Vollständiger Text der Ausgabe 1/2007 (PDF-Format)

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Vollständiger Text der Ausgabe 1/2007 (PDF-Format)
Nr. 1/2007
12. Jahrgang
Foto: Frank Ludwig
Auch 2007
ein buntes Berlin
Inhalt
EVP: 1 Euro
Die Bürgerzeitung
aus Marzahn-Hellersdorf
07: Voll das Leben
Künstler-Serie in jot w.d.:
Viele Leser werden sich an
Sänger und Musiker ihrer
Jugendzeit in der DDR erinnern. jot w.d. berichtet,
was aus ihnen geworden
ist. Heute: Sänger HeinzJürgen Gottschalk.
Seite 3
Keine Hunger-Kinder:
Selbst kochen und Backen
hilft besser, nicht nur im
Bauch satt zu werden. Deshalb unterstützt eine
Marzahner Bäckerei den
Mittagstisch des DRK.
Auch jot w.d. biss in ein frisches Brötchen.
Steinerne Rinne:
Seite 5
Mit einiger Verzögerung
begannen im vergangenen Jahr die Rückbauten
zur Renaturierung der
Wuhle. In jot w.d. schreibt
Wuhle-Kenner Heino Mosel über den Stand der Arbeiten und Versäumnisse.
Seite 14
Rückblick auf 2006:
Noch ein Mal
blicken wir auf
Ereignisse, Menschen und Bilder
des vergangenen
Jahres zurück
und zeigen, dass
uns dabei auch
so mancher normalerweise nicht
g e z e i g t e
Schnappschuss
gelang.
Seiten 6-7
Steh’n wir Kopf angesichts des blühenden Winterjasmins? Oder sagen wir uns: Mit etwas Mühe, Glück und Fichelanz
kommen wir noch immer über die Runden. Es sind ja schließlich nicht zwölf, wie beim Preisboxen. Und falls uns jemand ein
paar Millionen zahl, lassen wir uns auch verhauen. Oder treten statt dessen für die Natur ein. Fotos: Dittmann/Nachtmann
Liebe Leser,
„Ich habe euch nichts anderes versprochen
als Blut, Schweiß, Mühe und Tränen.“ Das
sagte Winston Churchill anlässlich seiner Wahl
1943 als Kriegspremier von Großbritannien.
Gemeint hat auch er damit nur das „normale Volk“, denn die „ritch guys“, die reichen
Burschen des Empires, hatten auf ihren
Schlössern außer ein paar Abgaben nichts
zu befürchten.
Blut, Schweiß und Tränen predigen auch
Merkel-Münte-Consorten. Auch für die Herren Ackermann oder Pierer? Etwa für die
Damen und Herren Bundestagsabgeordneten? Für die Share-Holder (die Anteilseigner) gar? Nö, muss ja nit. Reicht doch, wenn
die Armen noch ärmer werden. Kein Job?
Rasier dich doch, und schon klappt’s, weiß
der schlaue Dicke aus der Pfalz, der noch
nie bei Amte war. Du musst nur’n bisschen
doof säuseln können und passend mit’m
Arsch wackeln, schon bist du’n Superstar,
suggeriert das „Unterschichterfernsehen“.
August Bebels
Taschenuhr mit
Eisenkreuz im
Arschwackeljahr
Und die Lottobuden jammern, dass ihnen die
Werbung beschnitten wird.
2007 wird das Arschwackeljahr, das den Siggelkows noch ein paar Millionen zum Troste
(zum Ablass) in die Kassen spült.
War da noch was? Ach ja, da ratschen welche
über Kultur. Aber wir haben doch den Schmitz!
Den Wowereit’schen Adlatus! Was soll da noch
passieren? Und wir haben doch Briefe vom
Job-Center: „Ihre Mietkosten sind zu hoch. Hier
geben wir Ihnen drei Tipps, wie sie zu mindern
wären.“ Anbei ein kopiertes Blatt mit freundlichen Grüßen von Frau Knake-Werner und Herrn
Sarrazin. War da noch was?
Ach ja, der Herr Müntefering soll ja angeblich eine der (circa fünf) vererbten Taschenuhren von August Bebel haben. Vielleicht
sollte der Genosse (Bist du noch Genosse,
stehst du noch zur Partei?) mal Bebels
Schriften lesen statt der Bild-Zeitung. Zuweilen hilft diesem Halbgebildeten ja auch
Wolf Biermann (Träger des Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland am
Bande) auf die Sprünge: Für das bisschen
Blechbrust haben wir noch immer genug
Blech. Für neue Eiserne Kreuze reicht’s auch
allemal. Und das Salair in Afghanistan ist
mit dem an der BAM nicht wirklich zu vergleichen. Damals wie heute gab’s vergleichsweise viel. Für die, die arbeiten wollen, aber
nicht dürfen, gibt’s vergleichsweise wenig.
Alles eine Frage der Relation. Ein ScheißJahr? Nicht doch. Mit jot w.d. bleiben Sie auf
dem Laufenden.
Viel Spaß mit dieser (Achtung: Schon wieder ein Mini-Jubiläum) 125. Ausgabe
wünscht Ihnen
Ihr Ralf Nachtmann
jot w.d. 1/2007
Glück auf 2007
Grußwort der Vorsteherin der BVV, Petra Wermke, zum Neuen Jahr
an die Leserinnen und Leser von jot w.d.
Liebe Leserinnen und Leser,
das „Prosit Neujahr!“, das ich
Ihnen zum Übergang von einem auf das andere Jahr entbiete, kommt wie immer von
ganzem und aus vollem Herzen. Aber der fast automatisch
dazu gehörende Überschwang
will sich nicht so recht einstellen. Die heitere Erwartung auf
das Glück in diesem neuen
Jahr ist gedämpft, denn das
alte hallt noch nach, obwohl
der letzte Böller längst verraucht ist.
2006 war u.a. auch das Heinrich-Heine-Jahr. Sein 150. To-
Ja, ich möchte
destag berührte alle, nicht nur
Literaten, Publizisten und Politiker. Wieder entdeckte Lieder, Verse und Sentenzen des
Dichters machten überall die
Runde. Beim Blättern in den
vielen Zitatensammlungen
stieß ich z. B. auf die Worte,
die womöglich meine Überschwänglichkeit dämpften:
„Der heutige Tag ist ein Resultat des gestrigen. Was dieser gewollt hat, müssen wir
erforschen, wenn wir zu wissen wünschen, was jener will.“
Seit ich das las, werde ich die
Frage nicht mehr los: Was hat
der „gestrige Tag“, der eben
noch der heutige war, gewollt,
als er uns in Gestalt des Wahltages den so gewünschten
bunten Bezirk auf dem BVVTablett servierte?
