Schifffahrt 2014-3 - Fachbereich Verkehr
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Schifffahrt 2014-3 - Fachbereich Verkehr
Fachbereich Verkehr 03 |2 SCHIFFFAHRT d e r v e r.d i - R e p o r t 01 4 Den Verlust von Arbeitsplätzen für deutsche Seeleute STOPPEN! Schifffahrtspolitische Forderungen der Gewerkschaft ver.di zielen auf wirksame Sofortmaßnahmen zur Stärkung der Beschäftigung deutscher Seeleute Es kommt nicht alle Tage vor, dass sich ein Gewerkschaftsvorsitzender und das für das Ressort zuständige ver.di-Bundesvorstandsmitglied an den Bundesverkehrsminister, den Maritimen Koordinator der Bundesregierung, an die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Küstenanbindung und die Bürgermeister der Hansestädte Hamburg und Bremen wenden. Doch jetzt ist es der Fall. Die Dramatik der Lage gebietet es. Es geht um nicht mehr oder weniger als die Zukunft für deutsche Seeleute unter deutscher Flagge. „Spätestens seit 2008 befindet sich die Seeschifffahrt unter deutscher Flagge in einer dauerhaften Krisensituation“, heißt es in dem Brief an die Politiker. „Die Versu che, durch eine Änderung des Flaggen rechtsgesetzes und die Einrichtung der Stiftung ‚Schifffahrtsstandort Deutschland‘ im Jahre 2012 diesen Trend zu stoppen bzw. umzukehren, sind misslungen“, schätzt ver.di ein. „Die Folgen dieser Ausflaggung bekom men vor allem die deutschen Seeleute zu spüren, die ihre Arbeitsplätze verlieren, aber auch die Absolventen der Seefahrt ausbildungsstätten der Küstenländer, die nach Abschluss ihres Studiums keine An stellung als nautische oder technische Wachoffiziere finden, um mit der internati onal vorgeschriebenen Erfahrungsseefahrt zeit ihre Ausbildung abzuschließen. Das aktuellste Beispiel ist die Reederei NSB in Buxtehude, die auf Druck von Emis sionshäusern auf einen Schlag zum Jahres ende 38 Schiffe ausflaggen wird, sofern keine Maßnahmen zur Kostenverbesserung umgesetzt werden“ (siehe Seite 3). Den Briefschreibern geht es darum, das Augen merk der politisch Verantwortlichen „auf den Erhalt von Arbeitsplätzen für unsere verbliebenen deutschen bzw. inländischen Kolleginnen und Kollegen zu legen. Bereits heute wird die Schifffahrt stark subventio niert. Nach unserer Auffassung müssen die bestehenden Subventionen in nachhaltige Beschäftigung zugunsten der deutschen Seeleute umgesteuert werden. 1. Erhöhung des Lohnsteuereinbehalts von 40 Prozent auf 100 Prozent, wie das von der entsprechenden EU-Richtlinie (State Aid Guidelines) für den Abschluss bzw. den Erhalt unbefristeter Arbeitsverträge auf Schiffen deutscher Flagge zugelassen ist. 2. Umsetzung der möglichen 100prozentigen Beitragsfreistellung für alle Lohnnebenkosten, so wie es die EU in den „State Aid Guidelines“ für zulässig erklärt. Voraussetzung dafür müssen unbefristete Arbeitsplätze sein. 3. Bindung der Tonnagesteuer an die deutsche Flagge, mindestens aber an die Beschäftigung von inländischen Seeleuten und die Anwendung der deutschen Schiffsbesetzungsverordnung. 4. Die für Ende 2016 vorgesehene Überprüfung der Wirksamkeit des 2012 geänderten Flaggenrechtsgesetzes ist vorzuziehen auf das erste Quartal 2015, spätestens aber zum 30. Juni 2015. Ab sofort darf es keine Verlängerungen für eine Ausflaggung unter Bareboat-Charter nach Ablauf von zwei Jahren mehr geben. 5. Beibehaltung der Ausbildung zum Schiffsmechaniker. Die Position des Schiffsmechanikers muss in der Schiffsbesetzungsverordnung veran- Das Ausflaggen und damit verbunden der Rückgang der Zahl deutscher Seeleute wirkt sich direkt auf die unterschiedlichen Zweige der Sozialversicherung aus, so brechen in der Berufsgenossenschaft Verkehr große Beitragssummen weg“ (siehe Seite 5). „Wegen des rasant verlaufenden Verlus tes von Arbeitsplätzen auf See und an Land fordert ver.di umgehend folgende Maßnah men von der Politik (siehe Kasten). Die genannten Forderungen seien „wirk same Sofortmaßnahmen, die kurzfristig zum Erhalt der Beschäftigung deutscher Seeleute und des maritimen Clusters umgesetzt wer den müssen“, heißt es in dem Schreiben. kert bleiben. Die auf EU-Bürger ab gestellten Besetzungsvorschriften sind zu ersetzen durch den Anspruch, „Seeleute mit Wohn- und Lebensmittelpunkt in Deutschland“ zu beschäftigen. 6. Einwirken auf die Stiftung „Schifffahrtsstandort Deutschland“: zur Erhöhung der Ablösebeträge für das Ausflaggen auf mindestens das Doppelte der bisherigen Beträge. Vorrangige Beschäftigung und Förderung von Absolventen der Seefahrtausbildungsstätten. 7. Die zeitlich befristete Befreiung für Erlöspools der Reeder von der Versicherungssteuer muss dauerhaft fortgeführt werden. Die sonst ab 2016 fällig werdenden Millionenbeträge sind im Interesse der Standort- und Beschäftigungssicherung zu vermeiden. 8. Umweltanforderungen und energiesparende Techniken fordern Umbauten und Investitionen. Hierfür sollten zinslose KfW-Darlehen gewährt werden. Sofern entsprechende Darlehen genutzt werden, dürfen diese nur gewährt werden, wenn eine Mindestbindungsdauer an die deutsche Flagge bzw. die Beschäftigung von inländischen Seeleuten für zehn Jahre garantiert wird. Die ver.di-Forderungen haben das Ziel, „die Attraktivität der deutschen Flagge zu stärken. Mit der Umsetzung dieser For derungen würden Schiffe unter deutscher Flagge wieder konkurenzfähiger mit an deren europäischen Schifffahrtsnationen werden, in denen eine vergleichbare oder eine weitergehende Förderung stattfin det“. Die Dramatik der Situation für die See leute und den seemännischen Nachwuchs gebiete es, auf Maßnahmen für eine kurz fristige Abhilfe im Interesse der Branche hinzuarbeiten. ver.di macht dazu ein um fassendes Gesprächsangebot. INTERVIEW Boombranche mit Webfehlern Fast zwei Jahre war er in Sachen Flusskreuzfahrt für ITF und ETF an Rhein, Donau und anderen Flüssen mit einem Camper unterwegs und ging möglichst oft an Bord: Schwarze und weiße Schafe fand Werner Kiepe vor. Bei Gesprächen mit Crew-Mitgliedern ging es vor allem um Bezahlung, Überstunden und soziale Absicherung. Seite 2 AKTUELLES Austauschkündigung für alle FOTO: NSB Bei der Niederelbe Schiffahrtsge sellschaft in Buxtehude (NSB) ste hen die Zeichen auf Sturm: Alle 470 deutschen und EU-Seeleute, die die Bereederungsgesellschaft noch beschäftigt, sind den tonan gebenden Fondsauflegern zu teuer, Sie sollen gegen preiswertere „ausgetauscht“ werden. Der See betriebsrat versucht, das auch fünf nach Zwölf noch zu verhindern. Seite 3 BALTIC WEEK Austausch und Solidarität Die „Baltic Week of Action 2014“, die diesjährige Aktionswoche ge gen Billigflaggen und für gute Arbeitsbedingungen der Seeleute in der Ostsee, war ein Erfolg. In deutschen Ostseehäfen kontrol lierten Seeleute, Hafenarbeiter und ITF-Inspektoren mehr als 50 Schif fe. Austauschpartner waren dies mal estnische Gewerkschafter. Ein ITF-Trupp berichtet aus Tallin. Seite 6 PANORAMA MS Deutschland wieder flott? Das ZDF-Traumschiff, die MS Deutschland, befand sich seit län gerem finanziell in schwerer See. Nun mussten die Betreiber des Tra ditionsschiffs Insolvenz anmelden. Wir berichten von Versuchen, In vestoren zu finden und das letzte unter deutscher Flagge fahrende Kreuzfahrtschiff wieder flott zu be kommen. Seite 8 Diskussion mit einem klaren Ziel 38 Schiffe stehen bei NSB zur Ausflaggung an. Was passiert da? – Die Besitzer der Schiffe aus München geben dem Bereederer NSB auf, dass die Kosten für die deutschen Seeleute eingespart werden sollen. Die dra matische Folge: Entlassungen, die unsere Kollegen im Seebetriebsrat von NSB zu Ver handlungen über einen Sozialplan zwingen. Das Beispiel macht deutlich, wo die Schifffahrt aktuell steht: Nach dem Boom durch die Förderung von Schifffahrtsfonds der Banken in den Jahren bis 2008 wurden enorme Geldmengen in die Schifffahrt ge lenkt. Sie machen einen großen Teil der deutschen Wachstumsgeschichte in der Seeschifffahrt aus. Bei dieser Förderung ging es nicht um Beschäftigung und nicht um Seeleute, nicht um Arbeitsplätze und nicht um Ausbildung. Sondern um Geldan lagen und Renditen der Banken. ver.di verlangt mit seinen schifffahrtspoli tischen Forderungen eine Umkehr: Wir wol len, dass künftig die Beschäftigung deut scher und inländischer Seeleute in den Mittelpunkt der Förderung gerückt wird und natürlich der Erhalt der Ausbildung des seemännischen Nachwuchses. Unser Vorschlag wird in der maritimen Fachöffentlichkeit für Stirnrunzeln und Zu stimmung, vor allem aber für Diskussionen sorgen – das wollen wir. Wir wollen darü ber reden, wie unsere Kolleginnen und Kol legen dauerhafte Arbeitsplätze auf Schiffen erhalten, wir wollen, dass die Ausbildung unserer jungen Kollegen nicht ins Leere geht, sondern zu zukunftsfähiger Arbeit in einem gesicherten Umfeld führt! Die Politik betont, welche Bedeutung das maritime Cluster für