raf simons

Transcription

raf simons
GUIDo Reni
Glück und Geld
aeropittura
Abenteurer der Lüfte
Maison rouge
Sammler Antoine de Galbert
hans makart
Drama und Opulenz
im Interview: mein Dorotheum
R A F S I M ONS
Dior-Chefdesigner
E D I T OR I A L
Franz Joseph Saal
Palais Dorotheum Wien
VIEW
3
Foto Gerhard Wasserbauer
Das Dorotheum, ein weltweit agierendes Haus, hat seinen Stammsitz
und sein Herz in Wien. Die Rolle dieser Stadt als lebendiger Schauplatz
z e i t g e n ö s s i s c h e n K u n s t s c h a f f e n s w i rd b e i d e r vo m D o ro t h e u m i n i t i i e r te n
V I E N N A A R T W E E K i m N ov e m b e r b e s o n d e r s o f f e n k u n d i g – s i e i s t a u c h
e i n e s d e r T h e m e n d i e s e r A u s g a b e d e s „ D o r o t h e u m m y A R T M A G A Z I N E “.
Im vorliegenden Heft möchten wir Ihnen die große internationale
B a n d b re i te u n s e re s H a u s e s vo r Au g e n f ü h re n – vo n G u i d o R e n i , V i t to r i o
M a t te o C o rc o s u n d F r i e d r i c h vo n A m e r l i n g ü b e r d i e M a l e r d e r A e ro p i t t u ra
u n d G a b r i e l e M ü n te r b i s h i n z u R o n A ra d u n d I l ya K a b a k ov. B e s o n d e r s s e i
a u f d e n S t ä d te s c h w e r p u n k t P a r i s h i n g e w i e s e n : U n s e re R e p rä s e n t a n t i n
Joëlle Thomas führt durch „ihre Stadt“ und lässt sich dabei so manchen
T i p p e n t l o c k e n . L e s e n S i e w e i te r s e i n P o r t rä t d e s K u n s t s a m m l e r s A n to i n e
d e G a l b e r t u n d s e i n e r F o u n d a t i o n „ l a m a i s o n ro u g e“. P a r i s i s t a u c h e i n e
d e r W i r k u n g s s t ä t te n d e s h o c h b e g a b te n D i o r - K re a t i vc h e f s R a f S i m o n s –
i m I n te r v i e w m i t „ D o ro t h e u m m y A R T M AG A Z I N E “ s p r i c h t e r ü b e r s e i n e
D e s i g n - Vo r l i e b e n a b s e i t s d e r M o d e .
Auf Wiedersehen im Dorotheum oder auf dorotheum.com!
M arti n B ö h m
Geschäftsführer Dorotheum
08
Pa l a i s
Dorotheum
Coverfoto Raf Simons
© David Sims / artpartner
Dorotheergasse 17, 1010 Wien, Österreich
Tel. +43-1-515 60-570,
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constanze.werner@dorotheum.at
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GUIDo RenI
Glück und Geld
aeRopIttURa
Abenteurer der Lüfte
MaIson RoUGe
Sammler Antoine de Galbert
www.dorotheum.com
hans MakaRt
Drama und Opulenz
Impressum
Dorotheum myART MAGAZINE, September 2013. Zweite Ausgabe. Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien
© Dorotheum GmbH & Co KG, DVR Nr. 0105104, FN 213974 v / Handelsgericht Wien, UID: ATU 52613505
Konzept, Redaktion: Doris Krumpl, Sinaida Schuller, Michaela Strebl-Pühringer
Grafik: Studio Corsaro, Creative Director Miriam Wanzenböck, Art Direction Daniel Corsaro, Bernd Ganser
Lektorat: scriptophil
Fotografen: Christian Sarramon, David Sims, Gerhard Wasserbauer
Druck: Gutenberg Druck
Druckfehler und Irrtümer vorbehalten.
im Interview: mein Dorotheum
RaF sIMons
Dior-Chefdesigner
Inhalt
AUCTION
PASSION
06 B R E A D E D E S C A L O P E
Ve r b o ( r ) g e n e Tr a d i t i o n
10 R E N I
Glück und Geld
14 A eropi t t u ra
Abenteurer der Lüfte
17 z ar u bin
Im Banne der Normandie
18 A M E R L I N G
Der Bruder als Modell
61 M U M O K
Streifzug durch die
jüngere Kunst
62 A r t w ee k
Vom Exper ten-Networking
zum Kunstfestival
66 M A k ar t
Drama und Opulenz
70 K h m
Von allen Seiten schön
71 M A K
DOROTHEUM
22 ra f simons
72 H A N S E N
Modestar und „Hausmann“
AUCTION HOUSE
28 D oro t h e u m
Imperiales Erbe
34 modesc h m u c k
Kapitale Klunker
38 u h ren
Eine Geschichte der
Zeitmessung
CHOICE
42 M y C h oice
Dorotheum-Experten
stellen vor
CITY
54 paris
56 L a M aison R o u ge
Ein Sammler sieht rot
60 S t ä d t e t ipps
Dorotheum International
Architekt und Designer
Hansens Freiherren-Diplom
EVENTS
74 d ü sseldor f
FAVOURITE
Sichtbare Phantome der Form
10 Jahre Dorotheum Düsseldorf
STORY
76 Ho h enlo h e
Auferstehung
CONTACTS
78 D oro t h e u m
A d r e s s e n & Te r m i n e
AUCTION
6
N o c h n i e w u r d e Tr a d i t i o n s o l u s t v o l l
verbogen wie in den Entwürfen von breadedEscalope.
Purer Formalismus widerstrebt den drei Wiener
Produktgestaltern. Vielmehr entstehen meist in
öffentlichen Performances und Aktionen Objekte
zwischen Möbeldesign und Konzeptkunst.
Ihre Arbeiten finden sich immer wieder
auch in Dorotheum-Auktionen.
V O N G e r ti D r a x l e r
Verbo(r)
gene
AUCTION
7
T r adition
Die einzigen Schnit zel, die auch für Veget arier
bestens geeignet sind: breadedEscalope –
S a s c h a M i k e l , M i c h a e l Ta t s c h l u n d M a r t i n S c h n a b l
Der Hochstuhl „Olymp“
entstand bei der
P e r f o r m a n c e „ L o v e m e B e n d e r “.
Ein Exemplar wurde bei der
Dorotheum-Designauktion
im November 2012 mit
4.500 Euro zugeschlagen.
„bastlerbedarf “ nennt sich der laden neben der in Wien-Ottakring situierten
Ideenschmiede und Werkstatt des Designkollektivs breadedescalope (zu Deutsch
„Wiener Schnitzel“). Zufall? Immerhin haben Sascha Mikel, Martin Schnabl
und Michael Tatschl wegen ihres „bewusst dilettantischen Zuganges“ etwas
von bastlern, aber auch von (Konzept-)Künstlern und Designern. Sie gestalten
Möbel-Objekte, die meist im rahmen einer Performance produziert werden,
Aktionsrelikte, die dann auch in Serie gehen können. „Wir wollen“ – Stichwort
„process design“ – „weg vom Diktat der gestaltung!“ Der Zeitaspekt spielt eine
rolle, ebenso wie „arme“ Materialien im Sinne der Arte Povera, und immer auch
viel Humor. Das fängt schon beim logo von breadedescalope an: es zeigt, „in
Anspielung auf den österreichischen Monarchie-Doppeladler“, so Tatschl, zwei
voreinander fliehende Wildschweine in einem lorbeerkranz.
Furore machten die drei – allesamt 1985 geborenen – Kärntner unter anderem
mit ihrer Neuinterpretation des ganz in der Wiener Tradition liegenden bugholzmöbels à la Thonet. Sie stellten eine transportable lowtech-„bending unit“
inklusive Dampfkochtopf und Herdplatte zusammen, mittels derer Holzlatten in
öffentlichen Aktionen, unter anderem bei der Mailänder Möbelmesse, in gebogene Form gebracht und zu eigenwilligen Objekten zusammengesetzt werden.
Das Projekt „love me bender“ integriert einen Allerweltsplastikstuhl in einen
Schaukelstuhl oder in einen Hochstuhl namens „Olymp“. letzterer wurde bei der
Dorotheum-Design-Auktion im November 2012 für 4.500 euro zugeschlagen.
Der Zufall spielt eine rolle bei den gefärbten Plastikhockern von breadedescalope:
Deren Design ergibt sich, indem eine Form in einer Kugel mit Kunststoff befüllt
und dann gerollt, gekickt, geworfen oder im Meer bewegt wird, ehe das Material
aushärtet und das ergebnis feststeht. Der entstehungsort gibt dem Ding seinen
Namen. Drei während eines Design-Festivals auf Teneriffa entstandene Hocker
erzielten in der Dorotheum-Auktion im Vorjahr 3.375 euro.
AUCTION
9
Dem Trio, das gemeinsam an der londoner Kingston University studierte und
seit fünf Jahren sein Studio in Wien betreibt, bedeutet es viel, nicht als mythische
Deus-ex-Machina-Designer vom Olymp aus zu dozieren, sondern den Designprozess so transparent wie möglich zu gestalten, Menschen auch zum Selbermachen
zu animieren. „Zu selbst gemachtem hat man mehr bezug“, sagt Sascha Mikel.
Der Idealismus, der die Designer in letzter Konsequenz auch abschaffen könnte, korrespondiert mit der durch Krise und Computerdominanz entstandenen
Do-it-yourself-bewegung der vergangenen Jahre, die gärtnern, Schneidern, Stricken oder einkochen wieder salonfähig machte. „Democratic Furniture“ nennt
sich programmatisch ein im Herbst 2013 startendes Projekt, das sich experimentell, theoretisch wie praktisch, mit Design-Prozessen auseinandersetzt. Tatschls
Zukunftsvision: „Der Designer moderiert die entscheidungsfindung.“ erfahrungen diesbezüglich machte breadedescalope etwa bei der Aktion „Misfits revisited“: Die Firma Michael Thonet (Deutschland) spendierte Ausschuss-Material,
interessiertes Publikum konnte dieses zu neuen Objekten zusammenfügen.
breadedescalope fasziniert auch die Stärke von Alltagsdesign, etwa der auf jeder
Schweizer Hütte zu findenden kräftigen Holzstühle. Diese Stabellen werden
dann etwa in einen alpenländischen Schaukelstuhl transformiert. In Winterthur
entwarf das Trio bei der Schau „Woodloop“ den „Winterthurer Sessel“, bei dem
alle Teile eine Symbiose miteinander eingehen. So dient die spätere Sitzfläche als
Arbeitsunterlage für das Holzbiegen. Sessel wie dieser sind ideale Kandidaten für
In einer bewegten
Fiberglaskugel
e n t s t a n d e n e H o c k e r,
deren Form vom
Zufall bestimmt ist.
Sie erzielten 2012
im Dorotheum
3.375 Euro.
die kommende Design-Auktion des Dorotheum diesen November.
Design-expertin gerti Draxler studierte Kunstgeschichte und
initiierte 1996 die Dorotheum-Designauktionen.
Möbel entstehen in öffentlichen Performances.
Foto breadedEscalope
Bugholzproduktion
à la breadedEscalope:
die transportable
L o w t e c h - „ B e n d i n g U n i t “.
Foto breadedEscalope
AUCTION
10
Glück
Am 15. Oktober versteigert das Dorotheum bei der Auktion
Alte Meister eines der Hauptwerke Guido Renis, eines der größten
i t a l i e n i s c h e n M a l e r d e s 1 7. J a h r h u n d e r t s : „ F o r t u n a m i t d e m
Geldbeutel“ – das Glück einer bedeutenden Wiederentdeckung.
V on M a r k M ac d onn e l l
AUCTION
11
un d G e l d
AUCTION
12
Bereits ab 1614 wurde Guido Renis Werk mit engelshaften Formen, kompositorischer Anmut und vollendeter Pinselführung assoziiert, der Künstler selbst
mit Apelles, dem größten Maler der Antike, verglichen. Sein Zeitgenosse Gian Lorenzo Bernini war
voller Bewunderung für Renis „Bilder des Paradieses“. Es hieß, die feinen, anmutigen Darstellungen
jenseitiger Schönheit böten Gläubigen einen Vorgeschmack auf den Himmel. Die “göttliche Anmut”
seiner Werke hob Guido Reni in den künstlerischen
Rang eines Raphael.
Das Dorotheum versteigert nun eines der Hauptwerke Guido Renis: Die „Fortuna mit dem Geldbeutel“ ist eine überaus bedeutende kunsthistorische Wiederentdeckung und präsentiert ein gar
nicht himmlisches Sujet: Fortuna verspricht irdische Freuden: Geld und Juwelen, die sie aus einem
Geldbeutel rieseln lässt, Macht und Ruhm, symbolisiert von Palmblatt und Zepter. Ein unstetes
Glück, selbst wenn es das Geschick in Gestalt eines
kleinen Putto zu lenken versucht.
Dem Künstler selbst war die Fortuna überaus hold:
unvollendete Bild überließ, mit der Bitte, es noch
Reni war ein reicher Mann, die Mäzene zahlten
nicht auszustellen. Gavotti aber hielt sich nicht an
Höchstpreise für seine Bilder, seine einflussreiche
die Abmachung, ließ von Gerolamo Scarsello, eine
Malschule in Bologna hatte über zweihundert Schü-
Radierung nach dem Gemälde anfertigen, und prä-
ler. Und er liebte es, das Schicksal herauszufordern:
sentierte das Bild in einer Festausstellung. Empört
Der gefeierte Maler war als Spieler bekannt, der in
über diesen Affront nahm Reni prompt die Arbeit
wenigen Nächten enorme Summen verspielte.
an einer zweiten Version des Gemäldes auf: Als
Vorlage verwendete er, wie gewöhnlich, eine von
Renis Fortuna Gemälde ist nicht nur von hoher
seinem Veroneser Schüler Antonio Giarola begon-
malerischer Qualität und ikonographisch rich-
nene Kopie, die er mit einer einzigen Abweichung
tungsweisend. Außergewöhnlich ist die komplexe
zur Erstfassung vollendete: Fortuna gab er statt des
Geschichte des Bildes, das sich zunächst in nam-
Geldbeutels nun eine Krone in ihre rechte Hand.
haften Sammlungen befand und bis vor kurzem als
Dieses zweite Gemälde verkaufte er nach Florenz,
verloren galt. Durch Nachforschungen ist es nun
heute befindet es sich in einer privaten Sammlung
gelungen, die Provenienz zum Teil nachzuzeich-
in den Vereinigten Staaten. Die unvollendete Urver-
nen, ein schwieriges Unterfangen, da das Gemälde
sion mit dem Geldbeutel verkaufte der wortbrüchige
schon zu seiner Entstehungszeit gefeiert und oft
Abt Gavotti um eine doppelt so hohe Summe weiter,
kopiert wurde, und es auch eine zweite Fassung des
wie er Reni bezahlt hatte.
Gemäldes von Reni gibt.
Aktuelle Nachforschungen von Stephen D. Pepper
Guido Reni fertigte zunächst das Gemälde von
und Sir Denis Mahons haben jetzt ergeben, dass
Fortuna mit einem Geldbeutel an. Die Arbeit war
sich das zur Auktion kommende Gemälde, das
vom Bologneser Abt Giovanni Carlo Gavotti in
nach einer Restaurierung alle Charakteristika von
Auftrag gegeben worden, dem Reni schon das
Renis Malstil seiner späten Schaffensperiode zu
Guido Reni
La Fortuna
Öl auf Leinwand
130 x 152 cm
Schätzwert
€ 800.000 – 1.200.000
Auktion Alte Meister
15. Oktober 2013
AUCTION
13
Tage brachte, Renis Original ist. Das Bild stammt
über Cagnacci bis zu Franceschini, in Rom wurde
aus der bedeutenden Sammlung des Adelsge-
Reni von namhaften Künstlern wie Domenichino,
schlechts der Benadduci in Tolentino. Der Begrün-
Romanelli, Bernini, Batoni und Mengs studiert. Ja
der der Sammlung, Graf Benadduce Benadduci,
sogar in Caravaggios Neapel bewunderten ihn Ribera
der ab 1638 das Amt des Uditore del Torrone von
und Stanzione, die wiederum große Wirkung auf
Bologna bekleidete, muss das Gemälde direkt von
spanische Künstler, vor allem auf Murillo, ausübten.
Gavotti erworben haben.
In Frankreich schätzten Le Brun, Greuze und Ingres seinen eleganten Stil und bezeichnenderweise
Guido Reni war der am meisten gefeierte italie-
stammten 18 der rund 400 italienischen Arbeiten,
nische Künstler seiner Zeit. Selbst Caravaggios
die als Beutegut Napoleons nach Paris geschafft wur-
eigentlicher Durchbruch erfolgte erst später. Renis
den, von Reni. Der französische Kunsttheoretiker
Werke wurden weitaus häufiger nachgefragt und
Roger de Plies brachte den Reiz der Gemälde Renis
kopiert, allein der Status seiner Förderer und die
auf den Punkt: Guido Reni habe „einen Ausdruck
Preise, die diese für seine Werke bereit waren zu
gefunden, der allen gefällt,“ seien seine Werke doch
zahlen, und das einhellige Lob der zeitgenössischen
„grande, facile“ und „gracieuse“ zugleich. – Ein wah-
Kritik, lassen keinen Zweifel an Renis Bedeutung.
rer Glücksfall für die Kunstgeschichte.
Über Generationen entfaltete sich seine Wirkung
auf Künstler seiner Geburtsstadt Bologna, von Sirani
Gian Lorenzo Bernini
Apollo und Daphne
1622 – 25
Galleria Borgehese
Mark MacDonnell ist Altmeisterexperte
im Dorotheum.
Gerolamo Scarsello
Fortuna mit Engel in den Wolken, 17. Jh
Harvard Art Museums/Fogg Museum, William M. Prichard Fund, S1.71.2
Allan Macintyre © President and Fellows of Harvard College
AUCTION
14
A b e nt e u r e r
der
Lüfte
Renato Di Bosso
Discesa con paracadute. Aeropittura
1938, Öl auf Holztafel, 50 x 70 cm
Schätzwert € 20.000 – 30.000
Auktion Klassische Moderne
27. November 2013
AUCTION
15
Tullio Crali
Sorvolando la città, 1926, Öl auf Leinwand, 60 x 79,5 cm
Schätzwert € 35.000 – 55.000, Auktion Klassische Moderne, 27. November 2013
Stromlinien-Ästhetik, Geschwindigkeit, Bewegung:
Das Kunstgenre Aeropittura, die Luftmalerei,
versuchte den alten Menschheitstraum vom Fliegen
in die Malerei umzusetzen. Nun klettern bei dieser
Variante des Futurismus, die im Dorotheum bestens
vertreten ist, auch die Preise in luftige Höhen.
V on A l e ssan d r o Rizzi
Propaganda oder radikal moderne Kunstströmung?
Die Farbigkeit, die Stromlinien-Ästhetik, die mit
Die Ende der 1920er-Jahre entstandene Aeropittura,
dem Kinetismus und dessen Zeit eng verbunde-
die Luftmalerei, lässt sich auf keinen Nenner brin-
ne Formensprache der Aviatik entsprachen der
gen. Tatsache ist, dass diese die Fliegerei, also einen
symbolischen Bedeutung des Fliegens, das für
uralten Menschheitstraum, verherrlichende Variante
den Aufbruch und den Aufstieg einer vermeint-
des Futurismus immer mehr Anhänger und Samm-
lich ewigen Ordnung stand. Der Flieger wurde zur
ler hat. Es brauchte, wie sich zeigt, die zeitliche Dis-
Figur des Neuen Menschen stilisiert. Faschistisch
tanz, um die Aeropittura jenseits aller ideologischen
und gleichzeitig hochmodern sei diese italienische
Implikationen als eigenes, sammelnswertes Kunst-
Kunstströmung gewesen, meint Zeitgeschichtler
genre anzuerkennen.
Fernando Esposito in seiner Publikation „Mythische Moderne“ (2011). Für Mythos und Moderne
AUCTION
16
Giulio D’Anna
Soldati ed avventurieri del cielo, um 1928
Collage auf Karton, 40 x 32 cm
Erzielter Preis € 12.500
Tullio Crali
Attacco aereo, Öl auf Holztafel, 51 x 57 cm
Erzielter Preis € 39.340
gleichermaßen Idol sei der Homo volans, der flie-
Auktion Klassische Moderne im Mai 2013 erzielte
gende Mensch, verkörpert im Bild des Ikarus, der
Cralis „Attacco aereo“ hervorragende 39.340 Euro,
stürzt und wiederaufsteht, so Esposito. Auf einer
das Doppelte des Schätzwertes. In dem Bild zer-
im Frühjahr 2013 im Dorotheum versteigerten
schneiden zwei Doppeldecker durch imaginäre
Bild-Collage von Giulio D’Anna findet sich ein Zei-
Fluglinien und Lichtkegel förmlich den blauen
tungsausschnitt mit dem Umriss eines Flugzeuges,
Himmel und schweben über einem abstrahierten
der Headline „Soldati ed avventurieri del cielo“
Hochhäuserwald. In der November-Auktion findet
(„Soldaten und Abenteurer der Lüfte“) und einem
sich die Arbeit „Sorvolando la città“ von 1926, mit
Flieger-Foto.
einem Schätzwert von 35.000 bis 55.000 Euro.
Dynamik, Fortschritt und Geschwindigkeit darzu-
Renato di Bosso nimmt in seinen Arbeiten nicht,
stellen war das Ziel der technikbegeisterten Futu-
wie viele andere Flugmaler, die Pilotenperspektive
risten, die das Element der Bewegung ins statische
ein, sondern zeigt oft den quasi dokumentarischen
Bild brachten – eine Art Film. Aus dieser Strömung
Blick von noch weiter oben, über den Flugzeugen,
entwickelte sich als spezielle Ausrichtung die Flug-
auf die Erde. „In volo su Piazza delle Erbe a Verona.
malerei. Kein Zufall, dass sowohl für den Futuris-
Aeropittura“ honorierte ein Sammler im Mai die-
mus (1909) als auch für die Aeropittura (1929) der
sen Jahres mit hohen 39.340 Euro. Di Bossos
italienische Dichter Filippo Tommaso Marinetti
„Discesa con paracadute. Aeropittura“ kommt mit
die zugehörigen Manifeste lieferte, deren Inhalt –
einem Schätzwert von 20.000 bis 30.000 Euro in
die Vorliebe für das Extravagante, die Gefahr und
die November-Auktion.
die Gewalt – auch von französischen Symbolisten
und Anarchisten beeinflusst war. Die erste von
Fazit: Das Interesse an der Luftmalerei, einem
Marinetti organisierte Aeropittura-Ausstellung fand
bedeutenden Kapitel in der Kunst der Moderne,
1931 statt, sie wanderte durch Italien und Europa.
ist enorm … und längst nicht mehr ein rein italienisches Phänomen!
Mit dabei war neben Größen wie Giacomo Balla,
Fortunato Depero oder Enrico Prampolini unter
anderem auch Tullio Crali. Bei der Dorotheum-
Alessandro Rizzi ist Experte für Klassische
Moderne und Zeitgenössische Kunst in der
Dorotheum-Repräsentanz in Mailand.
AUCTION
17
I m Bann e d e r
N o r man d i e
Romantisch-poetische Natur mit
Lichteffekten: Ein Spitzenwerk des
Normandiezyklus von Viktor Zarubin
kommt im Oktober zur Auktion.
V on O lga S ug r o b ova - Roth
Die Normandie faszinierte Viktor
Küste und die ukrainische Steppe sei-
1909 wurde er ordentliches Mitglied
Zarubin (1866 Charkiw – 1928 Lenin-
ne malerischen Hauptmotive.
der Kunstakademie, danach Sekretär
grad). Der Ausnahmekünstler der
der Petersburger Kaiserlichen Gesell-
russischen Malerschule schuf in zwei
Zarubin fand in den 1890ern zu sei-
schaft zur Förderung der Künste. Als
Dekaden einen Bilderzyklus dieser
nen Hauptthemen, zur Vollkommen-
er sich in den 1910er-Jahren wieder
Landschaft, dessen Kraft und Emoti-
heit des Stils brachte er es aber erst
für längere Zeit in Frankreich aufhielt,
onalität seine Werke auch innerhalb
später. Nachdem er sich in Frankreich
schuf er seine herausragendsten Werke.
der großen Tradition der Normandie-
mit den neuesten Kunstbewegungen
darstellungen zum einmaligen Phä-
des Postimpressionismus, des Symbo-
Das durchaus emotionale Thema der
nomen machen. Ein Bild aus diesem
lismus, des Cloisonnismus der Kunst-
an der Küste auf ihre Männer warten-
umfassenden Zyklus, „Motiv aus der
gruppe um Paul Gauguin in Pont-Aven
den Frauen griff der Künstler mehr-
Bretagne“, kommt in die Dorotheum-
bekannt gemacht hatte, wurde er nach
mals auf. Die besonders hohe Qualität
Auktion von Gemälden des 19. Jahr-
seiner Rückkehr nach St. Petersburg
des Werkes, das über 50 Jahre in einer
hunderts. Es begeistert durch die in
Schüler des großen russischen Land-
privaten russischen Sammlung ver-
ihm steckende Kraft, durch die enor-
schaftsmalers Archip Kuindschi, der
blieben ist, lässt seine Ausführung in
me innere Spannung der lakonisch
ihm die romantisch-poetische Natur-
den 1910er-Jahren vermuten.
erfassten Formen und den energi-
auffassung und die Bedeutung des
schen Pinselstrich.
Lichteffekts in der Darstellung des
Bildmotivs vermittelte. Zarubin betei-
Die Entscheidung, Künstler zu werden, fällte Zarubin erst spät. Er
besuchte die Kunstschule parallel
zu seinem Mathematikstudium an
der Universität von Charkiw. Auch
danach schlug er nicht den für russische Künstler typischen Weg ein: Statt
sich an der Kaiserlichen Kunstakademie einzuschreiben, ging Zarubin
nach Paris, wo er zwischen 1893 und
1896 die Académie Julian besuchte und sogar seine Werke im Salon
zeigte. Seine französischen und amerikanischen Kollegen, aber auch die
russischen Künstler, die sich seit den
1860er-Jahren in einer Künstlerkolonie in der Normandie angesiedelt hatten, lehrten Zarubin die Bretagne und
die Normandie lieben und malen. Seit
dieser Zeit waren die nordfranzösische
ligte sich an mehreren Ausstellungen,
Olga Sugrobova-Roth ist
Expertin für russische Kunst.
Viktor Zarubin
Motiv aus der
Bretagne
Öl auf Leinwand
76 x 89 cm
Schätzwert
€ 90.000 – 120.000
Auktion Gemälde
des 19. Jahrhunderts
16. Oktober 2013
AUCTION
18
J o s e f A m e r l i n g , d e r j ü n g e r e B r u d e r, s t a n d M o d e l l
für ein Knabenporträt des berühmten Wiener
Biedermeier-Malers Friedrich von Amerling, das im
Oktober bei der Dorotheum-Auktion von Gemälden
des 19. Jahrhunder ts zur Versteigerung kommt .
V on S a b in e G r a b n e r
Als der Wiener Maler Friedrich Amerling im September 1828 von einem ausgedehnten Aufenthalt in London und Paris zurückkehrte, war sein um vieles
jüngerer Bruder Josef gerade einmal zehn Jahre alt. Ob seines hübschen Aussehens wurde er zum gerne verwendeten Modell Friedrich Amerlings, der während seiner Zeit in London gerade in der Darstellung von Kindern eine enorme
Sensibilität entwickelt hatte. Angesichts der Werke von Sir Thomas Lawrence
(1769 – 1830) und Sir Henry Raeburn (1756 – 1823) sowie deren Vorgängern Sir
Joshua Reynolds (1732 – 1792) und Thomas Gainsborough (1727 – 1788) war es
ihm zum Anliegen geworden, die englische Porträttradition mit seiner persönlichen Auffassung von Kunst und seinen eigenen künstlerischen Fähigkeiten
in Einklang zu bringen. In der Folge entwickelte Amerling jenen besonderen
Stil, der seine Werke mit der enormen Lebensnähe der dargestellten Personen
sowie der ungemeinen Attraktivität und farblichen Brillanz seiner Bilder auszeichnet. Auffallend ist zudem, dass Amerling Kinder wie Erwachsene behandelte, also ihre Individualität betonte und ihre Persönlichkeit herausschälte. In
jedem seiner Porträts trachtete er nach einer ausgewogenen Komposition und
suchte über eine ausgeklügelte Lichtregie die Figur besonders edel erscheinen
zu lassen. Mit dem geschmackvollen Ambiente, das bisweilen durch schwere Draperien, Landschaftsausblicke oder einen wolkenverhangenen Himmel
bereichert wird, bewies Amerling sein feines Empfinden für die Schönheit, für
die Melodie der Linie und die Wirkung der Farbe.
Diese neue Form der Bildnismalerei ließ Friedrich Amerling in der Kaiserstadt
sehr bald zu einem gefragten Künstler werden. Den endgültigen Durchbruch
schaffte er 1832: Als Amerling in Rom weilte, ereilte ihn die Nachricht, Kaiser
Franz II. (I.) wünsche von ihm porträtiert zu werden. Stante pede kehrte er nach
Wien zurück, um mit dem Bild „Kaiser Franz I. von Österreich im Österreichischen Kaiserornat“ (1832, Wien, Kunsthistorisches Museum) seinen Erfolg zu
begründen. Zahlreiche Aufträge seitens des Adels und des gehobenen Bürgertums waren die Folge. Ab nun galt Amerling als „fashionabelster“ Maler Wiens.
Friedrich von Amerling
Josef Amerling als Knabe, 1830
Öl auf Leinwand, 41,2 x 34,5 cm,
Auktion Gemälde des 19. Jahrhunderts, 16. Oktober 2013
AUCTION
19
Der
B r ud e r
als
M od e ll
AUCTION
20
Daneben fand er auch die Muße, seine Fähigkeiten an Modellen aus der eigenen
Familie oder dem Freundeskreis zu erproben. So finden sich im Werkverzeichnis
ab dem Jahre 1828 zahlreiche Namen von Künstlerfreunden und Familienmitgliedern, darunter auch Bilder seines Bruders Josef. Einmal ist der Knabe vor
einer Landschaft sitzend zu sehen (1828, WV-Nr. 150), ein anderes Mal im Profil mit einer Kappe auf dem Kopf (1829, WV-Nr. 154) oder als „fauler Student“
(1830, WV-Nr. 193, Abb. 1). Josef ist auch der am Ufer eines Gewässers ruhende
berühmte „Fischerknabe“, der durch seine Verkleidung ganz in der Tradition des
englischen Rollenporträts steht (1830, WV-Nr. 191, Abb. 2). Weitere Bilder zeigen
das Kind in eleganter Tageskleidung mit einer blauen Jacke aus Tuch: einmal als
Brustbild von vorne (1830, WV-Nr. 164), dann wieder mit nach oben gerichtetem
Blick (1830, WV-Nr. 190, Abb. 3). Letzteres ist in kompositorischer Hinsicht interessant, denn der Oberkörper ist von leicht hinten, das Antlitz des Knaben aber im
Dreiviertelprofil zu sehen. Die Haut hat Amerling mit zarten Lasuren herausgearbeitet, ein Hauch von Blaugrau umweht Stirn und Wangen und verleiht damit
dem Gesicht Form. Modellierende Funktion erfüllen auch die Glanzlichter auf
Nase und Lippen, dagegen erzeugen die weißen Farbtupfer in den Augen einen
verträumt-schwärmerischen Ausdruck. Die braune Untermalung der Haare ist vor
allem im vorderen Bereich des Kopfes durch eine Vielzahl von zarten Pinselstrichen
Friedrich von Amerling
Ein Fischerknabe, 1830
Belvedere, Wien
AUCTION
21
in unterschiedlicher Färbung bedeckt, hell aufflammende Strähnen sorgen dabei
für eine lebendige Wirkung. Im Gegensatz dazu ist die Kleidung weniger genau
ausgeführt: Zügige Pinselstriche in hellem und dunklem Blau reichen aus, um
dem Rock Form zu geben, ähnlich verhält es sich beim weißen Kragen des Hemdes. Dabei handelt es sich im Übrigen um ein bewährtes Stilmittel Friedrich
Amerlings, vermochte er doch den Blick der Betrachter auf das Antlitz des Dargestellten zu konzentrieren. Josef Amerling hatte zwar großes Interesse an Kunst
und auch musische Begabung, dennoch schlug er die Militärlaufbahn ein. Sein
Leben lang nahm er aber Anteil am Fortgang seines malenden Bruders, über
dessen Kindheit und wichtigste Stationen seiner Karriere ein 1879 verfasster
Lebensbericht Zeugnis ablegt. Josef Amerling starb 1885, zwei Jahre vor seinem
1879 in den Adelsstand erhobenen Bruder, im 68. Lebensjahr.
Sabine Grabner ist Kunsthistorikerin und Kuratorin für Gemälde des 19. Jahrhunderts
in der Österreichischen Galerie im Belvedere und Herausgeberin des Ausst.-Kat.
„Friedrich von Amerling. 1803 – 1887“ (Österreichische Galerie Belvedere, Leipzig 2003).
Friedrich von Amerling
Josef Amerling
als fauler Student, 1830
Moravská galerie, Brünn
DOROTHEUM
22
Dior-Chefdesigner Raf Simons:
„myDOROTHEUM“ – Ein Gespräch mit
dem belgischen Modeschöpfer über seine
Leidenschaft für mid-entury Design und
zeitgenössische Kunst, über kuratiertes
Sammeln und den Wert des Wartens.
DOROTHEUM
23
R AF
M odest a r
SIMONS
u n d „ H a usm a n n “
S
DOROTHEUM
24
Raf Simons ist weltbekannt als stilp r ä g e n d e r D i o r - C h e f d e s i g n e r, a b e r
außerhalb des Rampenlichts hegt er
eine konträre Leidenschaft für funktionelles u n d ge m ü t l i c h e s m i d - c e n tu r y
D e s i g n . E i n e s Ta g e s w i r d e r s e i n e e i g e ne Möbel-Linie entwerfen, verrät der
belgische Modeschöpfer im Interview
mit Dorotheum myART MAGAZINE.
Begonnen haben Sie aber mit 1950er-Jahre
Ke r a m i k . W i e s o g e r a d e d i e s e s G e b i e t ?
Meine Leidenschaft rührt daher, dass Keramik eine
sehr pure, romantische und natürliche Sache ist, ich
bewundere das Handwerk. Als ich mit Mode anfing
realisierte ich, wie kompliziert diese ganze Struktur
ist, Keramik war der Gegenpol. Zu dieser Zeit waren
die Stücke noch nicht teuer.
M i d - c e n t u r y, d a s m a n a u c h a l s m o d e r n i s t i -
Raf Simons: Mir gefallen Objekte, die Komfort und
s c h e s D e s i g n b e z e i c h n e n kö n n t e , u n d z e i t ge -
Gemütlichkeit bringen, wie etwa die Lampen von
n ö s s i s c h e Ku n s t . W i e g e h t d a s z u s a m m e n ?
Jean Royère. Vor 15 Jahren wäre einen Loft mein
Da muss man unterscheiden: In der Kunst sammle
Ideal, clean und pur. Ich mag das nicht mehr. Viel-
ich ausschließlich zeitgenössisch, es ist auch eine
leicht ist es eine Frage des Alters und des Termin-
Preisfrage – Ich würde liebend gern mit einem
plans. Ich will am Sofa in der Nähe eines Kamins
Picasso oder Modigliani leben. Ich verfolge auf-
sitzen, das Essen am Tisch, Fernsehen.
merksam die Entwicklungen des zeitgenössischen
Dorotheum My Art Magazine: Darf man
sich Ihr Zuhause mit mid-century Design
w i e a u f d e m C ove r b i l d u n s e r e s
Designs, ich besitze einige frühe radikale Stücke von
Ron Arad. Aber ab einem gewissen Zeitpunkt geht
es darum, mit welchen Stücken man leben will.
D o r o t h e u m - M a g a z i n s vo r s t e l l e n ?
Wo s i n d I h r e e i g e n e n r e a l i s i e r t e n M ö b e l e n t -
Im Grunde schon, die Lampe von Serge Mouille
würfe geblieben? Gibt es eine Chance, sie
gehört mir, der Sessel von Jacques Adnet ist ausge-
einmal im Dorotheum zu ersteigern?
borgt – ich muss mich einfach wohl fühlen, das gilt
Fast alles gab ich an Freunde weiter. Als ich mit
für Dior, für Fotoshootings, für zu Hause. In meiner
der Mode begann lehnte ich sie ab, nicht interes-
Wohnung befinden sich viele Stücke von Jean Royère,
semäßig, aber als meine eigene Praxis.
George Nakashima und vor allem Pierre Jeanneret.
Tr ä u m e n S i e m a n c h m a l vo n e i n e r e i g e n e n
Kö n n te m a n J e a n n e r e t a l s I h r e n
M ö b e l ko l l e k t i o n ?
L i e b l i n g s d e s i g n e r b ez e i c h n e n , w a r u m ?
Mir wurde es bereits mehrfach angeboten, eines
Seine Entwürfe sind unglaublich. Fantastische Ergo-
Tages werde ich es tun. Die Möbel des Modedesi-
nomie, komfortabel und robust, Kinder können darauf
gners Rick Owens bewundere ich wegen ihrer
rumspringen. Ich fühle mich zu Designern hingezo-
unverwechselbaren, erfrischenden Einzigartigkeit.
gen, die eine Balance finden zwischen Einzigartigkeit
Mein Respekt vor bestimmten Möbelentwerfern
im modernen Design und der gleichzeitigen Anpas-
stieg im Laufe der Jahre. Da denke ich: Falls ich
sungsfähigkeit für verschiedenste Umgebungen. Es
etwas mache, nur dann, wenn ich es besser mache!
schaut nie wie in einer Kunstgalerie aus. Ich halte dieses Barcelona Lounge-Feeling nicht so gut aus.
We l c h e K r i t e r i e n g e l t e n f ü r I h r e A u s wa h l
beim Sammeln?
Wü r d e n S i e s i c h a l s S a m m l e r b e z e i c h n e n ?
Von Beginn an hatte ich eine kuratorische Hal-
Absolut! Ich begann sehr früh zu sammeln, seit
tung gegenüber meiner Sammlung. Es entspannt
dem Ende der 80er Jahre. Ich studierte Industrial
mich. Denn wenn du nur sammelst, dann ist die
Design mit Spezialgebiet Möbeldesign. Seit jeher
Sache schnell ein Durcheinander. Ich liebe es zu
war ich vom mid-century Design und von zeitge-
kuratieren! Wenn ich nicht Mode machen würde,
nössischen Dingen fasziniert. Damals war es über-
wäre mein Lieblingsjob Kurator in der Kunst- oder
haupt nicht populär, so etwas durfte man nicht
Designwelt. Ich reiße nicht irgend ein Designob-
mögen, sondern Philippe Starck, Memphis Design
jekt an mich, ich recherchiere den Denkprozess bei
und diese Ästhetik.
der Entstehung und zur Persönlichkeit dahinter.
DOROTHEUM
25
Foto Xinhua / Eyevine / picturedesk.com
Buchneuerscheinung über
R a f S i m o n s i m Ta s c h e n - Ve r l a g
Ko m m e n S i e s e i t I h r e r D i o r - Ze i t ü b e r h a u p t
noch dazu?
Terry Jones: „Raf Simons“, 120 S., € 29,99.
Foto Dorotheum myART MAGAZINE Seite 22, aus dieser Publikation,
mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Ich mache es ständig! Mit den heutigen Online-Möglichkeiten ist es leichter. Es ist meine Leidenschaft
und mein Hobby. Ich umgebe mich gerne mit Arbei-
50. Mir kam vor, ich sprach aber mit einer Person,
ten anderer schöpferischer Menschen, es gibt mir
die viel jünger ist als viele meiner Mitstudenten. Das
größte Genugtuung, Entspannung und Inspiration.
vergesse ich nie.
Das trifft besonders auf die Sammlung mit zeitgenössischer Kunst zu.
Inwiefern wirkte sich diese Erfahrung auf
Ihre eigene Modelinie aus?
E s s c h e i n t , d e r E i n f l u s s d e r Ku n s t a u f I h r e
Als ich begann, realisierte ich schnell, dass ich
A r b e i t n i m m t z u – o b wo h l S i e j a s te t s b e t o -
Personen mit 16 Jahren als auch mit 55 Jahren
n e n , w i e s e h r S i e i h r e J u ge n d ge p rä g t h a t ,
damit ansprach. Das war alles eine Nischensa-
b e s t i m m te M u s i k r i c h t u n ge n , S t r e e t s t y l e ,
che, sehr konzeptuell und intellektuell, auch spä-
U n d e r g r o u n d , u n d s p ä te r d i e A n t we r p e n e r
ter meine Arbeit bei Jil Sander. Wenn man jung
M o d e d e s i g n e r, a l l e n vo ra n M a r g i e l a .
ist, beschließt man Punk oder was auch immer zu
Die Kunst hat tatsächlich mehr Gewicht. Aber mei-
sein. Später sind essentiellere Dinge wichtiger, wie
ne Hauptmotivation kommt aus der Zeit der Grün-
etwa Ausgeglichenheit, Natur, die Welt als Gan-
dung meines eigenen Modelabels, nämlich den
zes, Menschlichkeit, all das. Bei Dior finde ich das
Dialog zwischen unterschiedlichen Generationen
Gegenteil von Nische, es ist ein globales Unterneh-
in Bewegung zu bringen. Damit meine ich nicht das
men und wird gut verstanden. Weiblichkeit, Natur,
Alter allein. Als ich jung war, interessierte ich mich
Blumen, Romantik – alles Elemente, die man mehr
für Jugendkultur, Pop und alternative Szenen –
versteht als Gothic oder Punk. Dior wird auch ohne
und das in einem sehr konservativen, katholischen
mich immer existieren, das nimmt Gewicht von
Umfeld. Ich war im Kontakt mit Linda Loppa, der
meinen Schultern. Mit der eigenen Firma hat man
Direktorin der Kunstakademie, ich war 20, sie circa
andere Verantwortlichkeiten.
DOROTHEUM
26
RAF SIMONS ist einer der einflussreichsten zeitgen ö s s i s c h e n M o d e d e s i g n e r. 1 9 9 5 e r r e g t e R a f S i m o n s
weltweites Aufsehen mit seiner gleichnamigen, eng
g e s c h n i t t e n e n M e n s w e a r - L i n i e u n d d e r Ta t s a c h e , d a s s
er seine Models von der Straße weg castete. Streetstyle und popkulturelle Elemente fließen in die konzeptuellen Arbeiten ein. Seit 2012 ist der als Industrie- und
M ö b e l d e s i g n e r a u s g e b i l d e t e B e l g i e r, J a h r g a n g 1 9 6 8 ,
C r e a t i v e D i r e c t o r d e s H a u s e s D i o r. Z u v o r w a r e r s e c h s
Jahre lang Chefdesigner bei der Jil Sander AG.
Darüber hinaus lehrte Raf Simons einige Jahre an
der Universität für angewandte Kunst in Wien.
Foto Xinhua / Eyevine / picturedesk.com
DOROTHEUM
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Nun haben Sie also beides. Geht das gut?
Apropos Medien: Wie haben Internet, Google
Ich mochte es immer, zwei Dinge zu tun. Früher habe
u n d F a c e b o o k I h r e Wa h r n e h m u n g ve r ä n d e r t ?
ich mein Unternehmen mit Kuratieren oder Lehren
Da bin ich ein bisschen Oldschool, aber ich befür-
kombiniert. Es hält Dinge sehr frisch und am Leben.
worte die Technologien, denn Sie schlüsseln uns
Meine Wohnungen in Paris und Antwerpen sind auch
auf wie die jüngere Generation, die Stimme unserer
komplett verschieden.
Zukunft, denkt und kommuniziert. Besonders bei
L e b e n S i e t a t s ä c h l i c h m i t a l l e n ge k a u f t e n u n d
e r s te i g e r te n D e s i g n - S t ü c ke n ?
All the way! Meine Wohnung in Antwerpen ist sehr
groß. Ich fand vor neun Jahren ein mid-century
Haus mit interessanter Geschichte. Die ehemaligen
meiner Arbeit finde die enorme Geschwindigkeit
problematisch. Sie lässt keinen Platz für Mystik und
Romantik. Als ich jung war, mussten wir uns sehr
anstrengen etwas zu finden. Diese real-life Erfahrung
dieser Anstrengung verlieh den Dingen auch Respekt.
Besitzer importierten amerikanische Modernisten
Nutzen Sie das Internet gar nicht?
wie Nelson und Eames und sie stellten das Haus
Doch, wenn es um praktische Dinge wie Flugin-
wie einen Showroom in verschiedensten Stilen, etwa
formationen geht oder weil ich bemerke, hoppla,
Colani, jedes halbe Jahr um. Wahre Pioniere!
eure Dorotheum-Auktion ist da, und innerhalb von
W i e d a r f m a n s i c h I h r Pa r i s vo r s te l l e n ?
Genau das Gegenteil: Hohe Wände, Haussmann-Stil,
Salons, Kamin, Stuck. Nakashima und Jeanneret
befinden sich in beiden Wohnungen, auch Werke von
Sterling Ruby, ich brauche sie um mich. Er ist auch
ein enger Freund geworden.
F ü r e i n e I h r e r H a u te C o u t u r e S h o w s z e i g t e n
S i e a u f d e n K l e i d e r n S te r l i n g Ru by s P r i n t s vo n
S p r a y - B i l d e r n , S i e ko m b i n i e r te n d a s D i o r - E r b e
m i t Z e i t ge n ö s s i s c h e m . U m vo n u n te r s c h i e d l i chen Stilen zu sprechen: Es scheint,
S i e b r a u c h e n d i e s e D u a l i t ä t i m Le b e n ?
Ich bin letztendlich ein sehr romantischer Hausmann. Ich finde es lächerlich, Stile zu wiederholen.
Sekunden kann ich alles sehen. Aber früher musste man langsam herausfinden, wo diese Ausstellung
oder Modeschau war, musste warten. Dann fand
man einen Artikel darüber oder erstand ein Ticket,
das rief Begehren hervor. Die jüngere Generation
lernt nicht, so ihr Know-How und ihre Interessen
zu entwickeln. Alles ist in der Sekunde abrufbar. Ich
kritisiere sie nicht, es ist ja nicht ihre Schuld.
Mögen Sie die epischen, erfolgreichen
T V- S e r i e n w i e M a d M e n ?
Sie inspirieren mich nicht. Und wieder, da bin ich
romantisch: Mir gefällt die Vorstellung jeden Samstag eine TV-Show zu sehen. Aber das lässt mein
Zeitplan nicht zu. Ich sehe lieber Kinofilme.
Es geht nicht rein um Dekoration, es ist der Vibe.
We l c h e s a h e n S i e z u l e t z t ?
Man kann nicht Gemütlichkeit oder Geschichte
„World War Z“, von Brad Pitt inszeniert, und den
reproduzieren.
letzten Tarantino, ein Meisterwerk! Aber genau so
Wie passt da Wien ins Bild?
Eine Stadt die ich liebe! Ich habe sehr gute Erinnerungen an diese Zeit, es waren immerhin fünf Jahre.
Der Umgang der Leute untereinander ist großartig.
Besonders liebe ich die Winterzeit.
wie in der Kunst gibt es bestimmte Leute, von denen
ich Fan bin, etwa von David Lynch oder Todd Haynes. Als schöpferisches Wesen muss ich immer zur
Quelle dieser Kreativität gehen. Auch bei Monsieur
Dior, da habe ich mir alles Footage-Material angesehen und auch seine Galeristentätigkeit studiert.
Ke i n W i e n e r w ü r d e d a s s a ge n …
Er vertrat etwa Giacometti und Dali! Vielleicht zieht
Es ist schön! Mir gefallen auch so diese originalen
mich mid-century Design so an, weil es an diese
Orte wie das Cafe Prückel, wo Leute noch tatsäch-
Langsamkeit erinnert inmitten so vielem mit kurzer
lich Zeitungen mit einem hölzernen Zeitungshalter
Lebenszeit. Es ist höchst erfreulich in meinem Alter
lesen. Ich finde es unglaublich, das findet man sonst
zu wissen, dass es Dinge gibt, die man für immer mag.
nirgends mehr auf der Welt.
Die Fragen stellte Doris Krumpl
AUCTION HOUSE
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ImperialeS
Die mehr als 300-jährige Geschichte
des Dorotheum ist eng mit jener des
Habsburger-Reiches verbunden. Besonders
drei Kaiser waren es, die das Auktionshaus
entscheidend prägten.
V o n Mi c h a e l a S t r e b l - P ü h r i n g e r
AUCTION HOUSE
29
Erbe
Eröffnung des neu erbauten Palais Dorotheum
durch Kaiser Franz Joseph am 12 . November 1901 in
Anwesenheit des gesamten österreichischen Hochadels
Dorotheerstift
Stich von Salomon Kleiner, um 1730
Joseph I. als Römischer König zu Pferd
Elfenbeinstatuette
von Matthias Steinl, 1693
Kunsthistorisches Museum,
Kunstkammer
Der Gründer
Der Gründer des Dorotheum, Joseph I., war ein vielseitig begabter und hochintelligenter junger Mann: Er beherrschte sieben Sprachen perfekt, war ausgebildeter Architekt und wie sein Vater Leopold I. ein begeisterter Musiker.
Zeitgenossen schildern ihn als ausgesprochen attraktiv, abenteuerlustig, draufgängerisch und waghalsig. Bereits mit neun Jahren wurde er zum König von
Ungarn gekrönt, 1705 nach dem Tod seines Vaters zum Kaiser des Heiligen
Römischen Reichs gewählt. Mit Prinz Eugen an seiner Seite war Joseph I. im
Spanischen Erbfolgekrieg erfolgreich, was ihm den Beinamen „der Sieghafte“
eintrug. Als barocker Herrscher und neuer Sonnenkönig plante Joseph mit
dem Bau von Schönbrunn Versailles zu übertreffen, politisch trieb er zahlreiche
Reformen voran, setzte sich für eine Abschaffung der Robot, des FrondiensGründungspatent des
Versatz- und Fragamts vom
14. März 1707
tes, ein, straffte die Verwaltung, erneuerte das Steuerwesen. Er ließ die von den
Türken verwüstete Josefstadt neu aufbauen, das Kärntnertortheater errichten,
die große Glocke der Stephanskirche, die Pummerin, gießen und gründete 1707
das heutige Dorotheum – damals hieß es noch „Versatz- und Fragamt“. Das kaiserliche Gründungspatent sah seine Funktion als Auktionshaus, Pfandinstitut
mit sozialem Auftrag nach dem Vorbild des italienischen „mons pius“ und Vermittlungsbörse von Mobilien, Immobilien und Dienstpersonal vor. Bereits vier
Jahre später, mit erst 33 Jahren, starb Joseph I., wenige Tage, nachdem er an
den Schwarzen Blattern erkrankt war.
AUCTION HOUSE
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Der Namensgeber
Joseph II., ältester Sohn Maria Theresias, trat für einen aufgeklärten Absolutismus ein. In seiner nur zehnjährigen Regierungszeit in den Habsburgischen
Erblanden (1780 – 1790) setzte er Reformen rasch um: eine Vereinheitlichung
der Verwaltung, Abbau von Privilegien, Reformierung des Rechtswesens,
Verbesserung von Sozial- und Gesundheitswesen, Verabschiedung des Toleranzpatentes für Religionsfreiheit, Säkularisierung „beschaulicher“ Orden …
Aus heutiger Sicht leitete Joseph II. bahnbrechende Neuerungen ein, damals
waren die Änderungen vielen zu radikal.
Als „Volkskaiser“ mischte sich Joseph II. gerne unerkannt unter die Leute und
soll, verkleidet als einfacher Bürger, auch das Dorotheum inspiziert haben.
In jedem Fall kümmerte sich der Kaiser persönlich um die Angelegenheiten
des Hauses, sorgte für die Öffnung der ursprünglich nur sehr Wohlhabenden
zugänglichen Institution für alle Bevölkerungsschichten und für einen reglementierten Ablauf des Auktionsbetriebs. Bei der Wahl eines neuen Standortes
widersetzte er sich den anderslautenden Vorschlägen seiner Beamtenschaft
und wählte eine noble, beim Adel beliebte Adresse in Hofburg-Nähe: 1787
überließ er dem Unternehmen die Räumlichkeiten des von ihm aufgelassenen
Joseph II. (1741 – 1790)
Gemälde von Josef Hickl
18. Jahrhundert
Augustiner-Chorherren-Stiftes mit der Kirche zur Hl. Dorothea. Sie gab der
Institution ihren heutigen Namen: Dorotheum.
Alte Meister und Gemälde des 19. Jahrhunderts im Franz Joseph Saal
Palais Dorotheum Wien
AUCTION HOUSE
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Foyer, Palais Dorotheum Wien
Der Bauherr
Kaiser Franz Joseph I. war der am längsten regierende Habsburger Monarch.
In seiner mehr als 60-jährigen Amtszeit von 1848 bis 1916 führte er die Donaumonarchie von den Revolutionsjahren bis in die Jahre des Ersten Weltkriegs.
Während dieser Zeit, in der Ringstraßenära, erhielt Wien ein neues Gesicht.
An der Stelle der alten Stadtmauer und des Glacis entstand eine mächtige
Prachtstraße mit eindrucksvollen Prunkbauten im historistischen Stil, die das
Stadtbild entscheidend prägten.
Auch das in unmittelbarer Umgebung der Ringstraße gelegene Dorotheum
wurde neu errichtet, davor wurden die alten Klostermauern geschliffen. Erich
Graf Kielmansegg, Statthalter von Niederösterreich und Innenminister, ließ
im kaiserlichen Auftrag ein Auktionspalais bauen und orientierte sich dabei an
internationalen Vorbildern. Der ausgewählte Architekt, Emil Ritter von Förster, entwarf einen Monumentalbau in barocker Tradition, mit herrschaftlicher
Einfahrt, gleich 13 Auktionssälen, Repräsentations- und Ausstellungsräumen
sowie einem eindrucksvollen Festsaal mit Galerie und imperialen Insignien,
dem Franz Joseph Saal.
Schon damals waren die Innenausstattung und die klimatisch optimalen Kellerdepots hoch modern. Am 12. November 1901 nahm der Kaiser, umgeben vom
österreichischen Hochadel, persönlich die feierliche Eröffnung vor.
Auch heute noch bietet das Palais das attraktive Ambiente für die Präsentation
der großen internationalen Auktionen des Dorotheum. Das älteste Auktionshaus der Welt ist damit wohl auch eines der schönsten.
Michaela Strebl-Pühringer, Kunsthistorikerin, Germanistin und
Werbekauffrau, leitet die Marketing-Abteilung des Dorotheum.
Blick in die Dorotheergasse
Fotografie, um 1920
Auktionsszenen im Dorotheum, einst und jetzt
Klassische Moderne und Zeitgenössische Kunst im Franz Joseph Saal
Palais Dorotheum Wien
© Gerhard Wasserbauer
FAVOURITE
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Kapitale
Klunker
V i n t a g e C o s t u m e J e w e l l e r y h a t K o n j u n k t u r.
Das beweist auch die jüngste Versteigerung
alten Modeschmucks von Dior & Co im
D o r o t h e u m . E i n k l e i n e r R a t g e b e r, w i e m a n
in falsche Juwelen richtig investiert.
V o n M a r i e -T h é r è s e H a r t i g
Theodor Fahrner, Pforzheim
um 1925/30
Silber vergoldet
Erzielter Preis € 4.250
FAVOURITE
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Bijoux Christian Dior, Henkel & Grosse
Pforzheim, 1958
Swarovski-Kristallglassteine, signiert
„Christian Dior 1958“
Erzielter Preis € 1.875
„Schmuck ist nicht dazu da, Neid zu erwecken – bestenfalls Staunen.“ Dieses State­
ment von Stilikone Coco Chanel trifft den Nagel auf den Kopf: Es sind nicht die
Karat in Edelmetall und -stein, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen, sondern das Design eines Schmuckstücks und das Flair, das es seiner Trägerin verleiht. Dieser Umstand erlaubt es auch Nicht-Millionärinnen, sich mit kapitalen
Klunkern zu schmücken; peinlich wird die Sache ja erst, wenn falsche Juwelen
echt wirken wollen. Das hat Modeschmuck aus großen Couture-Häusern freilich
noch nie nötig gehabt: Der Name allein garantiert Qualität, sowohl im Design als
auch in der Verarbeitung.
Mademoiselle Chanel war eine der Ersten, die in der ersten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts mit ihren „Bijoux de fantaisie“ – vor allem Ohrclips, Anstecknadeln sowie unechten Gold-, Silber- und Perlenketten – Modeschmuck nicht nur
salonfähig machte, sondern geradewegs zu einem modischen Must erhob. Im
20. Jahrhundert ließen Christian Dior und André Courrèges, Mary Quant und
Yves Saint-Laurent, um nur einige stilprägende Couturiers zu nennen, aufwendige Geschmeide aus Glas und Strass fertigen, die sie als „Costume Jewellery“ auf
den Markt brachten. Experten ziehen diesen Anglizismus übrigens bis heute dem
deutschen Begriff Modeschmuck vor, der eher mit billiger Massenware assoziiert
wird. Bei älteren Stücken spricht der Insider von „Vintage Costume Jewellery“.
FAVOURITE
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p r e i s w e r T,
niChT Billig
Modeschmuckstücke spielen naturgemäß in einer anderen preisliga als echte
pretiosen. sie als billig zu bezeichnen wäre dennoch falsch, sind doch die Klunker längst begehrte sammlerobjekte geworden – ganz besonders dann, wenn sie
von renommierten Designern für luxus-labels entworfen und von einschlägig
bekannten herstellern aus hochwertigen Materialien gefertigt wurden.
Den Beweis dafür lieferte kürzlich das wiener Dorotheum: in der auktion „Vintage Jewellery Design 1958 – 1972“ kamen anfang März dieses Jahres Colliers,
Broschen und armbänder aus der umfangreichen Modeschmuck-sammlung
Rudolf Weiss
Kaufbeuren-Neugablonz
um 1960/70
SwarovskiKristallglassteine
Erzielter Preis € 500
eines deutschen ehepaares unter den hammer. Das Bemerkenswerte an den
150 objekten, die als erste Tranche versteigert wurden: es handelt sich samt und
sonders um signierte, ungetragene (!) stücke aus Musterkollektionen, die Modefirmen wie Dior, pricharé oder Vendôme bei der legendären schmuckwarengenossenschaft neugablonz bei Kaufbeuren fertigen ließen. und weil es eben Muster waren, blieben viele stücke unikate – was sich auf das sammlerinteresse und
den preis auswirkte.
Vendôme, um 1960/70
Tombak, SwarovskiKristallglassteine
Erzielter Preis € 625
weitere exzellente stücke der genannten Modefirmen können sammler diesen
herbst im Dorotheum erwerben. am 8. november 2013 glänzen Colliers, armbänder und Broschen von Christian Dior, pricharé, Max Müller und Vendôme
um die wette: Die nächste „Mad Man“-party kann beginnen! einen schwerpunkt setzt die auktion auch auf das spezialgebiet weihnachtsschmuck.
Top-los der Dorotheum-auktion vom März 2013 war ein Collier von Bijoux
Christian Dior aus dem Jahr 1972: Die farblosen, geschliffenen swarovski-Kristallsteine mit einem großen, violetten Mittelstein, gefasst in rhodiniertem neusilber, waren einem sammler 2.250 euro wert. sechs andere halsketten aus der
bewährten Kooperation zwischen Dior und dem pforzheimer hersteller hen-
Buchtipps:
Renate Möller:
Modeschmuck aus drei
Jahrhunderten.
Deutscher Kunstverlag
(1996)
Sabine Kurz,
Mary Sue Packer:
Strass. Heyne (1997)
Vivienne Becker:
Grossé + Bijoux
Christian Dior.
Arnoldsche
Verlagsanstalt (2010)
Judith Miller:
Miller’s Ultimate Guide to
Costume Jewelry.
Octopus Publishing (2010)
Gerda Flockinger:
Vintage Jewelry Design:
Classics to Collect &
Wear. Lark Books (2011)
kel & grosse spielten jeweils zwischen 1.500 und 1.875 euro ein. auch stücke
aus dem haus pricharé, gefertigt 1960 bis 1965, stießen auf reges interesse bei
den Bietern und brachten jeweils bis zu 1.250 euro.
Pricharé
Kaufbeuren-Neugablonz
Tombak rhodiniert
Swarovski-Kristallglassteine
Modeschmuck Auktion
8. November 2013
Rufpreis € 220
g e Fa s s T,
niChT geKleBT
Doch was – abgesehen vom rein persönlichen geschmack des interessenten –
bestimmt den wert eines Modeschmuckstücks? „neben dem Design, das möglichst ausgefallen und typisch sein sollte, ist Qualität das a und o“, erklärt regina herbst, expertin für Vintage Costume Jewellery im Dorotheum. „Das fängt
bei gutem Material an, also zum Beispiel Murano-glas oder swarovski-steinen.
Bakelit ist nicht gleich Bakelit; außerdem gibt es auch galalith, Zelluloid, lucite
und vieles mehr.“ ebenso wichtig ist die Verarbeitung der stücke: Bei hochwertigem Modeschmuck werden steine wie bei echtem schmuck gefasst und nicht nur
Rudolf Weiss
Kaufbeuren-Neugablonz
um 1965
SwarovskiKristallglassteine
Erzielter Preis € 450
FAVOURITE
37
geklebt. in die Fassungen sind meist Datierung und Firmenmarke geprägt, was
nicht nur Qualität garantiert, sondern darüber hinaus labelkäufer anlockt, die
bekannte Marken no-name-produkten vorziehen.
allerdings fehlt vor allem bei altem Modeschmuck oft die signatur, weshalb
die expertin gute, nicht signierte arbeiten als unterbewertet einstuft – vorausgesetzt, entwurf und ausführung stammen aus derselben Zeit und sind kein
neuzeitliches remake. Denn auch die entstehungszeit spielt bei der Bewertung
eine maßgebliche rolle. „Je früher, desto besser!“, rät herbst. „Der ursprung
von Vintage Costume Jewellery liegt in den 1930er-Jahren, als Kleider inklusive
Modeschmuck verkauft wurden. Da der schmuck oft verloren ging, entstanden
dafür eigene produktionen.“ Vor allem die hollywood-stars in amerika verlangten nach „eyecatchern“, also spektakulären Juwelen für ihre glamourösen
auftritte. wohl nicht zuletzt deshalb herrscht im angloamerikanischen raum
seit jeher ein anderes sammelbewusstsein als in europa, wenngleich hier
wie dort für Modeschmuck aus europa derzeit größere nachfrage und höhere
preise verzeichnet werden.
Marie-Thérèse hartig ist Journalistin in wien mit schwerpunkt
Kunstmarkt und wirtschaft. sie schreibt u. a. für „Der standard“,
„gewinn“ und „Trend“.
AUKTION
8. November 2013
Vintage Costume Jewellery
Bijoux Christian Dior
Henkel & Grosse
Pforzheim 1972
Neusilber, SwarovskiKristallglassteine
signiert „Chr. Dior 1972“
Erzielter Preis € 2.250
FAVOURITE
38
EINE
GEScHIcHTE
dEr
ZEIT
MES
SUNG
Breguet Souscription
goldene 18-karätige einzeigrige
Herrentaschenuhr, Nr. 1436
erzielter Preis € 27.140
Seit jeher ist es den Menschen ein Bedürfnis, die Zeit wenn
schon nicht einzufangen, so doch zumindest zu messen.
Womit könnte dies stilvoller geschehen als mit Uhren
von höchster Raffinesse und attraktivem Design? Bei den
großen Uhrenauktionen des Dorotheum zeigt sich immer
m e h r, d a s s U h r e n n i c h t n u r M o d e a c c e s s o i r e s i n d ,
sondern auch tragbares Investment.
VoN ASTrId FIAlkA-HErIcS
Schon im Altertum beobachteten Menschen sowohl
vorgebracht, die nicht nur einfach die Zeit messen:
bei Tag als auch bei Nacht die Himmelskörper, um
In Form von Taschen-, später auch Armbanduh-
ihren persönlichen Tagesablauf danach auszurich-
ren wurde die Uhr zum unverzichtbaren ständigen
ten. Mehrere Jahrtausende umfassender Entwick-
Begleiter, der heute nicht selten auch Statussymbol
lung, Forschung und minutiöser Fertigung haben
ist und Freude an der Technik widerspiegelt.
hoch präzise und technisch aufwendige Uhren her-
FAVOURITE
39
Breguet Tourbillon Nr. 36
goldene 18-karätige
Herrenarmbanduhr, um 1989
erzielter Preis € 34.460
Weckherlin Elias (Augsburg, 1646 – 1688)
seltene silberne einzeigrige Halsuhr in
Bergkristallgehäuse
erzielter Preis € 13.720
Rolex Chosmograph Daytona
„Paul Newman“
Herrenarmbanduhr mit
Chronograph, Modell 6241
Edelstahl, um 1966
erzielter Preis € 41.780
Uhrensammler schätzen neben den Funktionen
oder dem äußeren Erscheinungsbild vor allem auch
die historische Vergangenheit bedeutender Uhrenmarken. Einmal angesteckt von der Sammelleidenschaft, findet oft eine regelrechte Jagd nach einzelnen Modellen statt. kriterien sind einerseits die
Marke selbst, andererseits technische Feinheiten
und details, die eine Faszination ausüben.
Zu einem wahren Technologieschub in der Entwicklung von Uhren kam es in der renaissance: Gehäuse
schützten nicht nur vor Staub und Schmutz, sondern dienten auch als Fläche für individuelle Ziergestaltung. die Verwendung von Messing ermöglichte
eine viel kleinere Ausführung diverser Zahnräder.
Und schließlich baute man Federn ein, um sie als
Energiespeicher für das Uhrwerk zu verwenden:
die Uhr in Taschengröße war geboren. Ab Mitte
des 17. Jahrhunderts gab es vor allem in England,
Frankreich und deutschland erste Taschenuhren.
Mit der einsetzenden Industrialisierung Mitte des
19. Jahrhunderts und den daraus resultierenden
technischen Möglichkeiten begann man die Zeitmesser auch in Massenproduktion zu fertigen. In Mitteldeutschland, der Schweiz, Frankreich und England
bildeten sich Zentren der Uhrenerzeugung heraus.
Bedeutende Erfindungen verdankt die Uhrenbranche Abraham louis Breguet: Im Jahr 1796
entwickelte der Schweizer Uhrmacher etwa die
erste hochtechnische Einzeigeruhr, die sogenannte
Souscription-Uhr, die mit ihrer Genauigkeit beeindruckte. Nummer 1436 wurde nachweislich von
Monsieur Breguet erzeugt und am 2. oktober 1804
erstmalig verkauft. diese Uhr erzielte im dorotheum
einen rekordpreis von 27.140 Euro.
Breguet Classique Alarm Nr. 3998
Herrenarmbanduhr mit Weckfunktion und
zweiter Zeitzone, Automatik, Gold 750, um 2009
erzielter Preis € 16.160
FAVOURITE
40
Patek Philippe,
seltene Herrenarmbanduhr mit
Chronograph
Gold 750, um 1987
Schätzwert
€ 80.000 – 120.000
Auktion Armbandund Taschenuhren
29. November 2013
Mit der 1801 patentierten Erfindung des
beworben von Mercedes Gleitze, die als Erste den
Tourbillon (franz. für „Wirbelwind“) gelang es
Ärmelkanal durchschwamm. Bereits im Jahr 1931
Breguet, durch den Einfluss der Schwerkraft
folgte die nächste bahnbrechende technische Neue-
auf die Unruh hervorgerufene Gangungenau-
rung, eine wasserdichte Armbanduhr mit Selbstauf-
igkeiten hintanzuhalten. Für die königin von
zug und datum: „oyster Perpetual day date“. In
Neapel, caroline Murat, entwickelte Breguet
den 50er-Jahren brachte man unter dem Namen
zwischen 1810 und 1812 die erste Armband-
„Submariner“ Modelle für Tiefseetaucher heraus.
uhr. der bereits im Jahr 1783 kreierte soge-
die zur gleichen Zeit entwickelte „Explorer“
nannte Pomme-Uhrzeiger (franz. für „Apfel“)
war darauf ausgerichtet, den extremen Tempe-
– den ein kleiner ring unmittelbar unter der
raturen bei der Besteigung des Mount Everest
Spitze des Zeigers charakterisiert – ist bis heute das
standzuhalten. Als chronograph konzipiert
Markenzeichen von Breguet, längst hat sich dafür
und gebaut, machte die „daytona“ vor allem
die Bezeichnung „Breguet-Zeiger“ etabliert. Heu-
Schauspieler Paul Newman zu einem der
te erzielen Breguet-Uhren bei Auktionen nicht nur
beliebtesten Modelle von rolex. Alle genann-
wegen ihres historischen Wertes oder ihrer techni-
ten Modelle werden – in technisch immer
schen raffinessen Spitzenpreise; ihre unverkenn-
weiter verfeinerter Form – heute noch ange-
bare äußere Form und die Ausarbeitung genießen
boten. Gerade diese kontinuität ist einer der
bei Uhrenliebhabern höchstes Ansehen.
Hauptgründe, weshalb rolex-Uhren bei Auktionen sehr stark nachgefragt sind.
Als im Jahr 1844 Antoine Norbert de Patek und
Jean Adrian Philippe in Genf eine gemeinsame
die hohen Verkaufsraten von 80 bis 90 Pro-
Firma gründeten, ahnte wohl niemand, welche
zent bei den großen Uhren-Auktionen des
renommierte Marke daraus hervorgehen würde:
dorotheum sowie die Steigerungen, die bei
Patek Philippe. Monsieur Philippe hatte bereits für
einzelnen Modellen zu verzeichnen sind, zei-
die Uhrenbranche revolutionäres erfunden: eine
gen ganz deutlich das wachsende Interesse, Uhren
Taschenuhr mit kronenaufzug. Bei dieser soge-
nicht nur als Modeaccessoire, sondern auch als
nannten remontoiruhr ließ sich ohne Schlüssel
tragbares Investment zu sehen. Unabdingbare Vor-
und Öffnen des Gehäuses das Uhrwerk in Gang
aussetzung, um Wertsteigerungen zu erzielen, ist
bringen und die Zeit umstellen. dass Patek Phillipe
aber ein einwandfreier Zustand und im Idealfall
im Jahre 1881 die erste Alarmuhr auf den Markt
das Vorhandensein von originalpapieren wie rech-
brachte, gehört zu den weiteren Meilensteinen des
nungen, Zertifikaten oder aktualisierten Serviceun-
Hauses, dessen Uhren bei Auktionen Spitzenpreise
terlagen. Will man den Investitionsgedanken wei-
erzielen. der Slogan „Beginnen Sie Ihre eigene Tra-
ter verfolgen, so empfiehlt es sich, beim Ankauf auf
dition“ hat schon so manchen Sammler auf die Idee
große Namen und seltene Modelle zu setzen: die
gebracht, eine Patek nicht allein für sich, sondern
zu erzielenden Preissteigerungen bei den interna-
auch für seine Nachkommen zu erwerben.
tional ausgerichteten dorotheum-Auktionen belegen dies eindrucksvoll.
Auch andere große Hersteller wie cartier, chopard,
IWc, omega oder Jaeger-lecoultre weisen eine lange
Tradition in der Uhrenerzeugung und -entwicklung
Astrid Fialka-Herics ist leiterin der dorotheumAbteilung Uhren und Juwelen, Expertin für Juwelen,
Juristin und gelernte Goldschmiedin.
auf und erfreuen sich stetig steigender Nachfrage.
Besonderen Wert auf dauerhaftigkeit, Präzision und
Funktionssicherheit legt seit jeher das erst zu Beginn
des 20. Jahrhunderts gegründete Haus rolex, dessen
Uhren mit sportlichen Attributen punkten, gleichermaßen aber zu festlichen Anlässen getragen werden
können. 1926 kam als erstes wasserdichtes Modell
die „oyster“ auf den Markt – publikumswirksam
Rolex Sea-Dweller Submariner
2000 „Double Red“
seltene Herrenarmbanduhr
Automatik, Edelstahl, um 1973
erzielter Preis € 27.140
Patek Philippe
goldene 18-karätige
Herrenarmbanduhr
mit ewigem
Kalender
Chronograph
um 1970/80
erzielter Preis
€ 180.000
FAVOURITE
41
Allianz Art Privat
Menschen schaffen Werte.
Wir versichern sie.
Ob Kunst, Antiquitäten,
Schmuck oder wertvolle
Sammlungen, in Privatbesitz
oder als Teil des Firmenvermögens, wir haben individuelle Lösungen. Fragen Sie die
Kunstexperten bei Allianz!
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CHOICE
42
MY
C h o i ce
Dorotheum-Experten über ihre Lieblingsobjekte
aus kommenden Auktionen
Als einer der bedeutendsten Bildhauer seiner Zeit
konnte Giovanni Giuliani (1664 – 1744) wichtige und hochrangige Auftraggeber wie das Haus
Liechtenstein, das Zisterzienserstift Heiligenkreuz
oder Graf Kaunitz vorweisen. 1711 schloss er sich,
unter anderem auch aus finanzieller Not, als Familiare dem Zisterzienserstift Heiligenkreuz an. Er
betrieb dort bis zu seinem Tod 1744 eine Werkstatt
und schuf mit Hilfe von Lehrlingen und Gesellen
zahlreiche Tonmodelle sowie Skulpturen aus Stein
und Holz. Bei Gesicht und Händen legte der Meister jedoch immer selbst Hand an. So existiert eine
Vielzahl an Werkstätten-Arbeiten, zu denen wir
auch diese Skulptur, wohl eine Heilige Anna mit
Jesuskind, zählen dürfen. Sie beeindruckt durch
das lebensnah gestaltete Antlitz einer älteren Frau,
die das liebliche Jesuskind in ihren Armen hält. Die
Johann Georg Platzer
Konzert im Palast
Öl auf Kupfer, 65,3 x 92,4 cm
Schätzwert € 120.000 – 150.000
Auktion Alte Meister
15. Oktober 2013
etwas verhaltene Pose und die beruhigten Falten
entsprechen dem Thema der Darstellung.
Christine Masser, Expertin für Skulpturen
Lebensnah
Giovanni Giuliani und Werkstatt
Hl. Anna mit Jesuskind, um 1700
Lindenholz geschnitzt, Höhe 138 cm
Schätzwert € 40.000 – 60.000
Auktion Möbel, Skulpturen und Antiquitäten
14. Oktober 2013
CHOICE
43
Meisterwerk
d es R o k ok o
Zu den Höhepunkten der Auktion Alte Meister im
sition als auch in der subtilen technischen Ausfüh-
Oktober zählt ein Meisterwerk des 1704 gebore-
rung zeigt es die Souveränität des Künstlers. Der
nen österreichischen Rokokomalers Johann Georg
von ihm bevorzugte Bildträger Kupfer sorgt für ein
Platzer: „Konzert im Palast“. Das Bild stammt aus
leuchtendes Kolorit. Durch feinste Nuancierung der
der legendären Sammlung des Prager Industriellen
Töne wird eine emailartige Wirkung erzielt. Mit
Adalbert Freiherr von Lanna (1836 – 1909) und
Kabinettbildern wie diesem wurde Platzer zu einem
gelangte im Erbgang in eine Wiener Privatsamm-
der wichtigsten und international erfolgreichsten
lung. Das bisher unbekannte Gemälde ist eines der
österreichischen Maler des 18. Jahrhunderts.
bedeutendsten Werke Platzers, das in den letzten
Jahren auf den Markt kam. Sowohl in der Kompo-
Alexander Strasoldo, Experte für Alte Meister
Vittorio Matteo
Corcos, Junge Dame
mit Hündchen
ca. 1895, Öl auf
Leinwand
108 x 85 cm
Schätzwert
€ 100.000 – 150.000
Auktion Gemälde
des 19. Jahrhunderts
16. Oktober 2013
Salon
d a me
mit
Hund
Als „Giovane donna con cagnolino“ entstand – es
war vermutlich das Jahr 1895 –, galt Vittorio Corcos
bereits als einer der herausragendsten italienischen
Porträtmaler von Salondamen. Bis 1886 hatte er
sich in Paris aufgehalten und für den angesehenen
Kunsthändler Adolph Goupil exklusiv Auftragsarbeiten angefertigt. Viele seiner berühmtesten Porträts entstammen dieser Kooperation.
CHOICE
45
Russische Veduten-Vase mit feuervergoldeter Bronze
Ansichten einer farbig gemalten Seelandschaft,
des rauchenden Vesuv, der Buchten von Neapel,
des Klosters San Angelo (Martino) und eine idealisierte
Ansicht mit römischen Ruinen
St. Petersburg, blaue Marke Zar Nikolaus I., 1825 – 1855
Schätzwert € 90.000 – 140.000
Auktion Möbel, Skulpturen und Antiquitäten
14. Oktober 2013
Friedrich Christian Nerly, Partie aus Venedig
Öl auf Leinwand, 60 x 97 cm, Schätzwert € 80.000 – 120.000
Auktion Gemälde des 19. Jahrhunderts, 16. Oktober 2013
Hochbedeutende italienische Barockkommode
aus dem ehemals königlichen napoleonischen Palazzo Caprara Montpensier in Bologna
auf der Rückwand „N“ für „Napoleon“ und „MR“ für „mobilier royal“ gestempelt
Mitte 18. Jahrhundert
Schätzwert € 65.000 – 80.0000
Auktion Möbel, Skulpturen und Antiquitäten, 14. Oktober 2013
Im späten 19. Jahrhundert waren Gemälde von
weiblicher Schönheit besonders begehrt. „Junge
Dame mit Hündchen“ verdeutlicht, warum Corcos
als Koryphäe seiner Zeit angesehen wurde: Auf
dem Bett kniend, richtet eine bezaubernde Schönheit ihren Blick direkt auf den Betrachter, während
ein Hündchen versucht, an ihr hochzuklettern.
Das Tier – vermutlich ein Terrier, die als treu und
anhänglich gelten und beliebte Gesellschaftshunde
sind – ist ebenso chic wie sie selbst. Das Tüllkleid
der mondänen jungen Dame, gearbeitet aus Satin,
zeugt vom luxuriösen Stil der Epoche. Der karge
Hintergrund rückt die vornehm gekleidete, perfekt
frisierte Dame noch stärker in den Vordergrund.
Gautier Gendebien, Experte für Gemälde
des 19. Jahrhunderts
CHOICE
46
Sessel aus der Villa Aubecq, Brüssel
Victor Horta, 1899 – 1903, Ahorn
Schätzwert € 10.000 – 15.000
Auktion Jugendstil und angewandte Kunst
des 20. Jahrhunderts, 26. November 2013
„Bilder haben die Aufgabe, der Menschheit das
Geheimnis der Natur aufzuschließen.“ So beschreibt
Anton Faistauer (1887 – 1930) seine Bemühungen,
die abendländische Maltradition weiterzuentwickeln. Er zählt neben Klimt, Schiele, Kokoschka und
Boeckl zu den wichtigsten Pionieren der modernen
Malerei in Österreich. Seine Landschaften, Stillleben und Porträts sind in ihrer künstlerischen Entwicklung von der französischen Malerei – vor allem
von Paul Cézanne – geprägt.
Elke Königseder, Expertin für Klassische Moderne
und Zeitgenössische Kunst
1899 begann der belgische Architekt Victor Horta,
einer der Begründer des Art nouveau, mit dem Bau
einer Villa für den Industriellen Octave Aubecq.
Anton Faistauer
Pfingstrosen, 1921
Öl auf Leinwand, 76,5 x 47 cm
Schätzwert € 70.000 – 100.000
Auktion Klassische Moderne
27. November 2013
Nicht nur das Gebäude, auch die Inneneinrichtung
der Villa Aubecq in Brüssel war ganz im Stil des
belgischen Jugendstils gehalten. Viele historische
Aufnahmen zeigen die Räumlichkeiten und ihre
Einrichtungsgegenstände, so auch diesen Sessel.
In den 1950er-Jahren wurde die Villa abgerissen.
Das Mobiliar gelangte teilweise in Privatbesitz, viele Holz- und Glasarbeiten befinden sich heute im
Musée d’Orsay in Paris.
Moderner
Bl i c k
Julia Blaha, Expertin für Jugendstil und
angewandte Kunst des 20. Jahrhunderts
CHOICE
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Gabriele Münter, Winter in Elmau, 1933
Öl auf Sperrholz, 33 x 45 cm
Schätzwert € 260.000 – 300.000
Auktion Klassische Moderne, 27. November 2013
W i n t e r fa r b e n
Anfangs Mitglied der Künstlergruppe „Der Blaue
Reiter“, blieb Gabriele Münter (1877 – 1962) im
Gegensatz zu Kandinsky und seinen abstrakten
Bildern bei der figurativen Malerei.
Ihre Landschaften, Figurenszenen und Porträts
zeigen eine Reduktion auf das Wesentliche. Durch
breite Pinselstriche verlieh sie der Komposition eine
rhythmische Durchgliederung. Die kühle Farbwahl
der Winterlandschaft zeugt von den tiefen Empfindungen Münters für die Natur.
Petra Schäpers, Expertin für Klassische Moderne
und Zeitgenössische Kunst
Carl Moll, Blick von der Hohen Warte auf
Heiligenstadt, um 1900, Öl auf Leinwand, 80 x 80 cm
Schätzwert € 280.000 – 360.000
Auktion Klassische Moderne 27. November 2013
CHOICE
48
L E i n wa n d
ProduZEnt
Theo Altenberg: Fiktives Gespräch
zwischen Werner Saatleder und Rudolf
Kirsten, dem Leinwandproduzenten:
Frage: Haben Sie Herbert Brandl malen gesehen?
Leinwandproduzent: Selten, aber weil ich ihn schon
lange kenne, oft. Früher hat er mehr gemalt. Das
sind wechselnde Phasen. Er malt sowieso immer
nur, wenn er nichts anderes zu tun hat. Frage: Wie
meinen Sie das? Leinwandproduzent: Malen ist das
letzte, was er machen würde, wenn er es verhindern
könnte, aber irgendwann lässt es sich nicht mehr
verhindern. Obwohl es immer schmerzhafter wird
zu malen, was den Arbeiten ja nicht schadet, im
Gegenteil. Das Angenehme bei ihm ist, dass nichts
zur Routine wird. ..... Es gibt sinnlich empfindende,
konzeptuell empfindende und es gibt die, die beides
emfpinden und Ehrgeiz entwickeln. Er ist ein sehr
sinnlicher Zeichner, ein konzeptuell empfindender
Maler, dessen Wahrnehmungen und Erlebnisse in
die Welt einfließen.
Elke königseder, Expertin für Moderne und
Zeitgenössische kunst
Barbara Hepworth
Mincarlo: Three curves with
strings, 1971, 8 karatiges Gold
auf Steinsockel schwarz poliert
Gold-Gewicht: ca 1.500 g
Höhe 16 cm
Schätzwert € 60.000 – 80.000
Auktion Zeitgenössische Kunst
26. November 2013
Herbert Brandl, Ohne Titel, 1999
Öl auf Leinwand, 195 x 400 cm
Schätzwert
€ 40.000 – 60.000
Auktion Klassische Moderne
27. November 2013
CHOICE
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Hans Hartung
T 1948-36, signiert, datiert Hartung 48
Öl auf Leinwand, 50 x 65 cm
Schätzwert € 100.000 – 150.000
Auktion Zeitgenössische Kunst
26. November 2013
Irritierend und
z u gle i c h f a sz i n i e r e n d
Das Instrument Hohlspiegel reflektiert und interagiert mit jeder sich bewegenden Erscheinung, die es
von außen aufnimmt und als Umkehrbild gebündelt
in den Raum zurückwirft. Nur durch den Betrachter können die Objekte in Funktion gesetzt werden.
Adolf Luthers Sphärisches Objekt ist durch seine
Größe und die neun großen seriellen Spiegel so
angelegt, dass der Betrachter sich vor dem Objekt
bewegt und auch bewegen soll, nur so wird ihm die
vom Künstler intendierte komplexe Erfahrung vermittelt, das Licht und auch den umgebenden Raum
in neuer Weise zu erfassen.
Petra Schäpers, Expertin für Moderne und
Zeitgenössische Kunst Adolf Luther, Sphärisches Objekt, 1983
117 x 117 x 8 cm, Schätzwert € 45.000 – 60.000
Auktion Zeitgenössische Kunst 26. November 2013
CHOICE
50
Fle i S S i g
w i e e i n e
B i e n e
Im Grenzbereich zwischen figurativer und abstrakter
Malerei angesiedelt, wurde die portugiesisch-französische Künstlerin Maria Helena Vieira da Silva
(1908 – 1992) durch ihren malerischen PatchworkStil berühmt, den sie sich in den 1930er-Jahren
erarbeitete. Ihre Gemälde sind aus vielen mosaikartigen Farbflächen aufgebaut und wirken wie ein
Gitternetz aus Linien. Bei ihrer Betrachtung scheinen die Linien und Farbflecken Gestalt anzunehmen,
sie ziehen den Betrachter förmlich in das Bild hinein.
Maria Helena Vieira da Silva, Le four, 1952, Öl auf Leinwand, 60 x 73 cm
Schätzwert € 200.000 – 300.000
Auktion Klassische Moderne, 27. November 2013
CHOICE
51
Giorgio de Chirico
Piazza d’Italia, 1964, Öl auf Leinwand, 50 x 60 cm
Schätzwert € 200.000 – 300.000
Auktion Zeitgenössische Kunst, 26. – 27. November 2013
Mario Schifano
Incidente, 1963
Lack auf Papier auf Leinwand, 200 x 200 cm
Schätzwert € 100.000 – 150.000
Auktion Zeitgenössische Kunst, 26. November 2013
„Es muss so sein, dass sich der Betrachter vor einem
Wesen wiederfindet, das ihm Gesellschaft leistet,
ihm Geschichten erzählt, ihm Sicherheit gibt. Mit
meiner Leinwand und Palette muss ich beständig
eine bestimmte Arbeit tun: ein wenig mehr Weiß,
ein wenig mehr Grün, zu kalt, zu heiß, steigende
Linien, fallende, sich verbindende, dies bedeutet
viel in der Malerei und nichts in Worten. Ich glaube,
dass durch das Hinzufügen kleiner Flecken, fleißig
wie eine Biene, das Bild entsteht. Ein Bild muss ein
Herz haben.“ (Vieira da Silva, 1955)
Vieira da Silva studierte anfänglich Bildhauerei, bis
sie 1929 unter dem Einfluss von Fernand Léger zu
malen begann. Einer Reise nach Marseilles 1931
folgte ihr stilistischer Durchbruch, der ihr zu der für
sie fortan typischen Vereinfachung der Form verhalf: Die berühmte Schwebefähre in Rochefort, eine
kühne Eisenkonstruktion aus dem späten 19. Jahrhundert, erschien ihr bei bestimmter Beleuchtung
wie eine „Imagination aus Raum und Licht“ (Werner
Schmalenbach); diese Impression verarbeitete sie
von da an verfremdet in ihrer Malerei.
Patricia Pálffy, Expertin für Klassische Moderne und
Zeitgenössische Kunst
Ilya Kabakov
The Apartment Battle 1 (aus seiner Serie von 6), 2000
Öl, Email auf Holz, 126 x 130 cm
Schätzwert € 180.000 – 250.000
Auktion Zeitgenössische Kunst, 26. November 2013
CHOICE
52
Op-Art und Kinetismus verbindet das einzigartige „Pannello Dinamico“-Regalobjekt, bei dem
jedes Element beweglich ist, was zig Varianten
und Ansichten erlaubt. Die italienische Künstlerin Dadamaino arbeitete zur Entstehungszeit des
„Pannello“ – das Objekt entstand in Zusammenarbeit mit der Architektin Paola Lanzani – auch an
ihren stilistisch ähnlichen Cosmo Reliefs.
Dadamaino
Regalobjekt Pannello Dinamico
Italien 1971 – 1977/78
Holz, 200 x 110 x 25 cm
Unikat
Schätzwert € 35.000 – 45.000
Auktion Design, 7. November 2013
SitZ-biLd,
biLd-SitZ
Zu Pollock-mäßig habe er seine Serie nicht anlegen wollen, meint Design-Star Ron Arad, aber „die
Farbe tropfte verlockend wie Honig“. Aus seinem
mit Sitzmulde versehenen geschwungenen „Big
Easy“-Sesselentwurf, längst ein Klassiker, ließ der
Designer die 18-teilige Serie „New Orleans“ hervorgehen. Jeden Freitag wurde ein Unikat geschaffen
– spontan, frei und mit Funfaktor.
Ron Arad
Armchair New Orleans, 1999
Pigmentiertes Polyester
verstärkt mit Fiberglas
Aus einer Serie von 18 Einzelstücken
Schätzwert € 50.000 – 70.000
Auktion Design, 7. November 2013
CHOICE
53
Xaver Sedelmeier
framework III
Edelstahl brut
100 x 40 x 205 cm
Schätzwert € 6.000 – 8.000
Auktion Design
7. November 2013
Aufbewahren, verstauen. Was in einen Schrank oder eine Kommode kommt, soll
darin bleiben. Was aber, wenn nichts hineinkann? Xaver Sedelmeiers Möbelentwürfe wirken graziös und elegant zugleich – und enthalten doch nichts als Luft.
Der in Stuttgart lebende Künstler löst die Materialität des Möbelstücks auf und
stellt in seinen aktuellen Objektarbeiten „Skelettmöbel“ die Frage nach dem Verbleib humanistischer Werte: Welche Werte versuchen wir materiell oder gar ideell
zu bewahren? Worin liegt der Sinn der Anhäufung von Besitz? Und was ist es, das
letztendlich nach einem erfüllten und „gefüllten“ Menschenleben übrig bleibt?
Gerti draxler, Expertin für design
ErfüLLtE
LEErE?
Xaver Sedelmeier
framework I
60 x 30 x 140 cm
Holz , gewachst
Schätzwert € 5.000 – 7.000
Auktion Design, 7. November 2013
Xaver Sedelmeier
framework II
Edelstahl lackiert
120 x 30 x 80 cm
Schätzwert € 5.000 – 7.000
Auktion Design, 7. November 2013
M y C it y
2
PA R I S
Fotos Christian Sarramon
B ä c k e r, B i s t r o t ,
Bilder: ganz persönliche
Geheimtipps von Joëlle
Thomas, DorotheumRepräsentantin in
Paris. Sie führt durch
ihr Paris.
„La Femme du boulanger“ und dessen Regisseur. Und er hat sich den
3
Teil meines Feinschmeckerparis sind auch der Käsespe-
Satz des von Raimu verkörperten
zialist Laurent Dubois und seine
Titelhelden zu eigen gemacht: „Ich
ausgeflippten Verkäufer, denen zu
werde euch ein Brot backen, wie ihr
jedem Käse ein Gedicht einfällt – vor
es noch nie gesehen habt … und in
allem zum Schafskäse, der Spezialität
diesem Brot wird Liebe stecken und
des Hauses.
viel Freundschaft.“
Von Joëlle Thomas
2
Im Bistrot Paul Bert macht
man Bekanntschaft mit der
Gastronomie.
4
Ein Paradies für Cineasten
ist das Kino Le Louxor, das
nach langer Restaurierung kürzlich
Mein Paris ist so riesengroSS, dass
französischen
Auf-
wieder seinen Betrieb aufgenom-
der folgende Rundgang nur einen
merksame Kellner servieren eine
men hat. Neben einem ausgewähl-
winzigen Einblick geben kann …
unvergleichliche
ten Filmprogramm bietet es auch
Gänseleber,
ein
1
1
4
Ob eine Bäckerei in diesen
unverschämt großes Steak – hier gibt
begleitende Ausstellungen. Der 1920
Paris-Ausblick passt? Ich bin
es das sagenhafte Fleisch vom Charo-
im „ägyptischen Stil“ errichtete denk-
mir nicht sicher. Aber zu meinem
lais-Rind – und einen unschlagbaren
malgeschützte Bau mit reicher Orna-
Paris gehört die Bäckerei Du Pain et
Baba au rhum (ein Dessert, das dem
mentik verbindet orientalische Ele-
Des Idées von Christophe Vasseur. Er
Wiener „Besoffenen Kapuziner“ nicht
mente und Formen des Jugendstils:
hat ein Brot kreiert, das er „Pagnol“
unähnlich ist).
mit blauem Mosaik verzierte Kapitel-
nennt – eine Hommage an den Film
le, ägyptisch anmutende Säulen und
CITY
55
6
5
vielfarbige Fenster in kunstvollen
Schmiedeeisenrahmen.
5
Mit seinem Rosengarten und
den bläulichen Glyzinien ver-
7
Einem Comic ähnlich erzählen in einem Saal des Louvre,
mittelt das Musée de la Vie roman-
Galerie Médicis genannt, 24 Wer-
Die großen Pariser Kulturtempel
tique das angenehme Gefühl, man
ke von Rubens die Geschichte König
kennt man ja. Deshalb habe ich für
befinde sich auf dem Land … Dabei
Heinrichs IV. und seiner zweiten Frau
den Rundgang durch mein Kunst-
ist man mitten in der Großstadt!
Maria von Medici. Der Betrachter
paris ein paar Besonderheiten aus-
Der erste Besitzer des Hauses, der
kann ganz eintauchen in die Ereig-
gewählt. Die bekannte Fondation
Maler Ary Scheffer, empfing hier
nisse, in denen sich Politik, Noblesse,
Cartier für zeitgenössische Kunst,
im 19. Jahrhundert die Aristokra-
Träume, Gewalt und Sinnlichkeit ver-
die Jean Nouvel geplant hat, soll-
tie der Stadt und malte zahlreiche
mischen. Eine Zusammenfassung des
te ich allerdings doch erwähnen. In
Porträts, von denen jenes George
Bilderzyklus bietet das erste Werk,
deren luftigen Räumen werden her-
Sands besonders bemerkenswert ist.
das den Titel „Apothéose d’Henri IV
vorragende Ausstellungen geboten. Bis
Sie kam als Nachbarin und brachte
et la proclamation de la Régence de la
Mitte Oktober kann man die Werke
Frédéric Chopin mit. In Scheffers
Reine“ („Apotheose Heinrichs des IV
Atelier werden heute Ausstellun-
und die Ausrufung der Regentschaft
gen von Künstlern des 19. Jahrhun-
der Königin“) trägt.
7
3
derts gezeigt, und in dem hübschen
Wohnhaus
kann
man
Porträts
bekannter Persönlichkeiten sowie
Erinnerungsstücke von George Sand
bewundern.
6
Am Place des Vosges liegt die
Maison Victor Hugo. Die
dort gezeigten Ausstellungen sind
© 2009 Musèe du Louvre / Erich Lessing
dem Schaffen des großen Dichters
und Malers gewidmet. So werden
des Australiers Ron Mueck sehen,
etwa im Herbst unter dem Titel „La
danach zeigt die Schau „America
Cime du Rêve“ („Gipfel des Trau-
Latina, 1963–2013“ weitgehend unbe-
mes“) rund 50 Zeichnungen Hugos
kannte Fotokunst aus Lateinamerika.
den Werken von Max Ernst, Francis
Im Mittelpunkt wird die Beziehung
Picabia oder René Magritte gegen-
zwischen Text und Bild stehen.
übergestellt.
Joëlle Thomas ist Repräsentantin
des Dorotheum in Paris.
CITY
56
Ein
Sammler
Blickfang: Licht-Arbeit von
François Morellet
CITY
57
s i eht
rot
Zwischen den Polen „grave“ und „drôle“ – also ernst
und komisch – ordnet er seine Kunstsammlung ein:
z e i t g e n ö s s i s c h e K u n s t , Tr i b a l A r t , C o m i c s u n d v i e l e s m e h r.
Der Pariser Groß-Sammler Antoine de Galbert hat
zudem vor knapp zehn Jahren eine bemerkenswerte
F o n d a t i o n g e g r ü n d e t , „ l a m a i s o n r o u g e “. E i n P o r t r ä t .
Von Doris Krumpl
Paris, im Bobo-Viertel Bastille. Er kenne jedes
der beeindruckendsten Kunststiftungen Frank-
Stück seiner Kunstsammlung, versichert Antoine
reichs ins Leben, „la maison rouge“. Dass er es ernst
de Galbert. Und macht dabei Wischbewegungen:
meint, beweist auch der unscheinbare Eingang
Alles ist als Bilderfolge im iPad gespeichert, dem
zum 2.500-Quadratmeter-Areal. Hier hat kein Star­
praktischen Archive to go für avancierte Kunstfreun-
architekt eine hohle Prestige-Landmark gesetzt,
de. Obwohl er mit den meisten seiner zeitgenössi-
hier wird vielmehr musterhaft Kunst vermittelt.
schen Kunstwerke, der Tribal-Art-Kollektion und
Mit allem, was dazugehört: Der Freunde-Verein
seinen Comics in einem mehrstöckigen loftartigen
gibt limitierte Kunstwerke heraus, das Haus pub-
Eigenheim unter einem Dach wohnt, bringt er peu
liziert zu jeder Schau Kataloge und Theoriebände.
à peu Teile seiner Sammlung an die Öffentlichkeit.
Ein Café-Restaurant beherbergt die mit 25 angestellten Personen operierende Institution ebenso
De Galbert, kultivierter Privatier aus französischem Hochadel, rief vor knapp zehn Jahren eine
wie eine große Buchhandlung.
CITY
58
Fotos Christian Sarramon
Blumenbouquet aus Nationalflaggen
von Franck Scurti, im Hintergrund
Objekt aus Papua-Neuguinea
Eingangsbereich von „la maison rouge“,
der privaten Foundation zeitgenössischer
Kunst in Paris
Das rote Häuschen, das allem seinen Namen gab,
Knapp zehn Jahre „la maison rouge“ heißt nicht
war einst Kern eines metallverarbeitenden Betrie-
zuletzt Mischung von High und Low. So zeigte
bes. Großzügige Hallen und intime, für Video-Prä-
man etwa „Vinyl“ – eine Zusammenstellung von
sentationen bestens geeignete Räume bieten auf
Künstlerplatten – oder eine Schau über Comics und
1.300 Quadratmetern Platz für das avancier-
zeitgenössische Kunst. Schreiend komisch dabei
te Ausstellungsprogramm, das Direktorin Paula
„L’hospice“ von Gilles Barbier: Das lebensgroße
Aisemberg in Absprache mit dem Hausherren
Skulpturen-Ensemble stellt US-Superhelden im
zusammenstellt. Großer Raum wird dabei Privat-
Altersheim dar, den grauhaarigen Superman in der
kollektionen eingeräumt – so zeigte man hier die
Rollatorphase, Batman in Rentnerpantoffeln vor
Sammlungen Falckenberg und Olbricht, die Video-
dem Fernseher schlafend…
kunst-Sammlung von Isabelle und Jean-Conrad
Lemaître, Avantgarde-Werke aus dem Besitz Sylvio
De Galbert schätzt sein subjektives, niemandem ver-
Perlsteins und die Art-Brut-Kollektion von Arnulf
pflichtetes Sammeln als Riesenprivileg. Von 1987 an
Rainer. Im Austausch wurde auch de Galberts Pri-
führte er in Grenoble eine Galerie – bis er erkannte,
vatsammlung international ausgestellt, etwa sei-
dass er sein bester Kunde war. Heute kauft er Kunst
ne Auswahl französischer Kunst im me Collectors
von unbekannten Youngsters bei Akademie-Aus-
Room/Stiftung Olbricht in Berlin. Ein weiteres
stellungen ebenso wie auf Messen wie der Art Basel.
großes Interessensgebiet des Mittfünfzigers wird
Auktionshäuser sind ebenfalls involviert, wenn-
im Veranstaltungsraum von „la maison rouge“
gleich nicht im großen Maß. „Die Kunstwerke kom-
offenkundig: Hier präsentiert sich de Galberts Aus-
men zu mir“, beschreibt er seinen Zugang. Irgendwel-
wahl an Tribal-Art-Kopfbedeckungen.
che Gemeinsamkeiten? „Ich suche das Verstörende,
Bizarre“, alles im Spannungsfeld von, wie er es französisch sagt, „grave e drôle“ („ernst und komisch“) –
CITY
59
„Die Künstler heute
sind sehr leise.
Picasso war berühmt und
konnte dabei ein Kommunist
i n S h o r t s s e i n “.
im Gegensatz zu dekorativ. De Galbert habe den
tergründigem Grinsen und zeigt eine Handskizze.
„Blick für das herausfordernd Abseitige“, formulier-
Sie stellt das absolute Gegenteil eines White Cube
te es eine Zeitschrift. Wer hat schon eine Hyäne mit
dar, nämlich mit Bildern gepflasterte Wände: Der
Goldzähnen (von Nicolas Milhé) im Wohnzimmer
Computer geht nicht vom Inhalt, sondern von der
neben dem Sofa stehen? Oder ein monströses Kran-
Form der Bilder aus und berechnet die Petersburger
kenbett von Gelatin im Privathaus?
Hängung à la 19. Jahrhundert. Etwa so verfuhr de
Galbert selbst bei einer Wand seiner Wohnung mit
Galbert blickt kritisch auf den sogenannten Kunst-
historischen Votivbildern.
betrieb. Viele Kunstwerke seien modische Machtobjekte geworden, sagt der Politikwissenschaftler
Im Herbst 2013 bringt „la maison rouge“ wieder eine
in ihm, dem „la maison rouge“ auch als soziales
ganze Sammlung ins Bastille-Viertel, nämlich jene
Projekt wichtig ist. Das Politische habe die Kunst
des „Museum of Old and New Art“ in Tasmanien,
verlassen. Und die Künstler heute seien sehr, sehr
gegründet vom Sammler David Walsh. Ozeanische
leise: „Picasso war berühmt und konnte dabei ein
Tribal Art trifft da auf Kunst von den Chapman-Brü-
Kommunist in Shorts sein.“ Sein Glaube an Kunst
dern, Jannis Kounellis oder Berlinde De Bruyckere.
und Kultur als Vektoren sozialen Aufschwungs habe
Ganz im Sinne von Antoine de Galbert.
ihn vor Jahren von der Businesswelt hin zum Sammeln und schließlich zur Gründung von „la maison
rouge“ geführt.
Die Schau zum zehnjährigen Jubiläum der Fondation kuratiert der Computer, wichtigstes Kriterium
sei das Format, sagt Antoine de Galbert mit hin-
Doris Krumpl studierte Germanistik und
Kunstgeschichte, war Kulturjournalistin bei der
österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ und
ist seit 2004 Pressesprecherin des Dorotheum.
Kunstsammler
Antoine de
Galbert in seiner
Pariser Wohnung
Eine Arbeit von Franz West
und Tribal Art im Lichte
von Ingo Maurers
„Campari-Lampe“
CITY
60
Brüssel
Maria Lassnig
Budapest
K u n s t- H e r b s t
München
J ub i l ä um
Foto UMJ / N. Lackner
Maria Lassnig, Zwei Arten zu sein
(Doppelselbstporträt), 2000
Ein wahres Kunstwerk:
die Gundel-Torte
Franz Freiherr von Rassler
Leiter Dorotheum München
Von 27. Oktober bis 12. Jänner 2014
Diese Ausstellung sollte man im
Seit 2003 vertritt Franz Freiherr von
zeigt das Museum Dhondt-Dhaenens
Herbst im Budapester Szépmuvészeti
Rassler das Dorotheum erfolgreich in
in Deurle, Belgien, Arbeiten der öster-
Múzeum (Dózsa György út 41, 1146
München. Das zehnjährige Jubiläum
reichischen Künstlerin Maria Lassnig.
Budapest) nicht verpassen: Mit „Cara-
der Repräsentanz, zu deren Spezialge-
vaggio to Canaletto – Two Centuries
bieten Alte Meister und Gemälde des
In ihren Bildern und Filmen erforscht
of Italian Masterpieces“ (26. Oktober
19. Jahrhunderts ebenso gehören wie
Lassnig den menschlichen Körper
2013 bis 16. Februar 2014) verwirk-
Moderne Kunst, wird im Herbst mit
und richtet ihr Hauptaugenmerk
licht das Museum den zweiten Teil
einem exklusiven Fest in den schönen
sowohl auf die Stärke als auch auf
seines gewaltigen Vorhabens, itali-
Dorotheum-Räumlichkeiten in der
die Zerbrechlichkeit des Menschen.
enische Malerei vom 15. bis zum 18.
Münchner Galeriemeile (Galeriestraße
Charakteristisch für die Künstlerin
Jahr­
hundert zu präsentieren. Nach
2, 80333 München) begangen. Eine
ist eine expressionistische Verzerrung
dem großen Erfolg des ersten Teils
„Maß Kunst“ bietet der erfahrene Kunst-
der gemalten Körper in einer eigenen,
„Botticelli to Titian – Masterpieces
berater Franz Freiherr von Rassler nicht
für sie typischen Farbpalette. Lass-
of Two Centuries of Italian Art“
nur beim Jubiläumsfest, sondern auch
nigs Œuvre, seit den 1950er-Jahren
(2009/10)“ wird auch die kommende
bei den regelmäßig stattfindenden Vor-
Gegenstand zahlreicher Ausstellun-
Ausstellung mit Spannung erwartet.
besichtigungen hochkarätiger Aukti-
gen, ist für die internationale Kunst-
onsobjekte – Kunstverstand blau-weiß.
Nur ein paar Schritte vom Szépmu-
welt von großer Bedeutung.
vészeti Múzeum entfernt entspannt
Ein absolutes Muss ist diesen Herbst
der
man sich nach dem Museumsbe-
auch das neu eröffnete Lenbachhaus.
55. Biennale von Venedig wurde ihr
such am besten bei typisch ungari-
Sehenswert sind unter anderem die
jüngst der Goldene Löwe für ihr
scher Küche auf hohem Niveau im
neue Architektur, die Lichtinstalla-
Gesamtwerk verliehen. Die Ausstel-
Restaurant Gundel (Gundel Károly
tionen von Dan Flavin oder das „Wir-
lung des Museum Dhondt-Dhaenens
út 4, 1146 Budapest). Mit Klassi-
belwerk“ von Olafur Eliasson. Von
(Museumlaan 14, 9831 Deurle) wur-
kern von Fois gras über ungarische
23. Oktober 2013 bis 9. Februar 2014
de in Zusammenarbeit mit der Neu-
Gulaschsuppe bis zu den berühm-
wird der Abschluss der Arbeit „Atlas“
en Galerie Graz, Universalmuseum
ten Gundel-Palatschinken wird hier
von Gerhard Richter mit einer Aus-
Joanneum, realisiert.
jeder Gaumen verwöhnt.
stellung gewürdigt.
Aus
Anlass
der
Eröffnung
w w w. m u s e u m d d . b e
Honorine D’Ursel,
Leiterin Dorotheum Brüssel
w w w. s z e p m u v e s z e t i . h u
w w w. d o r o t h e u m . c o m
w w w. g u n d e l . h u
w w w. l e n b a c h h a u s . d e
Réka Kovács,
Repräsentantin Dorotheum Budapest
Franz Freiherr von Rassler,
Leiter Dorotheum München
PASSION
61
St r e i fzu g
du r ch d i e
jüngere
Kunst
Karola Kraus, Direktorin des Museum
Moderner Kunst Stiftung Ludwig
Wien, über die Neupräsentation
der Bestände ihres Hauses.
VON KAROLA KRAUS
historischen Sammlungsblöcke, für die das mumok
bekannt ist – von Pop Art, Fluxus, Nouveau Réalisme und Arte povera bis zum Wiener Aktionismus –,
sind nun ausgestellt. So findet man zurzeit neben den
großen Malerinnen und Malern wie der erst kürzlich auf der Biennale di Venezia mit dem Goldenen
Löwen geehrten Maria Lassnig Werke von Gerhard
Richter oder Georg Baselitz, aber auch von Andy
Aus den über 9.000 inventarisierten Werken unse-
Warhol über Robert Indiana bis zu Roy Lichtenstein.
res Bestandes zeigen wir seit Februar mit Unter-
Auch die selten gezeigten Publikumslieblinge „Méta-
stützung unseres langjährigen Partners Dorotheum
Harmonie“ (1978) von Jean Tinguely und Niki de
unter dem Titel „in progress. Werke aus der mumok
Saint Phalles „Tea Party, ou le thé chez Angelina“
Sammlung“ Highlights von der Moderne bis zur
(1971) sind wieder zu sehen. Seit einigen Jahren
unmittelbaren Gegenwart. Jeden Tag bin ich aufs
sammelt das mumok verstärkt Medienkunst. Eine
Neue von der ungeheuren Qualität der Sammlung
ganze Ebene ist derzeit ausschließlich den Arbeiten
begeistert, die wir bis Februar 2014 auf drei Ebenen
aus diesem Bereich gewidmet. Die Ausstellung fügt
präsentieren – aus der Klassischen Moderne unsere
sich so zu einem wunderbaren Streifzug durch die
Preziosen von Pablo Picasso, René Magritte oder
jüngere Kunstgeschichte, den ich selbst immer wie-
André Derain. Aber auch Schlüsselwerke der großen
der gerne antrete.
Ich freue mich, wenn auch Sie im mumok auf
Entdeckungsreise gehen!
Karola Kraus ist seit Oktober 2010 Direktorin
des mumok. Zuvor leitete sie die Staatliche
Kunsthalle Baden-Baden in Deutschland.
meet art
PASSION
62
VIENNA ART WEEK 2013
18.–24. NOVEMBER
PROJECTING
WORLDS
Vom ExpertenNetworking
z u m K u n s t f e s t i va l
www.viennaartweek.at
„Projecting Worlds“: Die Frage, wie sich unsere Vorstellung der Welt und die Er zählungen davon durch die Auseinandersetzung mit Kunst intensivieren und verändern,
steht als Leitmotiv im Zentrum der diesjährigen VIENNA ART WEEK.
Von Robert Punkenhofer
u n d a n j a H a s e n l e c h NE R
PASSION
63
Von 18. bis 24. November 2013 rückt das Kunstfestival Wien in den Blickpunkt der internationalen Öffentlichkeit. Neben den Wiener Festwochen
und dem Filmfestival Viennale zählt die VIENNA
ART WEEK mittlerweile zu den Höhepunkten des
Wiener Kulturjahres.
Als Initiative des Wiener Dorotheum von dessen Managementdirektor Martin Böhm und dem
heutigen Künstlerischen Leiter der VIENNA ART
WEEK, Robert Punkenhofer, 2004 ins Leben gerufen, hat sich die Veranstaltung von einem exklusiven Netzwerktreffen für Kunstexperten und Sammler zu einem offensiven, international erfolgreichen
Kunstfestival entwickelt. Verstärkt wurden die Internationalisierung der Kunstmetropole Wien und
das Grenzen überschreitende Denken von Kunst
durch den – ebenfalls vom Dorotheum initiierten –
Zusammenschluss renommierter Wiener Museen,
Kunstinstitutionen und Kunsthochschulen zum Art
die Guided Gallery Tours ebenso in das mittlerweile
mehr als 200 Programmpunkte umfassende Kunstfestival eingebunden wie die boomenden Kunstvereine, Projekträume und Offspaces.
Wie das begeisterte Feedback eindrucksvoll untermauert, ist es der VIENNA ART WEEK dank des
enormen Engagements aller Beteiligten gelungen,
mit einer intensiven Konzentration ihres Programms
nachhaltige Impulse für Wien als internationale
Kunstmetropole und Kunstmarktstandort zu setzen.
Dieses Zwischenresümee spornt an … und ist Auftrag, den erfolgreichen Weg fortzusetzen.
Nach toller Resonanz im Jahr 2012 richtet die
VIENNA ART WEEK 2013 daher einen speziellen Fokus auf den Open Studio Day. So öffnen sich
nicht nur die einzigartigen Ateliers des BMUKK im
Wiener Prater, in der Westbahnstraße oder in der
Wattgasse interessierten Besuchern – quer durch die
Stadt gewähren rund 100 von einem Kuratorium
ausgewählte, in Wien lebende Künstler Zugang zu
ihrem Kunstkosmos. 2013 startet man mit Curators’
Picks zudem ein Kuratorenprojekt, das dem Open
„Mitra, Red Lights“, Kunstraum Hinterland © Farhad Ahrarnia
Studio Day eine zusätzliche Dimension gibt.
Cluster Vienna. In unermüdlicher Erweiterung ihres
Konnten die modernen Avantgarden eine durch
Programms aus Ausstellungen, Kuratorenführungen,
Kunst transformierte Existenz noch als Befreiung
Podiumsdiskussionen, Galerienrundgängen, Lectures,
von Verdinglichung und Entfremdung postulieren,
Art Talks und Performances auf höchstem Niveau
so begegnen wir heute einem erweiterten Verständnis
befindet sich die VIENNA ART WEEK auf Expansi-
davon, wie sich Kunst gegenüber aktuellen Lebens-
onskurs: Zählte man 2004 noch 700 Teilnehmer, so
formen effizient konturiert. So setzt etwa die Kunst-
rangierte die Besucherzahl 2012 bei 35.000!
halle Wien im Rahmen der VIENNA ART WEEK
mit dem Projekt „Salon der Angst“ gesellschaftspo-
Als Veranstaltung des Art Cluster Vienna beweist die
litische Akzente. Neue Ausstellungsformate wie „Ich
VIENNA ART WEEK besondere Qualität darin, die
bin eine andere Welt“ an der Akademie der bilden-
reiche kulturelle Vergangenheit Wiens nicht aus den
den Künste oder die Veranstaltung „What’s Up?“
Augen zu verlieren und gleichzeitig die zeitgenös-
im Architekturzentrum Wien, Podiumsdiskussionen
sische österreichische Kunst mit bahnbrechenden
wie „Why Painting Now?“ von curated by_vienna
Vorstößen in Richtung einer professionellen Interna-
2013 oder „Kunstsammler zwischen Leidenschaft
tionalisierung voranzutreiben. Durch vielfältige Ver-
und Investment“ im Dorotheum Wien sowie die
anstaltungen sind die auf internationalen Kunstmes-
Vernissage von Sarah Lucas in der Secession bilden
sen erfolgreich agierenden Wiener Galerien durch
weitere Highlights.
PASSION
64
Wien verfügt über Museen und Kunstinstitutionen,
Das Phänomen der Kunstbetrachtung ist ein kom-
über hervorragende Sammlungsbestände in unver-
plexes Gefüge, in dem sich Vorstellungen individu-
gleichlicher Dichte. Durch thematische Schwerpunk-
eller Freiheit ebenso wie Emanzipationsprozesse
te wie „Crossing Limits“ (2010), „Reflecting Reality“
abzeichnen. Wirkungs- und Betrachtungsmodelle in
(2011) oder „Predicting Memories“ (2012) gelang es
der Kunst eröffnen Spielräume, aktivieren das eige-
der VIENNA ART WEEK, dieses Profil Wiens wei-
ne Kreativitätspotenzial. In einer Welt des rasanten
ter zu schärfen. Eigens entwickelte Ausstellungsfor-
Informationstransfers sorgt das parallel dazu wach-
mate an geschichtsträchtigen Orten wie dem ehe-
sende Bedürfnis nach Entschleunigung für eine
maligen K. K. Telegrafenamt zeigten, wie Geschichte
wache Neugierde auf künstlerische Methoden, die
und Gegenwartskunst hier in ein faszinierendes
sich mit dieser Thematik befassen. Die VIENNA ART
Wechselspiel zu treten vermögen. Dies findet 2013
WEEK wird unter dem Motto „Projecting Worlds“
Fortsetzung – etwa wenn im Rahmen der VIENNA
neben spezifischen Themenschwerpunkten auch Fra-
ART WEEK das Winterpalais Prinz Eugens in der
gestellungen rund um die identitätsbildende Funkti-
Himmelpfortgasse mit seinen prunkvollen barocken
on von Kunst behandeln.
Räumlichkeiten durch Veranstaltungen belebt wird.
Als Standort des Belvedere bleibt es künftig für die
Öffentlichkeit zugänglich. Geprägt von der Idee enzyklopädischen Sammelns ist die Kunstkammer des
Kunsthistorischen Museums Wien, die seit ihrer Wiedereröffnung im Februar 2012 als Publikumsmagnet
wirkt. Im November startet man hier mit internationalen Experten ein wichtiges wissenschaftliches Pro-
Robert Punkenhofer ist Künstlerischer Leiter der
VIENNA ART WEEK. Er verantwortete mehr als
100 Ausstellungen und Projekte wie die Murinsel
mit Vito Acconci in Graz und die Beteiligungen
Österreichs an den Weltausstellungen in Aichi 2005,
Zaragossa 2008 und Shanghai 2010.
Anja Hasenlechner ist Kunsthistorikerin und als
Geschäftsführerin der Kunstberatungsagentur
hasenlechner – artconsult Projektmanagerin der
VIENNA ART WEEK.
jekt zu Gemälden Pieter Bruegels des Älteren.
Vienna Art Week
Programm im Dorotheum
21. 11.
PODIUMSDISKUSSION
»Wo warst du, wohin gehst du?
Fünf Fragen zur Lage der
zeitgenössischen Kunst«
Donnerstag, 21. November 2013
13.00 – 14.30 Uhr
Wie verändert das, was ich mache, die Kunst?
Wie verändert das, was ich mache, die
Gesellschaft? Welche Bedeutung haben
soziale Netzwerke? Ist es Zeit für den
„Existential Turn“?
Spike Unplugged IV
Es diskutieren: Ellen Blumenstein, Kuratorin,
Leiterin KW Institute for Contemporary Art,
Berlin; Krist Gruijthuijsen, Kurator, Leiter
Grazer Kunstverein; Tobias Madison,
Künstler, Zürich
Konzept & Moderation: Rita Vitorelli,
Künstlerin, Chefredakteurin „Spike Art
Quarterly“, Wien und Berlin
PODIUMSDISKUSSION
PODIUMSDISKUSSION
»Kunstsammler
zwischen Leidenschaft
und Investment«
Donnerstag, 21. November 2013
15.00 – 16.30 Uhr
»Bedeutung des öffentlichen Raums
für den künstlerischen Diskurs«
Donnerstag, 21. November 2013
17.00 – 18.30 Uhr
Soll man Kunst einzig aus Leidenschaft
sammeln? Kann Kunst ein vernünftiges
Investment sein? Welche Verbesserungen
könnte der Gesetzgeber vornehmen,
um einen höheren Anreiz für KunstInvestments zu schaffen?
Es diskutieren: Thomas Angermair,
Kunstsammler, Wien; Rudolf Humer, Humer
Privatstiftung, Hinterbrühl; Gernot Schuster,
Partner Deloitte Österreich, Wien; Walter
Seidl, ERSTE Stiftung, Wien
Moderation: Gerda Ridler,
freie Kuratorin, Autorin, Konsulentin für
private Kunstsammlungen, München
Im Herbst 2013 wird unter dem Titel »Out­
reach« in Tunis ein von Außenministerium
und Museumsakademie Joanneum organisiertes Austauschprogramm von österreichischen Museumsschaffenden und Kuratoren
aus Tunis, Ägypten und Algerien fortgesetzt,
das die zunehmende Bedeutung des öffentlichen Raums für den künstlerischen Diskurs
– sowohl in Europa als auch in nordafrikanischen und arabischen Ländern – beleuchtet.
PASSION
65
Es diskutieren: Bettina Habsburg-Lothringen,
Leiterin Museumsakademie Joanneum, Graz;
Elke Krasny, Lektorin an der Akademie der
bildenden Künste Wien und freie Kuratorin;
Sana Tamzini, Leiterin Centre National d’Art
Vivant, Belvédère – Tunis
Es diskutieren: Andreas Hoffer, Leitender
Kurator Essl Museum und Kurator der Ausstellung »LIKE IT!«; Christina Steinbrecher,
künstlerische Leitung VIENNAFAIR; Harald
Katzmair, FAS.research; Johannes Grenzfurthner, Medienkünstler, monochrom
Moderation: Michael Huber, Journalist, Wien
Moderation: Lorenz »eSeL« Seidler,
Kunstnetzwerker (www.esel.at)
* Twitter-Teilnahme via: Hashtag #likeit
PODIUMSDISKUSSION
curated by_vienna 2013:
»Why Painting Now?«
Donnerstag, 21. November 2013
19.00 – 20.30 Uhr
Mit dem Projekt »curated by_vienna«
fördert departure die Kooperation zwischen
heimischen Galerien und international
renommierten Kuratoren. 2013 wenden sich
20 Wiener Galerien sowie 20 Kuratorinnen
und Kuratoren unter dem Titel »Why Painting
Now?« den vielfältigen Fragestellungen zu,
die gegenwärtig mit dem Thema Malerei in
Verbindung stehen.
Es diskutieren: Bettina Leidl, Geschäftsführerin departure; Eva Maria Stadler, Kuratorin,
Konzeption »curated by_vienna 2013«; Silke
Otto Knapp, Künstlerin; Jan Verwoert, freischaffender Kurator und Kritiker; Bernhart
Schwenk, Oberkonservator und Referent für
Gegenwartskunst, Pinakothek der Moderne,
München (angefragt); Gabriele Senn, Galeristin und Präsidentin des Verbands österreichischer Galerien moderner Kunst
Moderation: Nicole Scheyerer,
Journalistin, Wien
22. 11.
PODIUMSDISKUSSION
»Like-Button für den Kunstdiskurs?
Strategien digitaler
Publikums-Interaktion«*
Freitag, 22. November 2013
14.00 – 15.30 Uhr
Facebook: Marketing-Tool, CommunityPflege, Feedback-Möglichkeit oder noch
mehr? Seit Jahren setzen Kulturinstitutionen
auf das soziale Netzwerk, um zu werben und
mit Interessierten Kontakt aufzunehmen.
Welche Formen, Ansätze und Möglichkeiten
der Partizipation werden Usern eingeräumt,
und welche gilt es noch zu erkunden?
Im Zuge der Ausstellung »LIKE IT!« im Essl
Museum wählen Facebook-User Werke
mittels Like-Buttons in die Ausstellung. Ein
Experiment in zweifacher Hinsicht: Wird es
zu einem Diskurs zwischen Usern und Museum kommen? Geht mit der Partizipation des
Publikums letztendlich auch eine Veränderung im Umgang mit Kunst einher?
PODIUMSDISKUSSION
»Kunst und Wissenschaft – Lust und
Frust einer Interdisziplinarität«
Freitag, 22. November 2013
16.00 – 17.30 Uhr
Die Praxis wissenschaftlicher Methodik zur
künstlerischen Recherche und Produktion
wie auch die forschende Kunst haben sich
in den letzten Jahren zunehmend etabliert.
Forschungsförderprogramme und der
universitäre Bereich unterstützen die
übergreifende Zusammenarbeit zwischen
Forschern und Künstlern.
Wie ist diese Entwicklung aus Sicht der
künstlerischen Praxis zu bewerten? Worin
besteht umgekehrt das Potenzial kreativ-künstlerischen Arbeitens für Innovationsprozesse? Was sind aktuelle Themen in
Programmen der Forschungsförderungseinrichtungen? Welche Rolle spielt der
universitäre Bereich in der Entwicklung und
Etablierung einer Kultur der interdisziplinären Forschung? Worin besteht der
gesellschaftliche Nutzen der Zusammenwirkung von Kunst und Wissenschaft und
das darin enthaltene Potenzial für die
Bildungslandschaft?
Es diskutieren: Elisabeth von Samsonow,
Philosophin und Künstlerin, Akademie der
bildenden Künste, Wien; Thomas Feuerstein,
Künstler, Wien und Innsbruck, Michael
Stampfer, Direktor WWTF (Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds),
Wien; Bernd Kräftner, Forscher, Shared Inc. /
Universität für angewandte Kunst, Wien
Moderation: Axel Stockburger,
Künstler und Theoretiker, Wien
PODIUMSDISKUSSION
»Die Kunstsammlung –
Spiegel der Kunstwelt«
Freitag, 22. November 2013
18.00 – 19.30 Uhr
Wie spiegelt sich die eigentlich intime
Welt der Kunstsammler im internationalen
Kunstgeschehen wider?
Es diskutieren: Kóan Jeff Baysa, Kurator,
Kunstkritiker und Mediziner, Los Angeles;
Joshua Decter, Autor, Kritiker, Kurator und
Hans Kotter, Lichtinstallation © Galerie Michaela Stock
Theoretiker, New York; Victoria Ivanova,
Mitbegründerin Foundation IZOLYATSIA.
Platform for Cultural Initiatives,
Donezk/Ukraine; Ursula Krinzinger, Galerie
Krinzinger, Wien
Moderation: Robert Punkenhofer,
Künstlerischer Leiter VIENNA ART WEEK
L E C T U RE
Festvortrag der Architekturhistorikerin und -theoretikerin Beatriz
Colomina, Princeton University
Freitag, 22. November 2013
20.00 – 21.00 Uhr
Die international angesehene Architekturhistorikerin und -theoretikerin Beatriz
Colomina, Princeton University, hat etliche
Werke zum Thema Architektur und Medien
publiziert. Als Herausgeberin von »Sexuality and Space« erhielt sie den International
Book Award des American Institute of
Architects, außerdem ist sie Mitheraus­
geberin von »Cold War Hothouses:
Inventing Postwar Culture, from Cockpit
to Playboy«. Zuletzt hat Colomina »Doble
exposición: Arquitectura a través del arte«
veröffentlicht.
Moderation: August Sarnitz,
Akademie der bildenden Künste Wien
PASSION
66
Hans Makart
Tod der Kleopatra, 1875
Öl auf Holz, 122,5 x 83 cm
Schätzwert € 70.000 – 90.000
Weltrekordpreis € 757.300
PASSION
67
Hans Makart, „Farbenzauberer“ und für seine
opulent-dramatischen Großformate gefeierter
Malerfürst der Wiener Ringstraßenära, wird mit
einem neuen Œuvre-Katalog gewürdigt. Das
Dorotheum hat die wichtige Forschungsarbeit
des Instituts für die Erstellung von Werkverzeichnissen am Belvedere ermöglicht.
Von Gerbert Frodl
Drama
UND
Opulenz
Als 1974, vor nunmehr knapp 40 Jahren, das erste umfassende Verzeichnis aller
Ölgemälde von Hans Makart erschien, bestand noch kein allgemeines Interesse
an der scheinbar nur alte Stile nachäffenden Architektur und Kunst des Historismus. Eben erst begann man sich, befördert durch fundierte wissenschaftliche Aufarbeitung, mit der Wiener Ringstraße, diesem grandiosen Meisterwerk
europäischer Stadtbaukunst, anzufreunden. Makarts Virtuosität als Maler stand
nie in Frage, doch galten viele seiner Bildthemen, vor allem aber sein Wohnund Lebensstil als schiere Geschmacksverirrung. Heute ist der Historismus,
sein hoher Stellenwert in vielen Bereichen der Kunst und des Lebens, als Ausdruck einer Epoche sehr gut als wichtiger Bereich der Kunst- und Kulturgeschichte dokumentiert. Der Eigenwert des Umganges mit alten Stilen in Architektur und bildender Kunst, der meist viel mehr Neuinterpretation als Kopie
ist, hat sich längst bestätigt.
PASSION
68
Im Jahr 1869, als der Bau der Ringstraße mit all ihren Prachtbauten in vollem
Gange war, wurde der gerade erst 28-jährige Hans Makart, gebürtiger Salzburger
und Shootingstar der Münchner Kunstszene, mittels kaiserlichen Dekrets nach
Wien berufen. In kürzester Zeit entwickelte er sich zum erfolgreichsten Künstler
dieser für Wien so bestimmenden Epoche. Sein jeweils neuestes Werk, von der
Tagespresse angekündigt und besprochen, war in aller Munde, jedermann kannte Makart. Das kam auch daher, dass er sein Künstlertum öffentlich zelebrierte, sein pompöses Atelier und seinen aufwendigen Lebensstil zur Schau stellte.
Hans Makart
Dante und Vergil im
Inferno, um 1863/1865
Belvedere, Wien
Man bewunderte Makarts für das damalige Wien ungewohnt freien Umgang
mit Farbe, die großzügige Interpretation geschichtlicher Fakten in seinen groß
angelegten historischen Szenerien, die Abwesenheit jeglicher Lehrhaftigkeit. All
das brachte ihm selbstverständlich auch Kritik ein, denn vor allem im offiziellen
Kunstbetrieb von damals war – wie Gustav Klimt in den letzten Jahren des Jahrhunderts mit seinen Fakultätsbildern erleben musste – persönliche Freiheit in der
Auslegung historischer Ereignisse oder allegorischer Szenen nicht erwünscht. So
wartete Makart auch mehr als zehn Jahre auf den ersten offiziellen Auftrag; er
wurde ihm schließlich auf großartige Weise mit der malerischen Ausstattung
des großen Stiegenhauses im neuen Kunsthistorischen Hofmuseum zuteil. Dennoch fristete er bis dahin kein Hungerdasein, überhäuften ihn Geldadel, Wiener
Gesellschaft und Kunsthandel doch von Anbeginn mit Aufträgen. Hans Makart
PASSION
69
wurde zu einem der begehrtesten und besten Porträtisten – meist von Damen –,
er malte Theatervorhänge und gestaltete Ausstattungen von Salons, kurz gesagt:
Er prägte das Wiener Kunstleben seiner Zeit wie kein anderer.
Das neue Werkverzeichnis folgt dem chronologischen Schema jenes von 1974.
Zahlreiche Gemälde, deren Verbleib damals nicht bekannt war, sind seither aufgetaucht – aus privatem Besitz, aus Museumsdepots, im Kunsthandel. Dies allein
wäre Grund genug gewesen, eine Aktualisierung des Verzeichnisses vorzuneh-
men. Den Ausschlag dafür gaben letztlich die technischen Möglichkeiten, alle
erreichbaren Gemälde im In- und Ausland digital fotografieren zu lassen, und
eine entsprechende Finanzierung dieses Vorhabens. Was 1974 Utopie war – nämlich möglichst alle Werke in Farbe zu reproduzieren –, wurde solchermaßen nun
Wirklichkeit. Dem „Farbenzauberer“, wie viele Zeitgenossen Hans Makart nannten, wird damit eine Publikation gewidmet, die den Zugang zu seinem gleichermaßen umfangreichen wie vielschichtigen Werk künftig erleichtert.
Gerbert Frodl, Kunsthistoriker und von 1992 bis 2006 Direktor der
Österreichischen Galerie im Belvedere, ist Verfasser zahlreicher Publikationen
und Künstlermonographien, unter anderem über Gustav Klimt,
Hans Makart und Herbert Boeckl, sowie Herausgeber des neuen
Werkverzeichnisses über Hans Makart, Böhlau, Herbst 2013.
Hans Makart
Venedig huldigt Caterina
Cornaro, 1872-1873
Belvedere, Wien
PASSION
70
V on
allen
S ei t en
SCHÖN
Seit wenigen Monaten
können rund 2. 200 einzigartige
Objekte aus der Kunstkammer
im Kunsthistorischen Museum
Wien wieder bestaunt werden.
Das Dorotheum hat die Neuaufstel­
l u n g d e r „W i e g e d e s M u s e u m s “
unterstützt – unter anderem mit
einer Patenschaft für Giambolognas
berühmte Raptusgruppe.
V O N K onrad S chlegel
Mann und Frau, nackt, in balletthafter Pose. Er aktiv,
kraftvoll, zupackend; sie passiv, ausgeliefert, Halt
suchend. Jäger und Beute. Gewalt und Erduldung?
Oder Verlangen und Hingabe, also erotisches Spiel?
Der Inhalt des Werkes war seinem Schöpfer, dem
flämischen Bildhauer Giambologna, einerlei. Man
könne sie „als Raub der Helena oder vielleicht der
Proserpina oder einer der Sabinerinnen“ interpretieren, schrieb er an den Herzog von Parma, dem er
eine frühere, heute im Museo Capodimonte in Neapel befindliche Version der Komposition zusandte.
Er habe das Motiv gewählt, „um der Kenntnis und
dem Studium der Kunst eine Gelegenheit zu geben“.
Es ging dem genialen Bildhauer also weniger um
die Illustration einer Geschichte als vielmehr um
die Bewältigung einer formalen Herausforderung:
Das heftig bewegte, in sich gedrehte Paar hat keine
Hauptansicht. Die Gruppe ist in ihrer Gesamtheit
© KHM
nur zu erfassen, indem man um sie herumgeht.
„Von allen Seiten schön“ sollten Skulptur und Plas-
Giambologna
Zweifigurige Raptusgruppe
Florenz, um 1580, Bronze
Kunsthistorisches Museum Wien, Kunstkammer
tik sein – so eine im 16. Jahrhundert wichtige Forderung. Zugleich gelang Giambologna ein Kunststück in Sachen Statik, da der Figurenturm nur auf
zwei Beinen steht und keiner dritten Stütze bedarf.
Wer zum Mäzen der Phantasie werden möchte,
kann Kunstpatenschaften für Museumsobjekte
im Kunsthistorischen Museum Wien übernehmen und so dazu beitragen, die Schätze der
Kunstgeschichte für die Zukunft zu erhalten.
I n f o r m a t i o n : w w w. k h m . a t / k u n s t p a t e n s c h a f t
Die zweifigurige Raptusgruppe gilt als Vorstufe zu
einer späteren, vier Meter hohen Version aus Marmor, die sich in der Loggia dei Lanzi in Florenz
findet. Sie benötigte allerdings eine dritte Figur am
Boden als Stütze. Das Wiener Stück ist erstmals im
1607 bis 1611 erstellten Inventar der Kunstkammer
Rudolfs II. nachweisbar.
Konrad Schlegel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter
des Kunsthistorischen Museum Wien
und der Kunstkammer Wien.
S ich t bare
P han t ome
der F orm
Das Designerduo Formafantasma
lädt in der zweiten Ausgabe des MAK
D E S I G N S A LO N z u r S u c h e n a c h d e m
Fremden in sich selbst. Realisiert
wurde dieser Beitrag mit Unter­
stützung des Dorotheum.
