstadium Wenn HIV-Impfstoffe bei infizierten Patienten erprobt werden, ist es besonders wichtig, den Verlauf der HIVInfektion im Auge zu behalten. Dies geschieht durch die regelmäßige Überprüfung der Viruslast im Blut, bei der die Genome der HI-Viren im Plasma quantitativ erfasst werden. Mit dieser Methode wird jedoch nur freies Virus nachgewiesen, die in Zellen „versteckten“ Viren werden so nicht entdeckt. Die Arbeitsgruppe von Dr. Ruth Brack-Werner, der neuen kommissarischen Leiterin des GSF-InstiMit einem neu bei der GSF entwituts für Molekulare Virologie, entwickelte ckelten und bereits patentierten und patentierte deshalb ein Verfahren, um Verfahren lässt sich in frisch infiinfizierte Zellen im Blut von HIV-Patienten zierten Patientenzellen die Aktivität nachzuweisen. Dafür werden die Patien(im Bild rot) früher regulatorischer Proteine von HIV quantitativ erfastenzellen isoliert und gentechnisch sen. Dr. Ruth Brack-Werner, neue behandelt. In der Folge dieser Behandlung kommissarische Leiterin des GSFfärben sich infizierte Zellen, in denen die Instituts für Molekulare Virologie, frühen, regulatorischen Proteine von HIV will damit die Wirkung von HIVaktiv sind, rot und können somit quantitaImpfstoffen noch früher und exakter dokumentieren. tiv erfasst werden. „Diese hoch-sensitive Methode erlaubt zum ersten Mal den Nachweis einzelner HIV-infizierter Zellen, in denen die Virusproduktion gerade erst begonnen hat“, erklärt Brack-Werner, „sie wird uns helfen, die Wirkung HIVhemmender Substanzen oder Impfstoffe noch früher und exakter zu erfassen und zu dokumentieren.“ ein sehr nützliches Werkzeug, um virusspezifische T-Zellen zu finden, die anschließend weiter untersucht werden sollen“, erzählt Busch. Hoffnungen auf KombiImpfstoff Kontakt PD Dr. Ruth Brack-Werner GSF-Institut für Molekulare Virologie Tel.: 0 89/31 87-29 23 brack@gsf.de 42 Ein Problem aller bisher entwickelten HIVImpfstoffe ist die Wandelbarkeit des Virus: Es mutiert sehr schnell und schon kleinste Veränderungen seiner Oberflächenproteine können dafür sorgen, dass es von T-Zellen nicht mehr erkannt wird. Um für die Zukunft einen noch wirksameren Impfstoff zu gewinnen, planen die Wissenschaftler daher, verschiedene HIV-Impfstoffe zu kombinieren, die das Virus auf unterschiedliche Art und Weise attackieren: Einige Impfstoffe enthalten strukturelle Virus-Bestandteile, andere wirken über regulatorische Proteine, die den Vermehrungszyklus des Virus oder die Ex- pression seiner Gene steuern. Enthält der neu entstandene Impfstoff sowohl strukturelle als auch regulatorische Bestandteile, liefert er dem Immunsystem ein breites Spektrum an Angriffspunkten, da der Körper eine Immunabwehr gegen alle geimpften Komponenten aufbaut. Die GSF-Wissenschaftler werden noch 2006 in einer neuen klinischen Studie die Kombination von MVA-Nef mit einem weiteren Impfstoff testen, der das Immunsystem mit dem HIV-Hüllprotein Env konfrontiert. „Auf diese Weise aktivieren wir das Immunsystem einerseits über Nef zu zellulären Abwehrmechanismen und verstärken andererseits über das Env-Protein die Antikörperbildung, denn das Hüllprotein wird auf der Oberfläche exprimiert und gibt daher ein gutes Ziel für spezifische Antikörper ab“, erklärt Cosma. In Zusammenarbeit mit Professor Goebel wird die klinische Studie mit 50 Probanden starten, die in kleine Gruppen aufgeteilt werden, um alle möglichen Kombinationen der Impfstoffe untersuchen zu können. „Wenn beides gemeinsam geimpft wird, ist oft ein Impfstoff dominant und der andere fällt unter den Tisch“, bedauert Cosma, „daher ist es besser, die verschiedenen Impfstoffe nach und nach zu impfen: Wenn ein Impfstoff angeschlagen hat, folgt die nächste Impfung“. Die neue Kombi-Impfung wird zunächst an gesunden Personen getestet. Während MVA-Nef als therapeutischer Impfstoff für bereits HIV-Infizierte gedacht war, hoffen die Wissenschaftler, mit den neuen Kombi-Impfungen eines Tages Gesunde vor Ansteckung schützen zu können. Ob es in absehbarer Zeit tatsächlich gelingt, solch einen wirksamen Impfschutz gegen HIV zu entwickeln, ist noch unsicher. Aber schon ein Impfstoff, der das Immunsystem so weit aktiviert, dass das Infektionsrisiko sinkt, wäre eine große Hilfe bei der Bekämpfung der AIDS-Pandemie – vor allem in Drittweltländern, wo die medikamentöse HIV-Therapie aus finanziellen und logistischen Gründen für die meisten Infizierten nicht in Frage kommt. Forschung aktuell – Impfung gegen Nierenkrebs Das Immunsystem in Schwung bringen Therapeutische Impfung gegen Nierenkrebs Das Nierenzellkarzinom ist der häufigste bösartige Nierentumor. In Deutschland gibt es pro Jahr etwa 14.000 Neuerkrankungen, die meist durch Zufall entdeckt werden. Bisher sind Patienten mit metastasierendem Nierenzellkarzinom kaum therapierbar, da die Tumorzellen auf Bestrahlung oder Chemotherapie praktisch nicht ansprechen. Wissenschaftler am GSF-Institut für Molekulare Immunologie entwickeln neue Therapieformen, die das Immunsystem des Patienten aktivieren sollen, um Tumorzellen effektiv zu bekämpfen. as Nierenzellkarzinom oder kurz RCC (Renal cell carcinoma) ist eine äußerst aggressive Krebsform. „Häufig liegen zum Zeitpunkt der Erstdiagnose eines Nierenzellkarzinoms schon Metastasen z.B. in Knochen, Lunge oder Gehirn“, so Dr. D Bernhard Frankenberger vom GSF-Institut für Molekulare Immunologie. Die Prognose ist schlecht – über drei Viertel der Erkrankten mit Metastasen sterben innerhalb von zwei Jahren. Gemeinsam mit Institutsleiterin Professor Dolores Schendel setzt er große Hoff- 43 Forschung aktuell – Impfung gegen Nierenkrebs tem besonders gut ankurbeln können“, erklärt Frankenberger. Tumorantigene sind spezifische Proteine, durch die sich Krebszellen von gesunden Zellen unterscheiden. Eigentlich sollte das Immunsystem die Krebszellen anhand dieser Antigene als entartet erkennen und vernichten können. Das Problem dabei: Die Tumoren haben verschiedene Mechanismen entwickelt, die ihnen helfen, den Immunzellen zu entkommen. So fehlen beispielsweise den RCC26-Zellen bestimmte kostimulatorische Moleküle, die notwendig sind, um eine Immunantwort auszulösen. Ohne diese Moleküle wandern zwar Abwehrzellen - hauptsächlich zytotoxische CD8-positive T-Zellen – zu den Tumorzellen hin, dort werden sie aber abgeschaltet, anstatt zum Kampf gegen die Tumorzellen aktiviert zu werden. Computertomographischer Schnitt durch eine Niere mit RCC-Nierenzellkarzinombefund (Pfeile). nungen auf die Immuntherapie, denn es gibt Hinweise darauf, dass der Tumor prinzipiell eine Immunantwort auslösen kann: Er wird häufig von Abwehrzellen des Immunsystems infiltriert, und bei etwa zwei Prozent der Patienten kommt es zu einer spontanen Rückbildung des Tumors. Die Aktivierung des Immunsystems mit Zytokinen wie Interferon-alpha und/oder Interleukin-2 als klassische Immuntherapie kann manchmal zu partiellen oder sogar kompletten Remissionen führen, ist für die Patienten aber oft mit massiven Nebenwirkungen verbunden. Langzeitüberlebende im Dienste der Forschung Oft ist bei einer Krebserkrankung der Tumor nicht das alleinige Übel. Einzelne Tumorzellen breiten sich im Körper aus und führen in anderen Organen zu Metastasen. So finden sich zum Zeitpunkt der Erstdiagnose eines Nierenzellkarzinoms häufig schon Metastasen z.B. in Knochen, Lunge oder Gehirn. 44 Die Wissenschaftler arbeiten deshalb an einer therapeutischen Vakzine, die das Immunsystem mit Hilfe von gentechnisch veränderten Tumorzellen stimulieren soll. Zur Impfung verwenden sie Tumorzellen der Zelllinie RCC26, die von einem Patienten stammt, dessen Immunsystem den Tumor offensichtlich besonders gut bekämpfen konnte, da er als „Langzeitüberlebender“ den Ausbruch der Erkrankung um mehr als zehn Jahre überlebte. „Möglicherweise präsentieren diese Tumorzellen immundominante Tumorantigene auf ihrer Oberfläche, die das Immunsys- Um die Immunreaktion gegen die Tumorantigene zu verbessern, schleusten Prof. Schendel und ihre Mitarbeiter in Kooperation mit Prof. Blankenstein und seiner Gruppe am Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin in Berlin deshalb sowohl das Gen für das kostimulatorische Molekül B7.1 in RCC26-Tumorzellen ein als auch Gene für bestimmte Zytokine (wie Interleukin-2 und -7), die dafür sorgen sollen, dass sich tumorspezifische T-Zellen besser vermehren können und eine lang anhaltende Immunreaktion aufrechterhalten. Präsentierteller für Tumorantigene Die eigentlichen Tumorantigene der Zelllinie RCC26, die die T-Zellen auf den Tumor „abrichten“, können bei dieser Art der therapeutischen Impfung unbekannt bleiben, da sie von der Tumorzelle selbst präsentiert werden. Glücklicherweise scheinen die von der Zelllinie RCC26 präsentierten Tumorantigene auch von Nierenzelltumoren anderer Patienten erkannt zu werden, da sie auch von T-Zellen anderer Patienten erkannt wurden. Allerdings erkennen T-Zellen tumorspezifische Antigene nur, wenn die Tumorzelle sie ihnen auf bestimmten Präsentierschalen, den MHC-Molekülen, anbietet. RCC26-Zellen Forschung aktuell – Impfung gegen Nierenkrebs präsentieren die Antigene auf einem MHCMolekül des Typs HLA-A2. Damit die Kommunikation zwischen Antigen-präsentierender Tumorzelle und T-Zelle klappt, müssen die TZellen der Patienten so genannte HLA-A2restringierte Zellen sein, die dieses Molekül zusammen mit einem Fragment der Tumorantigene erkennen. Hier kommt den Forschern ein Zufall zugute: „Glücklicherweise ist das HLA-A2-Molekül bei etwa 50 Prozent der kaukasischen Bevölkerung exprimiert, so dass unsere genmodifizierte RCC26-Vakzine bei etwa der Hälfte aller Patienten eingesetzt werden kann“, erklärt Frankenberger. Neben den zytotoxischen T-Zellen der adaptiven Immunabwehr können RCC26-Zellen auch natürliche Killerzellen (NK) und nicht-MHC-restringierte (NKähnliche) T-Zellen des angeborenen Immunsystems aktivieren. NK-Zellen können veränderte oder körperfremde Zellen auch dann erkennen, wenn diese ihre MHC-Moleküle herunterregulieren. Deshalb sind sie für die Eliminierung entarteter, körpereigener Zellen ebenso wichtig. Die RCC26-Zellen besitzen anscheinend eine natürliche Immunogenität, so dass der Tumor von verschiedenen Effektorzellen des Immunsystems erkannt werden kann. Erste Schritte in die Klinik In einer im letzten Jahr begonnenen klinischen Phase-I/II-Studie werden in der Urologischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität in Kooperation mit der Klinischen Kooperationsgruppe von Dr. Heike Pohla zwölf Patienten mit der RCC26-Vakzine behandelt. „Der Impfstoff zeigte bei diesen Patienten bislang keine toxischen Nebenwirkungen. Über einen Effekt der Impfung kann aber noch keine endgültige Aussage getroffen werden, da das begleitende Monitoring zu dieser Studie noch läuft“, so Frankenberger. Trotz der vergleichsweise guten immunogenen Eigenschaften der RCC26-Vakzine kann die Impfung mit Tumorzellen auch Nachteile haben, denn Tumorzellen sind generell eher schwache Antigen-präsentierende Zellen, da sie aufgrund häufig fehlender MHC-Klasse- II-Moleküle oft keine CD4-positiven Helfer-TZellen ansprechen können. Deshalb verfolgen die Wissenschaftler parallel zur Impfung mit gentechnisch veränderten RCC26-Zellen einen weiteren Ansatz: „Professionelle Antigen-präsentierende Zellen wie z.B. dendritische Zellen (DC) können das Immunsystem viel besser stimulieren: Sie induzieren sowohl CD8- als auch CD4-T-Zellen, sie tragen kostimulatorische Moleküle auf ihrer Oberfläche und sie produzieren für das Immunsystem eher förderliche Stoffe“, erklärt Frankenberger. Daher sollen auch DC im Kampf gegen das Nierenzellkarzinom zum Einsatz kommen. Anders als bei der Impfung mit RCC26 ist es für die Entwicklung einer DC-basierten Vakzine allerdings von Vorteil, wenn die RCC-assoziierten Tumorantigene bekannt sind. Dann könnte ganz spezifisch die RNS, die für diese Tumorantigene kodiert, in die DC Um die Immunreaktion gegen die Tumorantigene zu verbessern, schleusten Prof. Schendel und ihre Mitarbeiter das Gen für das kostimulatorische Molekül B7.1 in RCC26-Tumorzellen ein sowie Gene für bestimmte Zytokine (wie Interleukin-2 und -7). Sie sollen die Vermehrung tumorspezifischer T-Zellen stimulieren und damit eine lang anhaltende Immunreaktion aufrechterhalten. Schematische Darstellung der Regulation MHCrestringierter und nicht-MHC-restringierter T-Lymphozyten. Klassische zytotoxische T-Zellen erkennen über ihren spezifischen T-Zellrezeptor (TCR) den auf Tumorzellen exprimierten HLA/Peptid-Komplex. Diese Interaktion ist Voraussetzung für die Aktivierung dieser Killerzellen. Nicht-MHC-restringierte T-Zellen dagegen werden über MHC/PeptidKomplexe spiegelbildlich reguliert: Über die Bindung an inhibitorische Rezeptoren (KIR) werden negative Signale induziert, die nicht-MHC-restringierte T-Zellen abschalten. 45 Forschung aktuell – Impfung gegen Nierenkrebs eingebracht werden. „Die DC produzieren die von der RNS kodierten Antigene und präsentieren sie auf ihrer Oberfläche, wo sie im Idealfall von tumorspezifischen T-Zellen erkannt werden. Dadurch kann eine Stimulation des Immunsystems und eine spezifische Reaktion auf den Tumor erfolgen“, so Frankenberger. Neue Spürhunde im Einsatz Wesentlich vorangetrieben wird dieser Therapieansatz durch große Fortschritte in den Methoden, mit denen potenzielle tumorassoziierte Antigene (TAA) identifiziert werden können: Welche Antigene von den Tumorzel- len präsentiert werden, untersucht die Gruppe von Prof. Schendel in Zusammenarbeit mit Laboratorien in Tübingen und in den USA, wo die von den Tumorzellen auf HLA-A2 präsentierten Peptide isoliert und sequenziert werden. Differenzielle Transkriptom-Analysen, bei denen die Transkriptmengen der potenziellen TAA in Tumorzellen und normalen Nierenzellen verglichen werden, helfen dabei, überexprimierte tumorspezifische Antigene zu entdecken, die in normalen Zellen nicht oder nur in geringer Menge vorkommen. Die Proben dazu erhielten die Wissenschaftler vom GSF-Institut für Pathologie. „Unser Ziel ist, möglichst viele tumorassoziierte Antige- Nach guter handwerklicher Praxis – Das künftige GMP-Labor der GSF Kontakt Iris Bigalke GSF - Forschungszentrum GMP-Labor Am Klopferspitz 19 D-82152 Martinsried Tel.: 0 89/70 07 68-20 iris.bigalke@gsf.de 46 Die Herstellung von mit RCC-Antigenen beladenen dendritischen Zellen (DC) wird innerhalb eines Sonderforschungsbereichs verfolgt. „Zurzeit testen wir die Herstellung und Beladung der DC im Sinne höchsten Qualitätsmanagements nach „Good Manufacturing Practice“ (GMP), damit sie möglichst schon 2007 in einer klinischen Studie eingesetzt werden können“ sagt Iris Bigalke, Leiterin des derzeit im Aufbau befindlichen neuen GMP-Labors der GSF. Ihre Aufgabe wird es sein, mit ihrer Arbeitsgruppe die DC für Alle Arzneimittel, die am Patienten eingeden Einsatz bei Patienten unter den Bedinsetzt werden sollen, müssen in einer Umgegungen der GMP zu generieren: Alle Arzneibung hergestellt werden, die frei von baktemittel, die am Patienten eingesetzt werden riellen Kontaminationen und Partikeln ist. Mit ihrer Arbeitsgruppe stellt Iris Bigalke, sollen, unterliegen strengen gesetzlichen Leiterin des im Aufbau befindlichen GMPAuflagen. Da Zelltherapeutika sterile ProdukLabors der GSF Zelltherapeutika zukünftig te sind, müssen sie unter Reinraumbedinunter solchen Reinraumbedingungen her. Ein gungen, das heißt in einer Umgebung hergeÜberdrucksystem sorgt dafür, dass keine stellt werden, die frei von bakteriellen Konkontaminierte Luft von außen eindringen kann. taminationen und Partikeln ist. Ein Überdrucksystem sorgt dafür, dass keine kontaminierte Luft in die Reinräume von außen eindringen kann. Seit zwei Jahren wird bei der GSF eine solche Reinraumanlage zur Herstellung von Zellpräparaten auf die Inbetriebnahme vorbereitet. Die Herstellungsprotokolle und die entsprechenden Standard-Arbeitsanweisungen für die DC werden parallel hierzu in einem Vorbereitungslabor entwickelt. Bevor eine Labormethode in die Praxis der GMP umgesetzt werden kann, vergehen oft ein bis zwei Jahre, da nicht alle Methoden bzw. Reagenzien, die in der Forschung eingesetzt werden, auch für eine GMP-Produktion geeignet sind. Für eine therapeutische Anwendung sind außerdem wesentlich größere Zellzahlen erforderlich als für wissenschaftliche Ansätze, so dass zum Teil eine nahezu neue Etablierung von bereits bestehenden Methoden mit anderen Reagenzien oder Geräten erforderlich wird. Hinzu kommen eine aufwändige Dokumentation und Qualitätskontrolle. Forschung aktuell – Impfung gegen Nierenkrebs Parallel zur Impfung mit gentechnisch veränderten RCC26-Zellen verfolgen die GSF-Immunologen im Kampf gegen das Nierenzellkarzinom einen weiteren aktuellen Ansatz: Sie verwenden dendritische Zellen aus dem Blut der Patienten, die durch effektive Antigen-Präsentation eine wichtige Funktion in der Immunabwehr erfüllen. ne zu finden und in Form von RNS in die DC einzubringen, um dem Immunsystem viele verschiedene Angriffspunkte gegen den Tumor zu bieten“, erklärt Frankenberger. Dieselben Antigene können auch für die Erfolgskontrolle nach einer Impfung des Patienten verwendet werden: Schlägt die Impfung an, müssen sich im Blut des Patienten antigenspezifische zytotoxische T-Zellen befinden, die bei Kontakt mit den entsprechenden Antigenen zur Vermehrung angeregt werden und immunologische Botenstoffe produzieren. „Als drittes Standbein bei der Immuntherapie von Nierenzellkarzinomen wollen wir an unserem Institut in naher Zukunft auch eine Therapie mit tumorspezifischen transgenen T-Zellen entwickeln“, erläutert Frankenberger. Die Wissenschaftler bringen auf gentechnischem Wege tumorspezifische Rezeptoren in T-Zellen ein, die dann – ähnlich wie bei einer passiven Immunisierung mit Antikörpern – ganz spezifisch vereinzelte Tumorzellen im Blut des Patienten bzw. Mikrometastasen aufspüren und bekämpfen. Neuer Sonderforschungsbereich für die Immunitätsforschung Grundlegende Arbeiten von Prof. Kolb hatten gezeigt, dass eine Infusion von Spender-Lymphozyten nach Knochenmarktransplantation die Eliminierung von Leukämiezellen herbeiführen kann, dass dies auf eine T-Zell-vermittelte Immunität zurückzuführen ist und dass das Immunsystem also die Fähigkeit besitzt, Krebs zu heilen. Ausgehend von dieser Entdeckung ist jüngst ein neuer Transregio-Sonderforschungsbereich zwischen zwei Helmholtz-Zentren - der GSF und dem Max-Delbrück-Centrum in Berlin, den beiden Münchener Universitäten, der Humboldt-Universität Berlin sowie der Berliner Charité etabliert worden. Ziel der Arbeiten ist es, die Grundlagen der durch spezifische T-Lymphozyten vermittelten Immunität zu verstehen sowie neue Formen der Therapie maligner Erkrankungen und chronischer Infektionen durch Übertragung solcher T-Zellen in den Patienten zu entwickeln. Kontakt Dr. Bernhard Frankenberger GSF-Institut für Molekulare Immunologie Tel. 0 89/70 99-3 62 b.frankenberger@gsf.de 47 Forschung aktuell – Eingriff in die DNA-Verpackung DNA-Verpackung – Ein neuer Ansatzpunkt zur Krebstherapie Die Therapie von Krebserkrankungen ist eine der großen Herausforderungen für die moderne Wissenschaft. Es gilt, die Ursachen der Tumorbildung zu verstehen und Methoden zu entwickeln, die es erlauben, entartete Zellen wieder in ihre gesunden Vorläufer zurückzubilden oder sie selektiv abzutöten. In den letzten Jahren hat sich herausgestellt, dass die Verpackung der Erbsubstanz DNA im Chromatin eine zentrale Rolle im Krebsgeschehen spielt. Wissenschaftler am GSF-Institut für Toxikologie untersuchen eine Klasse von Enzymen – die Histon-Deacetylasen –, die die Verpackung der DNA maßgeblich beeinflussen und somit einen potenziellen Angriffspunkt für eine Krebstherapie darstellen. 48 Forschung aktuell – Eingriff in die DNA-Verpackung eit über 30 Jahren ist ein Medikament auf dem Markt, mit dem Patienten, die an Epilepsie erkrankt sind, erfolgreich behandelt werden können. Es ist die Valproinsäure, ein kleines organisches Molekül, das bei über 60 Prozent der Patienten zu einer dauerhaften Anfallsfreiheit führt. Valproinsäure ist gut verträglich und arm an Nebenwirkungen, allerdings mit einer markanten Ausnahme: Die Substanz ist teratogen, das heißt ihre Einnahme während der Schwangerschaft kann zu einer schweren Schädigung des Embryos führen. Der Rückenmarkskanal des Embryos wird nicht korrekt geschlossen und der Schädel entwickelt sich unproportional. S Lange war unklar, weshalb Valproinsäure eine solch fatale Wirkung auf die Embryonalentwicklung hat, im erwachsenen Organismus aber keine gravierenden Schädigungen hervorruft. Gemeinsam mit seinen damaligen Kollegen am Forschungszentrum Karlsruhe und am Georg-Speyer-Haus in Frankfurt/Main hat der Toxikologe Prof. Dr. Martin Göttlicher die molekularbiologischen Vorgänge untersucht, die der teratogenen Wirkung von Valproinsäure zugrunde liegen. Die Ergebnisse dieser Arbeiten erregten viel Aufsehen. Die Wissenschaftler fanden nämlich nicht nur die Erklärung dafür, wie die Substanz in die Embryonalentwicklung eingreift, sie zeigten zugleich Möglichkeiten auf, wie mit diesem Wirkstoff bestimmte Formen von Krebs behandelt werden könnten. Die Verpackung macht‘s „Unsere damaligen Untersuchungen ergaben, dass Valproinsäure die Verpackungsdichte der Erbsubstanz DNA verändert und dadurch eine verstärkte Aktivität einer Vielzahl von Genen möglich wird“, erläutert Göttlicher, der seit 2003 das GSF-Institut für Toxikologie leitet und den Lehrstuhl für Toxikologie an der Technischen Universität München innehat. „In der Embryonalentwicklung verursacht diese erhöhte Genexpression Fehlbildungen, bei bestimmten Krebserkrankungen scheint sich die Aktivierung von Genen jedoch vorteilhaft auszuwirken: Tumorzellen werden im Wachstum gehemmt oder sie sterben durch Induktion des programmierten Zelltodes ab.“ DNA-Moleküle liegen im Zellkern – zusammen mit einer Reihe von Proteinen – in einer hoch organisierten Struktur vor, dem Chromatin. In der ersten Verpackungsstufe wird die DNA-Doppelhelix in so genannte Nukleosomen gepackt: Jeweils etwa 200 Basenpaare der DNA sind um einen Kern aus acht Proteinen, den Histonen, gewunden. Aufgrund ihrer Aminosäurezusammensetzung sind die Histon-Proteine positiv geladen, allerdings können sie durch Enzyme so modifiziert werden, dass sich ihre Gesamtladung ändert. So bewirkt eine bestimmte Enzymklasse – die der Histon-Acetyltransferasen –, dass Acetyl-Gruppen angeheftet werden und dadurch die Eigenladung der Histone neutralisiert wird. Eine andere Klasse von Enzymen – die Histon-Deacetylasen – können diese AcetylGruppen wieder entfernen und damit die positive Eigenladung der Histone wieder freilegen. Da die Bausteine der DNA – die Nukleotide – negativ geladen sind, hat der Ladungszustand der Histone einen erheblichen Einfluss auf die Packungsdichte der DNA im Chromatin und somit auch auf die Zugänglichkeit der darauf lokalisierten Gene für die Transkriptionsmaschinerie. Mit anderen Worten: Gene in einer locker gepackten DNA auf acetylierten Histonen sind aktiver als Gene in einer dicht gepackten DNA auf nicht-acetylierten Histonen. Valproinsäure, ein erfolgreich eingesetztes Epilepsiemedikament, zeigt teratogene Wirkung: Die Einnahme während der Schwangerschaft kann zu schweren Schädigungen des Embryos führen, der Rückenmarkskanal wird nicht korrekt geschlossen. Die zwei Seiten des Wirkstoffs bildeten den Ausgangspunkt für die bahnbrechenden Arbeiten von Prof. Göttlicher und seinen Kollegen. Im Bild: Mäuseskelette (li: gesund, re: Fruchtschädigung nach Behandlung mit Valproinsäure). Fotos: Prof. Dr. H. Nau, Dr. K. Hoffmann, Tierärztliche Hochschule Hannover 49 Forschung aktuell – Eingriff in die DNA-Verpackung Die Verpackung der DNA im Chromatin. Etwa 200 Nukleotide sind pro Nukleosom um einen Kern (grünblau) von acht Histonproteinen gewunden. Die Histone können enzymatisch durch Ubiquitin, Phosphat-, Methyl- und Acetyl-Reste modifiziert sein. Dadurch ändert sich die Verpackungsdichte der DNA im Chromatin. Göttlicher und Kollegen konnten in ihren früheren Arbeiten zeigen, dass das Anti-Epileptikum Valproinsäure die Aktivität der Histon-Deacetylase-Enzyme hemmt. Die Acetyl-Gruppen können daher nicht mehr von den Histonen entfernt werden, die Histone liegen ungeladen vor, das Chromatin ist weniger dicht gepackt, und viele Gene, deren Kontrolle von der Histon-Acetylierung abhängt, sind folglich aktiver. In der Embryonalentwicklung, die durch ein empfindliches Gleichgewicht von aktiven und passiven Genen charakterisiert ist, führt diese ‚ungeplante‘ Genaktivierung zu Fehlbildungen von Neuralrohr und Schädel. Der erwachsene Organismus kann die Hemmung der Histon-Deacetylasen in gewissen Grenzen offensichtlich besser ausgleichen als der Embryo. Genaktivierung zur Kontrolle von Krebszellen Die durch Hemmung von Histon-Deacetylasen verursachte Genaktivierung könnte – so spekulierten die Wissenschaftler – aber auch ein vielversprechendes Konzept zur Therapie von bestimmten Tumorerkrankungen darstellen. Kleines Molekül mit großer Wirkung: Valproinsäure 50 Zellkernproteine von menschlichen Kulturzellen nach gelelektrophoretischer Auftrennung. Linke Spur: Größenstandards; mittlere Spur: Leicht lösliche Zellkernproteine; rechte Spur: Schwerlösliche Zellkernproteine. Die vier prominenten Banden im unteren Bereich der schwerlöslichen Proteine sind die Histon-Proteine H2A, H2B, H3 und H4, die den inneren Kern der Nukleosomen bilden. In allen Körperzellen kontrolliert ein hochkomplexes Programm, welche Gene wann an- beziehungsweise abgeschaltet sein müssen. Dieses Programm ist jedoch störanfällig. Umwelteinflüsse oder Fehler im Erbgut können bewirken, dass Gene abgeschaltet werden, obwohl ihre Expression eigentlich wichtig ist – zum Beispiel um die Zelle vor unkontrolliertem Wachstum zu schützen, sich entsprechend ihrer Bestimmung zu differenzieren oder den programmierten Zelltod auszulösen. Sind solche Gene fälschlicherweise ausgeschaltet, kann sich aus einer gesunden Körperzelle eine Krebszelle entwickeln, die sich unter Umständen ungehindert vermehrt. Aus der Tumorforschung war bekannt, dass in vielen Arten von Krebszellen die Modifikation des Chromatins gestört und daher die Expression zahlreicher Gene fehlreguliert ist. Forschung aktuell – Eingriff in die DNA-Verpackung Beispielsweise ist in bestimmten Leukämiezellen die Maschinerie für die Acetylierung beziehungsweise Deacetylierung von Histonen defekt – es wird offensichtlich zu viel Histon-Deacetylase-Aktivität an bestimmte Gene gebunden. Dadurch wird die Chromatinstruktur derart verändert, dass wichtige regulatorische Gene ‚stumm‘ bleiben. Für die Therapie von solchen Tumorerkrankungen wäre es ideal, wenn Veränderungen des Chromatins, die bedingt durch HistonDeacetylasen zu einer irregulären Stummschaltung von Genen führen, rückgängig gemacht werden könnten. Es existieren eine ganze Reihe von natürlichen und synthetischen Substanzen, die diese Enzyme hemmen können, darunter eben auch die Valproinsäure. Ihr besonderer Vorteil als Therapeutikum wäre, dass sie schon lange als Medikament zugelassen ist und – wenn auch für eine andere Anwendung – umfangreiche Erfahrungen über Wirkungen und Nebenwirkungen vorliegen. Die Wissenschaftler prüften die AntitumorWirksamkeit von Valproinsäure zunächst an Tiermodellen für Brust- und Darmkrebs, an Karzinom-Zellkulturen und an menschlichen Leukämiezellen. Die Ergebnisse waren äußerst vielversprechend: Viele Tumorzellen bildeten sich zurück, redifferenzierten sich zu normalen Zellen oder wurden durch den programmierten Zelltod eliminiert. Allerdings gab es auch Krebszellen, die nicht auf die Hemmung von Histon-Deacetylasen reagierten. Viel versprechender Baustein für die Therapie Mittlerweile haben auch Partner in der Klinik Studien mit Valproinsäure als Antitumor-Medikament auf den Weg gebracht. Am Krankenhaus Nordwest in Frankfurt/Main läuft eine Phase I/II-Studie zur Dosisfindung und Verträglichkeit und an der Universität Ulm untersucht die AML-Studiengruppe (AMLSG) in einer Phase II- und Phase III-Studie an Patienten mit akuter myeloischer Leukämie, welche Wirksamkeit Valproinsäure in Kombination mit konventionellen und anderen inno- vativen AntitumorMedikamenten hat. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehen die Studienergebnisse ermutigend aus, und es ist zu hoffen, dass sich Valproinsäure als ein Baustein in der Kombinationstherapie bestimmter Leukämien etablieren wird. Solide Tumoren In einer Kooperation mit dem Forschungszentrum Karlsruhe fanden Göttlicher und seine Mitarbeiter vom GSF-Institut für Toxikologie kürzlich auch einen Zusammenhang zwischen einer Fehlfunktion von Histon-Deacetylasen und der Entstehung von soliden Dickdarm-Tumoren. Solche Tumoren entwickeln sich häufig auf der Basis eines Defektes im so genannten APC- (adenomatosis polyposis coli) Tumorsuppressor-Gen. Der Ausfall dieses Gens führt unter anderem dazu, dass verstärkt eine bestimmte Histon-Deacetylase, die HDAC-2, gebildet wird. Offensichtlich haben erhöhte HDAC-2-Mengen eine große Bedeutung für das weitere Schicksal der Krebszellen. An isolierten Dickdarm-Tumorzellen wurde nämlich beobachtet, dass sie nur dann überleben können, wenn erhöhte Mengen an HDAC-2 vorhanden sind. Aktuelle Forschungsarbeiten gehen der Frage nach, warum eine Hemmung von Histon-Deacetylasen zum Tod dieser Tumorzellen führt. Die genomweite Suche nach Genen, die durch Hemmung von Histon-Deacetylasen in DickdarmTumorzellen aktiviert werden, zeigt, dass offensichtlich die Balance zwischen Induktoren und Inhibitoren des programmierten Zelltodes maßgeblich durch die Histon-Deacetylase-Aktivität gesteuert wird. Ferner hängen auch Komponenten, die an der Erkennung der Tumorzellen durch das Immunsystem beteiligt sind, von der Aktivität der Histon-Deacetylasen ab. Bereits seit über 30 Jahren wird Valproinsäure erfolgreich bei der Behandlung von Epilepsie eingesetzt. Prof. Dr. Martin Göttlicher, heute Leiter des GSF-Instituts für Toxikologie, hat zusammen mit Kollegen entdeckt, dass Valproinsäure auch Wirkung gegen Tumorzellen zeigt. Mittlerweile laufen dazu ermutigende Phase I-, IIund III-Studien an Patienten mit akuter myeloischer Leukämie. Das verstärkte Auftreten der Histon-Deacetylase HDAC-2 in Dickdarm-Tumoren wirft die 51 Forschung aktuell – Eingriff in die DNA-Verpackung Dickdarm normal Karzinom Immunfluoreszenz HDAC2 Die Expression von Histon-Deacetylase 2 (HDAC2) in Normalund Tumorgewebe bei einem Patienten mit Dickdarmkarzinom. Das Enzym wurde durch Immunfluoreszenz mit HDAC2spezifischen Antikörpern sichtbar gemacht. In Tumorgeweben wird HDAC2 deutlich stärker exprimiert als in gesundem Gewebe. Kontakt Prof. Dr. Martin Göttlicher GSF-Institut für Toxikologie Tel.: 0 89/31 87-24 46 goettlicher@gsf.de 52 Frage auf, ob dieses Enzym einen entscheidenden Beitrag zur Tumorentstehung leistet und ob sich ohne HDAC-2 überhaupt Tumoren bilden können. Die Verfügbarkeit von genetisch veränderten Mäusen erlaubt es nun, dieser Frage mit Hilfe von Maus-Tumormodellen nachzugehen. Im Hinblick auf eine in der Zukunft eventuell mögliche Hemmung von HDAC-2 zu therapeutischen Zwecken ist es wichtig, dass der Gesamtorganismus diese Hemmung des Enzyms in gewissem Umfang tolerieren kann. Hier geben die genetisch veränderten Mäuse schon jetzt wichtige Hinweise: Sie sind nämlich trotz Fehlens von HDAC-2 lebensfähig. Zwar sind sie von Geburt an kleiner als ihre nicht veränderten Geschwister und durchlaufen auch die Embryonalentwicklung nicht ganz ohne Fehler, dennoch geben diese Analysen Anlass zur Hoffnung, dass eine Hemmung von HDAC-2 im erwachsenen Organismus, der einen Tumor entwickelt hat, keine gravierenden Schädigungen nach sich zieht. Die Bildung von Darmtumoren ist in Mäusen ohne HDAC-2 vermindert, auch wenn sie – bis zum Stadium von gutartigen Polypen – nicht ganz ausbleibt. Offen ist die Frage, inwieweit die Weiterentwicklung solcher Adenome hin zum bösartigen Karzinom durch das Fehlen von HDAC-2 beeinflusst wird, und ob es eine lohnende Perspektive ist, selektiv wirkende Hemmstoffe für die HDAC-2 zu entwickeln. In Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München und dem Klinikum rechts der Isar werden die in der Grundlagenforschung entwickelten Konzepte durch Studien an Tumorpatienten überprüft. Die Wissenschaftler untersuchen an Proben von menschlichen Dickdarm-Tumoren, ob sich die Vorhersagen aus Zellkultur- und Mausexperimenten bestätigen lassen und tatsächlich ein Zusammenhang zwischen erhöhten HistonDeacetylase-Mengen und der Reduktion bestimmter Wachstumsbremsen und Auslösern von Zelltod besteht. Sie erwarten, dass diese Untersuchungen Indikatoren für diejenigen Tumoren liefern, die auf eine Behandlung mit Hemmstoffen für Histon-Deacetylasen ansprechen. Die Arbeiten werden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 456 „Zielstrukturen für selektive Tumorinterventionen“ gefördert. Mit Krebspreis geehrt Im März 2006 wurden Prof. Martin Göttlicher und Prof. Thorsten Heinzel, früherer Mitarbeiter am Georg-Speyer-Haus in Frankfurt am Main, jetzt Universität Jena, mit dem experimentellen Krebspreis 2006 der Deutschen Krebsgesellschaft ausgezeichnet. In der Begründung heißt es unter anderem: ‚Die Arbeiten der Preisträger haben dazu geführt, dass ein grundlegender Mechanismus der Krebsentstehung besser verstanden wurde und – basierend auf diesen Erkenntnissen – (...) in absehbarer Zeit ein neues Krebsmedikament zugelassen werden wird.‘ Forschung aktuell – Strahlenreduzierung in der Computertomographie Bilder besser berechnen – Strahlenreduzierung in der Computertomographie Ob gebrochenes Bein, schmerzende Zahnwurzel, Verdacht auf Brustkrebs oder Lungenentzündung - der Arzt röntgt. Die energiereichen Strahlen sind heute aus dem medizinischen Alltag nicht mehr wegzudenken. Knapp 40 Prozent der medizinischen Strahlenbelastung stammen aus computertomographischen Untersuchungen und die Anzahl der CT-Aufnahmen wird in Zukunft weiter steigen - damit verbunden auch die Strahlenexposition. Wissenschaftler im GSF – Institut für Strahlenschutz haben ein neues Verfahren entwickelt, das mit deutlich geringerer Strahlendosis Aufnahmen hoher Qualität liefert. m Jahr 2001 hat jeder Bundesbürger, so wird geschätzt, im Durchschnitt bei medizinischen Untersuchungen eine mittlere effektive Röntgendosis von etwa zwei MilliSievert (mSv) erhalten. Bei einer mittleren Gesamtexposition von 4,7 mSv ist das Rönt- I gen damit für den größten Teil der Strahlenbelastung verantwortlich. Nach Angaben des Bundesamts für Strahlenschutz stammen knapp 40 Prozent der zwei mSv aus computertomographischen (CT-) Untersuchungen, die allerdings nur rund fünf Prozent aller 53 Forschung aktuell – Strahlenreduzierung in der Computertomographie Bei der Computertomographie werden Bilder von scheibenförmigen Schichten des Körpers aufgenommen. Zusammengesetzt liefern sie dem Arzt ein genaues Abbild des Körperinneren. Die vor wenigen Jahren eingeführte Mehrschicht-CT ermöglicht es, mehrere aneinander angrenzende Schichten des Körpers gleichzeitig zu betrachten. Röntgenuntersuchungen ausmachen. Bei der Computertomographie werden Bilder von scheibenförmigen Schichten des Körpers aufgenommen. Zusammengesetzt liefern sie dem Arzt ein genaues Abbild des Körperinneren. Die CT ist stetig auf dem Vormarsch, zumal neue Verfahren sie immer leistungsfähiger machen: Mehr Aufnahmen in kürzerer Zeit, mehr diagnostische Möglichkeiten. So erlaubt die vor wenigen Jahren eingeführte Mehrschicht-CT, mehrere aneinander angrenzende Schichten des Körpers gleichzeitig zu betrachten. Die Anzahl der CT-Aufnahmen wird also in Zukunft weiter steigen. Nachteilig wirkt sich aus, dass die CT eine vergleichsweise hohe Strahlenbelastung mit sich bringt: Anders als beim klassischen Röntgen können nicht interessierende Körperregionen schlechter abgeschirmt werden, sämtliche in Abtastrichtung liegenden Körperanteile werden bestrahlt; zudem ist die Strahlendosis am Eintrittspunkt in den Körper etwas höher. Aufnahmen von ein bis zwei CTSchichten bedeuten eine ähnliche Strahlenbelastung wie eine konventionelle Großaufnahme der gleichen Körperregion. Technische Verbesserungen konnten die Dosis pro CT bisher um maximal 30 Prozent senken. Mit einer weiteren Minderung der Strahlendosis würde aber, vor allem bedingt 54 durch erhöhtes Bildrauschen, die Bildqualität leiden. Einen Weg zu finden, trotz geringerer Dosis Aufnahmen hoher Qualität zu erzeugen, ist Ziel der GSF-Arbeitsgruppe Medizinphysik. Ihr Vorgehen fasst der Leiter der Arbeitsgruppe, Dr. Christoph Hoeschen, zusammen: „Wir wenden für die notwendige Rekonstruktion der Bilder aus CT-Daten einen neuartigen Algorithmus an, der die in den Rohdaten steckende Information besser ausnutzt.“ Damit können die Wissenschaftler aus der Hälfte der Daten - entsprechend einer halbierten Strahlenbelastung - bei vergleichbarem Rechenaufwand mindestens gleich gute Bilder rekonstruieren wie mit dem bisherigen Standardverfahren, der „Filtered Back Projection“ (FBP). Auf Basis des neuen Algorithmus haben sie zudem verschiedene neue Aufnahmegeometrien entwickelt, die helfen könnten, ohne Qualitätsverlust die Dosis weiter zu senken. Forschung aktuell – Strahlenreduzierung in der Computertomographie Bisheriger Standard Der Algorithmus der FBP besteht aus zwei Hauptschritten: der Rückprojektion und einer Filterung. „Die Daten werden aus verschiedenen Winkeln als Projektionsradiographien aufgenommen. Zur Vereinfachung nehmen wir an, die zu einem Winkel gehörenden Strahlen würden parallel verlaufen“, erläutert Hoeschen. „Dann bildet der gesamte Datensatz ein so genanntes Sinogramm. Anschließend projizieren wir das Ergebnis zurück: Wir weisen allen Elementen, die auf der jeweiligen Projektionslinie liegen, einen Absorptionswert zu, so dass sich insgesamt der gemessene Absorptionswert ergäbe. Tun wir dies für alle Projektionsradiographien, so erhalten wir eine Annäherung an das ursprüngliche Bild.“ Aus je mehr Winkeln man die Strahlen „abschießt“, je mehr Projektionsradiographien man also anfertigt, desto besser wird das Bild. Allerdings hat es die Form eines Sterns. Die Filterung macht daraus wieder eine Scheibe, bringt dabei jedoch eine gewisse Unschärfe ins Bild. Um diese gering zu halten, muss man möglichst hoch auflösend messen, und zwar - damit nun das Bildrauschen nicht zu groß wird - mit photonenreichen Strahlen. Sprich: Man muss eine hohe Strahlenbelastung in Kauf nehmen. Gemeinsam mit Kollegen von der Universität Oregon in Eugene, USA, haben die GSF-Wissenschaftler einen neuartigen Rekonstruktionsalgorithmus geschaffen, der aus den Rohdaten eines CT-Scans Bilddaten errechnen kann. Neu: Der Algorithmus OPED Sein Prinzip, eine „orthogonale polynomiale Erweiterung auf der Einheitsscheibe“ (Orthogonal Polynomial Expansion on the Disc, OPED), ist für Nicht-Physiker nicht leicht nachzuvollziehen. Das Prinzip beruht darauf, dass sich eine Funktion, die das Objekt beschreibt, näherungsweise durch ein Polynom wiedergeben lässt. Durch geschickte Auswahl der benötigten Basisfunktionen schaffen es die Experten, mit relativ geringem Rechenaufwand und auf einfache Weise aus Rohdaten eines CT-Scans eine äußerst genaue Näherung der tatsächlichen Eigenschaften des Objekts zu rekonstruieren. Voraussetzung ist eine korrekte Datenaufnahme - für das CT bedeutet das: Es müssen genügend Photonen durch das absorbierende Medium hindurchgelangen, damit messbare Signale entstehen. Für die Rekonstruktion von Bildern aus CT-Daten wenden die Wissenschaftler des GSF-Instituts für Strahlenschutz nun einen neuartigen Algorithmus an, der die in den Rohdaten steckende Information besser ausnutzt. Damit können sie aus der Hälfte der Daten - entsprechend einer halbierten Strahlenbelastung - bei vergleichbarem Rechenaufwand mindestens gleich gute Bilder rekonstruieren wie mit bisherigen Standardverfahren. 55 Forschung aktuell – Strahlenreduzierung in der Computertomographie a) b) c) diese Bilder vermitteln den Eindruck, dass OPED sehr gut abschneidet - das OPED-Bild gibt Details schärfer wieder, ohne ein deutlich verstärktes Rauschen zu zeigen. Quantitative Auswertungen technischer Phantome zeigen: Mit OPED ist bei halber Dosis mindestens dasselbe Signal-Rauschverhältnis erreichbar wie mit FBP bei voller Dosis. Mit Hilfe des neuen Algorithmus lässt sich also die Dosis ohne jegliche Qualitätseinbuße um die Hälfte reduzieren. Vorteilhafte Geometrien f) d) e) Bildentstehung im Computertomogramm mit Filtered Back Projection: a) Objekt, b) Projektion, c) Sinogramm (Darstellung aus allen Projektionen), d) eine Rückprojektion, e) Summe vieler Rückprojektionen und f) gefiltertes Ergebnisbild. Bei Rekonstruktion mittels FBP gibt es neben dem Problem der Unschärfe, die das notwendige Filtern hervorruft, eine weitere Schwierigkeit: Die nicht parallel, sondern fächerförmig verlaufenden Strahlen. Da die meisten gängigen FBP-Versionen aber parallele Strahlen zwingend erfordern, müssen diese aus dem Strahlenfächer berechnet werden, was zu Fehlern in der Rekonstruktion führen kann. Mit dem OPED-Algorithmus lassen sich Rohdaten aus Strahlen mit unterschiedlichem Abstand verwenden: Man kann die benötigten Daten direkt aus den mit gefächerten Strahlen aufgenommenen Scans gewinnen. Die Daten müssen nur umsortiert werden, dann kann die Rekonstruktion sofort beginnen. Bessere Bilder bei halber Strahlendosis Dass OPED den Vergleich mit FBP nicht scheuen muss, beweisen die GSF-Wissenschaftler in Testsimulationen: Anhand von technischen Objekten und Schichten der von ihnen selbst erstellten Voxelmodelle menschlicher Körper simulieren sie Ursprungsdaten, wie sie ein tatsächliches CT liefern würde. Diese Daten werden dann einmal mit FBP und einmal mit OPED aus der Hälfte der FBP-Daten rekonstruiert. Bereits 56 Ein Ziel in der medizinischen Bildgebung ist es, immer mehr Schichten des Körpers gleichzeitig aufzunehmen, um durch Bewegungen hervorgerufene Artefakte klein zu halten, beispielsweise bei Untersuchungen des Herzens. Dazu wäre es wünschenswert, die CT mit modernen digitalen Röntgenbilddetektoren zu kombinieren, so genannten Flächendetektoren. Dabei ergeben sich allerdings vor allem zwei gravierende Probleme. Das eine hängt damit zusammen, dass die Detektorelemente nicht mehr auf einem Kreis angeordnet sind, sondern in einer ebenen Fläche; eigentlich müssten sie deshalb unterschiedlich groß sein - nach außen zu größer werdend. Denn fällt beim herkömmlichen Verfahren der gefächerte Strahl, nachdem er den Patienten durchdrungen hat, auf gleich große, kreisförmig angeordnete Detektorelemente, sind alle dort ankommenden Teilstrahlen gleich breit. Beim Flächendetektor dagegen ergeben sich unterschiedlich breite Teilstrahlen. „Das bringt eine Menge Probleme ein,“ sagt Hoeschen. „Doch die können wir lösen, weil OPED nicht auf gleich breite Strahlen angewiesen ist - insbesondere, weil ja die Strahlen nicht im gleichen Abstand voneinander angeordnet sein müssen. Wir variieren also ihren Abstand und damit auch ihre Breite. Wenn man das geschickt macht, kann man es so einrichten, dass nach dem Gang durch den Patienten doch wieder gleich breite Strahlen auf den Detektor treffen - der damit optimal ausgenutzt wird.“ Die zweite Schwierigkeit ist, dass beim Flächen-CT ein großer Teil der Körperoberfläche des Patienten bestrahlt wird. Dabei entsteht Forschung aktuell – Strahlenreduzierung in der Computertomographie viel Streustrahlung, die das eigentliche Messsignal überlagert. Während beim herkömmlichen CT die Streustrahlung ein Viertel des Direktstrahls ausmacht, ist sie beim Flächen-CT viermal so groß wie dieser. „Wir haben also quasi ein Streustrahlbild. Aber auch das bekommen wir in den Griff, und zwar mit Hilfe von Masken, die nicht benötigte Strahlen ausblenden. So lässt sich der Anteil der Streustrahlung drastisch reduzieren“, so Hoeschen. Positionen einer Röntgenquelle (= schwarze Punkte), von denen fächerförmig Strahlen ausgehen. Die weißen Punkte sind Detektoren. Das Neusortieren der Strahlen (rote Linien) ergibt parallele, allerdings nicht äquidistante, Punkte. Noch einen weiteren Nachteil heutiger CTAufnahmesysteme könnte OPED ausgleichen - indem man den Algorithmus mit einer gänzlich neuen Aufnahmegeometrie koppelt. Im Sinne möglichst kurzer Aufnahmezeiten strahlen die CT-Röhren nämlich nicht nur, solange die Detektoren auslesen, sondern im Allgemeinen durchgängig. Da für OPED weniger Strahlen ausreichen und insbesondere Strahlen mit variablem Abstand, könnte man in ein vorhandenes CT-System einen inneren festen Ring einbauen, der zwei Funktionen ausübt: Er ist Maske und zugleich Detektor für eine zweite Aufnahmeebene. Damit stünden zwei Datensätze für Rekonstruktionen zur Verfügung. Zudem würde sämtliche den Patienten treffende Strahlung zur Bildgebung verwendet, was erlauben würde, die Dosis ohne Qualitätsverlust weiter entscheidend zu vermindern. Ein entsprechender Prototyp wird zurzeit von den GSF-Wissenschaftlern aufgebaut. Noch hat das neue Verfahren OPED den Sprung in die kommerzielle Anwendung vor sich. Doch entsprechende Tests sind angelaufen und bisher deutet vieles darauf hin, dass OPED die Evaluierungsphase erfolgreich bestehen wird. So ist zu hoffen, dass schon in absehbarer Zukunft eine schonendere Computertomographie in die Arztpraxen und Kliniken Einzug halten kann. Das an der GSF entwickelte Voxelmodell GODWIN beruht auf Standardwerten und repräsentiert einen Durchschnittsmenschen. Die Internationale Strahlenschutzkommission hat Godwin zum zukünftigen Referenzmenschen gewählt, um Dosisabschätzungen vornehmen zu können. Im Bild: Eine rekonstruierte Schicht aus dem Voxelmodell GODWIN: a) Rekonstruktion mittels Standardverfahren (Filtered Back Protection, FBP); b) Rekonstruktion mittels neuem Algorithmus (OPED), aus der Hälfte der FBP-Daten. Kontakt Dr. Christoph Hoeschen GSF-Institut für Strahlenschutz Tel.: 0 89/31 87-45 60 christoph.hoeschen@gsf.de 57 Glossar Glossar Allergie spezifische Änderung der Immunitätslage im Sinne einer krankmachenden Überempfindlichkeit. Allergien richten sich gegen Fremdstoffe (Allergene), die auf den Körper einwirken. allogen von einem genetisch nicht verwandten Individuum derselben Art stammend. Alveolen Lungenbläschen, die am Ende des Bronchialbaums im Lungengewebe, an den Bronchiolen sitzen. autolog zum selben Individuum gehörig. Antigene Moleküle, die von einem spezifischen Antikörper gebunden werden. Antikörper werden beim ersten Kontakt des Körpers mit dem als „fremd“ erkannten Antigen durch das Immunsystem gebildet. Antikörper Proteine mit einer spezifischen Bindungsstelle für Antigene. Antikörper sind meist im Blut gelöst, können aber auch an Membranen gebunden vorliegen. Beim Kontakt des Körpers mit Antigenen werden in einer komplexen Immunreaktion Antikörper synthetisiert. Bronchoalveolarlavage Lungenspülung mit physiologischer Kochsalzlösung zur Gewinnung von Lungenflüssigkeit mit ihrem Eiweiß- und Zellmaterial. Chemokine chemotaktisch wirkende Zytokine, 58 die von vielen Zelltypen abgesondert werden können. Chemokine können z.B. Leukozyten anlocken und aktivieren. DNA Desoxyribonucleic acid (Desoxyribonukleinsäure), chemische Bezeichnung für den Träger der Erbinformation. Sie besteht aus den Basen Adenin, Thymin, Cytosin und Guanin, die über ein ZuckerPhosphat-Gerüst miteinander verknüpft sind. Die lineare Abfolge der Basen ist die „Sequenz“ der DNA. Die DNA weist als Raumstruktur eine Doppelhelix auf. Emphysem auch: Lungenemphysem, abnorm vermehrter Luftgehalt der Lunge infolge einer Überdehnung bzw. Blähung, die zum Zerplatzen von Lungenbläschen führen kann. Epithel Zellverband, der innere oder äußere Körperoberflächen bedeckt. Gen Ein Gen ist ein Abschnitt der DNA, der für ein bestimmtes Protein kodiert und zudem regulatorische Elemente enthält. Genom Gesamtheit des genetischen Materials einer Zelle oder eines Individuums. Granulozyten eine von drei Arten weißer Blutkörperchen. Granulozyten werden, wie auch die Monozyten im Knochenmark gebildet. Histamin Botenstoff, der nach Kontakt mit Allergenen und IgE-Antikörpern freigesetzt wird. Er ist für Symptome wie Juckreiz oder Schnupfen verantwortlich. Histone Proteine, um die der Erbgut-Faden – die DNA – gewunden ist. Hybridom Zelle, die durch Fusion von zwei Zellpopulazionen entstanden ist, die monoklonale Antikörper produziert und in der Lage ist, sich zeitlich unbegrenzt zu vermehren. IgE Abkürzung für Immunglobulin E. Klasse von Antikörpern, die für die Vermittlung allergischer Sofortreaktionen verantwortlich sind. Sie treten bei Allergikern in erhöhter Konzentration im Blut auf und eignen sich gut für die Diagnostik (z. B. RAST). Immunglobuline (Ig) Proteine, die i.d.R. als Antikörper wirken. Sie werden in unterschiedliche Klassen eingeteilt, je nach Form und Funktion (z.B. IgM, IgE). Immunmodulation Beeinflussung des Immunsystems. Interferone zelleigene Glykoproteine, die bei einem Virusbefall speziell von Leukozyten und Fibroblasten gebildet werden. Sie besitzen unspezifisch antivirale Eigenschaften. HumanInterferone für medizinische Zwecke können heute gentechnologisch hergestellt werden. Lipide Fette; vielseitige Gruppe von Biomolekülen, die eine wichtige Rolle beim Aufbau von Zellwänden, bei der Energiespeicherung und Ernährung und bei der Kommunikation von Zellen spielen. Liposomen Durch Einschließen in L. können Medikamente zielgenau zu ihrem EinsatzorttransportiertundihreWirkung dadurch verbessert werden. Lymphozyten eine von drei Gruppen weißer Blutkörperchen. Makrophagen Fresszellen. Makrophagen sind wichtige Vermittler der Immunabwehr und können Mikroorganismen und Zellbestandteile nach Aufnahme eliminieren (sog. Phagozytose). Nukleosom Komplex aus DNA und Histonen, die erste Verpackungsstufe der DNA. PCR polymerase chain reaction, Polymerase-Kettenreaktion. Verfahren zur Vermehrung (Amplifizierung) geringer Mengen einer DNA für diagnostische, analytische oder forensische Zwecke. Proliferation Zellteilung, Zellwachstum. Protein Molekül, das durch die Verknüpfung zahlreicher Aminosäuren mittels Peptidbindung entstanden ist. Proteine haben beispielsweise als Strukturproteine oder als Biokatalysatoren (Enzyme) im Stoffwechsel lebender Zellen eine entscheidende Bedeutung. RNA (ribonucleic acid, Ribonukleinsäure) Nukleinsäure-Moleküle, bestehend aus einer Zucker-PhosphatKette, an die die Basen Adenin, Uracil, Guanin und Cytosin gebunden sind. RNAs übertragen die Erbinformation von der DNA auf Proteine. (Translation) Sequenzierung 1. Sequenzierung von Nukleinsäuren: Verfahren zur Bestimmung der Abfolge der Basen. 2. Sequenzierung von Peptiden/ Proteinen: Verfahren zur Bestimmung der Aminosäurenabfolge. Sputum Auswurf; Absonderungen aus den Bronchien; die Untersuchung des Sputums dient der Diagnose von Erkrankungen der Atemwege. Glossar T-Helfer-Zellen (T-Lymphozyten) Zelltyp, welcher für die zelluläre Immunantwort mit verantwortlich ist. Transkription Übertragung des genetischen Codes von der doppelsträngigen DNA auf einen RNA-Einzelstrang unter Beteiligung von zahlreichen Enzymen (Transkriptasen); erster Schritt der Gen-Expression. Tumornekrosefaktor (TNF) zu den Zytokinen zählender, körpereigener Botenstoff der Zellen des Immunsystems. Tumorvirus Virus, das in die Wachstumskontrolle einer Zelle eingreift und zu einer unkontrollierten Vermehrung der Zelle führt, wie beispielsweise das Epstein-Barr-Virus, das einen schnell wachsenden Tumor (das Burkitt-Lymphom) auslöst. Virus nicht zelluläre biologische Einheit; besteht aus nicht an Chromosomen gebundene Nukleinsäuren (DNA oder RNA) in einer schützenden Hülle aus Proteinen, Lipiden etc. Viren können sich nur in einer Wirtszelle unter Verwen- dung der Enzymausstattung des Wirts vermehren. Zytokine Proteine, die von Immunzellen, aber auch von nicht immunologischen Zellen gebildet und freigesetzt werden. Die Zytokine dienen den Immunzellen als „Botenstoffe“, sie steuern und koordinieren die Abwehr von Krankheitserregern. Zytokine sind mitverantwortlich für den erfolgreichen Ablauf einer Immunreaktion. Bei der GSF können Sie erhalten Aus der Reihe mensch+umwelt spezial: Nahrungsmittel zwischen Natur und Retorte (Heft 14/2000) Informationsmaterial über das GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit: GSF-Jahresbericht (deutsch/ englisch) Die Deutsche Mausklinik (GMC) und das Europäische MausMutanten-Archiv (EMMA) im GSF – Forschungszentrum Asthma und Allergien – Wenn die Luft zum Atmen fehlt (Heft 15/2002) Was verraten unsere Gene? (Heft 16/2003) Grüne Gentechnik in Forschung und Anwendung (Heft 17/2005) Strahlung von Röntgen bis Tschernobyl (Heft 18/2006) Faltprospekt GSF in Kürze (deutsch und englisch) Vom Schlüssel zur Funktion – Genforschung in der GSF Großes Netzwerk mit kleinen Teilchen – Aerosolforschung in der GSF Das Genomanalysezentrum im GSF – Forschungszentrum Experimentelle Umweltsimulation im GSF – Forschungszentrum Anforderung per Postkarte an: GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit Öffentlichkeitsarbeit Ingolstädter Landstraße 1 85764 Neuherberg E-Mail: oea@gsf.de Als pdf-Download über www.gsf.de Bildnachweis Titelbild: AOK, DAK/Scholz, B. Müller (2), GSF-Archiv; M.: R. v. Aufschnaiter; S. 6: DAK/Scholz, B. Müller; M.: R. v. Aufschnaiter; S. 8: GSF-Archiv; S. 10: R. Issels; S. 12: U. Baumgart, Goddeng/ GSF-Archiv (2); S. 13: B. Müller; S. 14/15: B. Müller (2); S. 16: M. van den Heuvel, B. Müller; S. 17: Goddeng/GSF-Archiv (2), M.: R. v. Aufschnaiter; S. 18: H.-J. Kolb, GSF-Archiv; S. 20: H. Behrendt; S. 21: Photocase, privat, C. TraidlHoffmann, A. Kaschke, T. Jakob; S. 22: DAK; S. 23: S. KraussEtschmann, U. Baumgart; S. 24: G. W. Bornkamm; S. 25: J. Mautner, U. Baumgart, DAK; S. 27: D. Vogt Weisenhorn (2); S. 29: B. Müller; S. 30: B. Müller, D. Schendel; S. 31: U. Baumgart; S. 32: Roche; S. 33: B. Müller (2); S. 34/35: Zoo-Aquarium Berlin, GSF-Archiv, B. Müller (2); S. 36: B. Müller (3); S. 37: M. van den Heuvel, UFZ – Umweltforschungszentrum Leipzig Halle; S. 38: B. Müller; S. 39: Institut für Molekulare Virologie, privat, UNAIDS/WHO; S. 40: A. Cosma, B. Müller; S. 41: D. Busch; S. 42: GSF-Institut für Molekulare Virologie, privat; S. 43: B. Müller; S. 44: H. J. Klose, Philipps-Univ. Marburg; S. 45: H. Pohla, GSF-Archiv, C. S. Falk, D. Schendel/ mensch + umwelt; S. 46: B. Müller (2), D. Schendel; S. 47: U. Baumgart, J. Hopkins, Univ. of Edinburgh; S. 48: M. Göttlicher; S. 49: H. Nau, K. Hoffmann; S. 50: M. Göttlicher, H. Guldner; S. 51: M. van den Heuvel; S. 52: U. Baumgart, Deutsche Krebsgesellschaft, GSF-Institut für Toxikologie; S. 53: Siemens – Somatom Definition; S. 54/55: AOK (3); S. 56: C. Hoeschen; S. 57: U. Baumgart, C. Hoeschen, M. Zankl; hinterer Umschlag: Fotag Luftbild GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in der Helmholtz-Gemeinschaft In Neuherberg, im Norden Münchens, befindet sich auf einem 50 ha großen Gelände der Hauptsitz des GSF – Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit. Zudem unterhält die GSF das Forschungsbergwerk Asse in Remlingen bei Wolfenbüttel sowie Institute in der Stadt München. Das GSF – Forschungszentrum erforscht die Grundlagen einer zukünftigen Medizin und Versorgung sowie Ökosysteme mit wesentlicher Bedeutung für die Gesundheit. Im Mittelpunkt stehen chronische, degenerative Krankheiten wie Lungenerkrankungen, Allergien, Krebs und HerzKreislauf-Erkrankungen, die in erheblichem Maße durch persönliche Risikofaktoren, Lebensstil und Umweltbedingungen beeinflusst werden. Zur Entwicklung neuer individualisierter Ansätze in Prävention, Diagnostik und kausaler Therapie als Merkmale einer zukünftigen Medizin analysiert die GSF Interaktionen zwischen genetischer Disposition, biologischen Systemen und Umweltfaktoren. Ziel ist die enge Verknüpfung von Forschung und Anwendung, welches die GSF mit einem indikations- und disziplinübergreifenden Forschungsansatz verfolgt. Die Forschungsprojekte der GSF lassen sich in vier Themenfelder aufteilen: • Umweltfaktoren und Gesundheit • Mechanistische Grundlagen von Gesundheit und Erkrankung • Infektion und Immunität • Ökosysteme und Gesundheit Fächerübergreifende Vernetzung sorgt für Wissensaustausch und Wertschöpfung. GSF-Wissenschaftler/innen stellen durch ihre Mitarbeit in nationalen und internationalen beratenden Kommissionen sicher, dass neueste Forschungsergebnisse in Richtlinien und Gesetzesvorhaben einfließen können. In besonderem Maße fühlt sich die GSF der fachlichen Exzellenz in ihren Instituten und Abteilungen und der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses verpflichtet. Die GSF ist eine Einrichtung des Bundes und des Freistaates Bayern und gehört der HelmholtzGemeinschaft Deutscher Forschungszentren an. Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beträgt rund 1700, das Gesamtbudget beläuft sich auf 177 Millionen Euro.