Entsprach die beigemischte
Überdosis Rost-Braun auch
seinem Willen?
In Marzahn Nord träumt ein
Steckenpferd auf einem Regenbogen von einer friedlichen, fröhlichen und farbenfrohen Welt. Die Farbpalette
des Parteienspektrums in der
BVV kommt dem Regenbogen nahe, und als Freizeitpolitikerin könnte ich dazu
aufrufen: Machen wir es dem
Steckenpferd nach. Nur „nahe
kommen“ heißt nicht identisch. Im Regenbogen finden
sich nur die Spektralfarben.
Braun ist nicht dabei. Politisch
betrachtet wurden dafür aber
eine Menge Pinsel geschwungen. Die anderen Farben blieben blasser. Mal fehlte der
Pinsel, und – um im Bild zu
bleiben – mal gab’s zuviel
Wasser. Am Ende träumten zu
viele, es ginge auch ohne uns.
Glauben Sie das nicht!
Auch wenn es noch so viele aktive Jugend-, Sozial- und Gemeinwesenvereine gäbe, um
uns selber müssen wir selbst
uns kümmern. Nichts kommt
von alleine.
Und ohne Sie, Ihr Fordern und
Drängen, Ihr Mitwirken da
und Ihr Einmischen hier, fehlte unserem Bezirk der frische
Atem und das farbenfrohe
Spektrum, das sein Gedeihen
garantiert und den Braunschleier von ihm nimmt. Über
die benötigten Pinsel sollten
wir miteinander reden.
Zuvor aber wünsche ich Ihnen
für das neue Jahr ein Mehr an
Gesundheit, Tatendrang und
Lebensschwung sowie im persönlichen Leben alles erdenklich Gute!
Ihre Petra Wermke
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Aktuell
Ein Dankeschön
Liebe Leserinnen und Leser,
14 Jahre im Bezirksamt, davon
11 als Bezirksbürgermeister.
Eine lange, manche meinen,
eine zu lange Zeit. Für all die
kritische Begleitung meiner
Tätigkeit möchte ich mich an
dieser Stelle bedanken. Dank
für die wohlwollenden Hinweise, die Solidarität, aber
auch die Kritik, die mir half,
die Mühen der Ebenen zu
meistern.
Wer mich kennt, versteht
mich: Sehr gerne hätte ich
weiter Verantwortung für
meinen, unseren Bezirk getragen. Die Wählerinnen und
Wähler wollten es jedoch anders. Natürlich fällt mir der
Abschied sehr schwer und
mit der Rolle eines „Politrentners“ kann ich noch nicht
viel anfangen.
Der jot.w.d. wünsche ich auch
weiterhin viele interessierte
Leserinnen und Leser, immer
den notwendigen kritischen
Ton, um voranzutreiben, wo
es des Anstoßes bedarf.
Ein gesundes und erfolgreiches Neues Jahr wünscht Ihnen
Uwe Klett
Abschied bei feurigen Latino-Rhythmen
Freunde und Wegbegleiter aus mehr
als 14 Jahren hatten sich am 8. Dezember in der Candela Lounge versammelt, um Ex-Bürgermeister Uwe
Klett Dank zu sagen für die geleistete Arbeit der vergangenen Jahre. Eine
Leinwand-Bildershow ließ Erinnerungen aufkommen an die Zeit des
Beginns im Jahr 1992 und alles, was
danach kam. Die Retrospektive in
Bild und Wort erhielt der Bürgermeister a.D. dann als Geschenk in Form
eines eigens gefertigten Buches. Bei
feurigen Latino-Rhythmen wurde bis
Mitternacht getanzt, gelacht und so
manche Erinnerung wach.
Uwe Klett kam mit der Latino-Tänzerin besser zurecht, als früher mit so
manchem politischen Widersacher.
Foto: Dittmann
2
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Die nächste Ausgabe von jot w.d. erscheint am 1. Februar 2007
Redaktionsschluss: 23. Januar 2007
Anzeigenschluss: 25. Januar 2007
IMPRESSUM
jot. w. d.
Die Bürgerzeitung aus Marzahn-Hellersdorf
Herausgeber: Verein zur Unterstützung öffentlicher Diskussion am nordöstlichen Stadtrand e. V. Anerkannt gemeinnützige Körperschaft
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Ständige Autoren: T. Preußing, S. Birkner, B. Staacke, D. Winkler, M. Wagner
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Druck: BVZ, www.berliner-zeitungsdruck.de
Erscheinungsweise: monatlich; Verkaufspreis 1 Euro; Abo-Preis: 1 Euro, Rechtsanspruch auf Belieferung haben nur Abonnenten
Nächste Ausgabe: Donnerstag, 1. Februar 2007; Redaktionsschluss: 23. Januar, Anzeigenschluss: 25. Januar 2007
Nächste öffentliche Redaktionssitzung: voraussichtlich Freitag, 12. Januar 2007, Or t und Zeit bitte telefonisch erfragen
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Leute
jot w.d. 1/2007
French Connection
Die junge Französin Cécile Cuny ist in
Marzahn NordWest auf Doktor-Kurs
Platz vor dem Havemann-Center, 8. März
2005, 19.15 Uhr: In wenigen Minuten
wird die RBB-Abendschau die Kameras
aufblenden und zu ihrem Reporter Ulli
Zelle schalten, um einen Vorortbericht
über dieAuswirkungen des BVG-Konzeptes „2005plus“ abzufordern. Der Mikrofon-Mann im hellbraunen Überrock ist unruhig. Er weiß, die hier stehen, haben Frust
im Bauch. Der muss raus. Die entsprechenden Pappenheimer stehen bereit, die
Beschwichtiger von der Fachebene ebenfalls. Zelle aber will mehr. Da sieht er SIE:
Cécile Cuny. Schwarzer Mantel, schwarzbraunes, welliges, bis auf die Schultern fallendes Haar, schmales Gesicht und große,
warmherzige Augen in der Farbe ihres
Mantels. Sie ist nicht
unbedingt groß zu
nennen, und dennoch
würde kein Mann, erst
recht nicht vom
„TiWi“, sie übersehen. Mit Riesenschritten stürmt Ulli
Zelle auch prompt auf
sie zu: „Sie kommen
vom Barnim-Gymnasium, ja? Eine
Schülerin von da
muss hier ’was sagen!“
Sie hätte es gekonnt.