unser Land hat. Wenn es also auch um nachhaltige Ver sorgungssicherheit geht und um die deut sche Exportwirtschaft, so müssen weitere Schritte zur Unterstützung der Ausbildung und Beschäftigung deutscher oder inländi scher Seeleute gegangen werden. Allerdings muss das verbunden sein mit einer Zusage der Reeder für verbindliche Beschäftigung deutscher oder inländischer Seeleute. Und wir wollen keine Ausreden hören, wie wir es bei der zugesicherten Anzahl der Schiffe unter deutscher Flagge erlebt haben. Wir wollen eine verbindliche Zusage für Beschäftigung – nur dann ist mit uns über weitere Subventionen zu re den! Das ist der Maßstab, den wir als die Seeleute-Gewerkschaft anlegen. Christine Behle Mitglied des ver.di-Bundesvorstandes CHRISTINE BEHLE, MITGLIED DES VER.DIBUNDESVORSTANDES | FOTO: DIE HOFFOTOGRAFEN 2 MEINUNG FACHBEREICH VERKEHR 03 | 2014 EDITORIAL Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Einen großen, wenig beachteten Erfolg konnte ver.di am 5. September in Bremer haven im Rahmen der Baltic Week verbu chen – unser ITF-Koordinator Ruud Touwen konnte Lohnforderungen in Höhe von rund 850.000 US-Dollar für die Crewmitglieder eines Kreuzfahrtschiffes sichern. Ein großartiges Ergebnis beharrlicher Arbeit, das für die Lebensbedingungen der Seefahrer und ihrer Familien eine wichtige Absicherung ist! Unser internationaler Zu sammenhalt in der ITF hat dieses tolle Er gebnis ermöglicht, die Zusammenarbeit der Hafenarbeiter und der Seeleute war erfolgreich. Ich glaube, wir können kaum ermessen, welche Bedeutung die Einkommenssiche rung für die Seeleute fern der Heimat hat. Und es ist gut, dass unser internationales Zusammenstehen in der ITF es unseren Kol legen aus fernen Ländern möglich macht, besser leben zu können. Für mich war die Baltic Week die Fort setzung des positiven Erlebnisses auf dem ITF-Kongress in Sofia. Schon dort habe ich gedacht, dass der Zusammenhalt und das Ringen um g emeinsame Lösungen immer praktisch orientiert war. Mir hat gut gefal len, dass die Diskussionen dort immer die Menschen vor Augen gehabt haben. Und an der Ostsee habe ich es dann wieder praktisch erlebt: In Bremerhaven wurde ein Schiff der Reederei Rickmers festgelegt – das Unternehmen wollte kei nen Tarifvertrag für die „John Rickmers“ unterschreiben. Die Verfahren des Arbeit gebers gegen ver.di liefen ins Leere, der Reeder hat in der Folge Tarifverträge und damit geregelte Zahlungsbedingungen für die Seeleute auf weiteren Schiffen unter Maritimes Knowhow erhalten! zeichnet. Ohne die vielen Hundert ver.diMitglieder im Hafen hätte dies nicht funk tionieren können. Innerhalb der Bundesfachgruppe lag der Schwerpunkt in der Entwicklung umfassen der schifffahrtspolitischer Forderungen, um gegenüber der Politik sprechfähig zu blei ben. Derzeit bereiten wir uns auf die Nati onale Maritime Konferenz vor, die im Herbst 2015 stattfinden wird. Die Situation für unsere Kolleginnen und Kollegen ist in verschiedenen Artikeln in der „Schifffahrt“ beschrieben. Unsere For derungen an die Politik haben das Ziel, Aus bildung und Beschäftigung zu sichern. Uns geht es nicht um höhere Renditen der Fondsgesellschaften, uns geht es um das Leben an der Küste, in den Hafenstädten und um das Maritime Know-how in Deutsch land, das nicht verloren gehen darf. Ich habe viele Antrittsbesuche gemacht, sie sind noch lange nicht beendet. Aber auch hier gab es Anregungen und Hinwei se, die für unsere Arbeit in der einen oder anderen Weise nützlich sind. Ihr seht also: Meine ersten 100 Tage sind fast um, sie waren ereignisreich und spannend. Ich habe viel über die Seefahrt und ihre Bedin gungen gelernt; allen, die ein offenes Ohr für meine vielen Fragen hatten und mir geholfen haben, möchte ich nochmals ganz herzlich danken. Das war Solidarität KLAUS SCHROETER | FOTO: PRIVAT im besten Sinne: Gemeinsam Unterhaken und Zusammenstehen, um die Zukunft zu gestalten. In diesem Sinne wünsche ich frohe Weihnachten und alles Gute für Euch und Eure Familien. Klaus Schroeter INTERVIEW Boombranche mit Webfehlern Schwarze Schafe, weiße Schafe: ITF-Inspektor für Flusskreuzfahrten erzählt Zwei Jahre lang folgte er den Flüssen: Werner Kiepe war vom 1. November 2012 bis zum 31.Oktober 2014 als ITF-Inspektor zuständig für die Le bens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten auf europäischen Fluss kreuzfahrtschiffen. Zurück in Düssel dorf berichtet er von den Zielen, Er gebnissen und Zukunftsaussichten der Rivercruise Campaign. Die Rivercruise Campaign war eine Ge meinschaftsaktion von ETF und ITF? Werner Kiepe | Ja, die Projektkoordina toren, die solche Projekte genehmigen müssen, arbeiten bei der ITF. Und da es um die Flusskreuzfahrten in Europa ging, war die ETF mit im Boot. Gab es einen konkreten Anlass für das Projekt? Werner Kiepe | Flusskreuzfahrten haben in den letzten Jahren einen enormen Boom erlebt – mittlerweile fahren auf den euro päischen Flüssen ca. 330 Kreuzfahrtschiffe. Das war der Grund, weshalb sich ETF und ITF gesagt haben, dass sie die Entwicklung der Branche begleiten müssen. Entspre chend wurde das Projekt für die Fluss kreuzfahrtschiffe aufgelegt – zunächst für zwei Jahre. Wie kamst Du selbst zur Rivercruise Campaign? Werner Kiepe | Wenn so etwas im Busch ist, guckt man sich um, wer dafür Interesse haben könnte und wer die nötige Erfah rung mitbringt. Und weil ich seit über 15 Jahren für die Binnenschifffahrt zustän dig bin und auch die Flusskreuzfahrts branche kannte – wir hatten da in der Ver gangenheit schon die eine oder andere Aktion gestartet – fiel der Blick auf mich. Auf welchen Flüssen tummeln sich die Kreuzfahrtschiffe? Werner Kiepe | Die wichtigsten Flüsse sind eindeutig der Rhein und die Donau. Das höchste Passagieraufkommen ver zeichnet die Strecke von Amsterdam bis zum Schwarzen Meer, sie ist verbunden durch den Rhein-Main-Donau-Kanal. Teil weise wird auch die Elbe bereist, allerdings ist dort vielfach der Wasserstand zu nied rig. Außerdem befahren die Schiffe in Deutschland auch die Mosel und den Neckar, in Frankreich ist vor allem auf der Rhone viel los. Wie liefen Deine Schiffsbesuche ab? Werner Kiepe | Aufgrund von Schiffs meldelisten, die man zum Teil auch im In ternet findet, wusste ich, wann und wo welches Schiff festmacht. Nach einem ge nauen Plan konnte ich also an den euro päischen Anlegestellen präsent sein. Vorab wurden die Unternehmen und die Beschäf tigten über mein Kommen informiert. Auf den Flüssen gibt es schwarze und weiße Schafe, sie sind allerdings oft nicht ohne Weiteres zu erkennen – manch ein schwarzes Schaf tummelt sich im Halbdun kel und muss erst gefunden werden. Aus meiner Erfahrung wusste ich aber meist, ob mein Besuch willkommen war und wo man mich lieber nicht an Bord gesehen hätte. So durfte ich beispielsweise die Schiffe von Ama Waterways, Scylla und Sea Chefs nur nach vorheriger Anmeldung und in Begleitung eines Vertreters der Ge schäftsführung betreten. Das wirkt faktisch wie ein Zugangsverbot, weil dann kein Besatzungsmitglied offen mit mir spricht. In solchen Fällen hast Du Dich dann mit dem Camper in Sichtweite pos tiert und darauf gewartet, dass die Crew-Mitglieder zu Dir kommen? Werner Kiepe | Ja, mit dem Camper, der seit März 2014 im Einsatz war, wurde vieles leichter. Wir hatten uns zuvor gefragt, wie wir unsere Präsenz deutlicher machen kön nen. Der Camper sollte möglichst von den Schiffen aus gut zu sehen sein. Auf dem Wohnmobil prangten deutlich die Embleme von ETF und ITF, der Leitspruch „Better Jobs for all“ und die Webadresse „www.etfrivercruise.eu“. Das sollte zeigen: „Wir sind hier, wir sind für euch da.