Fleischbranche unterDruck

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BÖRSE: TOPS UND FLOPS SEITE 23
DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
AUSGABE 06/12
Fleischbranche unter Druck
Der Industriezweig steht im Kreuzfeuer der Kritik –
Massentierhaltung
ist zum Kampfbegriff
geworden.
Zaghaft versucht es
die Fleischbranche nun
mit Transparenz.
VON DIRK FISSER
OSNABRÜCK. Fleischtopf. Zuge-
geben: Es gibt schönere Bezeichnungen für einen Wirtschaftsraum. Ruhrgebiet zum Beispiel.
Aber im Prinzip beschreibt
der Begriff den Nordwesten
Deutschlands ganz gut. Nirgendwo sonst wird so viel
Fleisch produziert und verarbeitet wie hier. Nirgendwo aber
treten auch die Probleme der
Branche so massiv auf wie in
dieser von der Veredlungswirtschaft geprägten Region.
Hermann-Josef Bolte ist Landwirt in achter, vielleicht neunter Generation. So genau weiß
er das nicht. Auf seinem Hof
in Melle züchtet er Schweine.
1100 Tiere passen in seinen
Stall. Er ist nach Zahlen der
Tierseuchenkasse einer von 73 600
Bauern, die Schweine, Rinder oder
Geflügel in Niedersachsen halten,
etwa 0,9 Prozent der Gesamtbevölkerung. Noch nie sah sich diese
Gruppe einem solchen öffentlichen
Druck ausgesetzt wie jetzt. Als Bolte
den Hof übernahm, herrschte noch
die politische und gesellschaftliche
Maßgabe, die Landwirtschaft müsse die wachsende Bevölkerung im
Nachkriegsdeutschland ernähren.
Möglichst viel, möglichst günstig.
Diese Kriterien haben einerseits immer noch Gültigkeit – erinnert sei
nur an den massiven Preiskampf im
Einzelhandel. Andererseits ist der
Blick der Öffentlichkeit auf die
Fleisch-Branche kritischer geworden. Massentierhaltung wurde zum
Kampfbegriff, der über den Feldzug
der Tier- und Umweltschützer hinaus polarisiert. Landwirtschaftslobbyisten zucken mit den Achseln.
„Da können wir nicht dagegenhalten“, sagt Heike Hartsick vom Verband der Fleischindustrie (VDF).
Resignation statt Gegenwehr? Es
geht auch anders.
Der Verband der Niedersächsischen Geflügelwirtschaft macht es
vor. Im Sommer schmiedete man
den Plan, den Menschen zu zeigen,
wo ihr Brathähnchen herkommt.
Fortan öffneten Ställe in Niedersachsen abwechselnd die Tore für
interessierte Besucher. Der Unkenntnis vieler Kritiker, so der Verbandsvorsitzende Wilhelm Hoffrogge, sollte mit Aufklärung und
Der Blick der
Öffentlichkeit
wird
kritischer.
E D I TO R I A L
FLEISCHINDUSTRIE
Der liebe Braten
Nordwesten besonders betroffen
73 600 Bauern im
Land halten Schweine,
Rinder oder Geflügel.
Transparenz begegnet werden.
„Denn die Vorbehalte sind unberechtigt.“ Die Kritiker aber monierten, nur moderne Anlagen seien zu
sehen. Die Wirklichkeit der meisten
Masthähnchen in ZehntausenderStallanlagen sei trostlos. Aber immerhin: Ein Anfang war gemacht.
Die Transparenzoffensive ist aber
noch nicht überall angekommen.
Wer etwa bei dem Unternehmen
Rothkötter um einen Gesprächstermin bittet, stößt auf taube Ohren.
Dabei ist der Betrieb aus dem emsländischen Haren der größte Geflügelfleischproduzent der Republik.
Sein Schlachthofneubau in Wietze
bei Celle sprengt alle bisher gekannten Dimensionen. Doch Öffentlichkeitsarbeit steht hintan.
Fehlanzeige auch beim Konkurrenten Wiesenhof, der in der Regel eigentlich auskunftsfreudiger ist: in
absehbarer Zeit kein Gesprächstermin zum Thema Imageprobleme
der Geflügelbranche.
Was Rothkötter bei Geflügel ist,
ist Tönnies bei Schweinen – die
Nummer eins in Deutschland. In
der Konzernzentrale in Rheda-Wiedenbrück reagiert man auf negative
Schlagzeilen durchaus. Etwa über
jene über fragwürdige Unterbringungen von Schlachthofmitarbeitern im emsländischen Sögel, einem
Produktionsstandort des Tochterschlachthofs Weidemark. Tönnies
ist bemüht um einen guten Ruf und
schickt beispielsweise Josef Springensguth vor. Er macht Öffentlichkeitsarbeit für den Fleischkonzern.
Kein einfacher Job. Wer im Internetlexikon Wikipedia „Tönnies“
nachschlägt, findet unter dem
Punkt „Kritik“ fast mehr Lesestoff
als zur Unternehmensgeschichte.
EINZELPREIS 1,90 €
VON BERTHOLD HAMELMANN
Der Umweltverband BUND kreidet
dem Unternehmen an, von üppigen
Subventionen zu profitieren. 2009
etwa habe Tönnies mit 3,3 Millionen Euro so viel kassiert wie keine
andere Firma der Branche.
Fast mantraartig hält Springensguth dagegen: „Wir zahlen gute
Löhne, wir kümmern uns um unsere Mitarbeiter.“ Angesichts des
enormen Preiskampfes in der
Fleischbranche gehört aber auch
zur Wahrheit, dass Tönnies wie seine Mitbewerber Danish Crown oder
Vion in den Landkreisen Vechta
und Cloppenburg die komplette Schlachtung an Subunternehmen ausgegliedert hat. Die Gewerkschaft
Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG)
läuft dagegen seit Jahren Sturm. Viele Probleme in einer Branche,
die zudem nicht immer
mit
einer
Stimme
spricht. Was wohl auch
an den unterschiedlichen Voraussetzungen
der einzelnen Sparten
und Unternehmen liegt.
Zurück zum Verband der
Geflügelwirtschaft: Dessen Chef Wilhelm Hoffrogge hält den Kritikern
der Massentierhaltung entgegen: „Der Pro-Kopf-Verbrauch von Hähnchenfleisch
in diesem Jahr steigt.“ Trotz
Kritik. Der Ställe-Boom – allein
elf Millionen beantragte Plätze für
Hähnchen im Landkreis Emsland
– habe eine realwirtschaftliche
Grundlage.
Schweinehalter und Weiterverarbeiter haben da andere Probleme.
„Die alte Aussage ,Gegessen wird
immer‘ gilt nicht mehr“, sagt VDFSprecherin Hartsick. „Der Binnenmarkt ist gesättigt. Unsere einzige
Wachstumschance liegt im Export.“
Stillstand scheint in der Fleischwirtschaft keine Option. Und Rückschritt erst recht nicht: „Es gibt
kein Zurück zur Landwirtschaft wie
vor 20 Jahren. Das ist nostalgischer
Blödsinn“, sagt Hoffrogge.
Fortsetzung Seite 2
Die lukrativste Ernte
kommt von
meinen Dächern!
„Lebensmittel sind alle Stoffe oder
Erzeugnisse, die dazu bestimmt
sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet
werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem
oder unverarbeitetem Zustand von
Menschen aufgenommen werden.“
Diese lebensmittelrechtliche
EU-Definition muss man sich auf
der Zunge zergehen lassen. Immerhin geht es um Nahrungsmittel. Von gesunden Lebensmitteln
steht in der Verordnung 178/2002
nichts. Lebensmittel sind längst
ein Riesengeschäft. Allein die niedersächsische Fleischwirtschaft erwirtschaftet 8,7 Milliarden Euro
Umsatz. Doch die Zahl darf nicht
über die Probleme hinwegtäuschen. Es gärt. In deutschen Landen wird längst weit mehr Fleisch
produziert als verzehrt. Die preiswerte Überproduktion landet vermehrt in außereuropäischen Staaten und torpediert dort den Aufbau eigener Versorgungsstrukturen. Die Zeche zahlen auch in unseren Regionen die Bürger. Neuund Ausbau von Tierställen sind
oft höchst umstritten. Ländliche
Gebiete, die für einen sanften Tourismus geradezu prädestiniert
sind, klagen über massiven Verlust
an Lebensqualität. „Gülle“ und
„Vermaisung“ reichen als Stichworte. Die verfehlte EU-Subventionspolitik führt zudem dazu, dass
die Kluft zwischen Erzeugern und
Kunden immer breiter wird. Es
profitieren besonders die Großen.
Und die absurde „Geiz ist geil“Mentalität sorgt dafür, dass
Schweine, Rinder und Geflügel
weiter mit Turbogeschwindigkeit
gemästet werden und als BilligBraten auf dem Tisch landen. Nur
der Preis zählt – leider. Denn billig
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DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
MACHER &
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Fortsetzung von Seite 1
h
Was war zuerst? Das Schnäppchen
oder der Geiz? In der niedersächsischen Fleischindustrie wird diese Frage wohl niemand genau beantworten können. Fest steht: In
der Branche tobt ein Preiskampf,
unter dem viele leiden.
Hauptsache billig – diese Devise
gilt nicht nur in der Tiefkühltruhe
des Supermarkts. Vom Maststall
über den Schlachthof bis hin zur
Weiterverarbeitung
muss
die
Branche preisoptimiert denken.
Kostenfaktoren gilt es, auf ein Minimum zu reduzieren. Unter Fachleuten herrscht Uneinigkeit darüber, was diesen Trend ausgelöst
hat. Viele sagen, es sei der Einstieg
der Discounter in den Fleischverkauf gewesen. Andere sehen die
Schuld bei den vielen Konsumenten, die in erster Linie auf den
Preis achten.
Als die Discounter in das Geschäft mit Hähnchenflügeln und
Schweineschnitzeln einstiegen, begann in der Landwirtschaft ein
Bauboom, dessen Auswirkungen
bis heute zu spüren sind. Ein Megaschlachthof wie der in Wietze
(Landkreis Celle) der emsländischen Rothkötter-Gruppe wäre ohne Großabnehmer kaum denkbar.
Mit der Geflügelware aus den
Tiefkühlregalen verdoppelte sich
der Geflügelfleischkonsum in
Deutschland innerhalb von 20
Jahren. Laut Bundesamt für Statistik verzehrten die Bundesbürger
2010 im Schnitt 19,3 Kilogramm.
Wie entstehen die niedrigen
Preise? In erster Linie durch Masse. Beispiel Hähnchen: Über 30
Millionen Mastplätze gibt es allein
im Landkreis Emsland – eine Vervielfachung binnen weniger Jahre.
Die durchschnittliche Mastzeit,
bevor es zum Schlachthof geht, ist
kurz. Etwa siebenmal im Jahr werden die Ställe neu besetzt. Auch
bei den Mastschweinen drücken
die Produzenten aufs Tempo. Es
gibt Tiere, die pro Tag ein Kilogramm an Gewicht zunehmen.
Für Gegner der Massentierhaltung bieten solche Umstände ideale Angriffsflächen. Dicht gedrängt
stehen die Masthähnchen im Stall
– oft zu schwer, um ihre eigenes
Gewicht zu tragen. Auch die Mast
von Schweinen wirkt auf viele abschreckend, wenn etwa für Medikamente gegen Kannibalismus geworben wird, damit die Tiere sich
im engen Stall nicht gegenseitig
anknabbern.
Aus Sicht der Tierschützer sind
die Hühner, Schweine und Rinder
die Verlierer. In den Augen der
Gewerkschaften sind es hingegen
die Arbeitnehmer. Zum Töten und
Zerlegen der Schweine ist in kaum
einem Schlachthof der Region
noch ein deutscher Schlachter angestellt. Die Fleischkonzerne heuern Subunternehmer an, die ihre
Angestellten – überwiegend aus
Ost- und Südosteuropa – in die
Betriebe schicken. Werkvertrag
nennt sich das.
Eines der jüngsten Beispiele ist
der Vion-Schlachthof bei Emstek.
Vergeblich machte sich der Betriebsrat hier für die Stammbelegschaft stark. Auch sie wird ausgetauscht. Laut Gewerkschaft NGG
könnten durch die Auslagerung an
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Machen Front: Gegner eines Geflügelschlachthof-Neubaus in Wietze demonstrieren vor dem Niedersächsischen Landtag in Hannover.
Subunternehmer die Kosten für
die Schlachtung eines Schweins
von derzeit zwei bis 2,50 Euro auf
etwas mehr als einen Euro gesenkt
werden. Vion selbst will das nicht
bestätigen, sondern verweist darauf, dass Werkverträge bei der
Konkurrenz längst Praxis sind.
Ein weiteres Problem, dass zuletzt in den Fokus gerückt ist:
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Nicht alle Subunternehmer sorgen
für eine ordnungsgemäße Unterbringung ihrer Angestellten. Das
Thema erreicht die Politik. Erste
Stimmen fordern – wenn auch
kaum durchsetzbar – den Mindestlohn für Werkvertragsschlachter. Käme es dazu, wäre diese Methode der Kostensenkung aller Voraussicht nach am Ende.
Während in den vergangenen
Jahren immer mehr Schlachter
aus Schlachthöfen ihre Arbeit aufgeben mussten, können auch die
Landschlachter mit ihren Ladenlokalen um die Ecke im Preisduell
mit Supermärkten und Discountern nicht mehr bestehen. Nach
Angaben des Deutschen Fleischerverbandes sank die Zahl der
Selbstständigen in Niedersachsen
von 1580 auf 1230 – innerhalb der
vergangenen zehn Jahre, also dem
Zeitraum, in dem die Mastställe
im Nordwesten aus dem Boden
schossen.
Aber auch für die Landwirte
zahlt es sich immer weniger aus,
auf das Pferd Massentierhaltung
gesetzt zu haben. Zum einen, weil
Proteste sich mehr und mehr auch
gegen sie richten. Zum anderen,
weil trotz Masse die Produktionskosten steigen.
„Wir müssen ganz schön kämpfen“, beschreibt Hermann-Josef
Bolte das Befinden der Schweinezüchter in der Region. Die finanziellen Probleme rührten in vielen Fällen von den hohen Futterpreisen her. Das bestätigt Wilhelm Hoffrogge vom Verband der
Geflügelwirtschaft. Allein 2012
seien die Kosten für Tiernahrung
um 30 Prozent gestiegen. Ein heftiger Schlag ins Kontor, denn
„Futtermittel machen 60 bis 65
Prozent der Erzeugungskosten
aus“. Und diese Mehraufwendungen ließen sich kaum an den
preisbewussten Einzelhandel weitergeben.
Der reagiere ohnehin nur auf
den Wunsch des Verbrauchers,
Foto: dpa
findet Bolte, der Vorsitzender
beim Kreisverband Melle des
Landvolks ist. Und der lautet seiner Ansicht nach: möglichst günstiges Fleisch. Diese Maßgabe werde verdreht und den Landwirten
von ihren Kritikern zum Vorwurf
gemacht. „Wenn wir von Wirtschaftlichkeit sprechen, dann bedeutet das, dass wir mit unserem
Betrieb eine Familie ernähren
müssen.“
Allerdings ist er auch dafür, die
Kritik ernst zu nehmen. „Damit
müssen wir uns beschäftigen. Das
Problem: Tierschützer sehen das
Thema emotional, wir Landwirte
aber wirtschaftlich.“ Diese Standpunkte würden kollidieren, „das
müssen wir versachlichen“.
Nach fünf
Stallbränden
ermittelt
die Polizei.
Der Verdacht:
Brandstiftung.
Was sonst passieren könnte,
wird in der Geflügelbranche deutlich: Bei fünf abgebrannten Mastställen ermittelt die Polizei nach
Angaben des Innenministeriums
derzeit wegen des Verdachts der
Brandstiftung. Zuletzt gingen drei
leere Ställe in Klein Fullen in
Flammen auf, Sachschaden: über
eine Million Euro. Im Internet findet sich eine Selbstbezichtigung
aus dem Kreis der militanten Tierschützer.
Trotz aller Probleme der Schweine- und Geflügelzüchter kann sich
Hartmut Zingel entspannt zurücklehnen. Er ist Geschäftsführer
beim
Züchterverbund WeserEms-Union, einem Zusammenschluss von Landwirten, die aufs
Rindvieh gesetzt haben. Ja, auch
hier seien die Rohstoffkosten gestiegen, berichtet Zingel. Aber zugleich erhielten die Bauern derzeit
einen verhältnismäßig guten Preis
für ihre Milch. Und außerdem
boome der Rinderexport: Die
Schwarz-Bunten, das Aushängeschild der Weser-Ems-Union, sei
ein Verkaufsschlager im Ausland.
Protest? Der komme bei den
Rinderzüchtern nicht so massiv an
wie etwa bei Hähnchenmästern:
„Das hat für mich psychologische
Gründe. Bei uns kann die Bevölkerung sehen, wie es den Tieren
geht.“ Er verweist auf die Tradition der offenen Höfe, bei denen Besucher einmal im Jahr auf Tuchfühlung mit den Rindern gehen
können.
Und noch einen Punkt führt Zingel an: „Damit unsere Kühe ein
Maximum an Milch geben, muss es
ihnen richtig gut gehen.“ Der Unions-Geschäftsführer verweist beispielsweise auf Bürsten, die mittlerweile in fast jedem Stall Standard
seien. Daran können sich die Kühe
schrubben. Vorbildlich vielleicht,
aber nicht für Geflügel- und
Schweinezüchter. Für den Wohlfühl-Faktor ist in einem Stall mit
80 000 Hähnchen kein Platz.
Zweitwichtigster Brötchengeber
110 000
Gemessen an den Beschäftigtenzahlen ist die Ernährungsindustrie
nach der Autobranche der zweitgrößte Arbeitgeber
in Niedersachsen
68 000
Fleischbranche
22 600
Ernährungsindustrie
Keiner ist näher dran!
1) in Betrieben mit mindestens 20 Mitarbeitern
Automobilindustrie
Quelle: Niedersächsisches Kompetenzzentrum Ernährungswirtschaft · Grafik: Neue OZ/Michel
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DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
MACHER & MÄRKTE
In aller Munde
Wie der Pralinenhersteller Leysieffer zur Weltmarke aufstieg
VON WALTRAUD MESSMANN
OSNABRÜCK. Was haben dunkle
Schokolade und gute Rotweine
gemeinsam? Ähnlich wie Wein
wird hochprozentige Schokolade bei entsprechender Lagerung
und Pflege mit den Jahren immer besser. Entdeckt hat das der
Osnabrücker Axel Leysieffer.
Was für die beiden Genussmittel gilt, trifft auch auf die Marke
Leysieffer zu: 1909 als Konditorei-Café mit sechs Tischen gegründet, gehört das Unternehmen heute zur Crème de la
Crème der Chocolatiers und
Pralinenmacher.
Konditormeister Ulrich Leysieffer
hat das wohl nicht zu träumen gewagt, als er am 1. April 1909 mit
seiner Frau Emilie in einem kleinen Café im Osnabrücker Zentrum die ersten Gäste bediente.
1912 zog das Paar in ein größeres
Gebäude mit Backstube in der
Krahnstraße 41 um, wo das Café
auch noch heute zu finden ist.
Hier begann man 1936 auch mit
der Herstellung von köstlichen
Pralinen.
Im Zweiten Weltkrieg zerstört,
bauten Karl und Ursula Leysieffer
1950 das Geschäft am gleichen
Standort wieder auf. Im gleichen
Jahr werden die ersten „Himmlischen“ produziert, köstliche in Zu-
cker gewälzte Pralinen mit cremig-schmelzender Füllung. Mit ihnen sind die Pralinenmacher aus
Osnabrück auch heute noch in aller Munde. Vom Erfolg der
„Himmlischen“ beflügelt, entwickelt sich Leysieffer zu einer Weltmarke. Die Geschäfte liefen so gut,
dass 1973 die Produktion nach Osnabrück-Atter verlegt werden
musste. Inzwischen gibt es von
Sylt bis Rottach-Egern 19 Confiserien und sechs Leysieffer-Bistros.
Das Unternehmen beschäftigt
deutschlandweit circa 450 Mitarbeiter.
Die Maxime von Unternehmensgründer Ulrich Leysieffer
„Qualität geht über alles“ ist auch
für Axel Leysieffer und seinen
Sohn Jan, der das Unternehmen
heute in vierter Generation leitet,
weiterhin das Credo unternehmerischen Handelns. Und weil Qualität ohne gute Zutaten nicht zu
machen ist, lassen sie sich auf den
Preiswettbewerb im Einzelhandel
gar nicht erst ein. „Nichtsdestotrotz sind wir stolz darauf, dass
wir es branchenunüblich trotz der
für uns gestiegenen Produktionskosten geschafft haben, die Preise
für unsere Kunden in den letzten
zwei Jahren stabil zu halten“, betont Jan Leysieffer.
Alle Produkte werden mit hochwertigen Ingredienzien und in
Handarbeit hergestellt. Künstliche
Aromastoffe und Konservierungsstoffe findet man in der Backstube
in Atter nicht. Auch die Gentechnik muss draußen bleiben: „Gentechnisch veränderte Zutaten gibt
es bei uns nicht – und wird es
auch nie geben. Das lassen wir uns
von all unseren Rohstofflieferanten garantieren und entsprechend
zertifizieren“, erläutert der Konditormeister. Um hohe Qualität zu
gewährleisten, produziere das Unternehmen auch ganz bewusst in
Deutschland, so der Geschäftsführer. „Es kam für uns nie infrage,
im Ausland zu produzieren.“ Damit alles frisch beim Kunden ankommt, wird nicht auf Vorrat,
sondern nach Bestelleingang produziert.
In der Produktionsstätte ist vor
Weihnachten Marzipanhauptsaison. Flinke Hände modellieren Pilze, Igel und Kastanien. In einem
aufwendigen Verfahren wird hier
auch Baumkuchen hergestellt: Der
König seiner Art wird in bis zu 40
Lagen an einem sich drehenden
Spieß, der sogenannten Walze,
Schicht für Schicht gebacken. Das
führt zu der den Jahresringen von
Bäumen ähnelnden Optik, der der
traditionsreiche Kuchen seinen
Namen verdankt. Daneben entstehen rund 300 verschiedene Pralinen und Schokoladen in Handarbeit. 70 bis 80 Kuchen und Torten
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In vierter Generation leitet Jan Leysieffer das Osnabrücker Unternehmen. Das große Bild zeigt
eine Schokoladenkomposition mit Cranberries.
Doch wer ist eigentlich der
Schöpfer all dieser Köstlichkeiten?
„Mein Vater und ich lassen uns
gerne inspirieren – sei es bei einem Spaziergang in der Natur
oder einem Ausflug auf den Wochenmarkt. Danach wird zu Hause
oder mit unseren Konditormeistern in der Produktion ausprobiert
Fotos: Leysieffer
und getestet“, erzählt Jan Leysieffer. Am Ende einer solchen Experementierphase stehen dann nicht
selten exotische Geschmackskompositionen: Vollmilchschokolade
mit rosa Pfeffer oder Rosenöl,
halbherbe Schokolade mit Kardamom oder indischen Gewürzen
und Blutorange oder weiße Scho-
kolade mit Mokka und
original Jamaica-Rum.
„Im Leysieffer’ schen
Schokoladen-Sortiment
setzen wir ganz bewusst eine Vielfalt natürlicher Aromen ein“,
sagt der Chef nicht ohne Stolz.
Sein Vater Axel Leysieffer entwickelte in Anlehnung an die Azteken die erste moderne Schokolade
mit Chili. Mit der jüngsten Produktlinie hat man nun auch die
Genießer mit Lebensmittelunverträglichkeiten ins Visier genommen: „Im letzten Jahr haben wir
unsere laktosefreie Produktlinie –
bestehend aus fünf Schokoladenund fünf ganz neu entwickelten
Pralinensorten – auf den Markt
gebracht. Das war ein wichtiger
Schritt, doch sicherlich nicht der
letzte in diese Richtung“, kündigt
Jan Leysieffer weitere Aktivitäten
auf diesem Gebiet an.
Natürlich sind die innovativen
Pralinenmacher aus Osnabrück
auch schon längst im Internet
unterwegs: Seit 1998 bietet das
Unternehmen seine Produkte
auch in seinem Onlineshop an.
„Der neue Vertriebskanal hat sich
schon deutlich bemerkbar gemacht“, zeigt sich Jan Leysieffer
zufrieden. „Ich bin aber fest davon überzeugt, dass das für uns
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MACHER & MÄRKTE
MACHER & MÄRKTE
Gelernt bei McDonald’s
Die Restaurantkette Vapiano feiert mit Pizza, Pasta und frischen Salaten erstaunliche Erfolge
VON GEORG KERN
OSNABRÜCK. Joachim Rehkämper
trägt Jeans und Strickjacke.
„Möchten Sie einen Kaffee? Cappuccino? Espresso?“, fragt er
und stellt zwei Stühle vom Tisch.
Es ist frühmorgens, das Osnabrücker Restaurant der Kette Vapiano hat noch nicht geöffnet. Rehkämper ist Teil einer gastronomischen Erfolgsgeschichte aus
Deutschland, die sich auf der
ganzen Welt fortsetzen könnte.
Jung. Kreativ. Mutig.
Drei Gastro-Start-ups made in Osnabrück
Jungunternehmer
mit Lebensmitteln
auf Erfolgskurs.
Wagnis direkt
im Anschluss an
das Studium.
Osnabrück ein
gutes Pflaster, um
Dinge auszuprobieren.
VON STEFANIE HIEKMANN
OSNABRÜCK. Die drei jungen Os-
nabrücker Unternehmen „yolibri“, „YouShiMe“ und „CoffeeBike“ haben auffällig viele Gemeinsamkeiten: Alle drei sind in
den vergangenen zwei Jahren
von jungen Männern unmittelbar nach dem Studium in Osnabrück gegründet worden. Alle
drei verkaufen Lebensmittel,
und alle drei sind gerade dabei zu
expandieren. Osnabrück als
Startrampe für Gastro-Unternehmensgründer?
Sie sind jung, kreativ und mutig:
Die Gründer von „yolibri“ (Frozen
Yogurt), „YouShiMe“ (gefüllte
Reisrollen) und „Coffee-Bike“ (Kaffee vom Fahrrad in der Fußgängerzone)
haben
mit
25, 26 und 27 Jahren einiges gewagt: Im direkten Anschluss an
ihr BWL-Studium haben die jungen Männer aus Rheine, Ennigerloh und Osnabrück einen Unternehmensplan geschrieben, Standortanalysen durchgeführt und
sich in die Selbstständigkeit gewagt. Wie es bislang aussieht: für
alle ein Erfolgsweg. Drei Kurzporträts.
Yolibri
Bereits zum Ende des Studiums haben sich Christoph und Robert
Düsterberg umgehört, wo der richtige Ort für ihr gemeinsames Unternehmen sein könnte. Die Brüder
haben in Münster BWL studiert
und sind im Auslandssemester in
Kalifornien auf den amerikanischen Trend „Frozen Yogurt“ aufmerksam geworden. Kalt wie Eis,
aber geschmacklich eindeutig wie
Joghurt – kein Wunder, denn hinter „Frozen Yogurt“ verbirgt sich
auch nichts anderes als eiskalter,
cremig gerührter Joghurt. „So et-
„Irgendwann
treffen wir
uns wieder
und gründen
etwas.“
was fehlt in Deutschland“, hatten
sie sich schon vor Ort in Kalifornien gedacht. Zum Ende des Studiums wurde dieser Gedanke dann
wieder aktuell: „Wir haben natürlich erst mal den Schwerpunkt auf
Münster gelegt, aber es war einfach
nichts Passendes zu bekommen“,
berichtet Christoph Düsterberg
über die Standortsuche. Das, was
sie brauchten, war eine 1a-Innenstadt-Immobilie. Nach einiger Zeit
bekamen sie von einem Makler den
Hinweis, sich an die „L+T-Markthalle“ in Osnabrück zu wenden.
„Das war ein großes Glück“, betont
Christoph Düsterberg. Denn in der
Markthalle bekamen sie die Möglichkeit, auf einer Aktionsfläche
zwei Monate ihr Produkt zu testen.
„Uns gefiel die Idee, und wir wollten das Vorhaben unterstützen,
weil es gut in das Gefüge der
Markthalle passte“, sagt L+T-Geschäftsführer Mark Rauschen. Die
Probephase verlief für yolibri so
gut, dass sie rasch mit den Verantwortlichen der Markthalle über einen festen Stand verhandelten. Mit
Erfolg: Nach der Probephase wurde aus dem Provisorium ein festes
Ladenlokal. Mittlerweile ist zudem
ein zweiter „yolibri“-Laden in der
Kamp-Promenade
und
eine
„Fruchtbar“ in der Markthalle hinzugekommen. Über 30 junge Menschen arbeiten mittlerweile für das
junge Unternehmen der Düsterbergs.
http://www.yolibri.de/
YouShiMe
Für Marc Schrulle und Christoph
Hödl beginnt der erste Schritt zum
eigenen Unternehmen ebenfalls im
Auslandssemester – in ihrem Fall in
Australien. Die Zeit zwischen den
Lehrveranstaltungen
verbrachten
Unternehmen made in Osnabrück:
Yolibri, Coffee-Bike und YouShiMe
Fotos: Michael Hehmann,
H
Stefanie Hiekmann, Jörn Martens
die Studenten aus Ennigerloh gern
in einem Starbucks-Café, wo sie Arbeiten schrieben, lasen oder lernten.
Gegenüber konnten sie täglich den
Andrang vor einem Sushi-Takeaway-Shop (Sushi zum Mitnehmen)
beobachten, der sie letztlich zu ihrer
Unternehmensidee inspirierte.
Nun ist Sushi bei vielen Deutschen so eine Sache: Die einen lieben es, die anderen schrecken zurück. Dass das nicht am Reis liegt,
war Marc Schrulle und Christoph
Hödl schon damals klar. Warum also nicht den Versuch wagen, Sushi
mal westlich zu interpretieren und
mit Zutaten zu füllen, die sonst
auch gern gegessen werden:
Fleisch, Gemüse, Frischkäsekreationen wären eine Idee. Mit dem Gedanken im Gepäck kamen die Studenten zurück nach Deutschland
und ließen die Idee reifen. Als sie
so weit war, dass die Ideenzünder
bereits auf Standortsuche waren,
kam auch für sie Osnabrück als
möglicher Start-Ort ins Spiel. „Wir
hatten die Möglichkeit, sofort in
der Markthalle anzufangen und
unser Produkt auszuprobieren“, berichtet Schrulle. „Eine große Chance“, wie er betont. Denn die Suche
nach einer geeigneten Immobilie
erwies sich zuvor schon als schwer:
„Als Start-up im Gastrobereich ist
es unheimlich schwer, etwas Passendes zu finden. Erst recht, wenn
man noch keine Erfahrungen vorweisen kann“, sagt Marc Schrulle.
Und gerade bei ihrem Produkt sei
es im Vorfeld zudem auch nicht absehbar gewesen, wie es angenommen wird: „Reisrollen sind eben
weder mit Currywurst, Eis oder
Pommes vergleichbar.“ Doch anfängliche Berührungsängste einiger
Osnabrücker haben sich immer
mehr gelegt: Auch für „YouShiMe“
hat sich die Testfläche in der
Markthalle schnell zum richtigen
Restaurant verwandelt. „Osnabrück war für uns ein optimaler
Standort, um zu starten“, sagt
Marc Schrulle. „Man war nicht anonym, man hat die Kunden schnell
kennengelernt und konnte Feedback direkt umsetzen!“ In größeren
Städten wie Berlin, Hamburg oder
München hätte das niemals so
funktionieren können, weiß der
Unternehmensgründer. Seit November sind Schrulle und Hödl zudem auch mit einer Filiale in Essen
im Ruhrgebiet vertreten.
http://www.youshime.de
Coffee-Bike
„Eines Tages treffen wir uns wieder und gründen was!“ Das haben
die beiden Osnabrücker Jan Sander und Tobias Zimmer sich nach
ihrem Abitur am Graf-Stauffenberg-Gymnasium
versprochen.
2009, nachdem beide ihre Ausbildungswege an unterschiedlichen
Stellen beendet hatten, trafen sie
sich wieder – wie besprochen. Ein
gemeinsamer Urlaub in Dänemark
brachte sie dann auf die Idee, sich
mit einem selbst gebauten, antik
angehauchten
Kaffee-Fahrrad
selbstständig zu machen. In der
Garage der Eltern fingen die
Freunde an zu basteln: Wie konnten sie aus einem normalen Fahrrad ihr persönliches „Coffee-Bike“
kreieren? Im Herbst 2011 hatten
sie nicht nur den ersten Prototyp, sondern zugleich auch das gesamte Unternehmenskonzept fertig vorliegen. Nun ging es richtig
los: Denn es sollte von Anfang
an nicht bei einem Rad bleiben.
„Wir haben immer so geplant,
dass Coffee-Bike ein großes,
schnell wachsendes Franchise-Unternehmen wird“, erklärt Tobias
Zimmer.
Keine zwei Jahre nach dem Unternehmensstart, den die jungen
Osnabrücker beinahe parallel in Osnabrück und in Hannover durchgeführt haben, können sie mit Fug
und Recht sagen, dass dieser Plan
aufgegangen ist: „Wir haben bereits
jetzt über 25 Franchisenehmer.“ Allein in Deutschland sei das CoffeeBike bereits jetzt in 21 Städten vertreten. Hinzu kämen die Franchisenehmer aus Rumänien, den Niederlanden, Frankreich und Tschechien.
Dass Tobias Zimmer und Jan Sander in Osnabrück gestartet haben,
hatte vor allem persönliche Gründe:
„Wir kommen beide hierher und
sind hier beide aufgewachsen. Jetzt
haben wir in unterschiedlichsten
Städten studiert – nur nicht in Osnabrück.“ Mit ihrem Unternehmensstart wollten sie wieder dahin
zurückkehren, wo sie Ort und
Leute kennen. Zudem sei Osnabrück in seiner Größe zum Starten
einfach sehr attraktiv gewesen: „Die
Miete für unser Büro und das Lager
wäre in Hamburg wohl ziemlich
teuer geworden – vor allem für junge Menschen, die gerade erst anfangen.“
htttp://www.coffee-bike.com/de
Er geht durch den großen Gästesaal, um zwei Cappuccinos zu holen – der Raum ist unterteilt in einen Bereich mit Esstischen, Bänken und Stühlen aus Eichenholz sowie einem Lounge-Teil mit niedrigen Sesseln und Sofas. An den
Wänden hängen Schwarz-Weiß-Fotos aus Italien, die Menschen in
Cafés oder am Strand zeigen. Vom
„Piazza-Gefühl“ wird Rehkämper
später noch sprechen, als er das
Konzept der Restaurantkette beschreibt.