Aber Cécile ist Französin und „türkt“
nicht – wie man in der
Branche sagt, wenn
man „täuschen“
meint. Also ruft sie
erschrocken: „Oh
nein, Monsieur!“ Der
Rest geht im Lachen
der Zuschauer unter.
Sie kennen die zierliche Frau, die in der
Flämingstraße zwei
kleine Zimmer bewohnt. Und der verdutzte Reporter erfährt, dass sie bereits 26 wird sowie ihr
Abitur acht Jahre zuvor in ihrer Geburtsstadt Straßburg ablegte. Mit „sehr gut“ sogar. Will heißen: Für das auffällige
Falkenberger – pardon – „Bildungs-Ei“ zu
alt und überqualifiziert. Das ist schade für’s
Fernsehen.
Für Marzahn NordWest ist es ein Geschenk. Denn Cécile Cuny rückt diesen
Stadtteil in den Blickwinkel Europas.
Innerhalb eines deutsch-französischen
Forschungsprojektes möchte sie hier aufspüren, was in Wissenschaft und Politik
allgemein als „Partizipative Demokratie“
bezeichnet wird. Das Adjektiv ist aus dem
lateinischen Verb partizipieren abgeleitet,
das – kurz gefasst – teilhaben bedeutet.
Eine pikante Sache im Nordzipfel, wo die
„Teilhaber“ vielschichtiger nicht sein können und ein gutes Dutzend aktiver Einwohner argwöhnisch darüber wacht, dass
ihr Teil nicht schrumpft. Aber genau um
solche Abbilder sozialer Prozesse im
Alltagsleben der „kleinen Leute“ geht es
Cécile Cuny in Marzahn. Und Vorträge in
Paris, Toulouse, Straßburg und Metz belegen schon jetzt das beachtliche Interesse an ihren Forschungen, und Referate bzw.
Aufsätze in Essex, Oxford und Cambridge,
den Zentren des britischen „Bildungsadels“, unterstreichen ihre Bedeutung. Das
hat auch damit zu tun, wie tiefgründig und
konsequent diese junge Frau schlüssige
Antworten auf ihre zentrale Frage sucht:
„Was befähigt heute manche Marzahner,
sich der für sie neuen Spielregeln und Instrumente der Demokratie auf Dauer zu
bemächtigen?“
In diesem Jahr will sie die Dissertation
dazu vollenden. Es wird nicht die erste
wissenschaftliche Arbeit sein, die unter
ihrem Namen vom Leben am nordöstlichen Berliner Stadtrand kündet. Bereits
2004 erwarb sie in Paris mit einer 179seitigen und sehr gut bewerteten Arbeit
über das deutsch-russische TschechowTheater an der Märkischen Allee 410 ihr
Diplom als Sozialwissenschaftlerin. Zu
diesem Zeitpunkt war sie bereits DiplomFotografin. Und bei dieser ungewöhnlichen Kombination inspirierte die Forscherin C.C., beide Disziplinen für ihre
Arbeit zu nutzen.
Entsprechend „bewaffnet“ durchstreift
sie seitdem jeden
Winkel, kämpft sich
durch Papierberge
und interviewt die
Menschen vor Ort,
ob im Bezirksamt
oder in den Niederungen der sozialen
Problemlagen. Niemand besitzt wohl
mehr Detailkenntnisse über Marzahn
NordWest als die
stille Nachbarin
Cécile.
Das Quellgebiet der
Wuhle als trächtigen
Ort für ihre soziologischen Studien hat
die Doktorandin
durch die Website
des Quartiersmanagements entdeckt:
„Bereits in Frankreich konnte ich lesen, dass es ein
Tschechow-Theater,
den Bewohnerbeirat
u.a. gab. Auch auf
die Russlanddeutschen war ich neugierig.“
Andererseits ist Cécile seit ihrer Kindheit
mit Berlin vertraut. Die Arbeit des Vaters
brachte es mit sich, dass sie ab dem zehnten Lebensjahr drei Jahre das französische
Gymnasium in Reinickendorf besuchte.
Die Mauer stand noch und machte das
Mädchen neugierig. Warum? „Weil es einfach verboten war, nach drüben zu gehen“,
sagt sie, „und die Vopos an der Grenze
waren auch für ein Kind beeindruckend.“
Einmal konnte sie die Posten passieren –
mit dem Vater und einer französischen Erlaubnis. Wenig später war die Mauer weg.
Die Neugier aber nicht. Davon zeugen die
Fragen, die sie heute stellt. Und Cécile
vermag bis tief ins Herz zu fragen, weil sie
dieselben zu öffnen versteht. Selbst BVVVorsteherin Petra Wermke erzählt, dass sie
während des Interviews plötzlich weinte.,
„keine Ahnung, warum“. Und das eigene
Herz? Laurent hat es erobert. Er ist Céciles
Ehemann. Aber als Eheleute haben sie bisher nur ein halbes von zwei Jahren gemeinsam verbracht. Während nämlich sie in
Berlin forscht, arbeitet er in Paris bei Peugeot. Kleine Herzen sind an solcher Trennung zerbrochen. Nicht so C. & L. Seit
September haben sie umdisponiert. Die
junge Frau arbeitet nun überwiegend zu
Hause an der Seine. Doch die Wuhle wird
sie nicht loslassen. „Kaum habe ich meinen Mann wiedergefunden“, schreibt sie,
„fehlen mir die Leute von Marzahn.“
Umgekehrt ist es auch so. T. Preußing
3
Musiklegenden des Ostens – jot w.d.-Serie, Teil 30
In der Juli-Ausgabe 2004 begannen wir, Künstler vorzustellen, die in der Jugendzeit vieler
unserer Leser – also in den 50er, 60er, 70er
und 80er Jahren – Schlagzeilen machten.