“ Hatten die Crew-Mitglieder Angst, mit Dir Kontakt aufzunehmen? Werner Kiepe | Leider war das oft der Fall. Im Hotel-Restaurant-Catering-Bereich (HoReCa) hatte ich vorwiegend mit osteu ropäischen oder asiatischen Crew-Mit gliedern zu tun. Wenn ich denen Infomate rial überreicht und versucht hatte, in der Crew-Messe mit ihnen zu sprechen, haben sie mir höflich zugehört. Diskutiert haben sie jedoch kaum mit mir – Offenheit ist rar, wenn entweder der Kapitän oder der Hotelmanager stets in der Nähe sind. Wie war die sprachliche Verständi gung? Werner Kiepe | Auf dem Rhein ist nach europäischem Binnenschifffahrtsrecht die Flusssprache Deutsch, Holländisch oder Französisch. Im HoReCa-Bereich wird meist Deutsch oder Englisch gesprochen. Auf Englisch kann man sich insgesamt gut ver ständigen. WERNER KIEPE | FOTO: PRIVAT Wie viele Beratungen hast Du durch geführt? Werner Kiepe | Mit wie vielen Menschen insgesamt ich gesprochen habe, kann ich nicht sagen, aber die sogenannten Calls for Help, die telefonisch oder per E-Mail ein gehen, werden festgehalten. Im letzten Jahr waren es 23 Calls, aufgrund derer ich tätig geworden bin. Mal ging es dabei um das individuelle Problem einer Person, mal um die kollektiven Schwierigkeiten einer ganzen Mannschaft. Hohe Wellen hat beispiels weise der Fall des Schiffes „Serenade 2“ geschlagen. Dort hat die holländische Crew ing Agentur die komplette Besatzung nicht bezahlt. Nachdem ich einen großen Teil der Crew organisiert hatte, konnten wir den Druck auf den Eigner so verstärken, das letztlich die ausstehenden Heuern von über 43.000 Euro bezahlt wurden. Mit welchen Problemen der Crew warst Du hauptsächlich konfrontiert? Werner Kiepe | Das war zum einen die in der Flusskreuzfahrtbranche generell nicht gerade üppige Bezahlung. Das Thema Entlohnung ist jedoch recht ambivalent: Wenn eine chinesische Küchenhilfe im Monat 350 Euro verdient, ist das unter Umständen für sie „sehr viel“, wenn sie damit nach China zurückkehrt. Für ein westeuropäisches Crew-Mitglied ist das hingegen fast nichts. Im Schnitt erhalten das Kabinenpersonal und die Kellner mo natlich 600 bis 800 Euro. Damit kann man vielleicht im ländlichen Rumänien über die Runden kommen, aber schon in Buka rest funktioniert das nicht mehr. Die Bezahlung ist also das Haupt problem? Werner Kiepe | Nicht unbedingt. Die Leute kommen ja zum großen Teil aus ost europäischen Ländern, wo es für sie auf dem Arbeitsmarkt gar keine Alternative gibt. Immerhin kommen zur Grundbe Sind die Crews eigentlich vorwie zahlung ja in der Regel noch Trinkgelder hinzu – je nachdem, was für Passagiere gend männlich? Werner Kiepe | Nein, das kann man so an Bord sind, können das nochmals 200 nicht sagen. Zwar sind die Männer in der bis 400 Euro zusätzlich sein. Schwierig ist jedoch vor allem die sozia Mehrheit, aber vor allem im HoReCa- le Absicherung: Mit den geringen Löhnen Bereich arbeiten auch recht viele Frauen. lassen sich nur sehr bescheidene Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungs ansprüche erwerben. Auch die Frage, wel ches Sozialrecht für die Crew-Mitglieder jeweils gilt, ist wichtig – ob jemand nach deutschem, niederländischem oder zyp rischem Recht abgesichert ist, macht große Unterschiede aus. Das größte Problem waren in letzter Zeit die Überstunden. Besonders im HoRe Ca-Bereich sind überlange Arbeitszeiten üblich. Oft steht im Arbeitsvertrag ein Achtbis-zehn-Stunden-Tag – schließlich soll ja alles schön mit dem EU-Recht konform ge hen. Darüber hinaus werden jedoch viele Überstunden geleistet, ein 16-Stunden-Tag ist im HoReCa-Bereich nicht selten. Viele arbeiten quasi eine zweite Schicht! Und die wird oft nicht bezahlt. Das geht soweit, dass teilweise die von den Arbeitnehmern korrekt ausgefüllten Arbeitsstundenzettel von den Restaurantleitern bzw. den Hotel managern geändert werden. Im nautischen Bereich sieht es etwas besser aus, aufgrund des europäischen Binnenschifffahrtsrechts kommt es in der Regel nicht zu Arbeitszeitüberschreitun gen, dort wird durchaus auch öfter von der Wasserschutzpolizei kontrolliert. Was lässt sich tun, um die Arbeits bedingungen zu verbessern? Werner Kiepe | Eines unser Ziele war ja, dass die Beschäftigten überhaupt merken: Jemand interessiert sich für ihr Schicksal. Viele der aus Osteuropa stammenden Ar beitnehmer kennen freie Gewerkschaften gar nicht. Aber auch für viele Westeuropäer ist es ein Novum, dass sich jemand um ihre Belange kümmert. Es ging uns also erst mal darum, in der Branche bekannt zu werden und den klassischen gewerkschaft lichen Ansatz einer „Hilfe zur Selbsthilfe“ in den Köpfen zu verankern. Zum anderen geht es natürlich auch um Lobbyarbeit bei den Arbeitgebern. Auch die sollen merken, dass es eine Organisation gibt, die nah an den Beschäftigten ist und sich zuständig fühlt. Die Arbeitgeber sollen wissen, dass wir sie im Auge haben. Erklärte Absicht war es, mit den Unternehmen Ver einbarungen zu treffen. Diesbezüglich ha ben wir noch nicht sehr viel erreicht, aber es war klar, dass es dafür einen langen Atem braucht. Die ersten Schritte sind getan, beispielsweise werden derzeit mit Arosa Gespräche über Vereinbarungen geführt. Der dritte Punkt ist die politische Lob byarbeit. Sie richtet sich meist an die Zentralkommission Rhein in Straßburg, die sich mit allen möglichen, die Binnenschiff fahrt betreffenden Fragen befasst. Dort sitzen Vertreterinnen und Vertreter von Ar beitgebern und Arbeitnehmern sowie Dele gierte aus den zuständigen Ministerien der Nationalstaaten. In diesem Gremium können Probleme diskutiert und Verträge geschlossen werden, die dann später in EU-Richtlinien einfließen. So läuft dort bei spielsweise derzeit ein EU-Gesetzgebungs verfahren zur Arbeitszeit. Alles in allem kann man sagen, dass sich durchaus etwas bewegen lässt. Auch hier gilt: Steter Trop fen höhlt den Stein. Wird das Projekt weitergeführt? Werner Kiepe | Ja, es sieht danach aus. Im Moment wird bei der ETF über das „Wie“ diskutiert. Aber die einhellige Meinung lautet: Jetzt aufzuhören, wo es anfängt zu laufen, ist nicht sinnvoll. Jetzt müssen erst einmal Projektmittel bei der ITF beantragt und ein Nachfolger für mich gefunden werden. DIE FRAGEN STELLTE: UTE C. BAUER IMPRESSUM Der ver.di-Report Schifffahrt Nr. 3, Dezember 2014 Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) Bundesvorstand: V.i.S.d.P.: Frank Bsirske, Christine Behle Koordination: Klaus Schroeter Redaktionelle Bearbeitung: Ute Christina Bauer, Helma Nehrlich (transit berlin.pro media) www.pressebuero-transit.de Redaktionsanschrift: ver.di-Bundesverwaltung Fachbereich Verkehr Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin Layout, Satzerstellung: VH-7 Medienküche GmbH Kreuznacher Straße 62, 70372 Stuttgart, www.vh7-m.de Titelfoto Seite 1: istockphoto.com Druck: apm AG Darmstadt, Kleyerstraße 3, 65295 Darmstadt www.alpha-print-medien.de Der ver.di-Fachbereich Verkehr ist auch im Internet zu finden: www.verdi.de/verkehr AKTUELLES 3 SCHIFFSFÜHRUNGS-SIMULATOR IN DER NSB ACADEMY FOTOS (4): REEDEREI NSB FACHBEREICH VERKEHR 03 | 2014 Abgemustert Austauschkündigungen für alle Gehaltsverzicht und Renditeerwartung Die Zuspitzung sei nicht über Nacht gekommen, sondern als „schleichender Prozess“, erklären die Seebetriebsräte. Sie haben sich beraten – mit Beschäftigten, mit ver.di, mit dem Arbeitgeber. Gemein sames Ziel: „Möglichkeiten zur Weiterbe schäftigung von deutschen und europäi schen Seeleuten zu prüfen und einen Rahmen zu schaffen, mit dem die Wett bewerbsfähigkeit des Unternehmens dau erhaft gesichert werden kann.“ Dabei war die Arbeitnehmerseite schon in Vorleistung gegangen. Mit einem Be schäftigungssicherungstarifvertrag wurde seit 2012 auf Gehalt verzichtet. „Wir woll ten Arbeitsplätze halten und das Unterneh men retten“, begründet Seebetriebsrats vorsitzender Andreas Näser. Es hat letztlich nichts genützt. Zum 31. Oktober hat NSB die Vereinbarung gekündigt. Es gelten wie der der HTV See und der alte Tarifvertrag. Froh ist darüber niemand. Die Lage spitzt sich eher noch zu. Klar, es gibt seit Länge rem ein Tonnage-Überangebot, Charter raten sind dadurch nicht auskömmlich, keine Änderung in Sicht. Fakt ist auch, dass immer größere Containerriesen die kleine ren Schiffe unwirtschaftlich machen und vom Markt verdrängen. Hinzu kommt: „Man erklärte uns ständig, wir sind zu teuer“, stöhnt der NSB-Seebetriebsratsvor sitzende. Die deutsche Flagge mit ihrer Besetzungsvorschrift von fünf deutschen oder europäischen Seeleuten ist im Ver gleich um 1250 US-Dollar pro Tag teurer. Eine Bereederungsgesellschaft wie die Buxtehuder rechnet vor allem mit den Per sonalkosten. Da rächt sich, dass Deutsch land die EU-Leitlinien, die die vollständige Befreiung der Seeleute und Reeder von den Steuern und Sozialabgaben gestattet, nicht zu 100 Prozent umgesetzt hat. Ande re EU-Länder nutzen diese Möglichkeit der Förderung ihrer Reeder und der Beschäftig ten schon seit Jahren in vollem Umfang, das bringt ihnen erhebliche Kostenvorteile. Nun sieht besonders der Fondsaufleger CONTI aus München, der NSB-Mehrheits eigner, seine Renditeziele davonschwim men: Seht zu, dass ihr die Kosten senkt!, verlieren die Finanziers die Geduld. Der Verkauf von Schiffen oder zumindest das Ausflaggen scheint so die einzige Alterna tive. „Mit tiefer Sorge“ sieht Nina Lepper, die ver.di-Sekretärin Schifffahrt in Bremen, dass die Einschiffsgesellschaften nun den „kompletten Ausstieg aus der deutschen Flagge nicht nur planen, sondern dass die Entscheidung bei NSB einen Dominoeffekt bringt“. „Alle 470 deutschen und EU-Seeleute sollen nun so schnell wie möglich weg“, bringt Andreas Näser das Dilemma auf den Punkt. „Austauschkündigungen“ stünden an, denn die Arbeitsplätze auf den Schiffen fallen ja nicht weg, sie sollen nur von preiswerteren Seeleuten eingenom men werden. Eine reine Kosten-NutzenRechnung. Welches Tempo angeschlagen wird, wissen die Betriebsräte noch nicht. Sie