V on Thomas G eisler
Moulding Tradition 2009 © Photo Luisa Zanzani
Courtesy Gallery Libby Sellers
Wenngleich der Studioname Formafantasma dazu
verleiten mag: Als Schreckgespenster kann man
sich die jungen Italiener Andrea Trimarchi und
MAK DESIGN SALON #02
STUDIO FORMAFANTASMA:
The Stranger Within
14. September – 1. Dezember 2013
MAK-Expositur Geymüllerschlössel
Pötzleinsdorfer Straße 102, 1180 Wien
MAK.at
Simone Farresin nicht vorstellen. In der MAKExpositur Geymüllerschlössel treiben sie dennoch
ihr Unwesen. „The Stranger Within“ heißt ihr mit
Unterstützung des Dorotheum entwickelter Beitrag
zum MAK DESIGN SALON, der die Räumlichkeiten des Baujuwels von 1808 für zeitgenössisches
Design öffnet. Die dort vorgefundene Vorliebe für
das „Exotische“ führte zur Auseinandersetzung mit
dem paradoxen Phänomen von Fernweh und biedermeierlicher „Heimeligkeit“. In einer globalisier-
MAK-Expositur
Geymüllerschlössel in Wien
ten Welt, in der das Exotische bedeutungsloser zu
werden scheint, laden die Designer zu einer Suche
nach dem Fremden in sich selbst. Das Duo Forma­
fantasma ist international alles andere als ein Phantom: Seine Arbeiten finden sich in wichtigen Sammlungen, Galerien und Museen. Auch in Wien sind sie
nicht unbekannt. Ihr Kartenspiel, mit dem sie den
Souvenir-Wettbewerb von Wien Tourismus für sich
© Wolfgang Kraus/MAK
Craftica 2012 © Studio Formafantasma
Photo Luisa Zanzani, Courtesy Fendi
entschieden, zeigt prominente Protagonisten der
Wiener Kulturgeschichte wie Alma Mahler als HerzStudio Formafantasma
© Delfino Legnani Sisto
dame oder Sigmund Freud als Karobube.
Thomas Geisler ist Kustode der MAK-Sammlung
Design und Kurator der Reihe
MAK DESIGN SALON.
Desigernduo
Formafantasma
PASSION
72
THEOPHIL HANSEN
A r c hite k t
& D esi g ne r
Das Erscheinungsbild der Wiener
Ringstraße wurde ganz entscheidend
von Theophil Hansen geprägt. Das
Dorotheum unterstützt die große Jubiläumsausstellung über den Architekten
und Designer in der Akademie der
bildenden Künste Wien. Das Freiherrendiplom Hansens gelangt am
4. Dezember 2013 im Rahmen der
A u t o g r a p h e n - ­A u k t i o n d e s D o r o t h e u m
zur Versteigerung.
V on Co r nelia Reite r
2013 jährt sich zum 200. Mal der Geburtstag
des bekannten Ringstraßenarchitekten Theophil
Hansen. Neben zahlreichen anderen Ringstraßenbauten wie dem Musikverein, dem Parlament oder
der Börse entwarf er auch die Akademie der bildenden Künste Wien.
Vor dem Hintergrund der Generalsanierung der Akademie wird in der Ausstellung über Theophil Hansen
auch der Planbestand zu diesem Gebäude im Kontext
seiner Wiener Bauten gezeigt. Das Kupferstichkabinett der Wiener Akademie verfügt über den Nachlass
des Architekten, der mehr als 1.000 Planrisse umfasst.
Einen Kernbestand bilden die 186 Pläne Theophil
Hansens für die Wiener Akademie, die wichtige Informationen zur Genese des Projektes, zu den Farbstellungen der dekorativen Malereien sowie zu vielen
Details der Ornamentik und Bauplastik liefern. Diese
Entwürfe dokumentieren die besondere zeichnerische Begabung des Architekten, der das Akademiegebäude detailliert nach einem ausgefeilten didaktischen Konzept wie ein „Lehrgebäude“ konzipierte.
Von besonderer Relevanz ist auch die Fotosammlung des Kupferstichkabinetts mit den ebenfalls aus
dem Nachlass des Architekten stammenden Bauaufnahmen. Sie zeigen die von Hansen entworfenen
Gebäude in unterschiedlichen Bauphasen sowie
kurz nach der Fertigstellung.
Die Ausstattung der Hansen-Bauten wird anhand
der brillanten Studien von Anselm Feuerbach zur
Dekoration der Aula der Wiener Akademie und der
Kartons von Eduard Bitterlich für die Deckenbilder im Tanzsaal des Palais Epstein ebenfalls in die
Ausstellung integriert; diese Werke lassen die Intention erkennen, ein vielfach noch heute erhaltenes
„Gesamtkunstwerk“ zu schaffen.
Theophil Hansen
Wien, Börse, Stiegenaufgang, Aufriss und Zimmerdeckendesign
Akademie der bildenden Künste, Kupferstichkabinett
Cornelia Reiter ist habilitierte Kunsthistorikerin und
interimistische Leiterin des Kupferstichkabinetts der
Akademie der bildenden Künste Wien.
CHOICE
73
Das am 10. April 1884 in Wien ausgestellte Freiherrendiplom umfasst vier Pergamentblätter mit sieben
reich kalligraphierten Seiten und trägt am Schluss
die eigenhändige Unterschrift des kaisers sowie die
gegenzeichnung des Ministerpräsidenten Eduard
graf Taaffe. Die sehr gut erhaltene Urkunde ist in
einen violetten Samteinband eingebunden und zeigt
das Majestätssiegel des kaisers in vergoldeter Messingkapsel. Das Wappen Hansens wird im Urkundentext präzise beschrieben: „Im rothen Schilde
eine goldene Eule, stehend auf einem abgeledigten,
beblätterten und befruchteten Lorbeerzweige. Auf
dem Hauptrande des Schildes ruht die Freiherrenkrone mit zwei Turnierhelmen, von welchen
rothe mit gold unterlegte Decken herabhängen.
Der rechtsseitige Helm trägt die wachsende goldene gestalt der kriegerischen Minerva mit kammhelm, rundschild und über die Achsel gelehntem,
bequastetem Speer, und der linksseitige einen
Freiherrendiplom Hansen, 1884, Wappendarstellung
Rufpreis € 2.000, Auktion Autographen, 4. Dezember 2013
HANSENS
FrEIHErrENDIPLOM
VON ANDrEAS LöBBEckE
geschlossenen vorne roten Adlerflug.“ Die entsprechende farbige Wappendarstellung wurde vom
renommierten Wappenmaler carl Boess in hervorragender Qualität ausgeführt.
Über den Symbolgehalt des Wappens verrät das
Diplom nichts, doch spiegeln die von Hansen dem
kosmos der klassischen Mythologie entlehnten
Wappenfiguren seine Affinität zur Antike augenfällig wider. Die Eule, das Hauptattribut der im Dip-
Mit dem Parlamentsgebäude an der Wiener
lom in ihrer römischen Entsprechung als „Minerva“
ringstraße errichtete Theophil Hansen ein zeit-
bezeichneten Pallas Athene, der göttin der Weis-
loses Monument der Demokratie – für diese
heit, gilt in der Emblematik als Sinnbild der
Leistung wurde er in den Freiherrenstand erho-
Wissenschaft. Der Lorbeerzweig steht als Sym-
ben. Das kaiserliche Freiherrendiplom Hansens
bol für eine besondere Ehre oder Auszeichnung.
gelangt am 4. Dezember 2013 im rahmen
Die Pallas Athene, auch göttin der kunst und
der Autographen-Auktion des Dorotheum zur
Stadtgöttin Athens, wurde von Hansen wohl mit
Versteigerung.
Bedacht in die Helmzier seines Wappens integriert: einmal als Verweis auf seinen achtjährigen,
Im Jahre 1883 vollendete Theophil Hansen
künstlerisch prägenden Aufenthalt in der griechi-
nach achtjähriger Bauzeit sein Hauptwerk,
schen Hauptstadt Athen. Vor allem aber ziert die
das am Stil der griechischen Antike orientierte
Pallas Athene bis heute den Platz vor dem von
reichsratsgebäude, heute Sitz des Parlaments.
Hansen erbauten Parlament am ring, dem zentra-
Im folgenden Jahr wurde Hansen von kaiser
len Ort der österreichischen Demokratie.
Franz Joseph „in Anerkennung seiner besonderen Verdienste um die Ausführung des neuen reichsrathsgebäudes durch die Verleihung
des Ordens der eisernen krone zweiter klasse
ausgezeichnet“ und in den erblichen Freiherrenstand erhoben.
Andreas Löbbecke ist Historiker und seit 1995
Autographen-Experte im Dorotheum.
Theophil hansen
archiTekT und designer.
eine ausstellung anlässlich des
200. geburtstages
akademie der bildenden künste
ünste
Wien
schillerplatz 3, 1010 Wien
bis 10. november 2013
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EVENTS
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EVENTS
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JUBILÄUM
10 Jahre
Dorotheum Düsseldorf
Es war die erste Dorotheum-Repräsentanz in Deutschland, die am
7
6. Mai 2003, vor zehn Jahren also, in Düsseldorf eröffnet wurde.
Ein Jubiläum, das es am 24. April 2013 zu feiern galt. Heute finden
in der Südstraße 5 auf fast 200 Quadratmetern regelmäßig Expertenberatungstage und Previews mit ausgewählten Auktionsobjekten des Dorotheum statt.
Petra Schäpers, Kunsthistorikerin und Expertin für Klassische
Moderne und Zeitgenössische Kunst, leitet die Repräsentanz seit
ihrer Gründung mit viel Elan. „Das Kunst-Know-how in Düssel-
9
10
dorf hat wilde Locken und sehr viel Energie“, beschrieb Simone
Lück in der Zeitschrift „Elle“ die umtriebige Kunstspezialistin.
Gemeinsam mit ihrem Team betreut Schäpers Kunstinteressierte und Sammler im Rheinland, in Hamburg und Berlin. In diesen zehn Jahren konnte sie für ihre Kunden viele Erfolge verbuchen: herausragende Ergebnisse für Werke von Max Ernst, Georg
Baselitz, Günther Uecker, Robert Indiana und Ilya Kabakov, Weltrekordpreise für Oswald Achenbach, Guido Cagnacci und Frans
Francken. Die Düsseldorfer Bestenliste ist lang!
13
14
Beim Jubiläumsfest versammelten sich mehr als 300 Prominente
aus der Kunstszene, um zu gratulieren, den herrlichen Frühsommerabend zu genießen und über die ausgestellten Kunstwerke von
Kabakov, Uecker, Piene, Albers oder Liebermann zu schwärmen –
unter ihnen Kunstprofessorin Gabriele Henkel, Bert Antonius
Kaufmann, Kaufmännischer Direktor der Deichtorhallen, Gerald
Böse, Geschäftsführer der Messe Köln, oder Hagen Lippe-Weißenfeld, Vorstand der Stiftung Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen.
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Peter & Renate Jungen
Constanze Rick
Franz Josef & Jeannette
Beissel von Gymnich
Barbara & Claus Schwarzer
Friedrich G. Conzen
Hans-Georg Lohe
Stefan Horsthemke
Jeannine Burch
Christine Gräfin Adelmann
Bert Antonius Kaufmann
Susanne Steidle
Gisbert Enzenauer
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Georg Lenz
Christine Uecker
Gabriele Henkel
Petra Schäpers
Joachim & Sabine
Crasemann
Anat & Gil Bronner
Bettina Böhm
Petra Schäpers
Gabriele Kortmann
Liselotte Opheis
Alexander Hornemann
1 5 Te a m D ü s s e l d o r f
Charlotte Behr
Petra Schäpers,
Leitung
Martin Böhm,
Geschäftsführer Dorotheum
Susanne Zimmermann
Cordula Lichtenberg
16 Dag Seemann
Kate Waters
17 Guido Böhler
Christian Braun
Video Jubiläum
STORY
76
Auferstehung
von Karl Hohenlohe
Foto ORF
Im Zentrum der Waldlichtung hatte
Ganz im Gegenteil, Herr Boulle hauch-
Baum fühlte sich scheintot, wie das
sich ein Baum eingenistet, ein Baum,
te dem Baum Leben ein – und was für
Kästchen über ihm, und die beiden
der all den anderen Bäumen als Krüp-
ein Leben.
sollten noch weitere 217 Jahre sterben.
Herr Boulle, der erste Ebenist des
Dann geschah erneut etwas Seltsames.
Landes, hatte nämlich ein Kästchen
Der Dachboden wurde ausgeräumt,
In diesem Stadium wurde er von dem
gebaut, so wunderschön proportio-
das Kästchen mit den Beinen landete
Bauern Auguste Recheliere entdeckt.
niert und edel, dass es als Hauptge-
auf einem Flohmarkt, wurde dort von
pel erschien. Er war kerzengerade, astlos und gesund.
Recheliere erzählte es seiner Frau, die-
schenk für den runden Geburtstag des
einem Mann in einem braunen Tweed­
se dem Apotheker, der Apotheker dem
Königs vorgesehen war. Zweieinhalb
anzug entdeckt, und als dieser den
Stallmeister des Grafen, der Stallmeis-
Jahre hatte Boulle nach geeigneten
Prägestempel mit dem „B“ vom Staub
ter des Grafen dem Stallmeister des
Beinen für das Kästchen gesucht und
befreite, lachte er so laut, dass man es
Königs, und nach vier Tagen kam eine
dank eines einfältigen Bauern namens
bis hinüber zum 19. Arrondissement
Kutsche vor dem seltsamen Baum zu
Recheliere endlich gefunden.
hören konnte.
stieg, um einen bewundernden Blick
Boulle verbrachte die nächsten vier
Das geschundene Bäumchen wech-
auf das Bäumchen ein lautes „Mon
Monate mit der Gestaltung der Beine.
selte für eine lächerliche Summe den
Dieu“ folgen zu lassen. Rasch war man
Schlussendlich brannte er ein „B“ in
Besitzer, um fünf Monate später, von
handelseinig und noch Jahre später
das filigrane Gestell, setzte die Kasset-
vier Männern bewacht, von unzähli-
erzählte der Bauer Recheliere im Gast-
te darauf, und als er weitere vier Mona-
gen Schaulustigen, Kameraleuten und
haus von dem Narren aus Paris, der ihm
te später dem König das Geschenk
Fotografen beäugt, auf einem seidenen
für ein kerzengerades Bäumchen den
überreichte, geschah etwas Seltsames.
Tischtuch im größten Saal zu liegen,
Gegenwert einer Kuh, eines Kapauns
Lange betrachtete der König das Käst-
den das Auktionshaus zu bieten hatte.
und zweier Ziegen bezahlt hatte.
chen, strich versonnen über die Bei-
stehen, der Andre´-Charles Boulle ent-
ne des Gestells und begann dann leise
Dann hörte das Bäumchen zum zwei-
Das dünne Bäumchen, das eigentlich
zu weinen. Von da an war Boulle ein
ten Mal in seinem Leben drei aufein-
kein Bäumchen war und Herrn Boulle
bekannter Mann.
um mindestens das Dreifache überrag-
anderfolgende Schläge, und ganz wie
damals hauchten ihm diese drei Schlä-
te, war sich seiner Wirkung durchaus
Der ehemalige Baum platzte vor Stolz,
bewusst. Es trotzte starkem Wind und
auch als der König starb, dann sein
anderen Naturgewalten, wich Blitz-
Urenkel, der nächste Erbe des Reiches,
Applaus brandete auf und das Bäum-
schlägen aus. Eines Tages holte Herr
den man „den XV.“ nannte und selbst
chen, das keines mehr war, widerstand
Boulle eine kleine Axt aus dem Wagen.
noch als man den Enkel des XV., den
wie seinerzeit, als es dem Wind trotzte,
Nun schlug er mit geübter Hand genau
XVI. vom Kopf befreite.
der unterwürfigen Versuchung, sich vor
dreimal gegen den Stamm, mit exakt
ge wieder neues Leben ein.
einer fremden Kraft zu verbeugen.
drei Schlägen löste er den Baum vom
Dann ging alles sehr schnell. Das vom
Boden, hob ihn auf und streichelte sanft
Baum zum Kästchen geadelte Geburts-
über seine Rinde.
tagsgeschenk wurde aus seinem vertäfelten Zimmer gerissen, durch Staub
Wer glaubt, Herr Boulle hätte nun dem
und Schlamm geschliffen und auf einen
Baum das Leben genommen, irrt.
Dachboden geworfen. Der verwandelte
Karl Hohenlohe ist Moderator,
TV-Gestalter, Kolumnist und
Herausgeber des Restaurantführers
„Gault Millau“. Für ORF III moderiert
Hohenlohe unter anderem die
Sendung „Was schätzen Sie?“.
Die beiden privat geführten 5* Superior Hotels Sacher Wien und Sacher Salzburg befinden sich direkt im Herzen
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CONTACTS
78
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CONTACTS
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Dorotheum
T ER M INE
Kommende Auktionen im Dorotheum
Münzen, Medaillen und Papiergeld Mi/Do, 20./21. November 2013
Briefmarken
Möbel, Skulpturen und
Antiquitäten
Mi/Do, 9./10. Oktober 2013
Mo, 14. Oktober 2013
Orden und Auszeichnungen
Fr, 22. November 2013
Kunst und Antiquitäten, Prag
Sa, 23. November 2013
Silber
Mo, 25. November 2013
Uhren
Mo, 25. November 2013
Alte Meister
Di, 15. Oktober 2013
Zeitgenössische Kunst
Di, 26. November 2013
Juwelen
Mi, 16. Oktober 2013
Jugendstil und angewandte
Gemälde des 19. Jahrhunderts
Mi, 16. Oktober 2013
Kunst des 20. Jahrhunderts
Klassische Fahrzeuge und
Automobilia
Historische Waffen, Uniformen,
Militaria
Meisterzeichnungen, Druckgraphik
bis 1900, Aquarelle u. Miniaturen
Sa, 19. Oktober 2013
Mi, 23. Oktober 2013
Do, 24. Oktober 2013
Antiquitäten – Skulpturen, Uhren,
Metallarbeiten, Fayencen,
Mo, 28. Oktober 2013
Volkskunst, Varia
Bücher
Moderne und Zeitgenössische
Druckgraphik
Di, 29. Oktober 2013
Mi, 6. November 2013
Klassische Moderne und
Zeitgenössische Kunst
Di, 26. November 2013
Mi, 27. November 2013
Klassische Moderne
Mi, 27. November 2013
Juwelen
Do, 28. November 2013
Briefmarken
Mo/Di, 2./3. Dezember 2013
Autographen
Mi, 4. Dezember 2013
Glas und Porzellan
Mo, 9. Dezember 2013
Bauernmöbel
Di, 10. Dezember 2013
Alte Meister
Di, 10. Dezember 2013
Ölgemälde und Aquarelle d. 19. Jh.
Mi, 11. Dezember 2013
Bücher
Do, 12. Dezember 2013
Design
Do, 7. November 2013
Spielzeug
Mi, 18. Dezember 2013
Modeschmuck
Fr, 8. November 2013
Möbel, dekorative Kunst, Teppiche
Do, 19. Dezember 2013
Jagd-, Sport- und Sammlerwaffen
Sa, 9. November 2013
Moderne und Zeitgenössische Kunst Do, 19. Dezember 2013
Historische wissenschaftliche
Musikinstrumente
Fr, 20. Dezember 2013
Instrumente und Globen, klassische Mo, 11. November 2013
Fotoapparate und Zubehör
Internationale EXPERTENBERATUNGSTage
Brüssel, 23. und 24. Oktober 2013
Termin nach Vereinbarung: Wilfried van Gaver, Laura De Beir
Tel. +32-2-514 00 34
bruessel@dorotheum.be
Düsseldorf, 6. November 2013
Termin nach Vereinbarung: Cordula Lichtenberg
Tel. +49-211-210 77 47
duesseldorf@dorotheum.de
München, 30. Oktober 2013
Termin nach Vereinbarung: Michaela Motz
Tel. +49-89-244 434 73-0
muenchen@dorotheum.de
Mario Schifano
Incidente, 1963, Detail, Gesamtbild siehe S. 51
Lack auf Papier auf Leinwand, 200 x 200 cm
Schätzwert € 100.000 – 150.000
Auktion Zeitgenössische Kunst, 26. – 27. November 2013