Wie geht es den Publikumslieblingen von einst
heute? jot w.d. traf viele von ihnen. Wir setzen
unsere Serie in dieser Ausgabe mit „Gotte“
Gottschalk, dem Sänger der „Tagesreise“, fort.
Heinz-Jürgen Gottschalk
Er singt die „Tagesreise“ heute noch
Vielleicht hätte er ein berühmter
Turner werden und vielleicht
Olympiamedaillen holen können.
An der Kinder- und Jugendsportschule Erfurt galt Gotte, wie
er von Freunden genannt wird,
als hoffnungsvolles Talent. Doch
dann verfielen er und sein Mitschüler Jürgen Kerth dem Beatlesfieber. Noch an der Schule formierten sie eine Gitarrenband
und gaben als 14-Jährige ihr erstes Konzert bei einer Silvesterparty. Sie gründeten die „Spotlights“, mussten sich wenig später auf höheren Geheiß umbenennen.
Doch auch als „Rampenlichter“
erhielten die Jungs bald Spielverbot. 1968 gründet Gotte mit ein
paar Freunden die „Nautics“.
Anfang der 70er wird auch diese
Band verboten. Der Erfurter, der
inzwischen die Texterin Karola
geheiratet hat (mit der er noch
heute verheiratet ist), studiert an
der Musikhochschule Weimar,
wird 1973 von Bernd Römer (Karat) nach Berlin geholt und wird
Sänger der legendären HorstKrüger-Band. Deren größter Hit,
die „Tagesreise“ (Komp. Micha
Heubach), wurde später (und bis
heute) von vielen Bands nachgespielt. Gotte brachte auch Tamara Danz (später Silly) zu Krüger.
„Ich hatte sie schon als 12-Jährige kennen gelernt“, sagt er.
Gemeinsam mit Musikern wie
Micha Behm, Axel Donner und
anderen gründet er 1976 die Gruppe „Neue Generation“. 1980 besinnt sich der Sänger auf seine
Songwriter-Qualitäten und entscheidet sich für eine Solokarriere.
Vier Jahre darauf erscheint sein
erstes Solo-Album bei Amiga
„Wenn ich auf dem Rücken lieg“
mit einer Mischung aus Pop-,
Rock- und Reggae-Songs. „Es lief
gut, zuweilen hatte ich 15 Auftritte an einem Tag“, erinnert er sich.
Im Sommer 1985 kehrt Gotte nach
einem Auftritt in Westberlin nicht
mehr zurück und geht nach München. Seine Frau darf mit den beiden Kindern erst drei Jahre später
nachkommen. Als ein im Westen
unbekannter Sänger fällt es ihm
schwer, musikalisch wieder Boden
unter die Füße zu bekommen.
Doch allmählich macht er sich als
Studiomusiker für Künstler wie
Gaby Albrecht, Patrick Lindner,
Rex Gildo, Nicole oder Jürgen
Drews unentbehrlich. Sein zweites Standbein: Chorsänger bei
Studioproduktionen und bei Synchronisationen von Filmen (z.B.
ist er die Singstimme von Gonzo
in den Muppet-Filmen).
Eine schwere Erkrankung Ende
der 90er Jahre zwingt den Musiker zur Umorientierung. Er besinnt sich auf seine musikalischen
Wurzeln, kehrt 2002 auch wieder
Gotte bei seinem Auftritt 2006 in Hellersdorf.
Foto: Nachtmann
Mehr als ein Viertel Jahrhundert
her: Gotte 1981. Foto: nl-Archiv
in seine Heimat Erfurt zurück.
Seitdem tourt er wieder als „EinMann-Unternehmen“ durch die
Klubs, zuweilen auch mit ExNautics-Mitstreitern oder mit
der Band „Vital“. 2005 wird auf
dem Erfurter Domplatz seine
Suite „Erfordia“ gemeinsam mit
dem Orchester der Thüringer
Philharmonie aufgeführt.
2006 zieht es den Thüringer, vor
allem wegen der beiden Kinder
und der Enkel, in die Hauptstadt.
Mit seiner Frau Karola lebt er nun
am Rande von Berlin im Grünen.
Wir erlebten Gotte unlängst im
Cafe 13 an der Hellersdorfer Promenade im wahrsten Sinne des
Wortes als Ein-Mann-Kapelle mit
Mundharmonika, Gitarre (der er
auch Töne verschiedener anderer
Instrumente zu entlocken weiß)
und natürlich mit seinem unverwechselbaren Gesang. „Ich bin
ein altes Rockfossil“, meinte der
58-Jährige und stimmte sogleich
„Yesterday“ von den Beatles an.
Aber auch eigene Songs wie „Der
Regenmacher“, „Traum vom Baum“
„Am Morgen“, Schür’ das Feuer“
oder „Lied für einen Freund“. Totale Überraschung im Publikum, als
Gotte den Gefangenenchor aus
Nabucco anstimmt – auf italienisch
natürlich. Gotte ist halt immer wieder für Überraschungen gut.
Ingeborg Dittmann
In dieser Serie
erschienen bisher:
Julia Axen, Hans-Jürgen Beyer, Dieter
Dornig, Har tmut Eichler, Ina-Maria
Federowski, Rainer Garden, Ingo Graf,
Mary Halfkath, Monika Herz, Barbara
Kellerbauer, Britt Kersten, Jürgen Kerth,
Gerti Möller, Thomas Natschinski, Omega, Jenny Petra, Puhdys, James W. Pulley, Brigitte Rabald-Koll, Gaby Rückert,
Sonja Schmidt, Vera Schneidenbach,
Sonja Siewert/Herbert Klein, Reiner
Süß, Tina, Regina Thoss, Bärbel Wachholz, Jürgen Walter, Peter Wieland
4
Die Vogelwelt
im Winter
Hellersdorf – Wie kann man im
Winter Bäume bestimmen? Das
erfahren die Besucher am 14.