wollen den Prozess natürlich hinaus zögern, versuchen immer noch, auch in der Politik Verbündete zu finden. Denn sie sehen sich auch als „Versuchsballon“ für andere Reedereien, wo es noch deutsche Seeleute gibt. Sie alle müssten bei den Lohnnebenkosten entlastet, die nach EURecht genehmigten Beihilfen vollständig ausgenutzt werden. „Der Zug war eigent lich schon abgefahren, als 1997 die Tonna gesteuer nicht an die deutsche Flagge, sondern ans Register gekoppelt wurde“, wirft Näser der Politik vor. Und Untätigkeit seit Jahren. Ob man den Bedarf erst nach Nieder holen von Schwarz-Rot-Gold „auf dem letzten deutsch geflaggten Seeschiff ermit teln“ wolle, fragen die NBS-Betriebsräte den Bundesverkehrsminister sarkastisch. Noch immer gäbe es Spielräume: Der bis her gewährte Lohnsteuereinbehalt von 40 Prozent zum Kostenausgleich für Schiffe unter deutscher Flagge könnte beträchtlich aufgestockt werden und den Reedereien zusätzlich zugute kommen. Für Entlastung bei den Lohnnebenkosten sollte umverteilt werden, auch mithilfe der „Stiftung Schiff fahrtsstandort Deutschland“. Die NSB- Interessenvertreter nutzen alle Gesprächs möglichkeiten, haben auch sämtliche FRITZ SCHARF | FOTO: PRIVAT Im Sommer gab es noch Fünkchen der Hoffnung. Reederei und die Seeleute gewerkschaft ver.di hatten sogar gemein sam an die Bundesregierung appelliert, für den Erhalt der deutschen Flagge auch poli tische Spielräume auszunutzen. Doch es geschah nichts. Ein von ver.di vorgeschla gener unabhängiger Wirtschaftsprüfer leg te im August seinen Bericht vor. Er forschte, was getan werden könne, der Niederelbe Schiffahrtsgesellschaft Buxtehude (NSB), eine der größten deutschen Bereederungs gesellschaften, wirtschaftlichen Auftrieb zu verschaffen. Doch er konnte am Ende nur bestätigen, was das Unternehmen selbst an Daten für seine „wirtschaftliche Not lage“ offenbarte: An sich gesund, aber bei den aktuellen Charterraten nicht kon kurrenzfähig, so die Diagnose. ANDREAS NÄSER | FOTO: PRIVAT Dabei waren die Buxtehuder bislang ein Fels in der Brandung, ein Rückgrat des ma ritimen Standorts und der deutschen Flag ge. 60 Container-, zwei Off-Shore-Schiffe und sechs Produktentanker gehören zur NSB-Flotte. 38 davon fahren noch unter deutscher Flagge. Von den 2700 Mitarbei tern auf See kommen noch 470 aus Deutschland und der EU; 200 Beschäftigte gibt es an Land. Und 48 Azubis. Mit der NSBacademy verfügt die Gesellschaft zu dem über eine eigene Weiterbildungsein richtung. SIEGFFRIED LÜDKTE | FOTO: PRIVAT Vier Seebetriebsräte (rechte Spalte) haben einen Brief an Bundesverkehrs minister Dobrindt geschrieben. Im ei genen Namen, in dem ihrer Kollegin nen und Kollegen und deren Familien. „Die Uhr zeigt schon nach zwölf und wir hängen über dem Abgrund“, heißt es darin. Sie hoffen auf positive Nach richten zu Weihnachten. Doch der Mi nister schweigt. REINHOLD STECHER | FOTO: PRIVAT Bei der Niederelbe Schiffahrtsgesellschaft (NSB) sollen die deutsche Flagge eingeholt und alle deutschen Seeleute ersetzt werden Landesregierungen mit Küstenzugang an geschrieben… Ansonsten aber bleibt ihnen nichts, als über Sozialplan und Interessenausgleich zu verhandeln. Jetzt in der Einigungsstelle. Die Verhandlungen gestalten sich sehr schwierig. Es geht um die soziale Abfede rung von Betroffenen, um Kosten und Zeit räume. Noch mehr als ein gutes Ergebnis wünschen sich die Betriebsräte allerdings, dass die Politik ihre Untätigkeit beendet, damit „deutsche Seeleute auf deutschen Schiffen generell wieder eine Zukunft und NEH berufliche Chancen bekommen“. 4 I N T E R N AT I O N A L E S FACHBEREICH VERKEHR 03 | 2014 Vorerst erfolgreich beendet Local IBF Negotiations for Germany Reach Successful Conclusion Lokale IBF-Verhandlungen für Deutschland abgeschlossen Die Verhandlungen zur Umsetzung des zentralen IBF-Verhandlungser gebnisses zwischen ver.di und IMEC (International Maritime Employer Council) für Schiffe deutscher Schiffs eigentümer (Banken, Reeder), die entsprechend Mitglied bei IMEC sind, fanden am 30. September und 1. Ok tober in London statt. Der Rahmen für die Forderungen der Gewerkschaft ver.di war durch den zentra len IBF-Verhandlungsprozess, der Anfang Juni in Indonesien beendet worden war, bereits gesetzt. Zur Erinnerung (wir informierten in der letzten Ausgabe): Neben einigen substan ziellen manteltarifvertraglichen Verände rungen konnte für die Jahre 2015 bis 2017 trotz anhaltender Schifffahrtskrise eine Heuererhöhung von insgesamt 6,5 Prozent erreicht werden. Nach zähen Verhandlungen bei der ITF in London stand das Ergebnis schließlich fest. Die AB (able seamen) beispielsweise werden in den nächsten Jahren insgesamt monatlich 52 Dollar mehr Heuer bekom men. Der ver.di-Verhandlungsführer Torben Seebold und Giles Heimann, sein Pendant auf der Reederseite, beschrieben das Ver handlungsergebnis als für beide Seiten „akzeptabel“. Seebold betonte in diesem Zusammenhang insbesondere, dass das Ergebnis auf der Seite der Seeleute von den Ländern getragen wird, die die Seeleute aus Ländern wie Philippinen, Ukraine, Russland oder Indien repräsentieren. Die Gewerkschaftsführer aus den ge nannten Ländern waren allesamt Mitglieder der internationalen ver.di-Verhandlungs kommission. „Das ist gelebte internationale Solidarität und ein starkes Zeichen an die Reederseite, die diesen Zusammenhalt während der Verhandlungen sozusagen rie The negotiations for implementing the results of central IBF negotiations between ver.di and the International Maritime Employers’ Council (IMEC), for ships belonging to German owners (banks and shipping companies) who are IMEC members, took place in London on 30 September and 1 October. FOTO: VH-7 chen konnte“, betont Seebold. Der Gewerk schafter, der nunmehr die Geschicke der Bundesfachgruppe Häfen lenkt und die maritime Arbeit für die ITF Deutschland koordiniert, dankte seinem Nachfolger Klaus Schroeter als Bundesfachgruppenlei ter Schifffahrt für sein besonderes Engage ment bei den Verhandlungen in London. Für Schroeter bedeuteten die Tarif-Ausein andersetzungen quasi den gelungenen Ein stand auf internationalem ITF-Parkett. Auf die Frage, ob die Arbeit damit erst einmal erledigt sei, antwortete Torben Seebold zurückhaltend, zugleich jedoch selbstbewusst: „Die Verhandlungen waren nur der Startschuss für die Hafenarbeiter und Seeleute in ihrer Entschlossenheit, den Reedern auch in Zeiten von MLC die Stirn zu bieten. Sie werden weiterhin gemeinsam weltweit für angemessene Arbeitsbedingun gen, faire Löhne und sichere Arbeitsplätze RED/TS an Land und auf See kämpfen.“ Solidarität wird GROSSGESCHRIEBEN ITF-Kontrolle im Seehafen Wismar FOTO: © HENRIK G. VOGEL/PIXELIO Es geschieht an einem Sonntagmor gen im November im Seehafen Wis mar: Kurz vor 8.00 Uhr macht der Frachter „Don 1“ am Liegeplatz 10 fest. Keiner der Beschäftigten im Wismarer Hafen ahnt zu diesem Zeit punkt, was an Bord los ist. Am nächsten Tag, dem 10. November 2014, nutzt ein Seefahrer die Chance, sich für einen Landgang von Bord zu schlei chen. Er meldet sich bei der Wasserschutz polizei und bittet dort um Hilfe, auch bei der ITF kann er anrufen. Der Seemann schildert die Situation an Bord der „Don 1” folgendermaßen: Seit drei Monaten habe der ukrainische 3. Offizier keine Heuer erhalten, sein Arbeitsvertrag sei abgelau fen. Dennoch weigere sich der Reeder, den Offizier abzumustern und nach Hause bringen zu lassen. Nur eine Stunde später geht der ITF- Inspektor Amadou Hamani an Bord. Nach einem Blick in die Schiffs- und Besatzungs unterlagen und mehreren Einzelgesprä chen mit den Seefahrern, kann er sich ein klareres Bild der katastrophalen Zustände machen: Demnach fährt „Don 1” unter maltesischer Flagge, Eignerin des Schiffes ist eine russische Reederei. Der letzte ITF- Vertrag war schon zweieinhalb Jahre zuvor ausgelaufen, im April 2012! Die Besatzung besteht aus 13 russischen und ukraini schen Seeleuten. Bei zehn Besatzungsmit gliedern steht die Heuer für zwei oder so gar drei Monate aus, die Verträge von fünf Seefahrern sind abgelaufen. Diese möch ten ihr Geld bekommen und so schnell wie möglich nach Hause gebracht werden. Neben anderen Aktionen, mit denen man den Seefahrern helfen will, besteht eine wirksame Maßnahme des ITF-Inspek tors darin, die Hafenarbeiter und den Be triebsrat einzubeziehen. Sofort und spontan sprechen die Hafenarbeiter den Seeleuten ihr Mitgefühl aus und erklären sich soli darisch – die Holzladung für den Libanon verzögert sich daher um ein paar Stunden. Als Folge der guten Zusammenarbeit von Hafenbehörden, Hafenarbeitern, Was serschutzpolizei und der Berufsgenossen schaft Verkehr (PSC) wird das Schiff an die Kette gelegt. Die Auflage an den Reeder: Alle an Bord vorgefundenen Probleme müssen beseitigt werden, um dem Inter nationalen