Er ist 46 Jahre alt, verheiratet, hat
zwei Kinder. Rehkämper kommt ursprünglich aus Ennigerloh (Kreis
Warendorf), machte nach dem Abitur eine Ausbildung im RestaurantManagement bei McDonald’ s. Als er
2003 das erste Mal in Hamburg ein
Vapiano betreten habe, sei das „wie
eine Offenbarung“ gewesen, sagt er.
„Der Stil, die Atmosphäre, das leckere italienische Essen, zubereitet in
der offenen Küche – mir ist schnell
klar gewesen, dass ich mich mit dieser Idee selbstständig machen
möchte.“
Heute betreibt Rehkämper drei
Vapianos – neben Osnabrück auch
Münster und Bielefeld, das erst
kürzlich eröffnet hat. Zwei weitere
Restaurants habe er in Planung,
sagt der Unternehmer: Ein zweites
in Münster sowie eines, „dessen Lage ich noch nicht verraten will, außer dass ich Richtung Paderborn
schaue“. Denn wie für andere Restaurants gelte auch für Vapianos:
„Die Lage ist ganz, ganz wichtig.“
Ihren Ursprung hat die Kette –
deren italienischer Name so viel
wie „Geh es locker an“ bedeutet –
in Hamburg, wo 2002 das erste Vapiano-Restaurant eröffnete. Die
Unternehmer
Gregor
Gerlach,
Friedeman Findeis, Klaus Rader
und Kent Hahne hatten die Idee
entwickelt, wobei sie auch Berufserfahrung einbrachten, die sie bei
McDonald’ s gesammelt hatten.
Wie die US-Hamburgerkette bedient sich auch Vapiano des sogenannten Franchise-Prinzips: Interessierte müssen sich bei der Geschäftsführung um eine Lizenz bewerben. Sie können dann einerseits
vom gastronomischen Konzept profitieren, müssen sich andererseits
aber an Auflagen halten. So bleibt
gewährleistet, dass sich alle Restaurants ausreichend ähnlich sind.
„Wir wollten von Anfang eine
gastronomische Idee umsetzen, die
sich bewusst multiplizieren lässt“,
erinnert sich Miterfinder Gregor
Gerlach. Die italienische Küche habe sich dafür am besten angeboten,
auch weil sie so „einfach und ehrlich“ sei. „Anders als etwa die asiatische Küche verwendet sie keine
seltenen Gewürze“, sagt Gerlach.
Auch deshalb könne die Zubereitung der Gerichte gut in einzelne
Arbeitsschritte zerlegt werden, was
bei der Systemgastronomie entscheidend sei.
Im Jahr 2004 eröffnete das erste
Franchise-Vapiano in Düsseldorf –
seither hat die Kette einen bemerkenswerten Aufstieg hinter sich:
Inzwischen gibt es 120 Vapianos in
28 Ländern, davon mehr als 50 in
Deutschland. Weltweit beschäftigt
das Unternehmen 8000 Mitarbeiter
Joachim Rehkämper mit einer Mitarbeiterin seines Osnabrücker Vapianos vor dem Kräutergarten, der Teil des gastronomischen Konzepts der Kette ist.
„Vapiano hat
die Chance,
eine weltweit
bekannte Marke
zu werden.“
und machte zuletzt nach eigenen
Angaben einen Jahresumsatz von
rund 300 Millionen Euro.
Und weiteres Wachstum ist geplant. Inzwischen gehört die Kette
neben Gerlach – dem Vorstandsvorsitzenden – auch der Vermögensverwaltung Mayfair des Tchibo-Erben Günter Herz sowie dem WellaErben Hans-Joachim Sander. Gemeinsam wollen sie Vapiano zu
neuen Gipfeln führen: Bis 2015
sind weltweit 250 Restaurants geplant, wobei das Unternehmen neben Europa auch Asien und die
USA verstärkt in den Blick nimmt.
Bei der genauen Zahl für Deutschland will sich Gerlach nicht festlegen. „Aber es wird sicher das Land
mit den meisten Restaurants bleiben“, erläutert der Firmenchef.
Den Erfolg von Vapiano erklärt
er sich vor allem mit der „ganzheitlichen Herangehensweise“ in seinem Unternehmen. Einerseits werde natürlich besonders auf das Essen geachtet. „Sämtlicher Pastaund Pizzateig sowie alle Soßen werden täglich frisch in den einzelnen
Vapianos zubereitet“, sagt Gerlach.
Das mache die Gerichte zwar etwas
teurer als beispielsweise McDonald’ s. Doch der Unternehmenschef ist überzeugt: „Das Preis-Leistungs-Verhältnis bei uns stimmt.“
Andererseits spiele in den Restaurants das Besuchserlebnis eine
zentrale Rolle. „Daher achten wir
auch besonders auf ein hochwerti-
ges Design, das der Südtiroler Architekt Matteo Thun für uns entwickelt hat.“ Vapiano wolle gutes Essen in angenehmer Atmosphäre
bieten. „Die Kommunikation unter
den Gästen ist uns wichtig.“
Markus Zeller, Professor für Systemgastronomie an der Hochschule
Heilbronn, sieht in Vapiano „eine
der interessantesten Fortentwicklungen in der Systemgastronomie
der vergangenen Jahre“. Die Kette
treffe mit ihrem Frische-Konzept
und der modern interpretierten italienischen Atmosphäre sehr gut
den Zeitgeist. „Vapiano bewegt sich
im Bereich der sogenannten FastCasual-Restaurants, die schon in
den vergangenen Jahren stark im
Trend lagen, mit Elementen aus
dem Fast Food – wie Selbstbedienung – erweitert um ein hochwertiges Ambiente.“
Beim Gast akzeptiert sei auch
das Bezahlverfahren in den Restaurants: Der Kunde erhält am Eingang eine Chipkarte, auf die er Gerichte und Getränke buchen lässt.
Beim Verlassen des Vapianos wird
die Karte zum Bezahlen an der Kasse abgegeben. „Das erlaubt dem Besucher eine ungewöhnlich große
Freiheit beim Kommen und Gehen.
Ich bin mir sicher, dass wir diese
Bezahlart künftig noch stärker bei
systemgastronomischen Unternehmen sehen werden.“
Das hält auch Branchenexpertin
Gretel Weiß für wahrscheinlich.
Die Herausgeberin des Fachblatts
„food-service“ hält Vapiano für „die
systemgastronomische Erfolgsgeschichte seit der Jahrtausendwende
schlechthin“. Und das Unternehmen habe großes Potenzial: „Pizza
und Pasta sind weltweit beliebt“,
sagt sie. Anders als beispielsweise
bei Sushi müsse sich die Kette den
Markt nicht erst erschließen. „Von
Europa über Asien bis Süd- und
Nordamerika mögen die Menschen
italienische Küche. Sie ist ein Sympathieträger – das kann man beispielsweise von Hamburgern nicht
uneingeschränkt sagen.“ Daher
glaube sie auch, dass Vapiano noch
erheblich wachsen werde. „Wo da
die Grenzen liegen, will und kann
keiner so genau definieren. Ich
glaube aber, dass Vapiano eine Riesenchance hat, in den nächsten
zehn Jahren eine weltweit bekannte Marke zu werden.“
Das schnelle Wachstum hält Firmenchef Gerlach auch für eine der
größten Herausforderungen der
kommenden Jahre. „Ganz entscheidend ist, dass das Konzept nicht verwässert wird. Jedes Vapiano soll sofort als solches erkennbar sein.“ Das
sei nicht immer leicht durchzusetzen. „So hatten wir eine Zeit lang eine intensive Diskussion über Frische.“ Im Unternehmen sei überlegt
worden, ob nicht beispielsweise Soßen doch fertig angeliefert werden
könnten. „Aber nein, die Restaurants
müssen jedes Produkt selbst zubereiten.“ Sie erhielten daher beispielsweise keine fertige Tomatensoße,
sondern Tomaten. „Ich bin froh, dass
diese Diskussion vom Tisch ist.“
Auch der Betreiber des Osnabrücker Vapianos, Joachim Rehkämper, sieht in der frischen Zubereitung des Essens einen entscheidenden Vorteil des Vapiano-Konzepts.
Die Firma setzt ihn in den Restaurants auch offensiv als Verkaufsar-
Fotos: Egmont Seiler
gument ein: So gibt es in jedem Vapiano einen kleinen Kräutergarten
hinter Glas, in dem Basilikum- oder
Rosmarinpflanzen stehen. Zudem
müssen Restaurantbetreiber mindestens einen echten Olivenbaum
in den Gästesaal stellen. „Ich habe
mich gleich für zwei entschieden,
weil ich sie so hübsch finde“, sagt
Rehkämper.
Mit
Investitionskosten
von
durchschnittlich 1,5 bis 2 Millionen
Euro müsse man pro Restaurant
schon rechnen, erläutert er. „Da ist
einiges an unternehmerischem Risiko dabei.“ Bisher habe er aber
Glück gehabt – alle seine Vapianos
liefen gut. „Bei der Eröffnung in
Bielefeld hatte ich neulich das Gefühl, die Menschen hätten nur darauf gewartet.“ Bei den Menschen
spreche sich offenbar herum, dass
Vapiano ein überzeugendes Konzept sei. „Und das, obwohl wir
überhaupt keine Werbung in Zeitschriften oder Fernsehen machen.“
Die Leute erzählten sich eben positive Dinge über Vapiano. „Etwas
Besseres kann doch einem Restaurant gar nicht passieren.“
Auch der Pastateig wird täglich frisch in den Vapiano-Restaurants zubereitet. Dabei können die
Gäste durch eine Glasscheibe zusehen.
6
DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
MACHER & MÄRKTE
Fuchs hat das Sagen
Das Machtzentrum des europäischen Gewürzhandels liegt vor den Toren Dissens – Osnabrück als Testmarkt für Fuchs Gewürze
VON CHRISTIAN SCHAUDWET
DISSEN. Still und leise ist in Dis-
sen über 60 Jahre der inzwischen zweitgrößte Gewürzkonzern der Welt herangewachsen.
Das Erfolgsrezept von Fuchs Gewürze: Das Unternehmen macht
fast alles selbst. Jetzt erprobt es
eine neue Marketing-Strategie.
Für einen, der drei Viertel des
deutschen
Gewürzmarkts
beherrscht und beim Umsatz nur
von einem Konkurrenten auf der
Welt übertroffen wird, erregt Dieter Fuchs wenig Aufsehen. Öffentlichkeit ist des 84-Jährigen Sache
nicht. Vom 60. Jubiläum seines
Unternehmens in diesem Jahr
nahmen wenige Notiz. Ein einziges Interview nur hat der gebürtige Osnabrücker in seinem Leben
gegeben. Der Vergleich mit Karl
und Theo Albrecht liegt nah: Wie
die scheuen Aldi-Brüder begann
Fuchs nach dem Zweiten Weltkrieg mit leeren Händen und
schuf aus den Trümmern Deutschlands ein Lebensmittel-Imperium.
Sein heutiges Vermögen wird auf
eine halbe Milliarde Euro geschätzt.
Alles begann 1952 im Städtchen
Dissen, dorthin hatte es den jungen, im Krieg verwundeten Mann
verschlagen. Noch heute laufen
am Teutoburger Wald die Fäden
Visitenkarte eines Weltkonzerns: die 2009 errichtete Eingangshalle bei Fuchs Gewürze in Dissen.
zentrale Integrationsfigur, die Mitarbeiter wollen ihn sehen“, sagt
Nils Meyer-Pries, Sprecher der Geschäftsführung und Finanzchef bei
Fuchs Gewürze. Fuchs sei „nah an
den Menschen“. Sie können ihn
ansprechen, etwa dann, wenn der
Patriarch über eine der langen Galerien vorbei an milchverglasten
Großraumbüros in die Räume der
seiner Macht zusammen. Die
schmucklose, weitläufige Unternehmenszentrale mit der acht
Stockwerke hohen Mahlfabrik
lässt keinen Zweifel daran, dass
sie das Herz eines Weltkonzerns
beherbergt.
So scheu wie in der Öffentlichkeit ist Fuchs dort nach Bekunden
seiner Manager nicht: „Er ist die
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„Anwendungsentwicklung“ geht.
In dem schlichten
hellen Kochstudio
in Nachbarschaft eines Labors tüfteln
Fuchs-Köche an neuen
Fonds, Saucen und Suppen
der zum Konzern zählenden Feinkostmarke Escoffier, bereiten Gerichte mit der Crema di Balsamico
Schoko-Orange des 2006 übernommenen Herstellers Kattus zu,
testen, wie sich die Gewürzmischung der Fuchs-Marke Schuhbeck’ s im Kücheneinsatz bewährt.
Fuchs sei oft dort, sagt MeyerPries, und praktisch täglich im
Haus.
Dieter Fuchs und seine sechs
Geschäftsführer müssen das Unternehmen in Bewegung halten,
soll es seine Stellung als europäischer Marktführer behaupten.
Trends verschlafen darf auch ein
Platzhirsch nicht. Täglich bringt
Fuchs Gewürze vor allem in seinem Sortiment für die Ernährungsindustrie neue Produkte auf
den Markt. Viele Lebensmittelhersteller würzen mit Fuchs: „Sie
können davon ausgehen, dass Sie
jeden Tag etwas von Fuchs“ essen,
sagt Meyer-Pries mit unverkennbarem Stolz.
Wichtige Konkurrenten in der
Gewürzbranche hat Fuchs aufgekauft. Als größter Coup des Gewürzkönigs gilt die Übernahme
des Herstellers Ostmann im Jahre
1998, danach verleibte er sich in
rascher Folge die Konkurrenten
Ubena und Wagner ein. Heute
überragt ihn nur noch der amerikanische, in Frankreich und Großbritannien starke Kräuterriese
McCormick.
Mit seiner Marktmacht kehrt
Fuchs die in vielen anderen Produktgruppen herrschenden Kräfteverhältnisse um: Nicht der Handel hat bei Gewürzen das Sagen,
sondern Massenhersteller Fuchs.
Eigene Vertriebsmitarbeiter bestücken die mitgelieferten, von einer
Vertragswerkstatt in Melle getischlerten Regale.
Vor zehn Jahren brachte Fuchs
das Bundeskartellamt gegen sich
auf. Es warf ihm „unbillige Behinderung“ des kleinen Koblenzer
Konkurrenten Hartkorn vor. Der
Behörde zufolge hatten Fuchs-Vertriebler Exklusivität zur Bedingung für die Zahlung hoher Werbekostenzuschüsse gemacht.
Spielt Fuchs fair oder nicht? Die
Branche ist geteilter Meinung.
Fest steht: Seine Vertriebsmethoden funktionieren. 2012 steigerte
die Gruppe ihren Umsatz um
sechs Prozent auf 553 Millionen
Euro. Alles bei Fuchs mit seinen
Aus fernen Ländern: Rohgewürzverarbeitung bei Fuchs.
über 2700 Mitarbeitern weltweit
ist auf große
Mengen ausgelegt.
Nur Größe erlaube
es dem Konzern, alles
selbst zu machen – vom
Anbau der Rohstoffe bei Exklusiv-Lieferanten in tropischen
Ländern bis zum Einräumen der
Packungen in heimische Supermarktregale.
Der Boden unter Meyer-Pries’
Füßen vibriert. Ohrenbetäubendes
Sausen umgibt den 42-jährigen
Manager. Düfte wie aus Tausendundeiner Nacht schwängern die
Luft. Meyer-Pries trägt eine weiße
Haube und einen weißen Kittel
mit dem Fuchs-Logo auf der Brust.
Seine Stimme schneidet durch den
Lärm: „Das ist die modernste Gewürzmühle der Welt!“ Das Geheimnis der Fuchs’ schen Effizienz
besteht aus einem Gewirr von
Mahlwerken, Reinigungssystemen
und Rohren. Darin treiben Luftströme die Ware von einer Verar-
„Sie können
davon ausgehen,
dass Sie jeden
Tag etwas von
Fuchs essen.“
Nils Meyer-Pries, Sprecher der Fuchs-Geschäftsführung.
Fotos: Gert Westdörp
beitungsstufe zur nächsten, nicht
etwa Förderbänder oder -schnecken. „So ist es am schonendsten“,
ruft Meyer-Pries.
2009 wurde der achtstöckige,
kilometerweit sichtbare Kasten
fertig, der die Mühle bei Dissen
umschließt. Auch in Rumänien
ließ Fuchs neu bauen. Das Unternehmen steckt jedes Jahr einen
zweistelligen Millionenbetrag in
seine weltweite Infrastruktur.
Bisher einmalig ist die Investition, die Fuchs im Herbst in Osnabrück getätigt hat: Am 1. September eröffnete der Konzern in einer
innerstädtischen Einkaufspassage
den ersten Gewürzladen unter eigener Marke: Riechen, anfassen
und schmecken soll das Osnabrücker Testpublikum die Ware. Geht
das Ladenkonzept auf, erwägt
Fuchs, in anderen Städten weitere
Shops zu eröffnen. „Wir wollen
mit den Endverbrauchern direkt
in Kontakt kommen“, sagt MeyerPries.
Bisher konzentrierte sich die
Kommunikation mit Endkunden
auf die Gewürzdosen-Präsentation
in den Regalen der Händler. Jetzt
gehen die Dissener auf Tuchfühlung. Auch im Internet kann man
inzwischen direkt beim Hersteller
kaufen. Fuchs ging im September
mit seinem Gewürzshop und Rezepteportal so-schmeckts.de online. Alle 14 Lebensmittelmarken
im Sortiment gehören zur FuchsGruppe.
Immer neue Produktideen sollen helfen, den Wachstumskurs zu
halten. Experimentierfreudige junge Menschen brächten von Fernreisen Neugier auf exotische Geschmacksrichtungen mit, sagt
Meyer-Pries. Also nimmt Fuchs
zunehmend Gewürzmischungen
aus fernen Ländern ins Sortiment,
arabisches Ras el Hanout aus 18
Einzelzutaten etwa oder ayurvedischen Ceylon Curry, mit dem Urlaubsrückkehrer sich fernöstliche
Geschmacksnoten in die heimische Küche holen können.
Und die nächsten Trends? „Heilkräfte von Gewürzen und Kräutern“, sagt Meyer-Pries“, das ist für
uns ein Zukunftsthema.
Die größte Bewährungsprobe
indes wartet nicht auf dem Markt,
sondern im Innern: die Nachfolge
des betagten Firmengründers und
mehrfachen Vaters Dieter Fuchs.
Für das operative Geschäft hat
der Patriarch offenbar vorgesorgt.
Vor einem Jahr gliederte er sein
Geschäft in vier Segmente und unterstellte sie eigens rekrutierten
Sparten-Managern. Über sie und
die zahlreichen Tochterunternehmen wacht die zentrale DF World
of Spice Holding in Dissen.
7
DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
MACHER & MÄRKTE
Zur Eisdiele
des Handels
hochgearbeitet
R&R-Werke
in Europa
Leeming Bar
Auch wenn es nicht draufsteht: Unzählige
Eispackungen enthalten R&R Ice Cream
VON STEFANIE HIEKMANN
OSNABRÜCK. Nestlé und Unilever
– klar doch. Doch wer denkt bei
Großproduzenten der Eisbranche an R&R Ice Cream? Das Osnabrücker Unternehmen zählt
neben den beiden Weltkonzernen zu den drei größten Eisproduzenten Europas. Für Handelsmarken von Supermarktketten
und Gastronomie, für Marken
wie Milka, Landliebe, Oreo,
Philadelphia und Toblerone
wird hier Eis hergestellt.
Nestlé hat Mövenpick und Schoeller, Unilever kann mit Namen wie
Langnese, Magnum oder Cremissimo auftrumpfen. Obwohl er mengenmäßig in einer ähnlichen Liga
spielt, ist der Osnabrücker Hersteller R&R Ice Cream weitaus unbekannter als die genannte Konkurrenz. Woran liegt das? „Wir treten
mit unserem Namen größtenteils
nicht in Erscheinung“, sagt Birger
Lahme, Produktmanager bei R&R
Ice Cream am Standort Osnabrück.
Nur ein Beispiel: 40 Prozent der Eigenmarken, die in Europas Speiseeis-Kühltruhen angeboten werden,
kommen – grob geschätzt – von
R&R. „In keinem Fall treten wir dabei mit unserem Namen nach
draußen“, erklärt Lahme. Die einzige Chance, den Namen R&R auf
seiner Eispackung zu entdecken,
ist, ein Marken-Produkt des Unternehmens in die Hand zu nehmen:
Botterbloom, Landliebe, Milka,
Daim, Toblerone Philadelphia und
Oreo sind Marken, für die R&R Eisproduktion und -vertrieb übernommen hat.
„Wir sehen uns selbst als zweitgrößten Eisproduzenten Europas“,
sagt Produktmanager Lahme. Im
Gebiet der reinen Handelsmarkenproduktion sei R&R sogar auf Platz
eins in Europa. Schritt für Schritt
ist das Unternehmen gewachsen –
80 Jahre lang. Mit einer einzigen
Eisdiele in Osnabrück legte die Italienerin Regina Roncadin 1932 den
Grundstein für das heutige Unternehmen R&R Ice Cream. Über die
folgenden Jahrzehnte eröffneten
ihre Verwandten weitere Eisdielen
in Deutschland. 1982 stieg die Familie erstmals in die industrielle
Eisproduktion ein und betrat damit
das Terrain, das sie bis heute besetzt.
2007 übernahm die damals noch
unter dem Namen Roncadin tätige
Firma das erste ausländische Werk
im französischen Bordeaux. Weite-
re Übernahmen folgten, bis im Jahr
2000 dann durch die Übernahme
des Eisgeschäfts von Dr. Oetker
auch der Sprung ins Markengeschäft geschafft war. Sechs Jahre
später wurde aus Roncadin R&R
Ice Cream: Die US-amerikanische
Investmentgesellschaft
„Oaktree
Capital Management“ übernahm
2006 die Hauptanteile von Roncadin auf der einen und dem britischen Eishersteller Richmond auf
der anderen Seite. Gemeinsam firmieren die beiden Unternehmen
seitdem als R&R Ice Cream. Vergleiche der Investmentgesellschaft
mit einer Heuschrecke, weißt Produktmanager Lahme strickt zurück: „Das können wir absolut
nicht bestätigen. Oaktree hat hier
in den vergangenen Jahren immer
wieder hochstellige Summen investiert. Da sind wir gut zufrieden.“
In der Unternehmenszentrale beschäftigt das Osnabrücker Werk
auf den 18 000 Quadratmetern im
Stadtteil Sutthausen rund 500 Mitarbeiter, die insgesamt 29 Produktionslinien betreuen. „Im Sommer
kommen noch etwa 300 Zeitarbeiter hinzu“, sagt Lahme.
500 000 Kilogramm Rohware
können in den Eismix-Behältern
am Osnabrücker Standort gelagert
werden. „Das reicht für etwa zwei
Tage Produktion“, erklärt Produktionsleiter Achim Wintels. Rund 20
Lastwagen bringen dafür täglich
die Zutaten, die dann nach rund
600 verschiedenen Rezepturen verarbeitet werden können. 800 000
Liter Eis verlassen in der Hochsaison nach Unternehmensangaben
„Natürlich
versuchen wir,
Europas größter
Eisproduzent
zu werden.“
Unter scharfer Kontrolle läuft die Produktion im Osnabrücker Werk des Handelsmarken-Herstellers R & R Ice Cream.
Crossgates
Schwanewede
Osnabrück
Bodmin
(Kellys)
Plouédern
Mielec
Dangé St. Romain
Vayres
Carcassonne
Terni
Quelle: R&R · Grafik: Neue OZ/Michel
Schicht für Schicht produziert
die R & R-Belegschaft Speiseeis
für die Supermarkt-Tiefkühltruhen. Rund 500 Mitarbeiter
sind im Osnabrücker Werk
tätig, im Sommer kommen
300 Zeitarbeiter hinzu.
Fotos: Jörn Martens
das Werk. „Das
macht rund 1200
Paletten“, sagt Wintels.
Wobei sich diese Zahlen
nur auf Osnabrück beziehen. Europaweit gehören elf
Werke mit einer Produktionskapazität von rund 1,1
Milliarden Litern pro Jahr
zu R&R Ice Cream. Rund
2300 Mitarbeiter erwirtschaften mit 106 Produktionslinien einen Umsatz von rund 750
Millionen Euro.
Die spannendsten Länder, was
den Umsatz angeht, seien Deutschland, England, Italien und Frankreich, sagt Lahme. Und das, obwohl
Skandinavier tendenziell das meiste Eis verzehren. „Doch allein die
hohen Einwohnerzahlen führen dazu, dass sich das interessanteste
Eisgeschäft in den vier Ländern abspielt.“
Der
Pro-Kopf-Verbrauch
in
Deutschland pendelt seit Jahren
um acht Liter pro Jahr. „Und der
Umsatz steigt dabei“, so Lahme.
Ganz offensichtlich sind die Preise
also in den vergangenen Jahren
auch im Eisgeschäft gestiegen: Die
Menschen essen zwar nicht mehr
und auch nicht weniger Eis; geben
aber mehr Geld dafür aus. Aktuell
gehe der Trend hin zu kleineren
Portionsgrößen, sagt Lahme. So
kauften immer weniger Konsumenten große Ein- oder gar Zwei-Liter
Haushaltspackungen, sondern lieber kleinere Portionen. Lahme
sieht diesen Trend in der Tendenz
zu immer kleineren Haushalten begründet.
Es ist nicht alles Sahne in der
Eisbranche: Der nordrhein-westfälische Handelsmarkenhersteller
Rosen Eiskrem etwa geriet in wirtschaftliche Schräglage und wurde
Ende November vom Milchkonzern
Deutsches Milchkontor übernommen.
„Nichts dergleichen bei R&R“,
sagt Lahme. „Wir sind ein sehr gesundes Unternehmen.“ So gesund
offenbar, dass es versuchen wird,
sich auf dem europäischen Markt
beim Umsatz weiter Unilever anzunähern. „Natürlich versuchen wir,
Europas größter Eisproduzent zu
werden“, sagt Lahme. Doch – da
mache sich auch R&R nichts vor –
der Weg sei nicht leicht, denn Unilever ist ein Riese.
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© 2012 PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Alle Rechte vorbehalten.
„PwC“ bezieht sich auf die PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die eine Mitgliedsgesellschaft der
PricewaterhouseCoopers International Limited (PwCIL) ist. Jede der Mitgliedsgesellschaften der PwCIL ist eine rechtlich selbstständige
Gesellschaft.
8
DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
MACHER & MÄRKTE
VIPs und Schokolade
Reiner Heilmann aus Melle leitet das Hotel Sacher in Wien
und pflegt die weltberühmte Marke
VON AXEL ROTHKEHL
WIEN. Das Hotel Sacher in Wien
ist eine österreichische Institution. Seit fast einem Vierteljahrhundert steht ein Mann aus
Melle an der Spitze des Traditionsunternehmens: Hoteldirektor Reiner Heilmann.
Das Hotel Sacher bietet mehr als
nur die Torte. In der Bildergalerie
hängen Porträts von Schauspielern,
Sportlern und Monarchen, die sich
in den vergangenen 100 Jahren im
Heiligtum der österreichischen Hotellerie einquartiert haben. Letzten
November gehörten UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon, Modedesignerin Vivienne Westwood und Sängerin Tina Turner zu den Gästen.
Autogrammwünsche an die Stars
sind beim Sacher-Personal verpönt.
„Für den seriösen Umgang sind wir
bekannt“, sagt Hoteldirektor Reiner Heilmann, „sonst würden wir
viele Gäste verlieren.“
Soll ein Staatsgast, wie kürzlich
Tschechiens
Präsident
Václav
Klaus, im Sacher unterkommen,
dann muss Reiner Heilmann schon
Wochen zuvor in der Präsidentschaftskanzlei an Planungssitzungen teilnehmen. „So eine Vorbereitung ist wichtig, denn diese Besuche verlaufen streng nach Proto-
koll. Da wird jede Ampelschaltung
und die Vorfahrt am Hotel auf die
Minute festgelegt“, erklärt Heilmann. Und im Vorfeld darf die
Presse nichts davon erfahren. Überhaupt legt er auf Diskretion viel
Wert. Undenkbar, dass seine Mitarbeiter ausplaudern würden, ob sich
Topmodel Kate Moss bei ihrem
letzten Aufenthalt über die legendäre „Original Sacher-Torte“ hergemacht hat.
Davon nascht Reiner Heilmann
auch nach 24 Jahren an der Spitze
des Hauses noch immer. An seine
Schwester schickt er regelmäßig eine Torte per Post nach Wellingholzhausen bei Melle, wo Heilmann ei-
Jeder Hotelgast
erhält eine
Sachertorte im
Miniformat.
gentlich von seinen Eltern das erfolgreiche Hotel mit Gaststätte
übernehmen sollte. Erfahrungen
sammelte der potenzielle Erbe Anfang der 80er-Jahre in Timmendorf. Nach Engagements in Versmold und dem Hotel Imperial in
Wien kamen schnell Angebote von
Traditionshäusern in der Schweiz
und London. Im Sacher arbeitete er
zunächst drei Jahre als Direktionssekretär, und ihm wurde schnell
klar, dass seine berufliche Zukunft
eben nicht im elterlichen Betrieb
liegt.
Amtszeiten von Hoteldirektoren
über zwei Dekaden sind in der
Branche eher unüblich. Noch konstanter ist bei Sacher der Erfolg des
populärsten Produktes, der „Original Sacher-Torte“. Die hatte sich im
Jahr 1832 der Kochlehrling Franz
Sacher am Hofe von Wenzel Clemens Fürst Metternich ausgedacht.
In der feinen Wiener Gesellschaft
wurde über die schmackhafte Kreation aus Schokokuchen, Marillenmarmelade und Glasur getuschelt,
bis sie zur Spezialität in ganz Europa wurde. Sacher eröffnete ein Delikatessengeschäft in Wien und
stellte die Torte nun regelmäßig
her.
Inzwischen produziert das Unternehmen jährlich 360 000 Stück.
Davon verzehren die Hotel-, Res-
Der Umgang mit Stars wie der Schauspielerin Tilda Swinton (rechts) gehört für Reiner Heilmann zum Berufsalltag im Hotel Sacher,
taurant- und Cafégäste in Wien etwa ein Drittel. Die gleiche Menge
setzt Sacher jeweils im Online-Shop
sowie durch einige Verkaufsstellen
in Österreich ab. Beststeller im Internetportal ist die „Größe III“ mit
zwölf Portionen für 41 Euro – also
nichts für den Kindergeburtstag,
aber jeder Gastgeber kann an der
heimischen Kuchentafel herrlich
damit angeben. Die meisten Bestellungen für den Privatgebrauch
kommen aus Deutschland und den
USA. Trotz der Popularität ist alles
Foto: Alexander Tuma
Handarbeit, und die Glasur muss
aus einem Guss sein. Das von Franz
Sacher geschriebene Rezept ist geheim. Für Chefkonditor Alfred Buxbaum wurde es zum Amtsantritt
vor 23 Jahren aus dem Tresor geholt.
Torten mit der Aufschrift „Sacher“ stellt heute fast jeder Bäcker
her. Nur der Name „Original Sacher-Torte“ ist geschützt. So gehört
die „Markenbeobachtung“, wie es
Heilmann nennt, zu seinen wichtigsten Aufgaben. Gerade erst hat
ein Anwalt die Sacher-Rechte gegen einen Konzern vertreten. „Für
den Markenschutz geben wir viel
Geld aus. Sie ist unser wichtigstes
Hab und Gut.“
Auch auf die Betten-Konkurrenz
in der Hauptstadt reagiert er. Gerade eröffnete Ritz-Carlton eine Dependance in Wien, Kempinski und
Park Hyatt wollen nachziehen.
Heilmann ist zuversichtlich, die Position in der Luxus-Hotellerie verteidigen zu können. Vor ein paar
Monaten hat er einige PenthouseSuiten vergrößern und noch erlesener ausstatten lassen.
Eine ist nach dem früheren Balletttänzer Rudolf Nurejew benannt, der bis 1988 als Choreograf
an der Staatsoper direkt gegenüber wirkte. Ihn hat Heilmann in
seiner Anfangszeit persönlich kennengelernt. Insgesamt bietet das
Sacher 86 Zimmer und 63 Suiten
an. In allen dieser Räume wartet
zur Begrüßung die kleinste Version der Torte, der „Original Sacher-Würfel“, als Geschenk auf
den Gast. Den hat schon so mancher in Reiner Heilmanns Meller
Heimat genossen. Als der 48-Jährige an seiner früheren Schule, der
Ratsschule, einen Vortrag über seine Karriere hielt, hatte er für alle
Zuhörer eine dieser Köstlichkeiten
im Gepäck.
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FIRMENPORTRÄT
Erfolgsgeschichte KraussMaffei
Neue Werkleitung – Positive Geschäftsentwicklung – Jubiläum: 1000stes Werkzeug
Der
Standort
von
KraussMaffei in Georgsmarienhütte steht ab 1.
Januar 2013 unter neuer Führung. Dieter Bühler
übernimmt die Leitung von
Rainer Janotta und möchte
die erfolgreiche Geschäftsentwicklung am Standort
fortsetzen. Dabei arbeitet
KraussMaffei für Marktführer der Automobil- oder
Elektronikbranche.
Für
deren Produkte, beispielsweise das Armaturenbrett
des Audi A4 oder die handschmeichelnde
Rückseite eines Smartphones,
konstruieren die Mitarbeiter in Georgsmarienhütte
passende Werkzeuge und
stellen sie für die Serienproduktion her. Darüber
hinaus entwickeln sie maßgeschneiderte Lösungen,
um die Produkte ihrer Kunden noch besser zu machen.
Werksleitung ab 1. Januar
2013 in neuen Händen
Dieter Bühler (52) wird zum
1. Januar 2013 neuer Leiter
des KraussMaffei-Werks in
Georgsmarienhütte.
Rainer
Janotta verlässt das Unter-
Herstellung von Werkzeugen
für zahlreiche Branchen.
nehmen zum Jahresende auf eigenen
Wunsch, um sich neuen beruflichen Herausforderungen zu stellen.
Dieter Bühler startete
2006 bei KraussMaffei
Automotive Component Systems in Viersen und bringt über
20 Jahre Erfahrung im
Werkzeugbau mit. Diese sammelte er unter
anderem als Werksleiter wie auch im technischen Vertrieb von Das Produktionswerk von KraussMaffei in Georgsmarienhütte wurde
Werkzeugen.
„Herr 2005 gebaut. Bereits 2010 wurde die Produktions-fläche verdoppelt.
Bühler verfügt über exzellentes Fach- und Vertriebs- eine exzellente Reputation am gen betreut. So werden heute
Know-how sowie operative Markt und wurde bei unseren in den USA und in der SlowaFührungsstärke. Damit wird er Kunden Dank seiner Profes- kei Werkzeuge mit Unterstütdie Position von KraussMaffei sionalität sehr geschätzt. Wir zung der Mitarbeiterinnen und
im Markt für Werkzeuge wei- bedauern seinen Weggang Mitarbeiter aus Georgsmater ausbauen. Wir wünschen und danken ihm für die jah- rienhütte gebaut. Damit bieihm für die neue Aufgabe viel relange hervorragende Leis- tet das Unternehmen seinen
Erfolg“, so Nicolas Beyl, Leiter tung. Wir wünschen ihm alles global operierenden Kunden
des Segments Reaktionstech- Gute und viel Erfolg in seiner durch die Produktion vor Ort
nik der Marke KraussMaffei neuen Tätigkeit“, so Beyl. zum einen kürzere Lieferzeiund für den Standort Georgs- 2005 baute die KraussMaffei- ten und Preisvorteile, zum
marienhütte verantwortlich.
Gruppe den Standort in Ge- anderen direkte Serviceanorgsmarienhütte auf. Seitdem sprechpartner.
Große Wertschätzung und ist das Traditionsunternehmen
in der Lage, Kunden komplet- Positive Aussichten für
hohe Professionalität
Rainer Janotta (47) war seit te Polyurethan-Anlagen von 2013
Nach einem sehr positiven
2005 bei KraussMaffei tä- der Projektierung bis zur Intig. Beginnend mit dem Start betriebnahme aus einer Hand Jahr 2012 stehen auch die
von KraussMaffei am Stand- anzubieten. Die Mitarbeiter Zeichen für 2013 sehr gut.
ort Georgsmarienhütte am in Georgsmarienhütte unter- Die starke Nachfrage nach
1. August 2005 baute Rainer stützen die Geschäftsaktivität hochwertigen Werkzeugen
Tochtergesellschaften hält weiter an. Neben klassiJanotta das Werk profes- von
sionell zu einem modernen weltweit. „Von Georgsmarien- schen Schäumwerkzeugen
Fertigungsstandort auf. Mit hütte haben wir unser Werk- ist insbesondere Werkzeugihm verbunden ist unter an- zeug-Know-how in die Welt technologie für kombinierte
derem auch der Ausbau der getragen“, freut sich Bühler, Prozesse (Kombination von
Schäumwerkzeugkompetenz der auch die ausländischen Spritzgieß- und Reaktionsbei KraussMaffei. „Er genießt Werkzeugbau-Niederlassun- technik) zur Herstellung ge-
fragt. Hier bietet KraussMaffei
die Maschinen und Werkzeugtechnik aus einer Hand
und unterstützt seine Kunden
darüber hinaus mit umfassender Beratung und hohem
Know-how. Auch die Automation und die Endbearbeitung bis hin zur vollautomatischen Produktionszelle bietet
KraussMaffei aus einer Hand.
Im April dieses Jahres wurde das 1000ste in Harderberg gefertigte Werkzeug an
die Firma Eppendorf, einem
treuen Kunden aus Deutschland, ausgeliefert. Dabei handelt es sich um ein Werkzeug
zum Verschäumen der Innenund Außenkessel für Zentrifugen aus Stahlblech. Bisher
wurden insgesamt 15 Werkzeuge für unterschiedlichste
Schäumanwendungen
an
Eppendorf geliefert. Dieses
Vertrauen bestätigt unsere
Kundenorientierung und die
ausgezeichnete hohe Qualität der gelieferten Formen. In
enger Abstimmung mit den
erfahrenen Prozessoptimierungsmitarbeitern innerhalb
der Produktion bei Eppendorf
werden die Anforderungen
aus den Laboren im Design
der Zentrifugen berücksichtigt und gemeinsam mit den
Werkzeugspezialisten
aus
Harderberg geeignete Produktionslösungen
entwickelt. „Auf die Qualität der
von KraussMaffei gefertigten
Werkzeuge können wir uns
voll und ganz verlassen“, bestätigt Dr. Matthias Schmidt,
Produktionsleiter von Eppen-
KraussMaffei Technologies GmbH
GRÜNDUNG:
WERKLEITER:
MITARBEITER:
FIRMENSITZ:
KERNKOMPETENZEN:
dorf Leipzig. „Die Anlieferung
erfolgt zu den vereinbarten
Te rminen und die Werkzeuge können sofort in der Produktion eingesetzt werden,
wo sie durch Langlebigkeit
und Zuverlässigkeit überzeugen.“ Doch Eppendorf setzt
nicht nur auf Werkzeuge von
KraussMaffei, sondern auch
auf Misch- und Dosiermaschinen sowie Mischköpfe
zur Polyurethanverarbeitung.
In den vergangenen knapp
sieben Jahren hat der Werkzeug- und Formenbau in
Georgsmarienhütte
eine
1838
Dieter Bühler
66 (davon sechs Azubis)
Georgsmarienhütte
Automobil und -zulieferer,
Bau, Elektronik, Freizeit
beeindruckende Entwicklung
vollzogen. Seit dem Start mit
drei Mitarbeitern ging es stetig aufwärts. Bereits 2010
wurde die Produktionsfläche auf 2.700 Quadratmeter
verdoppelt, um der steigenden Nachfrage gerecht zu
werden. Heute sind etwa 70
Mitarbeiter beschäftigt. Das
Werk
Georgsmarienhütte
gehört zur weltweit operierenden KraussMaffei-Gruppe,
einem der führenden Hersteller für Kunststoffmaschinen
mit Hauptsitz in München.
Mit den drei Produktmarken
KraussMaffei, KraussMaffei
Berstorff und Netstal vermarktet die Unternehmensgruppe weltweit ihre Produkte
INFO/KONTAKT ::::::::::::::
Dieter Bühler, neuer Werksleiter in Georgsmarienhütte.
49124 Georgsmarienhütte
Bielefelder Straße 29
Telefon 0 54 01/33 92-20
www.kraussmaffei.com
DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
BRANCHEN &
BETRIEBE
9
Frischetest: Hans Kröger führt einen Familienbetrieb in Bissendorf. Im vergangenen Jahr feierten sie dort das 100-jährige Bestehen der Bäckerei und Konditorei. Einen Nachfolger hat Kröger noch nicht gefunden.
Foto: Hermann Pentermann
Allein gegen die Billigheimer
Zahl der Bäckerbetriebe sinkt weiter – Schwierige Nachfolgersuche – Verbandschef ruft zum Durchhalten auf
Der Trend geht
zu Konzentration und
Großbäckereien.
Back-Discounter
machen Handwerkern
zu schaffen.
Kostendruck kann
zur Bedrohung für die
Qualität werden.
VON MICHAEL SCHIFFBÄNKER
BISSENDORF. Billiganbieter und
steigende Rohstoffkosten haben
dafür gesorgt, dass die Zahl der
Bäcker-Betriebe in den vergangenen Jahren geschrumpft ist.
Doch die Bäcker der Region sehen eine Chance, den Abwärtstrend zu stoppen: Qualität.
Der Weg zur Bäckerei Kröger
führt vorbei an Feldern und Höfen
bis zu einer Parkbucht am Rand
von Bissendorf. Die Markise über
dem Schaufenster sieht aus, wie
eine weiße Markise eben aussieht,
wenn sie über Jahre dem Regen
und der Sonne ausgesetzt war.
Durch das Schaufenster ist das
Brotregal zu sehen. Werbung gibt
es nicht. Keine Banner, keine Aufsteller, nicht einmal einen Schriftzug auf der Markise. Nur ein
Schild an einem Metallgestänge
„Bäckerei und Konditorei Kröger“
steht darauf. Wenn der Wind
kommt, wackelt das Schild leicht.
Drinnen sitzt Hans Kröger im
Café auf einem weißen Sessel, ihm
gegenüber knistert ein Elektrokamin. Kröger hat die Schuhe ausge-
zogen. Wegen des Mehls, sagt er.
Macht Flecken auf dem dunklen
Fußboden. Er trägt noch das Weiß
der Backstube. 1980 hat der Bäcker- und Konditormeister den Familienbetrieb von seinem Vater
übernommen. So wie der ihn zuvor von seinem Vater. Seit 1911
steht die Bäckerei Kröger dort, wo
sie jetzt steht. Zum 100-jährigen
Bestehen kam der Bürgermeister,
und Hunderte von Grundschülern
sangen ein Geburtstagslied. Inzwischen sei er 60 Jahre alt, sagt Kröger. „Und dann kommt das leidige
Thema: Nachfolger.“ Eine Bäckerei übernehmen – das wolle heut
kaum noch jemand.
Der Markt der Bäcker in
Deutschland hat sich gewandelt.
Seit den 50er-Jahren sank die Zahl
der
Handwerksbetriebe
von
55 000 auf 14 000, und es geht weiter abwärts. In 15 Jahren würden
etwa noch 10 000 Betriebe in
Deutschland am Markt sein, mutmaßt Armin Werner, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks. Eine ähnliche Entwicklung
zeichnet sich auch im Osnabrücker Land und im Emsland ab.
Nach Statistiken der Handwerkskammer waren von den 219 im
Jahr 2002 gemeldeten Betrieben
im Oktober 2012 noch 163 übrig.
„Die Bäckerei um die Ecke verschwindet“, sagt Willi Wolke,
Obermeister der Osnabrücker Bäckerinnung. Nicht alle natürlich,
aber der Trend gehe zur Konzentration, zu Großbäckereien mit
mehreren Filialen. Viele Bäcker
hätten gleich ganz aufgegeben. Die
Gründe dafür sind nach Wolkes
Worten die explodierenden Rohstoff- und Energiekosten. An den
Börsen werden mit Saat, Getreide
und Früchten spekuliert. Das treibe die Preise zusätzlich. „Das
macht uns zu schaffen, egal ob
groß oder klein.“
In seinem Café in Bissendorf
hat sich Kröger beim Thema Energiekosten nach vorne gelehnt, die
Schultern etwas angehoben. Was
soll ich machen, sagt die Haltung.
„Maschinen abstellen geht ja
nicht.“ Hinter ihm tickt eine
Standuhr mit vergoldetem Pendel.
Verbands-Chef Armin Werner
ist kaum zu stoppen, wenn er
über die Gründe für die Probleme
der Bäckereien redet. Der demografische Wandel, sagt er. Der
wiege gleich doppelt schwer. Zum
einen sinke durch die abnehmende Bevölkerung der Bedarf nach
Bäckereien, zum anderen bedeuten weniger junge Menschen
auch weniger Lehrlinge. Haushalte schrumpften, und dadurch
werde das gemeinsame Frühstück
seltener. Außerdem will Werner
„Wir müssen
jeden Tag ran,
jeden Tag
kämpfen,
jeden Tag
präsent sein.“
Immer weniger Bäcker
Landkreis Emsland
Bäckereien und Konditoreien in der Region 1)
Landkreis Osnabrück
96
Stadtt Osnab
Stad
O
Osnabrück
snabrück
rück
94
81
77
29
2002
1) eingetragene Betriebe
76
68
25
2007
19
2012
Quelle: Handwerkskammer Osnabrück-Emsland · Grafik: Neue OZ/Michel
eine neue Abendbrotkultur ausgemacht haben, eine, die auf warmes Essen setzt. „Da sind wir
dann raus mit dem Brot“, sagt er.
Dazu komme die Generation der
unter 30-Jährigen: Die sei „voll
auf der Discounterschiene“, kaufe
vor allem in Backshops und Supermärkten, die Geld mit billig
produzierten und aufgebackenen
Teiglingen machten. Werner zerlegt das Problem in Teile wie eine
Brotschneidemaschine den Laib.
Wer ihm zuhört, verliert von Minute zu Minute mehr den Glauben daran, dass das Bäckerhandwerk eine Zukunft hat. Dann hört
Werner plötzlich auf und sagt, als
wäre nichts gewesen: „Schwanengesang ist nicht angesagt.“ Im
Klartext heißt das: Klagen ist
okay, aufgeben nicht.
Diese Maxime vertritt auch Peter Lüttel. Wenn der Bäckermeister aus Lingen über die Herausforderungen der Zukunft spricht,
klingt es, als stünde er vor einer
Fußballmannschaft, die kurz vor
dem Abstieg steht: „Wir müssen
jeden Tag ran, jeden Tag kämpfen,
jeden Tag präsent sein.“ Er prognostiziert einen weiteren Konzentrationsprozess. Die Industrie könne günstiger produzieren, deshalb
bleibe den kleineren Betrieben
nur eine Chance: Qualität.
Doch die kann nur liefern, wer
nicht angesichts steigender Kosten
in die Knie geht, wer nicht die
Trends verschläft und wer Kunden
mehr Service bietet als der Billigbäcker in der Fußgängerzone. Dazu gehöre eben auch das Rationalisieren und Automatisieren, sagt
Obermeister Wolke. Maschinenhilfe in der Backstube galt bei manchen lange Zeit als verpönt, heute
ist sie notwendig, um profitabel
arbeiten zu können. Zudem gilt
die Devise: voneinander lernen
und Netzwerke bilden. „Das müssen gerade die kleinen Betriebe
berücksichtigen“, sagt Wolke.
Der Bissendorfer Bäcker Kröger
hat sich längst mit anderen Bäckern zusammengeschlossen, um
beim Einkauf günstigere Preise zu
erzielen. Liefern seine Mitarbeiter
Waren aus, achten sie darauf, keine Leerfahrten zu unternehmen.
Viele Bäcker haben sich zu Gruppen zusammengeschlossen, tauschen Strategien und Erfahrungen
aus, um voneinander zu lernen
und keinen erfolgreichen Trend zu
verschlafen. Dennoch haben ihnen
die vergangenen Jahre vor Augen
geführt, dass es Sicherheit nicht
mehr gibt.
„Heute kann der Laden gut laufen, und in zwei, drei Jahren kann
es schon anders aussehen“, sagt
Kröger, als eine schwarze Katze
ins Café huscht. Diese Tiere bringen Unglück, sagt der Volksmund
– Kröger sagt: „Ksch!“ Dabei wedelt er mit den Armen, um das
Tier zu verscheuchen. Doch das
schlüpft lediglich hinter einen Tresen und damit außer Sicht. Der
Bäcker schaut hinterher. Dann
schmunzelt er und beginnt zu erzählen: Vor einem Jahr habe die
Katze vor der Tür gesessen. Sie bekam Milch, später Katzenfutter.
Seitdem gehört die Katze zum Betrieb, ist schon fast ein Maskottchen.
Schlechte Ware, die Konkurrenz
von Billigverkäufern, die Produktionskosten und der Nachwuchsmangel, die können einen Betrieb
gefährden, sagt Kröger. Aber ganz
sicher nicht ein Tier mit schwarzem Fell, das sich nichts aus Teig
macht.
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DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
BRANCHEN & BETRIEBE
Mehr als nur Tiefkühltruhe
Lebensmittel-Hersteller Apetito aus Rheine erwartet fünf Prozent Wachstum – Catering und Großküchen
VON WILFRIED ROGGENDORF
RHEINE. Die Tiefkühlbranche
boomt. Nach Angaben des deutschen Tiefkühlinstituts, dem
Dachverband der Hersteller
tiefgefrorener Lebensmittel, betrug der Pro-Kopf-Verbrauch in
Deutschland im Jahr 2011 40,4
Kilogramm. Viele Verbraucher
dürften, oft ohne es zu ahnen,
Produkte der in Rheine ansässigen apetito AG erhitzt und verspeist haben.
Wer das Unternehmen im Rheinenser Industriegebiet besucht, erlebt direkt am Empfang eine
Überraschung. Man würde vieles
erwarten bei einem Hersteller von
Tiefkühllebensmitteln, aber keinen ehemaligen Sterne-Koch. Robert Weber empfängt seit 20 Jahren die Gäste im mittags geöffneten Restaurant von Apetito. Doch
dieser Koch, der zwischen 1983
und 1992 im Walk’ schen Haus in
Weingarten seinen Michelin-Stern
über neun Jahre behaupten konnte, spiegelt die Philosophie des
Unternehmens wider. Apetito
setzt auf Qualität, Geschmack und
gesunde Ernährung. Warum das
so ist, macht Unternehmenssprecherin Ruth Fislage während eines
Rundgangs durch die Produktionsstätten deutlich.
Jedes Produkt, das die Großküche in Rheine mit ihren 500 oder
1000 Litern fassenden Kesseln verlässt, wird stichprobenartig gekostet. Ein vierköpfiges Team probiert – und wehe, es schmeckt
nicht wie gewollt. „Dann werden
die Köche hinzugeholt, und es
wird entschieden, ob wir einzelne
Komponenten des Gerichtes austauschen oder direkt die ganze
Charge vernichten“, so Fislage.
Neben der Geschmackskontrolle
müssen alle Mahlzeiten, die das
Werk in Rheine verlassen, auch
Untersuchungen im Labor bestehen. Dort wird jedes Produkt auf
eventuelle Schadstoffrückstände
untersucht, eine Nährwertanalyse
durchgeführt und die Ware auf
mikrobiologischer Basis getestet.
Diese Strategie der 1958 von
Karl Düsenberg gegründeten Gesellschaft scheint sich zu bewähren. Im Geschäftsjahr 2011 erzielte
Apetito einen Umsatz von 690
Millionen Euro. „Wir erwarten eine jährliche Umsatzsteigerung von
fünf Prozent“, gibt Fislage das Ziel
des sich nach wie vor im Familienbesitz befindlichen Unternehmens
wieder. Apetito, das Wort bedeutet
übrigens, aus dem Spanischen
übersetzt, nicht nur Appetit, sondern auch Lust, scheint Lust auf
mehr zu haben. Mehr als 8700
Vorher – nachher:
In der Entwicklungsküche
am Hauptstandort Rheine (unten)
bereiten Mitarbeiter neue Gerichte zu
oder verfeinern bestehende Rezepturen.
Die fertigen Produkte landen beispielsweise
in einer Düsseldorfer Schulküche (links).
Fotos: dpa, Wilfried Roggendorf
Schockwellen
nach dem
Skandal beim
Konkurrenten
Sodexo
blieben aus.
Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen mit seinen Tochterfirmen
in den Niederlanden, Großbritannien und Kanada nach eigenen
Angaben weltweit.
Dabei sieht sich Apetito gut aufgestellt. In vier Geschäftsfeldern
der Branche ist das Unternehmen
aktiv. 31 Prozent seiner Umsätze erzielt es im Ausland. Im Bereich des
Caterings werden 24 Prozent der
Umsätze erwirtschaftet. Als „Systemgeschäft“ bezeichnet die Apetito die Sparte der Gemeinschaftsund Individualverpflegung, die Tag
für Tag über verschiedene Organisationen an Menschen geliefert
wird, die sich ihr Essen nicht mehr
selbst zubereiten können. Damit
erzielt das Unternehmen 26 Prozent seiner Umsätze. Der Verkauf
über den Lebensmitteleinzelhandel
macht mit 19 Prozent den geringsten Anteil aus.
Die Apetito dürfte aber gerade
aus diesem Segment den meisten
Verbrauchern bekannt sein. „Wir
produzieren nicht nur seit 2003
unter dem Eigennamen Apetito,
sondern beliefern alle großen Einzelhandelsketten, beispielsweise
Rewe, Edeka und Aldi, mit unseren Produkten“, sagt Fislage. Auch
wenn es nicht draufsteht – in vielen Packungen von Tiefkühlkost
ist Apetito drin.
Am Erfolg der Rheinenser ändert auch der jüngste Skandal um
Tiefkühlkost nichts. Nachdem
Anfang Oktober über 10 000, vorwiegend Jugendliche in Kindergärten und Schulen, Opfer von
mit Noroviren infizierten tiefgekühlten Erdbeeren des Konkurrenten Sodexo geworden waren,
unter Durchfall und Erbrechen
litten, befürchteten viele in der
Branche einen Umsatzeinbruch.
Den sieht Fislage jedoch nicht.
„Die Verträge im Cateringbereich
sind auf mehrere Jahre geschlossen und nicht einfach zu kündigen“, sagt sie. Der Vorfall habe
bis jetzt keine Auswirkungen auf
die Apetito.
Trotzdem habe das Unternehmen natürlich etwas getan. „Viele
Kunden haben uns deswegen gefragt, und wir haben darauf sofort
reagiert, indem wir unsere Kunden schnell und umfassend informiert haben“, so Fislage.
Der Gründungsstandort Rheine des Unternehmens scheint gesichert. Im Industriegebiet Rheine-Nord verfügt die Apetito über
eine Fläche von 138 000 Quadratmetern. Gerade einmal 38 000
davon sind bebaut. Dies lässt
dem Unternehmen Raum für Erweiterungen, die es auch nutzt.
„Wir haben 2011 circa 30 Millionen Euro investiert, davon einen
großen Teil in ein Logistikzent-
rum hier in Rheine“, erklärt Fislage.
Der Rundgang endet bei einem
heißen Kaffee in der Kantine, in der
die Mitarbeiter täglich unter mehr
als 20 Gerichten aus eigener Produktion auswählen können. Dort
bekennt Unternehmenssprecherin
Ruth Fislage, sosehr es ihr in der
Kantine auch schmecke, „am Wochenende koche ich zu Hause
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DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
BRANCHEN & BETRIEBE
Rundumversorgung
nicht mehr nur im
Schweinehimmel
Das Familienunternehmen Heifo liefert
Spezialtechnik vor allem für Fleischereien
VON HENDRIK STEINKUHL
OSNABRÜCK. Wer das Angebot
des Osnabrücker Familienunternehmens Heifo knapp zusammenfassen will, muss zwangsläufig scheitern. Vom Großvater
eines der heutigen Geschäftsführer ist der Satz überliefert:
„Egal, was der Fleischer will –
von mir bekommt er es.“ Diesem
Anspruch wird das Unternehmen noch immer gerecht. Und
als Spezialist für Fleischereibedarf und Kältetechnik ist Heifo
heute ein wichtiger Partner der
gesamten Lebensmittelbranche.
Kältetechnik, Klima- und Lüftungstechnik, Transportkühlung,
Fleischereibedarf und Fleischereimaschinen – wie behält man da
noch den Überblick? „Es geht“,
sagt Martin Rüterbories. „Aber die
eine Abteilung weiß inzwischen
oft tatsächlich nicht mehr, was in
der anderen Abteilung passiert.“
Seit zehn Jahren leitet Rüterbories gemeinsam mit seinem
Schwager Björn Reckhorn das Traditionsunternehmen Heifo. Zu Beginn der Firmengeschichte im
Jahr 1856 war das Angebot noch
übersichtlich: Gründer Heinrich
Fettkötter bot in der Osnabrücker
Krahnstraße Stahl- und Silberwaren an, etwas später auch Jagdbedarf. Anfang des vergangenen
Jahrhunderts gliederte das Unternehmen dann einen Großhandel
für Fleischereibedarf an. Ende der
20er-Jahre kam die Kältetechnik
dazu, im Jahr 1954 schließlich
wurde der eingangs erwähnte
Großvater von Martin Rüterbories
zum persönlich haftenden Gesellschafter.
Bis heute ist Heifo ein Familienunternehmen geblieben. Doch aus
dem Einzelhandelsgeschäft für
Stahl- und Silberwaren hat sich
ein europaweit agierender Betrieb
entwickelt. Insgesamt beschäftigt
das Unternehmen 130 Mitarbeiter,
der Umsatz liegt bei 40 Millionen
Euro.
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor
in der Geschichte von Heifo ist der
Firmenstandort Osnabrück. „Um
uns herum ist praktisch die ganze
Fleischindustrie“, sagt Martin Rü-
terbories. Die Lage zwischen dem
„Schweinehimmel“ im Raum Cloppenburg und der Region rund um
die Fleischstadt Versmold habe die
positive Entwicklung des Unternehmens erst möglich gemacht.
Trotzdem hat sich Heifo in den
vergangenen Jahren von der Konzentration auf diesen Geschäftsbereich gelöst. „Wir waren zu fleischlastig“, sagt der Mit-Geschäftsführer Björn Reckhorn. Vor allem
BSE und andere Lebensmittelskandale haben zu einem Umdenken geführt. Vor zehn Jahren, so
Martin Rüterbories, sei Heifo noch
zu 90 Prozent von der Fleischindustrie abhängig gewesen. Inzwischen seien es nur noch 60 Prozent.
In der Zusammenarbeit mit Lebensmittel verarbeitenden Betrieben sieht sich Heifo als Anbieter
einer Rundumversorgung. „Es gibt
vielleicht Unternehmen, die stärker spezialisiert sind und sich zum
Beispiel beim Pökeln besonders
gut auskennen“, sagt Martin Rüterbories. Dem Kunden aber nütze
„Wir haben
großen Mangel
an Fachkräften
im Bereich
Kältetechnik.“
Sie führen das Familienunternehmen: die Heifo-Chefs Björn Reckhorn (links) und Martin Rüterbories.
das seiner Erfahrung nach wenig.
Heifo sei ein Systemlieferant, der
eben nicht nur die Bratwurst-Füllmaschine anbiete, sondern auch
die dazu passende EDV.
Zum Rundumservice gehört außerdem, dass Heifo seine Kunden
regelmäßig schult. „Wir vernichten damit wahrscheinlich einige
Aufträge – aber wir möchten unsere Kunden einfach in die Lage versetzen, bestimmte Dinge selbst erledigen zu können“, sagt Björn
Reckhorn.
Sollten allerdings Probleme mit
einer Kälte-Anlage auftreten, ist
der Kunde als Reparateur nicht
mehr gefragt. Dann schickt Heifo
seine Monteure los, die Anlagen in
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ganz Europa warten. Der Job ist
anspruchsvoll, die Mitarbeiter
müssen flexibel sein und tragen eine Menge Verantwortung – Anforderungen, die für viele junge Leute offenbar zu hoch sind. „Wir haben in diesem Bereich einen riesigen Fachkräftemangel“, sagt Martin Rüterbories. An Mitarbeitern,
die Kälte-Anlagen konzipieren,
mangele es nicht – an denen, die
sie bauen und warten, allerdings
schon.
Schwierig ist der Bereich Kältetechnik auch deshalb, weil die
Hersteller in einem fortwährenden Zwiespalt stecken. „Man kann
es so zusammenfassen: Entweder
man schädigt die Umwelt – oder
man tötet Menschen“, sagt Rüterbories. In der Vergangenheit waren Kühlmittel ausnahmslos Klimakiller. Inzwischen gibt es Alternativen, die den Treibhauseffekt
weit weniger fördern. Dazu gehört
das Kältemittel R1234yf, das Mercedes mit großen Hoffnungen getestet hat. „Inzwischen haben sie
es aber schon wieder abgeschafft.
Das Zeug ist brennbar und kann
Ihnen um die Ohren fliegen“, sagt
Rüterbories.
Auch Heifo forscht nach geeigneten Kühlmitteln, die möglichst
aus einer natürlichen Quelle stammen sollen. Und laut Rüterbories
hat das Unternehmen das Kältemittel der Zukunft bereits gefun-
Foto: Michael Hehmann
den: Ammoniak. „Wir haben sieben Mitarbeiter, die in diese Richtung arbeiten, und können schon
sehr gute Referenzen vorweisen“,
sagt er.
Es gebe nur sehr wenige Unternehmen, die Kälteanlagen mit einem
klassischen
künstlichen
Kühlmittel wie Frigen oder alternativ mit Ammoniak anbieten
könnten. Für Heifo aber ist genau
das die Zukunft: größtmögliche
Flexibilität, basierend auf einem
maximalen technischen Verständnis. Und am Ende gilt, ein wenig
erweitert, noch immer der Satz
von Martin Rüterbories’ Großvater: Egal, was der Kunde will –
von Heifo bekommt er es.
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DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
BRANCHEN & BETRIEBE
BRANCHEN & BETRIEBE
Würstchen
unter
Hochdruck
LEBENSMITTEL-PROZESSTECHNIK
Haltbare neue Welt
Ohne Hitze und
Chemie – Prozesstechnik der Lebensmittelbiotechnologie, die Lebensmittel
haltbar macht oder
den Ertrag von Rohstoffen aus ihnen
steigert:
Hochspannungsimpulsverfahren
(PEF): Bei dem Verfahren werden Zellwände mithilfe elektrischer Spannung
zerstört. So können
Inhaltsstoffe aus
den Zellen gewonnen, Mikroorganismen oder Enzyme in
Das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik
erforscht, was Menschen künftig essen
In Quakenbrück
stehen Kartoffeln
unter Strom.
Unter den
Auftraggebern: große
Lebensmittelkonzerne.
Das Ziel: besonders
haltbare und gesunde
Lebensmittel.
VON DÉSIRÉE THERRE
QUAKENBRÜCK. Im Deutschen Ins-
titut für Lebensmitteltechnik
(DIL) in Quakenbrück forschen
Wissenschaftler an den Lebensmitteln der Zukunft: Sie jagen
Strom durch Kartoffeln, setzen
Würstchen unter Druck oder
analysieren die Struktur von
Blätterteig. Das Ziel: Nahrung sicherer, gesünder und schmackhafter machen.
Viele Aufträge kommen von ganz
oben: Globale Lebensmittelriesen
wie PepsiCo, Nestlé, Kraft Foods
oder General Mills lassen in Quakenbrück neue Produkte entwickeln. Das DIL ist in erster Linie
Dienstleister, finanziert sich über
die Aufträge der Unternehmen –
darf als gemeinnützige Forschungsinstitution aber keinen Gewinn erzielen. Hinzu kommen internationale Forschungskooperationen von
der Türkei bis nach Taiwan. Seit
mehr als zwei Jahren hat das DIL
auch eine Zweigstelle in Brüssel.
Von dort wird das Wissenschaftsnetzwerk „High Tech Europe“ koordiniert. Es soll das Fundament für
das geplante Europäische Institut
für
Lebensmittelentwicklung
(EU-IFP) legen. Einige Forschungsprojekte am DIL werden auch von
der Europäischen Kommission unterstützt.
Ein Projekt, an dem das DIL
schon lange forscht: die Herstellung von Hochdruckwürsten. Nach
eigenen Angaben ist das DIL eine
der wenigen Institute, die über die
nötigen Anlagen im industriellen
Maßstab verfügen.
Lebensmittelingenieur Bajo Bajovic steht in weißem Kittel und
Haube in dem Labor. Das Gerät vor
ihm erzeugt mehr Druck als die
Wassermassen der Tiefsee. Ein Kollege legt ein Paket Würste in blaue
Plastikröhren, dann schiebt er diese in die Druckkammer. Drei Minuten unter Hochdruck, dann sind
die Grillwürstchen fertig. Der
Druck vernichtet krankheitserregende Mikroorganismen. „Bratwurst ist ein kritisches Produkt“,
sagt Bajovic. Frische Bratwurst sollte am besten direkt am Tag der
Herstellung aufgegessen werden.
Weil das aber nicht immer geht,
kommt sie in das Hochdruckgerät.
In dem silbernen Apparat wirken
bis zu 6000 Bar – an der tiefsten
Stelle des Meeres, dem Marianengraben im Pazifik, herrscht in mehr
als 11 000 Meter Tiefe ein Druck
von rund 1170 Bar.
Die Abteilung Hochdrucktechnologie legt aber nicht nur Würste in
die Druckkammer, auch Säfte beispielsweise werden unter Hochdruck länger haltbar gemacht. Aro-
Würste unter Druck: Techniker Markus Badewien legt sie in den Hochdruckautomaten. Ingenieurin Martina Weiss (r.) biegt einen strombehandelten Kartoffelstift.
mastoffe oder Vitamine bleiben erhalten – anders als bei einer Behandlung mit Hitze beim Zusatz
von Konservierungsstoffen.
Lebensmittel vor allem für lange
Transportwege haltbar zu machen
wird nach Ansicht der DIL-Forscher künftig eine immer größere
Rolle spielen. Hochrechnungen zufolge müssen im Jahr 2050 rund
neun Milliarden Menschen ernährt
werden. Laut der Ernährungs- und
Landwirtschaftsorganisation
der
Vereinten Nationen müsste dafür
doppelt so viel Nahrung produziert
werden wie heute. Oder eben andere: „Es ist kein Mengenproblem,
sondern eher ein Verteilungsproblem“, sagt Biotechnologe Volker
Heinz, seit 2006 Direktor des DIL.
Er sitzt in einem abgedunkelten
Konferenzraum, an der Wand ist
die Computerpräsentation zu sehen, die er vor ein paar Tagen in
Brüssel beim Treffen des Verbandes
europäischer Hersteller von Speziallebensmitteln gezeigt hat. Sie
stellt dar, wie neue Technologien
den Menschen helfen können.
Denn der Mensch hat versagt –
oder eher die Gesundheitserziehung, wie Heinz sagt. „Wir sind alle
fetter geworden.“ Es müsse nun darum gehen, wie Lebensmittel für
die Zukunft verändert werden können, um sie sicherer, gesünder und
schmackhafter zu machen.
Das ist eine Aufgabe für die Abteilung Produktinnovation. Dort löffelt
eine Mitarbeiterin in einem Labor
Gelatine-Pulver auf ein Schälchen,
um es zu wiegen. Eine einge-
schweißte Nussmischung liegt neben ihr. Was sie herstellt, darf die
Mitarbeiterin nicht verraten. Einen
neuen Müsliriegel vielleicht? Im
Raum nebenan wird an Füllungen
für Schokoladenprodukte getüftelt.
Nicht weit entfernt drückt eine Maschine – der Extruder – hellbraune
dickflüssige Masse als Strang auf ein
Fließband. Der Extruder funktioniert wie eine überdimensionale
Spritztülle. Durch ihn wird am DIL
alles gequetscht: von Fleisch bis
Erdnussmasse für Flips, von Fleischanaloga wie Soja, Erbsen oder Kartoffeln bis hin zu Getreide für das
Frühstücksmüsli oder Knäckebrot.
Was genau hier produziert wird,
bleibt ein Geheimnis.
Ingenieurin Martina Weiß verändert auf andere Weise die Eigen-
Lebensmitteln zerstört werden. Vitamine und Aromen
bleiben erhalten.
Ähnliche Wirkung
erzielt die Hochdruckbehandlung
(HPP). Bakterienzellen werden durch eine Kombination von
Druck- und Temperaturbehandlung
zerstört. Die HPP
wird beispielsweise
bei der Saftproduktion genutzt, um
mehr Saft aus der
Zelle zu gewinnen.
Dabei wirken Drücke
von bis zu 800 Me-
Fotos: Egmont Seiler
schaften einer Kartoffel.
Sie setzt sie unter Strom.
Dann beugt sich Weiß
über eine Presse und begutachtet die Kartoffelstücke, die sie da herausdrückt. Der etwa drei Zentimeter lange Kartoffelstift
lässt sich zu einem Kringel
verbiegen, ohne zu brechen – eine wichtige Eigenschaft
für Pommes frites. Mit sogenannten gepulsten ionisierten Feldern
wird auch die Zellstruktur von Tomaten oder Zuckerrüben weicher
gemacht, damit sie sich besser verarbeiten lassen. Die strombehandelte Kartoffel sieht glatter aus als
die unbehandelte. „Ich könnte mir
vorstellen, dass an der glatten
Oberfläche das Fett nicht so haf-
tet“, sagt Weiß. Ob das beim Frittieren tatsächlich der Fall ist, hat sie
noch nicht untersucht. Es wäre allerdings ein weiteres Plus für die
Strom-Kartoffel.
Verabschieden müsse man sich
von dem Gedanken, „alles frisch
vom Feld zum Verbraucher zu bringen“, sagt Volker Heinz. Ein Keks
wachse schließlich auch nicht am
Baum. Alle Lebensmittel seien vom
Menschen verändert. Er bricht einen Blätterteigkeks durch, dessen
gefächerte Struktur ist zu erkennen. „Wir müssen an der Struktur
angreifen“, sagt Heinz. Dort, wo
man die Veränderung nicht sehen,
aber schmecken kann.
Das ist das Reich von Ute Bindrich, in der Abteilung für Lebensmittelphysik geht es um Größen,
die viel kleiner sind als ein Staub-
gapascal (MPa) –
der Druck eines Autoreifens liegt bei etwa 0,2 MPa.
Plasmatechnologie: Ein Gas – in der
Lebensmitteltechnologie häufig Stickstoff oder Argon –
wird durch ein elektrisches Feld geschickt. Diesem Prozess werden die Lebensmittel ausgesetzt. Dabei werden
die Zellmembranen
unerwünschter Mikroorganismen beschädigt – und diese
zerstört.
korn. Mit dem Rasterkraftmikroskop werden Oberflächen im Nanometerbereich erkundet. Die Nadel
des Graphen tastet die Oberfläche
ab wie jemand, der seinen Weg
durch die Dunkelheit erfühlt. „Das
funktioniert wie ein Plattenspieler“,
erklärt Doktorandin Dana Lampe.
Jede Kante und Stufe, die von der
Nadel erfasst wird, wandelt das Mikroskop in ein Computersignal um.
Die Abbildungen auf dem Computerbildschirm erinnern an eine
Mondlandschaft. Wenn die Struktur eines Produkts bekannt ist,
können die Forscher sie auch verändern – und Zutaten austauschen.
Eiweiße statt Fett oder Pflanzenfasern statt Fleisch beispielsweise.
Sie könnten tun, was Industrie,
Handel, Politiker und Verbraucher
nicht schaffen: den Überfluss bändigen. Allerdings könne es nicht
darum gehen, das Fett im Blätterteig zu reduzieren und durch Kohlenhydrate zu ersetzen. „Die machen genauso dick“, sagt Volker
Heinz. Wenn der Verbraucher nicht
bereit sei, seinen Lebensstil zu ändern, dann müssten die Lebensmittel verändert werden. Ein Hamburger ohne Fleisch sei nicht nur gesünder, sondern spare auch Ressourcen bei der Produktion. „Bioerzeugnisse bringen uns da nicht
weiter“, sagt Heinz über die Herausforderung, immer mehr Menschen mit weniger Rohstoffen zu
versorgen.
„Fette Nationen
produzieren mehr Abfall“
Lebensmittelforscher Dietrich Knorr über unsichtbare
Technologien und die Wegwerfgesellschaft
VON DÉSIRÉE THERRE
mission der Deutschen Forschungsgemeinschaft bewertet die
Sicherheit. Sie ist grundsätzlich bei
diesen Methoden gewährleistet. Es
kommt jedoch immer darauf an,
im Einzelfall zu entscheiden. In
manchen Ländern steht dann auf
der Verpackung: Mit schonender
Hochdrucktechnologie behandelt.
In anderen steht nichts. Das wird
immer wieder den Herstellern
überlassen.
OSNABRÜCK. Dietrich Knorr
forscht im Fachgebiet Lebensmittelbiotechnologie und -prozesstechnik an der Technischen
Universität Berlin. Der Professor ist Präsident der „European
Federation of Food Science and
Technology“, einer Gemeinschaft europäischer Lebensmitteltechnologen mit Sitz in Wageningen in den Niederlanden
sowie Beiratsmitglied des Deutschen Instituts für Lebensmitteltechnik in Quakenbrück.
Herr Professor Knorr, wie
muss Ernährung künftig aussehen?
Das größte Problem sind immer
noch verunreinigte Lebensmittel.
Diese müssen haltbarer und damit
sicherer gemacht werden. Das geht
nur über Technologien. Diese sollten nachhaltig sein: energieschonend bei der Verarbeitung, abfallfrei und ohne große Wassermengen.
Welche Verfahren sind das
beispielsweise?
Wir arbeiten viel mit Hochspannungsimpulsen, wo auch das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik aktiv ist. Dabei wird Strom
über die Zelloberfläche gejagt, sie
wird dadurch durchlässig, und den
Verfall fördernde Mikroorganismen gehen kaputt.
Sie wollen die Haltbarkeit von
Lebensmitteln
verlängern:
Brauchen wir denn Joghurt, der
drei Jahre haltbar ist?
Nein, wozu denn? Wir alle sollten lernen, dass Lebensmittel verderblich sind. Sie brauchen ausschließlich eine Haltbarkeitsverlängerung, um auch über lange
Dietrich Knorr.
Foto: privat
Strecken transportiert werden zu
können. Wir behandeln die Lebensmittel eben mit physikalischen
Methoden wie Druck statt mit chemischen Konservierungsstoffen. So
bleibt die Natürlichkeit erhalten.
Zugleich verbessern wir auf diese
Weise Verdaulichkeit, Geruch, Geschmack oder Farbe von Lebensmitteln.
Sie forschen also daran, einen
Apfel röter und knackiger zu
machen?
Nicht röter und knackiger, aber
ich möchte ihn in seiner Rotheit
und Knackigkeit erhalten. Ein
amerikanischer Kollege nennt das
die unsichtbare Technologie: die
Karotte, die wie eine Karotte ausschaut und schmeckt, aber trotzdem werden schädlichen Mikroorganismen abgetötet.
Haben diese „unsichtbaren“
Verfahren denn Auswirkungen
auf unsere Gesundheit?
Sie sind schonender als die konventionellen Methoden. Eine Kom-
Im WABE-Bildungszentrum dreht sich
alles um nachhaltige Ernährung
OSNABRÜCK. Im WABE-Zentrum
wird gekocht, gebacken, unterrichtet, experimentiert und gekäst – ein Multi-Einsatzort rund
um gesunde Ernährung und nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln. Zwar gehört die Bildungseinrichtung zur Hochschule Osnabrück, doch ihre Angebote
richten sich längst nicht nur an
Studierende und Professoren.
Auch Schülergruppen kommen
auf ihre Kosten.
Um die Geschichte des WABE-Zentrums zu verstehen, schaut man sich
den Namen der Bildungseinrichtung am besten noch mal etwas genauer an: „Waldhof-Aktion-Bildung-Erleben“ bringt nämlich genau das auf den Punkt, was den
Ausschlag zur Gründung des
WABE-Zentrums gab – und was es
noch heute ausmacht.
Der benachbarte Versuchsbetrieb
„Waldhof“ besteht zwischen Lechtingen und Rulle bereits seit 1986.
Seit über 20 Jahren baut die Hochschule hier unterschiedliche Kartoffelsorten und Pflanzen unter ökologischen Landwirtschaftsbedingungen an und hält Tiere.
Einige selbst angebaute Lebensmittel wurden schon damals im
Hofladen verkauft. Nach und nach
sei dann der Gedanke entstanden,
dass der Waldhof allein noch einen
wichtigen Aspekt auslasse, wenn es
darum gehe, einen Teil von dem,
was an der Hochschule passiere,
auch an Verbraucher, Schüler, Lehrer und andere Multiplikatoren weiterzureichen, erklärt Dorothee Straka, die Versuchsbetriebsbeauftragte
des WABE-Zentrums.
Neben dem Lebensmittel-Anbau
und den Versuchsreihen, die am
Waldhof stattfinden, würde sich eine Einrichtung zur Verarbeitung
von Lebensmitteln und zur Schu-
Käsemachen gehört zum Praxisangebot des WABE-Zentrums zwischen Lechtingen und Rulle.
Foto: Jörn Martens
lung rund um das Thema gesunde
Ernährung hervorragend machen.
So weit die Idee. Dank der finanziellen Unterstützung der Rut-und
Klaus-Bahlsen-Stiftung wurde daraus schnell Realität: 2004 öffnete
das wabenförmige WABE-Zentrum
neben dem Waldhof seine Türen.
Schülergruppen,
Studierende,
Lehrer und interessierte Verbraucher gehen seitdem regelmäßig ein
und aus. „Schulklassen pflanzen im
Frühjahr zum Beispiel ihre eigenen
Kartoffeln, die sie dann im Herbst
selbst ernten“, berichtet Straka.
In der Versuchsküche geht es anschließend um die Frage, was man
mit den Knollen anstellen kann. Rezepte werden ausprobiert, Kinder
verfolgen den Weg der Knolle bis
auf den Teller. „Dafür sind wir da“,
sagt Straka: „Wir informieren Verbraucher rund um den nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln,
über nachhaltige Lebensmittelverarbeitung und Ernährung.“
An dieser Stelle kommen auch
Studierende des ernährungswissenschaftlichen Studiengangs „Ökotrophologie“ ins Spiel: In Praxiseinheiten können sie in der hauseigenen
Käserei des WABE-Zentrums Käse
produzieren. Im Augenblick laufe
auch ein Projekt zum Sojaanbau,
berichtet Straka, die als Professorin
für Ernährungskommunikation immer im direkten Kontakt mit den
Ökotrophologie-Studenten
steht.
Mit Masterstudierenden habe sie
zum Beispiel schon geschaut, inwiefern man aus diesem Soja Tofu herstellen kann.
Eine Möglichkeit für Endverbraucher, einen Blick hinter die Kulissen
von Waldhof und WABE-Zentrum
zu werfen, ist das jährlich stattfindende Kartoffelfest. Hier stehen traditionell nicht nur die eigenen Kartoffeln, sondern auch Verarbeitungsvarianten, der eigene Käse, aktuelle Versuchsreihen und Projekte
der Studierenden im Mittelpunkt.
Ist diese Entwicklung noch
zurückzuschrauben?
Nein. Wenn Sie wüssten, was in
der Lebensmittelverarbeitung an
Reststoffen verloren geht, wenn
man nur ein bestimmtes Produkt
aus einem bestimmten Rohmaterial gewinnen will . . . Bis zu 40 Prozent des Rapses bei der Biodieselherstellung werden entweder an
Tiere verfüttert oder verbrannt –
das sind wertvolle Eiweiße.
Technologie ist also die eine
Sache, Esskultur die andere?
Wenn sie bedenken, dass wir alle
drei Wochen unser eigenes Körpergewicht an Lebensmitteln zu uns
nehmen und die gleiche Menge an
Flüssigkeit, da würde man meinen,
dass die Wertschätzung für Nahrungsmittel etwas höher ist, als sie
es tatsächlich derzeit ist. Aber das
sind keine technologischen Probleme, die unsereiner lösen kann, sondern soziale.
Selbst gemacht
VON STEFANIE HIEKMANN
Die nationale Forschungsstrategie „Bioökonomie 2030“
hat sich eine biobasierte Wirtschaft zum Ziel gemacht – das
bedeutet auch eine nachhaltige
Nutzung von Ressourcen. Wie
kann das gelingen?
Wir haben diese biobasierte
Ökonomie schon seit 40 oder 50
Jahren. Aber dann kam die Monokultur Soja und hat alles verdrängt. Ein erster Schritt wäre, das
bekannte Wissen wieder zu reaktivieren. Das Wichtigste jedoch ist,
Abfall zu vermindern. Wir schmeißen über 50 Prozent weg. Es wäre
wichtig, Kinder und Erwachsene
Respekt vor Lebensmitteln zu lehren. Gerade in den reichen Ländern. Das klingt jetzt zwar plakativ,
aber fette Nationen haben mehr
Abfall und produzieren somit einen größeren Beitrag zur Klimaveränderung.
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14
DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
BRANCHEN & BETRIEBE
An der Salatbar wird es persönlich
In der neuen Mensa des Studentenwerks Osnabrück soll Schluss sein mit langen Schlangen und Standard-Essen
VON MARIE-LUISE BRAUN
OSNABRÜCK. Ein Teller, gefüllt
mit Standardkombinationen
aus Gemüse, Fleisch, Teigwaren, dazu ein Schälchen Nachtisch. Das war einmal. Heute
können sich Studierende ihr Essen selbst zusammenstellen. Das
liegt bundesweit im Trend, und
so soll es auch in der neuen
Mensa des Studentenwerks Osnabrück sein. In diesen Tagen
wird sie eröffnet.
„Der Gast muss sich wohlfühlen“,
darauf sei alles in dem neuen
Mensagebäude am Westerberg in
Osnabrück abgestimmt, sagt Annelen Trost, als Leiterin der Hochschulgastronomie des Studentenwerks Osnabrück zuständig für
den Betrieb der Mensa.
Der Service-Gedanke prägt die
Wortwahl. Denn spricht Trost von
den Studierenden, Lehrenden und
Mitarbeitern der Hochschulen,
nennt sie sie „Kunden“.
Die sollen möglichst ohne Warterei zu ihrem Essen kommen,
auch in den Stoßzeiten zur Mittagszeit. Das ist sportlich: Bis zu
5000 Essen pro Tag können die
Köchinnen und Köche in der neuen Mensa täglich zubereiten. Hinzu kommen die Angebote der Cafeteria.
Doch von Anfang an: Das Gebäude ist von der Tür an auf Effizienz ausgelegt. Im Eingangsbereich unterstützt die Gestaltung
den Verkehrsfluss der Gäste. Im
hinteren Bereich haben die Architekten des Planungsbüros Rohling
den Schwerpunkt auf Arbeitsabläufe wie Lieferung, Zubereitung
des Essens, Reinigung des Geschirrs und Abtransport der Reste
konzentriert.
Beim Betreten der Mensa fällt
der Blick auf die Treppe, über die
die Gäste in den ersten Stock geleitet werden. Oder sie biegen
gleich rechts ab zur Cafeteria mit
Platz für über 300 Kaffeedurstige.
Montags bis donnerstags sind hier
von 9 bis 21 Uhr Getränke und
kleine Gerichte erhältlich, freitags
bis 16.30 Uhr.
Auch mit der Vermischung von
Cafeteria und Mensa – an anderen
Hochschulen „Mensateria“ genannt – hat das Studentenwerk einen Trend aufgegriffen. Die Mensa
– verkürzt aus den lateinischen
Worten „mensa academia“ für
„Mittagstisch der Universität“ –
hat täglich von 11.30 bis 14.15 Uhr
geöffnet. In zwei Räumen bietet
sie rund 1000 Gästen Platz. Die
Platz für 1000 Esser: Die jüngste Osnabrücker Mensa – hier kurz vor der Eröffnung – entstand nach neuesten kantinengastronomischen Erkenntnissen.
haben über wandhohe Fenster einen guten Ausblick nach draußen.
Kuppeln in der Decke lassen Sonnenlicht hinein.
Besonders edel wirkt der Boden
aus Eichenparkett. „Das ist erst
einmal etwas teurer, hält aber
lang“, weiß Manfred Blome, Gebäudemanager der Universität Osnabrück, aus seinen Erfahrungen
in der Mensa am Schlossgarten.
Was früher „Essensausgabe“ hieß,
ist heute der „Freeflow-Bereich“.
Dort können sich die Mensagäste
an zwei gegenüberliegenden Punkten ihr Essen zusammenstellen, an
beiden werden alle Speisekomponenten angeboten.
Zwischen die Ausgabestellen
kommt etwas Besonderes: „Da ist
ein Frontcooking-Bereich eingeplant“, sagt Bärbel Helmig, Projektleiterin der Hochschule Osnabrück
für den Mensabau. Hier sollen Gäste den Köchen beim Zubereiten der
Speisen zusehen können.
An der Salatbar geht es persönlich zu, hier werden die Gäste von
Mitarbeitern bedient. Sie sollen
sich „angesprochen fühlen“, sagt
Fotos: Jörn Martens
Trost. Ein paar Schritte weiter
wieder Selbstbedienung: Hier können sich Gäste Getränke zapfen
oder Flaschen ziehen.
Nach dem Essen verschwinden
die Tabletts mit dem benutzten
Geschirr hinter einer Wand zur
Reinigung in einer der beiden
Waschstraßen. 34 Tabletts schafft
jede von ihnen pro Minute.
Nicht mehr weit ist es von hier zum „Freeflow-Bereich“ und zum „Frontcooking-Bereich“ der
Letzte Handgriffe vor der Eröffnung: Annelen Trost, Leiterin der Hochschulgastronomie des
Mensa. Dort können die Studenten ihren Hunger stillen.
Studentenwerks Osnabrück.
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Riesige Herde und weitere Geräte
für die Speisezubereitung reihen
sich dort auf. 20 Millionen Euro
Gesamtbaukosten stecken in dem
fertiggestellten Mensagebäude.
Einiges davon kostet die sogenannte Nassmüllanlage, in der die
Speisereste gepresst werden und
auf ihren Abtransport warten. Die
Anlage wie Kühl-, Lagerräume,
Zulieferung befindet sich im Erdgeschoss.
Geplant und konstruiert haben
die Erbauer das gesamte Gebäude
auf Grundlage ihrer Erfahrungen
in den bisherigen Mensen des Studentenwerks. Sie sollen auch in
die neue Mensa auf dem Campus
Lingen der Hochschule Osnabrück
einfließen, die das Studentenwerk
Anfang 2014 eröffnen will. Weiter
geht es dann in einer Mensa in
Vechta, die nach ähnlichem Konzept umgebaut werden soll.
Zurück nach Osnabrück: Kurz
vor der Eröffnung der neuen Mensa am Westerberg hat Annelen
Trost nur einen Wunsch: „Ich hoffe, dass unser Konzept nach ein
paar Tagen Eingewöhnung so aufgeht, wie wir es geplant haben.“
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DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
BRANCHEN & BETRIEBE
„Biofleisch ist
ein Nischenprodukt“
Boom auf niedrigem Niveau – Handel sieht Wachstumspotenzial
VON KLAUS-PETER JORDAN
MINDEN/VISBEK. Nachdem die
Bio-Bauern zwei Jahre lang
kleine Brötchen backen mussten, hat der Bio-Zug im vergangenen Jahr wieder deutlich
Fahrt aufgenommen. Um fast
zehn Prozent auf rund 6,6 Milliarden Euro stieg der Umsatz mit
Bio-Lebensmitteln in Deutschland. Allerdings kommen die
„ökologisch korrekt“ produzierten Lebensmittel auch nach diesem Zuwachs nur auf einen Anteil von 3,7 Prozent an den gesamten Lebensmittelausgaben
der Deutschen.
Am meisten lieben die Deutschen
die Bio-Möhre. Sie hat nach Angaben der Agrarmarkt Informations
GmbH (AMI) fast ein Drittel des
Möhren-Marktes erobert. Noch
ziemlich bio-düster sieht es hingegen an der Fleischtheke aus. Gerade einmal 1,1 Prozent des Marktes
ist laut AMI Bio; bei Geflügel sind
es sogar nur 0,5 Prozent. Den
Grund hierfür sieht der Informationsdienst Ökolandbau im Biopreisaufschlag, der bei Fleisch wegen höherer Produktionskosten
deutlich größer ist als bei Gemüse
oder Obst und sich schwer beim
Verbraucher durchsetzen lasse.
Wie schwierig das Geschäft mit
Biofleisch ist, hat auch Deutschlands Geflügel-Tycoon, die zur
PHW-Gruppe gehörende Wiesenhof aus Visbek im Kreis Vechta,
erlebt. 2002 stiegen die Visbeker
mit einem „Weide-Hähnchen“ in
den Bio-Geflügelmarkt ein. Doch
das kam nie ins Laufen – wohl
auch, weil es dreimal so teuer wie
ein konventionell erzeugtes Hähnchen war – und wurde mittlerweile beerdigt. „Wiesenhof“ produziert nun gar kein Bio-Geflügel
mehr selbst, sondern lässt seine
Bio-Ware beim Marktführer Biofino aus Emstek im Landkreis Cloppenburg aufziehen. Dort will man
derzeit zur Entwicklung nichts sagen. Seinen Marktanteil bei der
Verarbeitung von Bio-Geflügel gibt
das Unternehmen im eigenen Internetauftritt mit „mehr als 50
Prozent“ an.
Wiesenhof-Sprecherin
Maria
Große Böckmann nennt als Absatz
2000 Bio-Tiere pro Woche. Bei etwa 4,5 Millionen konventionell erzeugten Tieren wöchentlich liegt
der Bio-Absatz damit bei Wiesen-
hof gerade einmal bei 0,04 Prozent. „Biofleisch ist ein Nischenprodukt für eine kleine Klientel“,
räumt denn auch Peter Wesjohann
ein, Vorstand des Geflügel-Marktführers PHW mit zuletzt 2,23 Milliarden Euro Umsatz.
Diese Einschätzung teilt die
Edeka Hannover-Minden, größter
Einzelhändler in Norddeutschland. „Biofleisch- und Wurstwaren
sind nach wie vor ein Nischenprodukt“, sagt Edeka-Sprecher Andreas Laubig. Bei der Fleisch-Eigenmarke „Bauerngut“ liege der Umsatzanteil von Bio unter einem
Prozent. Auch Laubig verweist auf
den „markanten Preisunterschied
zu konventioneller Ware“.
Woher kommen die Kosten, die
Biofleisch in der Herstellung so
viel teurer macht als konventionell
erzeugtes Fleisch? Die genauen
Vorschriften für Bio füllen allein
auf EU-Ebene mehrere Hundert
Seiten. Der Informationsdienst
Ökolandbau hat die wichtigsten
Prinzipien für die Tierhaltung so
zusammengefasst:
● Die Tierarten und -rassen
sollen an die Standortbedingungen angepasst, vital und
widerstandsfähig sein.
● Die Tiere stammen aus eigener
Nachzucht oder von anderen
ökologischen Betrieben.
● Den Tieren ist Auslauf im Freien
und je nach Tierart Weidegang
zu gewähren.
0,5 Prozent
des Geflügels in
der Fleischtheke
sind bio.
Das Umfeld der Tiere muss
hinsichtlich der Belüftung, der
Lichtansprüche und des Platzund Komfortbedarfs artgerecht
gestaltet sein und das natürliche
Sozialverhalten ermöglichen.
● Eine ganzjährige Anbindung
ist nicht erlaubt.
● Vollspaltenböden sind nicht
zulässig
● Ferkel und Hühner werden
nicht in Käfigen gehalten.
● Das Futter muss ökologischer
Herkunft sein, so weit wie
möglich vom eigenen Betrieb.
● Der Einsatz von Hormonen,
Wachstums- und Leistungsförderern ist verboten.
● Der vorbeugende Einsatz von
Medikamenten, Antibiotika usw.
ist nicht erlaubt.
● Eingriffe am Tier wie Zähnekneifen, Kupieren des Schwanzes,
Stutzen der Schnäbel usw. dürfen nicht systematisch angewendet werden.
„Bei den hiermit verbundenen höheren Investitions- und Futterkosten bleibt es schwierig, neue Landwirte für die Bio-Mast zu gewinnen“, stellt der Bund Ökologische
Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), der
Spitzenverband von Erzeugern, Verarbeitern und Händlern ökologischer Lebensmittel in Deutschland,
fest. Er hält die Preisunterschiede
eher noch für zu gering, um Landwirte zur Umstellung ihres Betriebs
auf Bio zu animieren. Außerdem sitze den Bio-Erzeugern ständig die
Angst im Nacken, die Verbraucher
könnten bei Erhöhungen preissensibel reagieren. Denn auch das ist
Fakt: Bio-Kunden essen weniger
Fleisch als der Durchschnittskunde.
Im vergangenen Jahr allerdings
waren diese Ängste grundlos.
Trotz stärkerer Preiserhöhungen
als bei konventionellem Fleisch
boomte Bio-Fleisch. Der Informationsdienst AMI hat 2011 Umsatzsteigerungen – auf dem niedrigen
Niveau – von 40 Prozent ausgemacht. Die Edeka-Marke „Bauerngut“ legte bei Bio insgesamt zwar
nur um knapp sieben Prozent zu,
bei den Wurstartikeln aber um 28
Prozent. Das hat auch Vertriebsgeschäftsführer Wolfgang Junglas
Mut gemacht: „Wir sehen noch
Wachstumspotenziale im Biosegment“, verkündet er.
Doch insgesamt sieht die Branche Bio in der Nische gefangen.
Ein Aspekt aus Bio scheint die
Verbraucher allerdings – aufge●
Biofleisch-Konsum steigt
Umsatzwachstum bei Bionahrungsmitteln 1)
39,6
Frischfleisch
31,9
Eier
21,9
Heißgetränke
20,1
Fleischersatz
Nahrungsfette (Butter, Öle)
15,1
1) von 2010 auf 2011 in Prozent
schreckt durch schlimme Bilder
und Berichte über leidende Tiere –
immer stärker zu interessieren:
das Tierwohl. Es gebe eine gewisse
Klientel, „für die Kriterien wie
Biofutter nicht ausschlaggebend
sind, die jedoch gerne mehr bezahlen, wenn sie dabei ein Mehr
an Tierwohl fördern können“, ist
sich Josef Bachmeier, Mitglied im
Quelle: AMI · Grafik: Neue OZ/Michel
Beirat Tierschutzlabel des Deutschen Tierschutzbundes, sicher.
Bei einer reinen Tierwohl-Variante
könnte der Preisabstand zu konventioneller Ware auch kleiner
ausfallen, meint man bei „Bauerngut“ und wartet schon auf ein
neues Tierschutzlabel.
Wiesenhof ist seit gut einem
Jahr mit solchen Produkten auf
dem Markt. Vom Erfolg ermutigt,
hat Wiesenhof die Zahl der Aufzucht-Höfe für diese „Tierwohl-Variante“ von zwölf auf fast 30 mehr
als verdoppelt. 40 Prozent mehr
im Laden muss der Verbraucher
für ein besseres Gewissen zahlen.
Und „Wiesenhof“ bekommt dafür
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DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
BRANCHEN & BETRIEBE
Käsemachen aus
Leidenschaft –
trotz EU-Bürokratie
Kleine Bio-Bauernhöfe tun sich schwer
damit, alle Brüsseler Auflagen zu erfüllen.
VON SANDRA DORN
BISSENDORF. Auf einem stillen
Fleckchen Land bei Osnabrück
haben sie sich ihren Lebenstraum vom eigenen Biohof erfüllt: Gudrun Schwämmle und
Thomas Lunau stellen in Bissendorf-Astrup in liebevoller Handarbeit Feinkost-Käse her. Doch
was anmutet wie die perfekte
Landidylle, ist auch ein permanenter Kampf gegen die EUBürokratie.
Nebel liegt über den Feldern. Ein
Schaf blökt von Ferne, die Schweine dösen im Matsch. „Im Winter
entschleunigt sich alles“, sagt Landwirtin Gudrun Schwämmle lächelnd. Doch zum
Entspannen
bleibt trotzdem wenig Zeit: Brot
backen, den Hofladen betreuen, die
30 Schweine versorgen und alle
zwei Wochen ein paar von ihnen
schweren Herzens zum Schlachter
bringen – die Liste der Arbeiten auf
dem Hof „Dicke Eiche“ ist auch im
Winter lang. Ihre Zeit können
Schwämmle und ihr Mann sich
jetzt aber frei einteilen.
Der Milchfluss der 40 Mutterschafe ist versiegt – und damit fällt
das Melken und Käsemachen weg,
das sonst den Takt vorgibt. Im Leib
tragen die Tiere aber schon den
Nachwuchs. Ein Schafbock namens
„Herr Lehmann“ hat in der zweiten
Septemberwoche ganze Arbeit geleistet.
Im Frühjahr, wenn die Lämmer
zur Welt kommen, wird Schwämmle wieder Käse herstellen – aus den
60 Litern Milch, die ihr Mann täglich melkt. „Klack, klack, klack“
macht dann die Vakuumpumpe,
untermalt vom sonoren Brummen der Melkmaschine. Zweieinhalb Stunden lang, jeden Morgen und jeden Abend.
„Für uns
läuft immer
Geld durch die
Schläuche“, sagte
Thomas Lunau im
vergangenen
Mai
schmunzelnd
und
steckte das Melkgeschirr an das nächste
Thomas Lunau und Gudrun Schwämmle leben von der Schafskäseproduktion. Doch die neue EU-Lebensmittel-Infoverordnung bedroht ihre Land-Idylle.
Euter. Der Aufwand ist gewaltig.
Zum Vergleich: Eine Kuh gibt etwa
30 Liter Milch bei einem einzigen
Melkvorgang. Um dieselbe Menge
Milch zu bekommen, muss Thomas
Lunau vierzig Euter reinigen, das
Melkgeschirr anstecken und wieder
abziehen.
Ist der Edelstahlbehälter mit
Milch gefüllt, beginnt für Gudrun
Schwämmle die eigentliche Arbeit.
Der Blick auf die Uhr in ihrer kleinen Käserei ist das Wichtigste: „Käsemachen ist ein Minutengeschäft“,
sagt sie. Wenn sie den richtigen
Zeitpunkt nach Zugabe der
Bakterienkulturen verpasst,
riskiert sie, dass der Käse
zu kräftig wird oder nicht
die gewünschte Konsistenz bekommt. Das Käsemachen hat die Bio-Landwirtin vor 27 Jahren auf einem Ziegenhof in der Nähe
von Bayreuth gelernt, erzählt sie,
während sie Arbeitsfläche und Käseformen desinfiziert. Vor 17 Jahren erfüllten sie und ihr Mann sich
dann den Traum vom eigenen Biohof.
Exakt zwei Stunden nach Zugabe
des Labs ist es so weit: Die Milch
ist fest geworden, nun zählt jede
Minute. Ein Postbote, der am Fenster klopft, wird abgewiesen. „Stellen Sie das Päckchen vor die Tür“,
ruft Schwämmle. Mit einem langen
Messer schneidet sie die Masse in
Scheiben, und mit einer Art Schaufel zerteilt sie den sogenannten
Bruch schließlich in walnussgroße
Stücke. Die Masse verschöpft die
Landwirtin geschickt in kleine
Förmchen. Teilweise gibt sie vorher
noch Basilikum oder Wiesenkräuter hinzu. Nach kurzer Zeit erkennt
man bereits das Endprodukt:
Weichkäsetaler. Zuletzt werden die
Taler eingesalzen und sind fertig.
Anders als Schwämmles Pecorino,
Rotweinkäse oder roter Astruper
müssen sie nicht reifen.
Die Kräuter wachsen zwar im
Sommer in Schwämmles Garten,
aber verwenden darf sie sie nicht.
Der Grund: die strengen Lebensmittelverordnungen der EU. „Jede
Zutat muss eine Schadensnummer
haben.“ Schwämmle seufzt. „Ich
muss die Kräuter deshalb bei einem Biogärtner kaufen.“
Seit sie und ihr Mann vor dreieinhalb Jahren eine EU-Zulassung
für ihre Käserei beantragten, führt
Gudrun Schwämmle an jedem Tag
der Käseproduktion Protokoll: Wetter und Temperatur werden festgehalten, sie muss regelmäßig Wasserproben, Käseproben und sogenannte Abklatschproben von Wänden und Tischen einschicken. „Mit
unseren gerade mal 7000 Litern
Abbildung zeigt Wunschausstattung gegen Mehrpreis.
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Kraftstoffverbrauch (in l/100 km nach VO (EC) 715/2007): Ford Ranger: 8,5 (innerorts), 6,7 (außerorts), 7,3 (kombiniert); CO2-Emissionen: 192 g/km (kombiniert).
Angebot gilt für einen Ford Ranger XL 2,2 l TDCi Duratorq-Motor 92 kW (125 PS).
1
Milch pro Jahr haben wir dieselben
Auflagen wie die großen Molkereien“, klagt Schwämmle. „Den kleinen Käsereien wird das Leben immer schwerer gemacht.“
Ihren Käse verkauft Gudrun
Schwämmle nur zu einem kleinen
Teil in ihrem Hofladen. Überwiegend geht er an Feinkostläden und
Restaurants auf den Friesischen Inseln, in Hamburg und Bremen sowie an einige kleinere Händler.
Unsicher ist, wie es weitergeht.
Im Oktober hat die EU eine neue
Lebensmittel-Informationsverord-
Nährwerttabelle
bedroht
Existenz kleiner
Betriebe.
Fotos: Jörn Martens
nung erlassen. Bislang sind Nährwerttabellen auf Lebensmittelverpackungen weitgehend freiwillig.
Ab dem 13. Dezember 2014 sind sie
in allen EU-Ländern Pflicht. Der
Kaloriengehalt sowie die sechs
Nährstoffe Fett, gesättigte Fettsäuren, Kohlenhydrate, Zucker, Eiweiß
und Salz müssen dann angegeben
werden. Ausgenommen ist lose verkaufte Ware. Bei ihr muss nur über
Allergene informiert werden.
Was nach großer Transparenz
für die Verbraucher aussieht,
macht Gudrun Schwämmle große
Sorgen: Sie müsste dann etwa den
genauen Fettgehalt ihres Käses angeben. „Das geht gar nicht, da
müsste ich jede Woche Proben nehmen. Zu Beginn ist die Milch immer sehr fett, der Fettgehalt nimmt
dann bis zum Herbst ab.“
Das Problem ist der EU bekannt.
So heißt es in Artikel 54 der Verordnung: „Unregelmäßige und
häufige Aktualisierungen der Anforderungen an Informationen für
Lebensmittel können zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand für
Lebensmittelunternehmen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, führen.“ Doch wie genau das Dilemma gelöst werden
soll, geht daraus nicht hervor. Also
müssen Schwämmle und Lunau
weiter um ihre Existenz bangen.
DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
GELD &
GESCHÄFT
17
Knappes Gut: An große Mengen Zucker zu kommen, wird für Lebensmittelproduzenten schwer. Das Bild zeigt eine Fabrik bei Uelzen, die das begehrte Vorprodukt aus Zückerrüben herstellt.
Foto: dpa
Ab durch die Decke
Lebensmittel-Rohstoffe werden rasch teurer – Verarbeiter wollen die Mehrkosten an Handel und Endverbraucher weitergeben
Brot: Bis 25 Prozent
der Produktionskosten
sind Rohstoffkosten.
Die Sommerdürre in
den USA wirkt auf dem
Getreidemarkt nach.
Sicherung durch
Hedging eignet sich für
Agrarprodukte kaum.
VON DIRK FISSER UND
CHRISTIAN SCHAUDWET
OSNABRÜCK/DISSEN. Apokalyptisch wirkten die Bilder von
amerikanischen Feldern im vergangenen Sommer: Schlaff hingen Maispflanzen über der ausgetrockneten Erde. Eine bis dato nicht gekannte Hitzewelle
hatte die Kornkammer des Landes, den Mittleren Westen, im
Griff. Weit weg? Von wegen. Die
Folgen sind auch für die Unternehmen aus der Region zu spüren: Wer auf Agrar-Rohstoffe
angewiesen ist, unterliegt längst
globalen Einflüssen.
So manchem Einkäufer trieb der
Blick auf die Preisentwicklung bei
Mais und Weizen den Schweiß auf
die Stirn. Noch bevor überhaupt
klar war, welche Auswirkungen
die Dürre auf die Ernte haben würde, schnellten die Preise
durch die Decke. An den Terminmärkten machte die Angst vor
einer Rohstoffverknappung die
Runde. Was da war, wurde weggekauft.
„Schon schlechte Aussichten
schlagen sich auf den Preis nieder“, sagt Olaf Zinke, Marktanalyst beim Deutschen Landwirtschaftsverlag. Und im Jahr 2012
waren die Aussichten besonders
schlecht: Dürre in den USA, absehbar schlechte Ernte in Russland und Osteuropa. „Deswegen
ist die Nachfrage nach EU-Weizen
gestiegen. Das Angebot ist nach
wie vor sehr, sehr knapp.“
Das merken alle, die auf die
Rohstoffe angewiesen sind. Einer
von ihnen ist Friedrich WilhelmBorgstedt, Geschäftsführer der
Milser Mühle bei Bielefeld. „Die
Lage ist einfach prekär: Wir müssen die höheren Rohstoffkosten an
unsere Kunden weitergeben, denn
bei den Steigerungen in diesem
Jahr sind wir schnell bei Mehrkosten von vier bis fünf Millionen Euro“, sagt der Müller. So viel verdiene er gar nicht, um die Preissteigerungen im Einkauf auszugleichen.
Das bekommen Kunden wie beispielsweise die Bäcker zu spüren.
Im September hätten ihn und seine Kollegen die Auswirkungen der
Wetter-Extreme rund um den Globus erreicht, sagt Bernd Abeln.
Der Bäcker aus dem Emsland besitzt 20 Niederlassungen mit 100
Angestellten in den Landkreisen
Emsland, Cloppenburg und Osnabrück.
Bei einem durchschnittlichen
Backprodukt, so Abeln, machten
die Rohstoffe 20 bis 25 Prozent
der Produktionskosten aus. Da
schlage ein gestiegener Weizenpreis natürlich zu Buche. Da sich
in den vergangenen Jahren auch
Energie und Personal kontinuierlich verteuert hätten, stünden viele Bäckereien unter Druck. „Diese
Kosten müssen die Handwerksbetriebe weitergeben, um zu bestehen“, sagt Abeln. Da sehe er keine
andere Möglichkeit.
Er macht weder seinen Berufskollegen noch den Kunden Hoffnung, dass die Preise wieder fallen
könnten. Eine Einschätzung, die
Werner Bosse vom Landvolk Niedersachsen bestätigt. Allerdings
findet er Getreide „immer noch
sehr billig“ und fügt hinzu: „Die
Zeiten, in denen die Tonne Getreide für 100 Euro zu haben war,
sind vorbei.“ Das derzeitige Preisniveau sei vergleichbar mit dem
vor 30 Jahren.
„Die schwierige Situation im
nächsten Jahr kann man bereits
jetzt an den Märkten erkennen“,
so Bosse. Analyst Zinke pflichtet
stoffen verkraften. Fluggesellschaften etwa versuchen, Schwankungen des Kerosinpreises durch
das sogenannte Hedging abzufedern, durch Sicherungsgeschäfte
am Finanzmarkt.
Für Vorprodukte, die Coppenrath & Wiese braucht, eignet sich
die Methode nach Wallmeiers
letztjähriger Einschätzung aber
nicht. Das Unternehmen versuche stattdessen, auf Vorrat zu
kaufen, wenn die Preise niedrig
sind. Als sich etwa im Lieferland
Serbien ein Engpass und damit
ein Preisanstieg bei Kirschen abzeichnete, kaufte Coppenrath &
Wiese kurz entschlossen im großen Stil ein und ließ Kirschen
lastwagenweise nach Deutschland holen.
bei: „Vorläufig ist keine Besserung
in Sicht.“
Die steigenden Agrarpreise setzen auch dem Hersteller von Tiefkühl-Gebäck Coppenrath & Wiese
zu: „Die Welt der Lebensmittel ist
seit 2007 nicht mehr dieselbe“, bilanzierte Andreas Wallmeier, Geschäftsführer des in Mettingen und
Osnabrück ansässigen Unternehmens, bereits vor zwölf Monaten.
Spekulationsblasen, rasant steigende Nachfrage aus Asien und Biosprit-Durst hatten Verarbeiter von
Agrarware weltweit in Atem gehalten. Der Einkaufspreis von Zucker
etwa stieg 2011 um mehr als 50
Prozent, Weizen wurde 35 Prozent
teurer, Butter 19 Prozent.
Auch andere Branchen müssen
Preissteigerungen bei ihren Roh-
Achterbahnfahrt für Getreideverarbeiter
„Ich verdiene
Entwicklung der Weltmarktpreise von Mais und Weizen
nicht genug, um
den Preisanstieg 340
Mais
auszugleichen.“ 330
Weizen
Index: Jahr 2000 = 100
320
310
300
290
280
270
260
250
240
230
01/11
03/11
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11/11
01/12 03/12 05/12 07/12 09/12
11/12
Quelle: IGC · Grafik: Neue OZ/Michel
Wohl denen, die ihre Rohware
in solchen Zeiten nicht auf dem
freien Markt kaufen müssen, sondern selbst anbauen. Das Dissener
Unternehmen Fuchs, zweitgrößter
Gewürzproduzent der Welt, bezieht viele Vorprodukte aus China,
Vietnam, Indien und Brasilien,
dort teils von eigenen Plantagen.
Kaum ein Unternehmen der Branche beherrscht seine Lieferkette so
wie Fuchs.
Doch auch Kontrolle schützt
vor Knappheit nicht. „Ein wichtiger Preisfaktor ist der steigende
Eigenkonsum in den Erzeugerländern“, sagt Dirk Haucap, in der
Fuchs-Geschäftsführung zuständig für den Einkauf. Die Mittelschicht
in
Schwellenländern
wachse, die Kaufkraft nehme zu.
Binnen fünf Jahren habe sich der
Einkaufspreis von Gewürzen teils
verfünffacht, sagt Haucap. Kämen dann noch wetterbedingte
Ernteausfälle hinzu, sei es eine
„Herausforderung“, die nötige
Menge in optimaler Qualität zu
bekommen.
Wetterprobleme und Zocker an
den Terminmärkten allein sind für
die Verarbeiter von LebensmittelRohstoffen vielleicht noch zu verkraften, aber: „Der Megatrend“,
sagt Landvolk-Vetreter Bosse, „ist
eindeutig.“ Aufgrund des weltweiten Bevölkerungswachstums und
der sich wandelnden Ernährungskultur in Boom-Ländern wie China sei von dort mit verstärkter
Nachfrage zu rechnen.
Das Angebot, sagt Bosse voraus,
könne nur Schritt halten, wenn
die landwirtschaftliche Produktion
weiter intensiviert werde. Deren
Potenzial aber sei in vielerlei Hinsicht bereits ausgereizt.
18
DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
GELD & GESCHÄFT
Anruf beim
Chef: Frohe
Weihnachten!?
1
slx OSNABRÜCK. Briefträger haben
rund um die Feiertage besonders
viel zu tun. Ein großer Teil der täglichen Post-Flut dürfte dabei auf
mehr oder weniger fantasievoll gestaltete „Frohe-Weihnachten-undeinen-guten-Rutsch-Grußkarten“
entfallen. Mehr als die Hälfte der
bei unserer Exklusivumfrage unter
Spitzenmanagern der Region Befragten gaben an, eben solche Karten an ihre Geschäftspartner zu
verschicken. 66 von 176 Befragten
verschenkten
darüber
hinaus
(auch) Kleinigkeiten. 14 Unternehmen entscheiden sich für Spenden
statt Grüßen. Die kleinste Gruppe
stellen die Weihnachtsignoranten.
CH EF-
66
8
14
13
2
13
1) Mehrfachnennungen möglich
Wir machen nichts.
Wir verschicken Grußkarten.
Wir verschenken (auch) Kleinigkeiten.
Wir sparen uns aufwendige Weihnachtsgrüße und spenden das Geld für karikative Zwecke.
3
Nein.
Ja, früher haben wir mehr ausgegeben.
Ja, früher haben wir weniger ausgegeben.
Ja. Eine Spendenaktion machen wir erst seit Kurzem.
Dürfen Ihre Mitarbeiter Weihnachtspräsente
von Geschäftspartnern annehmen?
48
14
Interessant ist, was mit den Geschenken bei den Empfängern geschieht: Bei den meisten befragten
Unternehmen werden die Geschenke gesammelt und anschließend
unter den Mitarbeitern verteilt. In
einem Unternehmen läuft es der
Umfrage zufolge genau anders herum. Dort müssen alle Mitarbeiter
ihre Präsente beim Chef abgeben,
wo sie auch bleiben.
Hat sich Ihr Schenkverhalten
in den vergangenen Jahren verändert?
85
81
GE
UMFR A
2
In welcher Form wünschen Sie
Ihren Geschäftspartnern „Frohe Weihnachten“? 1)
23
23
Dafür gibt es keine betrieblichen Regeln.
Nein.
Ja, wenn ein bestimmter Wert nicht überschritten wird.
Bei uns werden Präsente gesammelt und unter den Mitarbeitern verteilt oder verlost.
Einfach
abschalten!
Quelle: buw · Grafik: Neue OZ/Michel
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DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
GELD & GESCHÄFT
Guten Rat
gibt es nicht
zum Nulltarif
Vergütung per Honorar oder Provision? Bei
der Vermögensberatung zählt Transparenz
VON PETRA HOFFKNECHT
OSNABRÜCK. Weil kaum jemand
bereit ist, für ein Beratungsgespräch eine Rechnung zu bezahlen, verdienen die meisten Geldanlageberater hierzulande an
den Provisionen für vermittelte
Produkte. Politiker möchten
nun auf nationaler und europäischer Ebene das Modell der
Honorarberatung als alternative Vergütung für Anlageberater
stärken. Beide Bezahlmodelle
sind erlaubt. Anleger müssen
lediglich wissen, worauf sie sich
einlassen.
Nach der Lehman-Pleite, Nachrichten über spektakuläre Falschberatungen und dem Imageschaden durch die Finanzkrise misstrauen viele Anleger ihren Bankberatern. Sie fürchten, diese ließen
sich bei ihren Empfehlungen eher
von hohen Provisionen für ein bestimmtes Produkt leiten als eine
für den Kunden geeignete Lösung
zu finden.
In der Tat verlieren Verbraucher
durch Fehlberatungen jährlich bis
zu 30 Milliarden Euro, schätzen
Experten.
Wahr ist aber auch, dass viele
Menschen sich ungern mit der eigenen Finanzplanung beschäftigen. Noch weniger sind sie Studien zufolge bereit, für kompetente Beratung zu bezahlen. Schließlich kostet eine Geldanlageberatung etwa bei einem unabhängigen Honorarberater pro Stunde
zwischen 150 und 200 Euro. Weil
viele Menschen mit Blick auf ihre
Altersvorsorge oder zur Risikoabsicherung aber trotzdem Beratung
brauchen, setzen sie stattdessen
auf die vermeintlich kostenlose
Beratung bei Banken oder Finanzdienstleistern, die sich über Provisionen bezahlen lassen.
Die Zahlen sprechen für sich:
Laut Statistik kommen auf geschätzte 500 000 Provisionsberater etwa 1700 Honorarberater. Der
Provisionsberater wird vom Emittenten eines Geldanlageproduktes
bezahlt, indem er für vermittelte
Produkte eine Provision erhält.
Der Berater muss dann seinen
Kunden darauf hinweisen, dass
und in welcher Höhe er Provisionen bekommt. Den Honorarberater bezahlt der Anleger direkt, die
Anlageempfehlung setzt er danach
entweder selbst um – oder sein
Berater tut es für ihn. Sollte der
Berater dafür eine Provision bekommen, reicht er diese an seinen
Kunden eins zu eins weiter.
Diesen Weg wählten beispielsweise Inge Schäfer-Schmidbauer
und Isolde Regensburger von
Schäfer Regensburger Vermögensmanagement: Die beiden Ex-Bankerinnen machten sich 2011 als
unabhängige Vermögensverwalter
mit Büros in Münster und Berg
am Starnberger See selbstständig,
um gegen ein Stundenhonorar von
180 Euro vermögende Anleger zu
deren Depotstruktur zu beraten.
In Osnabrück arbeiten mit der
Knüppe, Huntebrinker & Co
GmbH (KHP), der Collegium Vermögensverwaltungs AG und der
Spiekermann & Co AG gleich drei
private Finanzanlagenvermittler
provisionsunabhängig und frei
von Vertriebsinteressen gegen Honorar. Gemeinsam verwalten sie
Mandantengelder im Volumen
von gut einer Milliarde Euro. Dafür zahlen die Kunden jährlich etwa ein Prozent ihres Depotwertes.
Allerdings lohnt sich eine individuelle Vermögensverwaltung oft
erst ab Vermögen im sechsstelligen Bereich. Die breite Masse der
Anleger verfügt freilich nicht über
solche Beträge. Um dennoch die
Anlageberatung für alle zu verbessern, überarbeitet die Europäische
Union derzeit ihre FinanzmarktRichtlinie „Markets in Financial
Instruments Directive“ (MiFiD).
Diese enthält unter anderem Vorgaben für die korrekte Beratung
und Aufklärung beim Kauf von
Wertpapieren. 2014 soll MiFiD II
in nationales Recht umgesetzt
werden.
Parallel dazu möchte hierzulande das Bundesfinanzministerium
die Honorarberatung stärken, indem diese erstmals gesetzlich geregelt werden soll. Dazu hat das
Ministerium in diesem Herbst ein
Gesetz entworfen, das das Berufsbild des Honorarberaters definiert. Anders als in Großbritannien oder den Niederlanden, in de-
Die Politik will
die Beratung
gegen Honorar
stärken.
nen ab dem kommenden Jahr ein
Provisionsverbot gilt, wird es in
Deutschland künftig neben der
Honorarberatung aber auch weiterhin die Provisionsberatung geben.
„Letztendlich entscheidet die
Nachfrage über das Beratungsangebot“, sagt KHP-Geschäftsführer
Wolfgang Pieper. Für kleinere
Summen, Standardversicherungen
oder Riester-Verträge sei Beratung
derzeit nur über Provisionszahlungen darstellbar, räumt er ein. Gehe es jedoch nicht um den Kauf eines einzelnen Produktes, sondern
um eine ganzheitliche Betreuung
größerer Vermögen bei komplexen
Sachverhalten, akzeptierten immer mehr Mandanten, dass die erforderliche umfassende und kompetente Beratung und Begleitung
ihren Preis habe, hat Friedhelm
Spiekermann von der Spiekermann & Co AG festgestellt.
Aber egal ob Honorar- oder Provisionsberatung – frei von Interessenkonflikten ist keines der beiden Bezahlmodelle: Provisionsberater könnten tendenziell versucht
sein, Produkte wegen ihrer hohen
Provisionen statt ihrer Eignung
für den Kunden zu empfehlen.
Während sich der Kunde noch in
einem Beratungsgespräch wähnt,
handelt es sich für den Berater
womöglich schon um ein Verkaufsgespräch. Schließlich werden
insbesondere Bankberater daran
gemessen und danach vergütet,
wie viele Produkte ihrer Bank sie
vertreiben. Auch Honorarberater
Hat es in sich: Der vom Europäischen Parlament in Straßburg verabschiedete Entwurf der Finanzmarkt-Richtlinie „Markets in Financial Instruments Directive“ (MiFiD) enthält unter anderem Vorgaben für die korrekte Beratung und Aufklärung beim Kauf von Wertpapieren.
sind abhängig, nämlich vom Honorar. So könnte beispielsweise
der Anreiz bestehen, länger als nötig zu beraten, wohlhabende Kunden vorzuziehen oder zu größeren
Investitionen zu raten, um höhere
Einnahmen zu erzielen.
„Ob eine Beratung gut oder
schlecht ist, entscheidet nicht die
Vergütung des Beraters“, äußert
sich dazu Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassenund Giroverbandes. „Wenn der
Kunde im Vordergrund steht,
spielt die Vergütung des Beraters
keine Rolle“, ergänzt Pieper.
Damit Anleger sichergehen können, eine qualitativ hochwertige
Beratung zu bekommen, raten
Verbraucherschützer zu folgenden
Schritten: Sich gut vorbereiten
und im Erstgespräch eine gute
Grundlage für die Beratung schaffen, bei späteren Treffen intensiv
nachfragen, selbst Protokoll führen, sich das Beratungsprotokoll
aushändigen und die Angebote
vor dem Kauf gegenprüfen lassen.
Von Vorteil ist außerdem, wenn
der Berater seine Qualifikation
durch einen Abschluss als Bankkaufmann oder ein IHK-Zertifikat
nachweisen kann und in Berufsverbänden organisiert ist. Als Qualitätsmerkmal für einen unabhängigen Vermögensverwalter gilt die
Zulassung und fortlaufende Überwachung durch die Bundesanstalt
für Finanzdienstleistungsaufsicht
(Bafin).
VERMÖGENSBERATER
Provision
oder
Honorar?
Provisionsberater: Sie leben
von den Provisionen des
Anbieters, dessen Produkte
sie verkaufen.
Honorarberater: Sie kassieren
einen Stundenlohn für die
Finanzberatung oder lassen
sich einen gewissen Prozentsatz
des verwalteten Vermögens
überweisen.
Foto: Colourbox
Von Steuerberater Hubert Nüvemann
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Überlassen Sie nichts
dem Zufall!
Habe ich schon mal daran gedacht, was
passiert, wenn ich als Unternehmer plötzlich nicht mehr das Unternehmen leiten
kann?
Jeder Unternehmer sollte über dieses Thema mal nachdenken. Leider folgt bei vielen
Unternehmern auf diese Frage ein Schweigen. Jedes Jahr stehen zigtausende Unternehmer vor einem Führungswechsel. Davon
etliche aufgrund plötzlichen Todes oder eines
Unfalles.
Nur ca. jeder siebte Unternehmer hat einen
Notfallplan. Dabei hat jeder Unternehmer
eine Fürsorgepflicht gegenüber seiner Familie, seinem Unternehmen, den Mitarbeitern
und sich selbst gegenüber. Die Generalvollmacht gibt es häufig nicht. Verstirbt der Unternehmer beispielsweise plötzlich durch einen
tragischen Unfall, ohne dass ein Testament
vorliegt, tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft.
Dies kann nicht die beste Lösung sein, zumal
noch minder-jährige Kinder das Erbe antreten
sollen. Die Handlungsfähigkeit des Unternehmens wird stark eingeschränkt, denn die
Kinder werden durch einen Vormund des Gerichts vertreten.
Wichtig ist daher, schon frühzeitig ein Testament zu verfassen. Hier sollten die Wünsche
des Unternehmers aufgenommen werden.
Die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten, dem Steuerberater und dem Notar ist
hier auf jeden Fall empfehlenswert. Erbschaftoder schenkungssteuerrechtliche Regelungen
sind zu berücksichtigen.
Was ist aber, wenn der Unternehmer beim
Unfall nicht verstirbt, sondern beispielsweise im Wachkoma liegt? Dann tritt keine
Rechtsnachfolge ein. Hat der Unternehmer
für derartige Fälle keinen Notfallplan entwickelt, steht in Windeseile das ganze
Unternehmen
still.
Kontenbewegungen
können nicht verfolgt und Löhne und
Gehälter nicht überwiesen werden. Hier
können nur entsprechende Vollmachten
Abhilfe schaffen.
Aber nicht nur im persönlichen Bereich bestehen Gefahren. Für ein Unternehmen gibt
es verschiedene Arten der Bedrohung, etwa
technisches Versagen durch Stromausfall
oder Hardwaredefekt, höhere Gewalt wie
Wasserrohrbruch oder schadhafte Software,
die sich über Viren verbreiten. Aber auch vorsätzliches Handeln durch Löschen von Daten
durch Mitarbeiter oder Nachlässigkeiten und
Fehlbedienung im Unternehmen sind Ursache für viele IT-Sicherheitsprobleme.
Um ein derartiges Durcheinander zu vermeiden, sollte eine passende Nachfolge- und
Notfallplanung vorhanden sein. Ein Handlungsplan mit klaren Prioritäten sollte erstellt
werden.
Notfallschecklisten sollten erstellt und jedem
Erben und verantwortungsvollem Mitarbeiter
zur Verfügung gestellt werden.
Der Notfallordner/Notfallkoffer soll helfen,
alle Abläufe transparent zu machen. In diesem Ordner sind das Testament, Vollmachten, Vertretungspläne, wichtige Adressen von
Kunden und Lieferanten, Informationen über
laufende und ausstehende Aufträge und vor
allen Dingen Passwörter und Codes aufzunehmen. Weiter sind sämtliche Versicherungen
und Grundbuchauszüge dort aufzubewahren.
Selbst für das Rating des Unternehmens ist
für Banken das Vorhandensein eines Notfallplans ein bedeutender Faktor.
Daher, überlassen Sie nichts dem Zufall!
Steuerberater
Hubert Nüvemann
Großhandelsring 6, 49084 Osnabrück
Telefon: 05 41 5 25 48, Fax: 05 41 5 55 74
www.Steuerberater-Nüvemann.de
STB.Nuevemann@datevnet.de
21
DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
GELD & GESCHÄFT
GELD & GESCHÄFT
Naiv im Netz
Ein Schwarm
für den Maulwurf
Gerade Mittelständler laufen Gefahr, Opfer von Angriffen aus dem Internet zu werden – Experten mahnen zu mehr Selbstschutz
IT-Angriffe der
Konkurrenz bemerken
20 Prozent der Firmen.
Weitere 23 Prozent
erleben Info-Klau
durch unbekannt.
Social Media werden
zur offenen Flanke
von Unternehmen.
VON FLORIAN PFITZNER
ESSEN. Daten sind vor ihnen
nicht sicher, sie knacken Firewalls und rauben geistiges Eigentum. Die Angriffe von Kriminellen im Internet auf Firmennetzwerke nehmen zu. Trotzdem
wird die Gefahr des Cybercrime
noch häufig unterschätzt. Dabei
sind Reputationseinbußen und
verlorenes Vertrauen nur schwer
wieder auszugleichen.
Kriminalhauptkommissar
Peter
Vahrenhorst vom Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen sieht sich
bemüht, das Phänomen von Grund
auf zu erklären. Cybercrime, so
scheint es in der übersichtlichen
IT-Halle auf der Sicherheitsmesse
Security in Essen, ist auch internetaffinen Menschen der Wirtschaft
noch eine fremde Vokabel. Vahrenhorst zählt auf: Unter Cybercrime
fielen unter anderem Warenkreditbetrug und Stalking, Beleidigung
und Mobbing, aber auch digitale
Schutzgelderpressung und Wirtschaftsspionage. „Die Kriminalität
im Internet“, steht irgendwann in
etwas sperrigem Behördendeutsch
auf einer seiner Präsentationsfolien, „ist ein Spiegelbild der allgemeinen Kriminalitätsformen unter
Ausnutzung der technischen Infrastruktur.“ Vahrenhorst referiert
über Viren, Trojaner und Schadprogramme, die sich mit hoher Dynamik zu einer brisanten Gefahr
entwickelten.
Dem Fachbericht Norton Cybercrime Report 2012 zufolge kostet
Internetkriminalität jeden deutschen Nutzer durchschnittlich 188
Euro im Jahr. Beinahe die Hälfte
aller hiesigen Unternehmen ist
nach einer weiteren Studie von Industriespionage bedroht. 20 Prozent aller Unternehmer haben
demnach schon einmal Angriffe
der Konkurrenz erlebt, weitere 33
Prozent bemerkten einen Informationsabfluss aus dem Unternehmen, ohne die Spionage direkt belegen zu können, berichtete die
Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf eine Umfrage unter knapp
600 Unternehmen.
Die Wirtschaft selbst fürchtet
zwar Schäden in Milliardenhöhe,
dennoch ist ihr Wissen um Gefahren und Gefahrenabwehr nach Einschätzung von IT-Experten teils erschreckend gering. Sie attestieren
ihr bei technischen Sicherheitsfragen einen höheren Informationsbedarf denn je. „Die IT-Kriminalität
erfährt eine zunehmende Industrialisierung“, warnt Norbert Pohlmann, Leiter des Instituts für Internet-Sicherheit.
Pohlmann wird wie Kriminalhauptkommissar Vahrenhorst immer wieder zu Sicherheitsmessen
eingeladen, um die Besucher wachsam gegenüber den Gefahren
aus der virtuellen Welt zu
machen. Da Unternehmen häufig nicht
ausreichend geschützt seien,
fordert er
Überwachungstechnik auf der Messe Security in Essen. Schutz gegen Eindringlinge aus Fleisch und Blut hätten Unternehmen reichlich, sagen Experten. Nachlässig seien sie oft gegenüber Kriminalität aus dem Internet.
einen Paradigmenwechsel. „Bei den
heutigen reaktiven IT-Sicherheitssystemen rennen wir den IT-Angriffen hinterher“, sagt Pohlmann.
„Das bedeutet, wenn die IT-Sicherheitslösungen einen Angriff durch
eine entsprechende Angriffssignatur oder eine Anomalie erkennen,
dann versuchen sie, uns so schnell
wie möglich zu schützen, um den
Schaden zu reduzieren.“ Die zunehmende Vielfalt und Komplexität der Endgeräte und
Infrastrukturen bräuchten
jedoch deutlich verlässlichere, robustere und wirkungsvollere Sicherheitskonzepte. „Wir müssen
weg von ausschließlich reaktiven hin zu modernen
proaktiven IT-Sicherheitssystemen.“
Heinrich Langkopf von
der Industrie- und Handelskammer Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim
schlägt in dieselbe Kerbe.
„Schon weit im Voraus
lässt sich sehr viel dafür
tun, damit es erst gar
nicht zu solchen oft
existenzbedrohenden Vorkomm-
nissen
kommt.“ Unternehmenssicherheit
erklärt Langkopf daher
zur Chefsache. „Die Unternehmen der Region tragen
dem immer stärker Rechnung.“
Vortragsveranstaltungen der IHK
oder das regelmäßige IHK-Netzwerk Unternehmenssicherheit seien stets gut besucht.
Die deutsche Wirtschaft rechnet
für 2012 ob der Internetkriminalität mit Kosten im zehnstelligen Bereich, wobei die Zahlen je nach kalkulierten Folgeschäden variieren.
Vor allem kleine und mittlere Unternehmen verkennen die Gefah-
ren aus dem Internet, sagt Harald
Olschok vom Bundesverband der
Sicherheitswirtschaft
(BDSW).
„Management und Belegschaft sind
oft nicht ausreichend sensibilisiert.“
Alexander Silhavy, Berater für
Informationssicherheit, stellt eine
härtere Diagnose: „Die Naivität ist immer noch hoch.“
Die Kosten-Nutzen-Rechnung für IT-Sicherheit sei
für viele Manager schwer
nachvollziehbar, was sich
auch wieder auf der Security Essen erwiesen habe:
„Schulungen werden nett belächelt.“ Tatsächlich zeigte die
ausgestellte Technik dort, wie sehr
das Thema Unternehmenssicherheit in Deutschland zuweilen allein mit hohen Zäunen und
scharfen Kameras assoziiert
wird. „Sichtbare Sicherheitsvorkehrungen vermitteln das Gefühl von Schutz“, erklärt Silhavy,
„diese Denkweise ist heute überholt.“
Werden virtuelle Attacken also
immer noch unterschätzt? „Das
Bild stimmt so nicht“, sagt Bartholomäus Sailer von der Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft (ASW). „Im Großen und
Ganzen wird beim Thema Unternehmenssicherheit schon seit Längerem im zunehmenden Maße ein
Blick auf die Gesamtproblematik
der Sicherheitsthemen und Risiken
geworfen.“
Demnach erkennen deutsche
Unternehmen mehr und mehr, wie
akut die Gefahr ist, Opfer eines Cyber-Angriffs zu werden. Das sagt
auch IT-Experte Silhavy. „Allerdings gibt es bei der Verknüpfung
von strategischer und operativer IT
Foto: Messe Essen
Experten
fordern:
Opfer von
Spionage aus
dem Internet
sollen ihr
Schweigen
brechen.
immer noch viele Optimierungspotenziale.“ Reinhard Clemens, Chef
der Telekom-Tochter T-Systems,
bringt es beim IT-Gipfel in Essen
drastischer zum Ausdruck: „Die sichere Welt, die wir mal kannten,
wird es nicht mehr geben.“
Als Chef des Instituts für Internet-Sicherheit doziert Pohlmann
vor allem über die Ursachen. Er
sieht Schwachstellen vor allem in
der am stärksten verbreiteten Software, im Gebrauch mobiler Geräte
sowie in der häufig ungenügenden
Internetkompetenz der Nutzer.
„Zudem besteht ein unzureichender Schutz vor Malware“, also Viren, Würmern und Trojanern.
„Die sind es inzwischen auch
nicht immer“, merkt Heinrich
Langkopf von der Industrie- und
Handelskammer Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim an. „Es
sind teilweise ganz banale Angriffe
über soziale Netzwerke.“ Der Norton Cybercrime Report zeichnet
ebenfalls ein Bild vom unbedarften
User, der dem Internet-Betrüger
unbewusst nutzbare Informationen
in die Hand gibt.
Vertrauliche Daten würden nicht
nur entwendet und missbraucht,
sondern auch zum Nachteil des
Unternehmens verändert und verfälscht, warnt ASW-Vorstand Sailer. „Dies kann nicht nur zu finanziellen Schäden führen, die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens kann in Gefahr geraten, was
wiederum den Verlust von Arbeitsplätzen bedeutet.“
Vor allem die Auswirkungen
möglicher
Reputationseinbußen
überträfen den materiellen Schaden mitunter erheblich. „Verlorenes Kundenvertrauen lässt sich nur
mühsam mit hohem Ressourcenaufwand wiedergewinnen.“ Zentrale Furcht der Unternehmen sei ein
Imageschaden, der sich nicht mit
Geld aufwiegen lasse, sagt IT-Sicherheitsexperte Silhavy.
Entwerfen Unternehmen Notfallpläne, um auf unerwartete Szenarien vorbereitet zu sein, verschaffen
sie sich damit nach Ansicht der
meisten Experten einen Wettbewerbsvorteil. „Präventivkosten für
Investitionen in Sicherheit sind immer geringer als Reaktionskosten“,
so Silhavy. „Es empfiehlt sich, dass
die Unternehmen nicht erst bei einem Hackerangriff, sondern bereits
vorher sich durch Profis beraten
lassen“, sekundiert Olschok vom
BDSW.
T-Systems-Chef Clemens sieht
sowohl jeden Internetnutzer als
auch sein Unternehmen in der
Pflicht: „Wir als Provider sind gefordert, für sichere Kommunikation zu sorgen.“ Die Basisaufgaben
müssten allerdings am anderen Ende der Leitung gemacht werden.
„Ist das Haus mit der Tür errichtet,
muss man die Tür auch abschließen.“
IT-Sicherheitsexperte Pohlmann
geht einen Schritt weiter. Er fordert, dass die Unternehmen offen
über Angriffe aus dem Internet berichten. Davon sind sie weit enternt: „Ist eine Firma Opfer eines
Angriffes geworden, versucht sie in
der Regel, das Problem allein und
isoliert zu lösen“, sagt Pohlmann.
Informationen über Angriffe, Vorgehensweise der Angreifer, Umfang
von Schäden und Wirkung von Gegenmaßnahmen blieben für Wirtschaft und Gesellschaft ungenutzt.
„Durch eine geordnete und vertrauenswürdige Zusammenarbeit
von Firmen und Behörden würde
eine deutlich höhere Internet-Sicherheit erreicht.“
Aber dazu müssten die Unternehmen endlich über ihren Schatten springen.
Ein Projekt, viele Unterstützer: Das Finanzierungsvolumen
mittels Crowdfunding steigt von Quartal zu Quartal
Ab Herbst 2013 im Kino: Komödiant René Marik hat mittels Crowdfunding so viel Geld eingesammelt, dass er nun einen Maulwurf-Film drehen kann.
VON KARSTEN GROSSER
OSNABRÜCK. Gemeinsam stark
sein. Wenn viele Menschen zusammenhalten, dann können sie
Aufgaben meistern, zu denen sie
allein nicht in der Lage wären.
Dieses Prinzip steht auch hinter
der Schwarmfinanzierung: ein
Projekt, viele Investoren. Während das Modell in den USA bereits erfolgreich ist, fehlt es dem
sogenannten Crowdfunding in
Deutschland noch an Bekanntheit. Aber immerhin: Das Finanzierungsvolumen steigt von
Quartal zur Quartal.
Der Maulwurf kommt ins Kino.
Mehr als 100 000 Euro sammelte
der Komödiant René Marik ein,
um seine flauschige Vorzeige-Puppe auf die große Leinwand zu
bringen. 2665 Unterstützer investierten bis Mitte November Beträge zwischen 2,99 Euro und 5000
Euro, um die Dreharbeiten für eine „temporeiche Räuberpistole“
zu ermöglichen. Im Herbst des
kommenden Jahres soll der Film
mit Schauspieler Christoph Maria
Herbst in einer Hauptrolle anlaufen. Das Erfolgsmodell der Finanzierung heißt Crowdfunding. Auf
Deutsch: Schwarmfinanzierung.
Viele Menschen zahlen vergleichsweise geringe Geldbeträge, um gemeinsam die Umsetzung von Projekten zu ermöglichen. Als Mittler
dienen Online-Plattformen wie
Startnext, auf denen Projektplaner und Unterstützer zusammengebracht werden. Helfer erhalten für ihre Beteiligung Gegenleistungen als Dankeschön. Im
Fall Marik zum Beispiel T-Shirts,
signierte Originaldrehbücher, eine
Statistenrolle im Film oder eine
Privatvorführung.
Doch bei Crowdfunding-Projekten muss es nicht immer nur um
hohe Gesamtbeträge gehen. Im
Gegenteil: Auch Anliegen, die lediglich dreistellige Summen erfordern, sind ein Fall für die
Schwarmfinanzierung. Das beweist ein Beispiel aus der Region:
Unter dem Titel „Ponytime im Kino“ wurden bei Startnext Fans der
„My little Pony“-Filme gesucht,
um die Miete für das Bramscher
Kino „Universum“ aufzubringen.
Als Gegenleistung lockte der Eintritt zur langen „My little Pony“Nacht. Schon am ersten Tag waren die nötigen 300 Euro eingesammelt. Wer etwas mehr zahlte,
durfte sich seinen Wunschplatz
aussuchen.
Doch nur gut 40 Prozent aller
Schwarmfinanzierungsversuche in
Deutschland enden erfolgreich:
Ein Autoren- und Filmproduktionsteam aus dem Osnabrücker
Land etwa warb via Startnext lediglich knapp die Hälfte der anvisierten 2200 Euro zur Finanzierung einer bitterbösen Komödie
ein. Und auch eine freie Theatergruppe aus Osnabrück blieb deutlich unter dem Gesamtbetrag,
welcher der Inszenierung eines
Stückes dienen sollte. Trotz der
Fehlschläge: Die Investoren müssen nicht um ihr Geld bangen.
Scheitert die Finanzierung, zahlt
die Crowdfunding-Plattform die
bislang zusammengetragenen Beträge zurück. Erst wenn die anvisierte Summe eingesammelt ist,
erhält der Projektinitiator das
Geld.
Mit bislang nicht einmal 1000
erfolgreichen Projekten wartet
das Modell der Schwarmfinanzierung in Deutschland noch auf den
Durchbruch. Immerhin: Das Finanzierungsvolumen steigt kontinuierlich. Die CrowdfundingPlattformen für kreative Projekte,
allen voran Startnext, kassierten
laut einer Recherche des Portals
Für-Gründer.de allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres
mehr als dreimal so viel Geld wie
im gesamten Jahr 2011: rund 1,6
Millionen Euro. Gut eine Million
Euro mehr verbuchten im selben
Zeitraum die führenden Schwarmfinanzierer für Start-up-Unternehmen. Mit aufsteigender Tendenz. Seedmatch, Markführer in
diesem Segment, meldete jüngst
die erfolgreiche Finanzierung des
Hamburger
Cloud-ComputingStart-ups Protonet. Innerhalb von
48 Minuten hätten 216 Personen
die Gesamtsumme von 200 000
Euro investiert. So schnell sei in
Europa noch nie ein Unterneh-
Foto: PR
men mittels Crowdfunding finanziert worden, teilte Seedmatch
mit.
Für Klaus-Martin Meyer liegt
ein Vorteil der Schwarmfinanzierung in der Transparenz. Firmengründer seien bei diesem Modell
auf der sicheren Seite, sagt der
43-jährige Bad Iburger, der seit einigen Monaten auf crowdstreet.de
einen Blog zum Thema betreibt.
Der
Suchmaschinen-Optimierer
interviewt beispielsweise Experten und untersucht die wachsende
Popularität von Crowdfunding. Er
selbst hörte erstmals im Jahr
2008 von diesem Modell, als der
britische Fußballklub Ebbsfleet
United an eine Internet-Community verkauft wurde. „Ich fand das
hip“, blickt Meyer zurück. Mittlerweile investierte der Bad Iburger
auch in eine Trinkflasche aus
Hanfkunststoff und in die Rettung der Berliner Weiße.
Letzterem
Projekt
gingen
durchaus wissenschaftliche Untersuchungen voraus. Doch auch unabhängig davon hat auch die Wissenschaft selbst das Modell
Crowdfunding für sich entdeckt.
Seit Mitte November ist Sciencestarter online, eine Plattform, die
Forscher und Geldgeber zusammenbringen soll. Zu den ersten
Teilnehmern gehören Geoinformatiker aus Münster, die intuitive
und natürliche Körpergesten entwickeln wollen, mit denen eine
Wenn ein
Projekt
scheitert,
erhalten
Investoren ihr
Geld zurück.
berührungslose Arbeit mit digitalen Karten möglich werden soll.
Allerdings deutete die in den ersten Wochen des Finanzierungszeitraums geringe Investitionsbereitschaft auf ein Scheitern des
Projekts hin. Kein Wunder, dass
die Universität Osnabrück im
Crowdfunding noch kein Instrument sieht, um Forschungsmittel
zu akquirieren. Schwarmfinanzierung sei in erster Linie für Projekte und Aktionen geeignet, die von
einer breiten Öffentlichkeit unterstützt werden. Dennoch will die
Uni nicht ausschließen, Crowdfunding bei kleineren Projekten –
insbesondere mit lokalem Bezug –
künftig einzusetzen.
In den USA hingegen hat die
Schwarmfinanzierung große Dimensionen erreicht. Für die Weltraumsimulation „Star Citizen“ haben Fans dem Spieleentwickler
Chris Roberts mehr als sechs Millionen Dollar zur Verfügung gestellt. Roberts, der in den 90erJahren mit der PC-Spiel-Serie
„Wing Commander“ bekannt wurde, und seine Firma Cloud Imperium brachen nach eigenen Angaben damit den Crowdfunding-Rekord. 2,13 Millionen Dollar kamen
demzufolge über die Website
Kickstarter zusammen, weitere 4,1
Millionen Dollar sammelte Roberts auf seiner eigenen Homepage ein. Fast 90 000 Menschen
unterstützten das Projekt.
1612441
en
ssen
Kass
lle Ka
Volle
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Kassen
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schland
eutsc
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olumens in D
svolumens
-Finanzierung
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funding-Finanzier
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Anstieg
Ans
nstieg
Crowdfunding-Finanzierungsvolumens
Deutschland
1094965
neu im Zeitraum gesammeltes Kapital
517475
bereits gesammeltes Kapital
alle Angaben in Euro
697898
198518
76515
122003
76515
1. Quartal 2011
2. Quartal 2011
353351
457924
104573
397067
239975
154833
198518
353351
457924
697898
1094966
3. Quartal 2011
4. Quartal 2011
1. Quartal 2012
2. Quartal 2012
3. Quartal 2012
Quelle: Für-Gründer.de · Grafik: Neue OZ/Michel
22
DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
GELD & GESCHÄFT
„Gesamtkunstwerk aus vielen Puzzleteilen“
21. Februar
vormerken
Berner Ladenbau erhält den Osnabrücker Wirtschaftspreis 2012
bekr OSNABRÜCK. Der Osnabrücker Wirtschaftspreis 2012
geht an das Unternehmen
Berner Ladenbau
Die über 170 Mitarbeiter von Berner Ladenbau an der Wersener
Landstraße 82 vor den Toren Osnabrücks haben sich auf das Design, die Konstruktion und den
Einbau von Bäckereifilialen in
Deutschland, Europa und Russland spezialisiert. Über 600 Ladeneinrichtungen werden im Jahr
in Osnabrück gebaut, Referenzprojekte sind das Bäckerei-Café
Krimphove im Stadtzentrum von
Münster mit schmiedeeisernen
Kronleuchtern und schwarz-weißen Kacheln in französischem Stil
oder das Bäckerei-Café Peters am
Meer in Sassnitz auf Rügen, wo es
galt, den Charme der elf Meter hohen Halle des ehemaligen Hafenbahnhofs zu erhalten. „Wir müssen stets aus vielen Puzzleteilen
ein Gesamtkunstwerk erschaffen,
das auf die speziellen Wünsche
der Kunden abgestimmt ist“, erklärte Firmenchef Riesner.
1913 als Bau- und Möbeltisch-
Träger des Wirtschaftspreises 2012: Gerd Meurer und René Riesner (vorne v. l.) und ihre über 170 Mitarbeiter, bei denen sich die beiden BernerLadenbau-Chefs ausdrücklich für ihre Leistung bedankten. Mit den Ausgezeichneten freuen sich VVO-Vorstand Mark Rauschen (l.), Oberbürgermeister Boris Pistorius (Mitte) und Sparkassen-Vorstand Johannes Hartig (rechts).
lerei von Christian Berner gegründet, wurde Berner Ladenbau im
Jahr 1986 von der Werhan KG in
Foto: Klaus Lindemann
Neuss gekauft. „Herr Riesner hat
den Bezug zu unserer Region wiederhergestellt, als er Berner aus
diesem Konzern wieder herauslöste“, sagte in seiner Laudatio Marc
Rauschen als Vorstandsmitglied
des Vereins für Wirtschaftsförderung (VWO). Der Verein und die
Stadt Osnabrück tragen die Wirtschaftsförderung, die als Publicprivate-Partnership seit 1992 existiert.
„Riesner ist in der New Economy groß geworden, hat aber bewusst auf die Old Economy gesetzt“, so Rauschen. Dass Ladenbau inzwischen aber viel mehr ist
als Handwerk, zeigt die breit gefächerte Berufspalette bei Berner,
wo auch Designer, Architekten,
IT-Fachleute und Servicekräfte beschäftigt sind. „Wir bauen Erlebniswelten“, sagte Riesner, sein
Partner Gerd Meurer sprach von
Bühnen, die für die Waren geschaffen würden, da bei der Kaufentscheidung vieler Menschen viel
Psychologie mitspiele.
Berner Ladenbau habe den unter
dem Motto „Wirtschaft, Weitblick,
Wachstum“ ausgeschriebenen Preis
auch erhalten, weil das Unternehmen 3,5 Millionen Euro seit 2009
in den Standort Osnabrück investiert habe und viele Arbeits- und
Ausbildungsplätze (derzeit sind es
16) sichere, erklärte Rauschen.
Kurz notiert
Mehr Schulden
Die Überschuldung von Privatpersonen in Deutschland ist 2012
nach einem leichten Rückgang im
Vorjahr wieder merklich angestiegen. So hat sich laut Schuldneratlas 2012 der Creditreform die Zahl
der überschuldeten Personen im
Jahr 2012 gegenüber dem Vorjahr
um rund 190 000 um drei Prozent
auf bundesweit 6,6 Millionen erhöht, das sind 9,7 Prozent aller erwachsenen Deutschen über 18
Jahre (2011: 9,4 Prozent). In der
Region Weser-Ems stieg die
Schuldnerquote von 9,76 Prozent
im Vorjahr um + 0,18 Prozent auf
9,94 Prozent. Somit sind im Nordwesten aktuell rund 200 000 Menschen zum Stichtag 1. Oktober
2012 überschuldet und weisen
nachhaltige
Zahlungsstörungen
auf. Den höchsten Zuwachs um
+ 0,48 Prozent auf 10,57 Prozent
(2011: 10,09 Prozent) verzeichnet
die Stadt Osnabrück. Die niedrigste Schuldnerquote der Region –
zusätzlich den stärksten Rückgang
von – 0,13 Prozent – verzeichnete
erneut der Landkreis Vechta mit
7,94 Prozent (2011: 8,07 Prozent).
Dahinter liegen die Grafschaft
Bentheim mit 8,34 Prozent und
der Landkreis Emsland mit 8,43
Prozent. Im Vergleich der Bundesländer liegt Niedersachsen mit einer Quote von 10,37 Prozent im
den und Kommunen sowie Unternehmen und anderen Kompetenzträgern zu schaffen.
Mittelfeld zwischen Bremen mit
13,62 Prozent als Schlusslicht und
Bayern mit 6,98 Prozent an der
positiven Spitze.
Preis für Umweltmanagement
„Mit den aktuellen Investitionen
von Volkswagen in den Standort
Osnabrück geben wir in allen Bereichen kräftig Gas, so auch beim
Umweltschutz.“ Dies erklärte jetzt
Ludger Teeken, Geschäftsführer
der Volkswagen Osnabrück GmbH
(VW), anlässlich einer Auszeichnung. Die IHK hat Volkswagen
Osnabrück mit der EMAS-Urkunde für freiwilliges Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung
ausgezeichnet. „Die systematische
Erfassung und Auswertung von
Daten wie z. B. von Energie- und
Wasserverbräuchen, Emissionen
und Abfallmengen bildet eine
wichtige Grundlage für Entscheidungen. Hinzu kommen muss
aber eine Grundhaltung, mehr für
die Umwelt tun zu wollen. Diese
Überzeugung ist bei VW Osnabrück deutlich zu spüren“, so
IHK-Geschäftsführer
Eckhard
Lammers
Energie-Kooperation
Die langjährige Zusammenarbeit
zwischen dem Land Niedersachsen und der Woiwodschaft Großpolen soll auf dem Gebiet regene-
Deutscher Handelspreis: Norddeutschlands schönstes Modehaus liegt nicht an Elbe, Weser
oder Leine – sondern an der Hase, mitten im Herzen von Osnabrück: Das Modehaus L+T ist
jetzt in Berlin für sein Management mit dem Deutschen Handelspreis in der Kategorie Mittelstand ausgezeichnet worden. Lengermann & Trieschmann sei in der Lage, Mode nicht nur zu
verkaufen, sondern sie auch erlebbar zu machen, hieß es in der Jurybegründung. Mit dieser Philosophie habe es das Familienunternehmen geschafft, nicht nur eine herausgehobene Marktstellung in der Osnabrücker Region einzunehmen, sondern das führende Modehaus Norddeutschlands zu werden. Das Modehaus zählt nach eigenen Angaben pro Jahr etwa zehn Millionen Besucher. Es verfügt über 20 000 Quadratmeter Verkaufsfläche und erwirtschaftet einen
Jahresumsatz von 45 Millionen Euro.
Foto: Elvira Parton
rative Energien und Klimaschutz
intensiviert und ausgebaut werden. Das 3N-Kompetenzzentrum
Niedersachsen Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe e. V. in Werlte und die Energieagentur Wielkopolska Agencjia Zarzadzania Ener-
gia (WAZE), Posen, besiegelten
dieses jetzt durch eine Kooperationsvereinbarung. Ziel ist es, ein
gemeinsames Energienetzwerk als
dauerhaftes Forum für den Wissens- und Informationsaustausch
zwischen den Regionen, Gemein-
Preis für Inklusion
40 Mitarbeiter, davon zehn mit
körperlicher oder geistiger Behinderung – die Pfau Tec GmbH aus
Quakenbrück nimmt ihren Leitspruch „Wir produzieren mit Behinderten für Behinderte“ ernst.
Diesen Einsatz ehrten die Wirtschaftsjunioren (WJ) Osnabrück
nun mit der Auszeichnung „Ehrbares Unternehmertum 2012“. Der
Schirmherr der Auszeichnung,
IHK-Präsident Gerd-Christian Titgemeyer, lobte das hohe gesellschaftliche Engagement: „Inklusion wird in diesem Unternehmen
von Anfang an gelebt. Sie war und
ist dort Chefsache, und davon profitieren alle Beteiligten. Die Mitarbeiter mit Behinderung erhalten
dadurch die Möglichkeit zu einer
Teilhabe am Wirtschafts- und Arbeitsleben, die sehr individuell auf
sie abgestimmt ist. Das tägliche
Handeln ist geprägt von Achtsamkeit und einer weitsichtigen Planung des Arbeits- und Produktionsablaufs.“ PFAU Tec entwickelt,
konstruiert und baut Reha- und
Mobilitätshilfen sowie Dreiräder
für Kinder und Erwachsene, die
spezielle Unterstützung benötigen,
um mobil sein zu können.
Die nächste „Die Wirtschaft“ erscheint am 21. Februar 2013. Anzeigenschluss ist am 31. Januar
2013. Weitere Infos im Internet
unter www.diewirtschaft.noz.de
SPITZENPOSITION
Osnabrücker
Milchkühe
bleiben vorn
pm OSNABRÜCK. Osnabrücker
Kühe geben bundesweit am
meisten Milch. Mit durchschnittlich 9811 kg Milch pro Jahr haben sie nach Angaben des Landvolk-Pressedienstes ihre Milchleistung um 126 kg gesteigert.
Bundesweit ermittelten die Prüfer eine Leistung von 8237 kg
Milch je Kuh.
SORRY
sha OSNABRÜCK. In der OktoberAusgabe der „Wirtschaft“ hieß
es irrtümlich, die Salzbergener
Raffinerie H&R ChemPharm sei
nach Auskunft des Unternehmens nicht die älteste produzierende Spezialraffinerie der Welt.
Korrekt ist: H&R zufolge ist sie
die älteste produzierende Spezialraffinerie der Welt.
HERAUSGEBER: Verleger Hermann Elstermann
und Prof. Dr. Dr. h. c. Werner F. Ebke
GESCHÄFTSFÜHRER: Laurence Mehl und Christoph Niemöller
CHEFREDAKTION: Ralf Geisenhanslüke (Chefredakteur), Dr. Berthold Hamelmann (stellvertretender Chefredakteur)
KOORDINATION: Sven Lampe, Christian Schaudwet
AUTOREN DIESER AUSGABE: Dr. Marie-Luise
Braun, Sandra Dorn, Dirk Fisser, Karsten Grosser,
Dr. Berthold Hamelmann, Stefanie Hiekmann,
Petra Hoffknecht, Klaus-Peter Jordan, Georg Kern,
Rainer Lahmann-Lammert, Sven Lampe, Waltraud
Messmann, Florian Pfitzner, Sebastian Philipp,
Stefan Prinz, Wilfried Roggendorf, Axel Rotkehl,
Christian Schaudwet, Michael Schiffbänker, Hendrik Steinkuhl, Désirée Therre, Stefan Wolff
FOTOGRAFEN: Michael Hehmann, Dirk Hellmers,
Stefanie Hiekmann, Klaus Lindemann, Jörn Martens, Thomas Osterfeld, Elvira Parton, Hermann
Pentermann, Wilfried Roggendorf, Egmont Seiler,
Alexander Tuma, Gert Westdörp
GRAFIK: Matthias Michel, Monika Wegmann
VERLAG: Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co.
KG, Postfach 42 60, 49032 Osnabrück; Breiter
Gang 10–16, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Telefon 05 41/310-330, Telefax 05 41/310266; Internet: www.diewirtschaft.noz.de; E-Mail:
diewirtschaft@noz.de
ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF:
MSO Medien-Service GmbH & Co. KG, Große
Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Postfach 29 80,
49019
Osnabrück,
Telefon
05 41/310-500,
Geschäftsführer: Sebastian Kmoch (V.i.S.d.P.),
Verantwortlich für Anzeigen-/Werbeverkauf: Sven
Balzer, Hubert Bosse, Dirk Riedesel, Wilfried Tillmanns, Marvin Waldrich
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Handel und Märkten immer Schritt gehalten hat.
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fast 100 Jahren für Tradition, kreative Rezepte
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Seit dem Jahr 1973 befindet sich unser
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Schokoladenfabrik Gustav Berning GmbH & Co. KG
Feine Confiserie seit 1915
Alte Heerstraße 1 · 49124 Georgsmarienhütte
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Internet: www.berning.de · E-Mail: info@berning.de
23
DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
GELD & GESCHÄFT
Vom Blazer bis zum Blaumann
Der Modehersteller Ahlers aus Herford setzt in seiner Strategie auf Hochwert- und Spezialmarken
VON STEFAN WOLFF
HERFORD. Was die Solarindustrie
für den Landkreis Anhalt-Bitterfeld ist, was Finanzunternehmen für das Rhein-Main-Gebiet
sind, das ist die Bekleidungsbranche für Ostwestfalen-Lippe. Insgesamt setzen fünf Unternehmen mehr als 1,5 Milliarden
Euro um. Die Ahlers AG in Herford ist nach Gerry Weber das
zweitgrößte börsennotierte Textil-Unternehmen der Region.
.„Joop“, „Boss“ oder „Lagerfeld“
sind klingende Namen in der Modewelt. Bei „Ahlers“ wird es nicht
bei jedem Konsumenten klingeln,
doch ist es wahrscheinlich, dass
sehr viele von ihnen schon einmal
Mode aus Herford getragen haben
oder tragen. Die Marken „Otto
Kern“, Baldessarini“ und „Pierre
Cardin“ zählen ebenso dazu wie
„Pioneer“, eines der bekannteren
Jeans-Label. Auch Arbeitskleidung
(„Pionier“) und Sportswear, also
Freizeitbekleidung („Jupiter“, „Gin
Tonic“), gehören zum Portfolio der
Westfalen.
Stella Ahlers, die das Unternehmen seit 2005 führt, hat konsequent den Umbau hin zu höherwertigen Marken vorangetrieben.
Eine der ersten Amtshandlungen
der gelernten Theologin war der
Verkauf des Hemdenanbieters
„Eterna“ und der Zukauf der ehemaligen „Hugo Boss“-Marke „Baldessarini“. Vor zwei Jahren gliederte sie den Jupiter-Hemdenbereich aus. 2011 erfolgte die Komplettübernahme von Otto Kern.
Die Markenrechte waren schon elf
Jahre zuvor erworben worden.
Stella Ahlers’ Großvater Adolf
Ahlers legte 1919 mit einer Tuchgroßhandlung den Grundstein für
das Unternehmen. Der Firmensitz
lag im friesischen Jever, 1925 zog
Ahlers nach Oldenburg um. Sieben Jahre später folgte der Umzug
nach Herford-Elverdissen. Dort
liegt bis heute der Hauptsitz des
Unternehmens. Die wohl größte
Umwälzung erlebte die Textilbran-
Hinter
Pierre Cardin,
Otto Kern und
Baldessarini
verbirgt sich
Ahlers.
Edler Zwirn: Von der Marke Baldessarini verspricht sich das Textilunternehmen Ahlers höhere Margen als von Alltagsmode.
che in den 70er-Jahren des 20.
Jahrhunderts. Die wachsende
Konkurrenz aus den Billiglohnländern zwang auch Ahlers dazu,
deutsche Produktionsstätten zu
schließen und die Textilfertigung
ins Ausland zu verlagern.
Beim Börsengang im Mai 1987
umwarb Ahlers die Investoren da-
mit, noch nie in der Firmengeschichte rote Zahlen geschrieben
zu haben. Das änderte sich zwar
in späteren Jahren, doch setzen
die Herforder vor allem auf eine
kontinuierliche Dividendenpolitik.
Im Mai 2012 schüttete die Gesellschaft eine Dividende von 0,65 Euro je Stammaktie und 0,70 Euro je
Vorzugsaktie für das abgelaufene
Geschäftsjahr 2010/11 aus. Das
entsprach einer Dividendenrendite von 6,4 Prozent für die Stammaktie und 6,7 Prozent für die Vorzugsaktie und kann sich durchaus
sehen lassen.
Die Kontrolle bleibt aber in der
Familie. Der Ahlers-Clan hält über
Je ferner, desto besser
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Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM).
Ein Kündigungshindernis?
Gildemeister-Kurs steigt weiter – Westag leidet unter Euro-Krise
VON CHRISTIAN SCHAUDWET
Kursverlauf Westag + Getalit AG
sind, dass der Arbeitgeber diese nicht mehr hinnehmen
muss.
Grundsätzlich obliegt dem Arbeitgeber nach § 84 Abs. 2
Satz 1 SGB IX (Sozialgesetzbuch Neuntes Buch) die Verpflichtung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten zu klären, wie
Hier kommt das Betriebliche Eingliederungsmanagement
ins Spiel:
Angaben in Euro
Rechtsanwalt, Fachanwalt
für Arbeitsrecht und Notar
Hans A. Welp
aus Rheda Wiedenbrück und
Gildemeister aus Bielefeld belegen es mustergültig: Schwächelt
die Konjunktur in Europa,
trennt sich die Spreu vom Weizen. Vor allem, wer in fernen
Schwellenmärkten Abnehmer
hat, kann aufatmen.
Anfang des Jahres 2012 empfahl
das Anlegermagazin Börse Online
die Aktie von Westag & Getalit
noch zum Kauf. Der Winter war
mild, die Baubranche frohlockte
angesichts lebhafter Konjunktur.
Das Unternehmen aus Rheda-Wiedenbrück beliefert Bauunternehmen mit Schalungsflächen aus
Sperrholz, außerdem mit Türen,
Laminat und anderen Materialien
für den Innenausbau.
Vieles sprach dafür, dass Westag
& Getalits Aktienkurs sich nach einem durchwachsenen zweiten
Halbjahr 2011 und einer vielversprechenden Aufwärtsbewegung
Ende 2011 weiter erholen würde.
Ihren damaligen Spitzenwert von
knapp über 19 Euro jedoch sollte
die Aktie nicht mehr erreichen. Sie
kratzte im Sommer zwar nochmals an der 19-Euro-Marke, fiel
dann aber stetig ab.
Das Unternehmen spürt die
Konjunktureintrübung. Bau- und
Bauzulieferbetrieben
schlagen
wirtschaftliche
Dunkelphasen
meist als Ersten aufs Gemüt. In
den ersten drei Quartalen setzte
vor allem die Schwäche europäischer Abnehmerländer dem Exportgeschäft der Rheda-Wiedenbrücker zu. Nichts spricht derzeit
dafür, dass die Nachfrage nach ihren Produkten in den nächsten
Monaten deutlich anziehen könnte. Das dürfte sich weiterhin auch
im Kursverlauf spiegeln.
Die Arbeitsgerichte mussten sich in jüngster Vergangenheit mehrfach mit dem
sogenannten Betrieblichen
Eingliederungsmanage­
ment (BEM) im Zusammenhang mit Arbeitgeberkündigungen befassen.
17,5
OSNABRÜCK. Westag & Getalit
I.
16,5
➢ eine Arbeitsunfähigkeit überwunden
➢ mit welchen Leistungen oder Hilfen erneute
Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt
16,0
September
Oktober
November
Kursverlauf Gildemeister AG
Angaben in Euro
14,5
14,0
13,0
II.
12,5
12,0
11,5
Oktober
Konjunktursorgen haben auch
die Maschinenbauer, noch allerdings hält sich die Branche gut.
Im Oktober gingen nach Angaben
ihres Verbandes VDMA sieben
Prozent mehr Aufträge ein als im
Vorjahresmonat. Das Plus bei den
Bestellungen kam vorwiegend aus
dem Ausland, meist aus nicht europäischen Ländern.
Ein Börsenstar der Branche ist
derzeit der Bielefelder Werkzeugmaschinenbauer Gildemeister. Er
legte ein glänzendes drittes Quartal hin und steigerte im Oktober
seine Prognosen für das Gesamt-
➢ der Arbeitsplatz erhalten werden kann.
Diese Verpflichtung besteht für den Arbeitgeber immer
dann, wenn Mitarbeiter innerhalb eines Jahres länger als
sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind bzw. waren. Dabei ist die zuständige Interessenvertretung, bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung, einzubeziehen.
Denn nach § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX wachen diese einschl.
dem Betriebsrat darüber, dass der Arbeitgeber seine gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt.
Bereits im Jahre 2007 entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass diese Obliegenheit ein sog. Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchzuführen,
für alle Arbeitnehmer besteht und nicht etwa nur für behinderte Menschen.
13,5
September
Foto: Ahlers
75 Prozent aller Stimmrechte und
(inklusive der stimmrechtslosen
Vorzüge) mehr als 55 Prozent aller
Aktien. Einflussnahme von außen
ist damit quasi unmöglich. Auch
die Leitung der Firma ist Familiensache. 1968 trat Jan A. Ahlers
die Nachfolge des verstorbenen
Firmengründers an. Die direkte
Übergabe an die Tochter fand allerdings nicht statt. Von 2003 bis
2005 leitete der langjährige Finanzvorstand Karl A. Galling den
Konzern.
Für die laufenden Geschäfte ist
das Unternehmen zuversichtlich.
In den ersten neun Monaten des
am 30. November endenden Geschäftsjahres 2011/2012 ist zwar
der Umsatz des Unternehmens um
2,7 Prozent auf 193 Millionen Euro
zurückgegangen, doch die Entwicklung in den einzelnen Sparten
gibt der Unternehmensstrategie
recht. Während die eher preiswerte Marke „Gin Tonic“ schwächelte,
legten die Premiummarken zu.
„Baldessarini“, „Otto Kern“ und
„Pierre Cardin“ erreichten zum
Quartalsende einen Anteil am Gesamtumsatz in Höhe von 61 Prozent (Vorjahr: 56 Prozent).
Immer wichtiger wird es für die
Herforder auch, mit eigenen Geschäften präsent zu sein. Ein
Zehntel der Umsätze kommen aus
selbst oder im Franchiseverfahren
betriebenen Läden.
November
jahr. Seit Mitte November bewegt
sich der Aktienkurs stetig aufwärts, seinem bisherigen 2012erHöchstwert von 15,60 Euro entgegen.
Von seinem Rekordhoch von 23
Euro im Jahre 2008 ist Gildemeister zwar noch weit entfernt. Das
Unternehmen gehört aber zu den
Sektoren der deutschen Industrie,
die dank starker Nachfrage aus
den USA und aus Schwellenländern wie China und Brasilien ihre
Abhängigkeit von ungewissen europäischen Exportmärkten verringern können.
Die Durchführung eines BEM ist bei Ausspruch einer sog.
krankheitsbedingten Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz von Bedeutung. Die gerichtliche Überprüfung einer solchen Kündigung ist nach ständiger Rechtsprechung in drei Stufen vorzunehmen:
Danach ist zunächst eine negative Prognose über den
Gesundheitszustand erforderlich (1. Stufe). Sodann
müssen die zu erwartenden Auswirkungen des Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers zu einer er­
heblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interes­
sen führen (2. Stufe). Schließlich ist auf der 3. Stufe eine
Interessenabwägung vorzunehmen, bei der zu prüfen
ist, ob die betrieblichen Beeinträchtigungen so groß
Bei der Überprüfung einer Kündigung wird von den Arbeitsgerichten der sog. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
angewendet. Danach ist eine Kündigung unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie durch andere Mittel vermieden werden kann oder mit anderen Worten: Eine Kündigung ist zur Beseitigung der betrieblichen
Beeinträchtigungen nicht erforderlich.
Mittlerweile besteht Einigkeit darüber, dass die Durchführung eines BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX keine formelle
Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch einer
krankheitsbedingten Kündigung ist. Vielmehr stellt das
BEM eine Konkretisierung des oben erwähnten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Das Bundesarbeitsgericht
(BAG) sieht das BEM als ein nicht formalisiertes Verfahren an, das den Beteiligten jeden denkbaren Spielraum
lässt. Nach Ansicht des BAG vertraut das Gesetz darauf,
dass die Einbeziehung von Arbeitgeber, Arbeitnehmer,
Betriebsrat und externe Stellen ausreichen, um den Interessen aller Beteiligten gerecht zu werden.
Auswirkungen hat das BEM allerdings aus prozesstaktischen Erwägungen bei der sog. Darlegungs­ und Beweis­
last innerhalb eines Kündigungsschutzprozesses. Hier
muss der Arbeitsrichter prüfen, ob der Arbeitgeber bei einer krankheitsbedingten Kündigung ausreichenden Sachverhalt vorgetragen hat und notfalls auch beweisen kann,
um den Kündigungsschutzprozess gewinnen zu können.
III.
Für die betriebliche Praxis werden diese Fragen in Zukunft
insbesondere bei langandauernden Erkrankungen eine
wichtige Rolle spielen. Jedenfalls in solchen Fällen, bei
denen eine Kündigung unter das Kündigungsschutzgesetz
(KSchG) fällt und zwar unabhängig davon, ob eine Interessenvertretung für behinderte Menschen bzw. ein Betriebsrat existiert. Ein kündigender Arbeitgeber muss also
durch entsprechende Vorbereitung sicherstellen, dass
er im Kündigungsschutzprozess nicht alleine deswegen
unterliegt, weil er der erweiterten Darlegungs- und Beweislast ohne Berücksichtigung des BEM nicht oder nicht
ausreichend nachgekommen ist.
Hans-Christian Agarius
(Bachelor of Law)
Hans Adolf Welp
(Fachanwalt für Arbeitrecht)
Hans A. Welp
Tel. 0541 - 33159 - 0
Fax. 0541 - 33159 - 29
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Niedersachsenstraße 13
49074 Osnabrück
24
DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
GELD & GESCHÄFT
Kartelle als
Geißel der
Marktwirtschaft
Über die Zerstörungskraft
geheimer Preisabsprachen
VON PETER MAYER *
OSHKOSH. Vorwürfe über Ab-
sprachen der Preise für Benzin,
für Fernsehgeräte, für Krabben,
Kabel oder Zinsen haben
Schlagzeilen gemacht. Tatsächlich werden regelmäßig Kartellabsprachen entdeckt und bestraft. Kartelle verursachen hohe Kosten auf der Seite der Endverbraucher. Sie schädigen Unternehmen, die überteuerte Vorleistungen einkaufen. Sie beeinträchtigen die Wahrnehmung
und Wertschätzung der Marktwirtschaft, und sie bürden den
beteiligten Unternehmen hohe
Kosten auf.
Allein die EU-Kommission verhängte zwischen 2008 und 2012
Strafen in Höhe von 7,7 Mrd. Euro. In Osnabrück ist vielen noch
gut die im Jahr 2003 von der EU
verhängte Strafe gegen KME Germany wegen Preisabsprachen bei
Kupfer-Installationsrohren in Erinnerung. KME musste eine Strafe von 107 Millionen Euro zahlen.
Die Wirtschaftsethik, die sich
mit moralischen Normen und
Idealen in der modernen Volkswirtschaft befasst, gibt eine Reihe
von einander ergänzenden Empfehlungen, wie mit diesem Problem umzugehen ist.
Bereits Adam Smith beschrieb
in seinem Werk „Vom Wohlstand
der Nationen“ ein Grundproblem
der Preisbildung: Geschäftsleute
kämen selten zusammen, „ohne
dass das Gespräch in einer Verschwörung gegen die Öffentlichkeit endet oder irgendein Plan
ausgeheckt wird, wie man die
Preise erhöhen kann“.
In der Philosophie der sozialen
Marktwirtschaft nimmt das klare
Bekenntnis zur aktiven Rolle des
Staates zum Schutz des Wettbewerbs eine zentrale Stellung ein.
Starke Sanktionen und Anreize
zur Destabilisierung von Kartellen wie Kronzeugenregelungen
und Ausstiegshilfen sollen Kartelle aufdecken und letztlich verhindern. Die Begründung für die
wettbewerbspolitische Ausrichtung ist wirtschaftsethischer Natur: Konsumenten sind vor der
Macht der Unternehmer zu
schützen. Und klare ordnungspolitische Regelungen und deutliche
Strafen beseitigen das Dilemma,
dass individuelles moralisches
Verhalten des einzelnen Unternehmers im Markt nicht entlohnt
wird, wenn Wettbewerber mit illegalen, aber nicht sanktionierten
Absprachen Vorteile erzielen können.
Auf Grundlage der Globalisierung sind viele Kartelle international angelegt. Mangels einer internationalen Wettbewerbsbehörde befasst sich die EU daher auch
mit Kartellen außerhalb Europas,
insofern sie Rückwirkungen auf
den europäischen Markt haben.
Schwerpunkt der EU-Wettbewerbspolitik sind allerdings Absprachen auf dem europäischen
Markt. Nationale Behörden befassen sich mit Verstößen auf nationalen Märkten. In Deutschland
wird die institutionelle Vielfalt
durch Landeskartellämter noch
ergänzt. Das wirtschaftsethisch
wichtige Prinzip der Subsidiarität
wird hier befolgt. Zu beachten ist
aber auch das in der Wirtschaftsethik als „ethical displacement“
bezeichnete Prinzip: Ein Problem
ist nicht immer auf jener Ebene
zu lösen, auf der es zunächst auftritt: Die Problemlösung muss auf
der richtigen Ebene angesiedelt
sein, eine Verschiebung („displacement“) des Lösungskonzeptes kann sinnvoll sein: Wenn etwa ein Wettbewerbsproblem im
Grunde ein internationales Problem ist, ist das Vorgehen allein einer nationalen Kartellbehörde
der falsche Ansatz. Vielmehr
muss über die EU, OECD, WTO
oder ein koordiniertes Vorgehen
nationaler Behörden nach Lösungen gesucht werden.
Bei der Bekämpfung von Preisabsprachen sind jedoch auch die
Unternehmen gefordert: Sie können sich an freiwilligen Initiativen
der kollektiven Selbstbindung zum
Beispiel einer Branche beteiligen
und damit dem Problem der Preisabsprachen proaktiv mit einer
ordnungspolitischen Strategie begegnen (siehe etwa die Compliance-Initiative des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf
Bild: Getty Images
und Logistik, BME). Und wenn
solche Reglungen nicht freiwillig
zustande kommen, kann die kollektive Bindung an Standards aufgrund von staatlichen Initiativen
im ureigenen Interesse der Unternehmen liegen. Die Höhe der monetären Strafen, die Entdeckungswahrscheinlichkeit, aber auch und
häufig mehr noch der Reputationsverlust infolge aufgedeckter
Vergehen stellen nicht nur erhebliche einzelwirtschaftliche Risiken
dar, sondern sind auch als große
Risiken für die Profitabilität und
Attraktivität einer Branche anzusehen.
Im innerbetrieblichen Geschehen müssen Unternehmen ihren
Handlungsspielraum nutzen und
wirksame Governance-Strukturen
schaffen: Sie können durch geeig-
Der Staat
tritt an zum
Schutz des
Wettbewerbs.
nete interne Regeln Transparenz
schaffen, für manche Verabredungen das Vier-Augen-Prinzip oder
die Einbeziehung externer Stellen
einführen, Kontrollgremien etablieren oder Audits einführen, um
frühzeitig Probleme zu erkennen.
Im internationalen Geschäft wird
die Existenz klarer ComplianceStrukturen zunehmend zur conditio sine qua non.
Die Entwicklung einer Unternehmenskultur, welche Integrität
und regelkonformes Verhalten fördert, ist schließlich ebenso bedeutsam. Hier sind alle Führungsebenen eines Unternehmens gefordert, klar Stellung zu beziehen.
Die Dokumentation der Prinzipien
im Rahmen eines allgemeinen Kodex oder eines speziellen Verhaltenskodex für besonders betroffe-
ne Gruppen gehört dabei zunehmend zu den Standards der guten
Unternehmensführung.
Preisabsprachen werden sich
nicht völlig beseitigen lassen. Die
systematische Arbeit sowohl an
dem ordnungspolitischen Rahmen
als auch den Strukturen in den
Branchen und Unternehmen ist
jedoch durchaus geeignet, sukzessive Fortschritte zu erzielen
* Prof. Dr. Peter
Mayer lehrt
Wirtschaftsethik
an der Hochschule Osnabrück und
arbeitet gegenwärtig an der
University of Wisconsin-Oshkosh.
Foto: privat
Wie gut ein Geschäft wirklich ist,
erkennt man nur, wenn man klar sieht.
Mehr Durchblick durch Einblick: Creditreform!
Es gibt viele Methoden, sich neue Perspektiven zu
verschaffen. Eine der sichersten hat einen Namen:
Creditreform.
Creditreform Oldenburg
Creditreform Osnabrück
Bolte KG
Unger KG
Telefon 04 41-9 73 99-0
Telefon 05 41-6 92 55 40
www.creditreform-oldenburg.de
www.creditreform-osnabrueck.de
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DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
LEBEN &
LEIDENSCHAFT
25
Flüssiges
Gold
Osnabrücker Whisky-Freunde schwören
auf schottischen Single Malt
Whisky kommt von
Usquebaugh, und das
bedeutet Lebenswasser.
Flaschenpreise
kennen nach oben
keine Grenze.
Mit „Sláinte“, was auf
Gälisch „Gesundheit“
heißt, wird angestoßen.
VON SEBASTIAN PHILIPP
OSNABRÜCK. Für Johann Wolfgang von Goethe war das Leben
zu kurz, um schlechten Wein zu
trinken. Für die Malt-Maniacs
aus Osnabrück kann das Leben
dagegen gar nicht lang genug
sein für Whisky, zumeist schottischer Herkunft.
Freilich ist der noch junge Osnabrücker Whisky-Club keine Vereinigung für überhöhten SingleMalt-Konsum – die mittlerweile
mehr als 35 Mitglieder haben vielmehr ihre Leidenschaft für die
Vielfalt, die Besonderheiten und
den genießerischen Aspekt des
flüssigen Goldes entdeckt. Übrigens: Das Wort Whisky stammt
vom gälischen „Usquebaugh“ ab,
welches übersetzt „Lebenswasser“
heißt.
Kann man erklären, worin die
Faszination für das Lebenswasser
besteht? Torsten Hoffmann winkt
ab. „Man kann viel Interessantes
über Whisky erzählen – um zu verstehen, muss man aber selbst probieren.“ Gemeinsam mit Christian
H. Meyer und Jürgen Schwarze gehört Hoffmann dem engeren Zirkel des Clubs an. Was alle Mitglieder eint, ist die Begeisterung für
die schier unendliche Vielfalt der
Spirituose. Kenner wie Hoffmann
schmecken mittlerweile sogar die
Region heraus, in der die WhiskySorte gebrannt wurde. „Wenn ich
dabei die Augen schließe, sehe ich
den Produktionsprozess, die Eigenarten jeder Destillerie. Die
Vielfalt der Geschmäcker und Aromen – das macht für mich die Faszination
von
Whisky
aus“,
schwärmt Hoffmann. Und immer
würden ihm doch die Worte fehlen, um die Faszination in ihrer
Gesamtheit auszudrücken.
Probieren macht also schlauer.
Wie passend, dass die Malt-Maniacs ihr Wissen gerne weitergeben:
Vier- bis fünfmal pro Jahr veran-
Jürgen Schwarze ist einer von zurzeit 35 „Malt Maniacs“.
Foto: Thomas Osterfeld
In solchen Brennblasen entstehen in Schottland die beliebten Single-Malt-Whiskys.
stalten die Clubmitglieder ein öffentliches Tasting in der Osnabrücker Location „Remise“. Dort werden unterschiedliche Whisky-Sorten in kleinen Mengen zum Probieren angeboten. Für Laien und
Kenner gleichermaßen steht hier
das Betreten von Neuland im Mittelpunkt.
Hoffmann,
Meyer,
Schwarze und Co. bieten bei den
Tastings Sorten an, die im herkömmlichen Handel nur mit besonderem Spürsinn aufzutreiben
sein dürften. „Diese Veranstaltungen sind die perfekte Möglichkeit,
sich näher mit dem Thema auseinanderzusetzen und eigene Vorlieben für spezielle Sorten herauszufinden“, sagt Schwarze. Bei Flaschenpreisen mit einer Preisspanne, die zumindest nach oben keine
Begrenzung kennt, ist das Wissen
um die Neigung zu bestimmten
Sorten gewiss kein Nachteil.
Einen Teil der Whiskys holen
sich die Maniacs sogar selbst aus
Schottland. Erst im September
ging es für acht Mitglieder auf eine einwöchige Rundreise durch
das „Gelobte Land“. „Der Trip mit
Besuchen zahlreicher Destillerien
war so etwas wie der vorläufige
Höhepunkt der Clubgeschichte.
Wiederholungen werden auf jeden
Fall folgen“, verspricht Meyer.
Langfristiges Ziel sei es, per
Schiffsreise sieben schottische Inseln anzusteuern – mitsamt Destillerie-Besuch, versteht sich.
Wer die Whisky-Materie vollends durchleuchten möchte, ist
bei Hoffmanns geführten Tastings
richtig aufgehoben, die ebenfalls
zumeist in der Remise stattfinden.
Hier gilt: Zeit mitbringen. Produktionsmethoden, Eigenarten und
regionale Hintergründe werden
hier zu einzelnen Whisky-Sorten
präsentiert. So ein Tasting könne
auch schon einmal vier Stunden
dauern. „Whisky in seiner Gesamtheit ist eben ein exklusives Produkt, für das man sich Zeit nehmen muss. Man schluckt ihn ja
Foto: Imago
Wer Whisky
verstehen will,
braucht neben
der Theorie vor
allem praktische
Erfahrungen.
auch nicht einfach hinunter wie
Schnaps, sondern lässt ihn im
Mund zergehen“, erklärt Hoffmann. Wer denkt, der Club sei genauso exklusiv in seiner Mitgliederstruktur, der irrt übrigens:
„Wir haben Abiturienten in unseren Reihen, Studenten, Arbeiter,
Geschäftsführer und Ruheständler
– also alle Gesellschafts- und Altersgruppen. Gerade die Geselligkeit und das Zusammenkommen
spielen ja auch eine Rolle.“
Bei allen Erklärungen der MaltManiacs – wer Whisky verstehen
will, braucht neben der Theorie
vor allem praktische Erfahrungen.
Darum: testen. Mit dem Wort
„Sláinte“, was auf Gälisch so viel
heißt wie Gesundheit, wird angestoßen. Ein Blick ins Glas, es folgt
der Geruchstest – und schließlich
erquickt das flüssige Gold die Geschmacksknospen des Genießers.
Für manche Dinge kann das Leben eben gar nicht lang genug
sein.
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DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
LEBEN & LEIDENSCHAFT
VON STEFANIE HIEKMANN
ser Frage wesentlich schneller als
sein Kollege Thomas Bühner. „Ich
esse sehr gern Miesmuscheln und
Lamm in allen Variationen“, sagt
Lampe. Als Kind war es das Jägerschnitzel mit Pommes, für das er
alles stehen und liegen gelassen
hat. Das esse er zwar jetzt auch
noch gern, doch inzwischen darf es
für ihn auch etwas Feineres sein.
„Gern auch mit einem passenden
Glas Wein“, sagt der Kantinenchef.
Worauf er sehr gut verzichten könne, sei Matjes. Thomas Bühner tut
sich immer noch schwer, sich auf
ein konkretes Lieblingsgericht festzulegen. Er esse fast alles gern –
„sofern es gut gemacht ist!“. Als
Kind sei es der Apfelauflauf seiner
Mutter gewesen, den er geliebt hat.
Wenn er heute mal faul sei, dann
stehe ein Stück guter Rohmilchkäse hoch im Kurs. Was bei ihm gar
nicht auf den Tisch kommen muss:
Bier, Fischaugen, 1000-jährige Eier
und Ameisen. Alles wurde ihm bereits serviert. Bier ist Geschmackssache, aber die drei letztgenannten
Lebensmittel machten in seinen
Augen auch schlichtweg keinen
Sinn: „Ameisen schmecken wie
Kerne von Himbeeren – warum
sollte man die essen?“
OSNABRÜCK. Beide sind Köche.
Doch ihr Arbeitsalltag könnte
kaum unterschiedlicher aussehen: Thomas Bühner, Chefkoch
des Drei-Sterne-Restaurants
„La Vie“, und Dietrich Lampe,
Chefkoch der Osnabrücker
Kreishaus-Kantine, leiten beide
ein Restaurant. Dem einen gehört eines der angesehensten
Häuser der Welt, der andere
führt seit 14 Jahren eine Kantine, die für viele Osnabrücker
zur festen Institution geworden
ist. Im Gespräch mit „Die Wirtschaft“ tauschen sich die beiden
über ihren Berufsalltag aus.
Volles Haus. Das haben beide fast
jeden Tag. Wobei „voll“ jeweils individuell definiert werden sollte:
600 bis 800 Essen gehen bei Kantinenkoch Dietrich Lampe täglich
aus der Küche. „Hinzu kommen oft
noch Tagungen und unsere traditionellen Grünkohl- und Spargel-Essen“, bemerkt der Kantinenchef.
Firmen, Verbände und andere
Gruppen aus Osnabrück und Umgebung mieten sich ins Kreishaus
ein, die Kantine kümmert sich
auch bei solchen Gästen um die
Verpflegung. 1000 Teller am Tag
sind für Dietrich Lampe und sein
Team dann keine Seltenheit. Das
„La Vie“ von Drei-Sterne-Koch Thomas Bühner begnügt sich mit weniger als fünf Prozent davon: Denn
mit 45 Gästen ist das Luxus-Restaurant in der Altstadt voll besetzt.
„Wahnsinn!“, ist Bühners SpontanReaktion auf die Masse von 600 bis
800 Essen, die Lampe allein zum
Mittagstisch aus der Küche schickt.
Jedoch seien nur ein Teil dieser
Kunden tatsächlich Kreishaus-Mitarbeiter: „Wir haben viele Externe,
die täglich zu uns kommen“, sagt
Lampe. Sowohl Berufstätige anderer Osnabrücker Unternehmen, die
selbst keine Kantine haben, wie
auch Privatleute – vor allem Rentner und Alleinstehende. Thomas
Bühner kann im Gegenzug von
Gästen berichten, die extra für ein
Abendessen aus Brasilien einfliegen: „Das „La Vie“ war das einzige
Drei-Sterne-Restaurant, das sie
noch nicht besucht hatten“, erzählt
Bühner über das südamerikanische
Ehepaar, das erst vor wenigen Wochen bei ihm zu Gast gewesen ist.
Tatsächlich gebe es diese Art von
Fernbesuchen immer öfter, seit er
mit dem dritten Stern ausgezeichnet worden ist, bestätigt Bühner.
Kein Wunder: Drei Sterne bedeuten Champions League.
Arbeitszeiten. Um genau 6.30
Uhr fangen die Kochlöffel, Teller
und Töpfe in der Kreishaus-Kantine an zu klappern. Und wer glaubt,
bis neun oder zehn Uhr herrsche
erst mal die ruhige Kaffee-Phase,
der hat sich getäuscht: „Wir brauchen die Zeit, um alles für den Mittagstisch vorzubereiten“, erklärt
Lampe. Liegen noch Abendveranstaltungen an, werden auch diese
bereits zu Teilen am Vormittag in
Angriff genommen. Drei verschiedene Hauptgerichte plus Beilagen,
Eintopf, Salatbuffet und Desserts
kommen in der Kreishaus-Kantine
jeden Tag frisch auf den Tisch.
Richtig rund geht es, wenn die
hungrigen Kunden vor der Theke
stehen und bestellen: „Wenn ein
Gericht dann besonders gefragt ist,
kochen wir eben nach“, sagt Lampe. Und das muss schnell gehen.
Wann sich sein Arbeitstag dem Ende neigt, sei sehr variabel: „Wenn
abends noch Veranstaltungen im
Kreishaus stattfinden, wird es unter Umständen Nacht. Es gibt aber
auch Tage, an denen gegen Nachmittag irgendwann Feierabend ist.“
Köche aus Leidenschaft sind sie beide, im Alltag aber arbeiten sie in unterschiedlichen Welten: Kantinenkoch Dietrich Lampe (links) und Sternekoch Thomas Bühner.
Fotos: Gert Westdörp
Profis aus verschiedenen Welten
Ein Beruf, zwei Extreme – Sternekoch Thomas Bühner und Kantinenkoch Dietrich Lampe
Das kann Thomas Bühner kategorisch ausschließen. Denn bei ihm
ist der Abend Hauptgeschäftszeit.
Vormittags zwischen neun oder
zehn Uhr beginnt der in Riesenbeck geborene Sterne-Koch seinen
Arbeitstag. An zwei Tagen hat das
Restaurant mittags geöffnet, ansonsten füllen auch hier Vorbereitungen für den Abend den Tag.
Hinzu kommen noch unterschiedlichste andere Termine, die ein Leben als Drei-Sterne-Koch mit sich
bringt: „Vor Kurzem war ich auf einem Kongress in Südkorea“, berichtet Bühner. Kurz danach ging
es noch zu Terminen nach München und auf die Insel Sylt. Was
übrigens auch bedeutet, dass die
Wochenenden zum Großteil für Besuche im Ausland, für Termine in
anderen Sterne-Restaurants, für
Kongresse und weitere Veranstaltungen draufgehen. Womit der 49Jährige jedoch sehr gut leben
kann: „Ich war in den vergangenen
Monaten in Dubai, im Libanon, in
Polen, in Korea – das sind so viele
spannende Sachen, die man da
sieht und erlebt. Da kann ich nur
sagen: Pfeif aufs Wochenende!“ Der
Koch liebt seinen Job, das hört
man nicht nur, das sieht man auch,
wenn er spricht. Zurück zu seinem
„normalen“ Arbeitstag in Osnabrück: Vor Mitternacht sei der Tag
eigentlich nie zu Ende. In der Regel
eher später. „Wobei ich eine feste
Regel habe“, bemerkt Bühner:
„Egal, wie toll die Gäste sind – um
1.30 Uhr gehe ich nach Hause!“
Schließlich geht es gegen neun Uhr
auch wieder von Neuem los.
Menschen in der Küche. Wieder sind es Zahlen, mit denen die
beiden Köche sich gegenseitig zum
Staunen bringen. Denn auf die Frage, wie viele Angestellte bei ihnen
arbeiten, folgen wieder völlig verschiedene Antworten – die ganz besonders interessant werden, wenn
man die zu bewirtenden Gäste berücksichtigt. Acht Arbeitskräfte
kümmern sich in der KreishausKantine um die Beköstigung der
Kunden. „Vier Gesellen und vier
Auszubildende“, sagt Lampe. Das
macht 125 Essen, die jeder Angestellte im Schnitt für das Mittagund Abendgeschäft zubereitet. Thomas Bühner hat dem 14 Angestellte
entgegenzusetzen. Das macht gut
drei Essen pro Mitarbeiter. „Nein,
gar keine Auszubildenden“, bestätigt Bühner auf Nachfrage. Ein kleines Beispiel verdeutlicht dazu auch
sehr gut, warum das Kapitel „Auszubildende“ ein sehr schwieriges
für das „La Vie“ wäre: „Ein fertig
ausgebildeter Koch würde schon
ein halbes Jahr brauchen, bis er
hier ansatzweise drin ist“, sagt
Bühner. Jeder Mitarbeiter hat seine
eigene Aufgabe, die er im Gefüge
des „La Vie“ mit höchsten Qualitätsansprüchen zu erfüllen hat.
Sich selbst sehe er da übrigens in
erster Linie als „Trainer der Mannschaft“, sagt Bühner.
„Tauschen?
Dann würde
ich schreiend
rauslaufen.“
Kunden und Gäste. Vielleicht
ist es schon aufgefallen: Mal ist
hier von „Kunden“, mal von „Gästen“ die Rede. Dahinter verbirgt
sich kein unüberlegter Gebrauch
von scheinbaren Synonymen, sondern der unterschiedliche Sprachgebrauch, der in der KreishausKantine auf der einen und im „La
Vie“ auf der anderen Seite herrscht.
„Zu unseren Kunden gehören vor
allem Osnabrücker, aber längst
nicht nur Kreishaus-Mitarbeiter“,
sagt Dietrich Lampe. „Seit dem
dritten Stern sind die Gäste immer
internationaler“, sagt Thomas Bühner. Der eine redet von Kunden,
der eine von Gästen. Auch das verdeutlicht die Unterschiede zwischen Sterne- und Kantinenküche.
Beide wollen, dass es den Menschen schmeckt. Doch auch hier
spielen wieder völlig verschiedene
Dimensionen rein: „Mir ist bewusst, dass es Leute gibt, die lange
Zeit darauf hinsparen, sich einen
Abend im „La Vie“ zu gönnen“,
weiß Bühner. Spontan erinnert er
sich an einen kleinen Jungen, der
sich zu seinem zehnten Geburtstag
ein Essen im „La Vie“ gewünscht
und auch bekommen hat. So etwas
mache ihm dann immer wieder seine Verantwortung bewusst, die er
bereits mit einem einzigen der 45
Abendessen habe, das er aus der
Küche schickt. Für die Gäste sei es
nicht irgendein Abendessen, sondern das Abendessen, für das sie
möglicherweise auf einen Urlaub
oder etwas anderes Großes verzichtet haben.
Natürlich hat auch Kantinenchef
Lampe Verantwortung für das Essen seiner Kunden. Doch schon
Masse und Preis geben hier eine andere Hausnummer vor. „Wir geben
uns auch große Mühe, unseren
Kunden immer wieder etwas Neues
zu präsentieren – und das schätzen
sie auch“, weiß Lampe. Doch nichtsdestotrotz ist ein Essen im Kreis-
haus-Restaurant natürlich nicht mit
einem Endessen im „La Vie“ zu vergleichen: Anspruch ist hier nicht
Anspruch oder um den Vergleich
von Äpfel und Birnen zu bemühen:
Hier wird auf völlig verschiedenen
Ebenen gekocht. Mit unterschiedlichen Ansprüchen in der Küche und
mit unterschiedlichen Erwartungen
seitens der Kunden.
Lieblingsessen. Welche Vorlieben hat man auf dem Teller, wenn
man selbst in der Lage ist, sich jedes erdenkliche Gericht selbst zu
kochen? Dietrich Lampe ist bei die-
Experiment. „Was wäre, wenn
Sie einen Tag mit Herrn Lampe
den Arbeitsplatz tauschen sollten?“,
fragen wir den Sternekoch. „Dann
würde ich schreiend rauslaufen“,
antwortet dieser spontan, aber mit
großer Gewissheit und fügt hinzu:
„Ganz ehrlich, ich könnte es gar
nicht!“ Gemeinschaftsverpflegung,
wie Dietrich Lampe sie seit über 15
Jahren in der Kreishaus-Kantine
leitet und durchführt, sei ein völlig
anderes Kapitel, als die Sterne-Gastronomie. „Ich habe großen Respekt davor, für mich wäre es aber
absolut gar nichts“, stellt Bühner
klar. Und auch Lampe verspricht:
Würde er einen Tag das Zepter im
„La Vie“ in die Hand nehmen,
„würde es ganz sicher im Chaos enden“, meint er und lacht. „Man
mag es sich zudem aber auch gar
nicht anmaßen, mit jemandem wie
Herrn Bühner zu tauschen“, sagt
Lampe. Respekt von beiden Seiten
steht also ganz klar zwischen den
beiden Fronten Sterne- und Kantinenküche. Und vielleicht bleiben
die beiden Köche genau deshalb
am liebsten hinter ihrem eigenen
Herd. Sicher ist sicher.
Bei Dietrich Lampe gehen täglich zwischen 600 und 800 Essen aus der Küche.
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DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
LEBEN & LEIDENSCHAFT
Der Schlüssel zum
Glück liegt im
Gemeinschaftsgarten
Osnabrücker Projekt soll Menschen aller
Generationen und Kulturen verbinden
VON MARIE-LUISE BRAUN
OSNABRÜCK. In Berlin tun sie es,
auf den Dächern von New York
tun sie es, auf Verkehrsinseln in
London – und in Osnabrück:
Städter greifen zu Spaten und
Hacke, roden mitten im Zentrum Boden um und pflanzen
Tomaten, Salat und Gurken, um
sie später auf ihren Esstisch zu
bringen. Urban Gardening heißt
dieser Virus, der mittlerweile
auf der ganzen Welt um sich
greift. Und auch in der Region
gibt es solche Gärten.
Die Menschheit wird klüger, glaubt
man Joachim Ringelnatz: „Kinder
weinen, Narren warten, Dumme
wissen, Kleine meinen, Weise gehen in den Garten“, dichtete er
einst – und derzeit werden es immer mehr, die sich einen Garten
wünschen, um Ruhe und einen
Ausgleich zu finden, um eigenes
Gemüse anzubauen oder einfach in
der Sonne zu sitzen.
Vor wenigen Jahren noch galten
Schrebergärten unter jüngeren
Leuten als der Inbegriff der Spießigkeit. Jetzt kommt der Wunsch
nach einem eigenen Stück Land,
nach ein bisschen Natur in der
Stadt unter dem englischen Begriff
„Urban Gardening“ viel lockerer
daher. Und mit dem klassischen
Schrebergarten hat das auch nur
noch wenig gemein. Denn die Höhe der Hecke und die Ordnung im
Garten sind dort nicht reglementiert. Es soll grünen und das möglichst üppig.
Im Berliner Prinzessinnengarten
beispielsweise wächst seit dem
Sommer 2009 Grünzeug für den
Kochtopf, wo 60 Jahre lang 6000
Quadratmeter Brachfläche war.
Weil die Organisatoren das Gelände bislang immer nur für ein Jahr
von der Stadt Berlin pachten konnten, bauten sie Gemüse, Obst und
Kräuter in umfunktionierten Bäckerkisten, Tetrapaks und Reissäcken an. Mittlerweile engagieren
sich hier Kinder, Jugendliche, Erwachsene und
auch alte Menschen
für eine ökologische
Landwirtschaft
–
mitten in Berlin.
Es gibt ein Café
und eine Gartenküche. Niemand
hat dort ein eigenes Beet, jeder,
der mag, kann
mitmachen. Und
sie wollen es weiter
tun: Fast 30 000
Stimmen haben die
Organisatoren mittlerweile beisammen, damit der Garten erhalten
werden kann. Denn die
Stadt will das Gelände jetzt
verkaufen.
In Osnabrück steht der Friedensgarten erst am Anfang. Elf
Obstbäume sind bereits gepflanzt
auf dem 10 000 Quadratmeter großen Gelände am Haster Weg. Im
kommenden Jahr sollen Gemüse,
Blumen und Obst auf Gemeinschafts- und Einzelbeeten angebaut werden. Die Betriebsfläche
ist auf dem Lageplan bereits ausgewiesen, ebenso ein Platz für eine
Pergola, unter der die Gärtner gemütlich beisammensitzen können.
Die Initiatoren haben den Verein
„Friedensgarten“ gegründet, dem
die Stadt das Gelände zur Verfügung stellt.
Hier soll ein „Interkultureller Gemeinschaftsgarten“ entstehen, an
dem sich jeder beteiligen kann, der
mag. So wirbt Doris Kube bereits in
entsprechenden Vereinen in der
Stadt um Mitglieder, die sich im
Garten engagieren möchten. Zusammen mit dem Physiker Wieland Sack hat die Landschaftsplanerin und Umweltbildnerin das
Konzept für den Friedensgarten
entwickelt, der auf eine Idee von
Sack zurückgeht.
Vor etwa zehn Jahren hatte der
gebürtige Leipziger eine Ausstellung in Berlin über Städte besucht,
deren Industrie zusammengebrochen war. Menschen, die dadurch
kein Einkommen mehr hatten, begannen die Brachflächen der Industrie aufzubrechen, zu beackern
und sich davon zu ernähren.
Das war die Initialzündung für
ein ähnliches Projekt in seiner
Wahlheimat Osnabrück, erzählt
Sack, der aus Leipzig die Schrebergartenkultur kannte. Nun entwickelte er Pläne für ein „Schreber
zwei“, der Basis für den jetzigen
Friedensgarten.
Dieser Name ist Programm:
Denn hier sollen Menschen jeden
Immer mehr
Städter bauen
Obst und
Gemüse an.
Alters mit unterschiedlichem kulturellen und sozialen Hintergrund
gemeinsam Land bestellen – ob
Arm, ob Reich, ob Alt, ob Jung, ob
Osnabrücker oder „tolopen Volk“,
wie Zugereiste hier genannt werden. „Wir sehen das Projekt als Teil
der Friedenskultur der Stadt Osnabrück und möchten ein Begegnungsort werden, an dem Toleranz
und Solidarität im Alltag gelebt
werden“, erläutert Doris Kube.
Das Konzept orientiere sich an
den Zielen der Stiftung Interkultur,
Der Anfang ist gemacht: Im Osnabrücker „Friedensgarten“ sind die ersten Obstbäume gepflanzt. Im nächsten Jahr sollen Gemüse- und Blumenbeete angelegt werden.
einem Netzwerk, dem deutschlandweit 139 Gärten angehören. Weitere 77 Projekte sind in Planung. Die
Gärten sollen Raum schaffen für
ein neues Verständnis von Integration, so heißt es in der Satzung der
Stiftung, die gern auch bei neuen
Projekten berät.
Was genau in Osnabrück angepflanzt werden soll, das sollen die
Mitglieder in den kommenden Monaten entscheiden. Auf jeden Fall
soll biologisch gegärtnert werden.
Den beiden Initiatoren ist es wichtig, dass der Friedensgarten ein
Projekt des nachhaltigen Wirtschaftens wird. „Auf diese Weise
wird auch Familien mit geringen
Einkommen ermöglicht, sich von
biologischen Lebensmitteln zu ernähren“, betont Doris Kube und
fügt nach kurzem Nachdenken hinzu: „In Zeiten von allgemeiner Unsicherheit, Arbeitslosigkeit und finanzieller Krisen ermöglicht er eine höhere Lebensqualität und sinnstiftende Tätigkeiten.“
Es kann natürlich auch einfach
Spaß machen, in der Erde zu wühlen, Gießkannen zu schleppen –
und im Sommer an selbst gezogenen Möhren zu knabbern.
Im Friedensgarten besteht
aber auch die Möglichkeit, sich über das
Gärtnern auszutauschen und so eine
Menge über die
Natur und den Anbau von Lebensmitteln zu erfahren.
Noch trägt sich das Projekt nicht
von selbst. Die Obstbäume sind
Spenden von Baumschulen, der
Pflug zum Bestellen der Brachflächen war eine Leihgabe. Künftig
soll der Garten von den Menschen
leben, die sich hier engagieren. Es
gibt bereits einige Mitglieder und
weitere Interessenten. So informierten sich beim Friedensgartenfest im Oktober fast 200 Besucher
über die Idee und die Möglichkeit
mitzumachen.
Der Trend, Natur in die Stadt zu
holen, setzt sich auf immer neuen
Wegen fort. So gibt es in den Niederlanden Pläne, einen ganzen
Landschaftsgarten als eine Art
Obst- und Gemüseladen zu bauen.
Hier können die Kunden dann einkaufen, was gleich nebenan angebaut wird.
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DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
VERLAGS-SONDERVERÖFFENTLICHUNG
ENERGIEWIRTSCHAFT
Dir k
Anteil der erneuerbaren Energien soll bis zum Jahr 2050 auf 80 Prozent steigen
Deutschland ist weltweit Spitzenreiter bei der installierten Leistung von Fotovoltaikanlagen und
auf dem zweiten Platz bei Windenergieanlagen. Dass die deutsche
Erneuerbare-Energien-Branche inzwischen zu den wichtigsten
Wachstumszweigen zählt, wird
auch dadurch unterstrichen, dass
sich innerhalb der letzten acht
Jahre die Zahl der Beschäftigten
mehr als verdoppelt hat. Etwa
382 000 Mitarbeiter sind heute in
den Unternehmen tätig, bis zum
Jahr 2020 will die Branche
500 000 Leute beschäftigen. Deshalb überrascht es auch nicht,
dass der Bedarf an Fachkräften
groß ist.
Viele Firmen beklagen einen
Mangel an qualifiziertem Personal. Universitäten, Fachhochschulen und Unternehmen reagieren
bereits auf diese Situation und
schaffen neue Ausbildungsmöglichkeiten. Etwa 300 Studiengänge
werden aktuell in diesem Bereich
angeboten.
Unternehmen der erneuerbaren
Energien sind inzwischen für viele
ein attraktiver Arbeitgeber. Die
Mischung aus Technik und Wirtschaft sowie der Anspruch auf aktiven Klimaschutz stößt insbesondere bei jungen Menschen auf großes Interesse. Mit dem hohen Innovationsgrad und der Internationalisierung der Branche eröffnen
sich immer neue Arbeitsfelder.
Neben der Windenergie (siehe
gesonderten Bericht) spielt auch
die Wasserkraft eine bedeutende
Rolle für die Stromerzeugung. Ende des letzten Jahres waren weltweit Wasserkraftanlagen mit rund
970 000 MW installierte Leistung
am Netz, die insgesamt 3400 Terawattstunden Strom erzeugten. Es
handelt sich um eine technisch
ausgereifte Technologie, die seit
über 100 Jahren genutzt wird. Ihr
großer Vorteil liegt in der stetigen
Verfügbarkeit, dem hohen Wirkungsgrad und der Fähigkeit,
Energie zu speichern.
Die Menge des in Deutschland
erzeugten
Wasserkraftstroms
schwankt in Abhängigkeit vom
und
Niederschlagsaufkommen
liegt seit den 1990er-Jahren im Bereich von jährlich 15 bis 25 Terawattstunden (20 Milliarden Kilowattstunden). 2011 betrug die
Stromerzeugung aus Wasserkraft
in Deutschland 19,5 Milliarden
kWh, damit wurden 3,2 Prozent
des Brutto-Stromverbrauchs oder
der Bedarf von 5,6 Millionen
Haushalten gedeckt. Für die deutschen Hersteller von Wasserkraftanlagen spielt der Export eine besonders große Rolle. Etwa die
Hälfte der Anlagen basiert weltweit auf deutschem Know-how.
Der Anteil der Sonnenenergie
an der deutschen Energieversorgung ist zwar noch gering, er
steigt aber kontinuierlich. In
Deutschland sind zurzeit etwa 2,3
Millionen Fotovoltaik- und Solarthermieanlagen installiert. Fotovoltaikanlagen produzierten 2011
rund 19,0 Milliarden Kilowattstunden und hatten damit einen Anteil
von 3,1 Prozent am Gesamtstromverbrauch. Solarthermieanlagen
trugen mit 5,6 Milliarden Kilowattstunden rund 0,4 Prozent
zum gesamten Wärmeverbrauch
bei.
Noch viel zu wenig in der breiten Öffentlichkeit ist das Kombikraftwerk bekannt. Es verknüpft
und steuert 36 über ganz Deutschland verstreute Wind-, Solar-, Biomasse- und Wasserkraftanlagen.
Den Angaben zufolge ist es ebenso
zuverlässig und leistungsstark wie
ein herkömmliches Großkraftwerk. Das Kombikraftwerk zeigt,
wie durch gemeinsame Regelung
kleiner und dezentraler Anlagen
bedarfsgerecht und zuverlässig
Strom bereitgestellt werden kann.
Kombikraftwerk bedeutet, die Vorteile der verschiedenen erneuerbaren Energien optimal zu kombinieren. Windenergieanlagen und
Solarmodule leisten je nach Verfügbarkeit von Wind und Sonne
ihren Beitrag zur Stromerzeugung.
Ausgleichend werden Biogas und
Wasserkraft eingesetzt: Je nach
Bedarf werden sie in Strom umgewandelt, um kurzfristige Schwankungen auszugleichen, oder vorübergehend gespeichert.
Einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energien steht technisch
nichts im Wege. Das erste Kombikraftwerks-Projekt beruht auf einer Initiative der Firmen Enercon
GmbH, Schmack Biogas AG und
Solarworld AG, unterstützt durch
Partner aus der Branche. Dabei
wurde dokumentiert, dass der
Strombedarf allein aus erneuerbaren Energien in Kombination mit
Speichern gedeckt werden kann.
Die Arbeitsgemeinschaft für
sparsamen und umweltfreundli-
chen
Energieverbrauch
e. V.
(ASUE) setzt auf eine Strom erzeugende Heizung, die nach dem
Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) funktioniert – sie erzeugt Strom und Wärme gleichzeitig. Im Gegensatz zu größeren
KWK-Anlagen, die ganze Stadtteile oder Großverbraucher versorgen, sind Strom erzeugende Heizungen von ihrer Leistung her
nach Angaben der ASUE speziell
auf den Energiebedarf von Einund Mehrfamilienhäusern abgestimmt. Damit stellten sie eine
besonders zukunftsträchtige Lösung für die Strom- und Wärmeversorgung für Kleinverbraucher
dar.
Das Funktionsprinzip der Geräte sei denkbar einfach, heißt es.
Durch die Verbrennung von Erdoder Bioerdgas entstehe einerseits
kostbare Wärme für die Heizung
und
Warmwasserbereitung.
Gleichzeitig werde ein Teil der
Wärme in mechanische Energie
umgewandelt, die wiederum einen
Generator antreibe, der dann
Strom erzeuge. Durch die Stromund Wärmeerzeugung direkt im
Haus verkürzten sich laut ASUE
die Transportwege, und damit reduzierten sich die Übertragungsverluste auf ein Minimum. Zudem
könnte die nicht selbst genutzte
Elektroenergie ins öffentliche
Stromnetz eingespeist werden.
s.sa. OSNABRÜCK. Die Nutzung
des Windes als Antriebsenergie
hat Tradition. So wurden Windmühlen zum Mahlen von Getreide oder als Säge- und Ölmühle
eingesetzt. Als vor 25 Jahren an
der schleswig-holsteinischen
Nordseeküste der erste kommerzielle Windpark in Deutschland
in Betrieb genommen wurde,
ahnten wohl nur die Experten,
dass sich diese Energiequelle als
wesentlicher Bestandteil in unserem Land etablieren würde.
Der Anteil „grünen Stroms“ am Gesamtverbrauch soll lang
gfristig auf 80 Prozent steigen.
Foto: Colourbox
Doch damit nicht genug: Die Herstellung und der Betrieb von Windkraftanlagen sind inzwischen ein gewichtiger Wirtschaftszweig. Die einstige Branche für Bastler und Tüftler
beschäftigt in Deutschland aktuell
mehr als 100 000 Mitarbeiter. 2011
erzielten die Hersteller einen Umsatz
von knapp sechs Milliarden Euro,
davon entfielen zwei Drittel auf den
Export. Aufgrund des Wachstums
des Weltmarktes haben einige Firmen auch Produktionsstätten im
Ausland errichtet. Nach einer Analyse des Instituts der Deutschen Wirtschaft werden vor allem Türme und
Rotorblätter jenseits der deutschen
Grenzen produziert, während die
Gondeln mit Generator, Getriebe
und Elektronik weiter in Deutschland entstehen.
Allerdings haben sich die einstigen Wachstumsraten von mehr als
30 Prozent abgeschwächt. Die Gründe für diese Entwicklung: Manche
Märkte sind gesättigt, andere wie
Großbritannien und die USA expandieren oder schrumpfen je nach Förderbedingungen.
Wie dem auch sei: Nicht nur die
Fertigungsstandorte der Unternehmen profitieren vom Ausbau der
Windkraft, sondern auch die Kommunen, in denen Dienstleister und
Zulieferbetriebe angesiedelt sind.
Zwar entstehen nach einer Studie
der Gesellschaft für Wirtschaftliche
Strukturforschung die größten Arbeitsplatzeffekte relativ zur jeweiligen Gesamtbeschäftigung in den
Ländern, die den Ausbau der Windenergie bisher stark vorangetrieben
haben, wie etwa in Niedersachsen,
Brandenburg oder Sachsen-Anhalt.
Aber auch für die Bundesländer, die
bei der Nutzung der Windenergie
noch am Anfang stehen, haben die
Autoren der Studie aufgrund der Zulieferketten nennenswerte Arbeitsplatzeffekte ermittelt. Insbesondere
der Elektronik- und der Maschinenbausektor erbringen bedeutende
Vorleistungen für die Windindustrie.
Davon würden neben Niedersachsen
vor allem Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen profitieren, heißt es.
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s.sa. OSNABRÜCK. Strom ist aus
dem täglichen Leben nicht wegzudenken. Ob zum Heizen oder
Haareföhnen, zum Rasieren
oder Rasenmähen: Ohne Energie geht fast nichts. Regenerative Quellen wie Sonne, Wind,
Wasser oder Biomasse deckten
im Jahr 2011 bereits 20 Prozent
des deutschen Strombedarfs –
1991 waren es erst drei Prozent.
Und die Bundesregierung hat
sich auch für die Zukunft ehrgeizige Ziele gesetzt: Im Rahmen
der Energiewende soll der Anteil der erneuerbaren Energien
an der Stromerzeugung in
Deutschland bis zum Jahr 2030
auf 50 Prozent und bis 2050 sogar auf 80 Prozent steigen.
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s.sa. OSNABRÜCK. In Deutschland ist die Energiewende politisch auf den Weg gebracht worden. Bei der Umsetzung der Planungen steht das Land jedoch
noch vor großen Herausforderungen, zumal sich die Bundesregierung ambitionierte energie- und klimapolitische Ziele
gesetzt hat. So soll der Ausstoß
der Treibhausemissionen bis
2050 um mindestens 80 Prozent
gegenüber 1980 gesenkt werden. Zweitens sollen die erneuerbaren Energien zukünftig den
Hauptteil der deutschen Energieversorgung bereitstellen.
Und drittens soll der Energieverbrauch deutlich gesenkt und
die Energieeffizienz erhöht werden. Damit steht die Energieversorgung in Deutschland vor einem fundamentalen Umbau.
Kein Wunder also, dass die Debatte
über die Energiewende immer wieder für Schlagzeilen sorgt. Das Thema kam stark in den Fokus der Öffentlichkeit, als Bundeskanzlerin
Angela Merkel im Mai dieses Jahres
den damaligen Bundesumweltminister Norbert Röttgen entließ und
Peter Altmaier zu seinem Nachfolger bestimmte. Außerdem ist die
Solarförderung in der öffentlichen
Diskussion, seitdem im Bundesrat
auch CDU-regierte Länder eine
Kürzung der Solarförderung ablehnten. Ende Mai mehrten sich in
der schwarz-gelben Koalition und in
der Wirtschaft Stimmen, die das
bisherige Vorgehen bei der Energiewende in Zweifel zogen, worauf Altmaier den Willen der Bundesregierung bekräftigte, am Atomausstieg
und Energiewende festhalten zu
wollen. Allerdings äußerte der Minister auch Zweifel, ob sich der
Stromverbrauch, wie im Konzept
der Energiewende geplant, bis 2020
um zehn Prozent senken ließe. Aber
auch in der SPD schwelt ein Streit
zwischen Umwelt- und Wirtschaftspolitikern über „den richtigen Kurs“
Sogar Bundespräsident Joachim
Gauck schaltete sich in den Konflikt
ein. Er warnte davor, dass die Energiewende nicht „allein mit planwirtschaftlichen Verordnungen“ zu realisieren sei und „wohl auch nicht
mit einem Übermaß an Subventionen, sondern vielmehr mit überzeugenden Innovationen und im fairen
Wettbewerb“. Zugleich warnte
Gauck davor, die Kosten für die
Umweltpolitik nachfolgenden Generationen aufzubürden, da eine solche Haltung „schlicht verantwortungslos“ wäre.
Ohnehin monieren Kritiker, dass
die Finanzierung der Energiewende
derzeit ungleich verteilt ist. So zahlen zum Beispiel arme Haushalte einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft zufolge relativ bis
zu zehnmal mehr für die Subvention von Sonnen- und Windstrom als
reiche. Zudem ist die energieintensive Industrie im Gegensatz zu
Kleinunternehmen und den meisten Mittelständlern von der Umlage
weitestgehend befreit, sodass laut
Bundesnetzagentur Großunternehmen, die zusammen 18 Prozent des
deutschen Stroms verbrauchen, nur
0,3 Prozent der Umlage tragen müssen.
Dass beim Umbau der Energieversorgung die Atomkraft auf der
Strecke bleibt, stößt bei den meisten
Bundesbürgern auf Verständnis.
Deutschlands billigste Energiequelle ist zugleich die umstrittenste. Die
deutschen Kohlenimporteure warnen unterdessen vor drohenden
Stromengpässen durch den Atomausstieg. Sollten nicht genug thermische Kohlekraftwerke am Netz
bleiben, könnte der Energiebedarf
möglicherweise nicht mehr gedeckt
werden, wird argumentiert. Der
Branchenverband VDKi betont unter Berufung einer Prognos-Studie,
dass aufgrund des Atomausstiegs
im Jahr 2020 bereits mindestens
acht Gigawatt (GW) gesicherte Erzeugungskapazität für die Stromversorgung im Moment der Höchstlast fehlen würden. Bis zum Jahr
2025 erhöhe sich dieser Wert auf 19
GW oder 22 Prozent und bis 2030
auf 27 GW oder 32 Prozent der nötigen Höchstlast. Im Moment des
Spitzenverbrauchs liegt der Strombedarf in Deutschland bei 80 GW.
Der VDKi warnt zudem, dass sich
die bestehenden Kohlekraftwerke
aufgrund der aktuellen Marktbedingungen wirtschaftlich kaum noch
betreiben ließen und sie deswegen
sogar noch vor Ablauf der Frist vom
Netz genommen werden könnten.
Dies würde die Situation verschärfen.
Die Energiewende könne nur
dann gelingen, wenn die regelbaren
Kraftwerke die stark fluktuierende
Stromeinspeisung aus den erneuerbaren Energiequellen absichern
würden, heißt es in diesem Zusammenhang. Deswegen würden Maßnahmen zur Verlängerung der Lebensdauer dieser Kraftwerke immer
wichtiger. Der Untersuchung zufolge wäre es volkswirtschaftlich am
günstigsten, wenn die drohende Kapazitätslücke durch die bestehenden thermischen Kraftwerke geschlossen werde.
Wie dem auch sei: Eine zukunftsfähige Stromerzeugung muss vor allem drei Ansprüche zugleich erfüllen: Eine kontinuierliche und stabile Stromversorgung zu gewährleisten ist die Mindestanforderung einer jeden Energiepolitik. Eine wesentliche Rolle spielt die Wirtschaftlichkeit. Vereinfacht gesagt: Strom
darf nicht zu teuer sein. Dies liegt
im Interesse der privaten und gewerblichen Kunden, denn zu hohe
Stromkosten verschlechtern die internationale Wettbewerbsfähigkeit
der Industrie. Und letztlich kommt
auch der Umweltverträglichkeit ein
hoher Stellenwert zu.
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DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
LEBEN & LEIDENSCHAFT
Harte Töne schlägt Boris Grundl bei seinen Vorträgen an. Der Management-Trainer provoziert gern bei seinen bundesweiten Auftritten, hier beim Stuttgarter Wissensforum.
Fotos: PR
„Ich bin das Ende aller Ausreden“
Boris Grundl gilt als knallharter Management-Trainer – Nach seiner Querschnittslähmung startete er richtig durch
VON HENDRIK STEINKUHL
OSNABRÜCK. Der beißt nicht,
der will nur provozieren. Boris
Grundl gilt als der härteste
Management-Trainer
Deutschlands.
Boris Grundl ist nicht gemein. Das
sagt jedenfalls Boris Grundl. „Gemein ist, wenn man sich von einem Alzheimer-Kranken Geld
leiht. Ich bin einfach nur klar.“
Der 46-jährige Coach sieht sich als
Mann, der deutlich die Schwächen
anspricht, die andere nur höflich
umschreiben. Dass Grundl mit
diesem Stil großen Erfolg hat, ist
nicht zuletzt die Folge eines
schweren Unfalls, der Grundl an
den Rollstuhl gefesselt hat. Aus
dieser Position kann er es sich
leisten, einen härteren Ton als die
anderen anzuschlagen.
Zu einem Mann wie Boris
Grundl würde es nicht passen,
hätte er seine Querschnittslähmung von einem Kopfsprung in
einen Baggersee davongetragen.
Als Coach für Führungskräfte lebt
Grundl Erfolg und das große Wagnis vor. Zwar zitiert er gerne Helmut Schmidt, indem er Menschen
mit Visionen empfiehlt, zum Arzt
zu gehen. Doch Grundl sagt auch,
dass jeder Mensch alles erreichen
könne. Wenn er nur bereit sei, den
notwendigen Preis dafür zu zahlen.
Grundls Preis für den Erfolg –
das sagt er selbst – war die Querschnittslähmung. Mit 25 sprang
Grundl im mexikanischen Puerto
Vallarta von einer Klippe. Beim
Aufprall auf die Wasseroberfläche
war sein Hals derart überstreckt,
dass er sich mehrere Wirbel
brach. In vielen Interviews hat
Grundl gesagt, er habe sofort gemerkt, dass etwas Schlimmes passiert sei. „Ich war bei vollem Bewusstsein und hatte so eine eigenartige Ruhe.“ Ein Freund zog
ihn aus dem Wasser und ließ ihn
nach Deutschland ausfliegen, wo
die Ärzte eine Tetraplegie diagnostizierten – eine Querschnittslähmung, von der alle vier Gliedmaßen betroffen sind. 90 Prozent
seines Körpers waren gelähmt,
der leidenschaftliche Sportler
und Saxofonist verlor seinen Lebensinhalt und wurde zum Pflegefall. Er machte sich Vorwürfe:
„Warum habe ich mit dem Feuer
gespielt?“ Bis er lernte, sein
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„Temporäre
Prostitution“
auf dem Weg
an die Spitze.
Schicksal zu akzeptieren. Dieses
„emotionale Annehmen“, wie
Grundl es nennt, versucht der
Coach heute als Kerntugend zu
vermitteln. Auf einem Management-Seminar
in
Osnabrück
sprach Boris Grundl über wirkungsvolles Führen. „Sie müssen
die unterschiedlichen Lebensbilder von Menschen erst einmal
verstehen – ohne einverstanden
zu sein. Sie gehen auf die Insel
des anderen und gucken, wie er
denkt. Und dann gibt er Ihnen
die Erlaubnis, ihn zu entwickeln.“
Nachdem Grundl sein Schicksal
akzeptiert hatte, erlebte er einen
beinahe unglaublichen Aufstieg.
Zuerst brachte er sein Sportstudium zu Ende und war damit
Deutschlands erster Rollstuhlfahrer, dem das gelang. Dann begann
er einen Job im Vertrieb eines Unternehmens und wurde dessen erfolgreichster Außendienstmitarbeiter. Er stieg ins Management
auf und wurde parallel dazu einer
der besten europäischen Rollstuhlsportler im Rugby und Tennis.
2001 gründet er dann eine Akademie für Führungskräfte. Heute
coacht er Top-Manager und berät
Unternehmen wie Microsoft, Novartis oder SAP. Außerdem hält
Grundl Vorträge zu den Themen
Persönlichkeitsentwicklung,
Selbstverantwortung und Mitarbeiterführung. Er sieht sich als
Menschenentwickler, will andere
dazu bringen, ihren eigenen Weg
zu gehen.
„Ich bin das Ende aller Ausreden“, sagt Grundl über sich. Nach
seinem Unfall habe ihm niemand
mehr etwas zugetraut. Als es ihm
dann langsam besser ging, hätten
sich die Leute zunächst gefreut.
„Nachdem dann dieser große Erfolg kam, habe ich aber gemerkt,
dass einige damit Schwierigkeiten haben.“ Wenn man einen Lebensweg wie
seinen betrachte,
müsse
sich
schließlich jeder
fragen:
Was
könnte ich selbst
eigentlich schaffen?
Boris Grundl
ist ein exzellenter
Menschenkenner.
Von
manchen
Journalisten ist
er schon als
„Philosoph unter den Coaches“ bezeichnet worden. Doch das trifft
nicht den Kern. Grundl will kein
Philosoph sein. Er kennt sich bestens in dem Fach aus, dem er sich
neben seinem Sportstudium gewidmet hat: Psychologie. Bei seinem Vortrag in Osnabrück lässt er
die Zuhörer immer wieder an diesen Kenntnissen teilhaben und
fürchtet sich nicht vor mutigen
Thesen: „Der Deutsche jammert
überhaupt nicht. Wenn wir wirklich so viel jammern würden, hätten wir nicht diesen Erfolg.“ Das
deutsche Gejammer sei in Wahrheit eine intellektuelle Dominanzgeste. Der Deutsche habe einfach
Spaß daran, Missstände zu sezieren und sich für seine brillante
Analyse einen Orden anzuheften.
Im Publikum raunen einige Zuschauer, sie halten die These wohl
für zu steil. „Denken Sie in einem
ruhigen Moment einfach mal darüber nach“, sagt Grundl.
Der 46-jährige Schwabe mag die
Provokation. Den Mythos, Führung wäre eine angeborene Fähigkeit, nimmt er mit großer Lust
auseinander und spielt auch hier
so lange mit dem Begriff des Führers, bis das Publikum zu raunen
beginnt. Grundl ist ein freundlicher, durch und durch lebensfroher Mensch. In Interviews nimmt
er sich angenehm zurück, er nutzt
nicht wie viele Trainer jede Plattform, um seine Erfolgsformeln herauszuposaunen. Auf der Bühne
aber schlägt Grundl einen lauteren, härteren Ton an. Das gehört
zu seinem Job – doch manchmal
würde man sich auch wünschen,
er möge ein bisschen herunterfahren. Erst geißelt Grundl Visionäre,
dann ruft er von der Bühne herunter, ihm würden ständig Menschen erzählen, sie hätten keine
Zeit; dabei kenne er Männer, die
erfolgreich über 60 Firmen führen
würden. „Und die haben Zeit!“ Danach sagt er, Authentizität im Job
müsse man sich erstmals leisten
können, auf dem Weg an die Spitze müsse man zunächst „temporäre Prostitution“ betreiben. Ein halbes Dutzend Zuhörer verabschiedet sich während des Vortrags. Sie
müssen sicher nicht alle zu einer
Familienfeier. Boris Grundl polarisiert, vielleicht ein wenig zu stark;
und säße er nicht im Rollstuhl,
würden ihm noch mehr Leute seinen Ton übel nehmen.
Doch säße er nicht im Rollstuhl,
wäre er auch nicht die Inspiration,
die er ohne Zweifel ist. Was
Grundl nach seinem Unfall geschafft hat, ist bewundernswert.
Und wer sich nicht von diesem
Vorbild erdrückt und seinem
Ton bedrängt fühlt, der kann
von Boris Grundl eine Menge lernen. Denn dieser
Coach sieht hinter die Dinge und schafft es, seine Erkenntnisse auf den Punkt
zu bringen.
In einer Branche, in
der
es
von
Schwaflern wimmelt, ist Grundl eine
wohltuende
Ausnahme.
Im
kommenden Januar hält er einen
Vortrag in Versmold bei der Firma
Kraftverkehr Nagel.
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DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
LEBEN & LEIDENSCHAFT
„Wir sind zu klein, um jemandem zu schaden“
Mineralwasser als Lifestyle-Produkt? Nicht bei Avanus in Belm. Der Abfüller hat es sich in einer Nische bequem gemacht.
VON RAINER
LAHMANN-LAMMERT
BELM. Manche Menschen lassen
sich Cloud Juice aus Tasmanien
einfliegen. So rein wie dieser
Wolkensaft soll kaum ein Mineralwasser sein, außer vielleicht
Voss, der norwegische Wasserfall, direkt aus dem Gletscher
gezapft. Oder Fiji Water von der
Insel Viti Levu im Pazifik. Ein
kleiner Schönheitsfehler nur,
dass für den Transport dieser
Lifestyle-Tropfen so viel Sprit
verbrannt werden muss. Dann
schon lieber das Mineralwasser
aus der Region: Für Avanus in
Belm sind die Wege kurz. 20 Kilometer in jede Richtung. Avanus ist ein kleiner Familienbetrieb. Betriebsam, bodenständig
und bescheiden.
„Wir sind zu klein, um jemandem
zu schaden“, sagt Inhaber Norbert
Klenke, und seine etwas spitzbübische Art könnte den Eindruck erwecken, hinter diesem Understatement stehe der kleine Asterix, der
die Römer herausfordert. Aber
der 54-Jährige meint das gar nicht
so. Avanus ist wirklich klein und
hat sich in dieser Nische eingerichtet.
Jedes Mal, wenn der Verband
der deutschen Mineralbrunnen
seine Branchendaten veröffentlicht, gehört der Abfüller aus Belm
zu den Umsatz-Schlusslichtern.
Andere, die auf einer Liste mit 180
Unternehmen auf Platz 180 stehen, würden kein Wort darüber
verlieren. Norbert Klenke findet
das eher zum Lachen. Es ist gar
nicht sein Ehrgeiz, den Großen in
die Suppe zu spucken.
Dabei kann ihm deren Marktmacht nicht gleichgültig sein. Eine
Kiste Avanus kostet um die 4,50
Euro. „Recht hoch“, wie Klenke
selbst einräumt. Aber mit dem
Preis will und kann er nicht heruntergehen.
Die
Konkurrenz
schon. Im Getränkemarkt macht
sie mit Aktionspreisen von 2,99
Euro auf sich aufmerksam – und
dem Kleinmengenabfüller vom Power Weg das Leben schwer.
Bodenständig geht es zu im 16-Mann-Betrieb des Belmer Mineralwasser-Abfüllers Avanus.
Zwei Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet der 16-Mann-Betrieb
im Jahr. In dieser Summe stecken
aber auch die Zahlen aus dem Getränkemarkt im Hof, den die Klenkes zusätzlich betreiben. Manchmal bedient der Chef selbst. Einen
Lieferservice gibt es auch. Auf
Wunsch bis in den Keller. „Wir
müssen dankbar sein für jeden
Kunden, der was bestellt“, sagt
Norbert Klenke.
Wer sich im Betrieb umschaut,
bekommt den Eindruck, dass jeder
für alles zuständig ist. Nur um eines kümmert sich niemand – die
Werbung. Avanus lebt von seinen
langjährigen Kunden und mit etwas Glück von denen, die sich bewusst für ein regionales Produkt
entscheiden. „Neue Kunden zu gewinnen ist extrem schwer“, bekennt Norbert Klenke. Bei den
Großabnehmern gehe das nur über
Webseiten
den Preis. Ihm liegt es zwar näher,
mit Qualität zu punkten. Aber er
hat die Hoffnung aufgegeben, dass
sich mit diesem Argument höhere
Umsätze erzielen lassen.
Bliebe noch die Möglichkeit, die
Belmer Quelle als exquisite Nobelmarke im Kristallglas für die Reichen und Schönen dieser Welt
hochzustilisieren. Aber da ist Norbert Klenke in seiner dunkelblauen Strickjacke wohl nicht der richtige Typ. Ein Wort wie „Lifestyle“
geht dem bodenständigen Unternehmer nicht so einfach über die
Lippen. Und wenn sich jemand im
Luxushotel Wasser aus Norwegen
auf den Tisch stellen lässt, ist das
für ihn eher ein Zeichen von Dekadenz.
Dabei hat das Belmer Wasser
Vorzüge, die bei gesundheitsbewussten Naturen ankommen dürften. Es enthält wenig Natrium-
Fotos: Gert Westdörp
Der Name
Avanus wurde
im Familienrat
ausgebrütet.
chlorid, also Kochsalz, sogar weniger als die Konkurrenz, die ausdrücklich damit wirbt. Für Menschen, die zu überhöhtem Blutdruck neigen, ein unbestreitbarer
Vorteil. Zumal diese Salzarmut
nicht zulasten von Calcium und
Magnesium geht. „Unser Wasser
ist sehr ausgewogen“, betont
Franz Klenke, der Bruder des Geschäftsführers.
Damit eignet sich der AvanusQuell gut für Süßgetränke wie Apfelschorle, aber auch Orangensaft
und andere Erfrischungen hat
Avanus im Sortiment. Wichtigster
Umsatzbringer ist allerdings das
Medium-Mineralwasser,
gefolgt
vom stillen Wasser. Die Variante
mit der vollen Kohlensäure-Dröhnung steht auf Platz 3, erst danach
kommen Schorle, Limo und Co.
Etwas mehr als 3,5 Millionen
Flaschen verlassen jedes Jahr die
Social Media
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Abfüllanlage am Power Weg. Bei
Avanus gab es schon mal Überlegungen, auf PET-Behältnisse umzusteigen, die wegen ihres geringeren Gewichts immer beliebter
werden. Aber die Investition von
einer halben Million Euro ließ das
Unternehmen davor zurückschrecken.
Engpässe zeichnen sich zudem
bei den Viertelliter-Glasflaschen
ab, die gern in der Gastronomie,
beim Catering, bei Empfängen
oder Sitzungen verwendet werden.
Will ein kleiner Betrieb wie Avanus Nachschub ordern, dann muss
er auf einen Schlag 500 000 Stück
abnehmen. Und hätte die Paletten
als totes Kapital auf dem Hof herumstehen. Für Norbert Klenke ein
krasser Fall von Größenwahn:
„Die wollen nur Wachstum,
Wachstum,
Wachstum.“
Zum
Glück reicht sein Vorrat an Viertelliterflaschen noch eine Weile.
Aber so stößt der kleine Belmer
Betrieb immer wieder an Grenzen,
mit denen sich die Branchenriesen
nicht herumärgern müssen. Auch
die Technik ist schon in die Jahre
gekommen. Die Etikettiermaschine läuft zwar gut, aber sie läuft
eben schon seit 30 Jahren. Länger,
als es das Avanus-Mineralwasser
gibt. Franz Klenke, der Vater des
heutigen Geschäftsführers, hatte
in den 80er-Jahren die Idee, einen
Brunnen zu bohren und das Wasser zu vermarkten. Eine neue Verordnung der Europäischen Gemeinschaft bot die Grundlage dafür.
Der Name Avanus wurde damals im Familienrat ausgebrütet.
„Wir haben den Duden in die
Hand genommen“, erinnert sich
Norbert Klenke. Ganz vorn im Alphabet, das passte schon. Gab es
da nicht einen griechischen Dichter namens Avenius? Oder einen
römischen Historiker? Aus Avenius wurde Avanus. Und eine gewisse Namensverwandtschaft mit
dem Artus-Mineralbrunnen aus
Bad Hönningen war willkommen.
Artus ist vor einigen Jahren vom
Markt verschwunden. Aber Avanus aus Belm hält wacker die Stellung.
Mobile Apps
Online-Shops
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DONNERSTAG, 13. DEZEMBER 2012
LEBEN & LEIDENSCHAFT
„Roulade mit
Rotkohl kann ein
Liebesbeweis sein“
Unternehmer Arthur van Hese hat sich
einen gastronomischen Traum verwirklicht
VON STEFAN PRINZ
PAPENBURG. Moskau, Rio,
Schanghai: Arthur van Hese
vermietet Formel-1-Simulatoren
in der ganzen Welt und hat sich
gemeinsam mit seiner Frau in
Papenburg den Traum eines
ganz besonderen gastronomischen Anlaufpunktes erfüllt.
„Die-Wirtschaft“-Autor Stefan
Prinz erfuhr in der Küche des
52-Jährigen, warum mutige Unternehmer mehr Spaß am Leben
haben .
Durch die Küche des Restaurants
„Van Hese“ zieht der vorweihnachtliche Duft von Rotkohl und gebratener Gans, während Arthur van Hese prüfend den Topfdeckel hebt.
Herr van Hese, welche kulinarischen Erinnerungen sind
Ihnen als gebürtigem Niederländer an Ihr Heimatland geblieben?
Eigentlich keine besonders guten (lacht). Die deutsche Küche
fand ich schon immer besser: Ich
liebe deftiges Essen. Meine Frau
kocht auch besonders gut.
Also geht bei Ihnen Liebe
auch durch den Magen?
Ja, ganz sicher sogar. Eine mit
Hingabe zubereitete Roulade mit
Rotkohl kann auch ein Liebesbeweis sein. Ich bin in einer Familie
mit sieben Geschwistern aufgewachsen, und unsere Mutter
konnte nicht besonders gut kochen. Als ich dann vor 35 Jahren
nach Deutschland kam, fand ich
diese herzhafte Küche ganz besonders lecker.
Mit welchem Gericht zeigen
Sie denn im Gegenzug Ihrer
Frau Ihre Liebe?
Meine Liebe zeige ich ihr gar
nicht in der Küche (schmunzelt).
Sie kann nämlich deutlich besser
kochen als ich. In unserem Restaurant beschäftigen wir Profis,
die das Kochen übernehmen. (Van
Hese greift sich eine Gabel,
schmeckt das Rotkraut ab und
streift mit beiden Händen zufrieden über die Schürze.)
Wie kamen Sie dann auf die
Idee, ein Restaurant zu eröffnen?
„Ich liebe einfach neue berufliche Herausforderungen. Sie bestimmen mein ganzes Leben. Ich
kam als 17-Jähriger nach Deutschland und begann eine Lehre in der
Landwirtschaft. Weil ich dort
nichts verdienen konnte, legte ich
in Discos Platten auf. Diese Arbeit
als Discjockey lief richtig gut und
machte mir wahnsinnig viel Spaß.
Ich lebte 14 Jahre davon.
Und warum war denn trotzdem Schluss?
Die in den 1990er-Jahren aufkommende Techno-Ära war einfach nicht mehr meine Musik.
Deshalb stieg ich aus und eröffnete verschiedene Kneipen. Unter
anderem auch zwei in Belgien.
Das lief richtig gut. Und trotzdem
lockte mich schon die nächste Herausforderung. Also verkaufte ich
die Kneipen.
Sie wechselten also wieder
die Branche?
Richtig. Ich kaufte mir ein Formel-1-Auto und baute einen Rennsimulator ein, mit dem man auf
Partys und Messen Spaß haben
konnte. Die Nachfrage war gewaltig. Ich kaufte weitere Formel-1Autos dazu, baute ebenfalls Rennsimulatoren ein und vermietete
diese Geräte an große Firmen, die
Stolz wie Arthur: Der Papenburger Gastronom Arthur van Hese (r.) gewährt Autor Stefan Prinz Einblick in die Töpfe seines Restaurants.
damit ihre Messestände bestückten. Die Anfragen kommen mittlerweile aus der ganzen Welt. Wir
beschäftigten inzwischen vier feste
Mitarbeiter, die für die Vermietung unserer 18 Simulatoren zuständig sind. Afrika, Amerika, Asien – wir sind mit in der ganzen
Welt unterwegs.
Und dennoch sind Sie ins
Emsland zurückgekommen und
eröffneten vor einem Jahr ein
neues Restaurant. Warum?
Meine Frau kommt aus Papenburg, und uns gefällt es hier sehr
gut. Unser Traum war es, ein Lokal zu eröffnen, das Restaurant,
Bar, Kneipe und Café in einem ist.
Etwas, das es hier so noch nicht
gab. Diesen Traum haben wir uns
mit dem „Van Hese“ verwirklicht.
Welche Regeln gelten in
rer Küche?
Wichtig ist für mich, dass
verwendeten Lebensmittel
frisch wie möglich sind und
Ihalle
so
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Foto: Dirk Hellmers
der Region stammen. Das sichert
größtmögliche Qualität, und ich
unterstütze die Erzeuger vor Ort.
Regionalität ist mir sehr wichtig.
Ich gehöre nicht zu denen, die im
Internet einkaufen.
Das Wichtigste ist Spaß an der
Arbeit. Wer seine Aufgabe macht,
ist in seinem Job auch besser. Niemals einen Job mit Widerwillen erledigen – dann besser aufhören.
Das rate ich auch meinen Kindern.
Sie vermieten Renn-Simulatoren, sind Gastronom, waren
Discjockey und konnten sich
bisher in allen drei Sparten ganz erfolgreich behaupten. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Aus welchen Fehlern haben
Sie gelernt?
Da gibt es sicher eine Menge
Fehler. Viel wichtiger ist mir rückblickend aber, dass ich heute sagen kann: Ich bereue keinen einzigen Tag!
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