Januar, 14.30 Uhr, aus dem
Munde von Diplom-Biologin
Beate Kitzmann im Naturschutzzentrum Schleipfuhl. Am
28. Januar, 14.30 Uhr,werden
in einem Vortrag einheimische
Vogelarten vorgestellt, die den
Winter bei uns verbringen. Dazu
gibt’s von Steffen Gierth Nützliches über die Winterfütterung
zu erfahren. Anschließend werden bei einem Rundgang Vögel
beobachtet. In der Reihe „Hand
in Hand durch die Natur“ gibt’s
am 9. Januar, 14 Uhr, einen
Neujahrsspaziergang am Schleipfuhl. Danach wird das Jahresprogramm 2007 vorgestellt. Ideen sind willkommen. Zum Thema „Die Natur des Jahres 2007
– was kommt nach Kleiber und
Rosskastanie?“ wird am 23. Januar, 14 Uhr, informiert. Treffpunkt für alle Veranstaltungen:
Naturschutzzentrum, Hermsdorfer Straße 11 A. I. Dittmann
Fünf „Dörfer“
im Wandel
Marzahn – In der Reihe „Gespräche zur Geschichte gibt es am 10.
Januar,19 Uhr, eine Sonderführung
durch die Ausstellung „MarzahnHellersdorf. Dörfer – Siedlungen –
Stadt. 1870-1970“.
Wie im vergangenen Jahr bietet das
Bezirksmuseum eine abendliche
Ausstellungsführung durch die derzeitige Ausstellung an, die verschiedene Autoren anhand von Tafeln und
ausgewählten Objekten vorstellen.
Den Besuchern wird so die Möglichkeit gegeben, in einen Dialog mit
den „Machern“ zu treten, ihre Fragen, Anregungen und Wünsche vorzubringen. Zudem besteht die Möglichkeit, sich über den aktuellen
Stand bei der Vorbereitung des dritten Bausteins der Dauerausstellung,
der im August 2007 eröffnet werden soll, zu informieren.
In den Jahren zwischen 1870 und
1970 vollzogen sich tiefgreifende
Veränderungen im Leben von
Biesdorf, Hellersdorf, Kaulsdorf,
Mahlsdorf und Marzahn. Die Verbindungen zur Hauptstadt Berlin
wurden enger, 1920 wurden die bis
dahin kommunal selbständigen Orte
eingemeindet. Große Siedlungsgebiete entstanden. Die Einwohnerzahl vervielfachte sich, städtische
Lebensgewohnheiten hielten nach
und nach Einzug. Erste kleine Industriebetriebe entstanden. Jahrzehntelang formten die Rieselfelder die
Landschaft um Hellersdorf und
Marzahn. Auch politisch und kulturell waren die hundert Jahre eine
Zeit vielfachen Wandels. Die damit
verbundenen Prozesse werden in
chronologischen und thematischen
Ausstellungstafeln und mit vielen
Objekten veranschaulicht, ergänzt
durch multimediale Elemente und
Lesemappen.
Bezirksmuseum, Alt-Marzahn
51, geöffnet Di bis Do 10-17 Uhr,
So 11-17 Uhr, Archiv Mi und Do
von 10-17 Uhr. Eintritt frei.
jot w.d. 1/2007
Großsiedlung
Die Kirche ist wieder im Dorf
Neujahrsgolf
für Jedermann
Helwichstorp lebt am Cottbusser Platz auf
Hellersdorf – Acht Stelen aus Edelstahl machen die Umrisse eines Gebäudes sichtbar, das einst an der
Wiege von Hellersdorf stand: eine
Feldsteinkirche. Die gehörte zu
Helwichsdorp, einem kleinen Nest
mit Kirche, Friedhof und ein paar
Häuschen, das es mindestens seit
1375 gibt. Denn in diesem Jahr fand
es Erwähnung im Landbuch Kaiser
Karl IV. Das Dörfchen, kleiner noch
als Mahlsdorf oder Kaulsdorf, befand sich südlich des heutigen UBahnhofes Cottbusser Platz. Das
weiß man so genau, weil man Anfang der 1980er Jahre genau dort bei
Ausgrabungsarbeiten die Reste des
mittelalterlichen Helwichsdorp fand.
Einige davon sind im Stadtmuseum
Berlin zu sehen. Als Erinnerung an
den historischen Ort – sozusagen
die Wiege der 20-jährigen Großsiedlung Hellersdorf – wurde kürzlich ein so genannter Denkraum am
U-Bahn-Ausgang geschaffen. Dazu
gehören neben den Stelen u.a. eine
Info-Tafel mit wichtigen Daten zur
Entwicklung, ein Platz mit einem
Findling und in Treppenstufen eingelassene Buchstaben, welche die
historisch überlieferten unterschiedlichen Schreibweisen von Hellersdorf dokumentieren.
Leider ist in der Literatur zu Hellersdorf (auch in der 200-seitigen
Festschrift der MAZZ Verlagsgesellschaft, die 1996 über Hellersdorf erschien) gar nichts oder wenig
über die einstige Ansiedlung, die
später zur Wüstung wurde, zu finden. Ausführlichere Beschreibungen
beginnen erst mit dem 19. Jahrhundert – mit Vorwerk, Rittergut und
Gutshof.
I. Dittmann
Marzahn – Am ersten Sonntag
nach dem Neujahrstag, am 7. Januar, findet im Kleingolfzentrum
Marzahn, Wittenberger Straße 50,
das traditionelle Neujahrsgolfen
statt. Es ist ein Publikumswettstreit und somit offen für jeden,
der einen Schläger halten kann und
sich zutraut, zweimal hintereinander die 18 Filzbahnen zu spielen.
Das Neujahrsgolfen ist ein
Freizeitspaß, bei dem in Dreiergruppen gespielt wird. Diese werden vor dem Start (11 Uhr) ausgelost. Ab 10 Uhr ist Warm- und
Einspielen erlaubt.
Eigene Schläger und Bälle zum
Spiel sind gestattet, eine kostenlose Ausleihe von Anlagenmaterial ist
möglich. Es gibt einige Preise zu
gewinnen. Wer etwa in beiden Runden das gleiche Ergebnis spielt, erhält einen Sonderpreis, ebenso die
besten Spieler unter 18 bzw. über
60. Wer an Bahn 6 eine 6 spielt,
erhält einen Trostpreis. Wer sich
bis 6. Januar 18 Uhr anmeldet, kann
eine Urkunde, in die das Ergebnis
eingetragen wird, bestellen.
Der Einsatz beträgt 6 Euro je Teilnehmer und wird unter die jeweils
besten vier Spieler der Gruppen
„Publikum“ und „Vereins-Minigolfer“ im Verhältnis 40–30–20–
10 als Prämie ausgeschüttet.