Seearbeitsübereinkommen (MLC 2006) zu entsprechen. Nach sieben Tagen ist es endlich soweit. Zähneknirschend erfüllt der Reeder die ITF-Forderungen, die Seeleute bekommen, was ihnen zusteht. Hoch lebe die internationale Solidarität! RED/AH FOTOS (3): ITF The framework for the de mands of the trade union ver. di was set in advance by the central IBF negotiation pro cess, which was completed in Indonesia in June. Just to remind you (infor mation from the last issue): Alongside some substantive changes to non-wage agree ments, a wage rise totalling 6.5 % was agreed for the years 2015 to 2017 despite the ongoing crisis in the ship ping industry. A result was reached after some tough negotiating at the ITF in London. An AB (able seaman), for example, will earn a t otal of 52 dollars more in wages during the coming years. ver.di’s negotiator Tor ben Seebold, and his opposite number representing the ship owners, Giles Heimann, de scribed the negotiation result as “acceptable” for both sides. Torben Seebold stressed in particular, “that on the part of the seafarers the results are supported by the coun tries representing seafarers from countries such as the Philippines, Ukraine, Russia and India.” The trade union leaders from these countries were all members of ver.di’s international negotiation com mission. He added, “That is international solidarity in practice and a strong signal to the shipping companies, who could sense this solidarity during the negotiations.” Tor ben Seebold, who now heads the German Federal Working Group Ports and co-ordinates the maritime work for ITF Ger many, thanked Klaus Schroet er, his successor as head of the Federal Working Group Shipping, for his commitment during the negotiations in London, which in a way kicked off his ITF activities at inter national level. When asked whether this meant that his work was done for the time being, Torben Seebold replied – with both modesty and self-confidence – that “the negotiations mere ly fired the starter’s pistol for the dockers and seafarers to stand up to the shipping com panies, even in the MLC era, and to fight together around the world for appropriate working conditions, fair wag es and safe workplaces both RED on land and at sea. FACHBEREICH VERKEHR 03 | 2014 FOTO: ISTOCKPHOTO.COM Wohin mit Fähigkeiten, Erfahrung und Macher-Energie? Schiffsmechaniker: 80 Bewerbungen und keine Aussicht auf eine Anstellung Als Jugendlicher träumte er von Abenteuern, davon, auf einem Schiff über die Meere zu fahren und weit herumzukommen, hatte Reiselust und Fernweh. Was sollte da besser sein, als ein Arbeitsplatz auf See? Er arbeitete gezielt darauf hin, bekam einen der begehrten Ausbildungs plätze an der Marineschule, wurde Vollmatrose der DDR-Handelsflotte, durfte sich als Belohnung nach sport licher Meisterschaft im SeesportMehrkampf sogar aussuchen, wohin die Reise überwiegend gehen sollte. Asien-Amerika-Routen befuhr er dann viele Jahre. Eine harte, aber gute Zeit. Sie hatte ein abruptes Ende noch vor der Wende. Es folgten berufliche Umorientierung, Selbständigkeit und mehr als ein Jahrzehnt als Angestellter im Air Cargo-Sektor des Luftverkehrs, mit viel Einsatz und Verant wortung, auch das ein „geiler Job“. Mit der Luftverkehrssteuer wurde es für die deutschen Cargo-Airlines doppelt schwer, sich international zu behaupten. Bei zu nehmend geringeren Frachtraten wurde auch hier „ausgeflaggt“. Weil er angestellt und im Lande bleiben wollte, besann sich unser Mann vor fünf Jahren als Ü-Vierziger wieder auf seine maritimen Wurzeln und absolvierte ergänzend eine Umschulung zum Schiffsmechaniker – in relativ kurzer Zeit und mit untadeligem Prüfungsergeb nis. „Ich hatte ein sehr gutes Praktikum auf einer Frachtfähre nach Finnland, da konnte man wirklich qualifiziert arbeiten.“ Auch danach lief zunächst alles einiger maßen nach Plan. Ende 2011 bekam er einen Arbeitsvertrag bei Scandlines, befris tet auf ein Jahr, sammelte weiter Erfahrung auf Fähren, arbeitete in der Maschine, an Deck und als Bootsmann. Bis die dänischdeutsche Gesellschaft die Fracht-Fährlinien wenige Monate später verkaufte. Die lukra tiven Linien wurden von der schwedischen Stena Line übernommen. Die Besatzungen zumeist gleich mit. „So wurde ich plötzlich Stena-Mitarbeiter“, er fuhr weiter zwischen Saßnitz und Trelleborg. Einen neuen Ar beitsvertrag bekam er auch, ohne Über gangsrechte. Weihnachts- und Urlaubsgeld wurden Monate später zurückgebucht. Aber er blieb noch ein halbes Jahr lang im Woche-Woche-Rhythmus im Fährdienst. Schließlich bewarb er sich neu und er hielt 2013 bei HochTief die Chance, mit einem neuen Jack-Up-Schiff einen Offshore- Windpark in der Nordsee mitzubauen. Was sich anspruchsvoll und spannend anließ, endete völlig überraschend: Der spanisch dominierte Baukonzern beschloss, sich auf sein Kerngeschäft zu konzentrieren und Nebengeschäfte, wie die Windkraftsparte, aufzugeben. Auch wegen der Reformen der deutschen Energiewende, die Investoren verunsicherten. Ende Februar 2014 bekam unser Mann seine Kündigung. Und eine erstklassige Beurteilung. „Aber die nützt gar nichts, damit kann man sich quasi den Hintern wischen“. Seit Monaten schreibt er Bewerbungen. 80 Reeder und Firmen hat er bereits ange schrieben, sich auch für Lotsen- und Bugsier dienste beworben. „Bei vielen bekommt man gar keine Antwort, andere melden sich nach Wochen, laden ein, versprechen erst und vertrösten dann doch.“ Man hört von langen Wartelisten. Auch etliche Vorstel lungsgespräche – oft mit sehr gutem Gefühl – hat er hinter sich gebracht, aber immer noch keinen Job. Er recherchiert, verfolgt Stellenangebote im NDR, macht und tut. „Es ist momentan im Netz einfach nichts zu finden“, weiß er. Auf einen Land-Job will er nicht wechseln, auch nicht unter seinen Fähigkeiten bleiben. Schließlich hat er schon auf Brücke, in der Maschine, bei Reparaturen und im Wachdienst gearbeitet, beherrscht sein Metier, ist einsatzbereit und voller Ener gie. Doch wohin damit? Mann bekommt bei deutschen Reedereien keine Chance. Er wird wohl jetzt auf eigene Kosten Kur se belegen, um sich die nötigen Zertifikate für die Offshore-Branche zu sichern. Zutrau en würde er sich das, auch körperlich, keine Frage. Aber Opido-zertifizierte BOSIET Off shore Trainings sind nicht „förderfähig“ vom Arbeitsamt. Sie werden in Deutschland nicht mal angeboten. Doch: „In dem Bereich wird langfristig gedacht und gutes Geld ver dient.“ Plattformen sind keine besseren Baugerüste mehr, haben einen eigenen An trieb, sind mit Hightech voll. Schiffe unter deutscher Flagge waren mal „Weltmarkt führer“. Der Traum scheint ausgeträumt. Heute bleiben einem gut ausgebildeten Schiffsmechaniker „entweder eine Einstel lung weit unter Tarif oder ein Anheuern als Hilfsseemann unter rechtsfreien Ver NEH tragsbedingungen“. Schon bitter. SOZIALES 5 4 Prozent mehr gefordert Heuer-Tarif verhandlungen starten im Januar Die ver.di-Bundestarifkommission Seeschifffahrt hat im August ihre Forderungen für die Tarifrunde 2014 beschlossen. Vorausgegan gen war eine Mitgliederdebatte in den Betrieben. Die Arbeitneh merseite will vor allem eine Ab kopplung der Seefahrer von der allgemeinen Lohnentwicklung ver hindern. Deshalb einigte sich die Tarifkommission auf eine Forde rung von vier Prozent mehr Ein kommen und eine Laufzeit von zwölf Monaten. Angesichts der Krisensituation in der Seefahrt wird erwartet, dass sich die Ver handlungen mit dem Verband der Deutschen Reeder schwierig ge stalten werden und ein langer Atem gefragt ist. Der Tarifvertrag gilt für Unternehmen, die ihn di rekt anwenden, aber auch für sol che, die mit ITF-Tarifverträgen im deutschen internationalen Schiffs register (ITF-GIS) erfasst sind. Auch dort ist geregelt, dass für deutsche Seeleute der Heuer-Tarifvertrag an zuwenden ist. Die erste Verhandlungsrunde startet am 26. Januar 2015. Aktuelles von Berufsgenossenschaft Verkehr, Knappschaft-Bahn-See und Seemannskasse Beitragsanpassung Schifffahrtspolitik hat Auswirkungen auf See-Sozialversicherung Die derzeitige Entwicklung in der Seeschifffahrt hat auch Einfluss auf Bereiche der Sozialversicherung, die direkt davon abhängig sind. Das wurde in der Sitzung des Finanzausschusses See in der BG Verkehr ganz deutlich. Bedingt durch sinkende Entgeltsummen hatte die Verwaltung vorgeschla- gen, den Beitrag von derzeit 3,9 auf sechs Prozent anzuheben. Das war schon ein „starker Brocken“ und würde natürlich dazu führen, dass die Unternehmen noch mehr belastet würden. Genau das aber können die Reedereiunternehmen in dieser Zeit nicht gebrauchen. Denn so dreht sich der Teufelskreis weiter, und es wird noch mehr Personal abgebaut. Mit jedem Schiff, das die deutsche Flagge verlässt, mit jedem Seemann, der seinen Job verliert, werden in der