Flugsicherheit
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Flugsicherheit Ausgabe 01 / 2007 Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände Bundeswehr Flugsicherheit Heft 1 - Februar 2007 - 44. Jahrgang Flugsicherheit Flugunfall-/ Zwischenfallbilanz 2006 Fachliche Mitteilung für fliegende Verbände Titelfoto: © 2005 Bundeswehr/PIZ Marine Bildbearbeitung: www.schaltwerk.net 17.10.06 XX „Flugsicherheit“, Fachliche Mitteilung für fliegende Verbände der Bundeswehr Herausgeber: General Flugsicherheit in der Bundeswehr in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium der Verteidigung - Fü S I 1. Editorial 1 Lebensdaueruntersuchungen 2 Nicotine might kill you ... Lack of oxygen will! 12 Redaktion: Hauptmann Klemens Löb, Tel.: 02203- 9083124 Luftnotfall German Air Force 241 17 Trau‘ keinem von GenFlusi!? 21 Luftwaffenkaserne 501/07 Postfach 906110 51127 Köln Nicht jedes Mittel heiligt den Erfolg! 24 Was gestern noch passte ... 26 Always prepared 28 Personalien 32 redaktionflugsicherheit@bundeswehr.org klemensloeb@bundeswehr.org Gestaltung: Hauptmann Klemens Löb GenFlSichhBw Erscheinen: dreimonatlich Manuskripteinsendungen sind direkt an die Schriftleitung zu richten. Vom Verfasser gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Schriftleitung oder des Herausgebers dar. Es werden nur Beiträge abgedruckt, deren Verfasser mit einer weiteren Veröffentlichung einverstanden sind. Weiterveröffentlichungen in Flugsicherheitspublikationen (mit Autoren- und Quellenangaben) sind daher möglich und erwünscht. Druck: SZ Offsetdruck-Verlag Herbert W. Schallowetz GmbH 53757 Sankt Augustin Flugunfall- / Zwischenfallübersicht 2006 33 PA 200 01.03.06 //// BO 105 19.10.06 PA 200 bemannte Luftfahrzeuge: 1 Unfall Abnormales Aufsetzen (vor der Piste) Zwischenfälle gem. ZDv 19/6 Harte Landung Bei der Durchführung eines simulierten Angriffs wurde der linke Unterflügeltank abgesprengt unbemannte Luftfahrzeuge: 4 Unfälle Zwischenfälle gem. ZDv 19/6 07.09.06 XX KZO 12.09.06 XX Luna 23.09.06 XX Barracuda 20.11.06 XX Luna 16.05.06 //// 18.05.06 //// 08.07.06 //// Luna Luna Luna Nach dem Verlassen des Startgerätes ist das ULfz 200 m vor dem Startfahrzeug auf dem Boden aufgeschlagen Fallschirm wurde bei der Landung nicht ordnungsgemäß entfaltet. Kurz vor der Landung stürtzte ULfz ins Meer Nach dem Verlassen des Startkatapultes kurzzeitiger Höhengewinn, dann nach rechts abgekippt und 60 Meter vor dem Katapult auf den Boden geschlagen Unmittelbar nach Verlassen des Katapults verlor das ULfz an Höhe, setzte auf und blieb an einem Erdhügel liegen Nach dem Start drehte sich das ULfz in den Wind, wurde nach 500-600 Meter gegen einen Berg getrieben und stürzte ab Landeauslösung des ULfz in einer zu geringen Höhe Legende xx //// Lfz zerstört Lfz beschädigt Stand: 19.01.2007 Editorial Markante Daten wie etwa ein Jahresbeginn lassen uns innehalten. Das vergangene Jahr wird gedanklich abgeschlossen, man schaut in die Zukunft und nimmt sich vor, Dinge anders zu machen, neue Akzente zu setzten, sich einzumischen. Nicht dass man die Welt von Grund auf verändern wollte, dafür ist man zu sehr Realist und hat seine eigenen Erfahrungen mit Wunschvorstellungen aus den vergangenen Jahren gemacht. Diejenigen, die sich, wenn auch nur teilweise, an ihre Vorsätze gehalten haben, stellen fest, dass nicht alles im Sande verlaufen muss. Je erfahrener man wird, bezogen auf das Alter und die gewachsene Verantwortung (das muss sich übrigens nicht immer in einem höheren Dienstgrad ausdrücken), umso mehr Gehör findet man. Dafür muss man nicht selber Chef sein. Man muss sich nur (qualifiziert) äußern. Im Übrigen wird jeder gute Chef Sie schon einmal aufgefordert haben, sich einzubringen, oder? Was hindert Sie also noch! Sie wollen beeinflussen, sind zudem noch vom Chef dazu aufgefordert, also warum nicht an dem gefassten Vorsatz festhalten. Falls Sie zweifeln und sich vielleicht noch zu jung und unerfahren fühlen, Ihren Beitrag in Diskussionen oder anderen Foren einzubringen, so kann ich Ihnen aus meiner eigenen Erfahrung bestätigen, dass es mir auch schon genau so erging. Auf der einen Seite hab ich, obwohl mir Dinge auf der Zunge brannten, meinen Mund gehalten, weil ich nicht nach dem Motto handeln wollte: Alles schon gesagt, aber noch nicht von jedem. Andererseits habe ich aber auch gelernt, dass Andere ebenfalls nur mit Wasser kochen. In der Regel liegt man gar nicht so falsch mit seinen Vorstellungen. Im Gegenteil, ging es Ihnen nicht auch schon so, dass Sie sich aus welchen Gründen auch immer in einer Runde nicht geäußert haben, und dann ein Anderer just ihren Gedanken unter Beifall der Zuhörer ausgesprochen hat, oder Sie einfach unzufrieden am Ende feststellten, dass Sie es eigentlich doch hätten vorbringen sollen? Was hat das mit Flugsicherheit zu tun? Eine ganze Menge! Rund 80% der Unfallursachen liegen im Bereich Human Factor. Nicht dass es hier eine Stellschraube gäbe, an der man nur drehen müsste und alles wäre im Lot. Zu vielschichtig ist dieser Bereich. Aber aus meiner Überzeugung ist ein Weg sich diesem Thema zu näheren, dass man Erfahrung austauscht, sich einbringt mit seinem Wissen. Erlebtes darf nicht untergehen, sondern wir müssen Lehren daraus ziehen. Dies ist wichtig in der täglichen Routine und erst recht bei der Einführung von neuen Waffensystemen, was für die betroffene Einheit eine große Herausforderung darstellt. Der Druck der vorgesetzten Dienststellen, der Industrie und der eigenen Einheit gegenüber, endlich mit dem lange ersehnten neuen Waffensystem in einem Routinedienstbetrieb starten zu können, ist zweifelsohne vorhanden. Das Personal in den für einen sicheren Flugbetrieb zuständigen Schlüsselpositionen hat hier eine Herkulesaufgabe zu bewältigen, die mit Hartnäckigkeit, langem Atem und einem effektiven Team gelöst werden kann. Schwierigkeiten wird es immer geben, es stellt sich nur die Frage, wie offen, kreativ, sachlich und mit besonderem Blick auf Flugsicherheit wir damit umgehen. Alle am Flugbetrieb beteiligte müssen an einem Strang in eine Richtung ziehen. Nutzen Sie die Ihnen zur Verfügung stehenden Plattformen, machen Sie Ihren Mund auf, mischen Sie sich ein und Ihre Vorsätze müssen nicht Vorsätze bleiben! Schmidt Oberst i.G. Flugsicherheit Lebensdaueruntersuchungen ein Werkzeug zur Sicherung der Einsatzbereitschaft Bild 1 Geometrie von Dr.-Ing. Wolfgang Kreuzer und Dipl.-Phys. Frank Hofmann Wehrwissenschaftliches Institut für Werk-, Explosiv- und Betriebsstoffe (WIWEB), Erding (incl. Bilder und Grafiken) In älteren Waffensystemen der Bundeswehr treten an einzelnen Komponenten zunehmend ermüdungsbedingte Schäden auf. Für derartige Bauteile müssen Lösungsvorschläge entwickelt werden, die einen sicheren und kostengünstigen weiteren Betrieb und die Einsatzbereitschaft des Waffensystems gewährleisten. Mit Spezialisten sowohl in Werkstoff- und Beanspruchungsfragen als auch in der Mess- und Prüftechnik ist das Bauteilgestalt, -größe, Oberflächenfeingestalt, Kerbwirkung Werkstoff Werkstoffart, -zustand, Wärmebehandlung, Eigenspannung Lebensdauer Belastung Belastungsart, -häufigkeit, -höhe, Belastung - Zeit - Verlauf Umwelt Betriebstemperatur, Umgebungsmedium Methoden WIWEB in der Lage, Schadensfälle zu analysieren und darauf aufbauend Lebensdauerprognosen und Inspektionskonzepte ganzheitlich und fachübergreifend sowohl zu entwickeln als auch bezüglich Sicherheit und Risiken zu beurteilen. Die Lebensdauer eines Bauteils ist sowohl von den Belastungen, die auf das Bauteil einwirken (z. B. Art, Höhe, Häufigkeit) als auch vom Bauteil selbst (z. B. Geometrie, Werkstoff, Oberfläche) abhängig (Bild 1). Sind alle diese Einflussgrößen bekannt, ist es möglich die Lebensdauer eines Bauteils durch Berechnungsverfahren und/oder Versuche vorherzusagen. Üblicherweise sind genaue Angaben für die Belastung und Umwelteinflüsse viel schwieriger zu erhalten als Aussagen zur Geometrie und zum Werkstoff. Für die Lebensdauerabschätzung eines Bauteils werden die Methoden „Safe Life“ und „Damage Tolerant“ am häufigsten verwendet. Eine nach der Safe-Life-Methode ausgelegte Struktur hat eine sichere, limitierte Lebensdauer (safe life). In diesem Zeitraum ist davon auszugehen, dass kein Bauteilversagen auftritt. Nach Ablauf dieses Zeitraums wird das Bauteil ersetzt, unabhängig davon ob es Schäden zeigt. Bei einer Struktur ausgelegt nach der Safe-Life-Methode ist es nicht möglich ein Inspektionsintervall zur Überwachung der Strukturintegrität zu definieren. Die Betriebssicherheit einer solchen Struktur wird durch einen hohen Sicherheitsfaktor (Überdimensionierung) erreicht. Im Falle der Damage-Tolerant-Methode geht man von der realistischen Annahme aus, dass jede Struktur fehlerbehaftet ist und Fehler bewusst toleriert (damage tolerant) werden, wenn sie eine festgelegte, kritische Größe nicht überschreiten. Die tole- rierbare Fehlergröße ist von den verwendeten Werkstoffen, Bauweisen und Belastungen abhängig. Die Anwendung dieser Methode erlaubt eine Struktur solange einzusetzen, bis die Fehler eine kritische Größe erreichen und durch geplante Inspektionen entdeckt werden. Das Inspektionsintervall wird z. B. bei Rissen festgelegt durch die Risswachstumsperiode zwischen detektierbarer und kritischer Risslänge dividiert durch einen Sicherheitsfaktor. Welche Methode zur Anwendung kommt, muss für jeden Einzelfall entschieden werden. Problemstellung Hauptfahrwerk F-4F und Lösungsweg Direkt nach dem Start eines Luftfahrzeuges des Waffensystems F-4F ließ sich das R/H Hauptfahrwerk nicht mehr einfahren. Nach der Landung stellte sich heraus, dass der Befestigungszapfen des Betätigungszylinders am Hauptfahrwerk gebrochen war. Das Ergebnis der Schadensuntersuchung (Schwinganriss) zeigte, dass der Befestigungszapfen ein Lebensdauerproblem für das Hauptfahrwerk darstellt (Bild 2). Im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung sollten die Möglichkeiten für einen weiteren, sicheren und wirtschaftlichen Einsatz der Hauptfahrwerke geprüft und Problemlösungen erarbeitet werden [1]. Da in diesem Fall ein Schwinganriss mit ausgeprägter Risswachstumsphase vorlag und gute Möglichkeiten zur Inspektion des kritischen Bereichs mittels Ultraschall bestanden, wurde entschieden, die Lebensdaueruntersuchung auf Basis der Damage-Tolerant-Methode durchzuführen. Folgendes Vorgehen wurde geplant. Bild 2 Flugsicherheit Der Einfluss von Bauteilgeometrie und Werkstoff wird nicht analytisch berechnet, sondern durch Bauteilversuche an original Hauptfahrwerkzylindern bestimmt. Als Belastungen sind in diesem Fall die Art, Höhe und Anzahl der am Befestigungsauge des Betätigungszylinders angreifenden Kräfte entscheidend. Umwelteinflüsse wie Korrosion und Wärme sind vernachlässigbar. Voraussetzung zur Anwendung der Damage-TolerantMethode ist eine sichere Prüfmöglichkeit zur Risserkennung in diesem Bereich. Um diese Voraussetzung zu schaffen, wurden vom WIWEB parallel zur eigentlichen Lebensdauerprüfung geeignete Adapter zur Ultraschallprüfung entwickelt, Prüfvorschriften erarbeitet und in entsprechenden Versuchen verifiziert. Um die Einsatzbereitschaft des Waffensystems F-4F kurzfristig sicherzustellen, sollten zunächst Bauteilversuche mit einem vereinfachten, aber sicheren Lastkollektiv, das auf Konstruktionsunterlagen des Herstellers [2 – 5] basiert, durchgeführt werden. Ziel war ein Inspektionsintervall von 50 Start-Lande-Zyklen. Darüber hinaus sollte auf der Basis von Bauteilversuchen mit einem bundeswehrspezifischen / einsatznahen Lastkollektiv möglichst lange Inspektionsintervalle (Ziel 150 Flugstunden) für einen langfristig sicheren und wirtschaftlichen Einsatz des Luftfahrzeugs definiert werden. Alle Bauteilversuche werden mit Hauptfahrwerken durchgeführt, die wie das Schadteil einen Anriss geringer Tiefe am Übergangsradius vom Hauptfahrwerkzylinder zum