Rückfragen und Info Tel. 933 60 17,
email: filzi.minigolf@arcor.de
Reinhard Kneist
Eine der vier Doppelstelen, die auf das versunkene alte Hellersdorf
hinweisen. Nicht weit weg davon zwei Bauwerke, die vermutlich in
nicht allzu ferner Zeit auch zum „alten Hellersdorf“ gehören könnten.
Im gepflasterten Weg sind Metallplatten mit den verschiedenen historischen Schreibweisen Hellersdorfs eingelassen.
Fotos: Nachtmann
Neuer Parkplatz für Drahtesel
Hönow – Jahrelang jeden Morgen
das gleiche Bild. Fahrradfahrer, die
am U-Bahnhof Hönow in die U 5
umsteigen wollen, suchen verzweifelt
nach einem Laternenpfahl, einem freien Geländer oder einer anderen Befes-
Die beiden Bürgermeister Dagmar Pohle und Klaus Ahrens probierten
den neuen Fahrrad-Parkplatz gleich nach der „Eröffnung“ aus. Knapp
300 Velos finden nun Platz am U-Bahnhof Hönow.
Foto: Nachtmann
tigungsmöglichkeit für ihr gutes
Stück. Die wenigen Fahrradständer sind längst vergeben. Da
verpasst man schnell mal seine
geplante Bahn und fängt an zu
fluchen. Das hat nun alles sein
Ende. Spätestens seit dem 11.
Dezember. An diesem Tag übergaben die Bürgermeister aus
Marzahn-Hellersdorf und
Hoppegarten und der Ortsbürgermeister von Hönow einen
neuen, sogar überdachten Fahrrad-Parkplatz. 288 Räder haben
Platz in der Anlage, die vom
Land Berlin (Planung) sowie
dem Fernwärmeunternehmen
EKT GmbH finanziert wurde.
Damit hat das jahrelange Ringen um solch eine Anlage ein
gutes Ende gefunden. Weshalb
die Verwirklichung eines solch
relativ kleinen Bauvorhabens,
an dem Berlin und Brandenburg
beteiligt sind, fast sechs Jahre
dauerte, ist schwer zu verstehen. Wie viele Briefe, Sitzungen, Abstimmungen und Beschlüsse hat das gebraucht, ehe
man vor zirka einem Jahr zur
Einigung kam. Da will man gar
nicht glauben, dass noch vor ein
paar Jahren die Fusion BerlinBrandenburg in greifbarer Nähe
schien.
I. Dittmann
Berlins oberste Minigolfer Egon
Schacke, Vorsitzender des Bahnengolfverbandes Berlin-Brandenburg e.V. (BVBB), hat die Marzahner Anlage (hier beim Einlochen an Bahn 10) schon des öfteren gespielt.
Foto: Kneist
Die Flügel sind
wieder dran
Marzahn – Nachdem am 6. Juli
ein Unwetter die vier Flügel der
Marzahner Bockwindmühle zerstört hatte, konnte Müller Jürgen
Wolf nach einer aufwändigen Reparatur das „gute Stück“ im Dezember symbolisch an „Besitzerin“ Bürgermeisterin Dagmar Pohle übergeben. Die 30 000 Euro teuren Arbeiten wurden aus Spenden
von Marzahner Unternehmen und
Eigenleistung der Mitglieder des
Mühlenvereins geleistet und bezahlt. Korn mahlen konnte Müller Wolf in der Zwischenzeit trotzdem. Die Mühle verfügt über ein
elektrisches Mahlwerk.
-erren
Wirtschaft & Soziales
jot w.d. 1/2007
5
Mittagstisch als Hilfe zur Selbsthilfe
Statt „Suppenküche“ Sozialprojekt zum Mitmachen für Kinder und Eltern
Marzahn – Im Kinder- und Jugendhilfezentrum des DRK an der
Sella-Hasse-Straße 19 können
Kinder aus dem Kiez jeden Tag
gemeinsam in familiärer Atmosphäre ein Mittagessen einnehmen. Doch sie lassen es sich nicht
einfach vorsetzen, sondern sind
daran beteiligt – am Auswählen und
Einkaufen der Produkte, am Zubereiten der Speisen, am Tisch
decken oder dem Abwasch danach.
Die nötigen Räumlichkeiten dafür
stellt die gegenüberliegende Thüringen-Oberschule zur Verfügung,
und ein finanzieller Zuschuss
kommt von Bäcker Feihl.
Auch Brötchen, Brot und Kuchen
steuert die Backstube an der Wolfener Straße hin und wieder bei.
Für die Unterstützung des Projektes hat sich Bäcker Feihl etwas
ganz Besonderes ausgedacht. „Wir
wollten nicht einfach mal einen
Scheck rüberreichen, sondern uns
dauerhaft an dem Projekt beteiligen“, sagt Herr Feihl.
Und das geht so: In der Bäckerei
wurden neue Teigwaren entwikkelt: ein Bärlauchbrot, ein spezielles Brötchen, der Wurzelzwerg,
und der „Ameisenkuchen“. Teile
des Verkaufserlöses fließen nun
monatlich in den „Pädagogischen
Mittagstisch“.
Kinder aus der Thüringen-Oberschule konnten am 14. Dezember
dieses Gebäck schon mal kosten.
Mehr noch, sie durften gemeinsam
mit dem stellvertretenden Produktionsleiter Andreas Taggeselle
Infotag zu
alternativen
Heilverfahren
Biesdorf – Zu einem „Tag der Naturheilkunde und alternativen
Medizin“ lädt die Berliner Niederlassung der Gesundheitsfirma Tian
Qi Med am Sonnabend, 13. Januar, ins Schloss Biesdorf ein. Zwischen 11 und 18 Uhr gibt es neben
einer ganzen Reihe interessanter
Vorträge (etwa von Fr. Dr. Bei
Wang über die klinische Anwendung traditioneller chinesischer
Medizin oder von der Ärztin Claudia Buntrock über Naturheilverfahren in der ambulanten Praxis)
auch jede Menge Schnupper- bzw.