Folge die Entgeltsummen absinken und neuerlich steht die Beitragshöhe zur Disposition. Nach langer, umfangreicher Diskus sion hat man sich dann verständigt, den Beitrag für 2015 nur auf 4,9 Prozent anzuheben. Damit will man der gesamtwirtschaftlichen Situation Rechnung tragen. Gleichzeitig wurde auch sehr klar gesagt, dass das nur eine Lösung auf Zeit sei. Denn die Beiträge müssen grundsätzlich so bemessen sein, dass die bestehenden Leistungsverpflichtungen erfüllt werden und abgesichert bleiben. In der Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung wird sich das nicht so aufzeigen. Spannend wird dennoch, wie sich diesbezüglich der Haushalt der Seemannskasse entwickelt. Die Finanzausstat- tung liegt derzeit noch über den in der Satzung vor gegebenen Höchstgrenzen, jedoch wird sich die Gesamtsituation der Seeschifffahrt mit Bestimmtheit auch in diesen Posten niederschlagen. Der Beirat für Angelegenheiten der Seemannskasse hat das bereits zum Thema der letzten Sitzungen gemacht und sich mit der Verwaltung darüber beraten. Ziel ist es, mit Augenmerk die weitere Entwicklung zu beobachten, um gegebenenfalls steuernd einzugreifen. Der Beirat ist sich bewusst, welchen hohen Stellenwert die Seemannskasse bei PETER GEITMANN den Seeleuten hat. 6 B A LT I C W E E K FACHBEREICH VERKEHR 03 | 2014 Bessere Arbeitsbedingungen – sichere Bezahlung 28. Baltic Week of Action vom 1. bis 5. September 2014 zeigte Wirkung gegen Billigflaggen FOTOS (3): ITF Die „Baltic Week of Action 2014“, die diesjährige Aktionswoche gegen Bil ligflaggen und für gute Arbeitsbedin gungen der Seeleute in der Ostsee, war ein Erfolg. Die gemeinsamen ge werkschaftlichen Trupps aus Seeleu ten, Hafenarbeitern und ITF-Inspek toren kontrollierten in deutschen Ostseehäfen mehr als 50 Schiffe. Al lein auf einem Kreuzfahrtschiff konn te die Zahlung von über 850.000 Euro ausstehender Heuern erreicht werden. Nach Boykott des Containerschiffes „John Rickmers“ durch die Hafen arbeiter in Bremerhaven wurden für dieses und für zwei weitere Schiffe des Unternehmens Tarifverträge ab geschlossen. Insgesamt waren ITF-Trupps in den Häfen Bremen, Bremerhaven, Kiel, Lübeck, Wismar und Rostock aktiv und kontrollier ten dort festgemachte Schiffe unter Billig flaggen. Es geht dabei traditionell um die Arbeitsbedingungen an Bord und die Ein haltung von Verträgen sowie Heuerzahlun gen. ver.di hat mehr als 2100 ITF-Tarifver träge mit deutschen Reedern geschlossen. Die Verträge regeln neben den Arbeitsbe dingungen auch die Bezahlung. Wo sich an die Regeln gehalten wird, verdient ein Mechaniker rund 1600 Euro im Monat – beträchtlich mehr als der weltweite Min destlohn von 700 Dollar (530 Euro), mit dem sich Seeleute auf vielen Schiffen ohne ITF-Tarifvertrag begnügen müssen. Aber auch viel weniger als die Beträge, mit de nen deutsche und EU-Crewmitglieder auf Schiffen unter deutscher Flagge vergütet werden. Der Preiskampf ist etwa auch auf Kreuzfahrschiffen unerbittlich geworden, seit solcher Tourismus zum Massenphäno men geworden ist. „Der Trend zum ‚Mallor ca-Urlaub auf See’ wird mit Niedriglöhnen für die Seeleute bezahlt“, erläutert Klaus Schroeter, Leiter der ITF-Billigflaggenkam pagne. Er betonte die Einzigartigkeit der Kampagne, bei der Hafenarbeiter und See leute solidarisch füreinander einstehen. Neben Kreuzfahrtschiffen nahmen die Kon trolleure auch Handelsschiffe in den Blick. Von den 3400 Schiffen deutscher Eigentü mer fahren heute nur noch 170 unter hei mischer Flagge – ein klarer Verstoß gegen zurückliegende Zusagen aus dem Mariti men Bündnis. Die schlimmsten Bedingun gen finden die Kontrolleure freilich auf Billigflaggenschiffen vor. Die schwarzen Schafe unter den Bemannungsagenturen speisen Seeleute mit weniger als 300 Euro im Monat ab. „Was man da an Bord zu sehen bekommt, ist oft nicht menschen würdig“, beschreibt Torben Seebold, der Austausch und Solidarität Karin Friedrich, ITF-Inspektorin in Hamburg und Jörg Wien, Hafenarbeiter vom CTA Hamburg, berichten aus Tallinn Bei der Baltic Week of Action kämpfen die maritimen Gewerkschaften der ITF (International Transport Workers Federation) für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen von Seeleuten. Traditionell findet auch ein Austausch mit Gewerkschaften aus den OstseeAnrainerländern statt. Dieses Jahr war unser Partnerland Estland. Gewerk schaftlich organisierte Aktionsteams prüfen gemeinsam die Arbeits- und Lebensbedingen der Seeleute an Bord. Darüber hinaus gewannen wir einen Einblick in die gewerkschaftliche Ar beit des Landes und lernen Arbeits bedingungen vor Ort kennen. Zu uns nach Hamburg kamen zwei estnische Gewerkschafter, darunter Jaanus Kuiv, der dortige ITF-Inspektor. Mit Ahmet Olcabey, Hafenarbeiter vom GHB Bremerhaven, und Norbert Stelljes, Betriebsrat vom Lotsbetriebsverein Bre merhaven, bildeten wir vier diesmal das Team aus Deutschland, das nach Tallinn entsandt wurde. Unsere Partner waren die Kollegen der Gewerkschaft EMSA (Estiona Seemen’s Independent Union). Die Organi sation wurde erst 1994 gegründet, nach dem im September die Fähre Estonia auf dem Weg von Tallinn nach Stockholm ge sunken war und dabei 852 Menschen star ben. Seither kämpft die EMSA für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen der See leute in Estland. 1995 war die Gewerk schaft mit 350 Mitgliedern gestartet, heute hat sie 2.300, davon sind 2.000 Mitglieder Seefahrer, 130 Hafenarbeiter und 170 aus dem Hotelbereich/Fährenpersonal. Gemeinsam mit Hafenarbeitern und Seeleuten vor Ort besuchten wir die wich tigsten Häfen in Estland, die sich in und nahe der estnischen Hauptstadt befinden. Am Old City Harbour legen hauptsächlich Fähren und Passagierschiffe an. Der Muuga Harbour ist der größte Umschlagshafen und befindet sich ca. 17 Kilometer östlich von Tallinn, hier werden etwa 90 Prozent der Ladungen umgeschlagen, unter ande rem Getreide, Gas, ÖL, Holz, Stückgut und Container. Paldiski Süd Harbour, der zweit als Industrie- und Hafengebiet genutzt. In der Baltic Week of Action haben unse re gemeinsamen Trupps neun Schiffe kon trolliert und ein ITF-Agreement erneuert. Drei der Schiffe fuhren unter Billigflaggen, die anderen unter nationalen Flaggen. Wir hatten keine Probleme mit dem Zugangs recht, auch wurden uns auf den Schiffen alle notwendigen Dokumente zur Verfü gung gestellt. Die kontrollierten Schiffe wiesen keine gravierenden Mängel auf. Auf dreien stießen wir auf nicht korrekt FOTO: ITF größte Umschlaghafen von Tallinn, befin det sich ca. 45 Kilometer westlich. Hier fahren die Fähren nach Finnland ab, und es werden vorrangig Fahrzeuge umgeschla gen (Kfz, Lkw und Baumaschinen). Der Pal jassaare Harbour, sechs Kilometer vom Zentrum der Stadt entfernt, wird schließlich ausgefüllte Arbeitsverträge. Die wurden nach unserer Intervention durch die Reeder korrigiert. Neben Debatten über die politische Situation – in Estland ist man über die Ukraine-Krise besonders beunruhigt – lern ten wir auch die Arbeitsbedingungen der Maritime Koordinator von ver.di: „Feuchte oder schimmlige Unterkünfte, Kabinen, die mit Kebab-Grills beheizt werden…“ Ohne die regelmäßigen Kontrollen der ITF würde sich das Dumpingsystem unge The “Baltic Week of Action 2014”, the 28th action week by the International Transport Workers’ Federation (ITF) to demonstrate against flags of convenience and for good working conditions for seafarers, was successful. Joint groups from trade unions consisting of seafarers, dockers and ITF inspectors checked more than 50 ships in German Baltic ports at the beginning of September. On a single cruise ship, they secured payment of more than 850,000 euro in outstanding wages for the crew. After the boycott of the container ship “John Rickmers” by the dockers in Bremerhaven, collective bargaining agreements were concluded for this ship and two others belonging to the company. ITF activists carried out checks in the ports of Bremen, Bremerhaven, Kiel, Lübeck, Wismar and Rostock. Traditionally such inspections assess the working conditions on board and compliance with agreements. ver.di has over 2.100 ITF collective bargaining agreements with German shipping companies. They Hafenarbeiter kennen. Zwar gibt es in Tallin spezialisierte Hafenarbeiter, zum Beispiel Kranfahrer. Es wird von ihnen aber auch jede andere Tätigkeit ausgeführt, die gera de anfällt. Sie sind auf Stand-by und wer den a ngefordert, wenn sie benötigt wer den. Im Fährhafen Tallinn Old City arbeiten die H afenarbeiter in 48-Stunden-Bereit schaftschichten und zwar immer im Wech sel: zwei Tage arbeiten – zwei Tage frei. In den Bereitschaftsschichten stehen Ruheund Sozialräume zur Verfügung. Alle anfal lenden Arbeiten – Festmachen, Einweisen, Laschen usw. – an den Fähren gehören zum Auf gabengebiet der Hafenarbeiter. Allerdings unterscheidet sich auch die Be hemmt weiter verbreiten. Längst seien phillipinische Seeleute, die momentan weltweit jeden dritten Arbeitsplatz auf den Schiffen besetzen, nicht mehr die preiswer testen. Es werden Seeleute aus Ländern angeworben, wo die Mindestlöhne noch weit darunter liegen, etwa aus Myanmar. „China entwickelt sich allein durch die schiere Masse der Arbeitsuchenden zum wichtigsten Markt der Branche“, weiß Klaus Schroeter. Die chinesische Gewerk schaft vertritt 1,2 Millionen Seeleute der Volksrepublik. „Wir müssen kooperieren“, sagen die ver.di-Aktiven. Denn ohne die asiatischen Gewerkschaften können Min deststandards international nicht durch gesetzt werden. Für Torben Seebold geht es dabei nicht zuletzt um das Überleben der wenigen verbliebenen deutschen See leute. Auch ihnen helfen letztlich die Kont NEH rollen bei der Baltic Week. govern not only the working conditions but also remuneration. Where the rules are applied, a mechanic earns around 1,600 euro a month – far more than the world-wide minimum wage of 700 dollars (530 euro), but much less than on ships sailing under the German flag. In addition to cruise ships, the inspectors also examined merchant ships. Out of the 3,400 ships with German owners, only 170 still operate under the German flag – which is a clear violation of existing agreements from the Maritime Alliance. Yet the inspectors found the worst conditions on ships registered under flags of convenience. Without regular inspections by the ITF, the dumping system would continue to spread unabated. The Baltic Week of Action traditionally includes an exchange with other seafarers’ trade unions from the countries bordering the Baltic Sea. This year Estonia was the partner country. ITF inspector Karin Friedrich and Hamburg docker Jörg Wien report from Tallinn. zahlung beträchtlich gegenüber dem, was ein Hafenarbeiter in Deutschland verdient. Der Lohn liegt in Tallin bei etwa 1000 Euro netto. Fazit: Wir wurden bei den estnischen Gewerkschaftskollegen herzlich aufge nommen, hatten interessante Begegnun gen und haben viel Neues gesehen. Das hat uns übrigens Jaanus aus Tallinn auch umgekehrt bestätigt, als wir ihn nach unserer Rückkehr noch kurz zu seinen Eindrücken aus Hamburg befragten. Die ITF ist eine internationale Gewerkschaft, lebt von Austausch und Solidarität. Beides muss auch praktiziert werden! KARIN FRIEDRICH/JÖRG WIEN JUGEND FACHBEREICH VERKEHR 03 | 2014 7 OM FOTO: CANSTOCKPHOTO.C Jetzt Zukunft der Schifffahrt sichern FAQs Was ihr schon immer über ver.di wissen wolltet! Können nur Auszubildende Mitglied der ver.di Jugend werden? Nein! Wir sind die Interessenvertretung für junge Erwachsene. Als Teil der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft organisiert die ver.di Jugend bundesweit Tausende von Auszubildenden, jungen Beschäftigten, Erwerbs losen, Schüler/-innen und Studierenden. Wir sind die Fachleute für Ausbildung, aber auch für den Berufseinstieg. Deshalb sind auch Mitglieder bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres Teil der ver.di Jugend. Mit einem flächendeckenden Netzwerk und dem Erfahrungsschatz der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ist die ver.di Jugend übrigens eine der stärksten politischen Jugendorganisationen. Wird bei Jugendorganisationen nicht nur gefeiert? Wir sind eine offene Community – aktiv für Gerechtigkeit. Dafür verbinden wir People, Party und Politics: Wir machen uns fit mit Seminaren, Workshops und Konferenzen. Wir feiern coole Partys und heiße Festivals. Und wir kämpfen – mit kreativen Kampagnen, Demos, Aktionen. Und natürlich auch mit Streiks. ver.di Jugend – das ist Zukunft in Bewegung Gemeinsam weiterbilden. Zusammen feiern. Vereint kämpfen. Denn nur gemeinsam sind wir stark. Gemeinsam lässt sich viel erreichen. Gemeinsam gehört uns die Zukunft. Wir nutzen unsere Stärke, um unsere Interessen als junge Erwachsene wirkungsvoll durchzusetzen. Kompetent, konsequent und kreativ. Was ist der Unterschied zwischen der Fachbereichsjugend und der ver.di Jugend vor Ort? So unterschiedlich wie die Anforderun gen und Interessen der jungen Beschäf tigten sind, so bunt ist auch das Angebot der ver.di Jugend. Eure Jugendsekretärin bzw. euer Jugendsekretär ist in eurem Bezirk zuständig für die ver.di Jugend vor Ort und das in a llen Branchen. Ge meinsam mit dem Bezirksjugendvorstand (also den Aktiven im Bezirk) werden Schwerpunkte festgelegt, Themen disku tiert und Aktionen geplant und durchge führt. Wir, die Fachbereichsjugend Verkehr, vertreten bundesweit die junge Generati on im Verkehrssektor. Fach- und bran chenspezifische Themen und Projekte stehen dabei im Vordergrund. Mit unserer Bildungsarbeit sichern wir die Qualifizie rung, die speziell in unseren Branchen für die Jugend wichtig ist und ermöglichen dabei die Vernetzung der Teilnehmenden aus verschiedenen Bereichen. Darüber hinaus ist die Fachbereichsjugend auch als Teil der ITF aktiv. Die enge Zusammenarbeit von Ehrenund Hauptamtlichen auf allen Ebenen ist ein weiterer Schlüssel zum Erfolg. Wie kann ich auch in der Fachbe reichsjugend aktiv werden? Interessierte wenden sich bitte an die Kollegin Vera Visser. Sie ist zuständig für die Jugendarbeit im Bundesfachbereich und ist per E-Mail (vera.visser@verdi.de) oder per Telefon (0 30/69 56 17 63) er reichbar. Sie stellt euch die aktuellen Mitmachmöglichkeiten vor und überlegt mit euch zusammen, wo und wie ihr am besten aktiv werden könnt. Gefragt: Soziale Verantwortung der Reeder Wenn junge Menschen nicht nur ih ren Wunschausbildungsplatz erhal ten, sondern die Ausbildung auch noch mit Bestnoten absolvieren, sollten gute Zukunftsaussichten zu vermuten sein. In der deutschen Schifffahrt sieht die Realität leider ganz anders aus. ver.di appelliert r Liebe Reeder, wir von de f: au Sie en ruf ver.di Jugend ten Stellen Sie die ausgebilde ein Nautischen Wachoffiziere gMö die und geben Sie ihnen See en ert lichkeit, die geford fahrtsjahre zu absolvieren! n Kommen Sie ihrer soziale Verantwortung nach! ng Stoppen Sie die Ausflaggu ! iffe Sch en der deutsch nft Sichern Sie jetzt die Z uku t ahr der deutschen Schifff und damit den maritimen Standort Deutschland! Gelöst ist das Problem damit offen sichtlich dennoch nicht. Denn wie unter anderem das NDR-TV-Magazin Panora ma 3 am 25. November 2014 berichtete, sind aktuell 100 Nautische Wachoffiziere auf der Suche nach einer entsprechenden Beschäftigung. Abgeschlossene Hoch schulausbildung und trotzdem keine Chance auf einen angemessenen Job – das scheint das Motto der Reeder zu sein. Für jeden einzelnen dieser Betroffenen bedeutet das, dass ein Strich durch die persönliche Lebensplanung gemacht wird. Nach Expertenmeinung wird dies spätestens ab 2022 zu einer großen Herausforderung für die deutsche Schiff fahrt. Denn: Sollte die Ausbildung der jungen Generation nicht in entsprechen dem Maße ermöglicht werden, steht schon in wenigen Jahren kaum noch qualifiziertes Fachpersonal zum Beispiel für die wichtigsten Lotsenreviere zur Verfügung. Klar ist allerdings schon jetzt, dass neben den Reedereien die Politik eine wesentliche Rolle bei der Bewältigung der Krise spielt. Die schifffahrtspolitischen Forderun gen von ver.di sind daher umgehend umzusetzen. Mit der Realisierung der EU „State Aid Guidelines” auch in Deutschland könnten große Hürden be seitigt werden. Die deutsche Flagge muss gestärkt werden, damit weitere Ausflaggungen verhindert werden und auch zukünftig qualifiziertes Personal zu finden ist. Dazu gehört auch, die Ausbildung zum Schiffsmechaniker beizubehalten, wie sie bisher in Deutschland durchgeführt wird. Die Ausbildung der zukünftigen Fach kräfte ist ein wesentlicher Faktor für die Stärkung des Schifffahrtsstandorts Deutschland. Zur Erinnerung: In der Laufbahn zum Kapitän sind mehrere Jahre Erfahrungs seefahrtszeit zwingend zu erbringen. Ein Nautischer Wachoffizier muss nach Ab solvierung seiner Ausbildung entweder drei Jahre Seefahrtszeit als Wachoffizier oder ein Jahr als Wachoffizier sowie ein weiteres Jahr als Nautischer Offizier nach weisen können (s. Skizze). Hat er diese praktische Erfahrung nicht, so nützt ihm auch sein Patent wenig. Um die Reedereien bei der Ausbildung zu unterstützen und vor der Ausflaggung zu schützen, wurden seit 2003 insgesamt 590 Millionen Euro an Subventionen (Quelle: Politik-Magazin Panorama 3 im NDR Fernsehen vom 25.11. 