Befestigungszapfen des Betätigungszylinders aufweisen. In den Versuchen wird dann der Zeitraum ermittelt, den dieser Anriss benötigt, um die kritische Risstiefe, die zum Versagen des Bauteils führt, zu erreichen. Daraus ableitend wird dann mit entsprechenden Sicherheitsfaktoren ein sicheres In spektionsintervall vorgeschlagen. Die Sicherheitsfaktoren werden zunächst, um die Einsatzbereitschaft des Waffensystems F-4F kurzfristig sicherzustellen, auf der Basis technischer Fachliteratur [6] festgelegt, später auf der Basis von Finite Elemente Analysen und Rissfortschrittsrechnungen für verschiedenen Szenarien abgesichert. Belastung des Befestigungszapfens Das Hauptfahrwerk wird durch „vertical loads“, „drag loads“ und „side loads“ belastet, die über den Reifen in das Fahrwerk eingeleitet werden. Diese Kräfte werden über die beiden Lagerzapfen des Hauptfahrwerks, den Befestigungszapfen und den Betätigungszylinder in die Flugzeugstruktur übertragen. „Vertical loads“ und „drag loads“ werden überwiegend von den Lagerzapfen des Hauptfahrwerks, „side loads“ vom Betätigungszylinder aufgenommen. Auf Basis der Konstruktionsunterlagen ist eine Umrechnung aller am Rad angreifenden Kräfte in eine resultierende Kraft, die in Richtung des Betätigungszylinders am Befestigungszapfen angreift, möglich (Bild 3). Für die Lebensdauer des Befestigungszapfens sind folgende Lastfälle wichtig: - - - - Rollen in Kurven Landungen mit Seitenwind einseitiges Bremsen Ein- und Ausfahren des Fahrwerks Ein Problem bei der Zusammenstellung eines Lastkollektivs ist, dass z. B. beim Rollen in einer Kurve der Befestigungszapfen des einen Hauptfahrwerkes auf Zug beansprucht, der des gegenüberliegenden Hauptfahrwerkes auf Druck beansprucht wird und der Versuch die Beanspruchung beider Fahrwerksbeine abbilden soll. Um sowohl die Zug- als auch die Druckbelastungen zu simulieren, wird jede Belastung im Lastkollektiv als Paar aus Zug- und Druckbelastung nachgebildet. Dadurch werden im Lastkollektiv insgesamt doppelt so viele LastBild 3 wechsel erzeugt wie im tatsächlichen Einsatz. Dies wird bis zum Vorliegen einer Sicherheitsanalyse, die erst nach Abschluss aller Versuche durchgeführt werden kann, nicht berücksichtigt und dient als zusätzlicher Sicherheitsfaktor. Bauteilversuche Da mit den Bauteilversuchen ausschließlich die Lebensdauer des Befestigungszapfens untersucht werden soll, ist es ausreichend, die drei am Hauptfahrwerk angreifenden Kräfte durch nur eine resultierende Kraft nachzubilden. Bild 4a und b zeigen den Versuchsaufbau. Am Boden des Prüfstandes wurde ein Tragflügelausschnitt des Waffensystems F4-F befestigt. In diesen Tragflügelausschnitt wurde das Hauptfahrwerk über die Lagerzapfen und den Betätigungszylinder analog zur realen Einbausituation im Luftfahrzeug eingebaut. Der Betätigungszylinder wurde voll ausgefahren und hydraulisch verriegelt, so dass er wie eine feste Schubstange wirkte. Über diese Originalteile wurde ein steifer Prüfrahmen gebaut, an dem der Prüfzylinder gelenkig befestigt wurde. Auf der anderen Seite wurde der Prüfzylinder ebenfalls über ein Kugelgelenk zur Einleitung der Kraft - im ersten Belastungsversuch mit der Achse des Federbeinkolbens (Bild 4a) - in den weiteren Belastungsversuchen mit dem Hauptfahrwerkzylinder (Bild 4b) verbunden. Die auf den Befestigungszapfen wirkenden Kräfte wurden auf der Kolbenstange des Betätigungszylinders mit Dehnmessstreifen gemessen. Um für das Waffensystem F-4F die kurzfristige Freigabe eines Inspektionsintervalls über 50 Start-Lande-Zyklen zu erreichen, wurde zunächst - basierend auf den Konstruktionsunterlagen – ein vereinfachtes Lastkollektiv (Lastkollektiv 1) erstellt. Alle Annahmen bezüglich Höhe und Häufigkeit der Lasten sind konservativ, d. h. es wurden immer die höchstmöglichen Belastungen eingesetzt. Für den Einsatz der Luftfahrzeuge durch die Bundeswehr bedeuten diese Annahmen, dass dieses Lastkollektiv die tatsächlich bei der Bundeswehr in der Nutzung auftretenden Belastungen weit überschätzt und damit Ergebnisse, die aus diesem Lastkollektiv abgeleitet werden auf der sicheren Seite liegen. Bild 5 zeigt einen Ausschnitt für zwei StartLande-Zyklen aus diesem Lastkollektiv. Das mit diesem Lastkollektiv geprüfte Hauptfahrwerk erreichte ohne die kritische Risstiefe zu überschreiten mehr als 250 Start-Lande-Zyklen. Unter Berücksichtigung eines Sicherheitsfaktors 5 konnte somit kurzfristig die Freigabe von 50 Start-Lande-Zyklen als Inspektionsintervall empfohlen werden. Um eine für die noch zu erwartende Einsatzzeit des Waffensystems F-4F bezüglich Sicherheit und Wirtschaftlich- Bild 4a Bild 4b Flugsicherheit Bild 5 keit tragfähige Lösung zu erarbeiten, wurden zusätzliche Bauteilversuche mit einem für die Bundeswehr einsatztypischen Lastkollektiv durchgeführt. Zielvorstellung war ein Inspektionsintervall von 150 Flugstunden. Dies würde es erlauben, diese zeitintensive Inspektion im Rahmen weiterer vorgegebener Wartungsintervalle am Luftfahrzeug zeitgleich durchzuführen. Hierzu mussten folgende Daten ermittelt werden: - Luftfahrzeuggewicht beim Rollen, Starten, Landen - Rollwege (Kurvenradien, Rollgeschwindigkeiten, Häufigkeit) - Sinkgeschwindigkeiten im Moment des Aufsetzens bei der Landung Bild 6 - Zusammenhang zwischen Flugstunden, Flügen, Starts und Landungen - Häufigkeit von Ein- und Ausfahrvorgängen des Fahrwerks während eines Fluges eine Lebensdauer von fast 500 Flugstunden. Mit diesem Sicherheitsfaktor konnte somit lediglich ein Inspektionsintervall von 120 Flugstunden empfohlen werden. Die Daten zum Rollen (Rollwege, Radien, Geschwindigkeiten, Häufigkeit) wurden auf Basis der Flugabläufe bei einem fliegenden Einsatzverband, Vermessungen vor Ort und auf Lageplänen sowie durch Geschwindigkeitsmessungen beim Rollen erstellt. Die Wehrtechnische Dienstelle 61 in Manching wertete Landungen unterschiedlicher Piloten bezüglich Sinkgeschwindigkeit aus und das Luftwaffenmaterialkommando lieferte in Zusammenarbeit mit den fliegenden Einsatzverbänden Unterlagen, aus denen sich das Verhältnis Flugstunden zu Flügen, Starts und Landungen ermitteln lässt. Alle Daten wurden vom WIWEB ausgewertet und in ein Lastkollektiv für 100 Flugstunden umgewandelt (Lastkollektiv 2). Bild 6 zeigt ein Übersichtsdiagramm für dieses Lastkollektiv im Vergleich zum Lastkollektiv 1. Die geringere Belastung gegenüber dem Lastkollektiv 1 ist deutlich erkennbar. Dieses Lastkollektiv kann bereits als einsatzspezifisch angesehen werden, weist jedoch hinsichtlich folgender Punkte noch Unsicherheiten auf: - Die Auswertungen bezüglich Flugstunden, Flügen, Starts und Landungen beruhen lediglich auf einem zurückliegenden Betrachtungszeitraum von sechs Monaten und sind möglicherweise als nicht repräsentativ für die gesamte Nutzungsphase der Luftfahrzeuge anzusehen, - Alle berechneten Kräfte im Betätigungszylinder ergeben sich aus den theoretischen Ableitungen der Konstruktionsunterlagen ohne Verifizierung durch Messungen. Zur Konkretisierung des Lastkollektivs 2 wurden die Auswertungen bezüglich Flugstunden, Flügen, Starts und Landungen auf die gesamte zurückliegende Nutzungsdauer der Luftfahrzeuge ausgedehnt und zusätzlich Messungen beim Rollen, Starten und Landen bei der Wehrtechnischen Dienststelle 61 durchgeführt. Hierzu wurden auf Basis einer Finite-Elemente-Analyse Dehnmessstreifen auf einem Betätigungszylinder appliziert und dieser als Messaufnehmer in das Luftfahrzeug eingebaut. (Bild 7). Nach Abschluss der Messungen während des Startens, Landens und Rollens wurden die Ergebnisse zusammen mit den Daten des Luftwaffenmaterialkommandos und den aus Lastkollektiv 2 bekannten Vorgaben zu einem endBild 7 Bild 7 Als Sicherheitsfaktor wurde ein für derartige Bauteile üblicher Sicherheitsfaktor von 4 festgelegt. Die so geprüften Hauptfahrwerke erreichten Flugsicherheit gültigen Lastkollektiv verarbeitet (Lastkollektiv 3, Bild 8). Man erkennt, dass die Belastungen noch etwas geringer sind als die im Lastkollektiv 2. Dieses Lastkollektiv ist einsatzspezifisch repräsentativ für die gesamte bisherige Nutzungsdauer der Luftfahrzeuge und durch Messungen am Luftfahrzeug während der entsprechenden Manöver verifiziert und wurde deshalb auch für die abschließenden Versuche und Bewertungen eingesetzt. Die beiden so geprüften Hauptfahrwerke erreichten Lebensdauern zwischen 800 und 900 Flugstunden, was bei Anwendung eines Sicherheitsfaktors 4 eine Empfehlung für ein Inspektionsintervall von 150 Flugstunden erlaubt. Sicherheitsanalyse Bild 7 Bild 7 Um die oben dargestellten Ergebnisse abschließend beurteilen zu können, wurde eine Sicherheitsanalyse, die verschiedene Szenarien betrachtet, durchgeführt. Das gesamte Konzept zur Festlegung von Inspektionsintervallen beruht auf der Damage-Tolerant-Methode. Dabei wird die Restlebensdauer ermittelt, die ein Anriss benötigt, um von einem zerstörungsfrei sicher erkennbaren Anriss bis zu einer kritischen Größe, die zum Ausfall des Bauteils führt, anzuwachsen. Es müssen also zunächst diese beiden Rissgrößen festgelegt werden. Aus allen am Befestigungszapfen des Betätigungszylinders durchgeführten zerstörungsfreien Prüfungen der Prüftrupps der Luftwaffe und des WIWEB ergab sich, dass mit den vorgeschriebenen zerstörungsfreien Prüfverfahren Anrisse im kritischen Bereich mit einer geringeren Tiefe als 0,5 mm (meist ab 0,2 mm) sicher erkannt werden . Als Startpunkt für Rissfortschrittsbetrachtungen wird deshalb der sichere Wert „Anrisstiefe = 0,5 mm“ gewählt. Die geringste Risstiefe, die entweder im Schadensfall oder den Bauteilversuchen zum Bruch des Befestigungszap- Bild 8 fens führte, war 1,7 mm. Als kritische Risstiefe wird 1,5 mm gewählt. In den Lastkollektiven wird - um beide Hauptfahrwerkseiten zu berücksichtigen - jede Belastung als „LinksRechts-Belastung“ simuliert. Dies entspricht dem Rollen einer Kurve nach links und nach rechts sowie je eine Landung mit Seitenwind von rechts und links und führt somit zu einer Verdopplung der Lastspiele gegenüber den wirklichen Einsatzverhältnissen. Alle Rollbewegungen und Landungen wurden - im Gegensatz zum wirklichen Einsatz der Luftfahrzeuge - mit maximal zulässigem Gewicht simuliert, was zu einem konservativen Lastkollektiv führt. Zunächst wurden die Versuchsergebnisse durch eine Rissfortschrittsrechnung mit dem Programm „AFGROW“ des Air Force Research Laboratory, Wright-Patterson Airforce Base angepasst. Neben den Werkstoffdaten des Hauptfahrwerkzylinders wurde die mittels Finite Elemente Berechnungen ermittelte Spannungsverteilung im kritischen Bereich als Eingangsgröße genutzt (Bild 9). Die in Bild 10 erkennbare gute Übereinstimmung von Rechnung und Messwerten aus vier Versuchen mit zwei Lastkollektiven berechtigt dazu, dieses Rechenmodell für die weitere Sicherheitsanalyse zu anzuwenden. Im Bild 11 sind für unterschiedliche Szenarien gerechnete Risswachstumskurven gezeigt. Zur Vergrößerung des Anfangsrisses von 0,5 mm Tiefe bis zur kritischen Risstiefe werden -170 Flugstunden bei einem lastspielzahlbezogenen Sicherheitsfaktor 6, -210 Flugstunden bei einem bezüglich der Kräfte um das 1,35-fache überhöhten Lastkollektiv (damit liegt die Höchstbelastung bereits deutlich über „limit load“), -160 Flugstunden bei einem Anfangsriss doppelter Tiefe (1,0 mm statt 0,5 mm) benötigt. Dies bedeutet, dass auch unter ungünstigen Umständen, wie fehlerhafter Rissprüfung oder außergewöhnlichen Belastungen im Einsatzflugbetrieb bis zum Erreichen der kritischen Rissgröße sicher mehr als 150 Flugstunden benötigt werden. Auf dieser Basis wurde die Empfehlung - Inspektionsintervall von 150 Flugstunden, - nach Detektion eines Anrisses (auch kleiner als 0,5 mm Tiefe) darf das Hauptfahrwerk nicht mehr eingesetzt werden, - in Ausnahmefällen darf das Inspektionsintervall einmalig auf 165 Flugstunden erhöht werden ausgesprochen. Flugsicherheit Fazit Bild 9 Die am Hauptfahrwerk des Waffensystems F-4F durchgeführten Bauteilversuche und Lebensdauervorhersagen zeigen, dass Lebensdauerprognosen aufwendig sind. Sie können aber die bei älteren Waffensystemen der Bundeswehr immer häufiger auftretenden Fragestellungen nach Restlebensdauer, Inspektionsintervallen und Prüfverfahren beantworten. Sie bilden eine zuverlässige Grundlage zur Planung und Vorbereitung weiterer Maßnahmen wie z. B. dem Austausch von Bauteilen oder Ersatzbeschaffungen. Voraussetzung hierfür sind Fachkompetenz, Simulationstechnik und Prüfstände im Bereich der Wehrwissenschaftlichen oder Wehrtechnischen Dienstellen sowie eine offene und enge Zusammenarbeit mit der materialverantwortlichen Dienststelle des zu betrachtenden Waffensystems. Literatur - Kreuzer, Wolfgang.: „WS F-4F: Lebensdaueruntersuchung des Befestigungszapfens für den Betätigungszylinder am Hauptfahrwerkfederbein“, WIWEB-Bericht 03/36686/00001, 2006 - McDonell-Report 8581 „Model F-4C, Landing Gear Design Data“, 1962 - McDonell-Report 8782 „Model F-4C/D/E and RF-4C Ground Loads”, 1962 - McDonell-Report 8778 „Model F4C-RF4C 46,000 Pound Landing Gross weight Structural Analysis of the main Landing Gear“, 1963 - McDonell-Report 8935 „Preliminary Proposal for Structural Fatigue Testing of the F-110 Main Landing Gear Assembly and Associated Wing Structure”, 1962 - Haibach, Erwin: „Betriebsfestigkeit“, 2. Aufl.- Berlin, Springer 2002, ISBN 3-540-43142-X 10 Bild 10 Bild 11 11 Flugsicherheit Nicotine might kill you ... Lack of oxygen will! Bild: IMZBw Herr Grenzmeier von Oberstleutnant Rüdiger Stein, GenFlSichhBw Vorgang Die Besatzung befand sich bereits 20 Minuten in Flugfläche (FF) 250, als sich beim Luftfahrzeugführer (LFF) Sauerstoffmangelerscheinungen zeigten, obwohl er seine Atemmaske ordnungsgemäß trug und auch den Versor12 gungsschlauch angeschlossen hatte. Der LFF war zeitweise nur eingeschränkt ansprechbar und reagierte verzögert auf Fragen und Anweisungen seines WSO. Dieser erklärte daraufhin eine Luftnotlage und informierte ATC über einen beabsichtigten Not- sinkflug auf FF 80. Schon während des Sinkfluges verbesserte sich der Zustand des LFF. Die Besatzung entschied, in dieser Höhe den Rückflug zum Heimatplatz anzutreten und landete dort ca. 35 Minuten später ohne weitere Probleme. Ursache Bei der technischen Untersuchung des Luftfahrzeuges wurden keine Defekte der Sauerstoffanlage festgestellt. Die Überprüfung der Atemmaske blieb zunächst ebenfalls ohne Befund. Allerdings konnte nicht mehr geklärt werden, ob der LFF vor Antritt des Fluges die Funktion des „Blinkers“ am Versorgungsgerät geprüft hatte. Direkt nach dem Flug wurde der LFF beim Fliegerarzt vorstellig. Die dortige Untersuchung führte zu keinem krankhaften Befund. Einzelne für den Sauerstofftransport im Blut bedeutsame Werte waren zwar relativ niedrig, lagen aber noch im Normbereich. Ein leicht erhöhter Kohlenmonoxydgehalt des Blutes war Folge des vorhergehenden Nikotinkonsums. Eine spätere weitergehende Untersuchung bestätigte aber den an sich guten Gesundheitszustand des LFF. In den Tagen nach dem Vorkommnis trat ein kleiner Atemwegsinfekt auf. Nach zwei weiteren Flügen bemängelte der LFF ein leichtes Flattern des Ventils seiner Atemmaske beim Einatmen. Die Untersuchung der Maske ergab drei verklebte Lamellen am druckkompensierten Ausatemventil. Daraufhin erfolgte der Wechsel sowohl des Ventilblocks als auch des Maskenkörpers. Bei der anschließenden Funktionsprüfung mit dem LFF wurde eine leichte Undichtigkeit an einer Hautfalte der Nasenwurzel festgestellt; Abhilfe ließ sich nur mit einem größeren Maskenkörper schaffen. Nachdem dieser angepasst war, verliefen alle Tests und der nächste Flug zur Zufriedenheit. Aus flugmedizinischer Sicht ergibt sich folgende Ursachenmöglichkeit: Die Kabinendruckhöhe zum Zeitpunkt des ersten Auftretens der Sauerstoffmangelerscheinungen lag nach Angaben der Besatzung bei ca. 12.000 Fuß. Somit befand sich die Besatzung während des Fluges gerade jenseits der „Störschwelle“. Ohne künstliche Sauerstoffzufuhr wird die erforderliche Sauerstoffsättigung nicht erreicht. Allgemeiner Leistungsabfall ist die Folge. Mangelsyndrome können auftreten. Rauchen führt zu einer Besetzung der Sauerstoffträger im Blut mit Kohlenmonoxyd und schränkt die Transportleistung des Blutes ein. Damit ist die Höhentoleranz vermindert, was einen erhöhten O2-Bedarf und eine Herabsetzung der Symptomschwelle zur Folge haben kann. Eine Undichtigkeit der Atemmaske führte zu einer unzureichenden O2-Zufuhr. Die am Ereignistag verminderte Sauerstofftransportfähigkeit des Blutes wirkte sich zudem negativ aus. Eine optimale Fitness hätte in dieser Situation wahrscheinlich zur Kompensation des O2-Mangels beigetragen. Der beginnende Infekt, der für den LFF erst wenige Tage nach dem Ereignis spürbar war, könnte zudem die Bereitstellung einer Leistungsreserve eingeschränkt haben. Maßnahmen Es wurde (n) - die Sauerstoffbedarfsregler und Sauerstoffschalttafeln des Zwischenfallluftfahrzeuges überprüft, - das Sauerstoffversorgungsteil ausgebaut, gespült, befüllt und wieder eingebaut, - noch am Ereignistag die Sauerstoffanlagen aller für den nächste Tag eingeplanten Luftfahrzeuge gespült und neu befüllt, da eine Verunreinigung der zentralen Versorgungsanlage des Verbandes nicht ausgeschlossen werden konnte. Anmerkung Vorkommnisse mit Sauerstoff sind gemäß BesAnFlSichhBw 506/5504 (Untersuchung von Zwischenfällen mit militärischen Luftfahrzeugen) Nr 325f besonders zu melden und zu behandeln. Der Grund dafür liegt in der hohen Brisanz solcher Ereignisse. Bemerkt eine Besatzung ein Problem mit der Sauerstoffversorgung zu spät, so ist der Eintritt der Bewusstlosigkeit die unvermeidbare Folge. Über den weiteren Ausgang des Fluges braucht man sich dann keine Illusionen mehr zu machen. Im vorgestellten Falle kann sich der Leser leicht vorstellen, welche Gefühle und Gedanken den WSO bewegten, als er feststellte, dass sein LFF nicht mehr so ganz „auf der Höhe“ war. Die Anzahl der Zwischenfälle im Flugbetrieb der Bundeswehr, die auf ein Problem mit der Sauerstoffversorgung der Besatzung zurückgehen, liegt in den letzten Jahren regelmäßig bei 4 bis 5 pro Jahr und ist damit eher verschwindend gering. Das ist das Resultat solider Technik und eines sicheren, also professionellen Umgangs damit. Und das ist auch gut so! Es war aber nicht immer so! Wenn auch die Ursache für den tödlichen Flugunfall des Maj. L. mit F 104 Starfighter am 6. Dezember 1965 nicht mit letzter Sicherheit geklärt werden konnte, so wurden als mögliche Ursachen eine Vergiftung der Atemluft durch toxische Stoffe oder ein natürlicher Tod festgelegt. Maj L. hatte an jenem Dezemberabend den Auftrag, einen Navigationsflug durchzuführen. Die Dauer des Fluges war mit 1Std. 20 Min. berechnet worden; der Betankungszustand des Luftfahrzeuges erlaubte eine maximale Flugzeit von 1 Std. 50 Min. Das Luftfahrzeug wurde technisch einsatzklar übergeben. Maj L. startete um 17:09 Uhr Ortszeit auf seinem Heimatflugplatz Nörvenich und folgte den ATC-Anweisungen, die ihn mit einigen Linkskurven auf einen Kurs von 20° brachten. Bereits 4 Minuten nach dem Start meldete L. FF 200 passiert zu haben. Geplant war eine Höhe von FF 270 oder 290. Sieben Minuten nach dem Start erhielt Maj L. die voraussichtliche An13 Flugsicherheit später schlug das Luftfahrzeug 3 NM südwestlich der Stadt Narvik auf. In Folge der totalen Zerstörung war eine Untersuchung von Wrackteilen nicht mehr möglich. Wie bereits oben dargestellt, konnte die Ursache für den Unfall nicht eindeutig geklärt werden. Sicherlich kann der natürliche Tod des LFF nicht ausgeschlossen werden, aber Maj L. war damals 33 Jahre alt! Für die Annahme, er sei Opfer einer Vergiftung der Atemluft geworden, spricht die Tatsache, dass in den 9 Monaten nach dem Unfall 25 Zwischenfälle mit der Sauerstoffanlage der F 104 gemeldet wurden, die nach damaliger Einschätzung „in gefährlicher Weise Auswirkungen auf die LFF hatten.“ Zugegeben - der Unfall liegt 41 Jahre zurück! Aber allein deshalb ist es falsch, anzunehmen, Probleme mit der Sauerstoffversorgung gehörten der Vergangenheit an. Ein solches Problem wurde den 115 Passagieren und 6 Besatzungsangehörigen des Helios Airways - Fluges 522 am 14. August 2005 zum Verhängnis. Obwohl das Luftfahrzeug (Typ Boeing 737-31S) technisch in Ordnung war, schlug es um die Mittagszeit dieses Ta- ges mit stehenden Triebwerken in hügeligem Gelände ca. 40 NM nördlich von Athen auf. Für die Insassen gab es keine Überlebenschance. Wie kam es zu diesem Unfall? In der Nacht vor dem Unfalltag waren Wartungsarbeiten an der Boeing durchgeführt worden. Dabei wurde die Kabinendruckanlage überprüft. Nach Beendigung der Arbeiten blieb der Pressurization Mode Selector (PMS) allerdings in der Stellung „Manual“ anstatt auf „Auto“. In der Stellung „Manual“ obliegt die Kontrolle über den Kabinendruck der Besatzung, die die Auslassventile manuell öffnen oder schließen muss. Die Auslassventile befanden sich zu einem Drittel in der geöffneten Stellung, womit eine Druckbeaufschlagung der Kabine beim Steigflug nicht stattfinden konnte. Am Morgen des Unfalltages sollte das Luftfahrzeug von Larnaka (Zypern) mit einer Zwischenlandung in Athen nach Prag fliegen. Die Flugzeit bis Athen war mit 1 Std. 23 Min. berechnet worden. Im Zuge der Kontrollen vor dem Start war Bild: ZNBw, Astrid Klöckner, von der Redaktion freigestellt flugzeit (für die spätere Landung am Startflugplatz zur Beendigung des Fluges) von 18:00 Uhr. Nachdem der Funksprechverkehr bis dahin völlig problemlos verlaufen war, bestätigte er jedoch eine Anflugzeit von 18:20 Uhr. Dies war der letzte Funkspruch des Maj L. Als ATC um 17:20 Uhr noch einmal Kontakt mit dem Luftfahrzeug aufnehmen wollte, antwortete der LFF nicht mehr. Das Luftfahrzeug hielt entsprechend der Einstellung des Autopiloten den letzten Kurs bei. Um 17:56 Uhr überflog es die deutsch-dänische Grenze bei Leck. Die Flughöhe lag zwischen FF 250 und 290. In den nächsten Minuten näherte sich ein dänischer Abfangjäger vom Typ F 100 der F 104 in FF 270. Der dänische LFF sagte später aus, Maj L. schien bewusstlos zu sein. In den letzten 30 Minuten des Fluges begleitete ein norwegischer Abfangjäger den Starfighter. Der norwegische LFF berichtete, Maj L. hätte im Cockpit „etwas rechts vornüber gebeugt“ gesessen. Die Navigationslampen waren an und die Instrumentenbeleuchtung nur schwach erkennbar. Der Kraftstoffvorrat der F 104 war gegen 19:39 Uhr restlos erschöpft und führte zum Stillstand des Triebwerkes. Zwei Minuten der Besatzung die geöffnete Stellung der Auslassventile offenbar entgangen. Helios Flug 522 startete um 9:07 Uhr auf Zypern. Als die 737 im Steigflug über dem Mittelmeer eine Höhe von 10.000 Fuß durchflog, ertönte die Höhenwarnanlage. (Normalerweise hätte die Kabine eine Höhe von etwa 8.000 Fuß gehalten.) Es ist möglich, dass die Besatzung den Warnton für eine fälschliche Konfigurationswarnung hielt, da beide Warnungen identisch sind. Jedenfalls setzte sie den Steigflug fort. In 14.000 Fuß fielen die Sauerstoffmasken in der Passagierkabine aus den Deckenhalterungen und im Cockpit leuchtete das Master Caution-Licht auf. Etwa zeitgleich wurde die Temperaturwarnung im Avionikschrank aktiviert, da ein Mangel an Kühlluft eingetreten war. Der deutsche Kapitän und der zypriotische Copilot bemühten sich um die Lösung des Problems, hatten aber Schwierigkeiten, in der englischen Sprache miteinander zu kommunizieren. Sie setzten sich mit der Wartungszentrale von Helios Air in Verbindung und erhofften Ratschläge zur Beseitigung der Schwierigkeiten. Der Techniker, mit dem sie in Kontakt waren, sagte, es sei erforderlich, die Sicherung zur Abschaltung des Warntons zu ziehen. Diese Sicherung befindet sich hinter dem Sitz des Kapitäns. Er erhob sich von seinem Sitz, um die Sicherung zu suchen. Die Cockpitcrew trug keine Sauerstoffmasken, da ihre Gedanken und Handlungen von der Auffassung bestimmt waren, die Probleme stünden nicht mit einem fehlerhaften Kabinendruck in Verbindung. Als das Luftfahrzeug weiter stieg, machte sich der Sauerstoffmangel bei der Besatzung bemerkbar. Wahrscheinlich wurde der Kapitän bewusstlos, während er nach der Sicherung suchte. Der Copilot befand sich noch in seinem Sitz, als auch er ohnmächtig wurde. Entsprechend der Programmierung des Autopiloten stieg die 737 weiter, erreichte FF 340 ca. 19 Minuten nach dem Start und hielt diese Höhe bei. Um 09:37 Uhr flog die Boeing in das Fluginformationsgebiet von Athen ein, ohne dass eine Kontaktaufnahme mit der Flugsicherung zustande kam. Gegen 09:52 erreichte das Luftfahrzeug Rhodos und folgte der Luftstrasse UL 995 bis KEA VOR 28 NM südlich von Athen. Um 10:20 Uhr begann die 737, Warteschleifen über KEA zu fliegen. Alle Versuche der griechischen Flugsicherung, Kontakt zu der Besatzung herzustellen, schlugen fehl. Gegen 11:00 Uhr starteten zwei F-16 der griechischen Luftwaffe und nahmen Kurs auf Helios 522. Sie erreichten das Luftfahrzeug gegen 11:30 Uhr. Die F-16 Piloten meldeten, dass sie den Kapitän nicht sehen könnten, während der Copilot bewusstlos zu sein schien. Anscheinend hätten eine oder zwei Personen das Cockpit betreten und versucht, die 737 unter ihre Kontrolle zu bringen. Um 11:50 Uhr unternahm der Flugbegleiter, der gerade eine fliegerische Ausbildung begonnen hatte, den Versuch, das Luftfahrzeug zu steuern. Die 737 legte an Geschwindigkeit zu, drehte erst nach recht, dann nach links und nahm Kurs auf Athen. Nachdem die Boeing nun bereits fast 3 Stunden in der Luft war, ging der Kraftstoff zur Neige. Als das Luftfahrzeug im Sinkflug 7.000 Fuß durchflog, kamen beide Triebwerke zum Stillstand. Dieser Unfall wird den meisten Lesern noch in Erinnerung sein, nicht nur, weil der zeitliche Abstand gering, sondern auch, weil das Maß der individuellen Betroffenheit ausgeprägt ist. Die meisten Leser werden schon einmal, vielleicht auch öfters, als fliegende Touristen im Mittelmeerraum unterwegs gewesen sein. Weniger bekannt könnte der Unfall sein, der sich am 25.10.1999 mit einem Learjet in dem amerikanischen Bundesstaat South Dakota ereignete. Der Jet war am Unfalltag um 09:19 Ortszeit in Orlando, Florida gestartet; Ziel war die texanische Stadt Dallas. Der Flug sollte in einer Höhe von FF 390 durchgeführt werden. Die mitgeführte Kraftstoffmenge erlaubte eine Flugzeit von etwa 4 Std 25 Min. An Bord befanden sich neben den beiden Piloten 4 Passagiere. Zwei Minuten nach dem Start meldete die Besatzung mit dem Rufzeichen N47BA der zuständigen Flugsicherungsstelle, eine Höhe von 9.500 Fuß zu durchfliegen und weiter auf 14.000 Fuß zu steigen. Die Bodenstelle wies an, weiter auf FF 260 zu steigen und diese Höhe zunächst beizubehalten. Die im Cockpit rechts sitzende Pilotin bestätigte die Anweisung. Bis 09:27 Uhr gab es noch 5 Funkkontakte zwischen dem Luftfahrzeug und wechselnden Bodenkontrollstellen, die Höhen- und Streckenfreigaben und Frequenzwechsel zum Inhalt hatten und die ohne Auffälligkeiten abliefen. Als die zuständige Flugsicherungsstelle (Jacksonville Control Center) um 09:33 Uhr erneut einen Frequenzwechsel anwies, blieb die Antwort der Besatzung aus. Jacksonville versuchte in den nächsten 4 1/2 Minuten fünfmal, das Luftfahrzeug zu erreichen - ohne Erfolg. Bereits um 09:52 Uhr befand sich eine F-16 der US-Luftwaffe auf dem Weg zu dem Learjet. Als der LFF (der F-16) sich bis auf 2.000 Fuß genähert hatte, versuchte er wiederholt, Funkkontakt herzustellen. Er erhielt jedoch keine Antwort. Beide Luftfahrzeuge befanden sich nun bereits in einer Höhe von 46.400 Fuß. Der LFF der F-16 unterzog den Learjet einer Sichtkontrolle und stellte fest, dass an dem Luftfahrzeug kein Schaden sichtbar war. Er sah auch keine Anzeichen äußerlicher Vereisung. Beide Triebwerke liefen und die Rundumleuchte war eingeschaltet. Der Pilot sagte aus, er könne nicht in die Passagierkabine hineinschauen, weil die Fenster dun15 Flugsicherheit Bild: IMZBw Herr Grenzmeier kel zu sein schienen. Darüber hinaus gab er an, dass die Cockpitscheiben undurchsichtig seien, so als ob Feuchtigkeit oder Eis sie innen bedecke. Nur ein kleiner rechtwinkliger Teil in der Cockpitverglasung sei durchsichtig, dahinter sei ein Teil der Sonnenblende sichtbar. Gegen 10:12 Uhr drehte die F-16 ab; ihr folgten weitere Abfangjäger, die N47BA auf seinem nordwestlichen Kurs abwechselnd bis zum Absturz begleiteten. Deren Piloten bestätigten die Beobachtungen des ersten Abfangjägers. Zum Zeitpunkt des Absturzes befanden sich 2 F-16 in der Nähe des Learjet. Um 12:10 Uhr zeichnete der Cockpit Voice Recorder (CVR) des Jet das Geräusch einer auslaufenden Turbi16 ne auf, gefolgt vom Geräusch eines Stickshakers und eines sich ausschaltenden Autopiloten. Der CVR registrierte auch die ständige Warnung der Kabinenhöhe. Diese Warnung verstummte um 12:12 Uhr. Eine Minute zuvor war das Luftfahrzeug im Sinkflug in eine Rechtskurve gegangen. Der LFF des einen Abfangjägers meldete der Flugsicherung, „N47BA ist im Sinkflug und macht mehrere Rollen, es sieht aus, als sei er außer Kontrolle ... in einem steilen Sinkflug, erbitte Notabstieg, um ihm zu folgen.“ Der andere F-16 Pilot meldete, dass der Learjet gleich auf dem Boden aufschlagen werde und dass er in einem Spiralsturz sei. Das Luftfahrzeug wurde beim Aufschlag dergestalt zerstört, dass diejeni- gen Wrackteile, die geborgen werden konnten, keine Rückschlüsse auf die Unfallursache zuließen. Die Auswertung der Wartungsbücher des Unfallluftfahrzeuges führte zu keinerlei Erkenntnissen; Wetterfaktoren konnten ausgeschlossen werden; gesundheitliche Probleme der Besatzung hatten nicht existiert. Nach 13-monatiger Untersuchungstätigkeit konnte das National Transportation Safety Board lediglich eine wahrscheinliche Ursache formulieren. Diese bestand in der Handlungsunfähigkeit der Besatzung, die sich einstellte, als es ihr nicht gelang, die erforderliche Sauerstoffversorgung sicherzustellen, nachdem ein Verlust des Kabinendruckes aus unbestimmten Gründen eingetreten war. „Luftnotfall“ German Air Force 241 von GenMaj a.D. Winfried Schwenke Dies ist die Geschichte eines Zwischenfalls in der Luft. Einer von der Sorte, die das Blut in den Adern gefrieren lässt. Er liegt bereits Jahrzehnte zurück und die Erinnerung an die Einzelheiten ist heute verblasst. Der Schrecken von damals ist jedoch auch jetzt noch gegenwärtig. Das Flugzeug für Philosophen Anfang der 1960er Jahre diente ich als Oberleutnant und Flugzeugführer in einem Jagdbombergeschwader der Luftwaffe. Unser Einsatzmuster war die F-104G Starfighter. Daneben verfügte das Geschwader noch über einige wenige Trainings- und Ver- Bild: PIZ, überarbeitet von Laura Meis bindungsflugzeuge, darunter einige zweisitzige T-33 „T-Bird“. Dies war eines der frühesten Düsenflugzeuge und die meisten Piloten des Geschwaders hielten es für unter ihrer Würde diesen alten Vogel zu fliegen. Die F-104 war eine Rakete, ein Kraftpaket, das zweifache Schallgeschwindigkeit erreichte. Die T-33 war demgegenüber eine lahme Ente, unterhalb der Schallmauer angekettet, was aber auch sein Gutes hatte. Sie war unkompliziert, unaufdringlich, unlaut, von friedfertiger Nützlichkeit. Wenn die F-104 (das rekordreichste Kampfflugzeug der Welt zur damaligen Zeit) „a pilot’s aircraft“, das Flugzeug für ambitionierte Piloten war, dann war die T-33 eher das Flugzeug für Leute, die Beschaulichkeit schätzten - etwa Philosophen. Ohne Eile oder Aufregung zog sie ihre Bahn und überwand beispielsweise die Weiten, die für Verbindungsflüge eines Geschwaders in Europa charakteristisch sind. Um einen solchen Flug geht es hier. 17 Flugsicherheit Eine sardische Hochzeit Im Rahmen der Waffenausbildung nutzte die Luftwaffe zu jener Zeit sehr intensiv den Flugplatz DECIMOMANNU auf Sardinien. Die Piloten waren jeweils für etwa 14 Tage dort, die Techniker wesentlich länger. Einige fanden dort sogar ihre Ehefrauen, obwohl die sardischen Schönen stets sehr behütet und gegen „junge Wölfe“ abgeschirmt waren. Jetzt hatte Amor es aber wieder einmal geschafft: Es sollte Hochzeit sein. Es war der Wunsch des jungen Soldaten (und der Soldatengemeinde), dass die Trauung der Militärpfarrer seiner Konfession aus der Heimat vornehmen sollte. Der Militärpfarrer war ein liebenswürdiger Herr von etwa 45 Jahren. Er war warmherzig und humorvoll, überall sehr beliebt und hoch geachtet. Außerdem war der Herr Pfarrer ein halber Pilot. Er besaß die Jet Passenger Card, das heißt, er war beim Flugmedizinischen Institut der Luftwaffe eingewiesen, untersucht und überprüft worden und durfte in zweisitzigen Düsenflugzeugen mitfliegen. Jetzt mußte der Militärpfarrer also nach Sardinien. Ein Pilot wurde gebraucht. Der Kommodore suchte einen Freiwilligen. Er ließ mich kommen. „Sie sind Junggeselle,“ stellte er fest,„Sie haben keine Verpflichtungen. Also ...“. Der Kommodore hatte vom gesellschaftlichen Leben der Junggesellen keine hohe Meinung. Aber ich widersprach nicht. Freiwilligkeit ist die Seele der Armee. Als ich am Abflugtag zur Flugabfertigung kam, war mein Passagier schon da. Wir hörten gemeinsam die Wetterberatung und gaben den Flugplan ab. Wir waren jetzt German Air Force 240. Wir würden in 30.000 Fuß Höhe (oder korrekter: auf Flugfläche 300) zunächst dem Lauf von Saone und Rhone folgen und dann über Nizza Kurs auf Sardinien absetzen. Über Ostfrankreich war hohe Bewölkung zu erwarten. Sonst war alles klar. Ein schöner Herbsttag. Am Flugzeug half ich dem Pfarrer beim Anschnallen und Anlegen von Helm, Sauerstoffmaske, Schläuchen und Kabeln. Das besorgen sonst die Wartungstechniker, aber ich war nun einmal als „Captain of the aircraft“ für alles verantwortlich und hier besonders für das Wohl meines Passagiers. In der T-33 waren die Sitze hintereinander angeordnet. Die Insassen konnten einander nicht sehen. Die einzige Möglichkeit der Kommunikation war das so genannte Intercom, praktisch eine interne Radioverbindung zwischen vorderem und hinterem Sitz. Als alles funktionierte, erklärte ich dem er- geben lächelnden Pfarrer, was er alles dürfe und was nicht, und wir flogen los. Bis zum Start hatten sich Wortwechsel zwischen dem Pfarrer und seinem Piloten auf technische Fragen des Fluges beschränkt. Jetzt, während des gemächlichen Steigflugs, kam eine entspannte Unterhaltung auf. Der Pfarrer erkundigte sich teilnahmsvoll: „Sie hatten doch sicherlich Besseres vor an diesem Wochenende, als einen alten Priester zu kutschieren?“ „Meinen Sie wirklich ‚Besseres’, Herr Pfarrer?“ „Nun,…“ „Herr Pfarrer, es ist mir eine Ehre, Sie zu Ihren Schäflein zu bringen!“ Das war nicht gelogen. Die Wettervorhersage stimmte. In 30.000 Fuß glitten wir direkt auf der blendend weißen Wolkenoberfläche dahin. „Wie eine Schlittenfahrt, nicht wahr, Herr Pfarrer?“ „Es ist wunderschön. Es wäre perfekt, wenn ich jetzt ein Pfeifchen rauchen könnte.“ „Wir atmen fast reinen Sauerstoff, Herr Pfarrer. Wenn Sie jetzt ein Pfeifchen entzünden, gibt es einen Knall und wir kommen stante pede in den Himmel, jedenfalls Sie kommen in den Himmel.“ © Zeichnung von HFw Ingo Dierkes, 18 Nach Passieren von Montélimar verschwand die Wolkendecke und in Richtung Nizza, an Backbord die Alpen, Steuerbord die Cote d’Azur, genossen wir den Flug wie Touristen. Auch als wir über Nizza auf das Meer hinauskurvten, blieb das Wetter klar. Nur Korsika, das bald an Backbord voraus in Sicht kam, war wie immer leicht umdunstet. Schließlich landeten wir weich auf der breiten Piste von „Deci“. Wir hatten Post dabei und wurden freudig begrüßt. Schon im Flug hatte ich versucht, mich vor der Teilnahme an der Hochzeitsfeier zu drücken, aber der Pfarrer war ein strenger Herr. Er hatte den Ruf, notfalls auch einen Oberleutnant als Messdiener zu verpflichten. Die Hochzeitsfeier in einem großen, alten, düsteren Haus in Cagliari war farbig und fröhlich. Der sardischen Gastfreundschaft taten gelegentliche Sprachschwierigkeiten keinerlei Abbruch. Am nächsten Tag, vor dem Rückflug nach Deutschland, mußte der Pfarrer sich noch um Soldaten und ihre Familien kümmern, und es wurde Abend, ehe wir - jetzt German Airforce 241 - loskamen. Auf der Basis war bereits alles still. Auch in der Luft war der Funkverkehr spärlich, dafür freundlicher und kultivierter, als in der Tageshektik üblich. Das Gespräch an Bord - über das Intercom - schlief immer wieder ein. Man hing seinen Gedanken nach. M’AIDEZ ! Über der lichterglitzernden Küste bei Nizza drehte ich im Navigationssystem eine Radiostation auf der Route ein, die ein Hörspiel sendete. Ich versuchte zu jener Zeit, meine französischen Sprachkenntnisse zu verbessern. Die Leute nuschelten. Ich drehte die Lautstärke hoch. So verstand ich die Sprache zwar nicht besser, aber deutlicher. Schließlich wurde es mir aber zu laut. Außerdem mußte ich mich wieder einmal um meinen Passagier kümmern. „Wie geht es Ihnen, Herr Pfarrer?“ Keine Antwort! „Herr Pfarrer, hören Sie mich?“ Nichts! Der Gedanke zuckte auf und gefror im Gehirn: SAUERSTOFF! Er kriegt keinen Sauerstoff! „Herr Pfarrer, wenn Sie mich hören, bewegen Sie den Steuerknüppel rechts-links!“ Keine Reaktion. Totenstille! Ich riss den Leistungshebel auf Leerlauf. Das Triebwerk verstummte mit einem leisen Jaulen. Fauchend fuhren die Sturzflugbremsen aus. Die Flugzeugnase senkte sich. „MAYDAY, MAYDAY, MAYDAY … German Air Force 241” „German Air Force 241, hier ist France Control. Was ist die Art Ihres Luftnotfalls?“ „France Control, German Air Force 241, mein Passagier reagiert nicht mehr. Vermute Versagen der Sauerstoffversorgung. Erbitte Erlaubnis zu sofortigem Sinkflug auf unterhalb Flugfläche 100.“ „Verstanden 241. Erlaubnis für achttausend Fuß erteilt! QNH 3001.“ „Verstanden, 8.000, 3001, Flugzeugtyp ist T-33. Erbitte sofortige Landung und medizinische Hilfe.“ War der Pfarrer noch am Leben? Wie lange war seine Sauerstoffversorgung schon ausgefallen? Konnte es einen anderen Grund für seinen offensichtlichen Zusammenbruch geben? Er sah fit aus. Und er war gerade untersucht worden. Wie lange hatte ich mich nicht um ihn gekümmert? Zu lange! Viel zu lange! Mein Gott, wie lange brauchten die Franzosen? „France ... “ „German Air Force 241, wir empfehlen Landung in Istres. Dort haben Sie alle medizinischen Einrichtungen vor Ort. Sind Sie einverstanden?“ „Einverstanden.“ „Sie befinden sich 40 Nautische Meilen nördlich von Istres. Drehen Sie nach links! Steuern Sie 240°. Bleiben Sie zunächst auf 8.000 Fuß, wenn Sie diese erreicht haben. Welche Flugflä- che passieren Sie?“ „150.“ „Verstanden. Erwarten Sie Übergabe an Istres Endanflugkontrolle zehn Meilen vor Pistenanfang. Rettungsteam steht bereit.“ „Verstanden.“ „German Air Force 241, das IstresWetter: Wind leicht und variabel. Sicht mehr als zehn Kilometer. Wolkenlos. Druck 3001.“ „3001.“ „241, hier sind Ihre Instruktionen für die Landung und Verfahren bei Verlust des Funkkontakts. Sind Sie bereit?“ Eine kaum hörbare Stimme: „Ist was, Herr Oberleu ...?“ „Bereit!“ … WAS WAR DAS ?? Die Stimme! Wer ...? Hoffnung sprang auf: „Herr Pfarrer?“ „Ja, ist was nicht in Ordnung?“ „Wie geht es Ihnen, Herr Pfarrer? Fühlen Sie sich wohl? Waren Sie ohnmächtig?“ „Oh nein. Ich habe nur das Intercom etwas abgeschaltet. Der Radiosender war einfach zu laut.“ „France Control, German Airforce 241, mein Luftnotfall ist beendet. Mein Passagier hat sich wieder gemeldet.“ „Er hat sich wieder gemeldet?“ „Wir hatten ein Problem mit dem Intercom. Sauerstoffversorgung ist in Ordnung“. Der Leistungshebel glitt nach vorn. Das Triebwerk erwachte wieder. „Verstanden, 241, Luftnotfall beendet 20.34 Uhr. Wollen Sie in Istres landen oder den Flug fortsetzen?“ „Flug fortsetzen! Erbitte Erlaubnis zum Steigflug auf Flugfläche 310, Kurs Lyon.“ „Erlaubnis erteilt. Steigen Sie auf Flugfläche 310. Drehen Sie nach rechts zunächst auf 345°. Kommen Sie auf Frequenz 261.3!“ „261,3“ „Richtig. Einen guten Weiterflug, 241. Good bye!“ 19 Flugsicherheit „Merci, France Control. Merci et au revoir!“ Der Bericht Der Rest des Fluges verlief ohne Zwischenfälle. Nach der Landung nahmen wir gemeinsam noch ein Glas. Wir einigten uns darauf, über das, was an dem Flug als ungewöhnlich gelten konnte, nicht zu reden. Natürlich mußte ich meinen Vorgesetzten Meldung machen. Das tat ich auch so, wie es sich gehört: nüchtern, sachlich, ohne etwas zu dramatisieren. Man entschied, vor weiteren Maßnahmen den Bericht der Franzosen abzuwarten. Nur so konnte der entstandene Schaden richtig gewürdigt werden. Die Franzosen konnten Kosten geltend machen. Mir war klar, dass dieser Bericht für mich nichts Gutes bedeuten würde. © Zeichnung von HFw Ingo Dierkes, Warten; trübes, gedrücktes Warten! Es kam nie ein Bericht. Es sind schon tüchtige Leute, die Franzosen: kühl, ruhig und effizient; bereit zu rascher und wirksamer Hilfe. Und kein überflüssiges Geschreibsel hinterher! Bravo - gut gemacht! Kurz vor dem Beginn des Anfluges auf den Heimatplatz bemerkte der in der C-160 Transall mitfliegende 1. Wart Stabsunteroffizier Dennis Jacobsen einen undefinierbaren Flüssigkeitsaustritt über dem Abgasrohr des rechten Triebwerks. Er informierte sofort die Cockpitbesatzung über seine Beobachtung. Durch Luftverwirbelung waren bereits größere Bereiche der Flügelklappen durch Flüssigkeit benetzt. Nach Sichtung durch den Bordmechaniker wurde ein Kraftstoffaustritt aus dem Bereich Hauptkraftstoffabsperrventil vermutet. Die Besatzung stellte, da dass Leck nicht einwandfrei zu identifizieren war, im „langen Endteil“ des Anfluges das Triebwerk sicherheitshalber ab. Auf der Abstellposition wurde die Feuchtigkeit eindeutig als Kraftstoff identifiziert. 20 Am Hauptkraftstoffabsperrventil des rechten Triebwerks wurde an einer Kraftstoffleitung ein undichter WIGOFLEX-Anschluss festgestellt. GenFlSichhBw bleibt nur festzustellen: „Bravo gut gemacht“ Der Stabsunteroffizier Dennis Jacobsen hat sich im Sinne eines, auch die Lfz- Technik umfassenden „Crew Ressource Managements“, durch seine unverzügliche Information der Cockpitbesatzung, für die sichere Durchführung des Fluges mitverantwortlich gefühlt und aktiv eingeschaltet. Durch seine Beobachtung hat er möglicherweise einen größeren Schaden/Zwischenfall verhindert. Sein aktives Handeln und die dahinterstehende professionelle Einstellung sind beispielhaft. Foto: Simon Thomas „Trau’ keinem von GenFlusi!?“ von Oberstleutnant Heribert Mennen, GenFlSichhBw Ganz ähnlich lautete die Überschrift zu einem Artikel von Oberstlt Jeitner in der Januar-Ausgabe der „Flugsicherheit“ aus dem Jahre 1994. Der Autor, damals Angehöriger unserer Dienststelle, beklagte sich in einem emotional gehaltenen Beitrag darüber, dass die notwendige Einsicht für Flugsicherheitsbelange insgesamt nicht immer vorhanden sei. Schlimmer noch, die Angehörigen der Dienststelle GenFlSichhBw würden nicht als Helfer in Sachen Unfallverhütung, sondern überwiegend als Erbsenzähler und Besserwisser angesehen. Er skizzierte tiefverwurzelte Ressentiments gegenüber GenFlSichhBw mit einem Ausspruch aus dem Aufenthaltsraum einer fliegenden Staffel: „Vorsicht, Feind hört mit!“ Es fehle allgemein der Wille zur Zusammenarbeit und zum vorurteilsfreien Dialog. Am Beispiel kritischer Kommentare eines Einsatzoffiziers zum Ausfall eines Luftfahrzeuges, das von einem Filmteam des GenFlSichhBw zur Rekonstruktion eines Flugunfalls blockiert wurde, sowie der spärlichen Beiträge für die Flugsicherheitspublikationen machte er sogar ein fehlendes Bewusstsein für eine pro-aktive Flugsicherheitsarbeit fest. Sein Fazit war: „Flugsicherheit wird geduldet.“ Wie sieht es nun über ein Jahrzehnt später mit dem Ansehen von GenFlSichhBw in der Truppe und der Bereitschaft zu einer offenen und vorbehaltslosen Zusammenarbeit aus? Diese Frage lässt sich nur differenziert beantworten. Zunächst ist festzustellen, dass die Arbeit des Teams GenFlSichhBw allgemein anerkannt wird. Seit 1994 hat sich offenbar ein Wandel in der Wahrnehmung der Dienststelle vollzogen. Ich führe das im Wesentlichen auf folgende Umstände zurück: - qualitative Verbesserungen bei der Aufarbeitung von Unfällen und bei Erstellung der Abschlussberichte, - die Einbeziehung der Unfallursache „Organisation“, - das Einräumen eines Aussageverweigerungsrechts bei der Anhörung zu Flugunfällen/Zwischenfällen, - gefällige Aufmachung der Flugsicherheitspublikationen und aussagekräftige Artikel und sowie nicht zuletzt - das Auftreten unseres Teams bei Flugsicherheitsinspizierungen mit Betonung des „Miteinander/Füreinander“ 21 Flugsicherheit Es ist durchaus gelungen, bei Flugsicherheitsinspizierungen den Aspekt des Hilfeleisten in den Vordergrund zu rücken. Nach einigen Jahren bei dieser Dienststelle und Teilnahme an zahlreichen Inspizierungen glaube ich das sagen zu können, zumal uns immer attestiert wird, in der Sache zielstrebig und konstruktiv-kritisch, aber fair aufgetreten zu sein. „Erbsenzählerei“ auf der einen und „Türken bauen“ auf der anderen Seite, so wird allgemein versichert, ist Historie. Gott sei Dank! Aus der Maßnahmenverfolgung wissen wir, dass wir mit unseren Hinweisen, Empfehlungen oder Forderungen zumeist richtig liegen. Ein positives Feed Back zu unseren Bemühungen motiviert uns und gibt ein Stück Berufszufriedenheit, auf das sich aufbauen lässt. Ist nun alles gut? Können wir aufgrund niedriger Unfallzahlen in den letzten Jahren davon ausgehen, dass unsere Unfallverhütungsarbeit ausreichend ist und dauerhaft greift? Haben wir „alles im Griff?“ Ich meine: Jein! Wenngleich die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit GenFlSichhBw grundsätzlich vorhanden ist, findet sie ihre Grenzen, wenn persönliche Unannehmlichkeiten oder gar Nachteile befürchtet werden. Leider haben wir kein freiwilliges, nicht-punitives Meldesystem, das dem entgegenwirkt. Der Eisberg An dem alten Problem, dass wir nur die Spitze des Eisbergs sehen, hat sich nichts verändert. Mit „Eisberg“ ist die Gesamtzahl aller flugsicherheitsrelevanten Ereignisse gemeint, wobei die gemeldeten Vorfälle die „Spitze“ darstellen. Der überwiegende Teil der Ereignisse bleibt unterhalb der Wasserlinie verborgen. Zur Aufbereitung einer objektiven Flugsicherheitslage und für eine nach22 haltige Unfallprävention wäre es jedoch erforderlich, auch an die im nicht sichtbaren Teil des erwähnten Eisbergs verborgenen Informationen zu gelangen. Mit deren Hilfe könnte erreicht werden, einerseits ein einigermaßen abgerundetes Bild zu erhalten und andererseits nicht von ungewollten Entwicklungen überrascht zu werden. Sie bilden neben latenten, nicht erkannten Risiken das Vorfeld von Unfällen. Darum muss dieser Teil des Eisbergs gezielt erschlossen werden. Das „Eisberg-Problem“ ist weitverbreitet. Neben der ICAO haben auch die Europäische Kommission und andere Organisationen erkannt, dass zur Aufklärung von flugsicherheitsrelevanten Vorgängen die Bemühungen um Abkehr von der „blame culture“ hin zu einer „just culture“1 verstärkt werden müssen. Es wird davon ausgegangen, dass dies hilft, Meldehemmnisse abzubauen und ein realistisches Lagebild zu erhalten. Diverse Staaten und Organisationen wie z. B. die USA und England sowie die Fluggesellschaften LUFTHANSA und AIR BERLIN haben mit freiwilligen, nicht-punitiven Meldesystemen (etwa US Aviation Safety Reporting System – ASRS oder UK Confidential Human Factors Incident Reporting Programme – CHIRP) sehr positive Erfahrungen gemacht und wichtige Erkenntnisse gewonnen, die der Flugsicherheit dienen. Die Akzeptanz von Pflichtmeldesystemen ist gering, weil zumeist nicht gewährleistet ist, dass die Berichte nicht doch an Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden (müssen). Auf die Bundeswehr bezogen ist es angesichts der rechtlichen Rahmenbedingungen und Vorschriftenlage trotz wiederholter Anstrengungen unwahrscheinlich, dass in absehbarer Zeit eine auf Freiwilligkeit beruhende, umfassende Flugsicherheits-Meldekultur etabliert werden kann. Es gilt also, die vorhandenen Möglichkeiten zur Flugunfallprävention auszuschöpfen. Das lässt sich m. E. insbesondere durch einen besseren Informationsfluss erreichen. Ein breiteres Hintergrundwissen der am Flugbetrieb Beteiligten könnte zu einem besseren Flugsicherheits-Bewusstsein beitragen. Elektronische Medien GenFlSichhBw arbeitet ständig an der Verbesserung seiner Flugsicherheitsdatenbank „FlusiBw II“, in der Absicht, die Benutzerfreundlichkeit zu erhöhen und nicht zuletzt für die Truppe breitere Anwendungsmöglichkeiten zu schaffen. Es wäre wünschenswert, nicht nur aktuelle Zwischenfälle und Unfälle für die Flugsicherheitsweiterbildung zu nutzen, sondern auch Alt- Incidents reported via regulatory mandatory systems Unreported incidents: The challenge to find these incidents / risks via alternative sources fälle aus dem umfangreichen Archiv der Dienststelle zu konsultieren, um historische Entwicklungen nachvollziehen zu können. Viele unserer heutigen Standards, Regeln und Infrastruktursowie technischen Maßnahmen beruhen auf bitteren Erfahrungen in der Vergangenheit. Das FlusiBw II in der heutigen Form eignet sich jedoch nur bedingt für Recherchen dieser Art. Die Grenzen des Systems sind bekannt. Sie lassen sich nur durch erheblichen finanziellen und organisatorischen Aufwand verändern. Angesichts allgemein knapper Ressourcen ist ein radikaler Schnitt jedoch kaum durchzusetzen. In einem überschaubaren Zeitrahmen sind demnach nur graduelle Verbesserungen zu erwarten, sodass FlusiBw II bei allen Bemühungen auf absehbare Zeit ein System für „Insider“ bleiben wird. INTRANET und INTERNET sind Medien, die für die Flugsicherheitsarbeit in der Bundeswehr leider noch nicht voll zur Verfügung stehen. Der Auftritt GenFlSichhBw im INTRANETBw ist derzeit neben einer Kurzbeschreibung der Aufgabenstellung auf wenige ausgesuchte Publikationen beschränkt. Das INTERNET wird bislang nur für allgemeine Recherchen genutzt, die gelegentlich erstaunliche Ergebnisse bringen (siehe Fotos). Umgang mit fehlerhaftem Verhalten Für die Mitarbeiter der Abteilung Flugsicherheit stellt sich die Frage, wie sie mit Beobachtungen, Informationen und Bilddokumenten umgehen, die offensichtlich fehlerhaftes Verhalten, Verstöße gegen Vorschriften und/oder fehlendes Flugsicherheitsbewusstsein beinhalten. Hier ist eine genaue Analyse des vorgefundenen Sachverhalts und Fingerspitzengefühl gefragt. Einerseits will man ja eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Angehörigen der Fliegenden Verbände und Dienststellen mit Flugbetrieb pflegen, andererseits gilt es Fehler Fotos: mbaviation-images.com 23 Flugsicherheit anzusprechen und ggf. bedenklichen Einstellungen und Trends entgegen zu wirken. Hierbei das richtige Maß zu wahren ist keine leichte Aufgabe! Reicht ein kameradschaftlicher Hinweis? Was lässt sich noch kameradschaftlich bereden? Erreiche ich die gewünschte Einsicht und Verhaltensänderung? Was mache ich, wenn mein Gesprächspartner nicht einsichtig ist? Soll ich eine Person des beiderseitigen Vertrauens (z. B. CRM-Beauftragter) einschalten? Oder ist im Sinne der Sache kein Gespräch unter Kameraden, sondern eine Meldung mit all den sich daraus ergebenden Konsequenzen angesagt? Was erreiche ich mit einer offiziellen Meldung? Dies sind nur einige Beispiele für Fragen, die sich ergeben und im Sinne einer dauerhaft erfolgreichen Flugsicherheitsarbeit zu beantworten sind. Als Angehöriger von GenFlSichhBw bin ich in der Vergangenheit mehrmals mit Situationen konfrontiert worden, die eine Reaktion meinerseits erforderten. Ich gebe zu, dass ich mich mit meinen Entscheidungen recht schwer getan habe. Das mag u.a. daran liegen, dass ich lange Jahre in der Truppe war und mich sehr wohl an Fehler und eigenes Verhalten erinnern kann, das im Nachhinein betrachtet der Situation nicht angemessen war. Kritisiert zu werden tut meist weh. Mir ist es auch nicht immer leicht gefallen, berechtigte Kritik auszuhalten und sie entsprechend umzusetzen. Demzufolge kann ich mir vorstellen, wie sich jemand fühlt, der von einem Mitarbeiter unserer Dienststelle auf einen flugsicherheitsrelevanten Vorgang angesprochen wird. Da sind ungewollt schnell Barrieren aufgebaut und längst vergessene Sprüche werden wieder aktuell: „Trau keinem von GenFlusi“. Es gehört zu unserer Aufgabenstellung (nicht nur bei Unfällen und Zwischenfällen!), Fragen zu stellen und 24 Vorgänge kritisch zu beleuchten. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass uns nicht daran liegt, Sie persönlich „anzuzählen“ oder „anzuschwärzen“. Wir versuchen, Ursachen zu ermitteln, Gründe für Fehlentwicklungen aufzuzeigen und Motivation für bestimmtes Verhalten zu finden. In den meisten Fällen liegen Fehlern und Fehlverhalten systembedingte Unzulänglichkeiten zugrunde, die es zu identifizieren und abzustellen gilt. Uns geht es um Flugsicherheit und damit auch um Ihre Sicherheit und die Ihrer Mitmenschen! Da liegt es in der Natur der Sache, dass ein kameradschaftlicher Hinweis nicht immer das probate Mittel ist. Falls Sie einmal nicht mit uns einer Meinung sind, denken Sie bitte daran, dass auch wir, die Mitarbeiter von GenFlSichhBw, nicht frei von Fehlern und Emotionen sind. Ich meine aber, dass Leidenschaft für die Flugsicherheit nicht verkehrt sein kann. Oder wie sehen Sie es? Trau’ denen von Flugsicherheit! 1 EUROCONTROL Definition: “Just culture = is a culture, where front line operators or others are not punished for actions, omissions or decisions taken by them that are commensurate with their experience and training, but where gross negligence, wilful violations and destructive acts are not tolerated”. von Oberstleutnant Michael Sieg, GenFlSichhBw Eine Besatzung einer UH-1D hatte den Auftrag, im benachbarten Ausland an einem Wochenende bei einem öffentlichen Flugtag auf einem militärischen Flugplatz ihr Luftfahrzeug in einem „Static Display“ für die Besucher auszustellen. Dafür war der bekanntlich mit einem Kufenlandegestell ausgerüstete Hubschrauber auf einem Rollweg neben anderen Luftfahrzeugen abgestellt worden. Einige Zeit nach Beendigung des Flugtages wurde dem verantwortlichen Luftfahrzeugführer durch den Verbindungsoffizier vor Ort mitgeteilt, dass der Hubschrauber während der Abwesenheit der Besatzung durch Mitarbeiter vom Ground-Crew-Service von der Parkposition (Rollweg) etwa 20 Meter weit ins Gras auf eine andere Position „bewegt“ worden war. Und dies offensichtlich ohne Nutzung des Bodenfahrwerkes, denn dieses war vom Heimatstandort nicht mitgeführt worden. Eine anschließende Besichtigung des Hubschraubers durch die Besatzung führte zum Entschluss, das Luftfahrzeug am Folgetag durch einen Prüftrupp überprüfen zu lassen. Mit dem bei diesem Schleppvorgang involvierten Bodenpersonal wurde dann die gesamte Situation und der Ablauf des Schleppvorganges eingehend erörtert. © Zeichnung von HFw Ingo Dierkes, © Nicht jedes Mittel heiligt den Erfolg! Der am Folgetag eingetroffene Fachprüfer gab den Hubschrauber nach einer Sonderinspektion und der Vermessung des Kufenlandegestelles für den Überführungsflug in den Heimatverband frei. Eine Überprüfung des gesamten Kufenlandegestelles sollte am Heimatstandort stattfinden. Die zulässigen Toleranzen waren nicht überschritten worden. Eine Wiederstartgenehmigung wurde eingeholt. Am Heimatflugplatz wurde das Kufenlandegestell des Hubschraubers einer genauen technischen Sichtung einschließlich einer Vermessung unterzogen. Die rechte Kufe war nach innen bis zur Toleranzgrenze verbogen. An den vorderen Kufenstützen waren Abdrücke von Gurtschlaufen zu erkennen. Das Kufenlandegestell wurde daraufhin gewechselt. Wie war es dazu gekommen? Da der Ground-Crew während der Abwesenheit der Besatzung kein passendes Fahrwerk für das Luftfahrzeug zur Verfügung stand, wurde der Hubschrauber kurzentschlossen auf Holzpfählen (etwa 8 cm Durchmesser) gerollt. Zum Ziehen wurden Gurte benutzt und diese an einem Schlepptraktor eingehängt. Die Schleppstrecke führte 10 Meter über einen Rollweg und 5 bis 10 Meter über Gras. Nach Aussage des dabei beteiligten Personals wurde das Kufenlandegestell zwischen den Kufenhörnern (innen) mit einem Kantholz gegen Zusammenziehen gestützt. Die festgestellte einseitige Verbiegung könnte dabei evtl. durch ungleichmäßigen Zug entstanden sein. 25 Flugsicherheit von Oberstleutnant Rüdiger Stein, GenFlSichhBw Beim Betrieb eines Airbus A 310 (RegNr.10+22) der FlBschft BMVg war ein technisches Problem aufgetreten, das im Heimatverband nicht behoben werden konnte. Das Luftfahrzeug wurde daher zur Werft der Deutschen Lufthansa nach Hamburg überführt, um dort vertragsgemäß die Beanstandungsbehebung durchführen zu lassen. 26 Zur Erledigung der Arbeiten wurde der Airbus am Nachmittag des 12. August 2006 in eine der Werfthallen geschleppt. In der Halle erfolgte die Positionierung des Luftfahrzeuges auf dem Stellplatz 10A dergestalt, dass die Hallentore hinter dem Heck gerade noch geschlossen werden konnten. Dies geschah, um bei späteren Arbeiten besser mit einer Einstiegsleiter an eine der Türen des Luftfahrzeuges heranfahren zu können (Formulierung des Originalberichts). Allerdings befand sich die 10+22 nun mit der linken Tragflächenspitze im Bewegungsbereich eines Hubwagens, auf dessen oberer Plattform sich ein Container befand. Es handelte sich bei dem Hubwagen nicht um ein speziell für die Instandhaltung konstruiertes Betriebsmittel, sondern um ein ehemaliges Catering-Fahrzeug (sogenannte Highloader), das seit Wochen in dieser Position in Gebrauch und dessen Nutzung am nächsten Tag für Arbeiten an einem anderen Luftfahrzeug (Typ Boeing 777) im Nachbardock 10 geplant war. Zu diesem Zeitpunkt war bereits eine Situation geschaffen worden, die den Einsatz des Hubwagens nicht mehr erlaubte. Dessen Bediener ließ man jedoch über diesen Umstand im Unklaren. Hätte man, wie sonst üblich, das Luftfahrzeug zwei bis drei Meter weiter in die Halle hinein geschleppt, hätte sich die Tragflächenspitze außerhalb des Bewegungsbereichs des Wagens befunden. Am Morgen des Folgetages (Sonntag, der 13.!) begaben sich drei Mechaniker zu dem Hubwagen, um den Container mit Kleinteilen zu beladen, die nach dem Hochfahren in die Kabine der B 777 verbracht werden sollten. Bilder von der Lufthansa Technik AG Sie fanden den Wagen mit schon/noch eingeschalteter Zündung vor – ein Zustand, dessen Ursache nicht mehr aufgeklärt werden konnte. Jedenfalls vermittelte die eingeschaltete Zündung dem Mitarbeiter den Eindruck, mit dem Wagen sei vor kurzem noch unproblematisch gearbeitet worden. Nach dem Beladen des Containers bestiegen zwei der Techniker das Innere des Behältnisses, um das Rolltor auf dessen Rückseite zu schließen. Der Mitarbeiter, der schon in den Wochen zuvor mit dem Hochfahren des Hubwagens betraut worden war, begab sich zur Bedienkonsole an der Vorderseite des Wagens. Von dort aus konnte er den hinteren Teil des Wagens bzw. Containers (in Richtung des A 310) nicht einsehen. Eine explizite Kontrolle, ob sich ein „Hindernis“ im Fahrweg des Containers befinden könnte, wurde von keinem durchgeführt. Da die Tragflügelspitze den Container nur um wenige Zentimeter überragte, war auch unbewusst (aus dem Augenwinkel) keinem die Gefährdung aufgefallen. Vielmehr erwarteten die Techniker einen normalen Arbeitsablauf so wie in den Tagen zuvor. Das Vorkommnis wurde verursacht durch - unzureichende Aufmerksamkeit, da nicht erkannt wurde, dass die Tragflächenspitze in den Bewegungsbereich des Hubwagens ragte, - mangelhafte Kommunikation, da die unübliche Abstellposition des A 310 nicht mitgeteilt wurde und - Nachlässigkeit aus Gewohnheit, da man auf die Kontrolle der Hindernisfreiheit des Hubcontainers verzichtet hatte. Catering-Fahrzeug (Highloader) und Arbeitsbühne (gelb) Technische Maßnahmen Es wurden neben dem Austausch des kompletten Winglets auch Reparaturen der Tragflügelstruktur vorgenommen. Stellplätze/Lageplan der Halle Hallentore Hubwagen Stellplatz 10A 10+22 Dock 10 B777 Bedienpanel Während des Hubvorganges setzte die Unterkante des Winglets im Abstand von ca. 5 cm von der Hinterkante des Hubcontainers auf und wurde nach oben gedrückt. Dies passierte unbemerkt. Erst als im Zuge des weiteren Fahrvorganges eine Nietreihe (des Winglets) mit lautem Knall aufriss, wurde den Technikern klar, dass dieser Sonntagmorgen anders als erwünscht verlief. Der Fahrvorgang wurde unterbrochen und der Container abgesenkt. Das Winglet wurde erheblich beschädigt; Personen kamen nicht zu Schaden. Zum Zeitpunkt der Untersuchung wurde die Schadenshöhe mit ca. 100.000 Euro kalkuliert. Dock 11 27 Flugsicherheit Always Prepared von Capt Brad Steels, 442. Staffel des 19. Geschwaders in Comox (Kanada) mit freundlicher Genehmigung von Flight Comment, Kanada Wenn man in der Luftfahrt davon spricht, „sich einen Alternativplan zurechtzulegen“, so bezieht sich dies auf das Konzept eines Notfallplans. Wenn sich Dinge, die außerhalb unserer Kontrolle liegen, z. B. das Wetter oder die Luftfahrzeugverfügbarkeit, nach dem Start ändern, sodass ein Flug negativ beeinflusst wird, sollten wir für diesen 28 Fall bereits vor dem Flug einen Notfallplan entwickelt haben. In einigen Fällen sehen wir unseren Notfallplan voraus und teilen ihn der gesamten Besatzung im Rahmen der Vorflugbesprechung bzw. unmittelbar vor dem Start mit (z. B. der Einflug in unvorhergesehener Instrumentenflugwetterbedingungen und die zu ergreifenden Maßnahmen). In aviation, „having an out“ refers to the idea of a backup plan. If things out of our control, such as weather or aircraft serviceability change after take-off, such that a flight is adversely affected, we should already have made some contingency plan for the event before going flying. In some cases we anticipate and brief our backup plan to the entire crew in the pre-flight briefing or just prior to takeoff (i.e. Crew action in the event of inadvertent Instrument Meteorological Conditions (IMC)). As I found out one night, it is very important that briefing the procedure not just be „lip service“ to the event. The mission was a utility flight to the practice target area (PTA) about 65 NM southwest of Goose Bay in the CH-146 Griffon. At the time, our Allies were flying up to 16 hours per day and Bild von OTL Claus Maneth Wie ich eines Nachts herausfand, ist es sehr wichtig, dass die Besprechung eines derartigen Notfallverfahrens nicht nur ein „Lippenbekenntnis“ für den Fall der Fälle ist. Der Einsatz bestand in einem Versorgungsflug zum Übungszielgebiet (Practice Target Area - PTA) ca. 65 NM südwestlich von Goose Bay mit einem Hubschrauber des Typs CH-146 Griffon. Zu diesem Zeitpunkt flogen unsere Verbündeten bis zu 16 Stunden pro Tag und 6 Tage pro Woche, wobei die 444. Staffel täglich eine Such- und Rettungsbesatzung (SAR) für den Tag und für die Nacht in Bereitschaft hielt. Falls der örtliche Flugbetrieb mit Strahlflugzeugen früh genug vor dem Ende der Nachtbereitschaftsschicht abgeschlossen war, führte die SAR-Bereitschaftsbesatzung Versorgungseinsätze durch, um Personen oder Versorgungsgüter zwischen Goose Bay und dem Übungszielgebiet (PTA) zu transportieren. In der Nacht unseres Einsatzes regnete es stetig, obwohl die Hauptwolkenuntergrenze und die Sichtweite in Goose Bay laut Wettervorhersage nicht unter 3.000 Fuß bzw. 3 englischen Meilen liegen sollten - also eine gute Nacht für das Fliegen nach Sichtflugregeln (Visual Flight Rules - VFR). Der Einsatz war sicher nicht von lebenswichtiger Bedeutung (es ging lediglich um die Anschlussversorgung mit Nahrungsmitteln und Wasser), aber das Wetter schien gut genug zu sein, und warum sollte man frühzeitig nach Hause gehen, wenn doch die Möglichkeit zum Fliegen bestand? Während der Vorflugbesprechung redeten wir über das Wetter und die Tatsache, dass die Nullgradgrenze hoch genug lag, um gemäß Instrumentenflugregeln (Instrument Flight Rules - IFR) zurückzufliegen, falls wir auf dem Weg zum Übungszielgebiet schlechtere Wetterbedingungen als vorhergesagt antreffen sollten. In dem betreffenden Gebiet waren keine Konvektionswolken vorhergesagt. Es war jedoch trotz Nachtsehbrille (Night Visi- on Goggles - NVGs) eine sehr dunkle Nacht, mit stetigem Regen auf dem gesamten Wetterradar für Goose Bay. Der Höhenunterschied zwischen dem auf Meereshöhe gelegenen Goose Bay und dem höchsten Punkt der Flugstrecke zum Übungszielgebiet beträgt ca. 2.000 Fuß, was bedeutet, dass man eigentlich nicht viel falsch machen kann, selbst bei einer vorhergesagten Hauptwolkenuntergrenze von 3.000 Fuß für Goose Bay. Anmerkung: Es gibt keinen Wetterbericht für das Übungszielgebiet (PTA). Der Abflug verlief reibungslos, wobei wir unsere Instrumentenflugüberprüfungen abschlossen, die beim Nachtflug obligatorisch sind. Durch die Nachtsehbrille konnte man mit Mühe eine „körnige“ Landschaft unter uns erkennen. Das globale Positionsbestimmungssystem (GPS) wies einen hohen Gütefaktor auf und die Besatzung war die gleiche Strecke bereits oft genug geflogen, um die markanten Geländepunkte auf dem Weg aus Goose Bay zu finden (und vielleicht ein wenig zu selbstzufrieden). In Labrador gibt es keine Umgebungshelligkeit, und das Fliegen mit Nachtsehbrille bei schlechtem Wetter ist trügerisch, da man bei nicht zu starkem Regen durchaus noch etwas erkennen kann. Wir verwendeten auch kein weißes Licht, um die Höhe der Wolkenunterdecke ausfindig zu machen. Als wir auf das Übungszielgebiet (PTA) zuflogen, befanden wir uns ca. 500 - 700 Fuß über Grund, und während wir die Flugstrecke anhand der Karte abflogen, verringerte sich unsere Sichtweite beim Anflug auf Minipi Lake, 12 NM vom Übungszielgebiet entfernt, allmählich auf ca. drei NM. In diesem Augenblick rief der Kopilot „Sichtverschlechterung“ und dann „Keine Bezugspunkte mehr erkennbar“. Ich war der Steuerführende und starrte jetzt durch meine Nachtsehbrille auf einen grünen Schleier, wobei mir langsam klar wurde, dass ich gerade in eine Wolke geflogen war. Ich begann, 6 days per week, for which 444 Squadron had a day and night Search and Rescue (SAR) crew on standby each day. If local jet flying was completed in sufficient time before the end of the night standby shift, the SAR standby crew at 444 Squadron would carry out utility missions to transport people or supplies between Goose Bay and the PTA. The night of our mission, it was raining steadily although the ceiling and visibility in Goose was not forecast to be below 3.000 feet and 3 statute miles (SM) - a good night for visual flight rules (VFR) flying. The mission was certainly not essential (just resupply of food and water) but the weather seemed good enough and why go home early when we could fly! In the pre-flight brief we talked about the weather and the fact that the freezing level was sufficient for a return under instrument flight rules (lFR) if we ran into any lower than forecast weather on the way to the PTA. There were no convective clouds forecast to be present in the area. It was, however, a very dark night on night vision goggles (NVGs) with steady rain on the entire weather radar for Goose Bay. The elevation change from Goose Bay, at sea level, to the high point on the route is about 2.000 feet, so not a lot of fudge- factor even with a 3.000 foot ceiling forecast for Goose Bay. Note: there is no weather reporting for the PTA. Departure went smoothly with completion of our instrument checks, which are mandatory for night flying. The NVG‘s were working very hard painting a grainy landscape below. The global positioning system (GPS) was showing a good figure of merit and the crew had flown the same route enough times to find our landmarks on the way out of Goose Bay (and be perhaps a bit complacent). There is no ambient lighting in Labrador and NVG flying is deceiving in poor weather since it lets you see through some moisture. We were not using any white 29 Flugsicherheit zum Instrumentenflug überzugehen, aber ein paar Sekunden später flogen wir wieder aus der Wolke heraus. Ich versuchte daraufhin, die Sichtbezugspunkte wieder zu erfassen und nach rechts auf einen See zuzufliegen, der sich von uns aus gesehen in 3-Uhr-Position befand. Die Bezugspunkte waren jedoch nach wie vor nicht sehr gut erkennbar. Als der Bordtechnische Offizier (Flight Engineer - FE) „Querneigungswinkel“ rief, wandte ich mich schließlich wieder den Instrumenten zu und brachte den Hubschrauber in eine horizontale Fluglage. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir eine 270-GradKurve nach rechts geflogen, aber ich erkannte dies erst, als wir darüber diskutierten, zum Fliegerhorst zurückzufliegen, von uns aus gesehen lag dieser in 9-Uhr-Position! Nachdem sich der Hubschrauber in horizontaler Fluglage und im Steigflug befand, übergab ich die Steuerführung an den Kopiloten, um mich auf den Anflug vorzubereiten und eine IFR-Freigabe zu erbitten. Ich war noch nicht sehr lange Kommandant auf diesem Luftfahrzeugmuster, und die ganze Zeit während dieser Ereignisse versuchte ich, mir darüber klar zu werden, wie ich der Flugsicherungskontrolle (Air Traffic Control - ATC) erklären sollte, warum ich eine IFRFreigabe benötigte, obwohl ich keinen IFR-Flugplan aufgegeben hatte. Nachdem ich Schwierigkeiten hatte, mit der FS-Bereichskontrolle in Goose Bay Verbindung aufzunehmen, erklärte der Ansprechpartner im Kontrollturm von Goose Bay, dass der Platz inzwischen geschlossen sei (es war bereits nach 23:00 Uhr Ortszeit) und dass ich bezüglich der Freigabe mit der FS-Kontrollzentrale in Gander Verbindung aufnehmen solle. Nachdem wir eine Freigabe für Goose Bay erhalten hatten, verlief der restliche Flug ohne weitere Zwischenfälle. Wir führten mit dem Instrumentenlandesystem (Instrument Landing System - ILS) einen Anflug auf Goose Bay durch und stießen 30 weit genug vor dem Flugplatz durch die Wolkendecke, obwohl es in 1.500 Fuß Höhe noch einzelne Wolken gab. Bei der Vorflugbesprechung war über die Möglichkeit eines IFR-Rückflugs gesprochen worden, falls das Wetter dies erfordern sollte, dennoch war ich nicht wirklich dazu bereit, diesen Alternativplan anzuwenden. Ich war physisch nicht darauf vorbereitet, da ich meine Anflugkarten während unserer Startvorbereitungen nicht in die dafür vorgesehene Halterung gesteckt hatte, und nach ihnen suchen musste, während ich mich um eine Freigabe bemühte. Von noch größerer Bedeutung war aber die Tatsache, dass ich mental nicht darauf vorbereitet war, diesen Alternativplan anzuwenden. Ich hatte nicht über den Übergang zum Instrumentenflug im Falle von Instrumentenflugwetterbedingungen (IMC) nachgedacht und beging den potenziell tödlichen Fehler, verzweifelt nach Bezugspunkten am Boden zu suchen. Außerdem machte ich mir zu einem Zeitpunkt Gedanken darüber, welche Auswirkungen es haben könnte, nicht auf einem IFR-Flugplan zu stehen bzw. gegen die IFR-Regeln zu verstoßen, als ich eigentlich ausschließlich damit hätte beschäftigt sein müssen, den Hubschrauber zu fliegen. Im Rahmen der Vorflugbesprechung hätten wir über die IFR-Regeln sprechen müssen sowie darüber, wann wir eine Freigabe benötigen und woher wir diese dann bekommen würden. Es gab viele Dinge, die in Betracht gezogen werden mussten. In dieser Nacht habe ich eine Menge über das Fliegen gelernt, nicht zuletzt eine bessere Technik der Benutzung der Nachtsehbrille bei schlechtem Wetter. Doch die Quintessenz dieses Falles besteht darin, dass Sie sich unabhängig davon, wie Ihre Flugtätigkeit aussieht, immer einen Alternativplan (oder zwei oder drei) zurechtlegen müssen und auch immer voll darauf vorbereitet sein müssen, diesen anzuwenden. Dieser Alternativplan könnte light to see where the cloud base was either. As we flew toward the PTA we were at about 500-700 feet above ground level (AGL) and by following along on the map our visibility gradually decreased throughout the flight to about 3 nautical miles (NM) as we approached Minipi Lake, 12 NM from the PTA. At that point, the copilot called „decreasing visibility“ and then „lost references“. I was in control and now staring into a green haze on my NVG realizing slowly that I had just flown into a cloud. I started to transition to the instruments, but a few seconds later we popped out of the cloud. I then tried to regain visual references and turn right toward a lake at our 3 o‘clock. References were still not very good, however. When the flight engineer (FE) called „bank angle“ I finally returned to the dials and rolled wings level. At that point we had completed a 270-degree right hand turn, but I didn‘t realize that until we discussed turning back to base, toward our 9 o‘clock! Once wings level and climbing, I transferred control to the left seat in order to get setup for an approach and obtain an IFR clearance. I was a relatively new utility aircraft commander (AC), and the whole time this was happening I was trying to figure out how to explain to air traffic control (ATC) why I needed an IFR clearance without filing an IFR flight plan. After having trouble contacting Goose Terminal, Goose Tower pointed out that they were closed (it was after 2300 local) and that I should contact Gander Center for a clearance. After we got a clearance to Goose Bay the rest of the flight was uneventful. We flew an instrument landing system (ILS ) approach into Goose Bay and broke out well back from the airfield, although there was scattered cloud at the 1.500 foot level. Despite having briefed the IFR return if weather dictated, I was not Bild von Michael Besenthal einfach darin bestehen, mit einem Hubschrauber auf einem Feld zu landen, er könnte aber auch in einem Aktivieren des Schleudersitzes aus einem Strahlflugzeug nach dem Start bestehen. Machen Sie nicht den gleichen Fehler, den ich begangen habe, indem Sie glauben, einen Alternativplan zu haben, aber nicht darauf vorbereitet sind, diesen auch anzuwenden. ready to use that „out‘: I was not prepared physically, as I had not put up my approach plates on the holder during our startup, and had to scramble for them while getting a clearance. More importantly, I was not prepared mentally to use that „out“‘. I had not thought about the transition to instruments in the event of IMC and made the potentially fatal error of chasing ground references. And I was worried about the implications of not being on an IFR flight plan or breaking IFR rules when I should have been worried only about flying the helicopter. As part of the briefing, we should have talked about IFR rules and when we need a clearance and from whom we would get it. There were many things to consider. I learned a lot about flying from that night, not the least of which was better NVG technique in poor weather. But the bottom line here is that no matter what type of flying you are involved in, you must always give yourself an „out“ (or two or three) AND be fully prepared to use that „out‘: This could be as simple as landing in a field with a helicopter or as serious as ejection after take-off in a jet. Don‘t make the same mistake I did by thinking you have a plan, but not being ready to use it. 31 Flugsicherheit Wir begrüßen ... Oberstleutnant Wolfgang Wiedemann ist mit dem Jahreswechsel zu uns versetzt worden. Nach seiner Grundausbildung in Roth absolvierte er den Offizierlehrgang 1982/83 und begann seine fliegerische Ausbildung in Sheppard AFB. Der Graduation im Februar 1985 folgte die Europäisierung in Fürstenfeldbruck auf dem Alpha-Jet, die Umschulung auf Tornado in Cottesmore und die Versetzung zum JaboG 33 in Büchel. Er erwarb die Fluglehrberechtigung, war Einsatzstabsoffizier, Standardisierungsstabsoffizier und Flugsicherheitsstabsoffizier. Im Oktober 2003 wurde er Dezernatsleiter A3c Übungen beim Kdo 2.LwDiv, die anschließende Verwendung als Dezernent Übungen Seekriegsführung aus der Luft führte ihn zum LwFüKdo A7c. Nun hat er in der Abteilung FlSichhBw des Luftwaffenamtes im Dezernat b die Nachfolge von Oberstleutnant Peter Jantos angetreten. Wir wünschen ihm einen guten Start und freuen uns auf die Zusammenarbeit. Hauptmann Stephan Breitengraser ist seit dem 01.04.1980 bei der Bundeswehr. Nach seiner Grundausbildung begann seine Laufbahn in Mendig als Hubschraubermechaniker CH-53. Nachdem er den Flugbetrieb bei den Heeresfliegern für zwei Jahre erlebte, bewarb er sich für die fliegerische Ausbildung und startete im Mai 1982 mit dieser bei der HFlgWaS in Bückeburg. Im April 1984 wurde er zur HFlgStff 5 nach Mendig versetzt. 1994 wurde er zur Flugbetriebsstaffel und 1997 zum Stab HFlgRgt 35 (als S3 Offz) versetzt. Die Umschulung auf CH-53 fand 1999 statt, gefolgt von der Versetzung zur 1./FlgAbt 351. Mit Flugsicherheit hatte er in seiner gesamten militärischen Laufbahn engen Kontakt, mit seiner Versetzung 2003 zum BWB L 1.3 war er für Aspekte der Flugsicherheit beim BWB verantwortlich. Nachdem Hauptmann Holzapfel die Bundeswehr verlassen hat, ist Hauptmann Breitengraser als sein Nachfolger seit dem 01.01.2007 im Dezernat c zuständig für die Hubschraubertypen BO 105, EC 135 und UH TIGER. Für diese vielseitige Aufgabe wünschen wir einen guten Einstieg und viel Erfolg. Ebenfalls zum Jahreswechsel fand eine Regeneration im Dezernat d statt. Stabsfeldwebel Stefan Janusch, seit 1985 bei der Bundeswehr, ist nun zuständig für die Triebwerke der Luftfahrzeuge in der Bundeswehr. Nach seiner Grundausbildung in Budel war er beim JaboG 38 in Jever und seit 1987 beim JaboG 31 „B“ in Nörvenich. Er erwarb seine ATN-7 Triebwerk in Kaufbeuren und seine ATN-6 Triebwerk in Fassberg. Bis zum 01.04.1996 war er im fliegenden Verband aktiv, dann wurde er zum MatAmtLw (heute WaSysKdo Lw) versetzt. Er übernimmt den Dienstposten von Oberstabsfeld Erwin Göbel und freut sich auf die neue Verwendung, alles Gute und ebenfalls einen guten Start. Wir verabschieden ... Oberstleutnant Peter Jantos hat sich mit dem auslaufenden Jahr 2006 von der Bundeswehr verabschiedet und kann sich nun intensiv seinen Hobbys widmen. Im Oktober 1969 lernte er die Bundeswehr kennen und durchlief die klassische Laufbahn eines Luftfahrzeugführers auf Strahlflugzeugen. Er erflog sich einen Erfahrungsschatz von 3.500 Flugstunden auf den Luftfahrzeugmustern F-104, F-111 und PA 200. Stationiert war er in Lechfeld, Jever und zweimal in den USA, Kirkland und Cannon Air Force Base. Nach Abschluß seiner Verwendung als Austauschoffizier beim Flight Safety Center Kirkland kehrte er im August 2002 zur Dienststelle GenFlSichhBw zurück, wo er vor seinem zweiten Aufenthalt in Amerika tätig war. Bei vielen Flugunfällen und Zwischenfällen führte er das Untersuchungsteam an und erstellte in seiner typisch ruhigen und souveränen Art die Abschlußberichte bzw. Abschließenden Stellungnahmen. Für den nun folgenden Lebensabschnitt wünschen wir alles Gute bei langer Gesundheit. Hauptmann Georg Holzapfel hat ebenfalls zum Jahreswechsel die Bundeswehr verlassen. Mit ihm geht ein erfahrener Hubschrauberpilot (fast 8.000 Flugstunden, davon 5.100 auf Hubschraubern der Bundeswehr), der mit seiner direkten Art und seinem hohen Engagement Probleme der Flugsicherheit aufdeckte und anfasste. Seit 1976 trug er Uniform. Seine Ausbildung und sein beruflicher Werdegang führten ihn über die Standorte Bückeburg, Straubing, Roth und Regensburg nach Köln. Neben seiner fliegerischen Verwendung war er beim Heeresamt III 4 (Nachrichtengewinnung und Aufklärung) und auch bei der DSO (Division Spezielle Operationen/Gruppe Grundlagen) eingesetzt, davor mit mehreren Kontingenten im Einsatz. In seiner letzten Verwendung bei GenFlSichhBw war er der zuständige Sachbearbeiter der Waffensysteme BO 105, AL II, EC 135 und UH TIGER. Für die nun folgenden Aktivitäten wünschen wir alles Gute, viel Glück und Gesundheit für die Zukunft. Oberstabsfeldwebel Erwin Göbel hat seine Bundeswehrzeit nach 33 Jahren beendet. In Hamburg aufgewachsen absolvierte er die Ausbildung bei der DLH Hamburg zum Flugtriebwerkmechaniker. Dort arbeitet er für zwei Jahre, bevor er zur Bundeswehr ging. Über Budel (Grundausbildung) reiste er zum AG 52 nach Leck, wo er zehn Jahre tätig war. Er wurde zum 1. Düsentriebwerkmechaniker F-4F ausgebildet, der 1. Kolbentriebwerkmechaniker Do 28 wurde ihm aufgrund seiner zivilen Vorausbildung anerkannt. Anschließend besuchte er die TSLw in Kaufbeuren um Triebwerkmechanikermeister zu werden. 1983 übernahm er die Teileinheit Triebwerk der Flugbereitschaft BMVg, wo er bis 1996 wirkte. Seine letzte Versetzung führte ihn zur Abteilung FlSichhBw beim LwA. Für den nun kommenden Lebensabschnitt wünschen wir alles Gute bei Gesundheit und Zufriedenheit. 32 Flugsicherheit Heft 1 - Februar 2007 - 44. Jahrgang Flugsicherheit Flugunfall-/ Zwischenfallbilanz 2006 Fachliche Mitteilung für fliegende Verbände Titelfoto: © 2005 Bundeswehr/PIZ Marine Bildbearbeitung: www.schaltwerk.net 17.10.06 XX „Flugsicherheit“, Fachliche Mitteilung für fliegende Verbände der Bundeswehr Herausgeber: General Flugsicherheit in der Bundeswehr in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium der Verteidigung - Fü S I 1. Editorial 1 Lebensdaueruntersuchungen 2 Nicotine might kill you ... Lack of oxygen will! 12 Redaktion: Hauptmann Klemens Löb, Tel.: 02203- 9083124 Luftnotfall German Air Force 241 17 Trau‘ keinem von GenFlusi!? 21 Luftwaffenkaserne 501/07 Postfach 906110 51127 Köln Nicht jedes Mittel heiligt den Erfolg! 24 Was gestern noch passte ... 26 Always prepared 28 Personalien 32 redaktionflugsicherheit@bundeswehr.org klemensloeb@bundeswehr.org Gestaltung: Hauptmann Klemens Löb GenFlSichhBw Erscheinen: dreimonatlich Manuskripteinsendungen sind direkt an die Schriftleitung zu richten. Vom Verfasser gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Schriftleitung oder des Herausgebers dar. Es werden nur Beiträge abgedruckt, deren Verfasser mit einer weiteren Veröffentlichung einverstanden sind. Weiterveröffentlichungen in Flugsicherheitspublikationen (mit Autoren- und Quellenangaben) sind daher möglich und erwünscht. Druck: SZ Offsetdruck-Verlag Herbert W. Schallowetz GmbH 53757 Sankt Augustin Flugunfall- / Zwischenfallübersicht 2006 33 PA 200 01.03.06 //// BO 105 19.10.06 PA 200 bemannte Luftfahrzeuge: 1 Unfall Abnormales Aufsetzen (vor der Piste) Zwischenfälle gem. ZDv 19/6 Harte Landung Bei der Durchführung eines simulierten Angriffs wurde der linke Unterflügeltank abgesprengt unbemannte Luftfahrzeuge: 4 Unfälle Zwischenfälle gem. ZDv 19/6 07.09.06 XX KZO 12.09.06 XX Luna 23.09.06 XX Barracuda 20.11.06 XX Luna 16.05.06 //// 18.05.06 //// 08.07.06 //// Luna Luna Luna Nach dem Verlassen des Startgerätes ist das ULfz 200 m vor dem Startfahrzeug auf dem Boden aufgeschlagen Fallschirm wurde bei der Landung nicht ordnungsgemäß entfaltet. Kurz vor der Landung stürtzte ULfz ins Meer Nach dem Verlassen des Startkatapultes kurzzeitiger Höhengewinn, dann nach rechts abgekippt und 60 Meter vor dem Katapult auf den Boden geschlagen Unmittelbar nach Verlassen des Katapults verlor das ULfz an Höhe, setzte auf und blieb an einem Erdhügel liegen Nach dem Start drehte sich das ULfz in den Wind, wurde nach 500-600 Meter gegen einen Berg getrieben und stürzte ab Landeauslösung des ULfz in einer zu geringen Höhe Legende xx //// Lfz zerstört Lfz beschädigt Stand: 19.01.2007 Flugsicherheit Ausgabe 01 / 2007 Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände Bundeswehr