Kennenlernangebote. Diese reichen von Klangschalenmassage
über Bioenergetische Meditation
bis zu Nikotinentwöhnung und
Ortomolekularmedizin. Insgesamt
stehen 14 Vorträge und 32 Probierangebote auf dem Programm. Das
Schlosspersonal sorgt für Imbiss
und eine Tee-Verkostung. Zum
Auftakt 11 Uhr zeigt eine Kindergruppe Übungen aus der Kampfkunst-Sportart Taekwondo.
rn
Gar nicht so einfach, das Brötchenformen. Auch Bürgermeisterin Pohle probierte es.
Brötchen backen. Am Backofen
drückte zu guter Letzt „Backmeister“ Andreas (13) auf den
Knopf Nr. 23. Nach 20 Minuten
kamen die duftenden Schrippen
ins Körbchen. Da langte auch
Bürgermeisterin Dagmar Pohle zu,
die es sich nicht nehmen ließ, den
Kindern beim Backen über die
Schulter zu sehen.
Der Mittagstisch ist Bestandteil
des Tagesablaufes im DRK-Zen-
trum, erläutert Katrin Nikiforob
vom DRK-Kreisverband Berlin
Nordost. Der Mittagstisch soll
kein Angebot für „hungernde Kinder“ sein. „Wir gehen mit den Kindern einkaufen. Sie sollen lernen,
mit Geld umzugehen, gesunde Zutaten auszuwählen, an der Vorbereitung des Essens beteiligt zu sein,
den Tisch zu decken und danach
wieder Ordnung zu schaffen.“ Die
Mentalität, „jetzt hole ich mir ein
Sterne lügen nicht?
Wahrsagen und Bauchtanz in „Helle Mitte“
Foto: Nachtmann
kostenloses Mittagessen ab“, wie
das in anderen Einrichtungen
(etwa der „Arche“ in Hellersdorf)
geschehe, wolle man nicht fördern,
heißt es bei den Beteiligten.
Deshalb werden auch Eltern einbezogen. Viele Eltern wissen gar
nicht mehr, wie wichtig ein gemeinsames Essen im Kreis der
Familie für Sozialverhalten und
Persönlichkeitsentwicklung der
Kinder ist.
I. Dittmann
Jungen und Mädchen führen
Kampfkünste vor.
Foto: Jost
Ein Stück Aufschwung
NILES investiert in neue Fertigungshalle
Hellersdorf – Was das neue Jahr
wohl mit sich bringt? Die Antwort
darauf könnte sie geben: Wahrsagerin Shakira wird zum Beginn des
neuen Jahres von 11 bis 14 und
von 15 bis 19 Uhr am Donnerstag
und Freitag (11. und 12. Januar)
sowie von 10 bis 13 und 14 bis 18
Uhr am Sonnabend (13. Januar)
in der Hellen Passage für interessierte Besucher einen Blick in die
Zukunft wagen. „Mit meinen
Weissagungen gehe ich verantwortungsbewusst um. Ich erkenne in
jedem Menschen die persönlichen,
ganz besonderen Fähigkeiten. Und
es macht mir große Freude, die
positiven Kräfte meines Besuchers zu spiegeln, zu offenbaren
und spielerisch mit dem jeweils
erwählten Orakel Antworten auf
seine Fragen zu finden. All das in
positiv ungezwungener Atmosphäre und mit einem freundlichen
Augenzwinkern“, so Shakira über
ihre Arbeit.
Die professionelle Hellseherin kann
bereits auf über 15 Jahre Berufserfahrung als Wahrsagerin zurückblikken. Ihre Spezialgebiete sind neben
der Weissagung das Lesen aus
Handlinien, Schicksalsdeutung,
Pendeln, Schriftdeutung und Tarot.
Des Weiteren können die Besucher der Hellen Passage während
dieser drei Tage orientalische
Tanzshows bewundern. Die „Orientgirls“ verzaubern das Publikum
mit Bauchtanz-Vorführungen in
kunstvoll-erotischen Kostümen
und verführen Sie in die Welt von
1000 und einer Nacht. Vorstellungen: Donnerstag und Freitag 17,
17.30 und 18 Uhr, Sonnabend 15,
15.30 und 16 Uhr.
A.K.
Marzahn – Die täglichen Wirtschaftsnachrichten verkünden es: Gerade im für
seine Qualität weltweit gerühmten deutschen Maschinenbau geht es steil aufwärts.
Die Auftragsbücher platzen zumeist aus
allen Nähten. Ein wenig vom Glanz des
Aufschwungs fällt nun auch auf Marzahn
West. Denn die dort seit einigen Jahren
beheimatete Werkzeugmaschinenfabrik
NILES investiert drei Millionen Euro in
eine neue Fertigungs- und Montagehalle,
in der auch Sozial- und Schulungsräume
Platz finden werden.
Kurz vor Weihnachten stachen Wirtschaftsstaatssekretär Volkmar Strauch,
Bürgermeisterin Dagmar Pohle, Werkleiter Frank Reichel und die beiden Geschäftsführer der Kapp-Gruppe (zu der
NILES gehört), Martin Kapp und Helmut
Nüssle, den symbolischen Spaten in die
Marzahner Erde.
Auch wenn mit dieser Investition direkt
keine neuen Arbeitsplätze verbunden sind,
„stellt sie doch die Basis dafür“ dar, wie
Martin Kapp betonte. Die Zahnräder mit
einem Durchmesser von bis zu fünf Metern, die die 135 NILES-Mitarbeiter herstellen, werden in alle Welt exportiert. Sie
finden Platz in Schiffen, Zügen, Bergbaumaschinen und Walzwerken.
-erren
In einem DDR-Lexikon könnte er auftauchen als Minister, Spitzendiplomat,
Parteiarbeiter. Oder eher überhaupt nicht.
Zu wenig angepasst, zu oft in Fettnäpfe
getreten. Heute würde man ihn mediengerecht kurz „Reformer“ nennen. Darüber
hätte er sicher geschmunzelt.
Er wohnte mit seiner Frau Ursula in seinen letzten Lebensjahren in der Riesaer
Straße in einer der typischen Wohnungen
der Hellersdorfer Großsiedlung. Wenn es
Sommer wurde, zog es die Siebers stets
hinaus zur Strausberger Familiendatsche.
Günter Sieber verstarb am 28.November
2006 im Alter von 76 Jahren.
Als ich die Nachricht las, klang mir das
für ihn so typische spöttische Lachen in
den Ohren, mit dem er seine Erzählungen
über alte DDR-Zeiten und störrisch gewordene ehemalige Mitstreiter garnierte.
Als er kurz vor der Wende als Abteilungsleiter für Internationale Verbindungen im
Zentralkomitee der SED über Gespräche
der Parteioberen mit Gorbatschow berichtete, war dieses Lachen eher heiser und
bitter als spöttisch. Was ihn nicht an kurzen, bissigen und eindeutigen Kommentaren hinderte: Der Zug war abgefahren,
und er hatte wohl eher als die meisten anderen seiner Genossen wichtige Ursachen
und Wirkungen erkannt.
Spätestens als Honecker ihn Anfang der
siebziger Jahre abservierte, war ihm klar
geworden, dass selbst die halbherzigen
Ulbrichtschen Ansätze für eine modernere Wirtschaftspolitik keine Chance mehr
hatten. Von Anfang der sechziger Jahre bis
zu Honeckers Machtantritt hatte er diese
„Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung“ genannten Reformen
Kalt gestellter
Reformer
auf reale wirtschaftliche Entwicklungen
kaum Illusionen über den Zustand des
Sozialismus mehr gehegt haben. Er konnte in Polen zusätzlich frühzeitig erkennen,
wo die herkömmliche sowjetische Großmachtpolitik an politische und ökonomische Grenzen stieß.
Als dann Gorbatschow auftauchte, war
Günter Sieber wieder in Berlin und machte mit seinem heiseren Spott jüngeren
Mitstreitern für einen besseren Sozialismus deutlich: Die in Moskau begonnene
Politik der kritischen Offenheit und Demokratisierung stand auch anderswo auf
der Tagesordnung, wurde jedoch zunehmend von Honeckers alter Garde vor allem als Bedrohung eigener Existenz gesehen. Schwer zu sagen, ob Parteiarbeiter
Sieber nach 1985 in Kenntnis der tatsächlichen Lage in Moskau, Warschau und
Berlin resignierte oder frühzeitig den Lauf
der Geschichte nach 1989 erahnte. Seine
damaligen sarkastischen Kommentare
lassen wohl beide Varianten zu.
Nach dem erzwungenen Abdanken von
Honecker und Krenz blieb er ein bekennender demokratischer Linker: Trotz langwieriger Erkrankung stellte er seine Erfahrung im „Rat der Alten“ der PDS zur Verfügung. Auch jetzt mussten einige Leute
Günter Siebers spöttische Seitenhiebe
ertragen, wenn er sie wegen rosaroter Brille bezüglich des Staatssozialismus aufs
Korn nahm.
Leute seines Schlages gibt es nicht viele.
Sie bleiben sich treu. Und nehmen kein
Blatt vor den Mund, wenn sich vermeintliche Mitstreiter ohne erkennbares Rückgrat schon wieder neuen Herren andienen
wollen.
U. Clauder
Zum Tod von Günter Sieber
unter anderem als Minister für Handel und Versorgung unterstützt. Mehr
oder weniger offen prangerte er die darauf
folgende zentralistische Wirtschaftsstrategie von Honecker und Mittag an, die
kaum ökonomische Hebel wie flexible
Preisgestaltung einsetzte und wenig Anreize für höhere Effizienz über eine betriebliche Gewinnorientierung bot.
Dann Botschafter in Warschau. Eine Strafversetzung in das von immer tieferen Krisen in immer kürzeren Abständen geschüttelte Polen sollte es wohl sein. Günter
Sieber dürfte dort mit seinem Fachblick
6
jot w.d. 1/2007
Rückblick
So sah jot w.d. das Jahr 2006
„Nochmal richtig feiern“, hatte ich als Jahreslosung im
Januar ausgegeben. Der kollektive Weltmeisterschaftstaumel mitsamt kurzatmig neu erwachter Patriotismusdebatten und -parolen hat sich mittlerweile wieder gelegt.
Wir haben auch gefeiert. Und weil so ein zehnjähriges jot
w.d.-Jubiläum nicht einfach mit einer kleinen Party abgetan sein darf, nutzten wir die Gelegenheit und schauten
von Februar an jeden Monat auf einen ganzen Jahrgang
unserer Zeitung zurück. Und im Mai trafen Herausgeber
und Redaktion mit vielen Freunden, Lesern und Abonnenten im Mahlsdorfer Kunsthaus Flora zusammen, um den
Geburtstag recht zünftig zu begehen.
Ganz so zünftig, wie es bei der Planung erwartet wurde,
ging es beim neuen „Demokratie-Projekt“ Bürgerhaushalt
nicht zu. Zu wenige Marzahner, Hellersdorfer oder
Biesdorfer interessierten sich für die Möglichkeiten der
Teilhabe am Verteilen nicht vorhandenen Geldes. Dass diese
Wenigen dann auch noch von Bezirksamt und BVV arg vor
den Kopf gestoßen wurden (fast alle Vorschläge wurden
abgeschmettert), ist ein Ärgernis, wie wir es in diesem
Jahr nicht noch einmal erleben wollen.
Erlebnisträchtig war zuweilen auch der Wahlkampf, den
die Parteien führten. Senatoren kamen und gingen. Die harten Bandagen, die beim Reizthema Straßenausbaubeiträge
Januar
Februar
Juni
Zukunft und Vergangenheit
Volle Pulle Leben gleich zum Jahresbeginn mit heißen Samba-Rhythmen in Hellersdorf. Auch ein neues Stückchen
„Demokratie“ geht im Bezirk an den Start, denn neben
unseren Nachbarn in Lichtenberg sollen nun auch
Marzahner und Hellersdorfer (erst mal in drei Stadtteilen)
über die Verwendung öffentlichen Geldes mitentscheiden
dürfen. Auch der Stadtumbau geht weiter; mittlerweile
wurden 35 000 Wohnungen in der Großsiedlung modernisiert. Dass Stadtumbau stellenweise auch in der Kleinsiedlung nötig wäre, das haben die Verantwortlichen in all
den Jahren
nicht
gemerkt. Tolle
Leistungen
zeigten unterdessen unsere Musikschüler. Sie
gewannen
beim BundesWettbewerb
„Jugend musiziert“.
Zukunft und Vergangenheit
Im Bezirksmuseum Alt Marzahn
wird der erste Teil der Dauerausstellung zur Geschichte der
Großsiedlung eröffnet. Noch
einmal werden Leben und
Technologien der DDRZeit lebendig. