Geschafts- bericht der Genossenschaft Migros Aare ..

Transcription

Geschafts- bericht der Genossenschaft Migros Aare ..
201
..
Geschaftsbericht der
Genossenschaft
Migros Aare
2010
03
Vorwort
Schönbühl, 1. April 2011
Rekordjahr bei der Migros Aare
Liebe Genossenschafterinnen und Genossenschafter
Liebe Kundinnen und Kunden
Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Für die Migros Aare war 2010 ein anforderungsreiches
Jahr, nicht zuletzt deshalb, weil die Verkaufspreise auf unserem
Sortiment – verglichen mit 2009 – um drei Prozent günstiger
waren, womit wir über 100 Millionen Franken an unsere Kundinnen und Kunden weitergeben konnten. Und dennoch: Es ist
uns gelungen, den Rekordumsatz des Jahres 2009 noch einmal
zu übertreffen.
Wir dürfen deshalb ohne zu übertreiben behaupten, dass die
Mitarbeitenden der Migros Aare 2010 die Herausforderungen
sehr gut gemeistert und tolle Leistungen erzielt haben.
Und: Als Genossenschaft sind wir einzig Ihnen verpflichtet, nicht
einem Aktionariat. Typisch ist auch, dass die Migros Aare keine
horrenden Saläre und überhaupt keine Boni für ihre obersten
Kader bezahlt.
Viel Vergnügen beim Lesen dieser Gespräche. Last but not least
bedanken wir uns bei Ihnen allen für das Vertrauen, das Sie der
Migros Aare gegenüber immer wieder unter Beweis stellen. Wir
wissen, dass dies nicht selbstverständlich ist.
Dr. iur. Max Meyer
Präsident der Verwaltung
Beat Zahnd
Geschäftsleiter
Wenn von der Migros Aare und von «wir» die Rede ist, dann
sind die 11’729 Mitarbeitenden gemeint. Diesem fantastischen
Team widmen wir den Geschäftsbericht 2010, jedenfalls den
zweiten Teil, den wir immer als «Kür» bezeichnen (ohne natürlich die «Pflicht» im ersten Teil zu vernachlässigen).
Die 28 Interviews stammen alle aus der «aare-info», unserer
wöchentlich erscheinenden Personalzeitung. Eigentlich sind es
gar keine Interviews, sondern Gespräche mit Mitarbeitenden, die
Ihnen die vielen Facetten des Teams «Migros Aare» aufzeigen.
Diese 28 Gespräche sind aber nur die Spitze des
Eisbergs: Sehr viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
engagieren sich freiwillig und/oder ehrenamtlich für Mitmenschen, in vielen Sektoren des Alltags. Ihnen allen gebührt
unsere Hochachtung. Diese Menschen leisten - wir finden den
Ausdruck passend - Überwältigendes. Wir sind stolz, diese
Leute in unseren Reihen zu wissen. Sie sind unser ganz eigenes
«Ein M besser».
In den Medien werden Unternehmen vor allem anhand von
Umsatz- und Gewinnzahlen portraitiert. Diese Zahlen sind
wichtig, daran werden wir öffentlich auch gemessen. Aber die
Seele eines Unternehmens machen letztlich nicht die guten
Zahlen aus, es sind die Menschen.
Inhaltsverzeichnis
Geschäftsjahr 2010
Genossenschaftsrat
Organigramm
Verkaufsstellen
Erfolgsrechnung
Bilanz
Bericht der Kontrollstelle
Wertschöpfung
Kennzahlen
Interviews, Mitarbeitende im Portrait
Impressum
04
08
10
12
22
24
29
30
31
33
147
04
..
Geschaftsjahr 2010
Januar
März
Die Migros spendet eine Million Franken an die Glückskette als
Soforthilfe für die Opfer des verheerenden Erdbebens in Haiti.
• 2010 wird es weitere Preissenkungen geben, das verspricht
Migros-Marketingchef Oskar Sager im Gespräch mit dem
«SonntagsBlick». • Die Live-Übertragungen aus der Metropolitan
Opera in New York in den grossen Pathé-Kinosaal im Westside
sind ein Renner: Nicht wenige Besucher ziehen diese Events dem
Berner Stadttheater vor. • Das Sturmtief Daisy hinterlässt nicht
nur in der Schweiz seine Spuren und lässt die Gemüsepreise in
Rekordhöhen klettern. • Bettelbrief an die Leute des MigrosKulturprozents: «Ich möchte mein Wirken künftig in spirituelle
Hände legen, in jene des Meisters und Erleuchteten, dafür
benötige ich 1600 Franken, der Erleuchtete wird Sie in sein Gebet
einschliessen.» • In Solothurn, in bester Bahnhofslage, öffnet die
von Langendorf umgezogene Klubschule ihre Türen und findet
damit grossen Anklang bei Stamm- und Neukunden.
Die Migros erhöht das Rentenalter für ihre Mitarbeitenden
von 63 auf 64 Jahre, bleibt im Bereich der Renten und Sozialleistungen anerkanntermassen aber führend, nicht zuletzt, weil
sie nach wie vor - als eine der wenigen Pensionskassen der
Schweiz - am Leistungsprimat festhält. • Langendorf hat allen
Grund zum Feiern: Nach einer langen Umbauphase in verschiedenen Etappen wird das Einkaufscenter Ladedorf als komplett
neues Shoppingcenter gesamteröffnet. • Ende des Monats starten
die Eisenbahn und die Kids-Cars am Spielparkfest auf dem
Gurten in ihre neue Saison. • «Schwerstarbeit» für die helvetischen Hühner: 20 Prozent des jährlichen Absatzes von über
250 Millionen Eiern stehen vor Ostern in den Gestellen. • Das
bisherige Zentrum Oberland in Thun wird nach 33 Jahren
abgebrochen, um einem Neubau Platz zu machen; die bisherigen
Geschäfte zügeln in einen neuen und zusätzlichen Trakt unmittelbar nebenan - just in diesen Tagen brechen zwei Schüler
in den Migros-Markt ein, um Panini-Bilder von Fussball-Stars zu
klauen.
Februar
Die Migros baut ihr Angebot im Bereich Bio und «Aus der
Region. Für die Region.» weiter aus, es sind jetzt 1’000 Bio- (mit
neuem Logo) und über 2’000 AdR-Produkte in den Gestellen zu
finden. • Nach 35 Jahren wird die viel zu klein gewordene
Migros-Filiale in Gerlafingen durch einen Neubau abgelöst,
die Freude der Gerlafingerinnen und der Gerlafinger ist gewaltig.
• Grosser Augenblick für die Sportstadt Thun: Mit dem Spatenstich beginnt der Bau des neuen Stadions; das unmittelbar
daneben gelegene Einkaufszentrum, das der Migros gehören
wird, soll «Panorama-Center» heissen. • Die Ski-Cracks von
morgen - vor einigen Jahren hat eine gewisse Lara Gut in ihrer
Kategorie gewonnen - treffen sich zum grossen Finale des Grand
Prix Migros in Schönried.
05
April
Platz 1 aller zehn Migros-Genossenschaften: Die Migros Aare gibt
an ihrer jährlich stattfindenden Medienkonferenz ein neues
Rekordergebnis bekannt. • Start zum Tanzfestival «Steps», das
vom Migros-Kulturprozent veranstaltet wird. • Das Flaggschiff
macht seinem Namen wieder alle Ehre: Nach einem vierjährigen
Umbau mit Investitionskosten von gegen 200 Millionen Franken
wird in Schönbühl das Shoppyland gesamteröffnet. • Der
Geschäftsbericht der Migros Aare erscheint in diesem Jahr als
Kochbuch, unter die Ägide der Mutze Chuchi Bern. • Start der
diesjährigen Migros-Kulturprozent-Classics, mit 27 Konzerten
und zum Teil weltbekannten Orchestern und Solisten wie Mischa
Maisky (Cello), Jean Yves Thibaudet (Klavier) oder Sir Eliot
Gardiner mit seinem Orchestre Révolutionnaire et Romantique.
• Der neueste K-Tipp-Preisvergleich beweist es: Die Migros hat
die Preise der ausgesuchten Lebensmittel in den vergangenen
vier Jahren um 15 Prozent gesenkt.
Mai
Juni
«Zumba», die Verschmelzung von Tanz und Fitness wird zur
Sensation - sozusagen von 0 auf 100 - und begeistert bis
Jahresende fast 2’000 Kundinnen und Kunden bei den Klubschulen der Migros Aare. • Multikulti in der Migros Christoffel im
Bahnhof Bern: Mitarbeitende aus zwölf Nationen sorgen alle zwei
Wochen abwechslungsweise für Exotisches aus ihrer Heimat
im Kochtopf des Take-Away. • Wegen anhaltenden schlechten
Wetters und Kälte fällt der Auftakt zur Grillsaison ins Wasser,
mit dem Resultat, dass die Kotelett-Preise in den Keller fallen.
• Die Migros steigt mit m-way und dem Vertrieb von Elektroautos
und batteriebetriebenen Rollern in ein neues Geschäftsfeld ein.
• Das Kulturbüro Bern feiert an der Rathausgasse 53 sein zehnjähriges Bestehen. • Unerwartete Sonntagsarbeit für das Personal: Bei einem Wassereinbruch in der Berner Marktgasse
werden mehrere Läden unter Wasser gesetzt, auch der MigrosMarkt. • 25’000 Läuferinnen und Läufer walkten, joggten und
rannten am diesjährigen Grand-Prix Bern mit, die Migros ist seit
Jahren Hauptpartnerin des Anlasses.
Nach Schweiz-Spanien (1:0, JA, «wir» haben den späteren Weltmeister gebodigt, ha!) offeriert die Migros am nächsten Tag ihren
Kundinnen und Kunden 10 Prozent Rabatt auf dem ganzen Sortiment aus Freude über den Sieg im ersten Spiel der Vorrunde an
der Fussball-WM in Südafrika. • Rund 3’800 Zuschauerinnen
und Zuschauer verfolgten die spannenden Wettkämpfe am
Mittelländischen Schwingfest auf dem Gurten. • Die Migros informiert die Besucherinnen und Besucher des elften Bio-Marchés
in Zofingen über ihr breites Sortiment an Bio-Produkten.
• Reanimiert: Ein Migros-Verkaufswagen feiert an sechs grossen
Schweizer Openair-Festivals sein Comeback, als grosser Kiosk
mit umfangreichem Sortiment für die Fans. • Der zweite «Aus
der Region. Für die Region.»-Meilensteinpreis der Migros Aare
geht an den jungen Käser Marc Jakob aus Kyburg-Buchegg
und dessen Rohmilchkäse «Graf von Buchegg». • In Niederbipp
eröffnet der siebte VOI der Migros Aare, die mit diesem neuen
Ladenformat einen kleinen Supermarkt für die Dorf- und
Quartierbevölkerung realisiert hat.
06
..
Geschaftsjahr 2010
Juli
August
Am Wochenende vom 3./4. Juli wird IT-mässig ein eigentlicher
Kraftakt abgeschlossen, die Integration des Globus-Konzerns ins
SAP-Retail-System, unter Leitung der Migros Aare. • Eine ganz
und gar ungewöhnliche Schulklasse in Oberwil-Lieli hat einen
Migros-Supermarkt und kurz darauf sogar ein Migros-Restaurant
mit viel Liebe, Fantasie und Herzblut im Schulzimmer nachgebaut. • Apropos Kinder: Viele leuchtende Augen gab’s an den
wunderschön inszenierten Aufführungen «Die Kleine Meerjungfrau» der Oberländer Märlibühni in Thun, auch hier mit der
Migros Aare als Hauptpartnerin. • Die neue Produktlinie «Migros
Premium» wird mit vorerst 20 Artikeln eingeführt - bis Ende
2011 sollen 350 Produkte angeboten werden. • Eine Wohlfühloase «zmitzt ir Stadt Bärn» für täglich 3’500 Gäste: Das MigrosRestaurant in der Marktgasse wird neu eröffnet. • Am Gurtenfestival und am Heitere Open Air bereiten Lernende der Migros
Aare in der neuen «alten» M-Lounge Non-alcoholic Cocktails zu.
• 156 von 159 Lernenden der Migros Aare haben ihre Lehrabschlussprüfung erfolgreich bestanden und feiern dies mit einer grossen
Schlussparty. • Am 24. Juli findet die Premiere «Einstein» von
Livia Anne Richard als Freilichtinszenierung im «Park im Grünen»
auf dem Gurten statt.
Seit Anfang Monat bündelt die gemeinsame Marke «Catering
Services Migros» alle Aktivitäten der beiden bisherigen Segmente «Party Service» und «Event Catering». • Zum vierten Mal
in Folge verzaubert ein Feuerwerk den Nachthimmel über dem
Gurten. • Aus zwei wird eine Filiale: Im Zentrum Rössli finden
Kundinnen und Kunden in Erlinsbach eine völlig neue Migros, mit
wesentlich vergrösserter Fläche. • Das Huhn «Chocolate» ist
zurück am TV, und mit ihm ihre neue Kumpanin, die Kuh «Muffin». • Für zehn Millionen Franken baut die Migros Aare den
Laden und das Restaurant im Mühli-Märt in Lenzburg komplett
um. • In den Filialen Köniz, Schwarzenburg, Chly Wabere und
Belp werden als Pilotversuch Briefmarken verkauft. • Die Migros
Aare ist auch an der 22. Berner Ausbildungsmesse BAM mit
einem eigenen Stand vertreten, der durch Lernende betreut wird.
• Es beginnen die Arbeiten für die Einführung der elektronischen
Rechnungsbearbeitung («Workflow») im Rechnungswesen - die
Migros Aare zeigt sich damit auch in der Administration als
Schrittmacherin.
September
Die Stadt Bern zeigt den Einsprechern gegen eine neue Migros am
Berner Breitenrainplatz die Rote Karte und erteilt der Migros
grünes Licht für den Neubau am Breitenrainplatz: Wir wären ja
nicht in der Schweiz, würde das Urteil von den Einsprechern nicht
an die nächsthöhere Instanz weitergezogen. • Glace-Streit: Die
Migros muss die neu lancierte Jane&Mary’s Eiscreme umtaufen,
da eine zu grosse Ähnlichkeit mit dem Erfolgsprodukt Ben + Jerry’s
von Unilever (USA) besteht • Am Migros-Sprint-Final in Bern ist
der Bundesplatz ganz in Kinderhand, die Sprintstars von morgen
am Werk. • Sexy Shooting der Könizer Volleyballerinnen im Erlebnisbad Bernaqua im Westside: Praktisch ausnahmslos Männer
versammeln sich hinter dem Fotografen, weil ein jeder doch live
mit dabei gewesen sein will ... • 16 Mitglieder des Schweizer Bildhauer- und Steinmetzverbandes haben sogenannte «Ruhesteine»
entworfen und zeigen diese aussergewöhnliche Ausstellung auf
dem Berner Hausberg. • Die SCL Tigers aus Langnau haben ab
dieser Saison mit «Aus der Region. Für die Region.» einen neuen
Partner – ob sie deshalb wohl zum ersten Mal in ihrer Vereinsgeschichte die Play-Offs erreicht haben?
07
Oktober
Das Shoppyland und OBI in Schönbühl müssen am 4. Oktober
Parkgebühren einführen, nicht zuletzt auf Druck des Verkehrsclubs
der Schweiz VCS, der seinerzeit offen damit gedroht hat, ansonsten das Baubewilligungsverfahren für den Umbau zu verzögern.
• Auf dem Dach des OBI-Baumarktes in Schönbühl haben zum
ersten Mal seltene Kiebitze erfolgreich gebrütet, dieses Evenement
wird national von den Medien aufgenommen. • Westside wird
mit dem zweiten Platz am «Prime Property Award Europe» für
ökologische, nachhaltige und ökonomisch erfolgreiche Bauweise
mit 10’000 Franken ausgezeichnet und spendet diesen Betrag
dem Trägerverein für die offene Jugendarbeit zur Unterstützung
der Jugendarbeit Bern-West. • Das Shoppi Tivoli in Spreitenbach
ist nach einer umfassenden Sanierung und Erweiterung nicht
mehr nur das erste, sondern auch das grösste Einkaufszentrum
der Schweiz. • An einem neuen Standort - in der ehemaligen
NYCO -, mit doppelter Verkaufsfläche und 20 neuen Arbeitsplätzen wird die Migros Kirchberg mit einer grossen Party
eingeweiht, ausschliesslich für die Kirchberg-Mitarbeitenden mit
ihren Familien: Statt Lachsbrötli und Cüpli und Ansprachen gibt
es Hamburger, Popcorn, Clown Rosa und Entertainer «Mösiö
Bonjour». • Die automatische Kommissionierungsanlage in der
Logistik wird «operativ»: Sie erleichtert - im wahrsten Sinne
des Wortes, weil die schweren Gebinde nicht mehr von Hand
angefasst werden müssen - den Mitarbeitenden die Arbeit.
November
Der Direktionsbereich Logistik/Produktion erreicht die International Food Standard IFS-Zertifizierung. • Zwei aussergewöhnliche
Ereignisse rund um eine neuen Migros am Berner Breitenrainplatz: Zum einen besetzten junge Leute illegal ein leer stehendes
Haus auf dem künftigen Areal (zeigen sich aber wenige Tage
später einsichtig und akzeptieren eine Zwischennutzungsvereinbarung), zum anderen sammeln SVP und FDP und andere
engagierte Kreise Unterschriften für eine Petition zugunsten des
Provisoriums der Migros auf dem Kasernenareal – während der
Bauphase am Breitenrainplatz. • 1952 wurde die Migros
Hünibach mit einer Verkaufsfläche von 219 m2 eröffnet, Anfang
November nun wird sie durch die neue Migros - schräg vis-à-vis
- mit 962 m2 Verkaufsfläche abgelöst. • Zehnmal 500 Franken
werden an diverse Institutionen gespendet; dies nach einer
Mitarbeiterumfrage («Wem würden Sie spenden?») in der
wöchentlich erscheinenden Mitarbeiterzeitung «aare-info» diese 5’000 Franken sind aber nur ein kleiner Teil der Spenden
an Vereine und Institutionen durch die Migros Aare, der mit dem
Kulturprozent eine weltweit einzigartige Möglichkeit zur Verfügung
steht. • In Niedergösgen eröffnen Regula und Bruno Hermann
den achten VOI. • Nationalmannschafts-Goalie Marco Wölfli
verkauft gemeinsam mit seinen YB-Teamkollegen im Shoppyland
Schönbühl Plüschbären: Der Erlös kommt der Berner Sektion der
Kinderkrebshilfe zugute. • Nach Hägendorf und Gerlafingen wird
in Grenchen die dritte Outlet-Filiale der Migros Aare eröffnet, wo
man echte Schnäppchen finden kann.
Dezember
Die Migros Aare wird zertifiziert, sie erhält das Label «Friendly
Workspace» für vorbildliche Arbeitgeberinnen. • Schon in den
ersten Dezember-Tagen meldet der Gurten «Pulver gut» und
stellt den Schalter für die beiden Kinderskilifte auf «On». • Die
neue Tramlinie 8 nach Brünnen-Westside wird mit einem
grossen Volksfest eingeweiht: Zehntausende lassen sich auf
dem Gilberte-de-Courgenay-Platz von Polo Hofer, Büne Huber
und anderen begeistern. • Die Initianten der Petition für ein
Migros-Provisorium auf dem Kasernenareal nahe des Breitenrainplatzes (siehe November) übergeben der Stadtkanzlei insgesamt 2’652 Unterschriften. • Die Migros lanciert eine in ihrer
Geschichte noch nie da gewesene Preisreduktionsaktion für über
2’250 Artikel: Damit gibt sie in dieser ersten Welle 150 Millionen
Franken an die Kundinnen und Kunden zurück. • Die Lohnsumme
für die 11’729 Mitarbeitenden wird um 1½ Prozent oder
6,5 Millionen Franken erhöht, zusätzlich erhalten die Mitarbeitenden eine Erfolgsprämie von 950 Franken. • Trotz eines Indexrückgangs um drei Prozent auf ihrem Sortiment - somit wurden
die Produkte im Laufe des Jahres um 100 Millionen Franken
vergünstigt - erzielt die Migros Aare mit 3,381 Milliarden
Franken Umsatz ein Rekordergebnis.
08
Genossenschaftsrat
Achermann Rosemarie PEKO
Verkäuferin, Erlenweg 2, 4802 Brittnau
Aeby Walter B/D
Lehrlingsverantwortlicher, Postfach 39, 3252 Worben
Agner Katharina D
Kaufm. Angestellte, Höheweg 23, 3097 Liebefeld
Anliker Urs Rudolf
Heimleiter, Hangweg 6, 3047 Bremgarten
Barbier Pia Christine D/KosA
Drogistin, Haldenstrasse 38, 4950 Huttwil
Bhend Adrian Vizepräsident/B/D
Reallehrer, Underer Reueberg 10, 3257 Grossaffoltern
Bläsi Hubert
Lehrer/Inspektor, Weinbergstrasse 50, 2540 Grenchen
Brönnimann Martin D
Dienstchef, Goldiwilstrasse 14 M, 3600 Thun
Büchi Conchita D
Leiterin Rechnungswesen, Wydackerweg 10,
3054 Schüpfen
Büchi Daniel
Chef Transport/Computer Support,
Plattenstrasse 18, 5712 Beinwil am See
Gherardi Luzia
Ausbildung zur Kunsttherapeutin,
Hüslerstrasse 24, 5453 Busslingen
Gilgen Regine KosA
Krankenpflegerin, Hubelweg 19, 3812 Wilderswil
Guggisberg Renate
Sachbearbeiterin, Birkenstrasse 7, 5442 Fislisbach
Gysi Madeleine D/KosA
Visiteuse, Aalmattenweg 20, 2560 Nidau
Haas Stefan
Ombudsstelle/QS, Innere Altachen 3, 4800 Zofingen
Hächler Rolf
Geschäftsführer, Untere Lenzstrasse 27, 5734 Reinach
Haller Roland
Bankangestellter, Bernardastrasse 16 B,
5442 Fislisbach
Hänggi Kunz Rosmarie D
Familienfrau/Hauswirtschaftslehrerin,
Unterer Rainweg 4D, 3068 Utzigen
Hauri Markus PEKO
Metzger, Fahrstrasse 46, 4628 Wolfwil
Hausmann Ernesto D
Geschäftsführer, Pflanzerbachstrasse 86, 8967 Widen
Bühlmann Hans Peter D
Abteilungsleiter Bildung, Baumgartenstrasse 8,
3800 Matten
Iberg Christina
Hausfrau/Lehrerin, Brandackerstrasse 5, 5024 Küttigen
Cadosch Ruth
Hochbauzeichnerin/Hausfrau, Gislifluestrasse 8,
5033 Buchs
Jordi Karin
Hausfrau/Sekretärin, Oberdorfstrasse 37,
3510 Konolfingen
Chapuis Claudine
Kaufm. Angestellte, Ländtestrasse 44, 2503 Biel
Kipfer Manfred
Lehrer, Niederhornweg 15, 3702 Hondrich
Etique Bettina B/D
Buchhalterin, Kloosweg 1, 2502 Biel
Kleubler Madeleine
Lehrerin, Eigenmatt 35, 5082 Kaisten
Flückiger Ruth
Sekretärin, Sonnenweg 14, 3052 Zollikofen
Küffer Martin
Elektromechaniker, Narzissenweg 10, 3292 Busswil
Frei Jürg
Lehrer, Zügliweg 24, 3806 Bönigen
Liebetrau Sybille Präsidentin KosA
Hausfrau, Buchserstrasse 9, 5034 Suhr
09
Lüthi Christine
Kaufm. Angestellte, Jurastrasse 22, 4522 Rüttenen
Stöcklin Susanne
Kundenberaterin, Allmendstrasse 6, 3125 Toffen
Mathys Liliane
Verkäuferin, Obermattstrasse 1, 5043 Holziken
Stöckli-Papritz Regula B
Kaufm. Angestellte, Ahornweg 3, 4571 Lüterkofen
Merkle Käthi
Sachbearbeiterin, Rüestelweg 4, 5073 Gipf-Oberfrick
Studer Beatrice D
Lehrerin, Höhenweg 21, 2544 Bettlach
Meyer Marianne
Marketing/Verkaufsleiterin, Farnstrasse 20,
5507 Mellingen
Studer Lydia
Hausfrau/Kaufm. Angestellte, Holzstrasse 8,
5012 Schönenwerd
Minder Hansruedi
Schulleiter, Stockmatt 901, 3154 Rüschegg
Sutter Hans Peter B/D
Informatiker, Oberdorf 11, 3326 Krauchthal
Nussbaumer Jürg B
Ingenieur HTL/Informatik/Projektleiter,
Freienwilerstrasse 19, 5420 Ehrendingen
Thomi Eva D
Geschäftsführerin, J.-H. Laubscherweg 16, 2503 Biel
Oppliger Erika KosA/PEKO
Filialleiterin, Buchbergweg 2, 3414 Oberburg
Oppliger Hans-Peter
Koch, Seestrandweg 109, 3235 Erlach
Rothenbühler Corinne D
Sekundarlehrerin phil. hist., Hausmattweg 23,
3074 Muri
Weber Hansjörg
Fahrdienstleiter, Juraweg 10, 5600 Lenzburg
Wermuth Katrin
HW-Lehrerin/Biobäuerin, Neuhaus 78, 3075 Rüfenacht
Ziegler Karin
Hausfrau/Therapeutin, Speerweg 8, 4552 Derendingen
Zimmermann Norbert
Qualitätssicherung, Alter Eggstutz 19, 3634 Thierachern
Ryser Jürg PEKO
Teamleiter, Steinbille 2, 3323 Bäriswil
Saez Roberto
Marketing Manager, Weiherweg 29 A, 2562 Port
Santini Roland Präsident/B/D
Architekt, Birchstrasse 316, 5704 Egliswil
Schenkel Thomas PEKO
Disponent/Leiter Transport, Tumli 115, 3473 Alchenstorf
Schoch Barbara
MTRA/Fachfrau Radiologie, Starenweg 7, 3052 Zollikofen
Schwab Ursula
Hausfrau/Porzellanmalerin,
Riedbrunnenstrasse 16, 5012 Schönenwerd
Signer Gerda
Gemeindeschreiberin, Steinerenweg 10 D, 2572 Sutz
Legende
B
D
KosA
PEKO
Büro
Delegierte/r
Kommission für soziale Anliegen
Personalkommission
10
Organigramm
Sitz der Genossenschaft
Frischeplattform 3321 Schönbühl
Industriestrasse 20
Telefon 058 565 81 11
Fax 058 565 95 22
Verwaltung
Präsident Vizepräsident Personalvertreter Max Meyer, Dr. iur.,
Bern
Charlotte Froelicher,
Bellach
Ulrich Grünig, Sutz
Peter Gurtner,
Prof. Dr. rer. pol.,
Muri
Markus Schilliger,
Wettingen
Karin Setz, Brugg
Fredy Sidler, Dr. oec.,
Biel
Geschäftsleiter Beat Zahnd
Stabsstellen
Direktionssekretariat Kommunikation +
Kulturelles Betrieb/Logistik
Gesamtleitung Sekretariat Infrastruktur Logistik Support Produktion Fleisch Gekühlte Kommissionierung Transportlogistik Agrar/Nonfood Personelles/Ausbildung
Gesamtleitung Sekretariat Personelles Lohnwesen Management Development/
Personalentwicklung Organisationsentwicklung Sozialberatung Sicherheitsdienst
Dora Streun
Thomas Bornhauser
Simon Gelmi
Manuela Schüpbach
Markus Stirnimann
Bruno Gerber
Sergej Cadjenovic
Ernst Härdi
Heinz Kaderli
Fritz Baumann
Kurt Hachen
Martin Kessler
Nicole Vonwil
Urs Bucher
Fritz von Gunten
Sonja Dill
Sergio De Maddalena
Stefan Schenker
Heinz Schibli
Finanzen/Informatik
Gesamtleitung Sekretariat Controlling Finanzen Informatik Sydney Peter
Allanson,
Dr. oec. HSG
Margrit Donaubauer
Daniel Rau
Thomas Schmidlin
Urs Furrer
Einkaufscenter und Immobilien
Gesamtleitung
Anton Gäumann
Sekretariat
Caroline Loeffel
Finanzen & Controlling
Boris Roncevic
Leiter Centermanagement
Peter Gosteli
Leiter Marketing & Kommunikation
Philipp Schlyja
Leiter Gebäudemanagement
Patrick Sahli
Leiter Miet- und Immobilienmanagement
Heinz Rüedi
Leiter regionale Einkaufscenter
Stephan Bielser
• Centre Brügg, Brügg
• Ladedorf, Langendorf
• Lyssbachpark, Lyss
• Müli-Märt, Lenzburg
• Sälipark, Olten
• Wynecenter, Buchs
Centerleiter Westside, Bern-Brünnen Ludwig Nehls
Centerleiter Shoppyland, Schönbühl Karl Gorsatt
Centerleiter Gäupark, Egerkingen
Benny Brückner
Centerleiter Zentrum Oberland, Thun Daniel Schenk
Bau + Expansion
Gesamtleitung
Hansueli Dür
Sekretariat
Sabine Vogelbacher
Controlling
Bernhard Schüpbach
Leiter Bau + Technik
Kurt Welsch
Leiter Expansion
Andreas Gyger
Fachmarkt
Gesamtleitung
Sekretariat
Controlling
• Leiter Sparte Baumarkt
• Leiter Sparte melectronics
• Leiter Sparte Micasa
• Leiter Sparte SportXX
Reto Sopranetti
Dorothee Wewer
Daniel Schweizer
Thomas Meyer
Philipp Wirz
Sven Voser
Markus Hodel
11
Marketing Supermarkt/Gastronomie
Gesamtleitung
Felix Meyer
Sekretariat
Barbara Rufer
Beschaffung Supermarkt
Marketing Kolonial
Hanspeter Kohli
Marketing Molkerei
Walter Stegmann
Marketing Fleisch
Martin Schmitz
Marketing Agrar+Blumen
André Lustenberger
Marketing Non Food
Heinz Solenthaler
Leiter Verkauf Supermarkt
Walter Bloch
Leiter Verkaufsregionen Supermarkt Walter Bloch
Markus Baur
Giuliano Gottardo
Marcel Kaiser
Stefan Kuhn
Marcel Schär
Markus Schilliger
Heinz Locher
Edgar Zettler
Leiter Gastronomie
Karl Neff
Leiter Verkaufsregionen Gastronomie Martin Beyeler
Daniel Wenger
Stefan Brülhart
Max Schlup
Leiter Catering Services Hans-Ruedi Grünig
Strat. Einkauf + Projekte
Andreas Hopp
Gurten - Park im Grünen, Wabern Hans Traffelet
Leiter Marktbearbeitung
Markus Loosli
Leiterin Marktbearbeitung/KommunikationSimone Frei
Verkaufsförderung
Martin Hürzeler
Verkaufsstellenplanung
Erich Hürlimann
Verkaufstechnik Supermarkt
Beat Niederer
Verkaufstechnik Gastronomie
Raymond Gärtner
Qualitätsmanagement
Manfred Kaiser
Strategische Entwicklung
Markus Schweizer
Controlling
Martin Graber
Marketing Dienste
Niklaus Rohrbach
VOI
Reto Leutwiler
Kundenmanagement
Chantal Kohler
Flächenmanagement
Daniel Kästli
Kassenmanagement
Reno Berner
Eventmarketing AdR/Bio
Rolf Bernhard
Klubschulen
Gesamtleitung
Finanzen Leiter Bereich Firmen
Leiter Produktemanagement
Sparte Management & Wirtschaft Sparte Informatik Sparte Wellness &
Sparte Fitness Fachausbildung Sparte AfA/ASK Sparte Angebote für Firmen
Sparte Bewegung,
Entspannung & Tanz
Sparte Gestaltung & Kultur Sparte Sprachen Leiter Verkauf Center Aarau Center Baden Center Bern (Marktgasse,
Bahnhof, Wankdorf) Center Biel Center Olten Center Solothurn Center Rheinfelden Center Thun Center Wohlen Center Zofingen Attila Kocsis
Beat Bodenmann
Peter Fluri
Philipp Keller
Ines Lauener
Markus von Siebenthal
Jonas Wüthrich
Karin Menzi
Christoph von Siebenthal
Rainhardt Hähnel
Isabelle Odermatt
Claudia Pellegrini
Hanspeter Spring
Markus Schumacher
Manfred Murbach
Beatrice Brügger
Peter Gander
Markus Sägesser
Esther Stucki
Renate Eschbach
Luciano Marioni
Reinhard Zehnder
Wanda Keller
Freizeit
Gesamtleitung
Jochen Müller
Sekretariat
Sandra Mumenthaler
Leiter Sparte Fitness
Markus Urscheler
Fitnesspark Hamam Baden Gunther Kuster
Fitnesspark, Hallenbad Oberhofen Willy Burri
Fitnesspark Time-Out Ostermundigen Martin König
Flower Power Aarau Sebastian Vitins
Flower Power Biel Stéphanie Oberli
Flower Power Olten
Nadja Reinmann
Flower Power Solothurn
Dierk Reichle
Golfpark Moossee Heinz Leuenberger
Bernaqua Erlebnisbad & Spa
Jürg Schüpbach
12
Verkaufsstellen
M Migros-Läden
2504 Biel
Schlösslistrasse 7
Beat Brotzer
«Bözingen»
058 567 68 30
5400 Baden
Mellingerstrasse 142
Herbert Spiess
«Mellingerstrasse»
058 567 55 30
2504 Biel
Schollstrasse 2
Michel Affolter
«Mett»
058 567 50 80
4710 Balsthal
Goldgasse 13
Andreas Fritschi
«Balsthal»
058 567 55 80
3067 Boll
Kernstrasse 9
Marco Zemp
«Boll»
058 567 69 80
8965 Berikon 1
Bellikonerstrasse 13
Rolf Küng «Mutschellen»
058 567 93 50
3047 Bremgarten
Kalchackerstrasse 9
Serge Abgottspon
«Kalchacker Märit»
058 567 31 50
3014 Bern
Breitenrainplatz 37
Erika Oppliger
«Breitenrain»
058 567 60 80
3855 Brienz
Hauptstrasse 51
Helene Bollhalder
«Brienz»
058 567 71 00
3011 Bern
Christoffelunterführung
Stefan Fiechter
«Christoffel Bern»
058 567 56 50
4552 Derendingen
Untere Hauptstrasse 22
Andrea Meyer
«Derendingen»
058 567 74 00
3006 Bern
Egghölzlistrasse 1/1a
Hansueli Gasser «Egghölzli»
058 567 58 90
5312 Döttingen
Hauptstrasse 17
Margarete Oswald
«Döttingen»
058 567 74 50
3007 Bern
Seftigenstrasse 1
Katja Krebs
«Eigerplatz»
058 567 61 50
5018 Erlinsbach
Zentrum Rössli
Sandro Ebneter
«Erlinsbach»
058 567 95 00
3018 Bern
Mühledorfstrasse 15
Erika Bachmann
«Fellergut»
058 567 61 80
5615 Fahrwangen
Hintergasse 12
Naim Avdyli
«Fahrwangen»
058 567 76 50
3005 Bern
Thunstrasse 18
Tamara Pfander
«Kirchenfeld»
058 567 50 50
5442 Fislisbach
Badenerstrasse 7d
Hansruedi Frei
«Fislisbach»
058 567 30 00
3013 Bern
Lorrainestrasse 23
Pia Schmid
«Lorraine»
058 567 62 00
5070 Frick
Hauptstrasse 44
Thomas Nadler
«Frick»
058 567 76 80
3015 Bern
Jupiterstrasse 15
David Liechti
«Murifeld»
058 567 65 00
4563 Gerlafingen
Friedhofstrasse 1
Danijel Petrovic
«Gerlafingen»
058 567 77 30
3027 Bern
Murtenstrasse 266
Andrea Graf «Murtenstrasse»
058 567 65 30
5722 Gränichen
Lindenplatz 2
Petra Brotzer
«Gränichen»
058 567 77 50
3018 Bern
Bethlehemstrasse 110
Andrea Graf
«Stöckacker»
058 567 50 30
3073 Gümligen
Turbenweg 2
Semihat Sadiki
«Gümligen»
058 567 79 00
4562 Biberist
Hauptstrasse 21
Adrian Ryf «Biberist»
058 567 46 00
3626 Hünibach
Staatsstrasse 134
Daniela Moor
«Hünibach»
058 567 80 30
13
2563 Ipsach
Dorfstrasse 1
Michael Rikart
«Ipsach»
058 567 36 00
5040 Schöftland
Picardiestrasse 3
Barbara Rüegger
«Schöftland»
058 567 08 80
4303 Kaiseraugst
Liebrütistrasse 39
Manuela Eiholzer
«Kaiseraugst»
058 567 33 00
5012 Schönenwerd
C.F.-Ballystrasse 14
Jsabella Hürzeler
«Schönenwerd»
058 567 09 30
3422 Kirchberg
Solothurnstrasse 17
Martin Zaugg
«Kirchberg»
058 567 52 50
3150 Schwarzenburg
Freiburgstrasse 7
Marie-Louise Bürgy «Schwarzenburg»
058 567 33 25
3510 Konolfingen
Thunstrasse 21
Daniela Aeschlimann
«Konolfingen»
058 567 82 80
3095 Spiegel
Chasseralstrasse 156
Fabienne Moser
«Spiegel»
058 567 51 30
4654 Lostorf
Hauptstrasse 20
Juan Carlos Schoch
«Lostorf»
058 567 90 50
3612 Steffisburg
Oberdorfstrasse 33
Beat Rüegsegger
«Steffisburg»
058 567 14 50
«Lupfig»
058 567 90 80
4332 Stein
Schaffhauserstrasse 61
Christoph Schmid
«Stein»
058 567 59 01
5737 Menziken
Sagiweg 8
Mike Tanner
«Menziken»
058 567 92 80
5034 Suhr
Metzgergasse 1
André Brändli
«Suhr»
058 567 15 00
4313 Möhlin
Hauptstrasse 81
Salvatore Cangeri
«Möhlin»
058 567 93 00
3604 Thun
Frutigenstrasse 60
Bernhard Zingg
«Dürrenast»
058 567 16 80
3053 Münchenbuchsee
Bernstrasse 14
Gianni Flumene
«Tanne»
058 567 51 50
4632 Trimbach
Chäppeligasse 5
Ralph Dössegger
«Trimbach»
058 567 49 30
4853 Murgenthal
Fahracker 1
Roland Wagner
«Murgenthal»
058 567 93 30
3661 Uetendorf
Dorfstrasse 21
Reto Lüdi
«Uetendorf»
058 567 19 50
5630 Muri
Kirchenfeldstrasse 8
Yusuf Bal
«Muri»
058 567 32 75
3427 Utzenstorf
Hauptstrasse 29
Beat Wittwer
«Linde»
058 567 49 00
5432 Neuenhof
Zürcherstrasse 115
Herbert Spiess
«Neuenhof»
058 567 58 81
5103 Wildegg
Bruggerstrasse 11c
Bruno Geier
«Wildegg»
058 567 50 00
5415 Nussbaumen
Hertensteinstrasse
Robert Räber
«Nussbaumen»
058 567 94 50
3812 Wilderswil
Hauptstrasse Christina Zwahlen
«Wilderswil»
058 567 21 80
4702 Oensingen
Mühlefeldstrasse 53
Mathias Wyss
«Oensingen»
058 567 95 30
5210 Windisch
Bachmattstrasse 35
Silvia Räber
«Windisch»
058 567 22 01
4914 Roggwil
Dorfstrasse 19
Severin Maibach
«Roggwil»
058 567 48 80
5436 Würenlos
Autobahnraststätte A1
Stefan Zmoos
«Würenlos»
058 567 24 30
5242 Lupfig
Zentrum Flachsacher
Michael Zaugg
14
Verkaufsstellen
3052 Zollikofen
Bernstrasse 103
Toni Semes
«Zollikofen»
058 567 26 00
3012 Bern
Zähringerstrasse 43
Martin Ingold
«Zähringer»
058 567 66 50
4528 Zuchwil
Hauptstrasse 60–62
Romana Pfister
«Zuchwil»
058 567 26 50
2503 Biel
Brüggstrasse 5
Rudolf Wyss
«Madretsch»
058 567 31 00
2502 Biel
Kanalgasse 36 + 38
Martin Gunzinger
«Biel Neumarkt»
058 567 69 00
MM Migros-Märkte
2502 Biel
Bahnhofstrasse 15
Ernö Gaspar
«Bielerhof»
058 567 67 50
5000 Aarau
Igelweid 18
Martin Gfeller
«Igelweid»
058 567 53 00
5620 Bremgarten
Zufikerstrasse 2
Ernst Heiniger
«Bremgarten AG»
058 567 70 00
5400 Baden
Bahnhofstrasse 40–42
Marcel Rohrer
«Baden-City»
058 567 54 00
3400 Burgdorf
Lyssachstrasse 27
Marc Ryter
«Neumarkt»
058 567 47 30
5330 Bad Zurzach
Promenadenstrasse 10
Mario di Gregorio
«Zurzach»
058 567 27 00
4622 Egerkingen
Hausimollstrasse 1
Jörg Venetz
«Gäupark»
058 567 75 00
3123 Belp
Neumattstrasse 4
Kurt Thöni
«Belp»
058 567 56 30
2540 Grenchen
Freiestrasse 10
Hanspeter Steiner
«Grenchen»
058 567 78 00
3018 Bern
Bottigenstrasse 9
Bernhard Zimmermann
«Bachmätteli»
058 567 37 00
3780 Gstaad
Untergstaadstrasse 3 Hans Yamamori
«Gstaad»
058 567 46 80
3011 Bern
Bahnhofplatz 10
Stefan Fiechter
«Bahnhof Bern»
058 567 56 50
3360 Herzogenbuchsee
Bernstrasse 33
Monika Stutz
«Herzogenbuchsee»
058 567 79 30
3027 Bern
Riedbachstrasse 10
Roger Wampfler
«Bethlehem»
058 567 60 00
3032 Hinterkappelen
Kappelenring 2
Susanne Oppliger
«Hinterkappelen»
058 567 80 00
3011 Bern
Bubenbergplatz 8
Markus Siegenthaler
«Bubenberg»
058 567 61 00
4950 Huttwil
Bernstrasse 6
Marc Stucki
«Huttwil»
058 567 37 50
3006 Bern
Giacomettistrasse 15
Thomas Neuhaus
«Freudenberg»
058 567 40 80
3800 Interlaken
Rugenparkstrasse 1
Gottfried Balli
«Interlaken»
058 567 80 50
3027 Bern
Gilberte-de-Courgenay-Platz 4 «Westside»
Thomas Zangger
058 567 03 03
3063 Ittigen
Talweg 6
Raphael Mühlethaler
«Ittigen»
058 567 82 00
3014 Bern
Wankdorffeldstrasse 71
Marcel Weltert
3098 Köniz
Bläuacker 10
Stephan Ryter
«Köniz»
058 567 58 01
«Winkelried»
058 567 40 50
15
4900 Langenthal
Wiesenstrasse 28
Urs Leuenberger
«Langenthal»
058 567 32 25
8957 Spreitenbach
Shopping-Center
Rafael Fernandez
«Spreitenbach»
058 567 13 50
3550 Langnau
Schlossstrasse 1a
André Chevallaz
«Langnau»
058 567 87 30
3600 Thun
Bälliz 2
Manuel Bayard
«Thun»
058 567 16 00
5600 Lenzburg
Bachstrasse 15
Erwin Hildbrand
«Lenzburg»
058 567 89 00
5035 Unterentfelden
Binzmattweg 8
Markus Bütikofer
«Unterentfelden»
058 567 20 00
3250 Lyss
Steinweg 28
Hans-Ruedi Scherrer
«Lyss»
058 567 91 30
3084 Wabern
Seftigenstrasse 368
Thomas Glaus
«Chly Wabere»
058 567 30 25
3860 Meiringen
Bahnhofstrasse 1
Jonathan Zafrani
«Meiringen»
058 567 51 80
5430 Wettingen
Landstrasse 69
Kurt Renold
«Wettingen»
058 567 20 50
«Münsingen»
058 567 36 25
5610 Wohlen
Bahnhofstrasse 7
Angelo Castelli
«Wohlen»
058 567 23 00
2560 Nidau
Lyssstrasse 15
Michael Blöchliger
«Nidau»
058 567 94 00
3076 Worb
Richigenstrasse 1
Eduardo Marquez
«Worb»
058 567 45 00
4665 Oftringen
Zürichstrasse 2
René Furter
«Oftringen»
058 567 95 80
4800 Zofingen
Aarburgerstrasse 5
Martin Glauser
«Zofingen»
058 567 25 00
«Olten-Sälipark»
058 567 97 30
3770 Zweisimmen
Saanenstrasse
Monika Daepp
«Zweisimmen»
058 567 27 50
3110 Münsingen
Bahnhofplatz 5
Rolf Hochstrasser
4600 Olten
Louis Giroud-Strasse 20
Peter Schleiffer
4600 Olten
Solothurnerstrasse 21
Daniela Zaugg
«Olten-Hammer»
058 567 96 50
3072 Ostermundigen
Bernstrasse 114
Hanspeter Schürch
«Ostermundigen»
058 567 05 00
5734 Reinach
Sandgasse 6 David Müller
«Reinach»
058 567 07 00
3011 Bern
Marktgasse 46
Werner Kaderli
«Marktgasse»
058 567 63 00
«Rheinfelden»
058 567 08 00
2555 Brügg
Erlenstrasse 40
Martin Huser
«Brügg Centre»
058 567 38 00
«Solothurn»
058 567 10 00
5200 Brugg
Neumarkt 1
Matthias Wolf
«Brugg»
058 567 72 00
«Spiez»
058 567 10 50
5033 Buchs
Wynecenter
Kathrin Feller
«Buchs»
058 567 34 00
4310 Rheinfelden
Lindenstrasse 3
Roland Meyer
4500 Solothurn
Wengistrasse 13
Kurt Kohler
3700 Spiez
Terminus
Therese Stefan
MMM «Alles unter einem Dach»
16
Verkaufsstellen
4513 Langendorf
Fabrikstrasse 6
Hans-Peter Scheidegger
3321 Schönbühl
Industriestrasse 20
Robert Bühler
8957 Spreitenbach
Tivoli
Moritz Gyr
3604 Thun
Talackerstrasse 62
Daniel Schenk
«Langendorf»
058 567 84 00
VOI Voi Läden
«Shoppyland»
058 565 87 00
3008 Bern
Könizstrasse 60 Christoph Marte «VOI-Fischermätteli»
058 567 47 10
«Tivoli»
058 567 12 00
3097 Bern-Liebefeld
Hessstrasse 45 Christoph Marte «VOI-Hessstrasse»
058 567 51 00
«Oberland»
058 567 17 00
2555 Brügg
Hauptstrasse 17
Hugo Erismann
«VOI-Brügg»
058 567 47 00
4704 Niederbipp
Wydenstrasse 9
Martin Läng
«VOI-Niederbipp»
058 567 57 60
5013 Niedergösgen
Aarestrasse 49
Bruno Hermann
«VOI-Gösgen»
062 858 40 60
Migros Partner
5000 Aarau
Buchserstrasse 71
Beat Hermann
«Aarau Buchserstrasse»
062 823 69 01
3818 Grindelwald
Im Tuftli
Rudolf Rölli
«VOI-Grindelwald»
058 567 47 20
5406 Baden-Rütihof
Fislisbacherstrasse 4
Arthur Gärtner
«Rütihof»
056 493 22 93
5022 Rombach
Bibersteinerstrasse 4
Claudio Furrer
«VOI-Rombach»
058 567 57 50
5413 Birmenstorf
Bruggerstrasse 3
Arthur Gärtner
«Birmenstorf»
056 225 11 13
3380 Wangen a/A
Vorstadt 14 Markus Baumann «VOI-Wangen a/A»
058 567 48 50
5742 Kölliken
Hauptstrasse 24
Markus Hermann
«Kölliken»
062 723 00 28
5745 Safenwil
Eienstrasse 2
Markus Hermann
«Safenwil»
062 797 16 36
5703 Seon
Unterdorfstrasse 6
Anna Vollenweider
«Seon»
062 775 45 40
Outlet Migros
4563 Gerlafingen
Friedhofstrasse 1
Iris Mittner
«Outlet Gerlafingen»
058 567 77 80
2540 Grenchen
Maienstrasse 6
Brigitte Raemy
«Outlet Grenchen»
058 567 28 00
4614 Hägendorf
Industriestr. West 40/42
Iris Mittner
«Outlet Migros»
058 567 27 75
17
Fachmärkte SportXX
Fachmärkte Micasa
3011 Bern
Marktgasse 28–32
Pascal Achermann
3014 Bern
Wankdorffeldstrasse 90
Raphael Suter
«Wankdorf»
058 567 66 00
3027 Bern
Gilberte-de-Courgenay-Platz 4 «Westside»
Hanspeter Wüthrich
058 567 04 50
4513 Langendorf
Fabrikstrasse 6
Beatrix Schiegg
«Langendorf»
058 567 84 70
2555 Brügg
Erlenstrasse 40
Marcel Huber
«Centre Brügg»
058 567 39 20
4900 Langenthal
Murgenthalstrasse 17 Martin Krüttli
«Rankmatte»
058 567 86 00
«Brugg»
058 567 73 00
3321 Schönbühl
Gewerbestrasse 11
Ernst Ledermann
«Moosbühl»
058 567 42 00
5033 Buchs
Bresteneggerstrasse 9b Dominic Watt
«Wynecenter Buchs»
058 567 33 90
4665 Oftringen
Ackerweg 2
Franziska Pulver
«Oftringen»
058 567 44 00
4513 Langendorf
Fabrikstrasse 6
Claudia Schneider
«Langendorf»
058 567 85 00
8957 Spreitenbach
Shopping-Center Tivoli Andy Gobeli
«Tivoli»
058 567 13 20
4900 Langenthal
Murgenthalstrasse 17
Pascal Nuspel
«Rankmatte»
058 567 87 00
3604 Thun
Talackerstrasse 62
Maja Sekulic
«Oberland»
058 567 18 50
4665 Oftringen
Ackerweg 2
Christian Schär
«Oftringen»
058 567 44 00
8957 Spreitenbach
Shopping Center Tivoli Marc Busslinger
«Spreitenbach»
058 567 14 00
3321 Schönbühl
Industriestrasse 20 Fritz Weibel
«Shoppyland»
058 565 88 22
3011 Bern
Marktgasse 28–32
Kurt Grünig a.i.
«Marktgasse»
058 567 31 75
3604 Thun
Talackerstrasse 62
Priska Tschanz
«Oberland»
058 567 18 80
3014 Bern
Wankdorffeldstrasse 90
Alfred Pecka
«Wankdorf»
058 567 65 70
5430 Wettingen
Landstrasse 99
Matthias Stocker
«Wettingen»
058 567 58 57
5620 Bremgarten
Zufikerstrasse 2
Bruno Heggli
«Bremgarten»
058 567 70 50
5200 Brugg
Neumarkt 1
Daniel Krapf a.i.
«Brugg»
058 567 72 70
2555 Brügg
Erlenstrasse 40
Christian Tschachtli
«Centre Brügg»
058 567 38 70
5200 Brugg
Neumarkt 1
Daniel Brack
«Marktgasse»
058 567 31 77
Fachmärkte Do it + Garden
18
Verkaufsstellen
5033 Buchs
Bresteneggerstrasse 9B
Alessandro Marra
«Buchs»
058 567 33 50
5033 Buchs
Bresteneggstrasse 9b
Florian Klaus
«Buchs»
058 567 33 80
3400 Burgdorf
Postgasse 1
Martin Flückiger
«Gotthelf»
058 567 73 80
4622 Egerkingen
Hausimollstrasse 1
Roland Meier
«Gäupark»
058 567 75 50
4513 Langendorf
Fabrikstrasse 6
René Lanz
«Langendorf»
058 567 84 40
3800 Interlaken
Rugenparkstrasse 1
Beat Spring
«Interlaken»
058 567 81 50
4900 Langenthal
Murgenthalstrasse 17
Kurt Grünig
«M-Parc»
058 567 86 60
4513 Langendorf
Fabrikstrasse 6
Jvan Garcia
«Langendorf»
058 567 85 30
3550 Langnau
Bärenplatz 1
Thomas Bühlmann
«Bärenplatz»
058 567 88 80
4900 Langenthal
Murgenthalstrasse 17
Hakan Ürün
«Langenthal»
058 567 86 30
«Olten»
058 567 99 00
3550 Langnau
Schlossstrasse 1a
Martin Beutler
«Langnau»
058 567 88 20
8957 Spreitenbach
Shopping-Center Tivoli Daniel Kropf
«Tivoli»
058 567 12 70
5600 Lenzburg
Bahnhofstrasse 5
Roger Peter
«Lenzburg»
058 567 90 00
3604 Thun
Talackerstrasse 62
Gianclaudio Bächler
«Oberland»
058 567 18 20
3110 Münsingen
Bahnhofplatz 5
Daniel Glücki
«Münsingen»
058 567 36 28
4665 Oftringen
Ackerweg 2
Ulrich Woodtli
«Oftringen»
058 567 44 30
Fachmärkte Melectronics
4600 Olten
Louis-Giroud-Strasse 25-26
Manuela Schneider
«Olten»
058 567 98 50
3011 Bern
Marktgasse 46
Thomas Flückiger
«Marktgasse»
058 567 64 20
5734 Reinach
Sandgasse 6
Daniel Jetzer
«Reinach»
058 567 07 40
3014 Bern
Wankdorffeldstrasse 90
Daniela Trummer
«Wankdorf»
058 567 66 20
3321 Schönbühl
Industriestrasse 20
Simon Weber
«Shoppyland»
058 565 87 06
3027 Bern
Gilberte-de-Courgenay-Platz 4 «Westside»
Bruno Luginbühl
058 567 04 60
8957 Spreitenbach
Shopping-Center Tivoli
Stefan Näf
«Tivoli»
058 567 13 00
2555 Brügg
Erlenstrasse 40
Stefan Rüegg
«Centre Brügg»
058 567 38 60
3604 Thun
Talackerstrasse 62
Matthias Hug
«Oberland»
058 567 19 00
5200 Brugg
Neumarkt 1
Roman Hermann
«Brugg»
058 567 72 40
5430 Wettingen
Landstrasse 99
Stefan Müller
«Wettingen»
058 567 58 55
4600 Olten
Louis-Giroud-Strasse 25
Daniel Burri
19
3076 Worb
Richigenstrasse 1
Bernhard Locher
«Worb»
058 567 45 50
Fachmärkte OBI
3011 Bern
Bahnhofplatz 10 Martin Huber
«TA Bahnhof Bern»
058 567 57 00
3027 Bern
Riedbachstrasse 10 Philipp Schär «Bethlehem»
058 567 60 50
3018 Bern
Bottigenstrasse 7 Ljence Tenev «TA Bachmätteli»
058 567 37 20
3302 Moosseedorf
Gewerbestrasse 1
Reinhardt Pigrosch
«Moosbühl»
058 567 41 11
3014 Bern
Wankdorffeldstrasse 90 José Garcia «Snacky Wankdorf»
058 567 65 50
4665 Oftringen
Ackerweg 2
Hanspeter Som
«Oftringen»
058 567 43 00
3014 Bern
Winkelriedstrasse 71–77 Gabriela Howald «Winkelried»
058 567 40 70
3012 Bern
Zähringerstrasse 43 Jakob Waltensbühl «Zähringer»
058 567 67 00
MR Migros-Restaurants
3027 Bern
Gilberte-de-Courgenay-Platz 4 «Westside»
Angela Amstutz 058 567 04 70
5000 Aarau
Igelweid 18 Rudolf Nagl «Aarau-Igelweid»
058 567 53 50
2502 Biel
Bahnhofstrasse 15 Gaby Scheurer «TA-Bielerhof»
058 567 67 90
5400 Baden
Bahnhofstrasse 42 Toni Ammann
«Baden-City»
058 567 54 80
2503 Biel
Brüggstrasse 5 Reinhard Defranz
«Madretsch»
058 567 31 02
5400 Baden
Bahnhofplatz Marco Schläfli
«TA Metro Shop»
058 567 55 50
2502 Biel
Kanalgasse 36–38 Brigitte Wälte «Biel»
058 567 69 50
5330 Bad Zurzach
Promenadenstrasse 10 René Wirz «Bad Zurzach»
058 567 27 30
2555 Brügg
Erlenstrasse 40 Franz Wieland «Brügg»
058 567 38 50
3011 Bern
Marktgasse 46 Markus Röthlisberger «Marktgasse»
058 567 64 00
5200 Brugg
Alte Zürcherstrasse 15
Alex Sekey «Brugg»
058 567 72 20
3014 Bern
Breitenrainplatz 37 Brigitta Fahrni «GM Breitenrain»
058 567 60 90
5033 Buchs
Bresteneggstrasse 9b Werner Junker «Buchs»
058 567 35 10
3011 Bern
Bubenbergplatz 8 Amela Svraka
«TA Bubenberg»
058 567 61 30
5033 Buchs
Bresteneggstrasse 9b
Thomas Linsi «Catering Service Buchs»
058 567 35 00
3006 Bern
Giacomettistrasse 15 Soenanto Tjiptoadi «Freudenberg»
058 567 40 90
3400 Burgdorf
Lyssachstrasse 27 Esther Bigler «Neumarkt Burgdorf»
058 567 48 00
20
Verkaufsstellen
4622 Egerkingen
Hausimollstrasse 14 Urs Kleeb
«Gäupark»
058 567 76 30
4600 Olten
Louis-Giroud-Strasse 20 Jürg Maibach
«Olten-Sälipark»
058 567 98 00
2540 Grenchen
Freiestrasse 10 Stefan Schneider
«Grenchen»
058 567 78 50
3072 Ostermundigen
Bernstrasse 114 Hans-Joschi Vejic
«Ostermundigen»
058 567 06 00
3800 Interlaken
Rugenparkstrasse 1 Hans Stoller «Interlaken»
058 567 81 30
4310 Rheinfelden
Lindenstrasse 3 Beat Stirnimann
«Rheinfelden»
058 567 08 40
3510 Konolfingen
Thunstrasse 7 Roland Schüpbach
«Konolfingen»
058 567 82 81
3321 Schönbühl
Industriestrasse 20 Thomas Schär «Shoppyland»
058 565 87 02
3098 Köniz
Bläuacker 10 Philippe Heuberger «Köniz»
058 567 58 03
3321 Schönbühl
Industriestrasse 20
Hansruedi Grünig
«Catering Services Schönbühl»
058 565 88 57
«Langendorf»
058 567 84 20
3321 Schönbühl
Industriestrasse 20 Franziska Lauener «Personal-Rest. Aaregarte»
058 565 82 55
4900 Langenthal
Murgenthalstrasse 17 Walter Wagner «M-Parc»
058 567 85 80
4500 Solothurn
Wengistrasse 12 André Hufschmid
«Solothurn»
058 567 10 40
4900 Langenthal
Wiesenstrasse 28 Raimonda Schneider «Langenthal»
058 567 32 60
3700 Spiez
Terminus Toni Nyffenegger «Terminus»
058 567 11 00
3550 Langnau
Schlossstrasse 1a Walter Burri «Langnau»
058 567 88 00
8957 Spreitenbach
Shopping Center Tivoli Mario Bühler
«Tivoli»
058 567 12 50
5600 Lenzburg
Bachstrasse 15 Anita Barmettler «Lenzburg»
058 567 89 80
3604 Thun
Talackerstrasse 62 Niklaus Krähenbühl
«Oberland»
058 567 18 00
3250 Lyss
Bielstrasse 9 Manfred Gerstmayer «Lyss»
058 567 92 00
3600 Thun
Bälliz 2 Alex Reichen
«TA Thun»
058 567 16 50
3860 Meiringen
Bahnhofstrasse 1 Matthias von Mühlenen
«Meiringen»
058 567 51 90
3084 Wabern
Seftigenstrasse 368 Nicolas Dietl «Chly Wabere»
058 567 30 27
3302 Moosseedorf
Gewerbestrasse 11 Céline Chopard «TA Schönbühl»
058 567 41 80
5430 Wettingen
Landstrasse 69 Andrea Hassan
«Wettingen»
058 567 21 20
3110 Münsingen
Bahnhofplatz 5 Martin Previdoli «Münsingen»
058 567 36 26
5610 Wohlen
Bahnhofstrasse 7 Heidi Castelli «Wohlen»
058 567 23 30
4665 Oftringen
Ackerweg 2 Yildirim Kan
«TA OBI Oftringen»
058 567 44 20
3076 Worb
Richigenstrasse 1 Barbara Walke
«Worb»
058 567 45 70
4513 Langendorf
Fabrikstrasse 6 Markus Härdi
21
4800 Zofingen
Aarburgerstrasse 5 Hans-R. De Maddalena «Zofingen»
058 567 25 50
Freizeit
5000 Aarau
Rohrerstrasse 78 062 823 03 20 «FlowerPower
Fitness & Wellness»
5400 Baden
Brown Boveri Platz 1 058 568 03 80
«Fitnesspark Hamam
Baden»
«Klubschule Aarau»
3027 Bern
Riedbachstrasse 98 031 556 95 95 «Bernaqua
Erlebnisbad & Spa»
«Klubschule Baden»
2504 Biel
Chemin du Coin 8 032 322 66 33 «FlowerPower
Fitness & Wellness»
«Klubschule Bern»
3053 Münchenbuchsee
Lyssstrasse 50 031 868 50 50
«Klubschule Biel»
3653 Oberhofen
Staatsstrasse 34 033 244 00 11 «Fitnesspark
Hallenbad Oberhofen»
«Klubschule Olten»
4600 Olten
Industriestrasse 78
062 296 77 22
«FlowerPower
Fitness & Wellness»
4500 Solothurn
Dornacherstrasse 26 058 568 96 00
«Klubschule Solothurn»
3072 Ostermundigen
Bernstrasse 114 058 568 41 11 «Fitnesspark Time-Out
Ostermundigen»
4310 Rheinfelden
Fledermausgasse 6 058 568 95 00
«Klubschule Rheinfelden»
4500 Solothurn
Perron 1/Dornacherstr. 28
032 622 77 50
«FlowerPower
Fitness & Wellness»
3600 Thun
Bernstrasse 1a 058 568 94 64
«Klubschule Thun»
5610 Wohlen
Bahnhofstrasse 9 058 568 94 44
«Klubschule Wohlen»
«Park im Grünen»
4800 Zofingen
Hintere Hauptgasse 3 058 568 93 93
«Klubschule Zofingen»
3084 Wabern
Gurten Kulm 031 970 33 33
Klubschulen
5000 Aarau
Bleichemattstrasse 42 058 568 98 00
5400 Baden
Nordhaus 3 058 568 97 97
3011 Bern
Marktgasse 46 058 568 95 95
2500 Biel 3
Unionsgasse 13 058 568 96 96
4600 Olten
Louis Giroud-Strasse 25
058 568 94 94
«Golfpark Moossee»
«Gurten – Park im Grünen»
22
Erfolgsrechnung
Erfolgsrechnung (in TFR)
2010
2009
3’031’958
37’405
159’667
27’363
37’626
54’127
3’348’147
3’037’271
33’770
160’606
25’075
36’409
44’078
3’337’208
64’874
3’413’021
65’363
3’402’572
-2’317’535
-552’073
-67’600
-37’660
-61’190
-32’003
-21’579
-62’852
-3’152’492
-2’325’008
-558’392
-67’135
-36’300
-63’209
-29’615
-20’085
-57’071
-3’156’815
4)
-239’449
-226’931
EBIT (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) 21’080
18’825
Nettoerlöse
• Detailhandel
• Grosshandel
• Gastro/Hotel
• Freizeit/Fitness
• Bildung/Kultur
• Dienstleistungen
Nettoerlöse ohne MwSt
Sonstige Erträge
• Andere betriebliche Erträge
1)
Total betrieblicher Ertrag
Betrieblicher Aufwand
• Waren- und Dienstleistungsaufwand • Personalaufwand
2)
• Mietaufwand
• Anlagenunterhalt
• Energie und Verbrauchsmaterial
• Werbeaufwand
• Verwaltungsaufwand
• Übriger Betriebsaufwand
3)
Total betrieblicher Aufwand
• Abschreibungen auf Sach- und Finanzanlagen • +/- Finanzergebnis • +/- Ausserordentliches Ergebnis
5)
6)
-13’839
1’428
-11’665
2’048
Gewinn vor Steuer
8’669
9’209
• - Steuern
Gewinn
-2’260
-2’931
6’410
6’278
23
Anmerkungen zur Erfolgsrechnung (in TFR)
2010
2009
1) Andere betriebliche Erträge
• Aktivierte Eigenleistungen
• Andere betriebliche Erträge
64’874
1’276
63’599
65’363
1’816
63’547
2) Personalaufwand
• Löhne und Gehälter
• Sozialversicherungen
• Personalvorsorgeeinrichtungen
• Sonstiges
552’073
439’496
48’680
47’142
16’756
558’392
446’478
47’362
48’164
16’387
3) Übriger Betriebsaufwand
• Übriger betrieblicher Aufwand
• Gebühren und Abgaben
62’852
53’280
9’572
57’071
48’485
8’586
4) Abschreibungen auf Sach- und Finanzanlagen
Die Genossenschaft Migros Aare hat die Aktiven und Passiven
ihrer Tochtergesellschaft Gäu Park AG per 1. 1. 10 zu
Buchwerten übernommen (Vermögensübertragung FusG Art. 69ff).
In der Folge wurde die Gäu Park AG liquidiert. Zum Ausgleich
der Differenz zwischen Beteiligungsbuchwert und buchmässigem Eigenkapital von TCHF 81’295 hat die Genossenschaft
Migros Aare auf ihren bisherigen Liegenschaften eine Auflösung
von stillen Reserven in gleicher Höhe vorgenommen.
5) Finanzergebnis • Finanzertrag
• Finanzaufwand
6) Ausserordentliches Ergebnis
• Gewinn aus Veräusserung von Anlagevermögen
• Verlust aus Veräusserung von Anlagevermögen
-13’839
14’694
-28’533
1’428
1’428
-
-11’665
17’910
-29’575
2’048
2’073
-25
24
Bilanz
Aktiven per 31. Dezember 2010 vor Gewinnverwendung (in TFR)
2010
2009
Umlaufvermögen
• Flüssige Mittel
• Kurzfristige Forderungen
- gegenüber Unternehmen des Konzerns
- aus Lieferungen/Leistungen gegenüber Dritten
- Sonstige gegenüber Dritten
• Warenvorräte
• Aktive Rechnungsabgrenzung
7) 37’411
38’122
45’967
18’179
2’610
100’000
1’597
55’779
11’712
6’679
100’000
1’366
Total Umlaufvermögen
205’765
213’658
430’217
2’407
448’887
2’679
14’015
613
103’365
613
Anlagevermögen
Finanzanlagen
• Langfristige Forderungen
- gegenüber Unternehmen des Konzerns
- gegenüber Dritten
• Beteiligungen
- an Unternehmen des Konzerns
- an Dritten
Sachanlagen
• Grundstücke und Bauten
• Technische Anlagen und Maschinen
• Betriebseinrichtungen
• Anlagen im Bau
Total Anlagevermögen
730’878
30’000
-
64’385
528’566
29’513
487
159’917
1’272’515
1’274’028
Bilanzsumme
1’478’280
1’487’686
25
Passiven per 31. Dezember 2010 vor Gewinnverwendung (in TFR)
2010
2009
Fremdkapital
Kurzfristiges Fremdkapital
• Kurzfristige Verbindlichkeiten
- gegenüber Unternehmen des Konzerns
- aus Lieferungen und Leistungen gegenüber Dritten
- Sonstige gegenüber Dritten
• Personal- und M-Partizipationskonten
• Passive Rechnungsabgrenzung
8)
Langfristiges Fremdkapital
• Langfristige Verbindlichkeiten
- gegenüber Unternehmen des Konzerns
- gegenüber Dritten
9)
• Baukredite/Hypotheken
- bei Unternehmen des Konzerns
- bei Dritten
• Langfristige Rückstellungen
10)
Total Fremdkapital
Eigenkapital
• Genossenschaftskapital
• Gesetzliche Reserven
• Andere Reserven
11)
• Bilanzgewinn
82’605
113’752
72’426
41’852
46’480
65’213
101’099
61’712
38’722
40’894
862’700
7’958
927’700
7’753
1’650
12’330
34’529
1’650
12’330
35’114
1’276’281
1’292’185
4’767
3’196
187’311
6’725
4’679
3’196
180’811
6’816
Total Eigenkapital
201’999
195’501
Bilanzsumme
1’478’280
1’487’686
26
Anmerkungen zur Bilanz
Anmerkungen zur Bilanz 2010 (in TFR)
2010
2009
7) Aktive Rechnungsabgrenzung
• Vorausbezahlte Aufwendungen
• Übrige Aufwendungen
1’597
1’560
38
1’366
1’354
12
8) Passive Rechnungsabgrenzung • Klubschulerträge
• Freizeitanlagen
• Mieten
• Übrige Abgrenzungen
46’480
10’527
5’176
-
30’776
40’894
11’127
4’505
40
25’223
9) Langfristige Verbindlichkeiten gegenüber Dritten
• Sonstiges
7’958
7’958
7’753
7’753
10) Langfristige Rückstellungen
• AHV-Ersatzrente
• Sonstige langfristige Rückstellungen
11) Andere Reserven
• Freiwillige Reserven 34’529
34’013
516
35’114
34’449
665
187’311
187’311
180’811
180’811
27
Anhang (in TFR)
2010
2009
864’824
2’085’323
941’996
2’121’536
29’864
29’355
• Eigentumsbeschränkungen für eigene Verpflichtungen
- Bilanzwert
- Verpfändung, Zessionen, Eigentumsvorbehalte
- Pfandbestellungen Beanspruchung
191’817
-
13’980
148’747
13’980
• Verbindlichkeiten gegenüber Vorsorgeeinrichtungen
9’309
9’353
Grundsätze der Rechnungslegung
Die Rechnungslegung erfolgt nach den Vorschriften
des schweizerischen Aktienrechts.
Informationen zur Bilanz
• Brandversicherungswerte
- Mobilien
- Immobilien
• Bürgschaften, Garantieverpflichtungen, Pfandbestellungen
zu Gunsten Dritter aufgrund der Vorjahresabschlüsse
28
Anhang
Beteiligungen
Firma / Sitz
• Migros-Genossenschafts-Bund, Zürich
• Time-Out, Moosseedorf
• Shoppyland, Shoppy, Moosseedorf
• Shopping-Center Brünnen AG, Bern
• Voi AG, Moosseedorf
• Neue Brünnen AG, Bern
• FlowerPower Fitness & Wellness AG, Moosseedorf
• Migros Vita AG, Gossau
• LFS AG, Moosseedorf
• cha chà AG, Moosseedorf
Zweck
Grosshandel
Namensschutz
Namensschutz
Liegenschaftsverwaltung
Detailhandel
Betrieb des Freizeit- und
Einkaufszentrums Westside
Fitnesscenter
Wohlbefinden und Gesundheit
Gastronomielizenzen
Gastronomiebetrieb
Gesamtkapital (in TFR)
Anteil in %
15’000
100
100
918
100
19,7
100
100
100
100
1’000
1’000
2’400
200
1’000
100
100
25
34
100
Risikomanagement: Die Genossenschaft Migros Aare verfügt über ein Risikomanagement. Die Verwaltung stellt sicher, dass die Risikobeurteilung zeitgerecht und angemessen erfolgt. Sie wird regelmässig durch
die Geschäftsleitung über die Risikosituation der Unternehmung informiert. Anhand einer systematischen Risikoanalyse hat die Verwaltung und die Geschäftsleitung die für die Genossenschaft wesentlichen Risiken
identifiziert und hinsichtlich Eintrittswahrscheinlichkeit und finanziellen Auswirkungen bewertet. Mit geeigneten, von der Verwaltung beschlossenen Massnahmen werden diese Risiken vermieden, vermindert oder
überwälzt. Die selbst zu tragenden Risiken werden konsequent überwacht. Die Resultate der Risikobeurteilung berücksichtigt die Verwaltung angemessen in ihrer jährlichen Überprüfung der Geschäftsstrategie. Die
Verwaltung hat die letzte Risikobeurteilung am 26.08.2010 vorgenommen und festgestellt, dass die Risiken durch Strategien, Prozesse und Systeme grundsätzlich gut abgedeckt sind.
Es bestehen keine weiteren nach OR 663b ausweispflichtigen Sachverhalte.
Verwendung des Bilanzgewinns (in TFR)
2010
2009
316
6’410
6’725
6’500
225
538
6’278
6’816
6’500
316
1’711
10’179
365
2’563
92
279
1’562
10’892
378
1’906
161
209
Total
15’189
15’108
• ½ Prozent des massgebenden Umsatzes
15’948
15’980
Antrag der Verwaltung • Gewinnvortrag vom Vorjahr
• Gewinn des laufenden Jahres
• Bilanzgewinn zur Verfügung der Urabstimmung
• Zuweisung an freiwillige Reserven
• Vortrag auf die neue Rechnung
Aufwendungen für kulturelle, soziale und wirtschaftspolitische Zwecke • Kulturelle Zwecke
• Bildung
• Soziales
• Freizeit & Sport
• Wirtschaftspolitische Zwecke
• Anteilmässige Verwaltungskosten/Rückstellungen
29
Kontrollstelle Bericht
Als Revisionsstelle haben wir die beiliegende Jahresrechnung
der Genossenschaft Migros Aare, bestehend aus Erfolgsrechnung,
Bilanz und Anhang, für das am 31. Dezember 2010 abgeschlossene Geschäftsjahr geprüft.
Verantwortung der Verwaltung
Die Verwaltung ist für die Aufstellung der Jahresrechnung in
Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften und den
Statuten verantwortlich. Diese Verantwortung beinhaltet die
Ausgestaltung, Implementierung und Aufrechterhaltung eines internen Kontrollsystems mit Bezug auf die Aufstellung einer
Jahresrechnung, die frei von wesentlichen falschen Angaben als
Folge von Verstössen oder Irrtümern ist. Darüber hinaus ist die
Verwaltung für die Auswahl und die Anwendung sachgemässer
Rechnungslegungsmethoden sowie die Vornahme angemessener
Schätzungen verantwortlich.
Verantwortung der Revisionsstelle
Unsere Verantwortung ist es, aufgrund unserer Prüfung ein
Prüfungsurteil über die Jahresrechnung abzugeben. Wir haben
unsere Prüfung in Übereinstimmung mit dem schweizerischen
Gesetz und den Schweizer Prüfungsstandards vorgenommen.
Nach diesen Standards haben wir die Prüfung so zu planen und
durchzuführen, dass wir hinreichende Sicherheit gewinnen, ob die
Jahresrechnung frei von wesentlichen falschen Angaben ist.
Eine Prüfung beinhaltet die Durchführung von Prüfungshandlungen zur Erlangung von Prüfungsnachweisen für die in der
Jahresrechnung enthaltenen Wertansätze und sonstigen Angaben.
Die Auswahl der Prüfungshandlungen liegt im pflichtgemässen
Ermessen des Prüfers. Dies schliesst eine Beurteilung der Risiken
wesentlicher falscher Angaben in der Jahresrechnung als Folge
von Verstössen oder Irrtümern ein. Bei der Beurteilung dieser
Risiken berücksichtigt der Prüfer das interne Kontrollsystem,
soweit es für die Aufstellung der Jahresrechnung von Bedeutung
ist, um die den Umständen entsprechenden Prüfungshandlungen
festzulegen, nicht aber um ein Prüfungsurteil über die Wirksamkeit des internen Kontrollsystems abzugeben. Die Prüfung
umfasst zudem die Beurteilung der Angemessenheit der angewandten Rechnungslegungsmethoden, der Plausibilität der
vorgenommenen Schätzungen sowie eine Würdigung der Gesamtdarstellung der Jahresrechnung. Wir sind der Auffassung, dass
die von uns erlangten Prüfungsnachweise eine ausreichende und
angemessene Grundlage für unser Prüfungsurteil bilden.
Prüfungsurteil
Nach unserer Beurteilung entspricht die Jahresrechnung für das
am 31. Dezember 2010 abgeschlossene Geschäftsjahr dem
schweizerischen Gesetz und den Statuten.
Berichterstattung aufgrund weiterer gesetzlicher Vorschriften
Wir bestätigen, dass wir die gesetzlichen Anforderungen an
die Zulassung gemäss Revisionsaufsichtsgesetz (RAG) und die
Unabhängigkeit (Art. 728 OR) erfüllen und keine mit unserer
Unabhängigkeit nicht vereinbare Sachverhalte vorliegen.
In Übereinstimmung mit Art. 728a Abs. 1 Ziff. 3 OR und dem
Schweizer Prüfungsstandard 890 bestätigen wir, dass ein gemäss
den Vorgaben der Verwaltung ausgestaltetes internes Kontrollsystem für die Aufstellung der Jahresrechnung existiert.
Ferner bestätigen wir, dass der Antrag über die Verwendung des
Bilanzgewinnes dem schweizerischen Gesetz und den Statuten
entspricht und empfehlen, die vorliegende Jahresrechnung zu
genehmigen.
Zürich, 12. Februar 2011 MITREVA Treuhand und Revision AG
G. Federer Wenger M. Hartmann
30
..
Wertschopfung
Wertschöpfung (in TFR)
Entstehung
Unternehmungsleistung
./. Vorleistungen
./. Abschreibungen
= Nettowertschöpfung
Verteilung
an Mitarbeiter
an öffentliche Hand
an Gesellschaft
an Kreditgeber
an Unternehmen
2010
%
2009
%
3’413’021
2’583’486
239’449
590’086
100
75,69
7,02
17,29
3’402’572
2’580’729
226’931
594’912
100
75,85
6,67
17,48
552’073
2’260
15’189
13’839
6’725
590’086
93,56
0,38
2,57
2,35
1,14
100
558’392
2’931
15’108
11’665
6’816
594’912
93,86
0,49
2,54
1,96
1,15
100
Wertschöpfung
Die Wertschöpfungsrechnung wird nach den Richtlinien des
Migros-Genossenschafts-Bundes erstellt. Die Nettowertschöpfung zeigt den in einem Jahr geschaffenen Wertzuwach. Im
Geschäftsjahr 2010 verzeichnete die Genossenschaft Migros
Aare eine Nettowertschöpfung von CHF 590,1 Mio. Dies ist
gegenüber dem Vorjahr eine geringfügige, abschreibungsbedingte
Abnahme von CHF -4,8 Mio. (-0,8%).
schaftspolitische Zwecke betragen CHF 15,2 Mio. (inkl. Verlustübernahme Klubschule und Betrieb «Stiftung Gurten - Park
im Grünen»). Das halbe Prozent des massgebenden Umsatzes
wurde um CHF -0,8 Mio. unterschritten.
Verteilung der Wertschöpfung
Mitarbeiter: Der Anteil an die Mitarbeitenden ist im Vergleich
zum Vorjahr um CHF -6,3 Mio auf CHF 552.1 Mio. gesunken.
Dies entspricht 7’632 Vollzeitstellen (Durchschnitt, -169 zu
Vorjahr, -2.2%). Die Löhne wurden im 2010 um 0,75% erhöht
(CHF 2,3 Mio.). Zusätzlich enthalten im Anteil der Mitarbeiter
sind Prämienauszahlungen in der Höhe von CHF 3,2 Mio.
Unternehmung: Der Anteil an die Unternehmung
CHF 6,7 Mio. (-1,3%, inkl. Vorjahresgewinn-Vortrag)
Öffentliche Hand: Die vom Steuergesetz zulässigen Steuerabschreibungen wurden nicht ausgeschöpft. Trotzdem leistete
die Genossenschaft Migros Aare eine Steuerabgabe von
CHF 2,3 Mio.
Gesellschaft: Die Statuten legen fest, dass mindestens ein halbes
Prozent des Detailhandelsumsatzes für kulturelle, soziale und
wirtschaftspolitische Zwecke aufgewendet werden muss.
Über einen Vierjahreszeitraum betrachtet wird zum Jahresende
ermittelt, ob zu viel oder zu wenig für das Kulturprozent ausgegeben wurde. Minderausgaben («zu wenig aufgewendete
Beträge») werden im Eigenkapital als «Reserve Kulturprozent»
ausgewiesen. Die Zuwendungen für kulturelle, soziale und wirt-
Kreditgeber: Der Anteil an die Kreditgeber ist im Vergleich zum
Vorjahr um CHF 2,2 Mio. auf CHF 13,8 Mio. gestiegen, insbesondere durch die Integration der Gäu Park AG und den hohen Investitionen.
beträgt
31
Kennzahlen
Die wichtigsten Kennzahlen
Nettoverkaufsumsatz ohne MwSt Mio. Fr.
EBIT
Mio. Fr.
Gewinn
Mio. Fr.
Cash flow
Mio. Fr.
Free Cash flow
Mio. Fr. Nettoinvestitionen
Mio. Fr.
Personalbestand (inkl. KS)
Kopfzahlen
Vollzeitstellen (inkl. KS)
Anzahl Lernende
Gewichtete Verkaufsfläche m2
Anzahl Genossenschafter
Kopfzahlen
2010
2009
2008
2007
3’348,1
21,1
6,4
245,9
127,6
195,5
11’729
7’632
505
295’294
476’749
3’337,2
18,8
6,3
233,2
56,5
236,9
12’029
7’801
457
288’057
467’850
3’330,3
30,7
6,1
203,0
114,5
255,5
12’050
7’872
440
276’358
461’892
3181,9
15
5,8
198,8
-14,5
286
11’818
7’703
415
279’666
451’353
Umsatz pro Vollzeitstelle (TFR)
2006
3’137,1
4,6
5,7
202,1
180,1
111,7
12’069
7’854
371
280’568
442’098
Bruttoinvestitionen/Cash flow (Mio. Fr.)
439
423
428
296
413
256
399
202
199
203
2006
2007
2008
246
238 233
196
118
2006
2007
2008
2009
2010
Bruttoinvestition
Flächenproduktivität Detailhandel (Umsatz in Fr./m2)
11’886
11’740
11’428
11’200
11’036
2006
2007
2008
2009
2010
Cash flow
2009
2010
32
Umsatz
Umsatzanteile nach Sparten
Gastronomie, 5%
Fachmarkt (FM), 11%
Dienstleistungen, 2%
Freizeit/Klubschule, 2%
Grosshandel, 1%
Supermarkt (SM), 79%
Umsatzanteile FM nach Vertriebstypen
Micasa, 15%
Do-it & Garden, 21%
SportXX, 17%
Melectronics, 31%
OBI, 16%
Umsatzanteile SM nach Vertriebstypen
SM 4000, 25%
SM 700, 31%
SM 2000, 44%
Umsatzanteile nach Warengruppen
Bekleidung, 2%
Haushalt/Hygiene/Kosmetik, 5%
Electronik, 5%
Haushalt, 8%
Backwaren, 10%
Früchte/Gemüse, 10%
Micasa, 2%
Heimwerker, 2%
Sport/Freizeit, 2%
Kolonial, 24%
Fleisch/Geflügel/Fisch, 17%
Milchprodukte/Eier, 13%
Mitarbeiter
im Portrait
33
Dominik Ammann Marketing Support Fachmarkt, Schönbühl34
Heinz Beuggert Lager Nonfood, Schönbühl
39
Therese Bolzli Marketing Blumen, Schönbühl
42
Stefanie Brand Migros Oensingen
46
Nicole Bürki Informatik, Schönbühl
49
Manuela Eiholzer Filialleiterin Migros Kaiseraugst
52
Dieter Fahrni Technischer Dienst, Schönbühl
57
Daria Flückiger Melectronics, Oftringen
64
Andy Friedrich Melectronics, Westside
68
Andrea Grepper Leiterin PR/Kommunikation, Westside
72
Monika Hager Hostess Betriebsführungen, Schönbühl
76
Karin Helsing Migros Fahrwangen
80
Maya Kelterborn Klubschule Bern
84
Jacqueline Klossner Bernaqua Erlebnisbad + SPA
89
Max Liechti Chauffeur, Schönbühl
94
Bianca Mboob-Streit Migros Lorraine
98
Walter Mischler Retourenlogistik, Schönbühl
102
Martina Niggli Sälipark Olten
106
Peter Rieder Migros Belp
111
Heinz Schibli Leiter Sicherheitsdienst, Schönbühl
115
Andreas Schmied Verkaufsstellenplanung, Schönbühl
119
Markus Siegenthaler Migros Bremgarten/BE
123
Nadine Steiner Melectronics Shoppyland
126
Peter Steiner SAP RCC, Schönbühl
130
Suresh Selvaratnam Agrar, Frischeplattform, Schönbühl 133
Nol Toplanaj Migos Würenlos
137
Marcel Tschui Nicht mehr Berufsaktiver
140
Marcel Zaugg Leiter Betriebsgarage, Schönbühl
143
"Ich sehe
meinen Unfall
nicht in erster
Linie als
..
Toffunfall."
Dominik
Ammann
34
35
Dominik Ammann
Marketing Support Fachmarkt,
Schönbühl
Dominik Ammann, wann und wo haben Sie Ihre Ausbildung gemacht?
Von 1998 bis 2000 habe ich eine Verkäuferlehre bei melectronics
in der Berner Marktgasse absolviert, im Sommer 2000 abgeschlossen. Bis 2002 war ich weiterhin dort angestellt.
ein roter Ferrari, mit Spots entsprechend beleuchtet. In solchen
Villen gab’s allerhand zu sehen, vor allem atemberaubende
Wellness-Anlagen aus Naturstein, ganze Höhlen wurden da
nachgebaut.
Und danach?
Ich hatte den Wunsch, noch «dieses und jenes» kennenzulernen,
weshalb ich überall ein bisschen gearbeitet habe, ein paar
Monate als Bodenleger, als Innendekorateur, als Bauarbeiter, bis
ich dann zum Zügelmann mutiert bin.
Und das andere Extrem?
Das ist weniger schön, zum Beispiel Zwangsräumungen bei
Randständigen. Ich erspare Ihnen Einzelheiten, wie es dort ausgesehen hat. Schlimm war einmal, als wir unter Polizeischutz
eine alleinerziehende Mutter mit ihren Kindern sozusagen aus
der Wohnung zwingen mussten, weil sie die Miete seit Langem
nicht mehr bezahlt hatte. Ich habe mir überlegt, was wohl mit
ihr und den Kindern jetzt passiert. Solche Sachen geben einem
zu denken.
Bei wem?
Bei einer Firma in Bern, Umzüge und Transporte. Mir hat diese
Arbeit wirklich gefallen. Zuerst hatte ich während sechs Monaten
eine temporäre Anstellung, ab Sommer 2003 war ich dann festangestellt.
Weshalb hat Ihnen der Job als Zügelmann gefallen?
(Kommt ins Schwärmen) Man ist das ganze Jahr unterwegs, in
der ganzen Schweiz – und darüber hinaus. Für das Paul-KleeMuseum haben wir einmal einen Transport nach Köln gemacht,
zur Art Cologne, der bedeutendsten Kunstmesse Deutschlands.
Zudem bekommt man bei der täglichen Arbeit Räumlichkeiten zu
sehen, die einem «Normalsterblichen» verschlossen bleiben.
Zum Beispiel?
Bundesratszimmer, da gibt es regelmässig etwas zu zügeln,
vor allem natürlich, wenn der Departementsvorsteher wechselt.
Bei einer solchen Gelegenheit habe ich eine Bundesrätin
kennengelernt, weil wir 2003 ihr neues Büro einrichten mussten.
Und? Wie haben Sie sie denn erlebt, seinerzeit, die besagte Bundesrätin?
In der kurzen Zeit, da ich mit ihr Kontakt hatte, ist sie mir als
eine sehr «Genaue» aufgefallen.
Am 30. Juni fuhr ich von Stettlen
in Richtung Krauchthal und
Ostermundigen, weil ich
Kommissionen machen wollte.
Bis wann waren Sie Zügelmann?
Der letzte Arbeitstag war der 29. Juni 2007. Ein Freitag.
Was geschah dann?
Am Samstagmorgen, 30. Juni, fuhr ich von meinem Wohnort
Stettlen mit meiner 600er-Honda CBR in Richtung Krauchthal
und Ostermundigen, weil ich Kommissionen machen wollte.
Wäre ich ein Unanständiger – und das bin ich ja nicht -, würde ich
salopp behaupten, Frau Ministerin stelle nicht bloss ihr Pult in den
Mittelpunkt.
(Schmunzelt) Da halte ich mich raus…
Wollte?
Ja. Wollte. Es kam aber nicht mehr dazu, denn auf einer Strecke,
die im «80er» liegt, passierte es: Vor mir zwei Autos, die mit
knapp 40 km/h unterwegs waren. Weil die Strasse sehr übersichtlich und kein Gegenverkehr zu sehen war, habe ich das
erste Auto vor mir überholt. Plötzlich aber bog das zweite Auto
ohne Blinkzeichen links ab, in einen Feldweg, der nicht zu sehen
war wegen eines hohen Maisfeldes. Beim Abbiegemanöver hat
es mir die gesamte Strasse versperrt, ich bin ungebremst über
die Motorhaube geflogen, Kopf voran ins Feld. Durch den Aufprall
hat es meinen Körper derart zusammengestaucht, dass der
siebte und achte Brustwirbel gebrochen sind, wie man mir
später erklärte.
Was haben Sie sonst an Aussergewöhnlichem gesehen während
dieser Zeit?
Einmal waren wir in einer Luxusvilla, in der die gesamte Garage
– Boden, Wände, Decke! – mit Samt ausgelegt war, mitten drin
Woran erinnern Sie sich noch?
Ich war immer bei Bewusstsein. Der erste Gedanke: Ich hatte
Schmerzen in der Bauchgegend und habe die Töffjacke geöffnet,
um den Nierengurt und den Rückenpanzer zu öffnen, in der
Weshalb?
Wir haben ihr Pult zum Beispiel genau in die Mitte des Raums
stellen müssen, selbstverständlich mit dem Messband ausgemessen. Sie selber hat das nachgeprüft und festgestellt, dass
das Pult nicht auf den Zentimeter genau in der Mitte stand, also
mussten wir es um vier oder fünf Zentimeter schieben.
36
Hoffnung, dass der Schmerz dann nachlässt. Das war aber nicht
der Fall. Dann kam der Augenblick, als ich gemerkt habe, dass
ich meine Beine nicht mehr spüre.
ein ausgestelltes Objekt auf der Bahre beim Haupteingang lag.
Das war wirklich kein Aufsteller, auch für meine Eltern nicht,
aber es ging in einem ähnlichen Stil weiter.
Hat man sich um Sie gekümmert auf der Unfallstelle?
Ja, die beiden Frauen, die im ersten Auto sassen, sind sofort
gekommen, haben die Polizei angerufen.
Nämlich?
Als ich endlich in mein Zimmer kam – wie gesagt, in Begleitung
meiner Eltern – da hatte die Spitalmitarbeitende nur ein wirkliches
Problem mit mir: «Was möchten Sie morgen essen?» Mir war das
in jenem Moment so ziemlich egal, ihr aber nicht, weshalb sie
darauf bestand, die entsprechende Karte ausfüllen zu können. Ich
hatte aber keine Lust dazu, worauf mein Vater zu ihr meinte, sie
solle doch irgendwas anstreichen, mir werde es ziemlich egal
sein, was morgen serviert werde. Die ersten Stunden und Tage in
Nottwil bleiben mir wirklich nicht in guter Erinnerung.
Und der Unfall verursachende Fahrer?
Den habe ich nicht gesehen, er hat aber nicht Fahrerflucht
begangen, stand wohl unter Schock. Ich selber habe versucht,
meine Eltern mit dem Handy zu erreichen. Ohne Erfolg, weshalb
ich es bei einer Schwester vesucht habe. Sie ist sofort gekommen.
Und die Polizei?
Die Polizei war schnell da, ebenso die Ambulanz – und knapp
eine halbe Stunde nach dem Unfall schon der Heli der Rega.
45 Minuten nach dem Unfall war ich bereits im Inselspital.
Sie haben das alles noch im Kopf, kein Blackout?
Ich erinnere mich noch an alles, ausser den Aufprall mit dem
Töff mit dem Auto. Erst nachdem man mir ein Mittel gespritzt
hat, vor Ort, verflüchtigten sich gewisse Erinnerungen.
Waren Sie sich an Ort und Stelle der Schwere Ihrer Verletzungen
bewusst?
Es gab einen Augenblick, da ich am Boden lag, als ich irgendwie
einen Schalter umgelegt habe, «Jetzt bin ich gelähmt».
Was passierte im Inselspital?
Ich bin sofort operiert worden. In der Aufwachstation waren dann
meine Eltern neben mir. Die erste Frage an meine Mutter: «Was
ist mit dem Töff?» Sie hat ganz konkret darauf geantwortet, mir
dann aber später gesagt, dass sie diese Frage wirklich irritiert
hat, als ob es nichts Wichtigeres für mich gegeben habe, in
diesem Augenblick.
Wie lange waren Sie im Inselspital?
Nur zwei Tage, dann wurde ich nach Nottwil überführt, ins
Paraplegikerzentrum. Dort bin ich bis zum 21. Dezember geblieben, fast ein halbes Jahr lang.
Niemand wusste Bescheid, wohin
man mich bringen soll, weshalb
ich wie ein ausgestelltes Objekt
auf der Bahre lag.
Tage?
Ja. Nur ein Beispiel: Obwohl ich im Inselspital «durchgeröntgt»
wurde, wollte man in Nottwil eigene Bilder, was ich ja sogar
noch verstehen kann. Aber die Prozedur dazu war ein Horror.
Damit man in der «Röhre» optimale Bilder machen konnte,
wurde ich auf eine steinharte Unterlage gelegt, die Schmerzen
waren schier unerträglich. Man hat meine Mutter auch gebeten,
in einem anderen Zimmer zu warten. Offenbar wollte man ihr das
nicht zumuten.
Hätte man Ihnen keine Schmerzmittel geben können?
Vermutlich wäre das erst am nächsten Tag möglich gewesen, bei
dieser Hierarchie: Telefon auf die Station, Arzt avisieren, Rückfrage bei der Schmerzklinik, Arzt konsultieren, und so weiter und
so fort. Also wurde das ohne Betäubung durchgeführt.
Moment, Moment… Nicht so schnell. Wie war der erste Eindruck in
Nottwil?
Was möchten Sie hören? Wie es wirklich war oder wie es
eigentlich hätte sein sollen?
Es kommt wohl der Tag, an dem das medizinische Personal vor
lauter Administration und verordnete Absicherung keine Zeit mehr
für seine eigentliche Aufgabe hat, aber das nur nebenbei. Sagen Sie,
hat man bei Ihnen sonst noch Verletzungen festgestellt?
Nein, alle haben gestaunt, dass sonst nichts gebrochen war, ich
hatte lediglich Prellungen abbekommen.
Die Wahrheit.
Ich wurde dort also von Sanitätern eingeliefert. Niemand wusste
aber Bescheid, wohin man mich bringen soll, weshalb ich wie
Wie haben Sie die Reha erlebt?
Es begann mit der Physiotherapie, mit dem Durchbiegen der
Beine, um mit der Zeit eine gewisse Mobilität zu erreichen. Dann
37
Die heute wie aussieht?
Ich wohne in einer 3½-Zimmer-Wohnung in Ostermundigen, die
natürlich für einen Rollstuhl umgebaut wurde. Zwar ist noch
nicht ganz alles fertig, aber ich komme zurecht.
wurde das Bett aufgestellt, um
den Kreislauf zu belasten. Zuerst
nur minim, mit der Zeit immer
höher. Dann kam der Tag, an dem
ich erstmals am Bettrand sitzen
konnte, kurze Zeit später ging’s
erstmals in den Rollstuhl. Ich
sage Ihnen, in dieser Zeit habe ich
meinen Körper ganz neu kennengelernt.
Was mir auffällt, Sie sind extrem sportlich gebaut, ein regelrechter
«Kasten», dementsprechend fahren Sie auch zügig durch den Gang,
man muss beinahe das Papier auf dem Pult festhalten…
(Lacht) Nun übertreiben Sie nicht gleich…
Nein, echt, ich staune immer wieder, wenn Sie mir entgegenkommen.
Hat Ihre körperliche Fitness zur Reha beigetragen?
Oh ja! Ich war zum Zeitpunkt des Unfalls körperlich und sportlich wirklich «zwäg», das hat enorm geholfen. Ich denke, dass
meine Genesungszeit viel länger in Anspruch genommen hätte,
wäre ich doppelt so schwer gewesen.
Hat Sie der Unfall verändert? Ich meine, mental.
Sicher. Ich habe gelernt, vorsichtig zu sein, dass einiges im
Leben halt auch seine Zeit braucht, dass Ungeduld nichts bringt.
Die geänderte Situation hat mich sicher ruhiger gemacht.
Haben Ihnen die Ärzte eigentlich Hoffnungen gemacht, jemals
wieder laufen zu können?
Nein, man hat immer offen mit mir gesprochen. Aber so richtig
realisiert habe ich das in den ersten Tagen nicht, nach zwei
Wochen allerdings hatte ich seelisch dann ein wirkliches Tief.
Und immer wieder die gleichen Fragen: Was jetzt? Weshalb ausgerechnet ich? All die Fragen halt, die nichts bringen. Da war
natürlich auch die Frage nach einer künftigen Wohnung. Bis
anhin hatte ich in einer WG gelebt, die nicht rollstuhlgängig war.
Was nun? In jener Zeit war ich froh um die Unterstützung meiner
Familie, meiner Eltern, meiner drei Schwestern.
Wie lange bleiben Patienten im Durchschnitt im Paraplegikerzentrum?
Paraplegiker ungefähr sechs Monate, Tetraplegiker acht Monate.
Und da ist man die ganze Zeit in Nottwil?
Nein, nach sechs Wochen konnte ich bereits nach Hause, übers
Wochenende, zu meinen Eltern. Bei diesen Besuchen haben wir
dann ausführlich über meine künftige Wohnsituation gesprochen.
Und wie steht es mit der Mobilität im «öffentlichen Raum»?
Ich kann Auto fahren, mit einem umgebauten Honda Accord
Kombi, wo ich problemlos sowohl meinen normalen Rollstuhl
verstauen kann, als auch jenen, den ich fürs Basketball spielen
verwende. Da ist jede Menge Platz vorhanden!
Wie haben Sie den Wiedereinstieg ins Berufsleben geschafft?
Die damalige Zügelfirma hat mir das ermöglicht, mit einem
Bürojob, den ich natürlich zu Beginn nicht zu 100 Prozent
erledigen konnte. Anfänglich ging das stundenweise, dann aber
konnte ich im Laufe der Zeit kontinuierlich mehr Stunden im
Büro verbringen. Bis Juni 2009 war ich dort beschäftigt.
Weshalb der Wechsel?
Ich werde meiner damaligen Arbeitgeberin immer dankbar sein,
dass sie mir den Wiedereinstieg ermöglicht hat. Aber irgendwie
war ich unglücklich, dort nicht mehr selber als Zügelmann wirken
zu können. Und zudem hatte ich das Gefühl, nicht weiterzukommen. Also habe ich Christoph Uhlmann kontaktiert, Merchandiser
melectronics, den ich von früher her kannte. Die Migros Aare hat
mir ein Praktikum im Marketing FM ermöglicht, heute habe ich im
Support eine Festanstellung, zu 70 Prozent.
Im nächsten Frühjahr beginne
ich meine Ausbildung
zum Marketing-Fachmann.
Ambitionen?
Sicher, ja! Im nächsten Frühjahr beginne ich meine Ausbildung
zum Marketing-Fachmann.
Hat sich Ihr Bekanntenkreis seit dem Unfall verändert?
Zum Teil schon, ja. Ich denke, das ist normal. Mit einigen
Kollegen habe ich keinen Kontakt mehr, aber vielleicht wäre das
ja auch ohne Rollstuhl der Fall. Die wirklichen Freunde sind mir
geblieben.
Und Ihre Freundin?
(Lacht) Zum Zeitpunkt des Unfalls hatte ich keine Freundin.
Jetzt schon?
Ja, wir haben uns in Nottwil kennengelernt.
38
Eine Paraplegikerin?
Nein, Riccarda hat seinerzeit innerhalb ihrer Ausbildung ein
Praktikum in Nottwil gemacht, ich war sozusagen ihr «Lernen
am Objekt». Aus dieser Freundschaft ist eine Beziehung
entstanden, seit letztem Sommer wohnen wir auch zusammen.
Wenn Sie die Möglichkeit hätten, «Alltägliches» für Rollstuhlfahrer
zu ändern, wo würden Sie ansetzen?
Ouw! Wo soll ich anfangen? Bei jenen Behinderten-Toiletten, die
auf einem Reissbrett entstanden und so gebaut sind, dass man die
Türe nicht hinter sich zuziehen kann? Oder bei Eingängen in
Gebäude, die mit dem Rollstuhl nicht zu schaffen sind, obwohl
dann die Lifte rollstuhlgerecht wären? Bei den Durchgängen in
Wohnsiedlungen, wo alle zehn Meter eine Doppelstufe kommt, was
optisch bestimmt sehr schön aussieht? Es gäbe vieles, das sich
ändern liesse, wenn man nur daran denken würde. Praxisbezogen.
Sie haben für dieses Interview einen Beerenmixtee genommen.
Allergisch auf Kaffee?
(Schmunzelt) Nein, überhaupt nicht, aber Kaffee ist harntreibend…
Worauf müssen Sie im Alltag sonst noch achten, was für uns
Gehende normal ist?
Ich muss auf Druckstellen aufpassen, das ist schwierig, weil
ich meine Beine und das Gesäss ja nicht spüre. Ich darf sie
nicht anschlagen, muss aufpassen, keine Schnittwunden zu
bekommen, wegen der Infektionsgefahr. Im Winter gilt, sich
warm anzuziehen, damit keine Frostbeulen entstehen. Da ist die
Unterwäsche von Odlo gefordert. Auch auf Verbrennung muss
ich aufpassen. Einmal habe ich mein Bein an einem Kugelgrill
verbrannt, es aber erst gemerkt, als es so komisch roch…
Haben Sie den Unfallverursacher jemals getroffen?
Ja, er hat sich einmal bei
mir gemeldet, kurz bevor
ich Nottwil verlassen konnte. Es war eine komische
Begegnung, weil er nicht
einsehen wollte, dass er
einen Fehler begangen hat,
wobei es möglich ist, dass
er in seiner Aufnahmefähigkeit leicht eingeschränkt ist.
Tragen Sie ihm die Sache
nach?
Nein, jeder Mensch macht
Fehler, wenn auch nicht
immer so folgenschwere.
Was empfehlen Sie uns Gesunden, wenn wir Rollstuhlfahrer sehen,
die sichtlich mit einem Hindernis kämpfen?
Gehen Sie hin, fragen Sie, ob Sie helfen können! Und seien Sie
nicht brüskiert oder entmutigt, wenn Ihnen ein gereiztes «Ich
komme schon klar!» geantwortet wird. Es ist halt nicht immer
einfach, im Alltag mit dem Rollstuhl klarzukommen. Aber allein
die Geste, helfen zu wollen, ist sehr wertvoll.
Gibt es nicht ein Zitat, im Sinne
von «Jeder ist seines eigenen
Glückes Schmied»? Ich arbeite
daran…
Was wünschen Sie sich für das kommende Jahr?
Gibt es nicht ein Zitat, im Sinne von «Jeder ist seines eigenen
Glückes Schmied»? Ich arbeite daran, beruflich und privat.
Und selbstverständlich hoffe ich, dass sich meine Situation
stabilisiert und ich keine unangenehmen Überraschungen erlebe.
Und ich werde dennoch die Hoffnung nie aufgeben, dass der
Medizin eines Tages bahnbrechende Fortschritte auf dem Gebiet
der Paraplegie gelingen.
Habe ich etwas zu fragen vergessen, das Ihnen am Herzen liegt?
(Sehr, sehr spontan) Ja! Ich möchte allen Töfffahrerinnen und
Töfffahrern sagen: Frönt eurem, frönt unserem Hobby! Geniesst
es! Ich sehe meinen Unfall nämlich nicht in erster Linie als
Unfall mit dem Töff, denn das hätte mir vielleicht auch beim
Putzen passieren können…
Heinz
Beuggert
39
"Thomas
Gottschalk
..
bekame einen
Korb von mir."
40
Heinz Beuggert
Lager Nonfood,
Schönbühl
Eine Vorbemerkung zu meinem heutigen Interviewpartner. Die Welt
des Heinz Beuggert ist keine stressige Welt voller Termine, er
lebt nach der Philosophie «eis nach em andere». Dass er das in
Schönbühl dank seiner Vorgesetzten Daniel Fischer und Simon Gelmi
kann, ist eben auch «ein M besser».
Heinz Beuggert, seit Jahren gehen wir beide ja einmal die Woche
zusammen im Aaregarte essen, wir duzen uns, also wollen wir es
auch in diesem Gespräch so halten. Ich muss morgen zwischen
10:00 Uhr und 11:00 Uhr in Disentis sein. Was gibt es für Verbindungen ab Bern Hauptbahnhof?
Bern ab 06:32 Uhr nach Zürich, dort kommst du um 07:28 an,
der Anschluss nach Chur fährt 07:37, wo du 08:52 ankommst.
In Chur musst du umsteigen auf die RhB, die um 08:56 abfährt.
In Disentis bist du dann um 10:11 Uhr.
Sag mal, gibt es unterwegs nach Chur Bahnhöfe mit «komischen»
Ortsnamen?
Ilanz ist bekannt, aber du kommst auch in Castrisch, ValendasSagogn oder Trun vorbei.
Und was war der 5. Oktober 2008 für ein Wochentag?
(Wie aus der Pistole geschossen) Ein Sonntag!
Stimmt. Ich finde es phänomenal, wie du das alles weisst, auch
andere Sachen, bei denen ich bloss staune. Heute möchte ich das
Gespräch aber auf das Bahnfahren beschränken. Was bedeutet dir
das Bahnfahren?
Es ist für mich die Möglichkeit, mich unabhängig zu bewegen, es
ist ein grosses Stück Freiheit.
Wie oft bist du denn unterwegs?
Also sicher einmal jedes Wochenende, zum Teil allein, zum Teil
mit Oliver oder mit Vreni, zeitweise sind wir zu dritt. Wir alle
haben ein GA, können also dorthin, wo wir gerade Lust haben.
Stichwort Spaghetti-Schiff, im vergangenen Sommer, was war damit?
Das ist ein reguläres Kursschiff, das jeden Tag verkehrt,
bis Beckenried, ab Luzern um 18:12 Uhr, retour ist es dann
laut Fahrplan um 20:47 Uhr. Am Freitag/Samstag wird es zum
Spaghetti-Schiff umfunktioniert.
Das heisst?
Zum Znacht gibt es eine Art Pasta-Party. Mit Spaghetti so viel
man will und vier verschiedenen Saucen. Wir waren dieses Jahr
sechs- oder siebenmal auf diesem Spaghetti-Schiff, das ist
immer eine gute Sache.
Wann musst du in Bern abfahren?
Bern ab 17:00 Uhr, Luzern an genau eine Stunde später.
In Luzern fährt der Zug um 21:00 zurück nach Bern.
Und auf diesem Schiff, da schaut ihr dann bloss aufs SpaghettiBuffet oder auch hinaus in die Landschaft?
(Lacht) Ganz klar! Auch auf die Landschaft!
Sag mal, du bist jetzt 52, seit wann Zug-Fan?
Seit ich mich erinnern kann, seit bald 50 Jahren.
Du kommst jeden Morgen zu uns ins Büro, meistens um 08:04 Uhr.
Du erzählst uns jeweils, welche Züge am Vortag Verspätung hatten
– und überhaupt, ob es Probleme auf dem Schienennetz gab. Woher
hast du alle diese Infos?
Vom Teletext, den ich jeden Abend schaue, wenn ich nach Hause
komme. Auf Seite 486 werden die aktuellen Ankunftszeiten
angegeben, auf Seite 487 die Störungen. Schau doch selber
einmal nach, heute Nachmittag. (Der Redaktor hat das gemacht,
stimmt genau, was Heinz Beuggert sagt.)
Es ist für mich die Möglichkeit,
mich unabhängig zu bewegen,
es ist ein grosses Stück Freiheit.
Schaust Du auch am Morgen nach, bevor du zur Arbeit fährst?
Nein, nur an Samstagen und Sonntagen, wenn wir Ausflüge machen.
Es gibt ja diese «angefressenen» Bähnler, die jede Lok kennen.
Du auch?
Natürlich doch! Benedikt Weibel kennt sie bestimmt auch.
Das ist der ehemalige Big Boss der SBB, den du ja einmal auf dem
Gurten getroffen hast.
Ja! Und du hast eine Foto von uns gemacht und in der «aareinfo» veröffentlicht. Auch von Herbert Bolliger und Beat Zahnd.
Genau. Welches ist denn deine Lieblingslok?
Der Rote Pfeil.
Der in der Fachsprache sicher eine genaue Typenbezeichnung hat…
Triebwagen RBe 2/4 202.
1938 erstmals eingesetzt.
Woher weisst du das?
Ich habe im Internet nachgeschaut. Schon mal damit gefahren?
Nein.
Nein?
Nein, ich habe das verpasst.
41
Welches ist denn deine Lieblingsstrecke?
Im Moment sicher Bern-Zürich. Ich finde es toll, wie
schnell man von einem Stadtzentrum im anderen ist.
Nicht einmal eine Stunde braucht man dazu! Und
dann diese Geschwindigkeit im Grauholz-Tunnel!
Schmalspurbahn, das ist immer
spannend, auch die Landschaft,
wie fast überall in der Schweiz,
vor allem, wenn schönes Wetter
ist.
Und ein bisschen abseits der Hauptachse?
Die Fahrt Albula-Bernina ist immer wieder schön, zu
jeder Jahreszeit.
Hattest du schon unangenehme
Erlebnisse, bei all deiner Reiserei?
(Überlegt) Nein, eigentlich nicht…
Du übernachtest ja nie auswärts, fährst am Morgen
weg, kommst am Abend wieder nach Hause zurück.
Welches ist die weiteste Tagesreise, die du so gemacht
hast?
Nach Tirano und zurück.
Immer wieder nach Hause gekommen, am Abend?
Ja.
Zeitlich heisst das?
Abfahrt um 06:10 in Oberzollikofen, abends um 22:18 Uhr wieder
dort.
Da du den Fahrplan auswendig
kennst: Schon mal überlegt, dich
bei «Wetten, dass?» zu melden?
Uhhh! Nie! Thomas Gottschalk bekäme einen Korb! Nei, das wett
ig nid.
Und was machst du in Tirano? Bleibst du gleich sitzen, um im
gleichen Zug wieder zurückzufahren, da Tirano ja «Endstation der
Schweiz» ist?
(Lacht) Nenei! Das heisst, doch, ja, ich bin wirklich schon sitzen
geblieben, aber das ist nicht immer möglich, weil man die
Komposition wechseln muss. Wenn ich Zeit habe, gehe ich in
Tirano etwas trinken.
Gibt es eigentlich Sachen, die du mit Bahnen, Schiffen oder Seilbahnen in der Schweiz noch nie gemacht hast?
Ja, klar! Weil ich nicht sehr schnell laufen kann, meide ich
Seilbahnen, die nicht anhalten, sondern nur langsam mit
geöffneten Türen vorbeifahren. Meistens gibt es dort auch «es
Drück», da reicht die Zeit zum Einsteigen nicht.
Was ist besonders, an dieser Strecke?
Die beiden Kehrschleifen nach Bergün, das ist ein Erlebnis, sie
wurden mit Stollen und Schächten in den Berg gebaut.
Und dann diese Geschwindigkeit
im Grauholz-Tunnel!
Du hast ja gesagt, Bern-Zürich sei zurzeit deine Lieblingsstrecke.
Wie oft bist du sie denn wohl gefahren, hin und/oder zurück?
Ouw…
Über tausend Mal?
Jaja, das sicher.
Wenn dich jemand fragt, wohin er/sie soll, an einem schönen
Sonntag, einfach so, was antwortest du?
Versuchen Sie es doch einmal in Interlaken, da kann man mit
SBB oder mit Schiff hin. Und zum Spazieren ist es dort schön,
mit Blick auf die Berge.
Im Sommer, was machst du an einem schönen Sonntag am liebsten?
Da gehe ich gerne auf ein Dampfschiff, aber auf kein bestimmtes, die sind alle schön, vor allem auf dem Vierwaldstättersee.
Und wo soll man in Interlaken essen, im Victoria-Jungfrau?
Sicher nid! Das ist viel zu teuer. Ich gehe meistens zu McDonald’s,
einen Hamburger essen.
Und im Winter?
Nach Montreux gehe ich gerne, und von dort aus zurück via Brig,
das Goms hinauf, zum Furkatunnel, mit der MGB.
So wie jetzt, da wir beide miteinander reden.
(lacht)
MGB?
Die Matterhorn-Gotthard-Bahn, die fährt bis nach Andermatt
oder Göschenen. Je nach Zeit fahre ich via Luzern zurück nach
Oberzollikofen; oder via Brünig, dort betreiben die SBB eine
PS: Der Wunsch von Heinz Beuggert, einmal im Roten Pfeil mitzufahren, ging kurz nach diesem Interview in Erfüllung.
Therese
Bolzli
42
"Sagen Sie einer
..
kunstlichen
Blume nie
Plastikblume!"
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Therese Bolzli
Marketing Blumen,
Schönbühl
Therese Bolzli, Sie arbeiten seit ungefähr zwei Jahren bei uns.
Was haben Sie seinerzeit gelernt?
Ich habe 1986 eine dreijährige Ausbildung als Gärtnerin absolviert, «Topfpflanzen und Schnittblumen».
Gibt es denn bei der Ausbildung zur Gärtnerin sozusagen verschiedene Sektoren?
Ja, insgesamt fünf, wenn dem heute noch so ist. Zum Beispiel
«Stauden» – gemeint sind hier mehrjährige, nachwachsende –
oder «Baumschulist».
Und wo haben Sie Ihre Ausbildung gemacht?
Ich habe in/um Bern keine Lehrstelle gefunden, weshalb ich als
Frau seinerzeit nach Niederlenz fahren muste.
Was heisst das, «als Frau»? Von Ihrem Wohnort aus wäre der
Oeschberg doch näher …
Stimmt! Heute ist das auch kein Thema mehr, aber während
meiner Ausbildungszeit waren Männlein und Weiblein streng
voneinander abgetrennt: Oeschberg für die Männer, Niederlenz
wiederum war die «Gartenbauschule für Töchter» … So war das.
Sozusagen Zucht und Ordnung. Wohin hat es Sie nach der «Stifti»
verschlagen?
Einige Monate blieb ich noch in Niederlenz – jetzt aber selber
als Ausbildnerin -, danach wollte ich unbedingt Französisch
lernen, also bin ich ins Welschland, nach La Croix sur Lutry, in
der Waadt. Für 1½ Jahre (beginnt zu lachen).
War das denn so lustig?
Ja, wenn ich zurückdenke, aus zwei verschiedenen Gründen.
Lassen Sie uns doch teilhaben …
Wissen Sie, ich musste wirklich Franz lernen, ich hatte keine Ahnung,
musste wirklich bei Lektion 1 beginnen, als Anfängerin: Je, tu, il …
Während meiner Ausbildungszeit
waren Männlein und Weiblein
streng voneinander getrennt.
J’ai, je suis?
Mais oui! Ich wusste gerade, wie sich «Bonjour Monsieur,
Bonjour Madame» ausspricht, aber damit kommt man ja nicht
gerade weit, im Alltag. Und weil die Romands selten bis
gar nie Deutsch sprechen, selbst wenn sie könnten, musste
ich schnellstmöglich Franz lernen. Hat dann auch ganz gut geklappt.
Und der zweite Grund?
Die Franzosen! (Lacht weiter)
Was war denn mit den Franzosen?
Im Gartencenter in La Croix sur Lutry arbeiteten vor allem
Franzosen …
… mussten die auch anständig Franz lernen?
Sicher niiid … Erstens haben sie vermutlich günstiger als die
Schweizer gearbeitet und zum zweiten waren es Saisonniers, die
man flexibel einsetzen konnte, auch ihnen war das recht. Item:
Das waren Zeitgenossen. Stellen Sie sich vor: Diese Franzosen
hatten schon das Gefühl, die Romands wären – im Vergleich zu
ihnen selber – engstirnig, irgendwie verklemmt. Jetzt können Sie
sich selber vorstellen, wie ich denen vorgekommen bin, als
Landei aus der Deutschschweiz.
Das wäre doch ein Grund für die Franzosen gewesen, dem angeblichen Landei auf die Sprünge zu helfen.
Das haben sie auch ganz gut hingekriegt, aber erst nach der
Arbeit, am Feierabend, da waren es die geselligen Franzosen,
wie wir sie kennen: Un coup de vin et on fait la fête. Aber bei
der Arbeit war Teamarbeit für sie ein Fremdwort, das habe ich
ihnen auch dann und wann zu verstehen gegeben, aber das hat
sie nicht gross gekümmert …
Ils s’en foutaient?
Genau! Das ist der richtige Ausdruck. Da konnte jemand in der
Arbeit wirklich «versuufe», glauben Sie, nos chers français
hätten da die Hand gereicht und einem Arbeit abgenommen?
Chasch dänke! Jeder suchte sich möglichst «un coin traquille»,
eine ruhige Ecke, nur ja keinen Stress! Im Rückblick tönt das ja
lustig, aber das war es nicht immer. Das kommt mir heute vor
wie das Lied von Polo Hofer, «Travailler, c’est trop dur …»
Was nach der Romandie?
Ich habe zu Hause in Laupen ausgeholfen, bei einer Gärtnerei,
die nach einem Hochwasser schlimm aussah. Nun, und dann
hatte ich das Gefühl, ich müsse noch Englisch lernen, also
bin ich nach England, in eine Ortschaft namens Petersborough,
ungefähr drei Autostunden nördlich von London.
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war einige Zeit bei der Interhydro in Allmendingen tätig, die
auch Lieferant der Migros ist. In dieser Zeit habe ich die
Ausbildung «Marketingplaner» bestanden. Bei der Interhydro
war ich für die Textilpflanzen zuständig. Und für die Betreuung
von Bau+Hobby von Coop.
War da auch «la fête», Party?
Jein.
Jein?
Es ging allein ums … Saufen, wer am meisten vertragen konnte;
sorry, wenn ich das so direkt sage. Aber das war definitiv nicht
mein Ding.
Wie haben Sie gewohnt?
Very, very British, bei einer älteren Lady, die jedem Cliché
einer Engländerin gerecht wurde. Ich habe in Petersborough
in einem Garden Center gearbeitet, das war noch ganz
interessant.
Bevor wir auf Ihre heutige Arbeit zu sprechen kommen.
Wie viele Jahre liegen zwischen dem Englandaufenthalt und der
Migros Aare?
(Überlegt …) Ehhh, 20 Jahre. Nein, nicht ganz, 19!
Was war in dieser Zeit?
Sie sind aber neugierig …
Klar doch. Mich interessiert immer auch der Mensch, nicht bloss die
Arbeitskollegin oder der –kollege.
Also, dann halt. Ich habe eine Handelsschule gemacht und
während dieser Zeit bei meinen Eltern gejobbt, an Samstagen,
sie hatten eine Käserei, die es heute aber leider nicht mehr
gibt. Und weil ich im Bereich Käse – aus den soeben erwähnten
Gründen – Erfahrungen hatte, habe ich mich bei einem Käsehändler gemeldet, wo ich dann sieben Jahre administrativ tätig
war, bei Baumann Käse in Zollikofen. Er ist Lieferant der Migros
Aare.
Blieb es beim Käse?
Nein, nicht ganz. Nach einem Intermezzo im Bereich Informatik
und einer Management-Ausbildung hat es mich zu meiner
grossen Liebe zurückgezogen (schmunzelt), zu den Blumen. Ich
Sie haben mit Plastikblumen gehandelt?
Sagen Sie einer künstlichen Blume nie Plastikblume! Vielleicht
konnte man noch vor 20 Jahren so abschätzig urteilen, heute
jedoch gibt es wunderschöne künstliche Blumen und Pflanzen,
die ebenso wie die natürlichen einen bestimmten Zweck
zu erfüllen haben. Ich war zu jener Zeit für den Einkauf auch
zweimal in Hong Kong. Heute hat jeder Produzent dort
seinen eigenen Showroom. Bei einer dieser Reisen hatte ich
Gelegenheit, im angrenzenden China eine solche Fabrik für
künstliche Blumen und Pflanzen zu besuchen. Wenn Sie sehen,
unter welchen Bedingungen – verglichen mit uns! – diese Leute
arbeiten müssen, dann ziehen Sie bloss noch den symbolischen
Hut.
Sagen Sie, vor der Migros Aare, da war doch was in Kehrsatz, in
Chäsitz …
Was Sie nicht alles wissen, woher denn?
Wenn Sie sehen, unter welchen
Bedingungen diese Leute arbeiten
müssen, dann ziehen Sie bloss
noch den symbolischen Hut.
Sagen wir es so: Ich bereite mich seriös auf meine Gesprächspartnerinnen und -partner vor, das bin ich ihnen schuldig, auch
Ihnen. Also denn: Stichwort Kehrsatz.
Das war die letzte Station vor der Migros. Ich hatte damals einfach Lust auf etwas Neues und habe mich auf die Stelle als
Verantwortliche Marketing-Kommunikation gemeldet. Zu meinem
Erstaunen bekam ich die Stelle bei Kilchenmann.
Wie haben Sie die Zeit in Erinnerung?
Als verrückte Zeit, aber hochinteressant. Ich hatte drei Bereiche
zu betreuen: Unterhaltungselektronik, Telematik und Events. Die
besondere Herausforderung dabei: Alle drei Bereiche ticken
völlig anders: Zum einen die «Endkunden» in der UE, dann
die Geschäftskundschaft «Telematik» und zum dritten die
Event-Zielgruppe, das ist vergleichbar mit unserem Partydienst,
der vor allem das Gelingen einer Veranstaltung sicherstellt, an
den üblichen Bürozeiten vorbei …
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Also drei verschiedene Hüte?
Hüte? Das reicht nicht, je nach Kundengruppe und Mitarbeitenden musste man das ganze Gebiss auswechseln. Mit der Zeit
wurde mir das alles zu trümmlig – zudem ist die Welt
der «Schönen und Reichen», zu der logischerweise enge
Beziehungen bestehen, nicht die meine. Deshalb bin ich wieder
im Backstage-Bereich tätig, bei meiner Liebe.
Jede Woche wechseln wir
unser Sortiment, natürlich
nicht vollständig, aber
kontinuierlich, da bleibt keine
Zeit zum «Plöischle».
Glücklich?
Ja, und glücklich.
Weshalb nicht?
Sie haben es vorhin selber gesagt, Orchideen sind ein Renner
respektive waren es. Selbst Leute, die keine Ahnung von Blumen
haben, liessen sich durch die günstigen Preise zum Kauf
verlocken. So weit, so gut. Aber eben: Die Branche hat die
Orchideen in letzter Zeit derart forciert, dass deren Zenith als
«In-Pflanze» in Bezug auf die Massenverkäufe vorbei ist. In ein
ähnliches Kapitel gehen die Minirosen.
Und die Tulpen?
Da liegt der Fall anders. Klar, im Frühjahr Tulpen, so weit das
Auge reicht, dann aber gibt es einen langen Unterbruch, weshalb
die Tulpen nie verleiden, zudem sind sie die Vorboten des
Frühlings, sie sind keine Ganzjahresblumen.
Was mir aufgefallen ist: Dieses Jahr hielten die Tulpen zu Hause
extrem lange, es war eine wahre Freude.
Danke für das Kompliment! Das haben wir heuer viel gehört, das
hängt wahrscheinlich mit der Bündelung des Blumeneinkaufs
auf einer neuen Lieferantenplattform zusammen.
Wir schreiben Mitte Mai. Was steht an, bei den Schnittblumen?
Düreschnuufe …
Und was kommt in Ihrem Bereich als nächster Hit?
(Schallendes Lachen) Wüsste ich das, würde ich mich als
Prophetin betätigen und viel, viel Geld verdienen! Ehrlich gesagt,
ich weiss es nicht.
Düreschnuufe?
Ja, am vergangenen Sonntag war Muttertag, das heisst Grosskampftag für uns, vor allem für die Kolleginnen und Kollegen in
den Läden. Deshalb ist Durchatmen angesagt, wenn auch bloss
symbolisch (lacht), nichts von Beine hochlagern. Denken Sie
daran: Jede Woche wechseln wir unser Sortiment, natürlich
nicht vollständig, aber kontinuierlich, da bleibt keine Zeit zum
«Plöischle». Kommt hinzu, dass nach dieser strengen Zeit Ferien
angesagt sind, das heisst für uns: Andere Arbeiten betreuen und
deren Erfolg sicherstellen.
Gibt es im Bereich Blumen innerhalb der Migros denn Tendenzen?
Möglicherweise schon. Und es wird interessant sein, die
Entwicklung zu verfolgen. Denn: Die Romands sprechen auf
ganz andere Blumenkompositionen als wir Deutschschweizer an.
Will heissen: Nationale Blumenaktionen zum totalen Erfolg zu
verhelfen, ist extrem schwierig. Entweder hat man im Welschen
Erfolg oder dann bei uns. Vielleicht gibt es diesbezüglich einmal
Anpassungen, indem man zweiteilt. Wir sind gespannt!
Ich schätze, dass Sie vier Peaks haben: Valentinstag, Ostern,
Muttertag, Dezember mit Advent und Weihnachten.
Nicht schlecht, stimmt. Wollen Sie bei uns anfangen?
Ouwouwou, lieber nicht, ich kann eine Tulpe kaum von einer Rose
unterscheiden. Stichwort Dezember: Schon damit beschäftigt?
Ja, gewiss, der Advent wirft seine Schatten bereits voraus,
das Sortiment ist bereits definiert und vorbestellt, auch im
Bereich «Zubehör», da viele dieser Artikel aus dem Fernen
Osten kommen und deshalb rechtzeitig bestellt werden müssen.
Wenn ich an die Renner der letzten Jahre denke, da sind
die Orchideen nicht weit. Sind diese Pflanzen nach wie vor eine
Boom-Branche.
Nein, nicht mehr.
Die Romands sprechen auf ganz
andere Blumenkompositionen als
wir Deutschschweizer an.
"Wie lebt es
sich denn mit
einem fremden
Herz?"
Stefanie
Brand
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Stefanie Brand
Migros Oensingen
Stefanie Brand, Sie sind erst 20 Jahre alt, haben aber bereits eine
sehr eigene Lebensgeschichte zu erzählen. Sie sind mit einem
Herzfehler auf die Welt gekommen. Wie und wann hat man das
festgestellt?
Zwei Tage nach meiner Geburt wurden in der Geburtsklinik
ungewöhnliche Herzgeräusche durch den Kinderarzt festgestellt.
Daraufhin wurde ich nach Bern «is Chinschpi» verlegt, ins
Kinderspital.
Was genau für ein Herzfehler ist das? Ist es Vererbung?
In unserer Familie gibt es niemanden, der an einer Herzkrankheit
leidet. Ich habe einen sehr komplexen Herzfehler, eigentlich
sind es gleich mehrere. Jeder der Herzfehler «half» sozusagen
dem anderen, so dass ich erst mit drei Jahren eine grössere
Herzoperation benötigte. Vorher hatte ich allerdings mehrere
Herzkatheteruntersuchungen.
Sie wurden seit Ihrer Geburt bereits mehrmals am offenen Herzen
operiert. Wann genau haben diese Operationen stattgefunden, in
welchem Alter, wie muss man sich das als Nichtmediziner vorstellen?
Ich hatte die Operationen als Kind. Die letzte, die ich wirklich
bewusst erlebte, war in der Zeit, als ich die Oberstufe besuchte,
bei den andern kann ich mich nur an gewisse Sachen erinnern
und vor allem auch dann, wenn ich mit meiner Mutter darüber
rede. Ich war jeweils eine bis zwei Wochen lang im Spital, je
nach Eingriff. Die eigentlichen Herzoperationen dauerten bis zu
mehreren Stunden, je nach Eingriff.
Wie war das mit der Schule?
Ich hatte das Glück, dass ich nie «Komplikationen gemacht
habe», wie das in der Medizin so heisst (lacht). In die Schule
durfte ich nach drei Wochen wieder gehen. Mein Arzt hat mir
immer gesagt, dass man als Kind viel schneller wieder auf den
Beinen ist, da man sich an Schmerzen – im Gegensatz zu
erwachsenen Menschen – nicht mehr erinnern kann.
Von den Operationen her werden Sie ja vermutlich eine grössere –
wenn nicht sogar mehrere – Narben haben. Wie gross, wie gehen Sie
damit um?
Ich habe eine über den Brustkorb und eine zweite seitlich unter
der Brust durch. Mit den Narben komme ich eigentlich ganz gut
zurecht.
Eigentlich?
Ja, es gibt natürlich Ausnahmesituationen, wo ich mich darüber
aufrege, zum Beispiel in der Badi, denn es ist ein unangenehmes
Gefühl, wenn die Leute so doof schauen. Das macht mich zum
Teil richtig wütend, denn mir ist lieber, wenn man mich direkt
fragt, so kann ich direkt antworten, ohne «Was hett die dört äch
gha?».
Müssen Sie wegen der Narben zur Kontrolle?
(Lacht) Sie schreiben zwar gut, aber Medizin scheint weniger Ihr
Fachgebiet zu sein… Ja, ich muss einmal im Jahr zur Kontrolle,
aber doch nicht der Narben, sondern des Herzes wegen.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist
es noch nicht möglich, diese
Korrektur «für immer» zu
machen.
Weil ja bereits mehrere Operationen stattgefunden haben, die Frage
eines medizinischen Laien, wie Sie soeben selber festgestellt haben:
Kann man den Fehler nicht endgültig beheben, mit den Möglichkeiten der Medizin heute?
Nein, leider nicht. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es noch nicht
möglich, diese Korrektur «für immer» zu machen, da die
betroffenen Teile verkalken. Immerhin machen mir die Fortschritte der Medizin Mut für die Zukunft, dass dies eines Tages
in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird.
Sie haben in einem Vorgespräch angedeutet, dass in einigen Jahren
wieder eine Operation anstehen wird, da das eingesetzte künstliche
Teil in Ihnen «kalkt». Geradeheraus gefragt: Hat man schon einmal
die Möglichkeit einer Herztransplantation ins Auge gefasst?
(Bestimmt) Nein! Und ich möchte das unter den heutigen Umständen auch gar nicht, denn ich habe gelernt, mit meinem
Herzen umzugehen. Und zudem habe ich einen für eine Transplantation «zu kleinen» Herzfehler, der ja nicht soooo schlimm
ist. Ganz abgesehen davon: Wie lebt es sich wohl mit einem
fremden Herzen? Ich weiss es nicht.
Verlassen wir die Medizin, kehren wir in Ihren Alltag zurück. Wie
haben Sie Ihre Kindheit, Ihre Schulzeit in Erinnerung, mit diesem
Herzfehler?
Die Buben haben immer zu mir geschaut, weil ich vor der
Operation schnell an meine Grenzen kam. Beim Turnen hatte ich
beispielsweise schnell keine Energie mehr, so dass mich die
Buben ins «Time Out» schickten, als Zuschauerin, so dass ich
mich relativ rasch wieder erholen konnte. Interessanterweise
haben das die Mädchen irgendwie nicht kapiert... Im Übrigen
hatte ich eigentlich eine ganz normale Schulzeit und konnte
auch ganz normal einen Beruf erlernen.
Was haben Sie gelernt?
Ich bin gelernte Floristin. Aber nicht nur das: Es war immer mein
Traumberuf! Ich habe die Lehre von 2004 bis 2007 in einem
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kleinen Blumengeschäft gemacht, bei Rust Blumen in Solothurn.
Ich bin wirklich stolz auf mich, konnte ich die Ausbildung so gut
durchziehen, trotz meines Herzfehlers.
Was genau arbeiten Sie bei der Migros in Oensingen?
Nur einmal dürfen Sie raten.
Ich bin gelernte Floristin.
Aber nicht nur das: Es war
immer mein Traumberuf!
Floristin?
Genau, in der Blumenabteilung. Und das (sagt es mit hörbarem
Stolz) zu 100 Prozent!
Erhalten Sie finanzielle Unterstützung durch die Krankenkasse,
eventuell sogar durch die IV?
Nein, denn ich bin ja 100 Prozent erwerbsfähig. Unterstützen soll
man schliesslich nur jene, die es auch wirklich verdienen, weil
sie nicht mehr voll einsatzfähig sind, auf welchem Beruf auch
immer.
Wie stark schränkt Sie Ihr Herz bei Alltäglichem heute ein?
Im Moment bin ich nicht eingeschränkt, das passiert erst, wenn
es meinem Herzen schlechter geht. Ich muss allerdings im
Alltag schon gut aufpassen, da ich anfälliger auf Infekte bin.
Aber meinen Körper kenne ich eigentlich ziemlich genau, weiss,
was ich ihm zumuten kann.
Sie haben Ihre Narben angedeutet. Was
heisst das in der Sommersaison? Dürfen
Sie mit diesen Narben denn überhaupt
ins Wasser, zum Schwimmen?
Ja, die Narben sind kein Problem,
nur nach einer Ops dürfen sie ein
bis zwei Jahre nicht an die Sonne. Ich
muss sie auch ständig massieren,
damit sie geschmeidig bleiben und
nicht austrocknen.
Wie geht Ihre Umwelt mit Stefanie
Brand um? Nimmt man auf Sie Rücksicht, wenn man um Ihren Herzfehler
weiss?
Am allerliebsten ist mir, wenn man
mich ganz normal behandelt, ich will
keine Sonderrechte.
Und wie reagieren Sie andererseits, wenn Sie jemand körperlich
überfordert, weil «das Herz» nicht mitmacht. Erklären Sie sich
offen und geradeheraus?
Klar! Es ist auch wichtig, dass die Leute um meinen Herzfehler
wissen. So könnten sie richtig reagieren, sollte wirklich einmal
etwas passieren.
Und wie reagieren die Leute?
Viele haben echt Angst um mich, was aber überhaupt nicht nötig
ist: Einige haben Mitleid, was aber auch falsch ist. Alle aber sind
sie erstaunt über meine Offenheit.
Viele haben echt Angst um
mich, was aber überhaupt nicht
nötig ist: Einige haben Mitleid,
was aber auch falsch ist.
Trotz und mit Ihrem Herzfehler: Was wäre ihr… Herzenswunsch?
Später einmal gesunde Kinder und eine Reise nach Südafrika.
Weshalb Südafrika?
(Kommt ins Schwärmen) Das ist ein Traum, den ich schon lange
in mir herumtrage... Ich möchte ganz einfach die Landschaft und
das Leben dort kennenlernen und den Bruder meiner Grossmutter besuchen.
Nicole
..
Burki
49
"Nach dem Krieg
begann der
Krieg
ums
..
Uberleben."
50
Nicole Bürki
Informatik,
Schönbühl
Nicole Bürki, das «Bundeshaus» wird dann und wann als Irrenhaus
betitelt, als Zirkus. Wie haben Sie «das Bundeshaus» denn erlebt?
(Schmunzelt) Ganz ehrlich gesagt, als eine Art «Villa
Wahnsinn …»
Weshalb diese Eingangsfrage: Sie selber haben dort gearbeitet, von
wann bis wann genau?
Von 1998 bis 2008.
Psssssst, wir sagen es nicht weiter: Stimmt das Cliché, dass
Beamte im Allgemeinen etwas weniger «vif» sind als Mitarbeitende
der Privatindustrie? Die 30-jährige Französin Aurélie Boullet hat
dazu kürzlich ein Buch veröffentlicht, «Wie man 35 Stunden
abarbeitet … in einem Monat», worauf sie umgehend aus dem
Staatsdienst entlassen wurde. Typisch französische Verhältnisse?
Ich denke schon, dass es in gewissen Berner Bundesämtern
Abteilungen gibt, in denen der Leistungsdruck nicht allzu gross
ist. Im eigentlichen Bundeshaus hingegen ist es anders.
Im Bundeshaus müssen Einsatzbereitschaft und die Flexibilität
überdurchschnittlich gross sein.
meinem Job
im Bundeshaus
nachgehen zu
können, habe
ich die Gelegenheit erhalten, Führungskurse im VBS, dem Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz
und Sport, zu besuchen.
Sie haben dann einmal ins besagte Bundeshaus gewechselt.
Weshalb?
Nach der Zeit bei der Militärpflichtersatzverwaltung des Kantons
Bern habe ich im Mai 1994 zum «Bund» ins Oberkriegskommissariat OKK gewechselt. Dort wurde ich als Assistentin
des Oberkriegskommissärs angestellt. Durch die Armeereform
«Armee 95» wurde meine Stelle jedoch gestrichen. Ich musste
mir deshalb eine neue Stelle suchen, wurde fündig und
Assistentin des Abteilungschefs «Versorgung» bei der Untergruppe Logistik.
Dabei blieb es aber nicht …
Nein, denn eines Tages musste dem Generalstabschef dringende
Post ins Bundeshaus gebracht werden. Ich wurde dort von
seiner Assistentin empfangen, wir haben zusammen gesprochen
und sie hat mir angedeutet, dass die Stelle der Assistentin des
Stv. Generalstabschefs frei ist. Sie hat mich ermuntert, mich
doch zu bewerben.
Weshalb denn das?
Man ist sehr nah am Geschehen dran, mit dem Bundesrat, dem
Parlament. Dementsprechend müssen Einsatzbereitschaft
und die Flexibilität überdurchschnittlich gross sein … Was Sie
auch nicht vergessen dürfen: Fällt in der Privatwirtschaft ein
Entscheid, so ist er definitiv, keine Diskussion, bei den Behörden
und in der Politik hingegen ist alles beschwerdefähig, was
zum Teil extrem mühsam, zeitaufwendig und entsprechend …
ineffizient ist.
Was Sie dann getan haben.
Ja. Nach dem anspruchsvollsten Vorstellungsgespräch, das ich
je hatte …
So jetzt aber der Reihe nach, etwas strukturierter. Welche
Ausbildung haben Sie gemacht?
Vor langer Zeit «s’KV».
Für meine erste Stelle
nach der Ausbildung habe
ich «gependelt», von
meinem damaligen Wohnort im Berner Jura nach
Bern. Dort hatte ich
eine Anstellung bei der Achtung, es folgt ein
Schachtelwort - Militärpflichtersatzverwaltung
des Kantons Bern. Um
Und gleich noch eine Zwischenfrage: Wie wurden Sie durchleuchtet,
gab’s eine Art Seelen-Striptease?
Ich musste mich schon bei meiner
Anstellung ins Oberkriegskommissariat
einer Sicherheitsprüfung stellen. Für
den Job im Bundeshaus wurde die
Stufe der Prüfung einfach nochmals
erhöht.
… wie muss man sich denn dieses Gespräch vorstellen?
Der damalige Stellvertreter des Generalstabschefs war - und ist
immer noch - ein Sprachgenie. Er wechselte mitten in den
Sätzen die Sprache. Von Deutsch auf Französisch, dann auf
Englisch und Italienisch.
Aber ich habe Sie vorhin unterbrochen:
Nach dem Vorstellungsgespräch, da haben
Sie die Stelle erhalten?
Ja, zuerst als Assistentin des Stellvertretenden Generalstabschefs und -
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ein paar Monate später - durch Zufall, als Assistentin des
Generalstabschefs.
Immer diese Zufälle … Was genau haben Sie dort gemacht, ohne dass
Sie mit Aussagen gleich unsere nationale Sicherheit gefährden?
(Lacht) Ich durfte die Doppelfunktion der Chefin der Stabsdienste des Chefs der Armee sowie der Assistentin des Chefs der
Armee wahrnehmen.
Von Christophe Keckeis?
Von 1998 bis 2002 war es KKdt Hans-Ulrich Scherrer, von 2003
bis 2007 war es KKdt Christophe Keckeis, stimmt, ja.
Da gab’s doch diesen Disput um ein Buch über/von Herrn Keckeis,
aber lassen wir das.
Das war ein Buch über die Reform «Armee XXI» und den ersten
Chef der Armee. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.
Als ich das erste Mal auf den
Balkan ging, waren die Spuren
des Krieges noch sehr gut
sichtbar. So etwas hatte ich
vorher noch nie gesehen.
Was mich – und sicher auch die Leserinnen und Leser – vielmehr
interessiert: Da gab’s doch – so weit ich mich richtig erinnere
– auch einen gewissen Herrn Nef. Haben Sie mit ihm zusammengearbeitet? Wenn ja, was für ein Typ war er denn?
Ja ich kenne Herrn Nef. Ich habe ein paar Monate, während
seiner Einführungsphase, mit ihm zusammen gearbeitet. Es war
zu diesem Zeitpunkt aber bereits klar, dass ich gleichzeitig mit
Herrn Keckeis aufhören würde, obwohl ich hätte bleiben können.
Sie waren in Ihrer Funktion auch auf dem Balkan.
Stimmt, ich hatte das Privileg, einige Male auf dem Balkan
unsere Truppen zu besuchen. Ich durfte im Dezember 2000 das
letzte «Kontingent» der Schweizer Gelbmützen für ihre
Weihnachtsfeier in Sarajewo besuchen. Das war mein erster
Balkanbesuch. Ich kam sehr beeindruckt zurück. Ich durfte auch
mehrmals Weihnachten mit den Soldatinnen und Soldaten der
SWISSCOY im Kosovo feiern.
Nie daran gedacht, selber dorthin in den Einsatz zu gehen?
Doch! Es war tatsächlich vorgesehen, dass ich mich für das
Winterkontingent 2005 für sieben Monate bei der SWISSCOY
verpflichte. Aus privaten Gründen ist es dann anders gekommen.
Nun wäre ich ein schlechter Gesprächspartner, würde ich hier nicht
nachhaken: Weshalb ist es denn anders gekommen?
(Schmunzelt) Ich habe meinen Mann auf dem Militärflughafen
Priština kennengelernt. Er war damals Offizier bei der SWISSCOY.
Und es war geplant, dass er nach seinem Einsatz im Kosovo
für sechs Monate nach Bosnien geht, ich im Anschluss zur
SWISSCOY. Wir haben beide auf diese Einsätze verzichtet … (lacht)
Wie haben Sie denn den Kosovo erlebt, was ist Ihnen in Erinnerung?
Die Landschaften sind wunderschön. Als ich das erste Mal auf
den Balkan ging, waren die Spuren des Krieges noch sehr gut
sichtbar. So etwas hatte ich vorher noch nie gesehen.
Inwiefern?
Nur vor Ort, als unmittelbare Augenzeugin – wenn auch nach
dem Krieg - kann man sich annähernd vorstellen, was die Zivilbevölkerung erlebt haben muss, auf welcher Seite auch immer.
Und nach dem Krieg, da begann der Krieg ums eigene Überleben,
der lange, lange Weg zu einer Art Normalität, die mit unserem
Alltag noch lange nicht vergleichbar ist. Und es zeigte mir
einmal mehr, dass man selbst solchen Situationen Positives
für die eigene Persönlichkeitsentwicklung abgewinnen kann,
indem man zum Beispiel merkt, dass vieles, das bei uns selbstverständlich ist, eben nicht selbstverständlich ist.
Haben Sie auch vom Treffen mit den KFOR-Truppen profitiert?
Ja. Die Treffen mit den Angehörigen der anderen Streitkräfte
waren immer etwas sehr Spannendes, denn die KFOR ist ein
«Mix» von 20 oder sogar von noch mehr Nationen. Die
Zusammenarbeit ist sehr spannend. Auch die Kontakte mit den
Schweizer Soldaten und Soldatinnen waren toll. Es sind Freundschaften entstanden, die immer noch bestehen. Zudem durfte ich
ja dort meinen Mann kennenlernen …
Weshalb dann ausgerechnet zur Migros Aare?
Nach zehn Jahren im Bundeshaus – und nichts von SchoggiLeben – wollte ich wieder mehr Zeit «zum Leben» haben.
Das heisst?
Als klar wurde, dass die Amtszeit meines Chefs am 31. 12. 2007 zu
Ende gehen würde, habe ich mich entschieden, den Dienst auf
diesen Zeitpunkt hin zu quittieren, wenn ich gleich im militärischen
Jargon bleiben darf. Herr Keckeis und ich sind beide am 28. 12. 2007
aus dem Bundeshaus mit unseren Schachteln «abgetreten». Ich
durfte danach sechs Monate Überzeit und Ferien beziehen und habe
per 1. 7. 2008 in einem Bundesamt im Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement eine 60 Prozent-Stelle angenommen. Nach
zwei Jahren musste ich mich entscheiden, ob ich wieder eine
anspruchsvollere Tätigkeit annehmen will oder nicht. Deshalb habe
ich mich auf ein Stelleninserat der IT in der Migros Aare gemeldet
und bin jetzt seit vergangenem 1. August in der Informatik tätig.
"So eine Kuh
ist ein sehr
sensibles
Wesen."
Manuela
Eiholzer
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53
Manuela Eiholzer
Filialleiterin,
Kaiseraugst
Manuela Eiholzer, bitte erklären Sie unseren Leserinnen und
Lesern, wo sich denn die
Rindermatt befindet ...
Das ist eine Alp oberhalb von
Bürglen im Kanton Uri. Sie ist
die höchst gelegene Alp der
Familie Gisler-Essig und liegt
auf über 1900 Meter.
Weshalb wir Sie ausgerechnet
das fragen: Sie waren im
vergangenen Sommer oben.
Weshalb denn das?
Ich habe einer ehemaligen Kollegin aus meiner Parallelklasse,
die «dort hinauf» geheiratet hat, geholfen. Zum Beispiel beim
Käsen. Zu den täglichen Arbeiten gehören jedoch auch das Kühe
austreiben, das Misten, Melken, Unkraut jäten, Putzen, Kochen
und Zäune ziehen.
Wie kommen Sie denn dazu?
(Seufzer) Ach, das ist eine lange Geschichte ...
Und davon gibt es bestimmt eine Kurzversion ...
Wenn Sie so wollen, ja: Als ich mit 34 Jahren den Detailhandelsabschluss nachholte, war ich Lernende in Liestal. Witzigerweise
war meine ehemalige Schulkollegin von 1989 – Esther Roth –
nun plötzlich meine Lehrmeisterin. In den folgenden zwei Jahren
entwickelte sich eine tiefe Freundschaft zwischen uns. Als nun
Esther immer wieder von ihren Ferienerlebnissen auf der Alp
erzählte, machte mich das ganz schön neugierig. Dazu muss ich
sagen, dass ich die Schweizer Berge sehr liebe und alles, was
so kreucht und fleucht, mich brennend interessiert. (Lacht) Als
ich dann merkte, dass die Älplerin eine Fricktalerin aus meiner
ehemaligen Parallelklasse war, fragte ich sie, ob ich im Sommer
zu ihr auf die Alp kommen dürfe.
Hoppla! Wann waren Sie denn erstmals auf der Rindermatt?
(Überlegt) Hmmm … Das muss vor vier Jahren gewesen sein, ja,
2006. Ich war ganz schön aufgeregt, denn ich hatte Luzia gut
15 Jahre nicht mehr gesehen. Luzia stammt ursprünglich aus
Wil im Kanton Aargau. Nach der Detailhandelslehre und nach
kurzen Tätigkeiten im Verkauf – und später auf der Raiffeisenbank – absolvierte Luzia die Bäuerinnenschule. Dort traf sie auf
die Schwester ihres zukünftigen Mannes Kari. (Schmunzelt) Sie
können noch folgen?
Jaja, bis jetzt schon noch …
Und eben diese Schwester vermittelte Luzia eine Stelle auf dem
Weissenboden, bei Familie Gisler. Das erste Wochenende bei den
Gislers wird Luzia wohl niemals vergessen.
Weshalb denn das?
Die Wetterbedingungen am 7./8. Juli waren derart schlecht, es
schneite an diesen Tagen stark. Luzia kamen ziemlich schnell
Zweifel, ob dies der richtige Ort für sie sei, ausserdem plagte sie
bereits das Heimweh. Das Mueti Gisler hat sich jedoch lieb um
Luzia gekümmert … ja, und ein paar Monate später dann auch der
Kari, wenn Sie wissen, was ich meine.
Sicher doch. Spätere Heirat und so.
Gut, sehr gut kombiniert!
War ja auch extrem schwierig … Spontan: Was bleibt Ihnen als
erster Eindruck, von dieser Rindermatt?
Der beschwerliche Aufstieg, extrem schwierig zu erreichen.
Dann, als ich das Haus zum ersten Mal sah, wurde es mir
richtig warm ums Herz. Denn die Älplerin Luzia stand vor dem
Haus und winkte uns schon von weitem zu. Als wir die Hütte
erreicht hatten, wurden wir sehr herzlich empfangen und mit
einem Sirup für den strengen Aufstieg belohnt.
Die Rindermatt ist eine reine
Sommeralp, die nur während vier
bis fünf Wochen im Jahr bewirtschaftet wird. Der Grund dafür
ist die Boden- und Grasqualität.
Beschreiben Sie uns doch diese Alp!
Was man sicher wissen muss: Die Rindermatt ist eine reine
Sommeralp, die nur während vier bis fünf Wochen im Jahr
bewirtschaftet wird. Der Grund dafür ist die Boden- und Grasqualität. Damit die Alp auch in den kommenden Jahren genutzt
werden kann, ist es wichtig, dass sich der Boden wieder
regenerieren kann. Das heisst, die Alp braucht, salopp ausgedrückt, eine «Auszeit von den Kühen und Rindern».
Und jetzt in die Details, bitte.
Die Rindermatt ist schon seit 1977 im Besitz der Grossfamilie
Gisler. Kari, der Mann von Luzia, war eines von neun Kindern und
musste schon früh lernen, was Verantwortung übernehmen
heisst. Bereits in der 2. Klasse schaute er mit seinem Bruder
Hans nach den Rindern auf der Alp.
Und der Vater?
Sein Vater verliess am Morgen nach dem Melken die Hütte und
stieg hinab auf den Weissenboden. Das ist die zweite Alp der
Familie Gisler, zu Fuss in etwa 80 Minuten zu erreichen. Nun
54
waren die Buben auf sich selbst gestellt, denn der Vater kehrte
erst zum Melken am Abend zurück. Die Hütte wurde mit einem
offenen Feuer in der Küche beheizt. Jedes Kind hatte eine Kiste,
in der es seine Kleider und Habseligkeiten verstauen musste.
Eine Kiste?
Ja, die Kiste schützte vor hungrigen Mäusen und vor Nässe.
Bei starkem Regen wurde die Küche nämlich regelmässig
überschwemmt. Heute ist das Haus zum Glück wetterfest! Es
besteht aus einer kleinen Küche, der Käserei, einer Toilette und
dem Stall. Dieser Stall beherbergt zurzeit 22 Kühe und sieben
wirklich herzige Kälber. Direkt über dem Stall auf dem Dachboden befindet sich das Matratzenlager für die Gäste/Knechte und
in einem kleinen Zimmer schlafen Luzia und Kari. Gekocht wird
auf einem Herd, der mit Holz angefeuert werden muss. Darauf
hat es drei Herdplatten. Zwei davon sind permanent mit grossen
Wassertöpfen belegt.
Wozu denn das?
Das abgekochte, heisse Wasser wird zur Reinigung des Melkund Milchgeschirrs benötigt. Zusätzlich gibt es zwei Gaskochfelder. Die Küche wird übrigens immer noch mit Holz geheizt. Das
Wasser kommt von der nahgelegenen Quelle.
Duschen?
(Lacht) Nein! Eine Dusche gibt es auf der Rindermatt nicht … Bei
schönem Wetter – was jedoch selten der Fall ist -, habe ich
mich auch schon im See hinter dem Haus gewaschen. Ansonsten
müssen ein Waschlappen und die Zahnbürste zur Körperreinigung genügen. Der Strom für die Lampe und das Radio stammt
von einer Autobatterie. Das Radio wird jedoch nur eingeschaltet,
wenn die Wetterprognosen auf DRS1 gesendet werden. Dann allerdings hören alle gespannt zu, denn das Wetter in den Bergen
ist oft unberechenbar! Wenn es wie in diesem Jahr im Sommer
bis auf 2000 Meter hinunter schneit, sind die 22 Rinder, die die
Familie betreut, ja auch betroffen …
Nun also zu Ihrem Aufenthalt. Wie lange waren Sie
im vergangenen Sommer
oben?
Leider wie immer viel zu
kurz! Am 2. August bin
ich mit meiner Freundin
Manuela Kolb hinaufgekommen. Nach herrlichen,
beeindruckenden fünf Tagen kehrten wir bereits
wieder mit einem lachenden und einem weinenden
Auge nach Hause zurück.
Weil der Luxus fehlt, eine Dusche zum Beispiel?
(Energisch) Nein! Sicher nicht! Denn auch wenn es auf der
Alp keinen Luxus gibt, so hat das einfache Leben auf der Alp
durchaus seinen Reiz. Neben der Arbeit bleibt immer auch Zeit
für einen Jass oder ein Brändi-Dog, das ist eine Art «Eile mit
Weile» mit Jasskarten.
Eine Dusche gibt es auf der
Rindermatt nicht … Meist müssen
ein Waschlappen und die
Zahnbürste zur Körperreinigung
genügen.
Kenne ich, ich verliere meistens, aber ich habe Sie unterbrochen,
sorry …
Die gemeinsamen Mahlzeiten in der Küche sind für mich
stets besondere Momente. Das Essen wird immer mit viel Liebe
zubereitet und schmeckt wirklich einmalig gut. Sitzen zehn oder
mehr Personen am Tisch, geht es recht lustig zu und her. Dazu
habe ich ein gutes Beispiel: Wie jedes Jahr ist das Schnarchen
im Massenlager ein beliebtes Thema beim Mittagessen. Also
wird gefragt, wer denn letzte Nacht wieder so laut geschnarcht
hat. Schnell sind die Übeltäter gefunden: Gisela und natürlich
meine Wenigkeit. «Ja!», meinte ich, «ihr alle könnt froh
sein, dass ich nur geschnarcht habe, denn manchmal ticke ich
im Schlaf wie eine Bombe, wird wenigstens behauptet.» Da
fingen alle am Tisch an zu lachen und ich noch viel mehr. Alle
schauten mich fragend an. Daraufhin sagte ich: «Na, da muss
ich aufpassen, wenn ich das nächste Mal mit dem Flugzeug verreisen will, nicht dass mich die Flughafenpolizei entschärfen will
und den Flughafen räumen lässt ...» Natürlich hatte der Chef am
Tisch das letzte Wort, Kari: «Oje oje, die armen
Leute, das stelle ich mir echt schwer vor!»
Schnell eine Zwischenfrage: Die Rindermatt ist
nur während vier bis fünf Wochen pro Jahr
aktuell. Wo wohnen und arbeiten Ihre
ehemalige Schulkollegin und ihr Mann Kari
sonst?
Der jeweilige Wohnsitz richtet sich ganz nach
den zu erledigenden Arbeiten, dem Wetter und
den Bedürfnissen der Tiere. Die Gislers führen
einen Mehrstufenbetrieb mit vier «Heimete».
So sind sie in Bürgeln-Dorf, im Naien auf
1450 Meter, sowie auf dem auf 1800 Meter
hoch gelegenen Weissenboden – oder eben auf
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Sondern?
Zuerst musste ich der Kuh einen Klapps auf das Hinterteil
geben. Da ich wohl ziemlich verwirrt schaute, führte er erklärend
an: «Die Kuh mag es nicht, wenn du ihr einfach zwischen
die Beine greifst.» Einen Moment dachte ich über das Gesagte
nach und musste wirklich schmunzeln… Dann sagte ich zu Kari:
«Ja klar, das verstehe ich. Ich schätze es ja auch, wenn man
sich zuerst vorstellt und nicht einfach mit der Tür ins Haus
kracht.»
der Rindermatt zu Hause. In den Wintermonaten fährt Kari in den
Skigebieten mit den Pistenfahrzeugen und hilft verletzten Personen, bis die Rega eintrifft. Luzia fertigt aus Filz wunderschöne
Handarbeiten. Diese Handarbeiten werden an verschiedenen
Dorfmärkten verkauft.
Und was genau haben Sie auf der Rindermatt gemacht?
Auf der Rindermatt sind die Arbeiten sehr interessant und
abwechslungsreich. Immer am Abend wird besprochen, wer am
nächsten Morgen für das Melken und das Kühe eintreiben
verantwortlich ist. Ausserdem braucht es eine Person in der
Küche, die Wasser kocht, um das Milchgeschirr zu waschen. Um
06:30 Uhr ist Tagwacht, das heisst, die Kühe werden von der
Weide in den Stall gelotst. Jede Kuh hat eine blaue oder rote
Nummer am Gesäss und im Stall ihren festen Platz zum Melken.
22 Kühe suchen ihr Plätzli. Ist doch eine Herausforderung, nicht?
Ja sicher, bei 22 Kühen ist es schon eine Herausforderung, jede
Kuh an ihren Platz zu bringen.
Der Älpler Kari kennt jedes Tier
ganz genau. Keine Kuh ist wie
die andere. Das heisst, jedes Tier
wird individuell betreut.
Weshalb ist das denn so wichtig, jede Kuh an ihrem Platz?
Der Älpler Kari kennt jedes Tier ganz genau. Keine Kuh ist wie
die andere. Das heisst, jedes Tier wird individuell betreut. Glauben
Sie es oder auch nicht: So eine Kuh ist ein sehr sensibles Wesen.
In den Jahren zuvor hatte ich Gelegenheit, erste Erfahrungen
beim Melken zu machen. Damit die Kuh Milch geben kann, muss
sie mit der Hand «gehantelt» werden, das heisst, bevor Kari
oder Luzia die Melkmaschine bei der Kuh ansetzen kann, zieht
man mit zwei Fingern am Euter, bis ein wenig Milch kommt.
Bei meinen ersten Versuchen schaute der Chef recht kritisch zu
und meinte: «Manuela, du darfst nicht gleich mit dem Hanteln
beginnen.»
Was ist nach dem Melken? Oh Gott, das gibt ein längeres Interview,
aber interessant ist es ja, nicht bloss für einen Städter.
Und jene, die es nicht interessiert, sind gar nicht erst bis hier
gekommen (lacht). Nach dem Melken gibt es so um halb neun
Frühstück und den von mir schon heiss ersehnten Kaffee. Für
das Morgenessen nehmen wir uns immer viel Zeit. Es gibt
selbstgemachten Käse und selbstgemachte Butter. Das Brot
hingegen kommt von der Migros in Bürglen. Luzia kauft immer
mehrere Laiber vom Jowa-Ruchbrot, denn das ist über viele
Tage haltbar. Nach dem Frühstück wird das Vieh wieder auf die
Weide gebracht und der Stall sauber gemistet.
Und parallel dazu das Melkgerät gereinigt?
Ja, die Milchkannen und alle Melkutensilien werden zuerst kalt
mit der Waschbürste gewaschen. Danach richte ich ein Gefäss
mit 10 Liter kochendem Wasser und ungefähr 70 cl Calgonit. Die
Wassertemperatur muss mindestens 40 Grad betragen, damit
mögliche Keime absterben können. Luzia achtet peinlich genau
darauf, dass die Hygienevorschriften genau eingehalten werden,
denn ist das Milchgeschirr nicht wirklich sauber geputzt, so
stimmt nachher auch die Käsequalität nicht.
Stichwort Käse, «Chäse». Wie läuft das ab?
Jeden zweiten Tag ist Luzia mit dem Käsen beschäftigt. Die
frische Milch – zwischen vier- und fünfhundert Liter – wird in
einen grossen Kessel geleert. Unter dem «Chessi» hat es einen
Gasbrenner, dieser erhitzt die Milch auf 32 Grad. Danach wird
eine Flüssigkeit zur Milch gegeben, das Käselab. Dieses Lab
wird aus Kälbermagen synthetisch hergestellt und dient dazu,
gute Bakterien zu fördern und schlechte abzutöten. Das elektrische Rührwerk läuft nun während 30 Minuten. Danach stellt
Luzia das Rührwerk ab und schneidet die eingedickte Flüssigkeit
mit der Harfe in kleine Stücke. Die Harfe ist ein mit Drähten
bespanntes Werkzeug, das in jeder Käserei zum Einsatz kommt.
Mit dem Finger (lacht) schaut nun Luzia ob die Konsistenz im
Kessel stimmt.
Angenommen, die Konsistenz im Kessel stimmt, was kommt
danach?
Die sogenannte Vorkäsezeit. Ohne Hitze dauert sie 25-40 Minuten.
Danach wird dem angehenden Biokäse nochmals kräftig einge-
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heizt. Die Brenntemperatur beträgt 39-50 Grad. So, und jetzt
endlich kann auch ich wieder aktiv werden. Bei ca. 45-50 Grad
ziehen wir die Käsemasse aus dem Kessel, sofort kommt sie in
die Käseform, wo sie nach weiteren Arbeitsgängen – ich halte
mich jetzt kurz – ein kleines, rundes Netz mit Nummer bekommt.
So kann jederzeit nachgeschaut werden, woher der Käse stammt
oder zu welcher Zeit er gefertigt wurde.
Seit ich das erste Mal auf der
Rindermatt gewesen bin,
fasziniert mich das einfache
Leben auf der Alp.
Diese Ruhe und Geborgenheit
tut einfach gut.
Gibt es oft Besuch auf der Rindermatt?
Nein, denn diese Alp ist sehr abgelegen, aber auf jeden
Fall kommen einmal pro Alpzeit die Milchkontrolleure! Das ist in
unserem Fall ein Ehepaar, das Milchproben entnimmt, und zwar
am Abend und am darauffolgenden Morgen. Diese Kontrolle wird
genau nach Vorgabe durchgeführt. Wie in einem Labor wird jede
Probe etikettiert und im mitgebrachten Koffer sorgsam verstaut.
Ausserdem wird genau festgehalten, wie viel Milch die jeweilige
Kuh beim Melken produziert hat. Ausserdem schaut die
Milchkontrolle, ob die Hygienevorschriften eingehalten werden.
Wanderer sind in dieser abgelegenen Gegend hingegen eher eine
Seltenheit. In diesem Jahr allerdings hatten wir Besuch vom
Nachbarn, der Grund dafür war eine verletzte Kuh.
Stichwort Kühe, Rinder, Kälber. Ist eine Kuh wirklich «alles in einem»?
Ja, und dank der geduldigen Erklärung von Kari kann ich Ihnen
darüber genau Auskunft geben. Wenn eine Kuh kalbert, kommt
logischerweise ein Kalb zur Welt. Wenn das Kälbli ein Jahr alt
ist, nennt man es dann ein Rind. Das Rindli wird mit ungefähr
zwei Jahren «stierig», geschlechtsreif. Damit weiteres Leben
gezeugt werden kann, bekommt nun das Rindli Besuch vom
Muni. Oder vom Tierarzt … Wenn es klappt, ist das Tier genau
9 Monate und 14 Tage trächtig. Ist das Tier guter Hoffnung, ist
es nun offiziell eine Kuh. Alles klar?
Einigermassen … Danke für die Nachhilfe. Andere Frage: Was für
Käse wird auf der Rindermatt hergestellt, in welchen Mengen?
Dieser Alpkäse ist aus Rohmilch hergestellt, vollfett und natürlich … bio. Aus 100 Litern Milch gewinnt man acht Kilogramm
Käse. Pro Jahr produziert die Familie Gisler bis zu 2½ Tonnen
Käse.
Und wo wird er gereift und gelagert, wie lange – und Schluss aller
Ends wo verkauft? In der Migros Luzern als AdR, oder gar in der
Migros Aare?
Nein leider – noch? – nicht. Der Käse der Familie Gisler-Essig
wird bis zum jetzigen Zeitpunkt nur an Privatpersonen verkauft.
Luzia und Kari sind im Winter an verschiedenen Marktorten
anzutreffen, zum Beispiel am Weihnachtsmarkt in Möhlin. Dort
kennt man die Gislers und freut sich über den aromatischen
Käse und die feine Bratbutter, die ebenfalls mit viel Liebe
hergestellt wird. Und das Prozedere mit dem Heranreifen
behalte ich für mich, nicht bloss aus Platzgründen! Übrigens:
Gislers haben einen anerkannten Biobetrieb. In der Alpzeit
betreuen sie sogar drei Biokühe aus Kaisten im Fricktal.
Und 2011? Werden Sie auch wieder in die Innerschweiz fahren,
während Ihrer Ferien?
Ja das hoffe ich doch, ausser ...
Ausser?
Ausser, ich befände mich wieder in einer Weiterbildung, wie
damals im Sommer 2009: Ich stand damals kurz vor den
Abschlussprüfungen zur Detailhandelsspezialistin. Ansonsten
gibt es nichts, was mich davon abhalten könnte, wieder auf die
Alp zu gehen! Seit ich das erste Mal auf der Rindermatt gewesen
bin, fasziniert mich das einfache Leben auf der Alp. Diese Ruhe
und Geborgenheit tut einfach gut: Kein Fernseher, keine Zeitung,
kein Telefon, das klingelt, dafür ehrliche, sinnvolle Arbeiten,
wie zum Beispiel das «Chessi»-Putzen oder das Stallausmisten
am Abend, nota bene, mit der Stirnlampe auf dem Kopf, damit
der Stall auch sauber wird. Bei dieser Arbeit lasse ich dann so
richtig meine Seele baumeln.
57
Familie
Fahrni
"Wir mussten im
KZ
Buchenwald
..
Ubernachten."
58
Dieter Fahrni
Technischer Dienst,
Schönbühl
Dieter Fahrni, Sie sind in der ehemaligen DDR geboren. Erzählen Sie
uns doch die Vorgeschichte dazu.
Ich werde es versuchen: Die Familie meines Vaters ist in
den dreissiger Jahren aus der Schweiz ausgewandert. Das heisst:
Mein Grossvater und meine Grossmutter mit ihren Kindern. Eines
dieser Kinder war mein Vater.
Was war der Grund für das Auswandern?
In den Dreissigern war es schwierig, in der Schweiz eine Arbeit
zu finden. Mein Vater und seine Brüder waren grösstenteils
Knechte – «Chnächte» – und die Familie sah keine Zukunft
hierzulande, also ist sie nach Deutschland ausgewandert, und
zwar in ein Gebiet nahe der damaligen polnischen Grenze.
Mit der Bahn?
Nein. Mit Ochsenkarren sind meine Grosseltern und ihre
zwölf Kinder (!) nach Danzig ausgewandert, das heute zwar in
Polen liegt – bekannt wurde es in den Achtzigern durch
die Gründung der «Solidarnosc» rund um den damaligen
Werftarbeiter und späteren polnischen Staatspräsidenten
Lech Walesa -, damals aber noch zu Deutschland gehörte.
Was haben Sie damit angestellt?
Wir haben alles mit nach Hause genommen, die Pistole haben
wir unserem Vater abgegeben, aber die Munition haben wir
zerlegt und das Schwarzpulver umgeschüttet. Die volle Patrone
haben wir dann aus sicherer Entfernung mit Steinen beworfen,
bis es geknallt hat. (Lacht) Zugegeben, so ganz vernünftig war
das sicher nicht. Aber wir haben noch anderes angestellt.
Dort gab es Arbeit?
Ja, in jener Gegend gab es damals grosse Gutsbetriebe,
Ländereien, wo gute Melker gesucht waren, denn zu jener Zeit
gab es ja noch keine Melkmaschinen (schmunzelt). Mein Vater
war denn auch dort kein Knecht mehr, sondern ein anerkannter
«Melkmeister». Meine Grosseltern zogen aber von einem Ort
zum anderen, bis sie dann in Sachsen sesshaft wurden, wo mein
Grossvater ein Gehilfengut geleitet hat.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel? Wir hatten über 300 Kühe, die jeden Tag gemolken
werden mussten, von Hand! Unsere Eltern haben jeweils um
04:00 Uhr damit begonnen. Da können Sie sich vorstellen, wie
gross die Stallungen waren. Und über diesen Stallungen, da gab
es grosse Heu- und Strohlager. Von den Dachgiebeln sind
wir jeweils ins Heu gesprungen, aus weit über fünf Meter Höhe,
haben dabei allerhand Kapriolen gemacht. Ein Wunder, ist dabei
nichts passiert. Und durch die Strohballen haben wir eigentliche
Geheimstrassen gemacht, richtige Labyrinthe. Zu allem dazu
haben wir dann in diesen Verstecken noch Kerzen in der Dunkelheit angezündet. Nicht auszudenken, was dabei hätte passieren
können... (Das scheint Dieter Fahrni erst bei diesem Gespräch so
richtig bewusst zu werden – Anmerkung des Fragenden.)
Und in Deutschland hat Ihr Vater auch Ihre Mutter kennengelernt?
Ja, meine Mutter war eine Deutsche. Meine Geschwister und ich
sind in Wilthen geboren, in Sachsen.
In welcher Reihenfolge genau?
Elisabeth 1945, Klaus 1946, Christian 1948, ich selber 1949,
Peter als Nachzügler 1960.
Welches sind denn die frühesten Erinnerungen, die Sie selber an
diese Zeit haben? Ich meine, das war kurz nach dem Krieg, in einem
Gebiet, das von der Sowjetunion besetzt war, korrekt?
(Spontan) Wir haben eine tolle Kindheit verbracht, das ist sicher!
Schnell eine Zwischenfrage, da Sie Berndeutsch sprechen. Haben
Sie als Kind zu Hause auch Dialekt gesprochen?
(Schmunzelt) Nein, im wahrsten Sinne des Wortes: Unsere
Muttersprache war/ist Sächsisch, mit Dialekt aus der
Oberlausitz (Dieter Fahrni spricht das auch entsprechend aus).
Und da fällt mir noch etwas ein, zu unserer Schulzeit.
Wie meinen Sie das?
Wir haben unsere halbe Kindheit im Wald verbracht, haben dort
gespielt, in Bächen mit den Händen (lacht) gefischt – und von
Zeit zu Zeit sogar etwas gefangen! –, wir hatten damals alle
Freiheiten, die Kinder nur haben können. Und einmal, da haben
wir sogar vergessene Kriegsmunition gefunden, samt einer
Pistole.
Ich bitte darum…
Die DDR-Schülerinnen und -Schüler mussten unterschreiben,
dass sie zu Hause kein West-Radio hören. Als Schweizer
mussten wir da keine Unterschrift leisten und zu Hause haben
wir ab und zu West-Berlin gehört, der Sender hiess… (überlegt
kurz) «Deutscher Freiheitssender 904»! Ganz klar, dass unsere
Klassenkameraden von uns immer wissen wollten, wie es denn
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im Westen «so» sei, da wir ja jedes Jahr in die Schweiz in
die Ferien fahren konnten. Wenn wir jeweils wieder in der DDR
zurück waren, haben wir den Kindern Schoggi mitgebracht, das
kannten sie damals nicht.
War der grosse Guts…
(Unterbricht die Frage) Mir kommt noch etwas in den Sinn!
Bitte!
Der Besitzer des Gutsbetriebs wohnte in einer Art Villa auch auf
dem Grundstück. Er war vermögend und hatte – das wussten wir
Buben – Beziehungen zum Westen. Er hatte auch einen grossen
Hühnerstall. Dort haben wir ihm jeweils Eier geklaut und sie ihm
gebracht, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen …
Wenn wir jeweils wieder in der
DDR zurück waren, haben wir
den Kindern Schoggi mitgebracht,
das kannten sie damals nicht.
Nämlich?
(Lacht) Wir sagten ihm jeweils, wir hätten diese Eier irgendwo
auf dem Hof gefunden. Er bedankte sich und gab uns dafür
Kaugummi – Wrigleys-Plättchen, wie man sie noch heute kaufen
kann -, dabei war das ja gelogen …
Pfui, pfui … Sagen Sie, war der grosse Gutsbetrieb Ihrer Eltern, die
dort angestellt waren, ausserhalb des Ortes?
Nein! Mitten drin, gleich gegenüber findet sich noch heute
die berühmte Produktionsstätte des Wilthener Weinbrandes.
Die Wilthener Goldkrone ist die in Deutschland am meisten
verkaufte Spirituose. Die Käufer der Goldkrone sind überwiegend
Deutsche aus früheren Ostgebieten. Das mag auch daran liegen,
dass die Wilthener Goldkrone zu DDR-Zeiten eines der beliebtesten Produkte im Osten war. Aber wir Buben haben nie einen
Abstecher dorthin gemacht. Apropos Buben: Unsere Schwester,
die Älteste von uns Geschwistern, hatte es nicht leicht mit uns
Buben, ständig haben wir sie gehänselt und geplagt …
Stichwort «ältere Schwester»: Was erzählt denn Elisabeth über
diese Zeit, da sie noch einiges mehr als Sie erlebt hat?
(Lacht) Ich bin doch nicht der Pressesprecher unserer Familie!
Am besten fragen Sie Elisabeth gleich selber, so kommt das
unverfälscht rüber.
Das mache ich sehr gerne. (Ab jetzt findet das Gespräch mit
Elisabeth Jenni-Fahrni statt, mit Dieter Fahrni werden wir uns
später nochmals unterhalten.) Elisabeth Jenni, soeben hat uns
Dieter erzählt, wie es dazu gekommen ist, dass Sie in der späteren
DDR geboren wurden. Was bleibt Ihnen von Ihrer Kindheit in den
Fünfzigern in Erinnerung?
Womit soll ich beginnen? Ich könnte Ihnen einen ganzen Nachmittag lang über jene Zeit erzählen, ohne dass Sie die Hälfte
wüssten …
Dann mache ich den Versuch, durch das Gespräch zu führen. Reden
wir zuerst über Ihre Schulzeit …
Ich habe alle acht Schuljahre in Wilthen absolviert. Jeden
Morgen gab es da den Appell, obligatorisch.
Was muss man sich darunter vorstellen?
Der Schulleiter ist jeden Morgen zu uns gekommen und wir
Kinder mussten uns in einer Art grossem U um ihn aufstellen. Er
rief: «Junge Pioniere, seid bereit!» Wir mussten dann zackig, mit
erhobenem Arm zurückrufen: «Immer bereit!»
Die politische Indoktrination fand also bereits in der Schule statt?
Ja, und sie war total. Das fing ja bereits mit der «Freien
Deutschen Jugend» an, denn die Leute in der DDR waren alles
andere als frei. So war es zum Beispiel auch selbstverständlich
– nein, es war Pflicht! – als Kind der FDJ beizutreten, der
«Freien Deutschen Jugend». Oder den «Jungen Pionieren», die
beide unter den Fittichen des Staates standen. Überhaupt wurde
in der DDR extrem Wert auf Kultur und Sport gelegt.
Was im Sport zu den bekannten Auswüchsen im Bereich des
systematischen und staatlich geförderten Dopings führte.
Ja, die erfolgreichen Sportler waren für den Staat auch
gewissermassen Devisengaranten. Verrückt, nicht? Die Partei, die
SED …
Die Sozialistische Einheits Partei, weil es ja nur diese im Arbeiterund Bauernstaat gab …
… ja, die SED hat das mit den Kindern und Jugendlichen ganz
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raffiniert gemacht, auf die Spielerische. So hatte man seine
Zöglinge und späteren DDR-Bürger jederzeit im Griff und unter
Kontrolle.
Und Sie mussten diese Art von Erziehungslager mitmachen?
Ja, aber eher passiv. Mein Vater sagte uns immer, wir seien
schliesslich Schweizer und keine DDR-Bürger. Er hatte vermutlich auch Angst davor, dass wir plötzlich die Schweizer Staatsbürgerschaft verlieren könnten, wenn wir da an vorderster Front
mitmarschiert wären.
Apropos Schweizer Staatsbürgerschaft. Was hatten Sie für ein Verhältnis zur Schweiz, als Auslandschweizer?
Dank der Pro Juventute konnten wir Kinder jedes Jahr in die
Schweiz reisen, zu Verwandten oder zu uns fremden Familien, die
bereit waren, ein Ferienkind aufzunehmen. Abfahrt war immer
mit dem Zug in Berlin. Wir Kinder trugen grosse farbige
Namentafeln um den Hals, damit man uns als Schweizer Kinder
identifizieren konnte.
Hatte Ihre Familie in der DDR denn Vorteile, als Schweizer?
Wir waren sicher nicht benachteiligt, dass wir auch über
Franken und Rappen verfügten, die in der DDR unbezahlbar
waren. Nein, Nachteile hatten wir keine. (Spontan) Da kommt mir
gerade in den Sinn, dass Auslandschweizer zu Weihnachten
immer ein «Liebespäckli» aus der Heimat erhielten, mit Guetzli,
mit Schoggi und anderen Köstlichkeiten, die man in der DDR
schlicht nicht kannte. Damit konnten wir jeweils «Ware gegen
Ware» mit Deutschen tauschen.
Ja, wir waren dort zu Besuch
und die Gräuel der Nazis wurden
uns schonungslos offenbart, in
Details mag ich gar nicht gehen.
Was ist Ihnen sonst aus Ihrer Jugend in Erinnerung geblieben?
Die schrecklichen Kriegsfilme, die wir uns regelmässig anschauen mussten. Es war Pflicht für uns Schülerinnen und
Schüler.
Was genau für Filme?
Es lief immer nach dem gleichen Schema ab: Der Westen ist
böse, der Osten gut. Die Alliierten waren Kapitalisten, vor allem
Imperialisten, schlecht, die Sowjets mit ihren Verbündeten
Helden. Der Horror des Krieges wurde uns ständig auf brutalste
Weise vor Augen geführt, immer mit den Sowjets und Stalin als
Helden, dabei weiss man ja, was Joseph Stalin in der Sowjet-
union angerichtet hat. Die Propaganda war total, der Hass auf
den Westen wurde ständig geschürt. Auch der heldenhafte Kampf
von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Berlin wurde immer
wieder glorifiziert.
Wie reagiert man als Mädchen auf all das?
Zweimal konnte ich einfach nicht mehr, ich bin frühzeitig aus
dem Kino gelaufen. Mein Lehrer hat mich deshalb getadelt – und
nachsitzen musste ich zur Strafe auch. Das Schlimmste aber war
der Besuch in Buchenwald.
Im ehemaligen Konzentrationslager?
Ja, wir waren dort zu Besuch und die Gräuel der Nazis wurden
uns schonungslos offenbart, in Details mag ich gar nicht gehen,
wir mussten sogar in Buchenwald übernachten.
Wie sind Ihre Eltern damit umgegangen?
Wir wussten natürlich, dass es im Westen nicht so schlimm war
wie in der DDR indoktriniert, das half viel. Aber natürlich
musste man aufpassen, dass man das nicht öffentlich sagte. Vor
allem mein Grossvater hatte damit Mühe.
Inwiefern?
Die sowjetischen Truppen – die «heldenhaften Befreier der DDR»
– waren überall. Wir hatten auf unserem Hof die Schweizer
Fahne gehisst, und die sowjetischen Offiziere meinten zu uns
immer «Schweiz gut Kamerad!». Kommt mir übrigens in den
Sinn: Die Schweizer Fahne hatte noch eine andere Bedeutung.
Nämlich?
Viele Leute haben sie mit der Fahne des Roten Kreuzes verwechselt, was dazu führte, dass wir auch Anlaufstelle für Kranke und
Hungernde waren. Es war unglaublich, dieses Elend: Viele
Flüchtlinge haben auf unserem Hof das Hühnerfutter gegessen,
so gross war ihr Hunger. Zu jener Zeit gab es ganze Flüchtlingsströme, weil die Sowjets ganze Landschaften umgesiedelt
haben, die Vertriebenen aus Schlesien sind nur eine Bevölkerungsgruppe.
Zurück zu den sowjetischen Offizieren. Weshalb waren die denn bei
Ihnen?
Die sowjetischen Offiziere aus der Gegend assen bei uns, auf
Geheiss der Verwaltung, da wurde man gar nicht erst gefragt.
Mehr noch: Man «besetzte» unseren grossen Hof ganz einfach,
liess uns aber immerhin gewähren. Die meisten Offiziere waren
hochanständig, begannen mit dem Essen immer erst nach uns.
Ich weiss allerdings nicht, ob aus Höflichkeit oder ob sie Angst
hatten, das Essen könnte vergiftet sein … Speziell mit einem
Offizier hatte mein Grossvater jedoch Mühe, konnte sich nicht
zurückhalten, ging immer wieder auf Konfrontation mit ihm und
wurde dafür auch bestraft, indem der Russe ihn einmal mit den
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Stiefeln traktierte, um ihn zur «Vernunft» zu bringen. Meine
Grossmutter erzählte uns, schliesslich sei mein Grossvater an
inneren Verletzungen gestorben, aber auch das durfte man nicht
aussprechen. Den besagten Offizier haben wir danach nie mehr
gesehen. Und meine Grossmutter ist nach dem Tod unseres
Grossvaters 1945 wieder in die Schweiz zurückgekehrt.
Haben Sie eigentlich eine Ausbildung gemacht, nach der Schule?
Ich wollte Schneiderin lernen, aber das wurde mir verwehrt, weil
wir Christen und nicht in der SED waren, aus den bereits
erwähnten Gründen. Also haben die Sowjets kurzerhand «Njet!»
gesagt, worauf ich in einer Weberei zu arbeiten begann. Meine
Lehre als «Glattweber» beendete ich dort als Drittbeste von
150 Lernenden, ich bekam dafür eine Bronzemedaille, die
ich noch heute habe. Dort, in dieser Fabrik, hätte ich bestimmt
meinen Weg machen können, wäre nicht dieser schicksalhafte
Tag gekommen.
Der 13. August 1961?
Ja, und damit der Beginn des Mauerbaus in Berlin. Das war der
Wendepunkt für unsere Familie. Als Deutsche wusste unsere
Mutter, dass damit auch die letzten Freiheiten im Waren- und
Personenverkehr zugemauert wurden. Von diesem Tag an ging es
nur noch darum, in die Schweiz zurückzukehren.
Was dann offenbar auch geschehen ist.
Ja, aber nicht wie Sie sich das vielleicht vorstellen, alle
zusammen mit dem ganzen Haushalt.
Sondern?
Klaus war zu jener Zeit bereits in der Schweiz, in der Nähe von
Zürich, in Ausbildung. Unser Vater, Dieter, Peter – damals erst
1½ jährig – und ich sind mit der Bahn nach Basel gereist, unter
Obhut des Roten Kreuzes. Mit Peter bin ich zu meiner 1945 in die
Heimat zurückgekehrten Grossmutter nach Yverdon …
… wo man Französisch spricht …
Genau, und ich konnte kein Französisch, wir besassen nichts,
kein Geld, gar nichts, ich habe diese Zeit in sehr schlechter
Erinnerung. Wissen Sie, dadurch, dass uns die DDR-Behörden in
die Schweiz ziehen lassen mussten, haben sie uns schikaniert,
wo es nur ging. Vor allem Devisen durften wir nicht zurücknehmen, die mussten wir bei unseren Verwandten in der DDR
zurücklassen. Es hiess: «Sie wollen ja die DDR verlassen, also
schauen Sie selber, wie Sie im Westen zurechtkommen …»
Wohin sind Ihr Vater und Dieter?
Ein Verwandter hatte gesehen, dass in Fraubrunnen auf einem
Bauernhof eine Stelle als Melker frei war, bei einer Familie
Marti. Mein Ätti und Dieter sind dann direkt dorthin, während
meine Mutter mit Christian erst einige Monate später kam.
Weshalb das?
Sie kümmerte sich um den ganzen Umzug, und das dauerte
seine Zeit. Vieles musste sie in Wilthen zurücklassen, wurde
schikaniert und durfte nur das Notwendigste mitnehmen. Immerhin: Als sie mit Christian in Fraubrunnen eintraf, 1962, da zügelten wir alle dorthin, so dass unsere Familie erstmals seit
Langem wieder zusammen war, wir konnten im Stöckli wohnen.
Übrigens (lacht): Herr Marti wurde später einmal der Schwiegervater eines gewissen Adolf Ogi …
Wissen Sie, dadurch, dass uns
die DDR-Behörden in die Schweiz
ziehen lassen mussten, haben sie
uns schikaniert, wo es nur ging.
Dieter Fahrni, Sie haben mir gesagt, dass der Bericht über Ihre Zeit
in der DDR Ihre Geschwister und Sie «berührt» hat. Weshalb?
Wissen Sie, dieser Bericht in der «aare-info» hat dazu geführt,
dass wir wieder über gemeinsam Erlebtes diskutiert haben, denn
nicht alle Fahrnis haben alle Einzelheiten unserer Jugend in
Erinnerung. Beim Erzählen und beim Lesen haben wir uns dann
plötzlich an «dieses oder jenes» erinnert, ein Wort ergab das
andere. Deshalb haben wir uns so über das Gespräch vor allem
mit Elisabeth gefreut.
Sie waren und sind in der Tat eine aussergewöhnliche Familie, nicht
bloss auf Grund der Tatsache, dass alle Fahrni-Geschwister bei der
Migros arbeiten, resp. gearbeitet haben, bis zu ihrer Pensionierung,
aber darauf werden wir noch zu sprechen kommen.
Ja, da haben Sie recht, wir sind wohl wirklich keine durchschnittliche Schweizer Familie. Daran ist unsere Familiengeschichte schuld, mit unserer Jugend in Wilthen in der
ehemaligen DDR, aber vor allem unsere Heimreise in die Schweiz
1962 hat uns geprägt.
Weshalb?
Wie Sie wissen, sind wir nicht «en famille» zurückgereist. Klaus
war ja bereits in Ausbildung, in Dübendorf, mein Vater ist mit
Klein-Peter – war er damals! –, mit Elisabeth und mit mir nach
Basel gereist, von wo aus Elisabeth und Peter nach Yverdon zu
Verwandten gegangen sind, Vater und ich nach Fraubrunnen.
Unsere Mutter und Christian kamen dann erst einige Monate
später, weil sie den Haushalt auflösen mussten. Vor allem diese
Zeit des Getrennt-sein-Müssens hat ihre Spuren hinterlassen,
entsprechend gross war unsere Freude, als wir alle gemeinsam
dann ins Stöckli der Familie Marti einziehen konnten, endlich
waren wir wieder eine grosse Familie. Diese Freude (diese
62
Freude zeigt sich beim Erzählen in seinen Augen), dieser
Zusammenhalt klingt noch heute nach …
Ich gehe den berühmten Schritt weiter und behaupte, diesen
Zusammenhalt sehe man selbst auf der Foto, wo Sie alle zu sehen
sind.
Ja, das ist wohl so. Übrigens kommt mir – da wir miteinander
reden – etwas in den Sinn, noch zur DDR.
Nämlich?
Fragen Sie mich nicht, weshalb mir das gerade jetzt einfällt.
Aber ich erinnere mich, dass man seinerzeit bei Schuleintritt
automatisch auf die Warteliste für einen Trabi gesetzt wurde,
da die Wartezeit zwischen Bestellung und Auslieferung bis zu
26 Jahren dauerte. Das muss man sich vorstellen! Das führte
dazu, dass auch ein mehrere Jahre alter Wagen auf dem
Gebrauchtmarkt noch zum Neupreis wiederverkauft werden
konnte …
Unvorstellbar, stimmt. Dennoch schliessen wir das Kapitel DDR
hiermit ab. Stichwort 1962: Die Fahrnis wohnen in Fraubrunnen,
gehen zur Schule, absolvieren ihre Ausbildungen und kommen
nadisna zur Migros, auch das ist ja ungewöhnlich …
Und zum Teil haben wir ja auch unsere Frauen in der Migros …
Pssst, nicht vorgreifen! Eines schön nach dem anderen. Wer unter
Ihnen war der Erste in der Migros in Schönbühl?
(Mit sichtlichem Stolz) Ich! Seit 1976.
Aha. Und wie kam es dazu?
Ich habe von 1967 bis 1969 meine Ausbildung als Käser
gemacht, in Ersigen und in Bannwil. Ein Jahr lang war ich dann
Salzer.
Salzer?
Ja, Salzer. Vornehmer könnte man das «Käsepfleger» nennen.
Ich habe in jener Zeit aber bereits Probleme mit meinem Rücken
bekommen, ausserdem war ich es leid, auch an Sonntagen
arbeiten zu müssen, währenddem meine Brüder ausschlafen
konnten …
Was haben Sie in den Jahren bis 1976 gemacht?
Vieles! Ich habe eine Zusatzausbildung bei der Elco gemacht –
Ölfeuerungen –, habe Zeitungen vertragen, bei einem Sattler
gearbeitet und noch einiges mehr.
Womit wir uns 1976 nähern. Wie kam der Kontakt zur Migros
zustande?
Die Schwester meiner Frau ist die Frau von Rolf Humbel, der
lange Zeit in Schönbühl im Technischen Dienst gearbeitet hat
und 2003 pensioniert wurde. Rolf Humbel hat mir einmal
gesagt, ich solle doch einmal
bei der Migros «cho luege»,
einfach so. Was ich dann auch
getan habe.
Bei wem?
An einem Samstag bin ich zu
Hans Minder, der den Direktionsbereich Betrieb geleitet hat,
der hat mich dann an Beno
Gilardoni verwiesen. Ich musste
einen Fragebogen ausfüllen, da
stand sinngemäss unter anderem «Haben Sie finanzielle
Probleme?». Da habe ich geschrieben: «Ja, aber nur, wenn
ich die Stelle nicht bekomme.»
(Lacht laut) Aber den Job habe
ich bekommen, im Verlad. Dort
bin ich jetzt, seit 33 Jahren.
Zwischenfrage, Stichwort Ehefrau Marianne, die ja auch in der
Migros Schönbühl arbeitet. Haben Sie sie auch hier kennengelernt?
Nein. Marianne war mein Schulschatz, seit 1963. Ich erinnere
mich noch gut, wie ich sie jeweils nach Hause begleitet und
ihre Schultasche getragen habe. Wir haben 1978 geheiratet,
Marianne arbeitet aber erst seit knapp 15 Jahren im Reinigungsdienst in Schönbühl. Mit ihr bin ich übrigens einige Male in
die DDR gefahren, um ihr Wilthen und Umgebung zu zeigen,
samt aller Schikanen der DDR-Behörden, angefangen beim
Zwangsumtausch bis hin zu den kontrollierten Fahrzeiten auf der
Interzonen-Autobahn …
Ich erinnere mich, dass man
seinerzeit bei Schuleintritt
automatisch auf die Warteliste
für einen Trabi gesetzt wurde.
Oups, die DDR möchten wir der Geschichte überlassen … Zurück in
die Schweiz, nach Schönbühl. Wer war in der Fahrni-Familie
Nummer 2 in Schönbühl?
Christian, der ja erst kürzlich und auf eigenen Wunsch frühzeitig
pensioniert wurde. Er hat Metzger gelernt, war dann bei Hofer in
Utzenstorf Bankmetzger, bis ich ihm 1978 vorgeschlagen habe,
sich doch auch bei uns zu melden («Chumm doch o!»), was er
getan hat. Er hat von Anfang an in der Metzgerei im Shoppyland
gearbeitet, bis zu seiner Pension.
63
Ich rate mal, Klaus war dann der Dritte im Migros-Bunde?
Gut geraten.
Das war ja auch nicht besonders schwierig …
Er hat Schlosser gelernt. Fragen Sie mich nicht mehr, unter
welchen Umständen genau Christian und ich ihm vorgeschlagen
haben, doch auch in die Migros zu kommen. Sicher ist einzig,
dass dies 1979 der Fall war. Vor wenigen Wochen hat er deshalb
sein «Dreissigstes» in Schönbühl gefeiert, im Technischen
Dienst. Bei gleicher Gelegenheit hat er auch sein Pensionsalter
erreicht.
Wenn ich mich nicht irre, ist er
sogar einmal «schwarz» über
die amerikanische Grenze nach
Kanada.
Wie auch Elisabeth pensioniert ist.
Ja, wobei Sie mit dieser Bemerkung die Reihung durcheinander
bringen..
Typisch ich. Aber bleiben wir dabei.
Elisabeth ist 1987 in die Migros eingetreten. Sie hat zuerst beim
legendären Hans Bösiger in Burgdorf gearbeitet, in der
Gourmessa, später hat sie die Gourmessa in Konolfingen geleitet,
bis sie ins Zentrum Oberland ging. Letztes Jahr wurde sie dann
pensioniert.
Wenn wir schon von Pensionierung reden, Sie sind 60. Noch drei
Jahre?
(Strahlt übers ganze Gesicht) Wenn es sich irgendwie machen
lässt, nein, ich möchte auch vorher in Pension, ähnlich wie
Christian.
Womit noch Peter verbleibt, der in der Internen Post arbeitet.
Genau. Unser Jüngster (schmunzelt) ist seit 1981 bei der Migros
in Schönbühl, viele kennen ihn noch heute als ehemaligen
Gärtner im Shoppyland, einmal wurde er in der M-INFO sogar
«Mister Migros Bern». Vorher hat er alles Mögliche – und vor
allem Unmögliche … – gemacht, war mehrmals in Amerika, ist
herumgereist und, wenn ich mich nicht irre, sogar einmal
«schwarz» über die amerikanische Grenze nach Kanada.
Wie geht denn das?
Da war was mit seinem Pass, entweder abgelaufen oder verloren
oder «vernuuschet», ich weiss es nicht mehr genau, sicher ist
bloss, dass er ohne Pass an der Grenze eingelaufen ist und
Schiss hatte, man würde ihn verhaften. Wie Peter uns erzählt
hat, war der Zöllner in jenem Moment aber gerade mit
Wichtigerem beschäftigt, nämlich mit dem Schälen einer Orange,
so dass er ihn – ohne gross aufzuschauen – passieren liess.
Haben wir damals gelacht, als er uns das erzählt hat.
Vor der Internen Post, da war Pesche aber im «Aussendienst» des
Shoppy, nicht wahr?
Ja, er hat meines Wissens auch noch direkt oder indirekt mit
der Legende «Beat Vögeli» zusammengearbeitet, dem
unvergesslichen und tipptopp jodelnden «Wägeli-Maa» im
Shoppyland.
Jaja, der aber auch noch andere Seiten als bloss die Jodelnde
hatte …
Stimmt. Dem Beat hat es nichts ausgemacht – wenn er mal
schlecht gelaunt war -, Kundinnen mit den Wägeli in voller
Absicht in den Allerwertesten zu fahren und sie dann mit
«Chasch nid ufpasse, du Chue?» anzuschreien. Weil der Mann
aber ein Stadtbekannter war und man ihn mit allen Macken
kannte, wurde ihm das üblicherweise verziehen. Von Zeit zu Zeit
wurde er jedoch in die Personalabteilung zitiert, wo er jeweils
einen gewaltigen ZS bekam, so dass er in dieser Beziehung über
mehrere Monate Ruhe gab …
Nun, das wäre es dann, zum Status quo Ihrer Familie. Oder haben Sie
noch anderes in der Wundertüte?
Zur Familie, wenn Sie so wollen, gehört auch Peters Frau Ruth,
die er in der Migros kennengelernt hat und heute in der Migros
Burgdorf arbeitet.
Ich fass es nicht …
Darf ich noch was sagen, mir ist gerade etwas eingefallen.
Ich bitte darum.
Sie haben uns doch zu Beginn als aussergewöhnliche Familie
bezeichnet. Erstaunt also, dass Marianne und ich Drillinge
haben, eineiige, die kürzlich 30 wurden? Das Aussergewöhnliche
hat Tradition, bei Fahrnis.
"Wenn Sie
die Backen
aufblasen,
wird
der Baum
..
machtiger!"
Daria
..
Fluckiger
64
65
Daria Flückiger
Melectronics,
Oftringen
Daria Flückiger, gehen wir gleich zur Sache: Sie möchten die
Gebärdensprache studieren. Wie kommen Sie dazu?
Auf diese Ausbildung bin ich aufmerksam geworden, weil mich
die Gebärdensprache an sich fasziniert. Als ich einmal einen
Kurs besuchte, wurde ich vom Kursleiter darüber informiert,
dass es einen Studiengang als Gebärdensprachdolmetscher gibt:
Also habe ich mich über das Ganze erkundigt.
Mit welchem Resultat?
Ich war von jenem Moment an überzeugt, dass «es» das ist,
was ich zukünftig machen möchte.
Gab es dazu ein spezielles Erlebnis?
Ja, vor ungefähr zwei Jahren habe ich im Tram zwei Gehörlose
beobachtet, wie sie sich mit den Händen unterhielten, selbstverständlich mit dem stummen Bewegen ihrer Lippen und der
dazugehörenden Mimik.
Auf diese Ausbildung bin ich
aufmerksam geworden, weil
mich die Gebärdensprache an
sich fasziniert.
Das allein ist ja noch nichts Aussergewöhnliches, wir alle kennen
diese Art sich auszudrücken, auch vom Fernsehen her. Bevor wir
weiterfahren, einige grundsätzliche Fragen. Früher hiess es, jemand
sei taubstumm und kommuniziere in der Taubstummensprache.
Diese Ausdrücke hört man nicht mehr, man spricht von Gehörlosen,
interessanterweise aber nicht von der Gehörlosen-, sondern von der
Gebärdensprache. Weshalb diese Entwicklung?
Man hat das neu definiert, nicht bloss medizinisch, denn wer
taub ist, kann dies auch nur auf einem Ohr sein. Will heissen: Er
hört dennoch. Gehörlose wiederum sind nicht automatisch
stumm, sie können die Lautsprache trotzdem lernen. Deshalb
sprechen wird heute von Gehörlosen. Es sind übrigens nicht nur
Gehörlose, die diese Sprache benutzen.
Sondern?
Beim Tauchen wird auch über die Gebärdensprache kommuniziert. Säuglinge haben ja auch ihre Art von Handzeichen, mit
denen sie sich ausdrücken.
Weshalb der Wunsch, die Gebärdensprache zu erlernen?
Mich hat diese Art der Verständigung fasziniert. Seit ich
in Oftringen arbeite, hatte ich einige Male mit gehörlosen
Kunden zu tun. In mir wuchs der Wunsch, «ihre» Sprache zu
lernen.
Und das geht dann einfach
so?
(Lacht) Nein, schon nicht
ganz. Um die Sprache zu
studieren, muss man die
Berufsmatur II im Sack
haben, das ist eine der
Bedingungen.
Und die anderen Voraussetzungen?
Um das eigentliche Studium beginnen zu können,
muss man die Gebärdensprache
beherrschen.
Dafür muss ich noch einige Sprachkurse besuchen
bis zum Antritt des Studiums. Es erwartet mich
auch eine Aufnahmeprüfung, natürlich auf der Gebärdensprache basierend.
Wo werden Sie die Sprache erlernen?
Das Studium für Gebärdensprachdolmetscher werde ich in
Zürich absolvieren. Diese Ausbildung dauert vier Jahre. Ich
werde in dieser Zeit zwei Tage die Woche zur Schule gehen.
Nach Abschluss des Lehrgangs werde ich eine Gebärdensprachdolmetscherin sein.
Womit befasst sich dieser Beruf?
Ich könnte danach für verschiedene Dinge «gebucht» werden
(lacht) – «gebucht», ein komisches Wort, nicht? -, sei es, um
Gespräche zwischen Hörenden und Gehörlosen zu übersetzen
oder gar an einem Event mit gehörlosen Zuschauern die
Reden simultan zu übersetzen. Es gibt diverse Firmen, die
Dolmetscher vermitteln, so wie sie das auch für Dolmetscher für
die chinesische Sprache tun.
Ist die Gebärdensprache denn international, gibt es weltweit nur
eine?
(Schmunzelt) Das denken und fragen viele Leute! Nein überhaupt
nicht. Jedes Land pflegt eine andere Sprache. Aber nicht nur das:
Es gibt sogar verschiedene Dialekte, wie bei normalen Lautsprachen. Die Schweizer Gebärdensprache beinhaltet fünf
verschiedene Dialekte, allerdings unterscheiden sich die
Dialekte nur geringfügig. Viele Handbewegungen werden ähnlich
ausgeführt, mit feinen Unterschieden, deshalb ist es dennoch
möglich, sich miteinander zu unterhalten. Ein Zürcher kann sich
also mühelos mit einem Berner unterhalten, in der Gebärdensprache. Wenn sie sich nicht verstehen wollen, so hätte das
andere Gründe (schallendes Lachen).
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Ich habe mir verschiedene
Utensilien gekauft, hinter
die ich mich immer wieder
fleissig setze.
Wie sieht es mit den Französisch und/oder Italienisch sprechenden
Schweizern aus?
Dort wird die französische oder die italienische Gebärdensprache
ausgeübt. Die Verständigung wird also wieder schwieriger, wenn
man sie nicht beherrscht.
Inwieweit haben Sie sich denn schon mit der Gebärdensprache befasst?
Bis jetzt erst durch ein Selbststudium. Ich habe mir verschiedene Utensilien gekauft, wie PC-Programme, Bücher und DVDs,
hinter die ich mich immer wieder fleissig setze.
Sagen Sie, wie wichtig ist das Zusammenspiel zwischen Lippen
und Händen? Ist die eine Art der Hilfe ohne die andere überhaupt
möglich?
Es sind nicht die Lippen, die wichtig zu den Handbewegungen
sind. Es ist die ganze Mimik. Ich würde jetzt behaupten, dass
man die Gebärdensprache auch ohne Lippen versteht, niemals
aber ohne Mimik, denn die Lippen verdeutlichen zwar das Wort,
die Mimik aber gibt dem Wort Ausdrucksstärke und Form. Stellt
man zum Beispiel mit den Händen einen Baum dar, ist es
einfach ein ganz normaler Baum. Wenn man dazu aber die
Backen aufbläst, wird er zu einem mächtigen Baum, zieht man
die Backen ein, schrumpft er zusammen.
Können sich ein Japaner und ein Amerikaner direkt unterhalten –
oder braucht es hier die Hilfe einer Dolmetscherin?
Nein, können sie nicht. Hier braucht es eine Dolmetscherin, die
beide Gebärdensprachen im Griff hat. Das sind oft Gehörlose
selber, welche noch eine Fremdsprache dazu erlernen und das
dann beruflich ausüben.
Wie viele Handzeichen gibt es in der schweizerdeutschen Gebärdensprache, wie werden sie
verwendet?
Im Prinzip gibt es für jedes
Wort auch ein Handzeichen,
allerdings nicht immer.
«Ich fahre» wird zum
Beispiel nicht immer gleich
dargestellt. Es kommt
immer noch drauf an, was
ich fahre, ob ein Velo oder ein Auto. Auch jeder Buchstabe hat
ein Handzeichen. Zusätzlich gibt es auch noch für «Sch» und
«Ch» je ein Zeichen. Wenn eine Gebärde nur mit einer Hand
ausgeübt wird, dann wird das mit der rechten Hand gemacht. Bei
Wörtern, die in der Gebärdensprache noch nicht vorkommen,
wird mit Hilfe des Finger-ABC buchstabiert. Zum Beispiel Namen
oder technische Fachausdrücke.
Wann werden Sie Ihre Ausbildung beendet haben – und was für
Pläne haben Sie?
Wenn alles nach Plan verläuft, werde ich 2016 den Abschluss
machen. Am liebsten möchte ich später mit gehörlosen Kindern
arbeiten, ob bei der Betreuung oder der Schulung kann ich jetzt
noch nicht sagen. Aber ich kann mir vorstellen, dass es für
gehörlose Kinder schwer sein muss, mit hörenden Kindern aufzuwachsen, wenn die Akzeptanz fehlt. Unter Umständen werden
sie auch ausgeschlossen. Kinder können in dieser Beziehung
grausam sein.
Was machen Sie, wenn Sie eine der Studienbedingungen nicht
erfüllen? Haben Sie den berühmten Plan B?
Ja, habe ich tatsächlich. Ich werde sicher die Gebärdensprachkurse besuchen, so dass ich diese Sprache trotzdem beherrsche.
Ich werde mich dann sicher auch um eine Stelle bemühen, wo
ich sie auch regelmässig nutzen kann, sei es zum Beispiel in
einem Verkaufsgeschäft, das sich auf spezielle Produkte für
Gehörlose spezialisiert hat. Aber wer weiss? Vielleicht gibt es
irgendwann einmal bei der Migros eine Möglichkeit, vielleicht in
den Klubschulen.
Ich würde jetzt behaupten,
dass man die Gebärdensprache
auch ohne Lippen versteht,
niemals aber ohne Mimik.
Ich erinnere mich vage an meine Jugend zurück, als ich voller
Faszination eine Biografie von (oder über?) Helen Keller gelesen
habe. Sagen Sie unseren Leserinnen und Lesern in wenigen Worten,
was das Besondere
an ihr war.
Über Helen Keller
habe ich auch
schon
einiges
gehört und auch
gelesen. Sie war
nicht nur gehörlos, sondern dazu
67
auch noch blind, was das Ganze noch komplizierter macht. Die
Gebärdensprache an sich konnte man bei ihr nicht anwenden,
man musste ihr die Worte in die Hand buchstabieren, um sich
verständlich zu machen.
Hatten die Arbeit und die Begabung von Helen Keller in irgendeiner
Weise Einfluss auf die Gebärdensprache?
Nicht nur auf die Gebärdensprache. Sie öffnete auch anderen
Menschen die Augen. Sie war und ist eine unschätzbare Hilfe für
Eltern gehörloser oder taubblinder Kinder, die durch sie verstehen
lernten, was im Kind vorgeht – und dass man das Kind trotz der
Behinderung fordern und fördern muss. Helen Keller war ja ein
sehr mühsames Kind, hat nur geschrien und Dinge zerstört, weil
sie … unterfordert war. Ihr Charakter hat sich erst gebessert, als
sie gefordert wurde, indem sie lernte, wie die Dinge hiessen und
wie sie sich auch mitteilen konnte.
Die Gebärdensprache war und
ist eine unschätzbare Hilfe
für Eltern gehörloser oder taubblinder Kinder, die durch sie
verstehen lernten, was im Kind
vorgeht.
Im Film «Children of a Lesser God» («Gottes vergessene Kinder»),
wird ja eine Beziehung zwischen einem Gebärdensprachlehrer
(William Hurt) und einer Schülerin gezeigt, gespielt von
Marlee Matlin. Ist Marlee Matlin tatsächlich gehörlos?
Leider habe ich diesen Film noch nie gesehen. Aber einen
anderen, wobei ich mich nicht an den Titel erinnere. Es geht um
ein Mädchen, das gehörlos ist, dies jedoch nicht in der Öffentlichkeit zeigt. Sie hat die Lautsprache gelernt und kann perfekt
von den Lippen lesen und kann ihre Gehörlosigkeit problemlos
verheimlichen. Es kommt, wie es kommen muss: Sie trifft eines
Tages einen Jungen, der ihr sehr gefällt. Am Anfang geht alles
gut, bis zum Moment, da offensichtlich ist, dass sie nichts hört.
Nach einigen emotionalen Aufs und Abs finden die beiden zum
Schluss dennoch zusammen.
Welchen Einfluss hatte jener Film auf Sie?
Ich denke, es ist noch heute schwer, sich in der Gesellschaft
als Gehörloser zurechtzufinden. Oft bleibt einem nichts anderes
übrig, als sich zu verstellen und sein Handicap zu verstecken.
Leider haben viele Mensch Angst vor Dingen, die sie nicht
kennen, und wenden sich deshalb ab, wenn sie gehörlosen
Menschen gegenüberstehen.
Haben Sie eigene Erfahrungen damit gemacht.
Leider, ja. Einmal war ich Zeugin in einem Laden, als vier Gehörlose etwas kaufen wollten, sich lauter als normal – oder was
wir Hörenden als normal empfinden – unterhielten und der
Verkäufer entnervt davonlief, mit der Feststellung, er habe es
nicht nötig, sich anschreien zu lassen. Andere Verkäufer
schauten der Sache zu, sahen, dass die Männer sich offensichtlich mit den Händen und in der Gebärdensprache unterhielten,
aber keiner wäre zu ihnen gekommen. Ich fand das das Letzte,
das Allerletzte!
Sie haben sich dann «eingeschaltet»?
Ja, ich ging auf die Truppe zu und fragte, ob ich helfen könne.
Sie konnten Lippen lesen und schilderten ihr Problem. Leider
führte dieser Laden den gesuchten Artikel nicht, so dass ich sie
weiterschicken musste. Dieses Erlebnis ist auch ein Grund,
weshalb ich die Gebärdensprache lernen möchte. Wissen Sie,
in der Schule lernen wir Französisch, weil es eine Landessprache ist, wir lernen Italienisch, weil es eine Landessprache
ist. Wir lernen Englisch, weil es eine Weltsprache ist. Dass
die Gebärdensprache auch zu den Landessprachen gehört,
interessiert allerdings nur sehr wenige.
Dass die Gebärdensprache auch
zu den Landessprachen gehört,
interessiert allerdings nur sehr
wenige.
"Eeeeyyy!
Aaaandy
Vaaan
Diamoooond!"
Andy
Friedrich
68
69
Andy Friedrich
Melectronics,
Westside
Andy Friedrich – oder soll ich eher
mit Andy van Diamond sprechen,
dem DJ?
Ganz wie Sie wollen …
Nun, da ich nur den Andy Friedrich
kenne, bleibe ich bei Ihrem
bürgerlichen Namen. Sie sind ein
moderner Plattenleger. Woher der
Impuls?
Also, angefangen hat es in den
90er Jahren, als der Dance/Rave
aufkam und ich mich mehr
und mehr für diese Musik zu
interessieren begann. Es war mal
was Neues, neben all dem
Heavy Metal, Pop oder dem Rap,
was halt so zur Schulzeit gehört
wurde.
Und wo beginnt die Karriere des DJs?
Als DJ angefangen hat es, als ich einmal bei einem damaligen
Arbeitskollegen zu Hause war, der selber schon eine Zeit lang
DJ war. Das hatte mich derart fasziniert, dass ich mir als Erstes
ein Mischpult gekauft habe, es dem besagten Kollegen nachgemacht habe. Zum Glück bekam ich den Plattenspieler meiner
Grossmutter …
Ha! Genial! s’Grosi stand quasi Pate zu Beginn Ihrer DJ-Karriere?
Jaja, lachen Sie nur, aber es war halt wirklich so. Sie benötigte
ihren Plattenspieler – den mein Vater seinerzeit gekauft hatte –
nicht mehr, also hat sie ihn mir geschenkt. Ich habe jedoch
schnell gemerkt, dass sich damit nicht allzuviel anstellen liess,
da bloss 33+45 Touren möglich waren.
Also, angefangen hat es in den
90er Jahren, als der Dance/Rave
aufkam und ich mich mehr
und mehr für diese Musik zu
interessieren begann.
Was sicher die nächste Investition nach sich zog…
Genau, nämlich einen Technics MK II, das Mass aller Dinge.
Besser gesagt, es waren gleich zwei, wobei zwischen den beiden
Käufen einige Monate lagen, schliesslich waren die Dinger nicht
gerade billig …
Was haben Sie damit angestellt?
Na, was wohl? Geübt und geübt und geübt, bevor es vors Publikum ging.
Und anschliessend?
Die ersten Erfahrungen machte ich im Internet, obwohl die
Verbindungen damals extrem laaangsaaam waren …
Die gute alte analoge Zeit.
Oh ja, zwischendurch hätte man einschlafen können. Item: Ich
konnte rasch mit Leuten aus Deutschland Kontakt knüpfen, da
gab es auch keine Verständigungsschwierigkeiten.
Wo haben Sie denn DJ gespielt?
Damals war ich ein reiner Radio- oder Internet-DJ, live auf
Sendung, ohne aber mein Publikum zu sehen. Die «Galaxy Space
Night» auf Radio RaBe war meine DJ-mässige Kinderstube, wo
ich die ersten Klänge vor einem grösseren Publikum aussenden
konnte, eine Zeit lang war ich sogar Co-Moderator.
Zwischenfrage, spontan. Stichwort «Galaxy Space Night», kennen
Sie DJ Franctone? Der spielt doch auch sphärische Musik …
Persönlich kenne ich ihn nicht, aber ich weiss natürlich, dass er
jeweils die «Spacenight» auf dem Gurten machte, aber das hat
mit der Sendung nichts gemeinsam.
Aber ich habe Sie unterbrochen.
Ich aber wollte mehr als bloss das, nämlich eine eigene Radiosendung.
Und? Kam es dazu?
Ja, es war die erste Sendung auf dem deutschen Internet-Radio
StayTuned.de! In jener Zeit ging die Post überhaupt mächtig ab,
jeder wollte und konnte experimentieren, ich zum Beispiel
auf UKW auf RaBe und RaSa. Im Internet via StayTuned.de,
Cybrix Radio (Berlin), DJ Radio (Zürich), Against Silence
(Baden-Württemberg), Trance.FM (Dortmund) sowie Jenny.FM.
Heuer wird man auf Jenny.FM noch einiges von mir zu hören
bekommen.
Weiss man denn, wie viele Leute da zuhören, via Internet? Als
praktizierender www.beatlesarama.com-Hörer habe ich mich das
schon öfter gefragt …
Das schwankt extrem. Auf einem kleineren Internet-Radio mögen es
zwischen 50 bis 300 Zuhörende sein, das absolute Maximum waren
einmal 80’000 Hörerinnen und Hörer, und das auf Radio RaBe!
… das Alternativ-Radio in Bern, das wir übrigens – das nur nebenbei
– kürzlich unterstützt haben, für ein Integrationsprogramm. Ihr
«radiotechnisches» Highlight 2010?
Dass ich beim Projekt «Radio Street Parade» mitmachen und
70
meine Musik spielen konnte, und das für die Grossregion Zürich
sowie … weltweit auf www.streetparade.com, samt Angabe
meiner Webpage. Als Stargast hatte ich MR. P!NK vor dem
Mikrophon. Sonst lege ich im Kornhauskeller oder im Bierhübeli
in Bern auf, in der Kupferschmiede Langnau, im Dukes oder
Industrie45 in Zug, im Modus in Sissach.
Die ersten Erfahrungen machte
ich im Internet, obwohl die
Verbindungen damals extrem
laaangsaaam waren …
Wie halten Sie sich denn «technisch» auf dem neuesten Stand.
Alles neu macht der Mai!
Hä? Wie bitte?
Meistens im Mai findet in Deutschland ein grosses DJ-Meeting
statt, wo ich wenn immer möglich vorbeischaue. Da ist immer
das Neueste an Technik zu bestaunen, ganz abgesehen davon,
dass es immer fun ist, DJ-Kolleginnen und –Kollegen zu treffen.
Erfahrungsaustausch. Und dann gibt es noch das monatlich
erscheinende Magazin «Raveline», das ich regelmässig lese. Da
hat’s auch immer Neues drin.
Zu meiner Zeit – in den Sechzigern – da kam der Discjockey mit
einem tragbaren Lenco-Plattenspieler angerauscht, und mit Singles
wie «A Whiter Shade Of Pale», «When A Man Loves A Woman» oder
«Ob-La-Di-Ob-La-Da». Läuft heute vermutlich ein bisschen anders …
Oh ja! Klar. Wo soll ich anfangen?
Am besten am Anfang.
Am Anfang standen tatsächlich die Vinyl-LPs,
heute greifen Notebook, CD
und Traktor Scratch Pro ins
Geschehen ein.
Traktor Scratch Pro …
Jaja, hat aber nichts mit
der Landwirtschaft zu tun.
Das ist vielmehr ein professionelles DJ-Programm
mit passender Hardware.
Weil man inzwischen nicht
mehr jede Musik auf Vinyl
bekommt, ist digitales Zeitalter angesagt, anfänglich
mit Plattenspielern und Laptop, die mit einem speziellen
Programm und Timecodes Vinyls zu steuern sind. Zum Teil habe
ich aber CDs mitgenommen und mich mittlerweile mit dem
Mixen ab CD-Playern eingearbeitet. Mit der neuen PlayerGeneration von Pioneer, dem CDJ-800MK – oder neueren
CDJ-900/CDJ-1000, CDJ-2000 – ist es auch nicht mehr so
extrem schwierig, man ist somit auch flexibler und kann mehr
mit der Musik spielen und arbeiten, als sich die ganze Zeit auf
die Geschwindigkeit und den Beat zu konzentrieren.
Wie kommen Sie denn an Ihren Rohstoff, an die Musik heran, heute?
Früher ging man zum sogenannten Local Vinyl Dealer.
Däm het me früecher eifach «Plattelade» gseit …
Ich sehe, da reden zwei Musik-Generationen miteinander (lacht).
In Bern gab es neben dem Oldies Shop – der hat auch
die aktuelle Musik – den DJ Beat Recordstore, den Panthera,
Number One, SchwarzMarktMusic und noch ein paar andere.
Als es immer weniger wurden, half man sich via Web-Shops
in Deutschland aus, wo es erst noch ein bisschen günstiger
war.
Und heute?
Entweder kauft man sich die Musik auf einem CD-Sampler oder
– seltener – auch mal als CD-Maxi, aber mehrheitlich kauft man
sich die Musik online.
Kaufen :o)?
Ja, ausdrücklich: k.a.u.f.e.n. Es gibt diverse darauf spezialisierte
Online-Shops, mit einer grossen und guten Auswahl, die auch
noch Qualität zu einem guten Preis verkaufen. Bezahlte man
früher pro LP, wo vielleicht nur ein Song drauf war, den man
wollte, zwischen 12 und 18 Franken, so berappt man heute im
Schnitt pro Lied zwischen 99 Cent und $ 2.49, so dass man echt
bloss noch kauft, was man denn wirklich braucht.
Es gibt diverse Online-Shops,
mit einer grossen und guten Auswahl, die auch noch Qualität zu
einem guten Preis verkaufen.
Ihr Lieblingsanbieter?
Beatport.com. Wenn ich dort kein Glück habe, dann ist auch
ExLibris eine gute Adresse, wobei deren Homepage nicht
gerade benutzerfreundlich ist, da ist Verbesserungspotenzial
vorhanden. Übrigens: Der tiefe Dollarkurs macht im Moment
mächtig Spass!
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Auf welche Musikrichtung haben Sie sich spezialisiert?
Also, angefangen hat es mit Trance, mit fast allen Unterkategorien. Mittlerweile ist es fast mehr House, auch mit fast
allen Unterkategorien. Aber für interessante Kombinationen bin
ich immer zu haben.
Für einen DJ ist es wichtig,
flexibel zu sein, damit er auf
allen Hochzeiten tanzen kann,
respektive mit allen Equipments
arbeiten kann.
Was für ein Equipment haben Sie zu Hause, der Ausdruck
«Ausrüstung» dürfte ja auch passé sein …
Im Homestudio benutze ich aktuell ein Mischpult der Marke
Pioneer DJM-500. Es ist zwar nicht das ultramodernste, leistet
mir aber noch sehr gute Dienste. Zudem habe ich, wie bereits
erwähnt, zwei Technics MKII Plattenspieler mit DJ-Tonabnehmer
von Ortofon, dazu ein gutes Notebook von melectronics –
garantiert Freude! (schallendes Lachen) -, damit ich das
Programm «Traktor Scratch Pro» benutzen kann. Das Neueste
ist ein CD-Spieler von Pioneer, den CDJ-800MK2, damit ich mich
mit allen drei Systemen mixtechnisch fit halten und auch meine
Promotion-Mixes aufnehmen kann, die im kleinen Fankreis
immer ihre Abnehmer finden werden.
Schön. Ich habe den Faden längst verloren, aber Insider wissen jetzt
Bescheid. Was für einen Wert haben denn Pioneer und Technics und
Ortofon und so?
Schnell zusammengerechnet: Knapp 5’000 Franken. Zu den
Events transportiere ich allerdings nur die Musik, auf Vinyl, CD
oder Laptop. Die Veranstalter stellen in den meistens Fällen die
Hardware. Gerade deshalb ist es für einen DJ wichtig, flexibel zu
sein, damit er auf allen Hochzeiten tanzen kann, respektive mit
allen Equipments arbeiten kann.
Auf Ihrer Homepage habe ich bemerkt, dass Sie schon mit
Berühmtheiten – mit Celebrities – zusammen waren. Nämlich?
Eines meiner Idole der ersten Stunde ist und bleibt DJ Tatana!
Sie ist eine tolle Frau, mit der man sich auch mal backstage
gut unterhalten kann. Von den «üblichen» House-DJs, mit
denen ich schon zusammen am gleichen Event gespielt habe:
Christopher S., DJ Scaloni, Mr.P!nk oder DJ Antoine. Aber auch
die anderen, wie zum Beispiel DJ Flava und Brian Stevenson von
«Musicstar», die mich schon mal in einer Mittagspause im
Westside sahen, schrien «Eeeeyyy Aaaandy Vaaan Diamoooond!»
Erlebnisse, die DJ Andy van
Diamond spontan in den
Sinn kommen?
Die lustigste Erfahrung
war sicher an einem Event
in Zug, als ich mich auf
die Musik konzentrierte
und plötzlich drei GoGoGirls vor dem DJ Pult
standen …
Wow!
Die
schlechteste
Erfahrung
war «früher einmal», als
ich an einer Silvesterparty
mit einem Kollegen spielen sollte, und es plötzlich
Änderungen im LineUp
gab, der den Zeitplan
durcheinanderbrachte und
er trocken meinte: «Die
Leute kennen mich hier,
und nun spiel nur ich!»
Das war nicht gerade ein Superabend, und einen tollen Beginn
ins Neujahr hatte ich eigentlich anders geplant.
Die lustigste Erfahrung war
sicher an einem Event in Zug,
als ich mich auf die Musik
konzentrierte und plötzlich drei
GoGo-Girls vor dem DJ Pult
standen … Wow!
Kurz vor der ersten Million, mit diesem Job?
Hey! Ich bin längst an der zweiten! Nein, im Ernst: Für mich ist
es in erster und zweiter Linie ein Hobby, Spass an der Freude.
Wenn das Volk dann begeistert mitmacht, ist das Lohn genug.
Das fägt! Da ich ja nicht die Aura eines DJ Antoine habe – und
auch keinen direkten Zugang zur Boulevard- und Hochglanzpresse -, decken meine Auftritte – streng gerechnet – nicht mal
meine Kosten, denn auch Abschreibungen auf den Geräten
gehören ja dazu, sauber gerechnet. Aber wer weiss, vielleicht
werde ich ja eines Tages so richtig entdeckt und berühmt
(schmunzelt spitzbübisch)!
..
"Sie lugen und ich
bezahle noch
..
dafur!"
Andrea
Grepper
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73
Andrea Grepper
Leiterin PR/Kommunikation,
Westside
Andrea Grepper, vor zehn Jahren kannte man Sie als Wetter-Fee auf
SF1, seinerzeit noch als Andrea Bauer. Standen Sie schon damals
auf dem Dach der Studios?
Nur noch kurz … Die letzten drei Monate, bevor ich aufgehört
habe. Davor hatten wir ein Studio! Sonst hätte ich das wohl
kaum fünf Jahre durchgehalten (lacht).
Haben Sie denn Meteorologie studiert? Wenn nicht, wer hat Ihnen
«vorgeflüstert»?
Nein, ich hab Germanistik und Publizistik studiert, hatte also
vom Wetter nicht wirklich eine Ahnung, aber das ist eigentlich
auch kein Problem: Es geht ja vor allem darum, die komplexen
Wettervorgänge auf verständliche Weise dem Publikum näherzubringen. Zudem war immer ein Meteorologe dort, der mich
«betreut» hat, meist Peter Pöschl oder Christoph Siegrist. Sie
machten die Prognosen und mein Job war es, diese in Worte zu
fassen. Klingt einfach, ist es aber bei weitem nicht!
Gab es bei «Ihren» Prognosen auch mal einen GAU? Schneefall statt
angesagtes Grillwetter?
Ja, klar gab es das! Manchmal kommt halt ein Tief früher als
erwartet oder der Föhn setzt sich länger durch. Bei einem so
kleinen Land wie der Schweiz, das zudem noch so viele Berge
hat, gibt das dann sehr schnell ein total anderes Wetter als
prognostiziert.
Oh ja, dann hagelte es jeweils
nicht nur draussen, sondern
auch bei uns drinnen, nämlich
wütende Mails.
Mit entsprechendem Echo aus der Zuschauerschaft?
Oh ja, dann hagelte es jeweils nicht nur draussen, sondern
auch bei uns drinnen, nämlich wütende Mails von Gartenrestaurant-Wirten und Tourismus-Destinationen, das geht
manchmal bis hin zu veritablen Drohungen, kein Witz! So nach
dem Motto: «Wenn ich in meinem Job so lügen würde wie Sie,
dann hätte man mir schon längst gekündigt – aber für Sie muss
ich noch Gebühren bezahlen!!»
Ich darf schnell rekapitulieren, denn als News-Moderatorin bei
TeleBärn haben Sie noch viele Lesende in Erinnerung. Wie kamen Sie
überhaupt zum TV?
(Überlegt kurz) Hmmm … Das war kurz vor meinem Liz. Ich war
damals – als Studi natürlich immer auf der Suche nach neuen
Geldquellen – als Kandidatin im Montags-Quiz «Risiko» beim
Schweizer Fernsehen. Die ganze Studio-Atmosphäre sagte mir
enorm zu. Ich dachte
mir, «Das möchte
ich auch!» Und so
schrieb ich dem SF
eine «Blind-Bewerbung». Tatsächlich
brauchten sie jemanden fürs TAF, fürs
Tagesfernsehen.
Nach einem 3-tägigen Casting hatte ich
den Job – und damit
auch gleich ein Problem, denn mein
erster Arbeitstag fiel
auf den ersten LizPrüfungstag (lacht) …
Aber irgendwie ging
beides
aneinander
vorbei und ich war
ziemlich stolz, als
Einzige der 80 PhilI-Absolventen schon vor dem Uni-Abschluss eine Stelle zu
haben!
Und wie dann zu «Meteo»?
Nach zwei Jahren TAF habe ich mit Andreas Moser («Netz
Natur») eine 2-wöchige Live-Sendung im Wald gedreht.
Während dieser Zeit rief mich Thomas Bucheli von der Meteo an
und fragte, ob ich nicht Lust auf Meteo hätte …
Ohne Casting?
Oh doch! Thomas Bucheli meinte so ganz nebenbei, das Casting
sei für den gleichen Abend vorgesehen. Mit Gummistiefeln und
Outdoor-Jacke ging ich hin und hatte kurz darauf einen neuen
Job!
Weshalb haben Sie das Schweizer Fernsehen verlassen?
Weil sich Nachwuchs ankündigte! Und weil ich wusste, dass ich
nur ein Kind haben würde, war für mich klar, dass ich voll für
dieses Kind da sein und die Baby-Zeit so richtig geniessen
wollte.
Und eben: Von 2005 bis 2008 gab es ein Wiedersehen auf TeleBärn.
Weshalb der Wiedereinstieg?
Als unsere Tochter zwei Jahre alt wurde, wuchs allmählich auch
wieder der Wunsch, ein bisschen ausser Haus arbeiten zu
können. Nach Zürich zu pendeln, kam aber nicht in Frage, und so
schaute ich mich in Bern um. Das Angebot von TeleBärn kam
eher überraschend, überzeugte mich aber und war mit vier bis
sechs Einsätzen pro Monat perfekt für den Wiedereinstieg.
74
Wie sind Sie mit Ihrer Popularität zurechtgekommen, als TV-Frau ist
man bekanntlich auch ein Stück weit «Öffentlichkeit» …
Grundsätzlich sehr gut. Die Schweizer sind ja generell eher
zurückhaltend und sprechen einen selten so direkt an. Die
Erfahrungen, die ich gemacht habe, waren eigentlich immer sehr
positiv und oft richtig «rührend».
Und jetzt der Sprung ins Westside. Wie kam es dazu – weshalb hat
Sie ausgerechnet Westside gereizt?
Das kann ich Ihnen ganz genau sagen! Als ich am Eröffnungstag
zum ersten Mal ins Westside kam und mit der Rolltreppe beim
Nordkristall auf die erste Etage fuhr, packte es mich total! Ich
war hin und weg, sozusagen «Liebe auf den ersten Blick».
Ich dachte, «Wow, was für ein Unternehmen, das in einer doch
eher schwierigen Zeit etwas so Neues, Ungewohntes, Aussergewöhnliches auf die Beine stellt!» Für ein solches Unternehmen
wollte ich gerne arbeiten, und da ich mich eh schon länger mit
dem Gedanken trug, etwas Neues zu machen, bewarb ich mich
auch hier «blind» – und es hat geklappt!
Als TV- und Medienfrau haben Sie die Seiten gewechselt. Wie
kommen Sie mit den ehemaligen Kollegen der Medienzunft zurecht,
speziell bei TeleBärn?
Eigentlich hat sich an der Beziehung zu den ehemaligen
Kollegen durch den Stellenwechsel rein menschlich nichts
geändert, ich mag sie noch immer sehr!
Und als Westside-Frau?
Rein beruflich hätte ich natürlich gerne, sie würden ein bisschen
mehr über uns berichten. Und zwar nicht nur dann, wenn etwas
Negatives passiert, sondern auch über die vielen Events und
Anlässe, die wir organisieren. Aber aus dieser Branche
kommend, weiss ich auch, wie schwierig es ist, hier die Balance
zu finden: Alle Unternehmen wollen natürlich, dass über ihre
Veranstaltungen berichtet wird. Deshalb hilft dieses Wissen sehr:
Mir ist klar, was es braucht, damit es einen Bericht wert ist –
und das ist sicher ein Vorteil.
Sehen Sie die Medienarbeit plötzlich mit anderen Augen, jetzt, da
Sie News «lesen» und nicht «produzieren»?
Ja ganz klar! Es war schon eine ziemliche Umstellung: Plötzlich
bist du nicht mehr derjenige, der fragt, sondern der andere, der
eine Antwort geben muss … Und im Nachhinein habe ich auch ein
bisschen Erbarmen mit all den Interviewten
Oho, weshalb denn das?
Erst jetzt weiss ich, wie man sich in dieser Rolle wirklich fühlt …
Und ja, ich gebe zu, ich habe mich in meiner WestsideZeit schon ab und zu über die Medien genervt! Aber – und
das möchte ich betonen – meistens hab ich mich über sie
gefreut.
Nun will ich ja kein Gefälligkeitsinterview mit Ihnen machen.
Konkret jetzt zu Ihrer Arbeit in Westside, als Kommunikationsfrau.
Wie geht es den Böden in Bernaqua?
Ha! Also doch: Ich dachte mir schon, dass es so nett ja nicht
weitergehen kann … Aber ich kann Sie beruhigen, den Böden geht
es gut. Wir haben im Verlauf des letzten Jahres immer wieder
Massnahmen getroffen, haben Handläufe montiert, Treppenplatten ausgewechselt, und inzwischen haben wir im Bereich der
Reinigung und Nachbehandlung der Bodenplatten punkto Rutschfestigkeit grosse Fortschritte erzielt. Wir haben in den letzten
Wochen massiv mehr Leute im Bernaqua, aber massiv weniger
Zwischenfälle.
Rein beruflich hätte ich natürlich
gerne, sie würden ein bisschen
mehr über uns berichten.
Und zwar nicht nur, wenn etwas
Negatives passiert.
Als Mitarbeitende werden wir ja immer nach dem Geschäftsgang
von Westside gefragt. Sagen Sie es uns doch bitte, damit wir Ihre
Infos aus erster Hand weitergeben können. Wie zufrieden ist man im
Bernaqua?
Man ist sogar sehr zufrieden! Eine halbe Million Besucher im
ersten Jahr sprechen für sich, Tendenz weiterhin steigend, im
Vergleich zum Vorjahr, da wir diese Zahlen jetzt endlich miteinander vergleichen können. Im Mai wurde das Bernaqua
vom schweizerischen Tourismus Q-zertifiziert. Ein wichtiger
Schritt für das Erlebnisbad, denn immer häufiger entscheiden
sich Gäste für jene Angebote, die qualitativ hochstehende
Leistungen erbringen und ihren Preis wert sind.
Wie viele Jahresabo-Kundinnen und -Kunden benutzen das Gesamtangebot im Bernaqua?
Rund 2’000, das ist doch eine fantastische Zahl! Und im vergangenen August ist Bernaqua Fitness mit dem Label QUALITOP
ausgezeichnet worden. Dieses steht für gute Betreuung durch
qualifiziertes Personal in einem vernünftigen Verhältnis zu den
Geräten oder der Mitgliederzahl – und für ein ausreichendes
Notfallkonzept.
Die Pathé-Kinos sind mit über 40 Prozent Marktanteil auf dem Platz
Bern ein Riesenhit. Worauf ist das zurückzuführen?
Das hat mehrere Gründe: Einerseits sind es die modern ausgestatteten Kinosäle und die hohe Qualität der Projektoren, die
faszinieren und viele Leute anziehen. Dann ist es sicher auch ein
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Vorteil, dass man vor dem Kinobesuch noch einkaufen, die
Einkäufe anschliessend in gekühlte Schliessfächer verstauen
und das Gastroangebot nutzen kann. Diese Kombinationsmöglichkeiten, die grosse Auswahl an Filmen, die äusserst gute
Erreichbarkeit - mit dem Auto kann man quasi vors Kino fahren
und sehr günstig parkieren – sowie die Sicherheit im Westside,
die man als Frau ganz besonders zu schätzen weiss, sprechen
für einen Kinobesuch in den Cinémas Pathé.
Apropos Pathé-Kinos. Es werden regelmässig auch Opern aus der
Metropolitan Opera in New York übertragen. Ein atemberaubendes
Erlebnis, wie «Carmen», mit der erst 34-jährigen Lettin Elina
Garanca als vielleicht beste «Carmen» aller Zeiten in der Hauptrolle. Hat man denn überhaupt noch die Möglichkeit, an Tickets für
einzelne Aufführungen heranzukommen?
Die Aufführungen bis im Frühling 2011 sind restlos ausverkauft.
Aber es wird weitere Übertragungen geben. Am besten, man
abonniert den Pathé-Newsletter (http://www.pathe-bern.cine.ch/
home.php), dann kriegt man die Infos aus erster Hand und kann,
sobald erhältlich, die Opern-Tickets buchen. Zudem wird es in
diesem Bereich noch weitere Überraschungen geben! Also gilt
auch hier «Draa bliibe!»
Stichwort Holiday Inn. Wie sind die Hotelbetreiber zufrieden, mit
ihrem ***-Hotel im Westen von Bern?
Das Holiday Inn Bern Westside konnte das Budget hinsichtlich
der Belegung im ersten Jahr erfüllen. Die Buchungen der
Seminarinfrastruktur des Bookmark Meeting Centers haben
die Erwartungen übertroffen. Rund 80 Prozent der Gäste sind
Geschäftsleute, 20 Prozent Freizeitreisende. Geografisch kommen
die Hotelbesucher vor allem aus der Schweiz, Deutschland und
den Niederlanden. Im Juli und August nahmen zudem viele
Touristen aus Japan das Hotelangebot in Anspruch. Insbesondere die attraktiven Freizeit-Packages, die zusammen mit dem
Bernaqua geschnürt wurden, fanden grossen Zuspruch. Auch das
Hotel profitiert also vom Gesamtprodukt Westside.
Zur Gastronomie. Wie ist das Echo, zuerst einmal aus unseren
eigenen Restaurants, dem MR und dem cha chã?
Das Konzept «Positive Eating» von cha chã findet grossen
Anklang: Rund 200’000 Besucher haben die thailändische Küche
mit frischen Zutaten und schnellem Service bis heute genossen.
Auch das Migros-Restaurant Westside hat mit seiner neuen
Lounge-Zone viel Zuspruch erhalten. Die Familienzone wurde per
Ende September vergrössert und das Lilibiggs-Tavolino bietet
nun neu Kindergeburtstags-Partys an.
Und die anderen Anbieter, Spiga, Starbucks & Co.?
Insgesamt sehr gut! Das neue Konzept des Spiga hat sich
bestens etabliert, und vor allem die oft wechselnde und der
Saison angepasste Speisekarte erfreut sich grosser Beliebtheit.
Besonders erfolgreich erweist sich die Zusammenarbeit der
Restaurants mit anderen Mietern wie Kino und Bad.
Womit wir beim Kern des Westside angelangt wären. Wie sind die
Mieter zufrieden? Dazu war ja äusserst Kontroverses zu lesen in
den Medien.
Man kann mit wirklich gutem Gewissen sagen, dass die Mieter
insgesamt zufrieden bis sehr zufrieden sind, ganz besonders
nach diesem umsatzstarken Dezember! Und, man muss es
immer wieder erwähnen, und das sind sich die Mieter bewusst:
Ein Center dieser Grösse an einem neuen Standort und mit einem
ganz neuen Kombi-Angebot braucht einfach drei bis fünf Jahre,
bis es sich etabliert hat. Wir haben das immer und immer
wieder gesagt. Wir sind dann auch voll auf 5-Jahres-Kurs. Aber
klar haben wir Verbesserungspotential, wir arbeiten auch daran!
Was ist mit «Paul», dem französischen Beck? Da war ja zu lesen,
dass das französische Mutterhaus entschieden habe, sich aus der
Schweiz zu verabschieden …
Ja, so war es tatsächlich einmal vorgesehen. Dann aber wurde
ein neuer Franchisenehmer für die Schweiz gefunden und
deshalb blieb uns Paul erhalten – zum Glück, denn der
französische Patisseur ist im Westside äusserst beliebt!
Stehen Mieterwechsel an?
Bis zu diesem Zeitpunkt ist mir nichts bekannt. Aber irgendwann
wird es den ersten Wechsel geben, das ist auch das Nomalste
der Welt.
Wir sind dann auch voll auf
5-Jahres-Kurs.
Nennen Sie uns doch einige Höhepunkte, die wir 2010 im Westside
erwarten können.
Auch im 2010 wird es im Westside vieles zu erleben geben.
Lassen Sie sich ganz einfach überraschen! Und auch hier mein
Rat: Den Newsletter abonnieren, dann wissen Sie immer als
Erste, was im Westside läuft (http://www.westside.ch/Meta/Top/
Newsletter.aspx)!
"Welche
von euch
Hostessen
ist noch
zu haben?"
Monika
Hager
76
77
Monika Hager
Hostess Betriebsführungen,
Schönbühl
Monika Hager, seit wann führen Sie Gäste durch unsere Plattform?
Ich führe die Gäste der Migros Aare seit Sommer 2002 durch die
Frischeplattform und absolviere zwischen zwei und höchstens
drei Führungen pro Woche. Dies ist ideal zu meinen anderen
Aktivitäten. Die Führungen werden so auch nicht zur Routinesache.
Zurzeit sind wir acht Frauen, die den Gästen «Schönbühl» zeigen.
Welches war die Motivation, sich für diesen Job zu bewerben?
(Ist ob der Frage sichtlich überrascht) Uhhh! Das ist lange her.
Ich glaube, mich sprach einfach das Inserat an. Bei einem
grossen Verlag war ich damals schon Hostess. Ich war der
Meinung, der Job in Schönbühl sei dazu eine ideale Ergänzung.
Und ich dachte, die Arbeit bei der Migros Aare finde ungefähr
«in der gleichen Währung» wie beim Verlag/der Druckerei statt.
Das war dann nicht der Fall?
Weit gefehlt! Bei der Migros Aare muss man selber vor die
Leute hinstehen und erklären, wie «der Karren» läuft. Das war
beim Verlag nicht so ...
Sondern?
Dort war man bloss als Sicherheitsperson angestellt, die nur hinterher läuft, sozusagen als «Ufpasserli», damit sich niemand verläuft. Als ich den Unterschied zur Migros gemerkt habe, da war es
bereits zu spät für einen Rückzug, Monika Hager bereits angestellt.
Zum Glück, wie ich immer sage (lacht).
Haben Sie es jemals bereut?
Noch keinen Tag, nein!
Bei der Migros Aare muss man
selber vor die Leute hinstehen
und erklären, wie «der Karren»
läuft.
Wie war denn das Auswahlverfahren für die Hostessen?
Eine Kollegin und ich waren Quereinsteigerinnen, soweit ich
mich erinnere, wurden wir nicht subito angestellt, sondern
kamen auf eine Art «Watch»-Liste und erst später zum Zug. Die
genauen Gründe kennt wohl Barbara Siegenthaler.
Also denn, fragen wir sie, da sie nur fünf Meter von mir entfernt
sitzt: Barbara, wie war das damals, bei der Anstellung von
Monika Hager? Weshalb erst im zweiten Anlauf?
(Überlegt kurz) Wir hatten damals sehr viele Anmeldungen,
weil wir sozusagen ein neues Team einstellen und einarbeiten
mussten. Ich habe bewusst nicht im ersten Anlauf alle
Hostessen angestellt, sondern nur einen Teil, die «restlichen»
Kolleginnen dann in Runde 2. Wenn ich mich richtig erinnere,
wurde Monika Hager deshalb nicht sofort engagiert, weil ihre
Bewerbung verspätet eingetroffen ist. Sie kam aber zuoberst auf
die «Warteliste».
Soso, Monika Hager, also Glück gehabt, aber das gehört den
Tüchtigen, wie wir in Ihrem Fall heute wissen. Sagen Sie, bevor
man Sie auf die Meute ein erstes Mal losliess – wie wurden Sie
ausgebildet und von wem?
Da ich Quereinsteigerin war, lief’s bei mir etwas anders. Die
anderen Kolleginnen fingen im April an mit der Ausbildung, ich
erst im Juni. Wir wurden von den bisherigen Hostessen ausführlich ausgebildet und von Barbara Siegenthaler. Sie halfen
uns enorm, gaben Tipps und Tricks.
Tricks? Was gibt es denn Trickiges auf einer Führung?
Nun, zum Beispiel gute Ausreden parat haben, wenn einem ein
Wort nicht mehr einfällt oder man schlichtweg vergessen hat,
wie eine Maschine heisst. Was, wenn das Filmvideo mal nicht
anspringt und man innerlich weiss Gott was alles zusammenflucht, äusserlich aber ein supercooles Lächeln draufhat, und
eine Gelassenheit, die jeden Politiker vor Neid erblassen liesse?
Was, wenn man in den Medien etwas nicht mitbekommen hat,
das Migros betrifft? Ich stehe gar nicht gern allzu blond da, so
eine verbale Trickkiste ist absolut hilfreich. Oder was tun, wenn
einfach jemand während einer Führung «verloren» geht?
Ist das denn schon passiert?
Ja, die Frau ist durch einen Ausgang geflüchtet, nach draussen,
zu den Lastwagen. Ihr war alles zu «kalt», nicht so, wie sie sich
das vorgestellt hatte. Es war übrigens eine Walliserin, die sind
doch sonst ganz pflegeleicht ...
Sorry, ich habe Sie vorhin unterbrochen. Zurück zur Ausbildung.
Einiges haben wir von Bruno Gerber gelernt – und lernen immer
noch von ihm. Bruno Gerber, danke! Dann konnten wir noch
einen Kommunikationskurs bei Thomas Ehhhh… nehmen, seinen
Nachnamen habe ich vergessen (hirnt).
Da ich es nicht war, muss es sich um Ausbildungsmann Thomas
Mathys gehandelt haben.
Genau, Mathys! Er hat uns einiges verraten, wie man zum
Beispiel die Aufmerksamkeit der Leute hochhält – und auch
sonst allerhand an Allgemeinwissen rund um die Migros Aare.
Bevor Sie ein erstes Mal selber und solo geführt haben, haben Sie
da sozusagen Test-Rundgänge absolviert?
Ja, da fanden logischerweise etliche Testrundgänge statt, um
sich «warmzulaufen», mit Verwandten und Bekannten, die
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Versuchskaninchen spielen mussten, natürlich auch in Begleitung von bisherigen Hostessen. Da hab ich jeweils symbolisch
Blut geschwitzt und geschlottert! Den Fremden konnte man ja
erzählen, was man wollte (schallendes Lachen), die hätten das
ja nicht bemerkt, aber die Kolleginnen halt schon. Aber eben,
schliesslich ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Wir
haben von diesen Probeläufen enorm profitiert.
Bei den Schulklassen ist es so,
dass die Jüngeren am meisten
interessiert sind. Bei den Älteren
ist es die Pubertät, die im Wege
steht.
Was glauben Sie, hat man Ihnen das Lampenfieber angemerkt bei
Ihrer ersten «richtigen Führung», oder haben Sie es den Leuten
gleich selber gesagt?
Ich denke schon, dass man mir das angemerkt hat, das leichte
Zittern in der Stimme. Aber ich sagte gleich zu Beginn der
Führung, dass ich eine blutige Anfängerin sei. Das finde ich
heute noch besser, da haben die Leute auch mehr Verständnis,
wenn man plötzlich eine Sprech-Blockade hat oder nicht sofort
eine Frage beantworten kann.
Was hat sich in der Frischeplattform geändert, heute, im Vergleich
zu damals?
Einiges! Bei der Verpackung Agrar – den Früchten und Gemüsen
– hat es nicht mehr so viele Maschinen, was rein optisch
schade ist. Die Teilautomatisierung in der Kommissionierung
Agrar – TAKA – ist zwar wesentlich effizienter und das
Schleppen schwerer Kisten durch Mitarbeitende gehört der
Vergangenheit an. Ob die Anlage für die Gäste aber ebenso
«nachvollziehbar» ist, da bin ich mir nicht sicher. In der
Kühlzone ist der Querbandsorter seit einigen Jahren in Betrieb,
vorher wurde da noch mit Hubstaplern sortiert. Und in der
Retourenlogistik hat es seit einiger Zeit eine grosse Gebindesortierungsmaschine sowie viele kleinere Maschinen, die Paletten
oder Tainer zusammenstellen, zusammenlegen und vieles andere
mehr.
Beschreiben Sie uns doch, wie so eine Führung abläuft, zeitlich und
organisatorisch.
Meist sind wir Hostessen eine Viertelstunde vor Beginn im
Sitzungszimmer und stellen Film, Beleuchtung und Storen auf
«Start», anschliessend werden die Kaffeetassen oder die Schoggidrinks mit Gipfeli verteilt. Um 09:30 Uhr holen wir die Gruppe im
Shoppy und begrüssen sie im K1/K2, den neuen Sitzungszimmern
79
nahe des Dachparkings. Wir stellen uns vor und erklären den
Ablauf der Führung. Nach dem Info-Film laufen wir in Richtung
Frischeplattform, jede Hostess mit ihrer Gruppe, idealerweise bestehend aus 10 bis 12 Leuten. Jede Führerin richtet ihren Ablauf
so ein, dass wir einander nicht fantasielos hinterherlaufen. Nach
Abschluss der eigentlichen Führung, die ungefähr 90 Minuten
dauert, kommen wir wieder ins K1/K2 zurück, wo Fragen beantwortet werden. Dann verteilen wir die Erinnerungsgeschenke –
eine Mug-Tasse mit Schoggi gefüllt – und verabschieden die Gäste.
Was sind das für Leute, die sich für Führungen anmelden?
Ach, das sind ganz unterschiedliche Gruppen, quer durch alle
Bevölkerungsschichten. Die Lehrer sind dabei zum Teil ganz
Spezielle …
Das gehört erklärt!
Bei den Schulklassen ist es so, dass die Jüngeren am meisten
interessiert sind. Bei den Älteren ist es die Pubertät, die im Wege
steht.
Eigentlich kommen wenig Fragen,
weil viele der Gäste schlicht und
einfach überwältigt sind.
Das heisst?
Womöglich interessieren sich die Achtklässler sogar für die
Führung und was bei uns passiert, aber das darf «man» ja nicht
zeigen, weil man sonst sofort mit «Schleimschleim» und als
Streber bezeichnet wird. Also macht man auf cool, gibt sich
desinteressiert, macht vielleicht sogar einen dummen Spruch in
Richtung Hostess. Kommt doch immer gut an, bei den Teens.
Ist doch lässig, eine Erwachsene «anzuzünden». Viele Lehrer
lassen ihre Schülerinnen und Schüler da «machen», statt den
Tarif durchzugeben und «Troublemakers» zurück auf Startfeld 1
ins K1/K2 zu schicken, um ein Exempel zu statuieren. Aber wir
haben auch ganze feine Schulklassen, regelmässig, mit ebenso
feinen Lehrerinnen oder Lehrern.
Woher kommt der Unterschied?
Ich glaube, es kommt sehr darauf an, wie man selber auf die
Jugendlichen zugeht. Es kommt nämlich postwendend zurück,
wenn die jungen Menschen spüren, dass man Schulklassen nicht
so mag. Die Jungen sind sensitiv für solche Dinge. Eine positive
Ausstrahlung ist da das halbe Leben, und ich denke, die Jugendlichen spüren, dass ich sie leben lasse, wie sie sind, aber ihnen
am Anfang sage, wo die Grenzen sind. Das wird meist akzeptiert,
sonst wiederhole ich mich, unmissverständlich, auch wenn der
eine oder andere Lehrer da grosse Augen bekommt.
Haben Sie auch schon Führungen abgebrochen, weil man Ihnen nicht
zuhören mochte oder die Sicherheitsvorschriften missachtet hat?
Ich habe das zweimal angedroht, dann ging es «häbchläb».
Kolleginnen ist das schon passiert. In solchen Fällen erhalten
wir 100 Prozent Rückendeckung von unseren Chefs, weil diese
wissen, dass Ausserordentliches vorgefallen sein muss, wenn es
zu einem Abbruch kommt.
Was sind die am meisten gestellten Fragen auf dem Rundgang?
Bei Arbeitslosen und Immigranten: Ob wir eine Stelle frei hätten?
Dann: Wer verdient wieviel? Macht Ihnen der Job als Führerin
Spass? Weshalb ist die Migros-Farbe orange? Aber eigentlich
kommen wenig Fragen, weil viele der Gäste schlicht und einfach
überwältigt sind, was bei uns «backstage» abgeht, ich habe das
Gefühl, es verschlage ihnen die Sprache, so wie mir, als ich das
erste Mal überhaupt an einer Führung teilgenommen habe, in
Schönbühl.
Und welche Frage hat man Ihnen erstaunlicherweise noch nie
gestellt?
(Lacht herzhaft) Wer von den Hostessen ist denn noch zu haben?
Antwort?
Da müsste ich schon genauer nachfragen, das kann ich Ihnen
wirklich nicht sofort beantworten.
Welches sind denn Ihre Lieblingsgäste?
Ich liebe Gäste, die mich geistig fordern und herausfordern! Mir
macht es nichts aus, wenn ich die eine oder andere Frage nicht
sofort beantworten kann, weil ich zuerst nachfragen muss. In
solchen Situationen lernt man immer dazu. Dann und wann ist
auch verbale Schlagfertigkeit gefragt, das macht Spass.
Wie vorhin, bei der «noch nie gestellten Frage», die Sie blitzartig
beantwortet haben.
Zum Beispiel, ja.
Welches war bisher die «exotischste» Gruppe?
Jene, die mit Rollerskates auftauchten? Oder jener Zeitgenosse,
der sein Handy «abnahm», als Beat Zahnd einen Vortrag hielt?
Auch schon mal Promis durch das «Innenleben» von Schönbühl
geführt?
Ja, zum Beispiel jene Gruppe, die zum Schluss einen Vortrag von
Beat Zahnd zu hören bekam, wie soeben beschrieben … Wirkliche
VIPs sind für mich Leute, die es nicht nötig haben, speziell
auf sich aufmerksam zu machen. Sie sind dann auch ganz
Unkomplizierte.
Und wem würden Sie die Zentrale denn gerne einmal zeigen?
Barack Obama.
"Im Notfall
sollte man die
ABC-Regeln
kennen ..."
Karin
Helsing
80
81
Karin Helsing
Migros Fahrwangen
Karin Helsing, fallen wir gleich mit der Türe ins Haus. Sie
studieren im zwölften Semester Medizin, stehen also kurz
vor dem Staats-examen. Wie finden Sie da noch Zeit, in der
Migros Fahrwangen Teilzeit zu arbeiten?
Nun, an Wochenenden werden keine Vorlesungen und
Praktika abgehalten ... So ist es durchaus möglich, am Samstag zu
arbeiten, das Wochenende wird dann einfach etwas kürzer, aber
es handelt sich ja meistens nur um jeden zweiten Samstag.
Nun gäbe es ja noch andere Möglichkeiten, Geld zu verdienen, um
das Studium mitzufinanzieren. Weshalb ausgerechnet die Migros?
Und weshalb ausgerechnet Fahrwangen?
Ja klar, wobei ich dazu sagen muss, dass die Migros nicht der
einzige meiner Nebenjobs während meiner Studienzeit ist und
war. Die Stelle bei der Migros ist aber sicher die längste. Das
Ganze hatte schon in der Kantonsschule begonnen: Der damalige
Filialleiter der Migros Fahrwangen suchte eine Samstagsaushilfe,
und da die Mutter einer Kollegin dort arbeitete, wurden wir angefragt, ob wir uns den Job teilen möchten. Ja, so kam es, dass wir
nun seit bald zehn Jahren uns den Job teilen. Meine Kollegin
studiert in der Zwischenzeit Jura. So wechseln wir uns ab,
Samstag für Samstag. Das klappt sehr gut, eine von uns steht
jeweils am Samstagmorgen immer auf der Matte.
Mit medizinischen Fragen wird
man als Medizinstudentin
meist schon im ersten Studienjahr konfrontiert.
seit Gunther von Hagens
«Körperwelten» ist ja auch
das keine Sensation mehr.
Meistens wird über andere
Themen diskutiert, vielfach
auch über Politik und Gesellschaft. Es bringt, so denke ich, auch
einen frischen Wind in eine Filiale, wenn Leute von aussen,
die sonst ganz einen anderen Alltag haben, ihre Ideen und Denkweisen einfliessen lassen.
Und konnten Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen schon mal
medizinische Tipps für ihren Alltag geben?
Ja, das kommt schon manchmal vor, dass gewisse Leute bei mir
Rat suchen. Mit medizinischen Fragen wird man als Medizinstudentin meist schon im ersten Studienjahr konfrontiert, wobei
man dann meist nur sagen kann, dass sich diejenige Person doch
bitte an den nächsten Arzt wenden soll, weil man selber einfach
noch keine Ahnung hat. Ich gebe bei solchen Fragen immer gerne
Auskunft, doch hüte ich mich natürlich davor, irgendwelche Ferndiagnosen zu stellen. Meist geht es den Leuten aber darum, sich
zu informieren, und das finde ich gut.
Wie steht es denn mit Tipps von Ihrer Kollegin, die Jura studiert:
Sind die Leute der Migros Fahrwangen fast alles Hobby-Ärzte und
-Juristen?
Na ja, da müssten Sie sie schon selber fragen, aber ich habe ihr
schon ans Herz gelegt, sich im Medizinrecht zu spezialisieren. Nur
für den Fall der Fälle!
Bevor wir über Ihren zukünftigen Beruf reden: Eine angehende
Akademikerin in der Migros. Wie kommen Ihre Kolleginnen und
Kollegen mit der künftigen Frau Doktor zurecht? Ich weiss, man
müsste sie fragen – aber Sie spüren das ja auch …
Ich glaube, wir kommen sehr gut miteinander zurecht. Die Leute
sind mir in den Jahren, in denen ich nun dort arbeite, doch
ans Herz gewachsen. Ich fühle mich auch nicht wirklich als
«Akademikerin», denn schliesslich lerne ich auch einfach einen
Beruf, dessen Ausbildung eben etwas länger dauert.
Sagen Sie, ist diese «Durchmischung» nicht auch eine Chance
für alle, ihren Horizont zu erweitern, für Sie zum Beispiel, indem
Sie mit den ganz normalen Herausforderungen im Migros-Alltag
konfrontiert werden? Wie gehen Sie mit Ihren M-Erfahrungen um?
Für mich ist die Arbeit in nichtmedizinischen Bereichen sehr
wichtig. Diese Arbeit holt mich jeweils wieder auf den Boden zurück. Es ist ein guter Ausgleich zu meiner sonst sehr kopflastigen
Beschäftigung, und wenn ich mich, so wie jetzt, für Prüfungen
vorbereite, ist es gut, in eine andere Welt einzutauchen. Da wird
mir wieder bewusst, dass, auch wenn ich die nächste Prüfung
«verhaue», das Leben trotzdem weitergeht und Samstag für
Samstag dieselben Leute einkaufen kommen und wie jeden
Samstag – Eisbergsalat kaufen!
Ich könnte mir vorstellen, dass durch Ihr Studium in einer ruhigen
Minute – zum Beispiel in der Pause – Themen aufkommen, die über
Aktionsplakate, die Regalpreisanschrift oder «Sackfrisch» hinausgehen …
Es kommen vielfach angeregte Diskussionen zustande. Aber vom
Studium fliesst da eher wenig ein. Natürlich hat es alle brennend
interessiert, als wir Anatomieunterricht hatten, ob wir da auch
an richtigen Leichen herumschneiden mussten/konnten, aber
Nun aber zu Ihrem Studium, zu Ihrem künftigen Beruf. Weshalb ausgerechnet Medizin? Stammen Sie aus einer Arztfamilie (obwohl ich
im Twixtel keine solche finde – tja, das gehört eben zu anständigen
Vorbereitungen)?
Nein, ich stamme nicht aus einer Arztfamilie. Meine Mutter ist
jedoch medizinische Praxisassistentin, und ich denke, dass sie in
mir das Interesse an der Medizin geweckt hat. Die Anatomie und
die physiologischen Abläufe in unserem Körper haben mich schon
82
immer interessiert, eigentlich allgemein die Naturwissenschaften.
Aber auch die Psychologie und Sprachen ... Ja, und was gibt es für
ein Studium, das alle diese Gebiete in sich vereinigt? Die Medizin
ist ein sehr weitläufiges und vielseitiges Studium. Es gefällt mir
auch, dass ich auch noch jetzt so viele Wege offen habe und mich
noch nicht festlegen muss.
Wo studieren Sie?
Nach zwei Jahren an der Uni Fribourg habe ich an die Uni Basel
gewechselt und studiere dort nun seit bald vier Jahren.
Nun ist also demnächst das Staatsexamen fällig. Was kommt nachher, die Arbeit in einem Spital als Assistenzärztin?
Ja, ich werde gleich nach dem Staatsexamen eine Stelle in der
inneren Medizin antreten. Ich freue mich darauf, endlich
Verantwortung zu übernehmen und privat völlig selbständig und
finanziell unabhängig zu sein.
Wenn ich richtig informiert bin, können Sie ja nach erfolgreich
bestandenem Staatsexamen noch keine eigene Praxis eröffnen,
sondern müssen dafür zuerst doktorieren. Wann können Sie das
frühestens machen, auf welchem Weg?
Es wäre, glaube ich, nicht sehr gesund für Patienten, wenn wir
gleich nach dem Staatsexamen eine Praxis eröffnen dürften! Um
selbständig als niedergelassener Arzt tätig zu sein, muss man
sich nach dem Staatsexamen über etwa fünf bis sechs Jahre
weiterbilden, das heisst in einer Klinik als Assistenzarzt arbeiten,
um dann die jeweilige Facharztprüfung abzulegen. Danach darf
man eine eigene Praxis eröffnen. Nach dem alten Studiengang ist
es möglich, die Doktorarbeit in Medizin bereits während des
Studiums zu schreiben. Diese Dissertation ist jedoch nicht zu vergleichen mit Arbeiten zum Erreichen der Doktorwürde in anderen
Naturwissenschaften. Unsere Arbeit ist viel kleiner und nicht so
zeitaufwendig wie in anderen naturwissenschaftlichen Fächern.
Bei uns geht es mehr darum, diesen Titel zu haben, damit
die Patienten einen auch «Doktor» nennen dürfen. (Lacht) Aber
das machen sie ja sowieso. Die Doktorarbeit ist auch nicht
Voraussetzung für die selbständige Tätigkeit.
Daniel Vasella ist auch Arzt. Ist die Forschung in der Pharma für Sie
eine Option?
Nein, für mich wäre das keine Option, obwohl man zwischen
Forschen und dem Arbeiten in einer Pharmafirma unterscheiden
muss. Forschung gehört zum Arztberuf, denn ansonsten würden
wir in 20 Jahren noch dieselben Fehler machen wie heute und
gewissen Patienten mehr schaden als helfen. Es gibt also auch
die Möglichkeit, den Arztberuf und die Forschung miteinander zu
vereinigen und so zur Verbesserung von Therapien beizutragen.
Dies kann ich mir sehr wohl vorstellen. Doch bei einer reinen
Forschungsstelle würde mir der soziale Aspekt der Medizin fehlen.
Wie man es auch dreht, die Medizin ist ein Geschäft. Auch ich
werde mein Geld einmal mit kranken Menschen verdienen. Doch
es scheint mir ein wesentlicher Unterschied zu sein, ob dabei das
Wohl des Patienten oder die Höhe des eigenen Bankkontos im
Mittelpunkt steht.
Karin Helsing, Dr. med. Wo sehen Sie sich 2020, beruflich?
Vielleicht als Hausärztin in einer Gemeinschaftspraxis auf dem
Land oder als Chirurgin unterwegs in der weiten Welt, die Zukunft
wird den Weg weisen.
Reden wir doch über Aktuelles, über das Desaster, das sich Gesundheitswesen nennt, und wohl eher einem Krankheitswesen gleicht.
Stichwort Pflegepersonal. Längst wird nicht mehr darauf geachtet,
ob eine junge Frau die Freude an der Pflege in sich trägt, eine
Berufung hat, nein, nur noch Schulnoten sind gefragt, eine Matura
muss her. Resultat: Ein Riesenmangel an eigenem Pflegefachpersonal. Ist die Begabung denn so unwichtig?
Das stimmt nicht ganz: Um eine Ausbildung als diplomierte
Pflegefachfrau oder diplomierter Pflegefachmann zu absolvieren
muss man mindestens 18 Jahre alt sein und eine abgeschlossene
Lehre oder die Matura vorweisen können. Es gibt auch die Lehre
«Fachangestellte Gesundheit», die bereits Schulabgängern offensteht und nach deren Abschluss eine Diplomausbildung folgen
kann. Doch leider sind diese Lehrstellen für die Fachangestellte
Gesundheit nicht ausreichend vorhanden. Zudem verdient eine
Pflegefachfrau in Ausbildung nur rund 1000 Franken im Monat.
Dies kann auch ein Hindernis sein, wenn man bedenkt, dass
diejenigen Frauen und Männer, die sich entschliessen, noch ein
Diplom an die Berufslehre zu hängen, meist schon über 20 Jahre
alt sind. Ich denke also, die Matura ist hier das geringste Hindernis.
Forschung gehört zum Arztberuf,
denn ansonsten würden wir in
20 Jahren noch dieselben Fehler
machen wie heute.
Haben dann die fast «studierten» Pflegefachfrauen noch einige
Jahre Praxis, dann ergibt sich in den Spitälern fast eine Konfliktsituation mit Ärztinnen und Ärzten. Wie gehen Sie selber damit um?
Ich sehe das nicht so. Pflegefachpersonen und Ärzte sollten sich
nicht als Konkurrenten ansehen, sondern als Team. Auch nach
sechs Jahren Studium und noch mal rund sechs Jahren Facharztausbildung weiss man noch lange nicht alles und ist immer auf
Leute angewiesen, die auf ihrem Gebiet Experten sind. Klar ist es
letztlich der Arzt, der über die Therapie und das weitere Vorgehen
eines Patienten entscheidet, und das Pflegepersonal ist in diesem
Bereich für die Ausführung zuständig, wie zum Beispiel die
83
Wieso soll ein Spezialarzt mehr
verdienen?
Verabreichung von Medikamenten. Ich bin nun keine gelernte
Pflegefachfrau, doch diese haben durchaus ihren eigenen Kompetenzbereich. Zudem ist man als Assistenzarzt gleich nach dem
Studium froh, wenn eine erfahrene Pflegefachperson auf der
Station ist, die weiss, wie «der Laden läuft», und einem
sagen kann, wo man das Formular für die Anmeldung zur radiologischen Untersuchung findet und wie die abgenommenen
Blutproben nun den Weg ins Labor finden. Pflegefachpersonen
haben einen anderen Bezug und Umgang zu der Institution Spital,
da sie schon viel früher im Berufsleben Fuss fassen und dadurch
praktischer veranlagt sind, wogegen wir als Ärzte mit viel
theoretischem und etwas praktischem Wissen ins Berufsleben
entlassen werden. Dies ist fast nicht zu verhindern, doch umso
wichtiger ist die gute Zusammenarbeit, denn man kann sich so
sehr gut ergänzen.
Ich behaupte, niemand hat ein wirkliches Interesse daran, die
Kostenexplosion im Gesundheitswesen einzudämmen: Die Forschung
nicht, die Pharma nicht, die Spitäler nicht, die Ärzte nicht, die
Krankenkassen nicht, die Patienten auch nicht, weil sie ja hohe
Prämien zahlen und alle Dienstleistungen in Anspruch nehmen
wollen, wenn sie mal krank sind. Von den Politikern will ich gar
nicht erst reden, die wollen a priori wiedergewählt werden. Teilen
Sie meine Ansicht? Wo müsste man ansetzen?
Das kann man schon so ausdrücken, wobei es sich dabei nicht
wirklich um eine «Kostenexplosion», sondern einfach um eine
überproportionale Zunahme der Kosten handelt. Wenn sich diese
in Zukunft so weiterentwickeln, ist uns allen bewusst, dass wir
das irgendwann nicht mehr bezahlen können.
Ihr persönliches Anliegen zum Thema?
Dass sich für den einzelnen Patienten der Zugang zum Gesundheitssystem nicht verschlechtert. Um dies zu erreichen, sollten
wir unbedingt die Hausärzte stärken, da diese eine gewisse
Triagefunktion einnehmen, vieles selber erledigen können und erst
noch am preisgünstigsten arbeiten.
Hoppla!
(Lacht) Naja, das war nun etwas böse, aber ich sehe nicht ein,
warum ein Spezialist zum Teil für dieselbe Dienstleistung ein
Vielfaches mehr verdient. Ein Allgemeinmediziner hat schliesslich
auch eine Facharztausbildung und ist mindestens so gut qualifiziert in seinen Tätigkeiten. Wieso soll dann ein Spezialarzt
mehr verdienen? Zudem wird die Entwicklung zu grossen
Zentrumsspitälern und zum Teil der Auflösung von kleinen
peripheren Spitälern nicht aufzuhalten sein. Ob dies allerdings die
Lösung auf das Problem sein wird, weiss ich auch nicht.
Werden Greise ins Spital eingeliefert, werden sie gründlichst
untersucht, mit allem, was die moderne Medizin zu bieten hat,
anschliessend werden sie im Höchstalter zum Teil sogar noch
operiert. Hat das alles mit dem Eid des Hippokrates zu tun – oder
doch eher mit der Amortisation der Hightech-Geräte? Ich weiss,
eine unanständige Frage, dennoch sei sie gestellt.
Soviel ich weiss, widerspricht diese Handlung sicher nicht dem
Eid des Hippokrates. Ich bin der Meinung, dass jeder, unabhängig
des Alters, selbst entscheiden darf, welchen Eingriffen er sich
unterziehen möchte. Meist sind es nämlich dann die Patienten
selbst, die sich im hohen Alter heroischen Therapien nicht mehr
unterziehen möchten. Als Ärztin biete ich dem Patienten jeweils
die möglichen Therapieoptionen an, bespreche mit ihm deren
Vor- und Nachteile, Risiken und Erfolgsaussichten. Nach diesen
Informationen liegt die Entscheidung allein beim Patienten. Im
Notfall und bei Bewusstlosigkeit des Patienten ist diese Entscheidung natürlich nicht sehr trivial. Aber nur anhand des Alters darf
man auch da sicher nicht entscheiden.
Sagen Sie, als künftige Ärztin: Konnten Sie in der Migros
Fahrwangen schon mal Erste Hilfe leisten?
Nein und ich hoffe auch nicht, dass dies notwendig sein wird.
Schliesslich sollten aber alle wissen, wie man in einem Notfall
reagieren muss.
Nämlich?
Ambulanz informieren und ABC-Regeln anwenden! Wem dies nun
nichts mehr sagt, sollte sich beim nächsten Samariterverein vielleicht um einen Auffrischungskurs in Erster Hilfe informieren
(schmunzelt).
"Ist das
Streben nach
unserem
Lebensstandard
..
gefahrlich?"
Maya
Kelterbor
84
85
Maya Kelterborn
Klubschule,
Bern
Maya Kelterborn, eigentlich müssten wir Sie ja als «Frau Doktor»
ansprechen, denn …
(Lacht) Lieber nicht! «Frau Dr. Kelterborn» ist meine Grossmutter! Damals war es ja noch ziemlich ungewöhnlich, dass eine
Frau studierte und dann gar den Doktor machte. Heute ist das ja
glücklicherweise nicht mehr so selten.
Bevor ich es vergesse: Kelterborn. Sind Sie mit dem Schweizer
Komponisten und Dirigenten Rudolf Kelterborn verwandt?
Ein Urururururgrossvater, der aus Deutschland einwanderte, er
hatte elf Kinder … Es gibt da zum Beispiel auch einen ehemaligen
Stadtrat von Thun gleichen Namens. Rudolfs Vater war glaube ich
ein Cousin meines Grossvaters. Oder ein Coucousin. Persönlich
kenne ich ihn nicht, obwohl ich ihn natürlich schon gesehen und
vor allem auch gehört habe. Vielleicht sollte ich wieder mal
ein Konzert besuchen (schmunzelt). Anlässlich seines achtzigsten
Geburtstages nächstes Jahr gibt es sicher einige Aufführungen.
So, und jetzt wird es bereits schwierig für mich …
Für mich dafür hoffentlich leichter … Vielleicht fragen Sie mich
ja etwas, zu dem ich mehr sagen kann.
Ich denke schon. Meine Unwissenheit auf jenem Gebiet, auf das ich
mich jetzt wage, verstecke ich stinkfrech hinter der wunderbaren
Ausrede, dass ich mich bewusst «bodenständig» mit Ihnen über
China unterhalten möchte, damit unser Gespräch auch für unsere
Leserinnen und Leser zum Genuss und nachvollziehbar wird.
Das möchte ich auch! Das Schöne an der «aare-info» ist ja gerade,
dass man versteht, was drin steht und es erst noch Spass macht.
Hoppla, danke für das Kompliment! Ja, die «aare-info» soll
bewusst nicht «hochgestochen» daherkommen. Also, soweit ich
orientiert bin, da waren Sie Deutschlehrerin in China. Bevor wir
dahin gehen: Welchen Ausbildungsweg haben Sie genommen?
Nach der Matur – lang, lang ist’s her – habe ich die Ausbildung
zur Primarlehrerin absolviert, um später in der Wahl eines
Studienfachs nicht auf eine fürs höhere Lehramt sinnvolle
Fächerkombination eingeschränkt zu sein (lacht).
So im Sinne von «Deutsch
und Geschichte»?
Genau. Ich wollte etwas
wirklich Fremdes lernen, und Sprachen faszinierten mich damals
schon. Wie hängen Sprache und Denken zusammen? Bei uns ist die
Logik wichtig: Wenn A,
dann B. Zuerst dieses,
danach jenes. Dazu
passt doch, dass wir beim Schreiben das, was wir hören, in
akustische Einzelteile zerlegen, beziehungsweise alle Wörter aus
26 Buchstaben zusammensetzen. Die alten Chinesen hingegen
erfanden für jeden Begriff, für jedes Wort ein eigenes Zeichen.
Denken sie auch anders als wir? Oder kann man ohne Sprache
denken? Von China wusste ich nichts, aber Sinologie schien die
perfekte Wahl.
Ergo haben Sie angefangen, Chinesisch zu studieren.
Ja, und Deutsch natürlich auch. Nach zwei Jahren Studium
war ich dann 1980 zum ersten Mal in China, zwei Monate. Und
war tief beeindruckt. China war dabei, sich zu öffnen, und die
Menschen bauten wirklich an ihrer Zukunft. Das war so anders,
als ich die Schweiz damals erlebte, so festgefahren und behäbig.
Da habe ich den Vorsatz gefasst, etwas – bitte verstehen Sie
jetzt das Folgende nicht als hochnäsig oder eingebildet – zum
Aufbau dieses Landes beizutragen.
Ich war tief beeindruckt.
China war dabei, sich zu öffnen,
und die Menschen bauten
wirklich an ihrer Zukunft.
Wie sind Sie das denn angegangen?
Nun, was kann jemand, der nur reden kann? Ein bisschen besser
Französisch lernen, um in China zwei Sprachen unterrichten zu
können, denn der Kontakt nach aussen würde jetzt rasant wichtiger werden … So habe ich ein Semester in Frankreich absolviert,
danach studierte ich in Hamburg weiter (beginnt zu lachen).
Was belustig Sie daran?
Ach, diese Zeit … WG, Pfingstmärsche, autofreie Sonntage, Demos
gegen AKW, nächtelange Diskussionen ...
Gehörte zu einem Studi wohl dazu, ich hatte auch so ein tolles
«Stop FA-18»-T-Shirt, ohne studiert zu haben.
Ja, das gehörte tatsächlich dazu, wohl auch als Gegengewicht
neben einem Studienfach, bei dem man Dinge lernt, die sich am
anderen Ende der Welt zugetragen haben, zu einer Zeit, als die
Helvetier noch auf den Bäumen lebten. Ich habe aber nie bedauert, dieses Fach gewählt zu haben, zumal ich mit den Lehrenden
grosses Glück hatte. Sinologie ist so vielseitig! Man lernt
natürlich die Sprache – oder besser gesagt Sprachen, denn was
heute gesprochen wird, unterscheidet sich von der alten Sprache
stärker als Italienisch von Latein -, Literatur, Geschichte und
Philosophie, moderne Politik und Kunstgeschichte, Geographie,
Religionsgeschichte und, und, und … Ich muss allerdings
86
gestehen, dass ich von all den
vielen Dingen nur sehr wenig
weiss, oder nur von wenigen ein
bisschen etwas verstehe ...
Was war nach 1986?
Nachdem ich 1986 das Studium endlich abgeschlossen hatte,
wollte ich das China der Gegenwart kennenlernen und suchte
deshalb Arbeit im Land der Mitte. Gefunden habe ich meine
Stelle als Deutschlehrerin am Institut für Leichtindustrie in
Tianjin, dann über den Freund des Bruders des Ex-Freundes
einer chinesischen Kommilitonin.
Eine lehrreiche Zeit, nehme ich an …
Das können Sie laut sagen! Eigentlich habe ich zwar vor allem
viel erlebt. Und so viel Herzlichkeit erfahren! Einmal sprach
mich auf der Strasse ein junges Mädchen an. «Ich kenne dich!»
Ich schaute sie an: Langer, dick wattierter Mantel, Kappe tief in
die Stirn und das Gesicht hinter einem Mundschutz versteckt –
keine Ahnung, wer sie war. «Ich habe dir doch letzte Woche
Bleistifte verkauft im Warenhaus!», und stolz präsentierte
sie mich ihren Freunden. Es war eine ganz spezielle Zeit,
meine Klasse dort ist mir schnell ans Herz gewachsen. Da die
Studenten aus ganz China kamen, waren wir alle «fern von zu
Hause» und auch ausserhalb des Unterrichts oft zusammen. Das
tat auch meinen Chinesischkenntnissen gut und vor allem dem,
was man heute «interkulturelle Kommunikation» nennt.
Wie würden Sie es denn nennen?
Nun ja, was macht Kommunikation aus? Man muss wissen, in
welcher Situation was für ein Verhalten erwartet wird. Tut oder
sagt man etwas anderes, wird es lustig. Oder brenzlig. Meist
habe ich Fettnäpfchen gesammelt – man sollte einem Vorgesetzten gegenüber auch auf Anfrage hin seine Meinung nicht
äussern, ohne sich vorher nach seiner zu erkundigen – oder
mich völlig überflüssigerweise aufgeregt. So empfand ich es
beispielsweise als Ärgernis, dass mich der Portier des Gästehauses jedes Mal fragte, wohin ich gehe. Bis ich realisierte, dass
man hier eben nicht «Auf Wiedersehen» sagt, sondern je nach
Situation beispielsweise «Ruhst du dich aus?» oder eben
«Wohin gehst du?». Ich konnte also schlicht «Ich gehe weg»
antworten. (Schmunzelt.) Nun ja, jedenfalls liess er es durchgehen. Angestarrt werden, das war auch eine neue Erfahrung.
Meist war die Aufmerksamkeit freundlich, und es ergaben
sich Gespräche. Manchmal überwog aber die Fremdheit. Blonde
Haare? Das muss man doch anfassen! Das ist heute natürlich
anders. Ausländer gehören in den Städten dazu wie bei uns.
Wie lange waren Sie in Tianjin?
Insgesamt knapp drei Jahre. Nach einem guten Jahr habe ich an
eine richtige Uni gewechselt, wo ich weitere eineinhalb Jahre
blieb. Mit einigen Studenten aus jener
Klasse habe ich bis heute Kontakt. Ausserdem ist Tianjin eine sehr interessante
Stadt. Knapp 200 km von Beijing entfernt
war es eine der Städte, deren Hafen Ende des 19. Jahrhunderts
den Kolonialmächten geöffnet wurde. 1976 wurde ein grosser
Teil der Stadt durch ein Erdbeben zerstört, aber alte Häuser
blieben stehen: Ein deutscher Bahnhof, eine französische Kirche
und einige Strassenzüge mit Wohnhäusern wie in England. Nebst
einigen Prachtbauten im Zentrum. Es wurde die ganze Zeit mächtig
gebaut, sogar die Ausländer wurden «eingespannt» beim
Strassenbau! Man merkt aber, dass der Bürgermeister von
Tianjin ursprünglich Architekt war. In Beijing sehen viele
Gegenden aus, als habe ein Riese ein paar Bauklötze verloren,
während die neuen Quartiere in Tianjin immer ein kleines
Zentrum mit Markt, Apotheke, Buchhandlung und Post bekamen.
Ausserdem wurden in der Stadt Gasleitungen verlegt, so dass die
kleinen Kohlekochstellen ersetzt wurden, was der Luft sichtbar
gut tat. Als ich vor gut zehn Jahren wieder einmal in Tianjin war,
erkannte ich sozusagen nichts wieder.
Wenn ich richtig informiert bin, hat Sie der Aufstand auf dem
Tiananmen-Platz in die Schweiz zurückgetrieben. Wie haben Sie die
Zeit damals in China erlebt?
Die Zeit vor diesem 4. Juni war total spannend. So viel Enthusiasmus! Viele Studenten meiner Uni waren in Beijing, die ihre
Kommilitonen immer auf dem Laufenden hielten. Bemerkenswert
waren die Medien: Eine Live-Übertragung eines Gespräches
zwischen den Demonstranten und einem Präsidenten, der den
Raum nach einiger Zeit wutentbrannt verlässt, würde es wohl
nicht einmal hier geben.
Diese Bilder waren abscheulich
und wurden im objektiven
Westen nicht gezeigt, soviel ich
weiss.
Damit war dann aber Schluss, nicht wahr?
Das änderte sich schlagartig ab dem 5. Juni 1989: Keine
Gespräche mehr auf den Strassen, aber im Fernsehen immer
wieder Bilder von Steine werfenden Demonstranten, zerstörten
Panzern, verletzten und geschlachteten Soldaten. Diese Bilder
waren abscheulich und wurden im objektiven Westen nicht
gezeigt, soviel ich weiss. Dort sah man dafür Aufnahmen von
verletzten Studenten, von Panzern, die über die Zelte rollten –
heute noch über Internet in China nicht zu sehen. Mich beeindruckten vor allem zwei Dinge.
87
Nämlich?
Erstens, dass der Deutschunterricht auf Wunsch der Studenten
wieder aufgenommen wurde. Das war wenigstens etwas, an dem
man sich halten konnte, etwas, das sich nicht verändert hatte.
Zweitens meine Reaktion auf die Dauerberieselung der Medien. Obwohl ich mich doch für einen denkenden Menschen halte, obwohl
ich wusste, dass die Bilder nur einen Teil der Geschichte erzählten,
begann ich irgendwann zu zweifeln. Und verstehe, dass «die
Chinesen» heute anders über den Aufstand denken als die Westler:
Wer nicht dabei war, bekam hier wie dort etwas ganz Unterschiedliches zu sehen. Aber ich hatte immer geplant, im Sommer 89
zurückzukommen, das hat mit dem Aufstand nichts zu tun.
Punkto Gleichberechtigung
könnten wir uns eine Scheibe
abschneiden. Nicht nur wegen
des Lohns.
Und dann, in der Schweiz?
Ich musste mir eine Arbeit suchen und habe diese in der Klubschule Bern gefunden. Eingestellt wurde ich als Deutschlehrerin
für Intensivkurse und für die Verwaltung der Klubhauskonzerte,
dann arbeitete ich als pädagogische Beraterin in Thun und
leitete die Sprachabteilung in Bern. Inzwischen bin ich (lacht) in
der Informatik gelandet und amte als «dargebotene Maus»,
wenn unser geliebtes SAP Campus nicht wie wir will.
Haben Sie Chinesisch unterrichtet?
Da meine Sprachkenntnisse etwas eingerostet sind, habe
ich dieses Feld vor gut zehn Jahren den echten Chinesen überlassen. Aber jetzt gerade unterrichte ich eine Zweiergruppe
«Chinois», denn die chinesische Lehrerin in Biel spricht kein
Französisch.
So weit also zu Maya Kelterborn als China-Kennerin. Ich bin sicher,
dass die Leserinnen und Leser noch gerne einiges zu Ihren Erlebnissen in China wissen möchten.
Was möchten Sie denn hören?
Stimmen gewisse Clichés?
Ja, ich habe mal geröstete Heuschrecken gegessen, auch Hund,
aber keine Schlangen. Nein, Chinesen verwechseln L und R
eigentlich nicht. Aber je nach Herkunft kann F und H oder N und
L schwierig zu unterscheiden sein. Nein, nicht alle Chinesen
essen täglich Reis, die Küche ist je nach Region sehr, sehr
unterschiedlich. Aber ja, ein chinesischer Lehrer hat in Deutschland sehr gelitten, weil er weder Brot noch Kartoffeln essen
wollte. Nein, vor einigen Wochen habe ich einem chinesischen
Bekannten Fondue vorgesetzt und es schmeckte ihm sehr! Ja,
ich wurde oft nach meinem Lohn gefragt. Öfter jedoch nach dem
Alter und wie viele Kinder ich hätte. JA! Inzwischen hat es sich
aber herumgesprochen, dass Ausländer befremdet reagieren,
wenn man sie mit solchen Fragen überfällt (lacht).
Wie isst es sich denn, beim «Chinesen» in China?
Einmal hatte ich an einem Stand eine Schale Nudeln gekauft. Sie
schwammen in einer verlockend duftenden Suppe – aber es gab
nur Stäbchen dazu. Ein Kunde sah meine Schwierigkeiten und
machte es mir mit breitem Grinsen vor: Schale bis fast zum
Mund heben, Nudeln packen und genüsslich einschlürfen. Es
funktioniert! Zum Essen im Restaurant: In kleineren Lokalen war
die Speisekarte – so überhaupt vorhanden – von Hand geschrieben, für mich unleserlich. Und sogar wenn ich es lesen konnte:
Was stellen Sie sich unter «Bettlers Vergnügen» oder «Ameisen
steigen auf den Baum» vor? Glücklicherweise sind Chinesen
sowohl hilfsbereit als auch phantasievoll. Einmal beendete der
Koch meine vergeblichen Versuche, der Kellnerin klar zu
machen, dass mein Freund kein Fleisch essen wollte, indem er
mir eine dicke Tomate unter die Nase hielt: «Willst du das?»
Haben Sie auch Erfahrungen mit der chinesischen Medizin gemacht?
Ja, denn ich habe Asthma, und das wurde in einer kohlebeheizten Industriestadt nicht besser. Also habe ich mich mit
Akupunktur behandeln lassen. Ausserdem kamen Schröpfgläser
zum Einsatz und dann die «Kräutermedizin»: Die ist nicht ganz
vegetarisch! Einmal bekam ich einen 20 cm langen Tausendfüssler (getrocknet) zum Mitkochen. Gemahlene Grillenpanzer
habe ich gegessen, ein in einer Kröte gekochtes Ei – dafür zogen
meine Studenten auf Krötenfang, als wäre das ganz normal …
Wie beurteilen Sie die Entwicklung in China, innenpolitisch?
Die Werte haben sich verändert. Nach dem 4. Juni 1989 sagten
meine Studenten plötzlich: «Vergessen wir die Ideologie, jetzt
wollen wir erst einmal reich werden. Dem Tüchtigen gehört
die Welt!» Wer etwas mehr Skrupel oder weniger gute
Beziehungen hat, bleibt da allerdings leicht auf der Strecke, wie
ein Deutschlehrer-Kollege von mir, der fast zerbrach, als seine
Tochter in einer ausländischen Firma pro Monat mehr verdiente
als er im Jahr. Dabei ist er ein hochgebildeter Mann mit ordentlicher Professur. Während 1980 alle wenig hatten und kaum
jemand mehr, gibt es heute sehr Reiche neben mausarmen
Menschen. Und jeder sieht, auf der Strasse oder im Fernsehen,
was er nicht hat. Das macht eine Gesellschaft nicht stabiler.
Sagen Sie, wie steht es eigentlich mit der Gleichberechtigung
Mann/Frau?
Punkto Gleichberechtigung könnten wir uns eine Scheibe abschneiden. Nicht nur wegen des Lohns. Es ist üblich, dass in
88
China beide Ehepartner arbeiten und sich daheim die Arbeit
teilen: Männer kochen, putzen, bringen die Kinder zur Schule
oder in die Kita und waschen, nota bene ohne Waschmaschine! Und bei aller Kritik darf man die Riesenschritte nicht
vergessen, die China in den letzten 70 Jahren gemacht hat.
Vom Ochsenpflug zur Rakete, vom Analphabetismus ins Internet,
von der Leibeigenschaft zu ziemlich viel Freiheit in ziemlich
vielen Bereichen. Wie lange dürfen die Appenzellerinnen schon
abstimmen?
Jaja, schon gut … Nobody is perfect. Seit 1990, durch einen Bundesgerichtsentscheid, denn bei der Landsgemeinde hatte eine Mehrheit
der Männer den Frauen das Stimmrecht verweigert. Zurück nach
China: Stichwort Menschenrechte.
Hier polemisiere ich jetzt ein bisschen: Verletzen wir die
Menschenrechte der Rätoromanen, weil sie nicht in ihrer Muttersprache studieren können? Weil sie ohne Kenntnis mindestens
einer grösseren Landessprache keine gut bezahlte Stelle
finden? Auf welcher Seite stehen unsere Sympathien, wenn im
Baskenland eine Bombe explodiert? Xinjiang ist viel weiter weg,
aber bei den Unruhen dort ist uns ganz klar: Die bösen
zentralistischen Chinesen unterdrücken eine Minderheit.
Hoppla, klare Worte, ungewohnte.
Mein Bruder, der letzten Sommer mit mir in Urumqi war, fasste
es so zusammen: Es ist nicht so einfach, wie es nach der
Lektüre unserer Zeitungen scheint. Ich war entsetzt, als ich in
Xinjiang realisierte, dass der Staat den SMS-Versand oder das
Internet kappt. Einfach so. Dass Menschen willkürlich eingesperrt oder ohne Verhandlung festgehalten werden, finde ich
nicht nur in China unentschuldbar. Aber: Kinder werden auf
uigurisch unterrichtet und lernen Chinesisch als erste Fremdsprache. Es gibt schöne und gut besuchte Moscheen in Xinjiang.
Die uigurischen Frauen tragen bunte Kleider, manche ein Kopftuch, andere nicht. Sie fahren Töff, essen im Strassenrestaurant,
führen ein Geschäft, sind sichtbar und aktiv in der Gesellschaft.
Wenn ich lese, wie es in anderen muslimischen Staaten aussieht, bin ich sehr froh, dass China sich dem entgegenstellt.
Auch wenn ich es lieber sähe, es wählte andere Mittel dazu.
Was ist denn von der «Masseneinwanderung von Chinesen nach
Xinjiang» zu halten?
Ich habe verschiedene Chinesen gefragt, wie lange sie schon
in Xinjiang seien und warum sie kamen. «Nach der Überschwemmung – oder Dürre oder Erdbeben – in meinem Heimatdorf» war fast immer die Antwort, oder «bei uns gab es keine
Arbeit». Die meisten kamen freiwillig, beziehungsweise liessen
sich durch Anreize zum Umzug bewegen: Ein grösseres Stück
Land, Beihilfe beim Hausbau, bessere Arbeitsmöglichkeiten
als bisher. Aber spielen Sie mal Präsident: Ein Teil Ihres Landes
ist zu dicht besiedelt, die Menschen finden schon ohne Natur-
katastrophe kaum mehr ein Auskommen. Ein anderer Teil des
Landes ist fast leer und Sie brauchen dort Arbeitskräfte. Würden
Sie nicht auch eine Umsiedlung forcieren?
Maya Kelterborn, das ist schon beinahe unanständig, was Sie da mit
mir veranstalten. Aber zu akzeptieren. Besteht denn für den Westen
wirtschaftlich die «gelbe Gefahr»?
Ich bin in die Klubschule gekommen, weil ich meine Arbeit
hier mit dem allerbesten Gewissen tun kann: Den Teilnehmenden
zu zeigen, was sie alles lernen können, wie sie persönlich
weiterkommen, wie bereichernd das Lernen einer Sprache ist.
Was gibt es Schöneres? Als ich 1980 in Beijing landete,
erwartete ich, die «blauen Ameisen» in ihren Mao-Anzügen zu
sehen, traf jedoch auf warmherzige, neugierige, vorsichtige,
hoffnungsfrohe und fähige Menschen. Viele sind ausserordentlich
tüchtig, fleissig und erfinderisch. Sie sind weniger verwöhnt als
wir, und natürlich gibt es auch Schlitzohren. Sie wollen ein
besseres Leben, streben nach unserem Lebensstandard. Ist das
gefährlich?
Ich weiss es nicht. Dennoch möchte ich weiterbohren: Viele Verkäufer von chinesischen Produkten behaupten, ihre Lieferanten
in Bezug auf Arbeitsbedingungen zu überprüfen, fordern einen
gewissen Standard. Ist das denn überhaupt möglich? Weht nicht
ganz einfach ein anderer – ein positiver – Wind, wenn die ausländischen Delegationen in den Fabriken zu Besuch sind?
Sehen Sie: Diese Aussage finde ich typisch. Wegen der Ausländer
muss in einem chinesischen Betrieb sofort alles besser sein
oder wenigstens aussehen. Sagt das etwas über chinesische
Betriebe aus oder über unsere Selbstwahrnehmung? Habe ich
nicht letzthin etwas von Swet-Shops in der Nähe von Frankreich
gelesen? Wenn wir faire Arbeitsbedingungen verlangen, müssen
wir als Konsumenten auch faire Preise für die Produkte bezahlen. In der Migros kann man mit wenig Geld hübsche Stofftierchen kaufen, made in China. Was verdient wohl die Arbeiterin, die sie genäht hat?
Was empfehlen Sie der Migros in dieser Beziehung, die ja ein
eigenes Büro in Hong Kong betreibt?
Ich werde mich hüten, jemandem etwas zu empfehlen, der das
sicher besser weiss als ich! Ich gehe davon aus, dass die
Mitarbeiter des Büros nicht nur als offizielle Delegation in die
Nähe ihrer Produktionsstätten gehen, sondern sich auch mit
der «lokalen Bevölkerung» unterhalten, sich umhören, sich
umsehen. Und ich bin sicher, dass sie zwar Dinge finden, die
verbessert werden können oder müssen. Wo wäre das nicht der
Fall? Sie werden aber auch vieles finden, was wirklich gut läuft.
Denn: Auch den Chinesen ist bewusst, dass wir nur eine Welt
haben. Gibt es doch eine alte Redensart, um kurzsichtiges
Verhalten lächerlich zu machen: Nur der Allerdümmste verspielt
den grossen Nutzen wegen des kleinen Vorteils!
Jacqueline
Klossner
89
..
"Plotzlich war
ich zweifache
Weltmeisterin!"
90
Jacqueline Klossner
Bernaqua Erlebnisbad + SPA,
Westside
Eine Vorbemerkung zu
diesem Interview: Von
einem Fitness-Kunden des
Bernaqua – von Herrn B. –
haben wir einen begeisternden Brief erhalten. Der
Partner eines grossen Treuhandunternehmens hat eine lange Unfall- und Krankengeschichte. In
seinem Brief schildert er uns, wie er dank Jacqueline Klossner als
Personaltrainerin sozusagen «wieder zurück ins normale Leben»
gefunden hat, Schritt für Schritt, im wahrsten Sinne des Wortes.
Aber klar, ich verstehe die Frage, Ihre Bedenken: Wenn ich mir
nicht sicher bin, inwieweit ein Medikament dem Training eines
Patienten hinderlich sein könnte, bitte ich ihn, mit seinem Arzt
darüber zu reden. Ich will jedes Risiko zum vornherein ausschliessen.
Jacqueline Klossner, dieser Kunde, vom dem die Rede ist, Herr B.,
weshalb hat er Sie aufgesucht? Wie kam es dazu?
Auf Grund seiner Krankengeschichte hat er sich für einen
Personal Trainer entschieden. Das Westside hat er sich aus
«nahe liegenden Gründen» ausgesucht – er wohnt in der Nähe
–, worauf er mit Boris Caminada in Kontakt kam, dem Leiter des
Bernaqua Fitness. Und Boris hat Herrn B. empfohlen, wenn schon,
dann «die Beste» zu nehmen (lacht schallend), mich!
Wie haben Sie die Fortschritte von Herrn B. erlebt?
Sie gehen mir aber ganz forsch zur Sache.
Ohne, dass wir direkt ins Medizinische abgleiten, und weil ich davon
eh nichts verstehe: Was war sein grösstes Problem?
Er hatte Schwierigkeiten mit seiner Balance, er hatte starke
Gleichgewichtsstörungen, konnte nicht einmal mehr auf
eine seiner vorher geliebten Wanderungen, weil er ständig
stolperte.
Wie haben Sie sich mit Herrn B. besprochen, was wurde abgemacht?
Ich habe auch mit Herrn B. das gemacht, was wir immer
machen, nämlich den «Ist»-Zustand analysiert.
Das heisst?
Wir müssen wissen, mit wem wir es zu tun haben, und das geht
natürlich weit über die persönlichen Daten hinaus wie Adresse,
Körpergrösse, Alter oder Gewicht. Wir messen beispielsweise den
Umfang seiner Hüfte, seiner Taille, machen einen Krafttest mit ihm …
… was ist das, Zementsäcke schleppen?
(Lacht) Äuä! Kniebeugen, Klimmzüge, Liegestützen, dann messen
wir Blutdruck, checken den Puls im Ruhezustand, messen das
Körperfett, wollen allerhand wissen, zum Beispiel, ob er Raucher
ist, ob er chronische Krankheiten hat, ob er Medikamente einnimmt – und noch einiges mehr.
Halt! Stichwort Medis. Wie wollen Sie – als Nicht-Apothekerin
oder -Ärztin – wissen, wofür ein Medi gut ist und wie es den
Körper beeinflusst?
Also, da kann man sich inzwischen extrem gut im Internet schlau
machen, abgesehen davon, dass ich mir auch diesbezüglich in
den letzten Jahren natürlich einiges an Wissen angeeignet habe.
Zurück zur Frage: Was wurde abgemacht, mit Herrn B.?
Wir haben uns natürlich ganz intensiv über seine Beweggründe unterhalten, weshalb er denn einen Personal Trainer
aufsucht. Und ich glaube, man kann seinen Wunsch in einem
Wort zusammenfassen: Lebensqualität!
Ist halt so meine Art …
Also beantworte ich die Frage sofort und komme dann erst
auf einige wichtige Zwischenstationen zurück: Die Fortschritte
von Herrn B. sind … unglaublich! Wirklich … unglaublich! Heute
macht er Balance-Übungen wie ein Spitzensportler, auch im
koordinativen Bereich, wenn er zum Beispiel auf einem Ball steht
und ich ihm dann etwas zuwerfe – und er mir zurück. Es ist
wirklich unglaublich!
Heute macht er BalanceÜbungen wie ein Spitzensportler,
auch im koordinativen Bereich.
Es ist unglaublich!
Wie sind Sie im Fall von Herrn B. vorgegangen?
Wie gesagt, er hatte Gleichgewichtsstörungen, und deshalb
haben wir sozusagen bei null begonnen: «Versuchen Sie, auf
einem Bein zu stehen.» Dann ging es weiter, Schritt für Schritt.
Stehen Sie jetzt auf beiden Beinen?
(Überlegt kurz, was die Frage soll, dann schallendes Gelächter)
Sicher nid!! Ein nächster Schritt heisst immer Progression.
Bei Herrn B. kam bei verschiedenen Übungen ein instabiler
Untergrund dazu, zuerst habe ich ihn gehalten, mit der Zeit
immer weniger, zum Schluss konnte er bei einer bestimmten
Übung selber ausbalancieren. Wichtig dabei ist, dass man einen
Teilnehmenden fordert, aber nicht überfordert.
Das heisst?
Eine Progression gibt es nur, wenn eine Übung «sitzt», wenn
nicht, gehen wir eine Stufe zurück, damit der Teilnehmende auch
wieder zu seinem Selbstvertrauen findet.
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Reden Sie eigentlich mit Ihren Gästen – oder wie nennen Sie sie?
Kunden?
Kundinnen und Kunden. Ja, ich rede während des Kurses ständig
mit ihnen. «Wie fühlst du dich?», ich checke ihren Puls, bin ständig
bei und mit ihnen, sonst wäre ich ja kein Personal Trainer.
Wie erleben Sie Herrn B. heute?
Es ist fantastisch mit ihm, wir haben auch ein extremes
Vertrauensverhältnis aufgebaut. Ich empfinde das nicht als ein
normales Verhältnis Teilnehmer/Personal Trainer, es ist mehr wie
ein … (denkt lange nach) nein, Vater-Tochter-Verhältnis ist der
falsche Ausdruck, wir sind einander einfach sympathisch. Und
darauf kommt es ja an, wenn man zusammen etwas erreichen will.
Sagen wir es auch so: Sie können noch lange zu einer Coiffeuse
gehen, die toll schneidet, Ihnen aber total unsympathisch ist – Sie
werden sich nach einem anderen Coiffeur umsehen.
Jacqueline Klossner, nun wollen wir nicht gerade bei
«Adam & Eva» beginnen, deshalb direkt in medias res: Was für
eine Ausbildung haben Sie eigentlich abgeschlossen?
Ich bin ursprünglich Primarlehrerin, war am Lehrerseminar in der
Länggasse Bern und dann in der Lerbermatt Köniz. Unterrichtet
habe ich von 1985 bis 1997 in Schliern. Parallel dazu habe ich
mich im Bereich Fitness engagiert, habe viele Kurse besucht und
war dann in erstaunlich kurzer Zeit auf «nationalem» Niveau,
auch dank der Ausbildung bei der Swiss Academy of Fitness &
Sports SAFS. So ergab es sich, dass ich im Laufe der Jahre
immer weniger «Schule» gab, mich aber immer mehr in der
Fitness engagierte, vor allem im Raum Zürich, so dass ich dann
in jene Gegend zügelte. Dort gebe ich heute auch Schule.
Habe ich das richtig verstanden? Sie sind Primarlehrerin im Züribiet
– und arbeiten gleichzeitig im Bernaqua? Wie geht denn das?
Das ist eine längere Geschichte …
… die sich bestimmt auch ganz kurz skizzieren lässt.
Ich habe dort den Spagat gemacht. An erster Stelle standen
Fitnesskurse, dazu bin ich auch wieder in den Lehrerberuf
eingestiegen. Heute ist es so, dass ich Montag, Dienstag und
Mittwochmorgen in Dietikon Schule gebe, am Mittwochnachmittag, Donnerstag und Freitag im Bernaqua bin.
heute Leiter des Direktionsbereichs Freizeit. Zurück zu Ihnen,
Jacqueline Klossner.
Boris hat mich in Zürich angerufen und mir angeboten, den Bereich Personal Trainer aufzubauen. Ich habe ihm dann gesagt,
«Boris, du weisst aber schon, dass ich extra nach Zürich
gezügelt bin …». Item, ein Wort hat das andere ergeben, nach
reiflicher Überlegung habe ich sein Angebot angenommen. Und
jetzt eben tanze ich auf zwei Hochzeiten, in Dietikon – in der
Region gebe ich auch Fitnesskurse – und im Bernaqua.
Sie haben sich, so wissen wir, auf verschiedenen Gebieten weitergebildet. Zum Beispiel?
Oh Gott! Wir wollen hier doch nicht auf Hochleistungsschau
machen, nicht wahr?
Gruppenkurse sind ideal für
Leute, die etwas für ihr
allgemeines Wohlbefinden tun
wollen.
Nein, nur ein bisschen backstage schauen …
Henusode, wenn es denn sein muss … Ich besitze zum Beispiel
den Eidgenössischen Fachausweis für Fitness, jener des
Personal Trainers SPTV, bin Step Reebok Master Trainer,
Les Milles Trainermanager, einfach auf dem höchsten Niveau,
auf dem man in der Schweiz sein kann. Dazu kommt natürlich,
dass man sich in der ganzen Fitnesswelt – vor allem den
USA – umschauen muss, was sich gerade so tut, welche
Entwicklungen angesagt sind. Diese muss man verfolgen und –
wenn man sie als gut erachtet – sofort umsetzen, um auch hier
das berühmte M besser zu sein.
Das Stichwort ist längst gefallen. Was versteht man denn unter
einem Personal Trainer?
Zuerst einmal: Der Begriff ist nicht geschützt, auch Sie können
sich Personal Trainer nennen.
Weshalb der Ruf nach Bern?
Ouw! Auch das ist eine lange Geschichte! Ich kenne Boris
Caminada seit vielen Jahren sehr gut, den Leiter Fitness im
Bernaqua, noch zu Zeiten, als er zusammen mit Jochen Müller
FlowerPower aufgebaut und geleitet hat.
Wo trennt sich dann der Spreu vom Weizen?
Zum Glück gibt es den SPTV, den Schweizer Personal Trainer
Verband, wo nur Leute aufgenommen werden, die auch einen
Leistungsnachweis mitbringen. Kommt hinzu, dass Krankenkassen nur dann einen Teil von gewissen Therapien übernehmen,
wenn der Patient bei einem Personal Trainer SPTV ist.
Zwischenbemerkung zum besseren Verständnis für unsere
Leserinnen und Leser: Boris Caminada und Jochen Müller haben
FlowerPower der Migros Aare übergeben, Jochen Müller ist
Und wie kann ein Personal Trainer helfen?
Indem ich 1:1 beim Teilnehmenden bin, individuell, nur für ihn
da. Das beginnt dadurch, dass wir zusammen seine Ziele fest-
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legen, diese dann gemeinsam angehen und ich ihn während
dieser Phase eng begleite, ihn coache, ihn überwache.
Geben Sie im Bernaqua auch Gruppenkurse?
Ja, drei verschiedene, BodyPump, BodyCombat und rpm Cycling.
Das ist dann wohl der grosse Unterschied zu Gruppenkursen.
Genau. Gruppenkurse sind ideal für Leute, die etwas für ihr
allgemeines Wohlbefinden tun wollen, aber keine derart spezifischen Probleme wie Herr B. haben. In Gruppenkursen wäre er nie
derart schnell auf ein vergleichbares Niveau gekommen.
Wunderbar. Erklären Sie mir Landei einmal, was ich unter BodyPump zu verstehen habe.
BodyPump ist das ultimative Langhantel-Workout mit energiegeladener Musik. Stärkt Hauptmuskelgruppen, Knochen und
Immunsystem und baut ausserdem Körperfett ab.
Bei Herrn B. ging es um einen empfindlich gestörten Gleichgewichtssinn. Ich nehme nicht an, dass dieses Problem ein alltägliches
ist für eine Personal Trainerin. Welches sind denn die häufigsten
Gründe, einen Personal Trainer aufzusuchen?
Bei Frauen ist es eindeutig ein Gewichts- resp. ein Figurproblem, bei den Männern geht es um Beschwerden im Rücken
– eventuell vom vielen Sitzen im Büro – oder in den Gelenken.
Aber auch Männer kommen natürlich mit Gewichtssorgen.
BodyCombat?
BodyCombat verbindet Elemente der Selbstverteidigung – Karate,
Boxen, Thai Chi und andere – in einer motivierenden Choreographie. Hier trainiert man seine Schnelligkeit und Fitness.
Mit Sport allein kommt man den Kilos ja nicht bei …
Nein, hier geht es darum, sich ein ganzheitliches Bild zu
verschaffen, in Bezug auf Ernährung und Bewegung.
Weshalb denn das?
Hier fühlt man die Geschwindigkeit des gelenkschonenden
Indoor Cycling Programms auf der erlebnisreichsten Fahrt Ihres
Lebens … (schmunzelt).
Im Sportlichen sind Sie ja ein Ass, aber Sie sind ja keine
Ernährungsberaterin …
Nein, das bin ich nicht, aber Ernährungscoach. Wie bei Medikamenten habe ich in den letzten Jahren sehr viel gelernt in
Sachen Ernährung, auch durch Weiterbildungskurse. Ich habe
also ein Basiswissen.
Trennkost heisst also nicht am Morgen die Schoggi und am
Nachmittag die Guetzli …
(Lacht) Eher nicht, nein. Ich kann den Leuten wirklich Tipps
geben, worauf sie achten sollen, was vernünftig ist und was
nicht. Wichtig ist hier auch die Kontrolle, die Selbstkontrolle.
Und wenn nach vier Wochen schon das eine oder andere Kilo
weg ist, dann gibt das einen regelrechten Motivationsschub.
Übrigens, noch wegen des Wissens: Ein guter Freund von mir ist
Ernährungswissenschafter, der kann mir jeweils auch weiterhelfen. Und glauben Sie mir, ich bin mir nicht zu schade,
Fachleute anzugehen, wenn ich selber nicht weiter weiss.
Spielen die finanziellen Möglichkeiten des Kunden eigentlich eine
Rolle für eine optimale Betreuung? Geradeheraus gefragt: Was
kostet mich eine Privatstunde mit Jacqueline Klossner als
Personal Trainerin?
Bei mir nicht, ich bin ja Migros-Angestellte! Ich höre schon von
Kollegen, die 250 Franken pro Stunde verlangen – und offenbar
auch bekommen. Bei uns kommt es auf das Abo an, das jemand
bucht. Eine Einzelstunde kostet 150 Franken, bei 12 Lektionen –
das meistgebuchte Abo – reduziert sich die Stunde auf 135 Franken,
bei 48 Lektionen, was dann aber eher selten ist, auf 105 Franken.
Und rpm Cycling?
Verbrennt Fett, trainiert den Kreislauf und verbessert die Ausdauer. Sollten Sie mal machen!
Ach, wissen Sie, ich bin mehr der Outdoor-Typ, ich gehe joggen,
betreibe Krafttraining auf dem Vita-Parcours …
Tja, jedem das Seine, Hauptsache doch, man tut etwas für seine
Fitness.
Genau. Und jetzt Themenwechsel. Herr B. erwähnt in seinem Brief,
dass Sie zweifache Weltmeisterin in Ihrer Figurenklasse sind.
Zuerst einmal: Was ist das überhaupt?
Eine sanfte Form von Bodybuilding.
Ich kann den Leuten wirklich
Tipps geben, worauf sie achten
sollen, was vernünftig ist und
was nicht.
Aha, Anabolika und Clenbuterol light? Pump you up?
Falsch! Ganz falsch. Aber genau diese Exzesse im klassischen
Bodybuilding haben zum eigentlichen Bodyforming geführt. Ich
starte für die «Swiss Natural Bodybuilding Federation» SNBF,
die ihrerseits dem Weltverband angeschlossen ist.
Und was heisst das konkret?
Ich gebe Ihnen ein einziges Beispiel, wie streng die Aufnahmebedingungen bei uns sind: Um bei der SNBF aufgenommen zu
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werden, muss man sich einem Lügendetektor-Test unterziehen,
von einer Fachfrau durchgeführt, die ihrerseits die Bewilligung
hat, solche Tests durchzuführen. Damit will man sicherstellen,
dass eine Athletin «sauber» ist.
Und der optische Unterschied zum klassischen Bodybuilding?
Ich nenne das klassische Bodybuilding Hardcore, weil es nur noch
darum geht, sich als Muskelpaket zu präsentieren, ich denke
nicht, dass ich in die Details muss, die Bilder dieser Leute sind
Ihnen sicher bekannt. Beim Natural Bodybuilding geht es darum,
den Körper ganzheitlich in seiner besten Form zu zeigen. Klar, mit
austrainierten Muskeln, aber eben nicht aufgepumpten.
Und wie präsentieren Sie sich dann der Jury?
In sportlichen Posen, die Hardcore-Posen à la Arnold Schwarzenegger kennen wir nicht, hingegen müssen wir zum Beispiel auf
dem Catwalk laufen, sportlich elegant.
Wie ging das genau, mit Ihren beiden Weltmeister-Titeln?
(Wirkt jetzt fast ein bisschen verlegen) Grundvoraussetzung ist
der Schweizermeister-Titel, erst dann wird man zu den globalen
Wettkämpfen zugelassen. 2006 war die WM in New York, im
Martin Luther King College, in einer riesigen Aula. Beim Natural
Bodybuilding gibt es verschiedene Kategorien, je nach Körpergrösse. Meine Kategorie habe ich gewonnen – und dann auch
noch den WM-Titel im Vergleich mit den anderen Kategorien. Ich
war also plötzlich Doppelweltmeisterin, Wahnsinn!
Ich will ja nicht gerade behaupten, dass ich sämtliche Publikationen
der Schweiz lese, aber doch einige überfliege. Weshalb habe ich Sie
in den Medien verpasst?
Sie haben mich überhaupt nicht verpasst, diese Titel haben – mit
Ausnahme einer Reportage im «Berner Bär» – niemanden
interessiert, im Gegensatz zum Hardcore-Bodybuilding. Ich bin
von Pontius zu Pilatus gelaufen, symbolisch, niemand fand das
interessant genug …
Inwieweit spielen diese beiden Titel für Ihre
Arbeit im Bernaqua eine Rolle?
Sagen wir es so: Sie spielen eine Rolle,
wenn ich Vorträge halte. Eine Doppel-Weltmeisterin ankündigen zu können, das hat
halt schon Substanz für einen Veranstalter.
Husch eine Frage zu New York 2006. Haben Sie
nochmals an einer WM teilgenommen?
Nein, denn ich wollte nicht nochmals das
Gleiche machen. Wenn schon, dann etwas
anderes. 2010 wäre es fast so weit gewesen,
in einer neuen Kategorie, diese haben die
Veranstalter dann aber kurzfristig abgesagt,
obwohl ich von meinem Training her voll auf Kurs war. Die
Veranstalter haben mir gesagt, ich könne bei der «BikiniKategorie» mitmachen …
Und das wollten Sie nicht, trotz perfekter Figur?
(Schallendes Lachen) Nein, wirklich nicht! Schauen Sie, ich bin
nicht mehr 20, und das würde ja peinlich, die ältere Frau
inmitten der jungen Girls. Kommt noch etwas anderes hinzu …
Nämlich?
Doping ist bei uns tabu, nicht aber Silikon. Schon deshalb hätte
ich keine Chancen gehabt.
Sie trainieren professionell. Schlafen Sie sozusagen auch in einem
Fitnesszentrum, Matratze am Boden?
(Wieder dieses herrliche Lachen) Wenn Sie wüssten! Nein, wenn
ich trainiere, dann in einem Fitness-Studio, zu Hause sieht es
eher nach einem Kleiderladen aus. Ich liiiebe Kleider!
Sagen Sie, wie oft trainieren Sie eigentlich sich selber?
Täglich.
Keine Motivationsprobleme, «hüt stinkts mir»?
Überhaupt nicht, nein, nie.
Wie lange dauert denn so ein Training?
Das ist unterschiedlich, im Schnitt ungefähr 1½ Stunden pro Tag.
Freitag ist Hardcore-Tag, da sind es drei Stunden. Wir führen
dieses Gespräch an einem Freitagnachmittag … Und die drei
Stunden stehen mir noch bevor.
Doppelweltmeisterin. Villa in Gstaad, Yacht im Hafen von
Monte Carlo, der Wintersitz auf Sanibel/Captiva, wo Sie der älteren
Generation in Florida Kurse geben?
(Kriegt fast einen Schreikrampf) So stellen Sie sich das vor,
nicht wahr?
Genau.
Nichts dergleichen. Für meine NewYork-Reise habe ich 2006 ungefähr 10’000 Franken aufgewendet.
Übrigens: Ich suche noch immer
einen Sponsor. Denn ich würde
wirklich zu gerne einmal in New
York auf Einkaufstour, Fifth Avenue,
mit einer Art Carte Blanche von
Kreditkarte …
..
"Wir Schuler
wurden
oftmals geschlagen."
Max
Liechti
94
95
Max Liechti
Chauffeur,
Schönbühl
Max Liechti, wer Sie nicht
kennt, weiss nicht, dass
Sie schwerhörig sind.
Wie stark sind Sie handicapiert?
(Überlegt) Wie soll ich
Ihnen das am besten erklären? Klar, ich könnte
Ihnen jetzt medizinische
Befunde zu erklären
versuchen, aber ich denke, diese Zahlen und
Analysen sind schwer
nachvollziehbar. Sagen
wir es deshalb so: Ich
bin beidseitig gleichermassen eingeschränkt, es ist vermutlich
am einfachsten so zu erklären, als wenn Sie Radio hören
möchten, die Lautstärke aber eher einem Flüsterton gleichkommt.
Seit wann haben Sie diese Behinderung?
Seit meiner Kindheit, wobei medizinisch nicht ganz klar ist, ob
bereits von Geburt an.
Die Kommunikation ist bei
unserer Familie auch dadurch
erschwert, dass meine
Frau Margrit gehörlos ist.
Wie muss man das verstehen?
Ein Ereignis spielt möglicherweise eine entscheidende Rolle.
Ich bin 1956 geboren, wir haben in einem Bauernhaus in
Schwarzenegg gewohnt, oberhalb Steffisburg. Dieses Haus ist
1959 abgebrannt. Als man daran war, es wieder aufzubauen, bin
ich von einem Gerüst gestürzt. Ein Bauarbeiter konnte den
Sturz zwar noch abfedern, dennoch bin ich ziemlich hart mit
dem Kopf aufgeschlagen. Im Spital stellte man keine sichtbaren
Verletzungen fest, bat aber meine Mutter, darauf zu achten, ob
sich nachträglich etwas feststellen lasse. Nach diesem Unfall
fiel auf, dass ich nicht wie andere Kinder auf das Bellen von
Hunden oder das Krähen eines «Güggels» reagierte. Vorher hat
das niemand bewusst festgestellt, so dass unklar bleibt, seit
wann ich diese Hörbehinderung habe.
Haben Sie Geschwister?
Ja, drei Brüder, und die «Brüetsche» sind gesund, nichts deutet
also auf eine Erbkrankheit hin.
Sie lesen von den Lippen ab, wie lernt man das? Oder wie sagt man
dem korrekt?
Ja, das ist mir eine enorme Hilfe, vor allem, wenn mein
Gesprächspartner und ich nicht allein sind. Wichtig dabei ist,
dass wir sozusagen «von Angesicht zu Angesicht» sprechen,
Augenkontakt haben und mein Vis-à-vis langsam spricht, dann
hilft mir das enorm, natürlich auch «auf Distanz», wenn jemand
mit mir kommuniziert, der weiss, dass ich ab den Lippen lese,
uf Bärndütsch «vom Muu abläse». Das habe ich in der Sprachheilschule gelernt.
Das Faszinierende bei Ihnen, Sie verstehen Dialekt. Wie lernt man
das, da es doch verschiedene Dialekte gibt?
Die gängigen Dialekte bereiten mir keine Schwierigkeiten, wenn
es allerdings in Richtung Appezöll oder Oberwallisch geht,
dann komme ich auch nicht immer mit (lacht). Hilfreich ist in
jedem Fall die Gebärdensprache, wie man sie auch vom TV her
kennt. Diese Gestik ist international, so dass auch ausländische
Gehörlose in einem solchen Fall via Dolmetscher «mitdiskutieren» können.
Matthias Mast, Chefredaktor des «Berner Bär», den Sie ja auch
kennen, hat mir einmal gesagt, er würde Sie gerne an offizielle
Empfänge mitnehmen, damit Sie Leuten aus Distanz «ab den
Lippen» lesen und ihm sagen, was dort gerade so besprochen wird …
Wie gefällt Ihnen die Idee?
(Schmunzelt) Typisch Matthias Mast … Aber ich denke, wir lassen
es bei der Idee bleiben.
Man versteht Sie beim Sprechen sehr gut. Wie haben Sie sich da
geschult? Müssen Sie heute noch immer ein «Training» machen, mit
Sprachübungen?
Meine besten Lehrer sind unsere beiden Söhne, Matthias (19),
der in der Ausbildung zum Informatiker ist, und Lukas (17),
der Schreiner lernt. Beide sind gesund und korrigieren mich,
wenn sie etwas nicht verstanden haben. «Vater, du musst das
anders aussprechen, damit man dich gut versteht, nämlich …»
und dann folgt die erwähnte Nachhilfestunde. Die Kommunikation ist bei unserer Familie auch dadurch erschwert, dass
meine Frau Margrit gehörlos ist. Aber eines muss ich Ihnen
sagen …
Nämlich?
Dass ich stolz auf unsere Familie bin, dass wir uns trotz der
Hörprobleme so gut verstehen.
Ihr Stolz ehrt Sie, und diesen kann ich nachvollziehen. Zurück noch
schnell zu Ihrer Frau: Wo haben Sie beide sich denn kennengelernt?
Wir sind beide in die Sprachheilschule Münchenbuchsee
gegangen, haben uns danach aber zehn Jahre aus den Augen
verloren. Auf einem Ausflug nach Paris – der für Gehörlose
96
organisiert wurde – sind wir uns im Zug erstmals wieder
begegnet, von Bern nach Paris, nach dieser langen Zeit. Und so
ergab es sich dann, dass …
Wann genau war das?
(Überlegt) Uhh!! 1983?
Wissen Sie, heute bringt man
den Behinderten viel mehr
Verständnis entgegen als vor
40 Jahren.
Aber, aber … Jede Wette, dass Ihre Frau das sehr genau weiss …
(Lacht) Bestimmt, ja.
Ist Ihre Frau berufstätig?
Ja, das ist sie. Sie arbeitete früher als Spitalgehilfin, heute ist
sie Raumpflegerin.
Von Firmen wie Phonak weiss man, dass sie technisch hochentwickelte Hörgeräte herstellen. Tragen Sie eines?
Ja, heute trage ich eines, weil ich um dieses Interview wusste.
Es ist schon eine gewaltige Hilfe und eine Steigerung der
Lebensqualität, in solchen Situationen. Während der Arbeit
hingegen schalte ich es aus, wenn ich es überhaupt trage, denn
das Gerät verstärkt alle Geräusche, so dass es einem eher
«schturm» wird.
Gehen wir zurück in Ihre Vergangenheit. Wie haben Sie die Zeit als
Kind erlebt, in der Schule?
Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, dass ich in die Sprachheilschule nach Münchenbuchsee durfte, denn dadurch habe ich
gelernt, aus meiner Hörbehinderung das Beste zu machen,
mit der Sprach- und Grundausbildung. Wer weiss, was sonst aus
mir geworden wäre. Möglicherweise wäre ich Knecht geblieben,
mit fehlender Allgemeinbildung und einer unverständlichen
Aussprache. Aber die Zeit in Münchenbuchsee war sehr, sehr
hart.
In welcher Beziehung?
In jeder Beziehung, nicht bloss der Behinderung wegen. Wissen
Sie, heute bringt man den Behinderten viel mehr Verständnis
entgegen als vor 40 Jahren, sie sind zum grossen Teil in die
Gesellschaft integriert, bei uns war das noch ganz anders.
In welcher Beziehung denn?
Ich weiss gar nicht, ob ich darüber sprechen will oder soll …
Machen Sie doch einmal einen Anfang, Sie können noch immer
abbrechen oder ich streiche dann einiges, wenn ich das Gefühl habe,
es sei unpassend.
Ich versuche es, vor allem im Wissen, dass das alles 40 Jahre
und mehr zurückliegt und dass die massgebliche Erzieherin
nicht mehr lebt.
Das tönt ziemlich beunruhigend.
Wissen Sie, wir wurden vielfach geschlagen, meistens zu
Unrecht, weil wir uns nicht richtig erklären konnten und
missverstanden wurden. So wurden damals gewisse Missverständnisse gelöst.
In der Sprachheilschule?
Ja, wobei ich sagen muss, dass viele Erwachsene dort anständig
zu uns waren, aber eben nicht alle. Einmal, als ich mich krank
fühlte, hat man mich kurzerhand allein in ein abgedunkeltes
Zimmer gesperrt, den ganzen Tag lang, ohne sich um mich zu
kümmern. Ich kann Ihnen sagen, das vergisst man sein Leben
lang nie (erzählt diese Erlebnisse mit einer augenfälligen
Gefühlsschwankung). Nein, es waren keine schönen Jahre, vielleicht von den beiden letzten abgesehen, in der 8. und 9. Klasse,
weil ich da körperlich stärker war und man mich deswegen wohl
eher in Ruhe gelassen hat.
Und dann als Jugendlicher, in der Ausbildung?
Ich habe Müller gelernt, bei der Mühle Rotachen in Unterlangenegg, während dreier Jahre, danach bin ich noch vier Jahre
geblieben. Einmal, da hatte ich einen gröberen Unfall, als mir
ein 100 Kilogramm schwerer Mehlsack auf den Fuss gefallen ist
und das Sprunggelenk arg verletzt hat. Ich hatte damals
während langer Zeit starke Schmerzen, so dass ich befürchten
musste, dass ich meinen Traumberuf nie werde ausüben können.
Was war denn Ihr Traumberuf?
Lastwagenchauffeur! Allein schon wegen meiner Hörbehinderung war das kein einfaches Unterfangen, aber noch
zusätzlich mit einem kaputten Fuss, da hätte ich die Sache
begraben können. Abgesehen davon, auch meine Eltern mochten
nicht daran glauben, dass ich jemals hätte Lastwagenfahrer
werden können. Zum Glück ist der Fuss langsam, aber sicher
ausgeheilt.
Sie aber haben Ihren Traum nie aufgegeben.
Nein, nach meiner Zeit in der Mühle habe ich 1½ Jahre Nachtschicht gearbeitet, in Konolfingen, bei der damaligen Berner
Milchgesellschaft. In dieser Zeit habe ich «tagsüber» meine
Prüfung zum Lastwagenchauffeur gemacht, danach habe ich bei
einem Transportunternehmen als Chauffeur angefangen. Dort bin
ich vor allem für Denner gefahren, hatte aber auch Gelegenheit,
ins Ausland zu fahren, nach Skandinavien.
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Weshalb sind Sie dort weg?
Die Arbeitsbedingungen waren
auf die Länge unerträglich,
Überstunden die Regel, ohne
dass sie bezahlt worden wären.
Es gehörte einfach dazu. Zu jener Zeit arbeitete mein Bruder
bei der Migros. «Chumm doch
zu üüs!», meinte er. Es tönte
fast nach dem Paradies, was er
mir erzählte: Eine faire Bezahlung, eine geregelte Arbeitszeit,
gute Sozialleistungen. Also
habe ich mich in Schönbühl
beworben, 1982.
Und so sind Sie Lastwagenfahrer
bei der Migros geworden.
(Wehrt ab) Nenei, eso schnäll
isch es nid gange … Ich wurde
als Staplerfahrer engagiert. Das
ist ein Job, der vielfach unterschätzt wird und sehr viel
Aufmerksamkeit erfordert. Es war auch für mich eine Herausforderung und etwas Neues. Übrigens hat mir Dieter Fahrni – wir
konnten in den letzten Wochen ja einiges über ihn und seine
Familie in der «aare-info» lesen – in dieser Zeit sehr viel
geholfen, er war mir eine echte Lebenshilfe in Schönbühl. Aber
mein Wunsch war es halt doch, wieder einmal hinter dem
Steuer eines Lastwagens zu sitzen. Ich habe beim damaligen
Vorgesetzten auch immer insistiert, aber da hiess es immer
«Was wosch itz uf ene Laschtwage? Als Staplerfahrer hesch
doch es greglets Läbe, ohni Räge oder Schnee uf de Strasse …»
Ich mochte mich damit nicht abgeben, und zum Schluss bin ich
wohl ziemlich laut geworden, so dass …
So dass?
So dass ich meinen Wunsch erfüllt bekam. Von nun an war ich
offizieller Fahrer des … Schönbühl-Ghüderlastwagens, fuhr immer
die Strecke Schönbühl-KVA-Schönbühl, mit Zwischenhalten im
Wankdorf und im Zähringer, wo ich Abfall mitnahm. Aber
irgendwann hatte ich das Gefühl, dass ich doch ein «richtiger»
Migros-Lastwagenfahrer sein wollte; einer, der Food fährt,
nicht Abfall. Also habe ich wieder «gegen oben» zu stüpfen
begonnen.
Mit Erfolg?
(Lacht) Ja. Weil ein anderer Fahrer wegen Rückenproblemen den
Job aufgeben musste, wurde ein «Cockpit» frei. Allerdings war
es nicht gerade eine Weltreise, die ich zu Beginn fahren durfte.
Mit Michael Sutter habe ich jahrelang die Route Riggisberg –
damals noch zum Giro-Laden Grünig – und Fellergut abgewech-
selt. Mal er eine Woche, mal ich. Jetzt fährt es
sich schon etwas abwechslungsreicher.
Frage aller Fragen: Wie wird man als Hörbehinderter Lastwagenfahrer?
Wissen Sie, ich bin ja nicht gehörlos, im Auto
lasse ich durchaus das Radio laufen. In der
Schweiz können Gehörlose auch nicht Lastwagen fahren, im Gegensatz zu anderen
Ländern. Aber klar: Ich muss mich sicher viel
mehr auf die Strasse konzentrieren, als wenn
ich keine Hörbehinderung hätte. Offenbar mache
ich das nicht schlecht, denn einen gröberen
Unfall hatte ich noch nie. Hoffentlich bleibt es
dabei. Zudem ist es so, dass ich alle zwei Jahre
ins Inselspital muss, um mein Gehör prüfen zu
lassen.
Eine an sich blöde Frage, aber ich weiss nicht,
wie ich Sie sonst stellen soll: Nehmen Sie am
beruflichen Alltag teil?
Ja, sicher. Mit den Routiniers unter den Chauffeuren ist es
einfach für mich mit der Verständigung, denn sie wissen genau,
wie sie mit mir reden müssen, auch mit Fritz Baumann
und Thomas Schenkel vom Transport habe ich keine Probleme.
Angewöhnungsschwierigkeiten gibt es bei neuen Kollegen, die
mich komisch mustern, wenn ich etwas nicht verstehe oder
missverstehe. Es ist eben schon so, dass man die Behinderung
nicht sieht. Wenn sie dann von «Altgedienten» aufgeklärt
werden – «dr Mäxu ghört nid guet …» -, so regelt sich das dann
von selber, mit der Zeit.
Ich muss mich sicher viel mehr
auf die Strasse konzentrieren, als
wenn ich keine Hörbehinderung
hätte.
Sagen Sie, wenn Sie Wunschkonzert machen könnten: Was würden
Sie sich wünschen, für Ihre Zukunft?
Wissen Sie, ich bin sehr zufrieden, mit meinem Leben, mit und
in meiner Familie.
"Ich erlebe
Lustiges,
mit meinem
Namen..."
Bianca
Mboob-Streit
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99
Bianca Mboob-Streit
Migros Lorraine
Bianca Mboob, Ihr Name tönt nicht gerade danach, als ob Mürren
oder Wengen Ihre Heimatorte wären. Woher kommen die Mboobs?
Dieser Name kommt aus Gambia, dem kleinsten Land in Afrikas
Westen. Gambia wird auch das «Lächeln Afrikas» genannt,
wegen des Gambia-Rivers. Übrigens, mein lediger Name «Streit»
kommt vom Belpberg.
Wie kamen Sie denn auf den Gedanken – und wann genau! – nach
Gambia zu reisen? Bei welcher Gelegenheit? Mit wem?
Auslöser, wenn man dem so sagen darf, waren Freunde, die
mich 1999 spontan aufgefordert haben, mit nach Gambia zu
kommen. Ebenso spontan sagte ich dann zu. Wir haben zwei
wunderschöne Wochen dort verbracht. Und wäre der Flug nicht
derart teuer, ich würde jedes Jahr hinfliegen (lacht).
So, und jetzt genauer: Wie haben Sie Ihren Mann kennengelernt, bei
welcher Gelegenheit?
Das ist noch ganz komisch ... Ich weiss, dass wir uns 1999 in
Gambia begegnet sind, kann mich aber nicht sehr gut daran
erinnern, im Gegensatz zu meinem Mann. 2001 haben wir
uns dann nochmals getroffen, in Gambia, als ich mit Freunden
unterwegs war. Mehr oder weniger per Zufall haben wir uns im
Januar 2003 hier in der Schweiz wieder gesehen, daran erinnere
ich mich hingegen sehr genau. Er hat mich auf Anhieb wiedererkannt. Da ergab es sich dann, dass wir uns sehr oft gesehen
haben, zeitweise fast täglich, wir haben zusammen Ausflüge
unternommen, übers Weekend, sind zusammen auch in den
Ausgang, nach Zürich oder nach Lausanne. Er war (schmunzelt)
übrigens von Anfang an überzeugt, dass wir beide zusammenpassen und auch heiraten.
Ich finde unser Kauderwelsch,
das wir zusammen sprechen,
genial, kreuz und quer
durcheinander.
Sie nicht?
Sagen wir es doch so: Ich war da doch zurückhaltender. Aber
Recht hat er behalten.
Wie haben Sie sich in der ersten Zeit unterhalten, wie heute?
Uf Schwyzerdütsch?
Am Anfang nur Englisch. Jetzt ist es ein Mix aus English, Schriftdeutsch und Bärndütsch … Ich finde unser Kauderwelsch, das wir
zusammen sprechen, genial, kreuz und quer durcheinander. Wenn
uns jemand auf der Strasse oder in einem Lokal hört, dann ist
ein Lächeln garantiert. Ist doch toll!
Wie hat seine Familie auf die weisse Frau reagiert, wie Ihre eigene
Familie auf den Schwarzafrikaner?
Das war nie ein Thema, weder in der Schweiz noch in Gambia.
Sowohl meine wie auch seine Eltern meinen: Wenn unsere Kinder
glücklich sind, sind wir es auch. Ich habe übrigens drei ältere
Geschwister und die sind mit einer Französin, einer Brasilianerin
und mit einem Italiener verheiratet. Bei meinem Mann sieht das
nicht viel anders aus: Viele seiner Geschwister leben im Ausland, in den USA, in England, in Holland.
Und Ihr eigenes Umfeld, Bekannte, Freunde? Wie haben sie reagiert?
Meine Freunde wussten ja bereits, dass ich ein Flair für die
Afrikaner habe, also war das keine Überraschung (beginnt zu
schmunzeln).
Ja, bitte?
Nur meine «seinerzeitigen» Kolleginnen und Kollegen in der
Migros Köniz – ich war damals in der Metzgerei angestellt –
wussten von nichts. Ich ging als Ledige in die Ferien, kam als
Verheiratete wieder.
Wo haben Sie geheiratet, nach welcher Tradition?
Wir haben uns in Zürich das Ja-Wort gegeben, weil es uns dort
besser gefiel als in Bern. Der Zürisee gleich nebenan, was
will man mehr? Wir werden aber auch noch traditionell heiraten,
im Gambia. Wann, steht noch nicht fest, vielleicht klappt es
nächstes Jahr. Ich hoffe es jedenfalls.
Kinder?
Bis jetzt hat mich mein Mann «nur» zur Stiefmutter gemacht.
Er hat bereits einen Sohn aus erster Ehe in Amerika. Aziz ist
jetzt 15.
100
Wie kommt dieser 15-Jährige denn zurecht, in dieser Schweiz, noch
dazu in einer Lebensphase, da von Pubertät gesprochen wird?
Falsch! Aziz lebt bei seinen Grosseltern in Gambia und geht auch
dort zur Schule. Er ist ein sehr ruhiger Junge. Mein Mann ging
letzten November für 3½ Monate nach Gambia, um auch etwas
mehr Zeit mit ihm verbringen zu können. Diesen Sommer kommt
Aziz eventuell zu uns in die Sommerferien. Wir würden uns sehr
freuen, sollte dies klappen! Und zu seiner Pubertät: Das habe ich
höchstens ob seinem Stimmbruch bemerkt, ansonsten ist Aziz,
wie gesagt, ein sehr ruhiger junger Mann.
Was möchte er dann machen, wenn er aus der Schule kommt? Und
wo?
Ich denke, etwas mit Elektronik. Er hat ein Händchen dafür, sei
es im Umgang mit PCs, mit Unterhaltungselektronik allgemein,
Satellitenschüsseln inklusive. Wo er seine Ausbildung machen
wird? Das sehen wir dann schon …
Sagen Sie, bevor ich es vergesse, was arbeitet Ihr Mann, Sulayman?
Er war sechs Jahre bei Interdiscount in Jegenstorf, in der
Logistik beschäftigt, heute hat er eine Anstellung – ebenfalls im
Bereich der Logistik – bei der Toblerone-Fabrik in Brünnen. Zur
Schule gegangen ist er in Gambia, dort dauert die obligatorische
Schulzeit übrigens länger als in der Schweiz. Sulayman würde
jedoch gerne eine Zusatzausbildung absolvieren, hier, denn
schliesslich weiss man nie, was die Zukunft bringt. Da hätten wir
eine zusätzliche Sicherheit.
Wir Schweizer trauen uns ja zu, einen Bosnier allein von seinem
Aussehen her von einem Skandinavier unterscheiden zu können.
Bei Schwarzafrikanern wird es plötzlich schwierig. Die Nigerianer
haben hierzulande nicht den besten Ruf – wird Ihr Mann als
Gambier mit ihnen verwechselt und entsprechend angesprochen?
(Schallendes Lachen)
Was ist denn daran so lustig?
Ich kann meistens nur sagen, dass es sich bei einem Schwarzen
nicht um einen Gambier handelt, aber von wo jemand kommt,
das ist sehr schwierig. Die Nigerianer kann ich zu
80–90 Prozent zuordnen. Um Ihre Frage zu beantworten: Nein, Sulayman wurde bis jetzt noch nicht
mit einem Nigerianer verwechselt. Was interessant,
aber nicht sehr lustig ist: Die meisten Nigerianer
geben sich als Gambier aus, vor allem wenn sie
etwas zu verbergen haben, Sie wissen bestimmt,
was ich meine.
Klar doch.
Mein Schwager hat das selber erlebt. Er arbeitete
als Polizeichef für den Präsidenten Yaya Jammeh. Er
hatte sogar einmal ein Meeting mit dem ehemaligen
Bundesrat Christoph Blocher und seinem Team, um die Kooperation zwischen der Schweiz und Gambia in Bezug auf die falschen
Identitäten zu klären. Er erzählte mir, dass fast jeder Afrikaner,
der in der Schweiz im Gefängnis ist, behauptet, aus Gambia
zu kommen, was natürlich nicht stimmt, denn sonst könnten
die Herren mindestens eine der Landesprachen, was bei den
allerwenigsten zutrifft.
Ich arbeite 100 Prozent, also muss
er auch zu Hause mithelfen,
schliesslich kann ich nicht den
ganzen Tag zu Hause bleiben.
Sie leben also in einer Multikulti-Ehe. Wo gibt es im Alltag zu
Hause die grössten Unterschiede, wie werden Sie beide damit
fertig? Wo geht es nicht anders als mit Kompromissen?
Am meisten Probleme gibt es im Haushalt. In Gambia müssen
die Männer nämlich fast nichts mithelfen, sie werden regelrecht
verwöhnt, was die Situation nicht gerade einfacher macht für
uns.
Auf nach Gambia!
Jaja, scho rächt … Die Männer dort werden sogar fast ausgelacht,
wenn sie selber etwas kochen wollen oder sollen. Das ist
meinem Mann und mir auch so ergangen, als er für mich etwas
zubereitete. Für Sulayman ist klar: Ich arbeite 100 Prozent, also
muss er auch zu Hause mithelfen, schliesslich kann ich nicht den
ganzen Tag zu Hause bleiben wie die meisten Frauen in Gambia,
die sich dafür dort um alles kümmern, angefangen bei der Erziehung der Kinder über die Küche bis hin zum eigentlichen Haushalt.
Gibt es diebezüglich Tabus bei Mboobs?
Ja! Die Wäsche. Darum kümmere ich mich von Anfang an, um
nicht alles doppelt machen zu müssen.
Eine «waschechte» Schweizerin mit Familienname
Mboob. Schon Lustiges erlebt, wenn Sie den Namen für
irgendwelche Formalitäten
angeben müssen?
Oh ja! Und wie! Das gibt
immer etwas zu lachen.
Mboob spricht man mit
«u» aus und nicht mit «o»,
wie es im Namen steht. In
Köniz wurde ich zum Teil
101
dung der Mädchen immer noch sehr stark verbreitet, weil
Tradition, trotz weltweiter Proteste. In Gambia gibt es das zum
Glück fast nicht mehr, und wenn, dann nur im Landesinnern, wo
es praktisch keine Infrastruktur gibt und die Leute auch weniger
gebildet sind. In dieser Beziehung gibt es also noch einiges an
Aufklärungsarbeit!
Wie halten Sie den Kontakt mit Sulaymans Familie in Gambia aufrecht? Per E-Mails?
Nein, per Telefonkarte. Manchmal auch durch Facebook oder
Skype, aber das alles ist relativ teuer.
mit «Bob» ausgerufen. Ich finde das immer sehr amüsant.
Schwieriger wird es am Telefon, wenn der Gesprächspartner den
Namen schreiben muss. Da wird zum Teil bis zu dreimal nachgefragt, ob man «Mboob» richtig verstanden hat.
Was ist dann weit weniger lustig?
Ich könnte Ihnen einiges erzählen, verzichte aber darauf,
weil diese Leute es gar nicht verdienen, dass man sie beachtet.
Störend ist für mich, wenn es nicht einmal Schweizer sind,
die blöde Sprüche machen, sondern Ausländer. Sollen sie doch
wieder nach Hause, wenn es sie stört, dass auch andere Ausländer hier wohnen dürfen.
Was tragen Sie selber, was trägt Sulayman dazu bei, dass Vorurteile Fremden gegenüber im Alltag abgebaut werden?
Sulayman kennt das eigentlich nicht, das mit den Vorurteilen. Er
versucht auch, die Menschen so zu nehmen, wie sie sind. Ehrlich
gesagt: Ich sollte mir da eine Scheibe davon abschneiden.
Weshalb?
Ich verstehe vieles nicht, was gewisse Leute so sagen oder
machen, aber mein Mann mahnt mich immer zur Toleranz.
Für uns Schweizer sind Schwarze meist einfach Schwarze,
ungeachtet ihrer Nationalität.
Gilt das auch für die Schwarzafrikaner? Oder gibt es da
klare Abgrenzungen unter den
einzelnen Nationalitäten?
Ja, ich finde schon, dass es
Unterschiede
gibt,
das
scheint mir auch normal. Die
meisten Nationen haben eine
eigene Kultur, wie sie
Schweden oder Schweizer
auch haben. In Somalia ist
zum Beispiel die Beschnei-
War Sulaymans Familie schon einmal in der Schweiz?
Bis jetzt nur sein Bruder Musa. Eine Cousine lebt in Genf und
arbeitet für die UNO.
Und Ihre eigene Verwandtschaft? Schon im Gambia gewesen?
Meine Schwester ist «vorgesehen», mit ihrem Mann und den
Kindern. Einen definitiven Termin haben wir aber noch nicht.
Meine Eltern planen keine Reise nach Gambia, sind aber immer
sehr interessiert, was wir zu erzählen haben, schauen sich auch
die Fotos an, die Sulayman und ich gemacht haben.
Und Ihr Wunsch ganz generell, zur Integration in dieser Schweiz?
Integration ist ein Muss. Wer hier leben will, sollte zumindest die
schriftdeutsche Sprache erlernen und sprechen. Aber selbst
dann werden gewisse Vorurteile bestehen bleiben, weil die
Leute überall auf der Welt aus verschiedenen Kulturkreisen
kommen, mit bestimmten Traditionen, die anderen fremd sind.
Sulayman kennt das eigentlich
nicht, das mit den Vorurteilen.
Er versucht auch, die Menschen
so zu nehmen, wie sie sind.
"Wissen Sie,
wie es ist, wenn
Kinder nur
mit den Augen
<Danke!>
sagen
..
konnen?"
Walter
Mischler
102
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Walter Mischler
Retourenlogistik,
Schönbühl
Walter Mischler, Sie bilden in Ihrer Freizeit Hilfshunde für
motorisch Behinderte des Vereins «Le copain» aus. Wie kommen Sie
dazu?
Ich hatte als Elfjähriger einen schweren Schädelbruch, der einen
Spitalaufenthalt von acht Wochen erforderte. Leider konnte ich
danach nicht mehr sprechen und das Schreiben musste ich
ebenfalls wieder lernen. Mit meiner damaligen Lehrerin und der
Unterstützung des Epilepsie-Zentrums in Tschugg schaffte ich
es, wieder gesund zu werden. Als dann unsere beiden Söhne
gesund auf die Welt kamen, wollte ich den Menschen einfach
aus Dankbarkeit etwas zurückgeben. Durch einen Lawineninstruktor lernte ich den Verein «Le copain» kennen und so
nahm meine «Berufung» ihren Weg.
Wann genau haben Sie mit der Ausbildung angefangen?
Vor elf Jahren habe ich als Gastfamilie Hunde ausgebildet und
seit neun Jahren bin ich Instruktor, ich überwache zusätzlich die
Ausbildung bei den Gastfamilien.
Was versteht man unter einer Gastfamilie, wie Sie dies soeben
zweimal erwähnt haben?
Eine Gastfamilie erklärt sich bereit, nach den strengen Anforderungen von «Le copain» einen jungen Hund zu sich zu nehmen
und diesem – unter meiner Führung – während zwölf Monaten
die Grundlagen seiner späteren Tätigkeit zu lehren. Es braucht
einen grossen Einsatz seitens der Familie – und die Bereitschaft,
viel mit dem Vierbeiner zu trainieren.
Es braucht einen grossen Einsatz
seitens der Familie – und die
Bereitschaft, viel mit dem Vierbeiner zu trainieren.
Wie viele Hunde haben Sie denn bis jetzt ausgebildet.
Bis jetzt habe ich zusammen mit meiner Frau acht Hunde
ausgebildet, Golden Retriever und Labrador, zusätzlich 15 als
Instruktor für Gastfamilien, wie soeben erwähnt. Dazu kommen
jährlich Nachschulungen und Kontrollen über das Verhalten der
Hunde. Klappt die Ausbildung in einer Gastfamilie nicht, so
darf diese den Hund nicht behalten, was oft zu Diskussionen
und manchmal auch zu Tränen führt, aber es gibt leider immer
wieder Familien, die glauben, sie dürften den Hund dann einfach
behalten, wenn er sich nicht für «Le copain» eignet, was aber
nicht in Frage kommen kann.
Ein ähnliches Interview haben Sie bereits vor zwei Jahren für die
Denner-Mitarbeiterzeitung geführt, als Sie Leiter Disposition in der
Verteilzentrale Schmitten waren. Weshalb der Wechsel in die Migros
Aare?
Vergangenheit ist Vergangenheit, Geschichte Geschichte. Ich lebe
mehr in der Gegenwart, beschäftige mich lieber mit der Zukunft.
Seit dem 1. Oktober 2008 bin ich Mitglied des Teams
«Retourenlogistik» in Schönbühl, darauf konzentriere ich mich,
beruflich.
Ist zu akzeptieren, also zurück zu den Gastfamilien. Welches
Rüstzeug braucht eine solche Gastfamilie – und wie geht die Ausbildung vor sich?
Absolute Hundeliebe ist oberstes Gebot, und zwar mit
allen Vor- und Nachteilen wie nasses Fell, wie Hundegeruch,
was halt so dazu gehört (schmunzelt). Deshalb «verleihe»
ich meistens meinen eigenen Hund «Ischkia» für ein paar
Probewochen, damit sich eine Familie auf den besten
Freund des Menschen einstellen kann, noch völlig unverbindlich. Wie ist es denn, einen Hund 24 Stunden am Tag
zu halten? Und: Ein «Le copain» muss bei der Gastfamilie in
alle Zimmer dürfen.
Auch ins Schlafzimmer?
Auch ins Schlafzimmer. Doch damit nicht genug: Er darf dabei
sogar auf dem Bett schlafen, um zu lernen, wie Alarm ausgelöst wird, wenn beim späteren Besitzer etwas nicht
stimmt. (Beginnt zu lachen) Immerhin habe ich bis heute noch
nie davon gehört, dass deswegen eine Ehe in die Brüche
gegangen wäre …
Husch zu «Ischkia», ein doch eher ungewöhnlicher Name für einen
Hund. Woher der Name?
«Ischkia» ist ein Name, der uns gefallen hat und der nach
dem Stammbaum in Frage kam. Im Stammbaum gibt es
nämlich immer gewisse Vorgaben, so auch bei «Ischkia»,
sie musste einen Namen mit «I» bekommen. Mit ihren bald
15 Jahren braucht man nur «Iiiiiii!» zu rufen – und sie weiss,
wem es gilt.
Nochmals zu den Gastfamilien, ich habe Sie ja unterbrochen …
Eben, ich gebe «Ischkia» für ein bis zwei Wochen in die
Gastfamilie zum «Pröbele». Erst nach diesem Test kommt
ein Welpe im Alter von acht Wochen in die Gastfamilie und
besucht während dieser Zeit wöchentlich mit «Klassenkameraden» ein intensives Training von zwei Stunden. Mit zwölf
Monaten verlässt der Hund diese Gastfamilien und kommt
während sechs Monaten zur intensiven Schulung ins Schweizerische Zentrum für die Ausbildung von Hilfshunden. Bei dieser
Ausbildung bin ich ebenfalls engagiert. Hier lernt der Hund die
30 notwendigen Befehle in französischer Sprache. Das sind ganz
kurze Schlagwörter, damit der Behinderte diese auch lernen und
aussprechen kann.
104
Weshalb denn Franz?
Ein Soldat, dem im Algerien-Krieg beide Arme amputiert werden
mussten, hatte die Idee, einen «Le copain» auszubilden, der ihm
täglich helfen konnte, das Leben einfacher zu gestalten.
Die Blindenhund-Sprache ist Italienisch und die Sprache von
«Le copain» Französisch.
Was lernt der Hund dabei, en français?
Der Hund lernt, Gegenstände aufzuheben oder zu bringen – zum
Beispiel ein Telefon -, das Licht ein- und auszuschalten, Türen
zu öffnen und zu schliessen, Hilfe zu holen oder an der MigrosKasse zu zahlen. Aus dem Kühlschrank kann er auch problemlos
Flaschen «heranschleppen».
Und wie geht das dann?
Nehmen wir das Beispiel aus der Migros: Wenn der Behinderte
mit dem Rollstuhl im Laden ist, so geht der Hund schön neben
ihm, wenn nötig und möglich nimmt der Hund einen Artikel auf
Kommando aus dem Gestell. Vor der Kasse sagt dann der Behinderte wiederum ein Kommando. Der Hund dreht sich und läuft
rückwärts durch die Kasse, nimmt wenn nötig den Geldbeutel
und auf ein weiteres Stichwort gibt der Hund das Portemonnaie
der Kassiererin, die ihrerseits das nötige Geld herausnimmt und
dem Hund den Beutel wieder zurück in den Mund steckt. Unser
«copain» übergibt dann den Geldbeutel dem Behinderten.
Was aber, wenn …
Ich ahne, was jetzt kommt: Sie stellen sich das bildlich vor und
glauben, alles sei «versabbert» …
Können Sie Gedanken lesen?
Nein, nicht gerade, aber ich kenne die Einwände inzwischen …
Das alles ist kein Problem. Wissen Sie, wenn Ihnen ein «copain»
ein Mödeli Anke holt, dann sehen Sie kaum einen Zahnabdruck
auf der Packung.
Irrtum vorbehalten, da gibt es in Sachen Fressen auch Spezielles.
Ja, das stimmt. Er erhält sein Futter zur genau gleichen Zeit am
genau gleichen Ort, nämlich um 06:30 und um 16:30 Uhr.
Weshalb denn das?
Die Behinderten werden grösstenteils von der Spitex oder
anderen Menschen täglich zu bestimmten Zeiten gepflegt und
verköstigt, deshalb ist dieser «Fressplan» zwingend. Die Pflegenden gehen teilweise mit dem Hund noch «Gassi». Merke:
Wenn man dem Hund immer zur gleichen Zeit das Fressen gibt,
kann man ihn auch immer zur gleichen Zeit «Gassi» führen.
Wie geht es in der Ausbildung weiter?
Die Haltung und die Ausbildung erfolgen in einer Wohnung oder
einem Haus, damit das Tier auch später beim Behinderten
an diese Umgebung gewöhnt ist. Für den Hund darf es in der
Wohnung keine verschlossenen Räume geben, er darf überall
rein. Dank seiner gründlichen Ausbildung ist er «auswärts»
ein unentbehrlicher Helfer für den Behinderten. Er begleitet die
Behinderten überall hin und hat Zutritt zu allen öffentlichen
Orten. Damit die Behinderten mit einem «copain» auch in
Lebensmittelgeschäften wie der Migros einkaufen können, haben
sie spezielle Ausweise, weil Hunde ja sonst nicht auf die
Verkaufsflächen dürfen. Leider gibt es da und dort Probleme in
den Geschäften, dabei sind diese Tiere hygienisch sauber, nur
wissen das die Leute halt nicht.
Wissen Sie, wenn Ihnen ein
«copain» ein Mödeli Anke holt,
dann sehen Sie kaum einen
Zahnabdruck auf der Packung.
Können es auch nicht wissen …
Ja, da mögen Sie recht haben.
Mir ist, ich hätte schon gehört, wie diese speziell ausgebildeten
Hunde gerufen werden, nämlich nicht mit «Waldi» oder «Bless»
oder «Prinz» …
Das stimmt. Es gibt Behinderte, die keine deutschen Vokale mehr
105
nie, wenn zum Beispiel Kinder im Rollstuhl sitzen, sich kaum
bewegen und nicht sprechen können, aber mit ihren Augen
«Danke!» sagen.
Dank seiner gründlichen
Ausbildung ist er «auswärts»
ein unentbehrlicher Helfer
für den Behinderten.
aussprechen können, deshalb auch Namen wie «Iglu», «Ischia»
oder «Western». Diese Namen lassen sich selbst mit geschlossenen Lippen aussprechen.
Wie geht eigentlich die Übergabe eines Hundes an einen Behinderten
vor sich?
Nach der Ausbildung lernen sich der Hund und sein zukünftiges
Frauchen oder Herrchen in einem zweiwöchigen Praktikum
kennen. Während dieser Zeit kann sich das Zweigespann Mensch/
Hund einerseits finden, andererseits hat der Behinderte die
Gelegenheit, den Umgang mit Hunden sowie die Arbeitsweise mit
seinem neuen Begleiter zu lernen.
Im Interview mit der Redaktorin der Denner-Mitarbeiterzeitung
stellte sie fest, dass Sie beim Gespräch plötzliche nasse Augen
hatten. Weshalb war dem so?
Ich hatte damals gerade die Übergabe des Hilfshundes an
die behinderte Person vor Augen. Die Gastfamilie persönlich
übergibt nämlich das Tier seinem Frauchen oder Herrchen.
«Mein» Hund sitzt also neben mir, ich gebe einen entsprechenden Befehl, und schon läuft er zu seiner zukünftigen Bezugsperson. Ein letzter treuer Hundeblick zurück, und dann ist
eine sehr persönliche und intensive Tier-Mensch-Beziehung von
einer Sekunde auf die andere abgeschlossen. Das ist ein sehr
emotionaler Moment.
Wie man Ihnen auch jetzt ansieht.
Ja, ich schäme mich deswegen auch nicht. Die Hunde sind halt
meine «copains». Und auch die Augen von Kindern vergesse ich
Jedes Hobby kostet. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Die Ausbildung eines Hundes kostet den Verein «Le copain»
(www.lecopain.ch) ungefähr 25’000 Franken. Der Hund bleibt
dabei immer rechtliches Eigentum des Vereins. Meine Frau und
ich führen dieses Amt ehrenamtlich aus. Das Futter erhalten wir
vom Produzenten gratis, der Behinderte muss es später dann
aber selber bezahlen. Der Tierarzt stellt teilweise gar keine
Rechnung oder nur symbolisch. Ich selber fahre im Jahr gegen
3’000 Kilometer und investiere rund 150 Stunden in die Ausbildung eines Hilfshundes, meine Frau wendet dafür ungefähr
100 Stunden auf. Ich hoffe sehr, dass ich auch im jetzigen Beruf
die Ausbildung weiterführen kann. Bis jetzt haben wir uns
im Team jedenfalls immer einigen können, und so gebe ich mit
meiner Familie alles, um Menschen mit schweren Schicksalen
das zu geben, was ich auch bekommen habe während meiner
Spitalzeit: Liebe, Geborgenheit und die Gewissheit zu wissen,
dass jemand da ist, wenn man Hilfe benötigt.
Chapeau. Und dafür möchten wir Sie symbolisch honorieren, dem
Verein «Le copain» werden wir in den nächsten Tagen 1’000 Franken
für dieses Gespräch überweisen.
"Als seine
ExPartnerin
..
hatte es sich
ausgeliebt..."
Martina
Niggli
106
107
Martina Niggli
Migro Olten-Sälipark
Martina Niggli, damit wir Sie «einordnen» können.
Sie arbeiten Teilzeit, werden demnächst 24 und
studieren. Was denn genau – und wo, in welchem
Semester?
Ich befinde mich zur Zeit im 10. Semester an
der Uni Basel. Dort habe ich nach drei Jahren
Studium den Bachelorabschluss in Anglistik
(Englisch) und Medienwissenschaften absolviert.
Nachdem ich jedoch feststellen musste, dass ein
direkter Berufseinstieg mit dem BA-Abschluss
einer philosophischen Fakultät fast unmöglich ist, nahm ich
sofort den Masterabschluss in denselben beiden Fächern
in Angriff. Dafür gehen noch zwei weitere Jahre drauf, doch ein
Masterabschluss erhöht die Chancen auf dem Arbeitsmarkt
merklich.
Verbleiben wir zuerst noch bei der Migros. Seit wann arbeiten Sie
Teilzeit?
Bei der Migros bin ich seit 4½ Jahren angestellt, angefangen
als Ferienjob nach der Matur, dann Teilzeit (30-50 Prozent)
neben dem Studium und zum Teil Vollzeit während der Semesterferien. Die Tatsache, dass ich mein Studium von Anfang an
selber finanziere, selber finanzieren muss, hat mich wohl zu
diesem Fleiss getrieben (lacht).
Mit meiner Rayonleiterin
stehe ich stets in guter
kommunikativer Absprache in
Bezug auf meine Einsätze.
Weshalb «muss»?
Meine Eltern sind mit ihrer finanziellen Zurückhaltung dafür
besorgt, dass ich nicht zu einer verwöhnten, realitätsfremden
und arbeitsfaulen Uni-Absolventin mutiere.
Was Ihren Eltern zu gelingen scheint. Respekt. Dennoch die Frage:
Wie bringen Sie alles unter den berühmten einen Hut? Studium,
Migros und Freizeit, in der Annahme, dass Sie Letzteres auch
haben …
Stimmt, das Handling mit Uni, Job, Prüfungen, Seminararbeiten
schreiben und Hobbys ist eine organisatorische Meisterleistung,
die eigentlich im Curriculum Vitae anerkannt werden sollte,
im Lebenslauf (schmunzelt). Mit meiner Rayonleiterin stehe
ich stets in guter kommunikativer Absprache in Bezug auf
meine Einsätze, welche von Semester zu Semester ändern und
einiges an Flexibilität von beiden Seiten benötigen. Vor jeder
Stundenplan-Planung
graut es mir, doch bisher ist mir das Handling immer gut gelungen. Generell schätze
ich die Tatsache, dass
wir
«Philosophen»
den Stundenplan nach
eigenem Gusto und
Pensum
einrichten
können und nur wenigen Richtlinien unterstellt sind. So liegt
problemlos eine Teilzeitstelle drin, die mir meine finanzielle
Teil-Unabhängigkeit in einem jungen Alter ermöglicht.
Sie studieren Medienwissenschaften und Anglistik. Bevor wir
zu meinem eigenen «Betätigungsfeld» kommen, was verstehe
ich denn unter Anglistik und wie genau ist dort das Studium
aufgebaut? Ist zum Beispiel ein Sprachaufenthalt im Ausland
Voraussetzung?
Der Studiengang Anglistik beinhaltet die Lehre über a), die
englische Sprache und b), die englische und die amerikanische
Literatur. So quasi nebenbei lernt man die Geschichte von und
das typische Leben in Grossbritannien und Amerika kennen. Das
Grundstudium ist in zwei Bereiche aufgeteilt: Linguistik und
Literatur, wobei man sich im dritten Semester – Aufbaustudium
– für eine Richtung entscheiden muss. Dort absolviert man
dann den Bachelorabschluss. Ich habe mich für Linguistik entschieden, da diese Wissenschaft geeigneter ist für eine Karriere.
Englische Literatur geniesse ich im privaten Rahmen.
Und im Masterstudium?
Im Masterstudium lernt man wieder in beiden Bereichen und
absolviert auch die Masterprüfung in beiden Richtungen. Dass
wir im Anglistik-Studium die englische Sprache lernen, würde
ich als eine Unwahrheit bezeichnen, denn bereits im ersten
Semester werden jene ausgesiebt, welche die Sprache nicht
genügend beherrschen. Nur zwei Semester lang dürfen wir von
einer Art Sprachunterricht profitieren. Ich gehörte anfangs auch
zu denen, die eher knapp waren in der Auswertung, doch habe
ich meine Defizite mit harter Arbeit bald aufgeholt. Das Bestehen
des uni-internen Proficiency-Exams gehört zu den Voraussetzungen, um überhaupt zum BA-Abschluss zugelassen zu werden.
Sprachaufenthalte?
Eine weitere allgemeine Verunsicherung ist der Sprachaufenthalt, denn nur die wenigsten bringen jenen in das Studium mit.
Viele absolvieren während des Studiums ein Austauschsemester,
doch auch für einen Uniabschluss gehört ein Aufenthalt im
englischen Sprachraum nicht zur Voraussetzung. Bei den
mündlichen Masterprüfungen merkt der Dozent lediglich, wer
besser und flüssiger oder schlechter redet.
108
Wie war das bei Ihnen?
Ich habe ein Austauschsemester quasi verschwitzt, denn es
besteht aus einer enormen Planung bereits ein Jahr im Voraus.
Da ich aber meinen Migros-Job hätte kündigen müssen und es
ein sehr teures Semester geworden wäre, bevorzugte ich neun
Wochen in Manchester im Sommer 2008 an einer Sprachschule
auf eigene Faust. Dies war das teuerste Geschenk, das ich mir
bisher gemacht habe (lacht). Die gesammelten Erfahrungen sind
unbezahlbar. Und meinem Chef bin ich auf ewig dankbar, dass
ich für diese knapp drei Monate keine Kündigung riskieren
musste.
mich Regionales reizen. Für eine Frau wie mich wäre natürlich
auch Journalismus bei einem Modemagazin ein Highlight (lacht).
Mich beeindruckt generell, wie viel «allgemein gebildeter» man
als Journalist wird, da man sich auch mit vielen Themen
beschäftigt, die man sonst aus Desinteresse ignorieren würde.
Weiter schätze ich abwechslungsreiche Arbeit und die Arbeit
mit dem Internet. Und ich mag es, Menschen kennenzulernen.
Oft sehe ich Menschen am Bahnhof oder verwirrte Kunden,
sehe in ihre Augen und frage mich, was für eine Geschichte wohl
hinter ihnen steckt.
Ich habe gehört, dass Sie daran sind, Ihre Masterarbeit zu
schreiben. Ich greife vor: Was möchten Sie nach dem Studium
arbeiten?
Im Dezember werde ich meine Abschlussprüfungen haben und
möchte später im Bereich Journalismus, Media Communications
oder PR einsteigen, was jedoch ohne Erfahrungen sehr schwierig
ist. Doch wie soll sich eine junge Studierende denn auch
Erfahrungen holen? Dies ist eine weitere Problematik im Bezug
auf Studium und Arbeit …
Ich warte ja nur auf den einen
Arbeitgeber, der mir eine Chance
gibt.
Womit Sie natürlich recht haben. Gestatten Sie mir aber einen
Hinweis in eigener Sache, als kommunikatives Schlachtross, das
mit den Jahren leicht ergraut ist: Zum Glück haben wir Älteren der
Jugend noch die Erfahrung voraus, sonst wäre das Desaster total …
Das kann man auch so sehen, jaja (schmunzelt) … Ich warte
ja nur auf den einen Arbeitgeber, der mir eine Chance gibt.
Beweisen muss ich mich selber, doch die Chance dazu sollte
einem zumindest gegeben werden. Ältere dienen mir als Vorbild.
Nehmen wir die beiden Betätigungsfelder auseinander. Journalismus. Welches Medium würde Sie denn reizen – und dort, welches
Ressort? Weshalb?
Printmedien sind mein Ding. Nach ein paar Erfahrungen im
Tageszeitungs-Bereich
muss ich sagen, dass der
Druck dort gewaltig gross
und das Zeitbudget gewaltig klein sind. Viel mehr
reizen würde mich ein
Wochenmagazin, wie z.B.
das «Migros-Magazin», die
«Schweizer Familie» oder
der Beobachter, weil diese
eine Vertiefung in ein Thema ermöglichen und alle
Lebensbereiche abdecken,
während man bei einer
Tageszeitung nur ein Ressort betreut. Da würde
Haben Sie denn Beziehungen zum «Migros-Magazin», eine Art
Vitamin B – oder soll ich unser heutiges Interview mal dem Chefredaktor zukommen lassen?
Hätte ich dieses unkäufliche Vitamin, hätte ich wohl nicht
den MA angehängt (lacht). Nein, Scherz. Ich habe mich bereits
eigenständig um Gelegenheiten für Erfahrungen gekümmert. So
spazierte ich vor einigen Monaten einfach beim «Zofinger Tagblatt»
rein und wurde prompt vom stellvertretenden Redaktionschef
einen Tag lang an einen Event – den LogisticsDay – mitgenommen.
Darauf durfte ich einen grossen Artikel über diesen Tag
schreiben, was eine Herausforderung war, da mein Wissen über
Logistik- und Transportlösungen gleich null war. Aufgrund finanzieller Gründe lag eine Teilzeitanstellung beim ZT nicht drin,
denn sogar das eigene Personal muss momentan Überstunden
abbauen. Doch der Redaktionschef war zufrieden und der
Kontakt ist schon mal hergestellt. Geschadet hat es nicht. Man
weiss ja nie, ich bin offen für alle Chancen. Liebe Grüsse an
Hans Schneeberger, Chefredaktor des «Migros-Magazins» (lacht).
Hans Schneeberger erhält die «aare-info» jede Woche, falls er mal
was abkupfern möchte, was er auch schon getan hat. Ich werde ihm
unser Gespräch ans berühmte Herz legen … Sagen Sie, im Bereich
Public Relations: Welche Branche interessiert Sie? Privatindustrie
oder Amt?
Da fehlen mir bisher jegliche konkreten Überlegungen, weil mir
momentan so vieles Anderes durch den Kopf schwebt.
Direkt in die Höhle der Löwin: Wie kommt bei Ihnen die Kommunikation der Migros an? Zuerst einmal marketingmässig, also die
Werbung.
Die Migros-Werbung finde ich sauglatt! So viel Innovation,
Originalität und Kreativität sind nicht einfach so vorhanden,
109
offenes Geheimnis, dass Coop durchschnittlich teurer ist als
der orange Riese. Ich kenne Coop zu wenig, um ihre Marketingund Unternehmensstrukturen beurteilen zu können. Nur so viel:
ihre Werbung und der Slogan «Für mich … für dich» ist (lacht)
auch genial!
Outsiders vergessen gern,
wie viel Geld die Migros in Preisverbilligungen investiert.
sondern bedingen professionelle Arbeit durch kreative Genies.
Das Schwierigste im Marketing wird wohl die Kreativität
sein, welche nicht einfach erzwungen werden kann, sondern
tagtäglich herausfordert.
Und wie verkaufen wir uns in den symbolischen redaktionellen
Spalten?
Die Migros punktet durch das kommunizierte Nachhaltigkeitsdenken und die Kundenfreundlichkeit. Als Arbeitgeber geniesst
die Migros einen beispielhaften Ruf durch die Einführung des
GAV, durch sehr fortschrittliche, absichernde Sozialleistungen
und durch die vielen motivierten Arbeitnehmer, welche sich
nicht alle täuschen können.
Die Migros punktet durch
das kommunizierte
Nachhaltigkeitsdenken und
die Kundenfreundlichkeit.
Und jetzt der direkte Vergleich mit Coop. Was macht Coop besser
als wir, denn die Medienschaffenden finden – oder suchen gar nicht
erst? – bei der Nummer 2 nicht die grosse Angriffsfläche wie bei der
Migros.
Obwohl Coop letztes Jahr einen höheren Umsatzzuwachs
einheimste als die Migros, vergessen Outsiders gern, wie viel
Geld die Migros in Preisverbilligungen investiert und somit
den Kunden direkt entlastet hat – auf eigene Kosten. Es ist ein
Meine persönliche Meinung: Es ist für Medienschaffende auch
immer sexy, eine Story zum Thema «Nummer 2 jagt Nummer 1» zu
schreiben, auch wenn die Realität über alles gesehen vielleicht gar
nicht so sexy ist …
Da mögen Sie sogar recht haben. Es ist nicht alles Gold, was
glänzt.
Stichwort Masterarbeit. Welches Thema haben Sie gewählt?
Mein Masterarbeit-Titel lautet: «Die Macht der Printmedien:
Kommunikationsstrategien in der Rufmord-Affäre Roland Nef/
Samuel Schmid – eine Fallanalyse.» Mit diesem Thema kann
ich mich problemlos die restliche Zeit bis zum Jahresende
abkämpfen (lacht). Politische Skandale existieren nicht per se,
sondern sind das Resultat von geschicktem Themenmanagement,
einem Agenda-Setting mit bestimmtem Fokus und einer
aktiv und bewusst gesteuerten Themenkarriere. Dies sind alles
Aufgaben von Medien. Ohne ein Medium, kein Skandal.
Genauer.
Die Masterarbeit handelt von dem Einfluss der Medien, aus
einem Fehlverhalten eines Beamten einen folgenschweren Skandal zu konstruieren, denn ein Skandal ist nicht, sondern wird
gemacht durch a), Medien und, b), Publikum. Ich untersuche in
der Arbeit, wie der «Blick» und die «NZZ» dabei vorgegangen
sind. Ich wählte bewusst auf der einen Seite ein Elite-,
auf der anderen Seite ein Boulevard-Blatt. Ich bediene mich
dabei medienwissenschaftlicher Theorien und versuche diese
Mechanismen in den Artikeln der Zeitungen wiederzufinden. Es
geht weniger um die Kommunikationsfehler von Samuel Schmid
oder Roland Nef, sondern darum, wie die beiden Medien zum
Beispiel die Themenkarriere, die Phasen der Skandaluhr, die
Episodierung und die Themenstrategien handhabten, um Nef und
Schmid – lapidar gesagt – in die Pfanne zu hauen.
Rufen Sie doch unseren Leserinnen und Lesern in Erinnerung, worum
es genau ging, in dieser Affäre.
In der Affäre Nef/Schmid spielt Roland Nef, ein erfolgreicher
110
Brigadier in der Schweizer Armee, die Hauptrolle. Obwohl er
sich beruflich so weit korrekt verhalten hatte, passierte ihm
privat ein Malheur, als seine damalige Freundin Lynn S.
ihn im Herbst 2006 wegen Nötigung anklagte. Als sich
Bundesrat Samuel Schmid im Frühsommer des Jahres 2007
auf die Suche nach einem geeigneten Armeechef machte,
stiess er auf Roland Nef und schlug jenen öffentlich als neuen
Armeechef vor.
Schmid informierte dabei nicht
über das hängige Strafverfahren
gegen Nef, obwohl er darüber im
Wissen war.
Hat er den Gesamtbundesrat über die Klage informiert?
Schmid informierte dabei nicht über das hängige Strafverfahren
gegen Nef, obwohl er darüber im Wissen war. Im April 2007,
kurz nach dem öffentlichen Vorschlag Schmids zur Beförderung
Nefs zum Armeechef, unterzeichnete die Ex-Freundin jedoch eine
Desinteresse-Erklärung, worauf die Anzeige gegen Roland Nef
fallengelassen wurde. Deshalb hielt es Bundesrat Schmid nun
für noch weniger wichtig, die Öffentlichkeit über Roland Nefs
private Gewaltexzesse zu informieren, obwohl ein Armeechef
stets gewaltlos und als Vorbild handeln sollte.
Was passierte dann?
Kurz nach dem Fallenlassen der Anklage wurde Nef im Juni
2007 zum neuen Armeechef gewählt, was eine durchaus ehrenhafte Position im Schweizer Sicherheitssektor bedeutet. Erst
ein Jahr später, am 13. Juli 2008, wurde die Geschichte publik,
als die «SonntagsZeitung» den Skandal durch einen – noch –
unbekannten Informanten medial aufdeckte. Darauf kamen Nef
und Schmid bis heute unter Beschuss, und in der Startphase
der Skandalisierung wurden noch weitere schockierende Details
sowohl über Nefs Persönlichkeit als auch seine privaten
Malheure aufgedeckt.
Zum Beispiel?
Unter anderem wurde Nef vorgeworfen, er hätte die erstaunliche
Desinteresse-Erklärung seiner Ex-Freundin, welche zufälligerweise exakt zum richtigen Zeitpunkt für eine Beförderung
unterschrieben wurde, erkauft. Vier Tage nach der Aufdeckung
des privaten Fehlverhaltens von Roland Nef – am 17. Juli 2008
– ging jener auf einer öffentlichen Pressekonferenz in die Gegenoffensive und wurde bald darauf zum Rücktritt gebeten, weil er
als «untragbar» galt.
Wo wurden Ihrer Meinung nach denn die grössten Kommunikationsfehler gemacht, wenn wir einmal das Auswahlverfahren auf der
Suche nach dem Armeechef ausser Acht lassen?
Im Bezug auf Schmids und Nefs Fehler: Als Skandalisierter ist
man immer am kürzeren Hebel und wird selten das Richtige
machen. Ich denke, als Armeechef hat Nef ein Vorbild zu sein
in Sachen Gewalt, Machtausübung, Selbstbeherrschung und
Toleranz. Dass gerade er privat diesen Erwartungen zuwider
handelte, gibt der Veröffentlichung von Privatem eine gewisse
Legitimation. Normalerweise gehört Privates in die Privatsphäre,
doch in gewissen Branchen rutscht die Privatsphäre in eine
heikle Schnittmenge mit dem öffentlichen Interesse.
Wie ist der Stand heute, da wir dieses Interview führen?
Von Herrn Schmid wissen wir, dass er pensioniert ist. Roland Nef
scheint mir PR-mässig nicht extrem gut beraten worden zu sein,
denn sein vermeintlicher Befreiungsschlag vor einigen Wochen
auf «Tele Züri» wurde zum Rohrkrepierer.
Was würden Sie Roland Nef raten, in der heutigen Situation, rein aus
Ihrer Sicht?
Hui, da bin ich zu wenig PR-Experte. In der Öffentlichkeit lebt
es sich sehr schwer. Am besten fährt man wohl mit der Ehrlichkeit, und dass er sich rar macht, sich zurücknimmt aus der
Öffentlichkeit für den Rest des Lebens.
Jeder Mensch verdient eine zweite Chance, sagt man.
Auch Roland Nef?
Als neutrale Person meinte ich ja. Als seine Ex-Partnerin hätte
es sich ausgeliebt (lacht).
Roland Nef scheint mir
PR-mässig nicht extrem gut
beraten worden zu sein.
PS: Martina Niggli arbeitet inzwischen (Frühjahr 2011) als
Journalistin bei der DEJO-PRESS in Solothurn.
Peter
Rieder
111
"Nachts einem
Flusspferd
zu begegnen,
ist nicht
jedermanns
Sache."
112
Peter Rieder
Migros Belp
Peter Rieder, um allen auf die Sprünge zu helfen,
denen Ihr Name bekannt vorkommt: Wir haben
schon einmal zusammen ein «Interview der
Woche» geführt, in der «aare-info». Verraten Sie
den Lesenden zu welchem Thema?
Ja, gerne. Es ging um meine Zeit in einem
buddhistischen Kloster in Thailand.
Stimmt, eine eindrückliche Geschichte, ich
erinnere mich sehr gut. Was hatten Sie damals
für Reaktionen?
Mich haben natürlich vor allem jene Leute angesprochen, die
mich kennen. Ihre Echos waren sehr gut, die meisten wollten
noch mehr Details hören. Ich zweifle aber daran, dass deshalb
jemand Mönch geworden ist (lacht) …
Nun also ein weiteres Gespräch, dieses Mal zu Gorillas in Ruanda.
Der Reihe nach: Woher das Interesse an diesen Tieren?
Ich unternehme gerne Reisen, wo man Tiere sehen und auch
beobachten kann. Darf ich Ihnen ein Beispiel geben?
Ich bitte sogar darum.
Ich war im Juni 2009 für zwei Wochen in den Black Hills,
genau genommen, in einer kleinen, im Westernstil gebauten City
namens Custer.
Soso, Black Hills. Custer. Und wo finde ich das auf der Weltkarte?
In South Dakota. Ich habe mir ein Holzhaus gemietet und bin mit
dem Auto auf tägliche Ausflüge gegangen. Die Black Hills gelten
als das «Heilige Land» der Lakota-Indianer, von denen ja der
grossartige Film «Der mit dem Wolf tanzt» handelt und der
auch in diesem und anderen Gebieten in South Dakota gedreht
wurde. In den diversen Parks sieht man noch grosse Tierherden
von Bisons, wilden Eseln, Wölfen und mit etwas Glück auch
Bären.
Nun, wenn wir schon dabei sind: Irrtum vorbehalten, waren Sie auch
schon in Kenia und Tansania, um die Tiere auf ihrer Wanderung
durch die Serengeti zu beobachten. Was bleibt Ihnen davon in
Erinnerung?
Ich war nicht bloss in der eigentlichen Serengeti, sondern auch
an der Grenze zwischen Tansania und Kenia mit der imposanten
Flussdurchquerung des Mara Rivers. Zu beobachten gibt’s da vor
allem die riesengrossen Herden an Gnus, Zebras und Antilopen.
Der Herde folgen die Raubkatzen.
Raubkatzen.
Ja, Raubkatzen. Löwen.
Tiger?
Tiger gab’s und gibt’s in Afrika nie.
Schade, da sind Sie nicht
reingefallen, das war eine
Fangfrage.
Schlitzohr … Zu den Löwen:
Da sind jeweils Hunderttausende
von
Gnus,
Zebras und Antilopen
unterwegs, wenn nicht
sogar Millionen von Tieren, die alle nur ein Ziel
haben: Überleben, auf dem Weg zu neuen Weidegründen, zu
Wasser, es gibt ja ganz, ganz eindrückliche DOK-Filme dazu.
Auf diesen Wanderungen, die aber Tausende von Kilometern
gehen können, überleben nie alle Tiere, deshalb die Raubkatzen
im Schlepptau.
Zwischenfragen, zu Stichworten – Ngorongoro Krater, wie haben Sie
den erlebt?
Für mich – und ganz sicher auch für die dort lebenden Tiere – ist
der Ngorongoro-Krater das Paradies, wie man es sich vorstellen
könnte: Ganzjährig Wasser, so dass es genügend Nahrung
hat, für die vielen Tiere, die hier leben. Also ein in sich
geschlossenes Ökosystem, bei dem die Tiere nicht zu den langen
Wanderungen zur Nahrungssuche gezwungen werden. In diesem
Park sieht man eine Unmenge von Tieren, vor allem grosse
Löwenrudel, bei der Anzahl an Huftieren ist das einfach zu
erklären. Zum Glück wurden in letzter Zeit die Besucherzahlen
limitiert, was dem Park und den Tieren zu Gute kommt.
Lake Manyara, eine gewisse Sorte Löwen?
Da Sie offenbar Bescheid wissen – waren Sie auch schon dort?
Gut geraten, ja, als Reiseleiter, ist aber schon einige Jahre (…) her.
Also: Was gibt es zu den Löwen in Lake Manyara zu sagen?
(Schmunzelt) Ist das wieder eine Ihrer Fangfragen? Denn
eigentlich beherbergt dieser Park recht wenige Löwen ... Doch
diese Löwen sind die einzigen ihrer Art, die auf leicht zugängliche Akazienbäume klettern, was ja für Löwen nicht normal ist.
Daher nennt man sie die Baumlöwen vom Lake Manyara.
Keine Fangfrage. Die Löwen klettern angeblich in die Höhe, um
speziell lästigen Mücken aus dem Weg zu gehen, die in Bodennähe
herumschwirren … Wechseln wir jetzt aber nach Ruanda. Und bevor
wir zu den Gorillas kommen. Ruanda gelangte 1994 vor allem durch
den für uns unvorstellbaren Völkermord der Hutus an den Tutsis
zu trauriger Berühmtheit. Haben Sie sich vor Ihrer Reise damit
beschäftigt? Wie geht man damit um, in ein Land der verbrannten
und blutgetränkten Erde zu reisen?
Selbstverständlich habe ich mich über das Land informiert, vor
der Reise, das mache ich übrigens vor jeder Reise. So habe ich
mir vorher den Film «Hotel Ruanda» angesehen, der ja mit
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dieser Thematik umgeht. Dieser Film handelt auch von einem
Hotelmanager, der die vielen Verfolgten zu schützen versuchte.
Übrigens existiert das Hotel noch und nennt sich heute «Hotel
des Mille Collines». Was mir wichtig erscheint: Falls ein Land
nach einem Natur- oder sonstigen Ereignis wieder relativ sicher
ist, sollte man bei Interesse hinreisen, um den Einheimischen
durch Devisenausgaben zu helfen. Bei einem Boykott leiden ja
immer nur die Ärmsten.
Damit wir uns ein zeitliches Bild Ihrer Reise machen können: Wann
genau haben Sie Ruanda besucht?
Vom 6. bis 20. November 2009, also zu jener Zeit, da die UNO
zum Jahr des Gorillas aufgerufen hat. Zufall.
Sie haben bereits von Ihrem Interesse an den Gorillas gesprochen.
Wie kamen Sie auf die Gorillas?
Durch den Film «Gorillas im Nebel», der über die Arbeit der
amerikanischen Tierforscherin Dian Fossey berichtet.
Im Film brillant von Sigourney Weaver gespielt, die für ihre
Darstellung einen Golden Globe und eine Oscar-Nomination erhielt.
Genau. Als ich den Film gesehen hatte, wusste ich sofort: Dorthin
will ich auch!
Es ist schon einmalig, wenn man
in der totalen Dunkelheit
Löwen oder Hyänen oder Zebras
hört …
Nun bucht man eine Reise zu diesen Gorillas und nach Ruanda nicht
einfach so wie man ein Bahnbillett Bern-Zürich löst, zumal es Restriktionen zum Besuch der Gorillas gibt. Wie haben Sie das angestellt?
Das stimmt, pro Tag gibt es bloss 24 Permits zu den Gorillas,
und das nicht mal für das ganze Jahr, sondern nur für acht
Monate. Da gehört Glück dazu. Da in Ruanda vor allem der
sanfte Tourismus gefördert wird, ist das Permit relativ teuer.
Wie teuer?
500 US-Dollar pro Permit.
Wo haben Sie gebucht?
Bei Intrepid Travel/Dragomann Travel, die in Australien und in
Kenia beheimatet sind. Es war eine Art Zeltsafari.
Das heisst?
Zeltsafaris nennen sich Reisen, wo man in einem umgebauten
Truck – mit entsprechender Campingausrüstung – in der Gegend
herumgeführt wird. Übernachtet wird dann in den Zelten,
inmitten der Nationalparks, the real African feeling!
Und dabei hört man nachts wohl das eine oder andere Geräusch …
Keinen Schiss gehabt?
Jein. Vor allem nachts wurde es mir schon manchmal mulmig.
Wann denn?
Auf dem Gang zum Plumpsklo (lacht), da stand zum Beispiel
einmal ein Flusspferd ganz in der Nähe. Und das ist nicht
unbedingt das, was man mit «niedlich» zu bezeichnen pflegt.
Aber ansonsten ist es schon einmalig, wenn man in der totalen
Dunkelheit – hier kennt man keine Lichtverschmutzung! – Löwen
oder Hyänen oder Zebras hört …
Sagen Sie, wohin sind Sie genau geflogen, wie ging es dann weiter?
Zuerst bin ich nach Nairobi geflogen, der Hauptstadt Kenias.
Dann ging es weiter mit dem Truck nach Nakuru, berühmt für
seine vielen Rosaflamingos und Pelikane. Danach sind wir über
die Grenze nach Uganda, von dort aus nach Ruanda gefahren, für
vier Tage. Der Retourweg verlief in umgekehrter Reihenfolge.
Nun zu den Gorillas: Wo genau befindet sich ihr Lebensraum?
Ich vermute eine Art Reservat. Korrekt?
Ihren Lebensraum nennt man im weitesten Sinn das VirungaGebiet, im Nordwesten Ruandas. Die Gorillas sind im National
Park zu finden. Auch Dian Fossey lebte dort für ihre Forschungsarbeiten. An den Hängen von mehreren erloschenen Vulkanen
leben verschiedene Gorillagruppen, von denen man fünf besuchen kann.
Wie viele Gorillas leben da?
Im Virunga-Gebiet leben ungefähr 380 Gorillas, zusammengezählt sowohl auf ruandischem als auch auf kongolesischem
Territorium. Weitere ungefähr 370 Gorillas finden sich in Uganda,
vor allem im Bwindi Park. Es ist auch heute noch schwer, die
korrekte Zahl zu ermitteln, aber diese Zahlen dürften dennoch
ziemlich genau stimmen.
114
Wie hat sich die Population denn in den letzten Jahrzehnten
entwickelt?
In den letzten fast 100 Jahren sank die Zahl der Gorillas. Zuerst
waren die Tiere – so unglaublich das heute tönen mag! –
willkommene Trophäen für Grosswildjäger aus der Kolonialzeit,
in der jüngeren Vergangenheit haben die Gorillas unter dem
Bürgerkrieg gelitten.
Von Ruanda bin ich positiv überrascht, dass das Land nach diesen
furchtbaren Ereignissen in den
neunziger Jahren so schön ist.
Wie ist denn das zu verstehen?
Während des Bürgerkriegs dienten die Virunga-Wälder als Rückzugsgebiet der Verfolgten, die – durch Hunger getrieben – auch
Gorillas jagten. Seit dem Ende des Bürgerkrieges stabilisiert sich
die Population, obwohl sie noch immer vereinzelt durch Wilderer
dezimiert wird. Aber ich muss sagen: Die Regierung ergreift alle
möglichen Massnahmen, um das zu verhindern.
Was ist das für ein Erlebnis, diesen Menschenaffen quasi vis-à-vis
zu stehen?
(Geradezu euphorisch) Es ist fast unbeschreiblich, es ist fantastisch, unglaublich! Man schaut den Gorillas zu und ist sprachlos.
Man beobachtet sie still und leise, und allmählich wird man sich
bewusst, weshalb man sie als Menschenaffen bezeichnet.
Weshalb denn?
Sie essen ähnlich, kommunizieren ähnlich, verändern ihre
Gesichtszüge. Was auffallend war: Die Gorillas haben auch
uns beobachtet. «Was denken sie sich wohl, bei unserem
Ansehen?», das habe ich mich mehr als bloss einmal gefragt.
Diese Gorillas in ihrer natürlichen Umgebung zu sehen, nicht im
Zoo, das bleibt unvergesslich!
Sie sprechen von ihrer natürlichen Umgebung. Wie findet man
denn überhaupt dorthin? Eine Autobahn wird es ja kaum geben, mit
grossem Parkplatz und einem Hinweisschild «To the Gorillas» …
Zum Glück nicht! Bevor man zum «Meet and Greet» mit den
Gorillas kommt, läuft man, je nach Aufenthaltsort der Tiere, stundenlang durch unwegsames Gelände, zum Teil auf allen Vieren, das
ist alles andere als ein Spaziergang. Ist man dort einmal angelangt,
signalisiert der Silberrücken, ob man denn willkommen ist.
Silberrücken? Hiess der Guide so?
(Lacht) Fangfrage?
Keine Fangfrage.
Der Silberrücken – er hat wirklich silberne Haare auf seinem
Rücken – ist das Familienoberhaupt einer Gorillafamilie, einzig
er entscheidet, ob man willkommen ist oder nicht. Wir hatten
Glück, er hatte nichts gegen unsere Gruppe. Wäre das Gegenteil
der Fall gewesen – wie das durchaus vorkommen kann -,
dann hätten wir aus Sicherheitsgründen den Rückzug antreten
können …
Was für besondere Erinnerungen haben Sie?
Eine ganz besondere Erinnerung. Als ich filmte und fotografierte,
habe ich einen kleinen Schwarzrücken hinter mir zuerst nicht
bemerkt, erst als ich so ein komisches Atmen hinter mir hörte.
Dieser freche kleine Gorilla beschnupperte mich überall, sicher
vier Minuten lang. Als er damit fertig war, spazierte er rechts an
mir vorbei, blieb plötzlich stehen und schaute mich lange – und
wohl fragend – an, bevor er wieder zu den Seinen zog. Was für
ein Erlebnis, so nahe bei einem Gorilla zu sein, ohne Angst zu
haben! Und wie man sieht, ein friedliches Nebeneinander ist
immer möglich, wenn man den anderen respektiert.
Überlässt man diese Tiere mehr oder weniger ihrem Schicksal oder
gibt es eine Beobachtungsstation, die die Arbeit von Dian Fossey
weiterführt?
Nein, zum Schutz gibt es, wie bereits angedeutet, Rangergruppen,
die täglich auf ihre Touren gehen, um die Gorillas vor Wilderern
und anderen dubiosen Gestalten zu schützen. Weiter gibt
es mehrere Organisationen – unter anderem die Dian Fossey
Foundation -, die finanzielle Mittel zum Schutze der Gorillas
bereitstellen. Auch verschiedene Zoos, vor allem der Zoo
Frankfurt, unterstützen den Schutz von Gorillas im Berg- oder
Flachlandgebiet regelmässig mit Aktionen.
Was sonst haben Sie von Ruanda gesehen, was für Eindrücke bleiben da zurück?
Von Ruanda bin ich positiv überrascht, dass das Land nach diesen furchtbaren Ereignissen in den neunziger Jahren so schön
ist: Saubere Strassen und Städte, gut ausgebaute Strassen und
sehr, sehr freundliche Menschen. Ich fühlte mich noch nie so
sicher in einer afrikanischen Stadt wie in Kigali oder in Ruhengeri. Übrigens gilt Ruanda als die kleine Schweiz von Afrika, eben
wegen der Sauberkeit und der Lage mit den vielen hohen Bergen.
Eines ist klar, nämlich dass ich irgendwann wieder dorthin
zurückkehren werde, um das Land intensiver bereisen zu können.
Zwangsläufige Schlussfrage: Was steht als Nächstes an?
Dieses Jahr geht es nach Bangkok und nach Hong Kong, also
nicht unbedingt typische Tierparadiese (lacht). 2011 ist dann
wieder der Tierwelt gewidmet. Nur weiss ich noch nicht, wohin
genau. Botswana, Namibia, oder doch wieder Tansania mit dem
Ngorongoro-Krater?
Heinz
Schibli
115
..
"Pobelnde,
betrunkene
junge
Erwachsene
nehmen in
unseren
..
Laden zu."
116
Heinz Schibli
Leiter Sicherheitsdienst,
Schönbühl
Heinz Schibli, beginnen wir ganz von vorne:
Seit wann sind Sie bei der Migros als Chef
Sicherheit?
Ich bin am 1. März 1997 in die damalige
Genossenschaft Aargau/Solothurn eingetreten. Nach dem Zusammenschluss
mit der Migros Bern hiess es, den
Arbeitsplatz zu wechseln, nach Schönbühl. Obwohl mich damals der lange
Arbeitsweg geschockt hat, finde ich es
heute sehr spannend, in diesem grossen
Umfeld zu arbeiten.
Was haben Sie für eine Ausbildung gemacht und – in Kurzform – was
haben Sie vor Ihrer Migros-Zeit gemacht, in welchen Funktionen?
(Schmunzelt) Ich habe eine Lehre als Lebensmittelverkäufer
absolviert und durchlief anschliessend alle Stufen – bis zum
Filialleiter. Danach wechselte ich zur Kantonspolizei Aargau. Die
einjährige Ausbildung zum Kantonspolizisten war super. Diese
Schule würde ich jederzeit wieder machen. Nach einigen Jahren
Polizeiarbeit kehrte ich zurück zum Detailhandel und wurde
Verkaufsleiter bei Coop Zürich. Diese Funktion ist bei uns mit
dem Leiter einer Verkaufsregion zu vergleichen. Als die Stelle
als Leiter Sicherheitsdienst bei der Migros Aargau/Solothurn
ausgeschrieben wurde, bewarb ich mich. In dieser Funktion
konnte ich Detailhandel und Sicherheit verbinden, was für mich
genial war. Entsprechend meinen beruflichen Tätigkeiten habe
ich auch die dazugehörenden Ausbildungen absolviert.
Ich habe eine Lehre als Lebensmittelverkäufer absolviert und
durchlief anschliessend alle
Stufen – bis zum Filialleiter.
Wir kennen Sie als Leiter des Sicherheitsdienstes. Was genau sind
denn Ihre Aufgaben und jene Ihres Teams?
In unserer Abteilung haben wir drei Hauptaufgabengebiete: Safety,
Security und das Inspektorat. Der Safetybereich umfasst alles,
was mit Arbeitssicherheit zu tun hat. Für mich ist das ein sehr
wichtiger Bereich. Das menschliche Leben ist das höchste zu
schützende Gut. Wenn man Zahnweh hat, sind wohl alle froh,
wenn es wieder weg ist. Wenn man aber durch einen Unfall, der
hätte verhindert werden können, eine bleibende Behinderung hat,
so ist man sein Leben lang handicapiert. Aus diesem Grund
versuchen wir mit Ausbildungen, Prävention und Kontrollen die
Gesundheit unserer Mitarbeitenden zu schützen. Was mich aber
in diesem Bereich nachdenklich stimmt, ist die Bereitschaft zur
Gefährdung der eigenen Arbeitssicherheit.
Manchmal bekomme
ich das Gefühl, man
gehe allzu leichtfertig
damit um.
Der Security-Bereich?
Das ist definitiv der
meist diskutierte Bereich, auch in der
Öffentlichkeit. Der Detailhandel hat sich vor
vielen kriminellen Einflüssen zu schützen: Laden-, Lieferantenoder Personaldiebstähle, Erpressungen, Überfälle, Vandalismus
oder Einbrüche prägen das Bild. Man weiss, dass im gesamten
schweizerischen Detailhandel täglich Waren im Wert von
4½ Millionen Franken (!!!) verschwinden. Da ist Handlungsbedarf zwingend, leider auch in der Migros Aare.
Der dritte Bereich?
Im Inspektoratsbereich befassen wir uns hauptsächlich mit
dem Kassenbereich. Pro Kostenstelle sind jährlich zwei unangemeldete Tresorkontrollen und eine angemeldete Revision
angesagt. Zudem gibt es einige Spezialkontrollen und sonstige
Aufgaben zu erledigen. Obwohl dies nicht so spannend tönt, darf
dieser Aufgabenbereich nicht unterschätzt werden. Durch den
guten Geschäftsverlauf der Migros Aare wird auch viel Geld
umgewälzt. Dieser Geldfluss ist genau geregelt, das ist kein
Jekami mit Interpretationsspielraum. Die erwähnten Aufgaben
bewältige ich mit einem Team von Ladendetektivinnen,
Regionalleitungen und Sekretariat. Die Ladendetektivinnen und
Regionalleitungen haben einen fest zugeteilten Filialkreis und
das Sekretariat leistet wertvolle Hintergrundarbeit.
Und Sie spielen den Paten, mit den Füssen auf dem Tisch?
(Schallendes Lachen) Sicher doch! Ehrlich gesagt, das wäre mir
nun echt zu langweilig. Mein Aufgabengebiet liegt im Hintergrund. Neben der Koordination befasse ich mich hauptsächlich
mit sogenannt aussergewöhnlichen Ereignissen. Dies sind insbesondere Personaldiebstähle, organisierte Bandendiebstähle,
Bedrohung durch Jugendliche, in unseren Filialen, das kommt
leider zunehmend vor. Im Weiteren unterstütze und berate
ich alle Personen, die einen Rat oder Hilfe in meinem Bereich
suchen.
Stichwort Team: Wie viele Mitarbeitende sind Ihnen unterstellt und
was für Funktionen nehmen sie wahr?
Unsere Abteilung umfasst 26 Ladendetektivinnen, 8 Regionalleitungen, 3 Mitarbeiterinnen im Sekretariat und meinen
Stellvertreter. Mit mir arbeiten 39 Personen im SIDI. Die Laden-
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detektivinnen haben einen Anstellungsgrad von 40 bis 100 Prozent und sind nur in den Filialen unterwegs. Die Regionalleitungen haben einen fest zugeteilten Filialkreis und bearbeiten
die Gebiete Safety, Security und Inspektorat. Vorteil dieser
Organisation ist, dass die Kostenstellenleitungen die gleiche
Ansprechsperson in allen Bereichen haben, zudem erleichtert es
die Arbeitsorganisation. Das Sekretariat wiederum leistet wertvolle Hintergrundarbeit. Neben den vielen Registrationen und
Korrespondenzen erfordern das Alarmwesen und die Mutationen
einen grossen Arbeitsaufwand. Unterstützt werde ich durch
meinen Stellvertreter Jan Wisniewski, wir ergänzen uns super: Er
ist im Finanzbereich und im Konzeptionellen stark, und ich bin
eher der Frontmensch.
Es gibt gewisse Menschen, bei
denen nützen alle Warnungen
nichts, zumal sie das Gefühl
haben, schlauer als alle anderen
zu sein.
Welches sind die häufigsten Arbeiten, die Sie angehen müssen,
«draussen» in den Filialen?
Es ist leider so: Wenn ich in den Filialen bin, ist es meistens in
einer unangenehmen Angelegenheit, sprich wegen Personaldiebstahls. Schon mehrmals habe ich in der «aare-info» darüber
berichtet. Es gibt gewisse Menschen, bei denen nützen alle
Warnungen nichts, zumal sie das Gefühl haben, schlauer als alle
anderen zu sein. Aber wir erwisch