2014) an deutsche Reedereien gezahlt. Dabei sind die Steuervergünstigungen durch die Tonnagesteuer noch nicht mitgerechnet. I like it Seit Kurzem ist die Facebookseite der Fachbereichsjugend (verdi jugend verkehr) online! Jetzt liken und immer voll informiert sein! 8 PA N O R A M A FACHBEREICH VERKEHR 03 | 2014 Aus der Traum? MS Deutschland meldet Insolvenz an Das Kreuzfahrtschiff MS Deutschland, durch das ZDF als „Traumschiff“ be kannt geworden, befindet sich finan ziell in schwerer See. Bereits Ende Oktober hatte die betreibende Beteili gungsgesellschaft beim Amtsgericht in Eutin einen Insolvenzantrag ge stellt. Alle weiteren geplanten Reisen – auch die anstehende Weltreise vom 18. Dezember 2014 bis zum 1. Mai 2015 – wurden abgesagt. Der Grund hierfür: Die bereits terminierten und nötigen Werftarbeiten können auf grund von Zahlungsunfähigkeit der Beteiligungsgesellschaft nicht durch geführt werden. neue Zielvorgabe wurde die Ausflaggung des Schiffes nach Malta. Damit sollten Per sonalkosten minimiert und Gewinne ge steigert werden. Eine daraufhin aufflam mende öffentliche Diskussion, eine aktive, von ver.di unterstützte Gegenwehr der Be satzung sowie der drohende Verlust von Stammkunden bewegten Aurelius jedoch, sich dem öffentlichen Druck zu beugen und das Ausflaggen nicht zu vollziehen. Mit entscheidend für den Verbleib des Schiffes unter deutscher Flagge waren auch die konsequenten Verhandlungen von ver.di über einen Verbleib maßgeblicher Besat zungsteile im deutschen Sozialversiche rungssystem durch „Ausstrahlung“. Trotz dieser Rolle rückwärts verlor die Fest steht, dass das einstige Traumschiff MS Deutschland einen großen Teil ihrer der Deutschen in die Jahre gekommen ist Stammkunden – unter anderem wegen und Konkurrenz durch neue und größere personeller Fehlentscheidungen wie der Schiffe von „Aida“ oder „Mein Schiff“ er fristlosen Entlassung des langjährigen halten hat. Im boomenden Kreuzfahrtge Kapitäns Andreas Jungblut. Um die Ge schäft war die MS Deutschland wegen der winnerwartungen des Investors zu erfüllen, zusätzlichen Anbieter, wegen eines Motor wurden 2012 Anleihen für die MS Deutsch brandschadens im Mai 2010 und wegen land auf den Markt gebracht, der letzte der daraufhin abgesagten Kreuzfahrten schnelle Gewinn wurde eingefahren. Wie erstmals in finanzielle Schieflage geraten. für einen Finanzinvestor dieser Art üblich, Sie wurde daraufhin auf dem Markt zum verabschiedete sich Aurelius anschließend Kauf angeboten. und verkaufte den größten Anteil seiner Den Zuschlag erhielt eine börsennotier Beteiligung an die Gesellschaft Callista te Beteiligungsgesellschaft, eine „Heu Private Equity, die im Januar 2014 Mehr schrecke“, namens Aurelius. 2010 über heitsanteilseignerin an der MS Deutsch nahm dieser Investor von den Schwestern land wurde. Die zu zahlende Zinslast der Gisa und Hedda Deilmann zu 95 Prozent unter Aurelius ausgegebenen Anleihen ist die Mehrheit an der Reederei Deilmann mit einem Schiff, das auf maximal 500 Pas und an der Schifffahrtsgesellschaft MS sagiere ausgelegt ist, jedoch nicht mehr Deutschland. Bis 2012 fuhr das Fünf- zu erwirtschaften. Für weitere Finanzierun Sterne-Schiff mit einem festen Kunden gen kommt erschwerend hinzu, dass das stamm weiter unter deutscher Flagge. Schiff wegen der Anleihen nicht mehr als Aurelius änderte 2012 seine Strategie, Sicherheit verwendet werden darf. KARIKATUR: RAINER HOFMANN-BATTISTON Ein gutes Dutzend potenzieller Käufer interessiert sich nun seit Oktober für den Erwerb der „MS Deutschland“, eine Ent scheidung sollte ursprünglich am 26. No vember fallen. Reinhold Schmid-Sperber, vorläufiger Insolvenzverwalter der Reede rei Peter Deilmann und der „MS Deutsch land Beteiligungs GmbH“, hatte in der Zwischenzeit vergeblich nach einem Inves tor gesucht. „Leider haben wir keinen In vestor gefunden, der uns in der Kürze der Zeit ausreichende Finanzierungsnachweise für ihre teilweise attraktiven Angebote lie fern konnte, um die Durchführung der Rei se und des nötigen Werftaufenthalts zu garantieren“, so Schmid-Sperber in einer Mitteilung. „Wir dürfen bei diesem Verkauf aber nicht riskieren, dass eine unverbind liche Finanzierungszusage nach Vertrags schluss doch noch platzt.“ Laut SchmidSperber gebe es weiterhin zahlreiche Interessenten für Schiff und Reederei, mit denen die Verhandlungen nun ohne den Zeitdruck der bevorstehenden Weltreise fortgeführt werden können. Dies geschieht mit dem erklärten Ziel, den Fahrtbetrieb der Deutschland im Frühjahr 2015 wieder aufzunehmen. Laut „manager magazin online” habe Schmid-Sperber zuletzt noch mit vier potenziellen Investoren ernsthaft verhan delt. Alteigner Callista Private Equity, der ursprünglich auch zu den Kaufinteressen ten gehört hatte, sei nicht mehr darunter. Dem Finanzinvestor habe der Insolvenz verwalter eine Absage erteilt. Um das Schiff wieder flott zu machen, sind verschiedene Maßnahmen im Ge spräch: etwa eine Verringerung des Perso nals um bis zu 25 Prozent sowie eine Qualitätsrückstufung des Schiffes von fünf auf vier Sterne. Auch die Ausflaggung des Schiffes wird erneut offen diskutiert. Am Ende ist es wie immer: Fehler im Manage ment werden konsequent auf dem Rücken der Belegschaft ausgetragen, die am Ende die Suppe auslöffeln soll. Dagegen setzt sich ver.di zur Wehr, denn ein weiterer Verkauf darf nicht zulasten der Beschäftig ten gehen. Ebenso dürfen die gravierenden Managementfehler nicht wiederholt wer den. Die MS Deutschland muss unter deut scher Flagge verbleiben! CHRISTIAN MANKE WDR-Betriebsrat gerichtlich bestätigt Kapitäne mit Landanbindung dürfen mitwählen FÄHRE MS SCHLESWIG-HOLSTEIN AM ANLEGER WITTDÜN | FOTO: HTTP://COMMONS.WIKIMEDIA.ORG Nicht ganz alltäglich: Über den Aus gang der Betriebsratswahl bei der Wyker Dampfschiffs-Reederei FöhrAmrum GmbH (WDR) hat Anfang Oktober letztlich das Arbeitsgericht Flensburg entschieden. Das Gericht hat in seinem Urteil die im Unterneh men durchgeführte Betriebsratswahl als rechtens bewertet und eine Klage der WDR zurückgewiesen. Gegen die Wahl geklagt hatte die WDR, weil sich zehn dort beschäftigte Kapitäne daran beteiligt hatten. Die Geschäfts leitung sah dies als nicht konform mit den Vorschriften des Betriebsver fassungsgesetzes an, da die Kapitäne an Bord der WDR-Schiffe leitende Angestellte seien. Vor der Verhandlung hatte es bereits e inen Gütetermin gegeben. Dieser war ohne Er gebnis geblieben, wie Jürgen Reimer, Hu sumer Geschäftsführer des ver.di-Bezirkes Westküste erläuterte. Mit einer Einigung habe man jedoch ohnehin nicht gerechnet, da es dem Unternehmen darum gegangen sei, eine Grundsatzentscheidung herbeizu führen. Dieter Krause, ver.di-Rechtssekretär i. R. und Sachverständiger für Seearbeitsrecht, war von den bei der WDR beschäftigten Kollegen gebeten worden, sie zu vertreten. In Absprache mit dem Arbeitsgericht Flens burg trat er daraufhin als Bevollmächtigter auf. Krause zum Hintergrund des Rechts streits: Nach eigener Auskunft sei die WDR von einem Sprecher der „Kommission Ausflugs- und Fährschifffahrt“ beim Ver band der Reeder (VDR) dazu aufgefordert worden, die Kapitäne von der Wählerliste zu nehmen. Was eigentlich gegen die Be teiligung der Kapitäne spreche, habe ihm Axel Meynköhn, Geschäftsführer der WDR, nicht eindeutig erklären können, so Krause. Er habe nur gesagt, dass dies im Interesse des Verbands Deutscher Reeder liege. „Tatsächlich möchten manche Reeder die Kapitäne nicht so gern auf der Seite der anderen Mitarbeiter sehen“, erklärt Krau se. Schließlich hätten Kapitäne im Unter nehmen einen viel größeren Überblick als Decksleute, Maschinisten oder Kassierer. „Da ist es manchen Reedern anscheinend nicht angenehm, wenn ihre Kapitäne im Betriebsrat mitmischen.“ Eine Begründung habe man auf Seite der Reederei schließ lich darin gefunden, dass das BetrVG kein Wahlrecht für Kapitäne vorsehe, weil sie leitende Angestellte seien. „Der Betriebsrat der WDR hat sich dem nicht angeschlossen. Er hatte zuvor von ver.di-Westküste und von anderen Fachleuten für die Seeschiff fahrt die Auskunft erhalten, dass Kapitäne im vorliegenden Fall keine leitenden An gestellten sind“, so Krause. Die Experten hätten argumentiert, dass laut § 114, 4 BetrVG Schiffe, die innerhalb von 24 Stun den ihren Heimathafen wieder erreichen, den Landbetrieben und nicht den Seebe trieben zuzuordnen sind. Das Arbeitsge richt in Flensburg folgte dieser Auffassung und kippte damit ein älteres Urteil des Landesarbeitsgerichts Kiel. Die WDR habe schließlich von einer Berufung abgesehen, so Krause. „Damit hat die Reederei gutgetan. Sie hätte beim Landesarbeitsgericht in Kiel kaum jeman den gefunden, der noch die alte Auffas sung vertritt.“ Dafür habe das Arbeits gericht in Flensburg seine Entscheidung viel zu sauber begründet. Das sei dem Ree der im Prinzip klar gewesen. Übrigens haben nicht alle Reedereien ein Problem mit betriebsratsaffinen Kapi tänen. Ausgerechnet bei der Partner-Ree derei der WDR, der „Norden Frisia“, die zwischen Norddeich und Juist verkehrt, sieht man die Dinge ganz anders. „Dort ist sogar ein Kapitän stellvertretender Be triebsratsvorsitzender“, sagt Krause. UCB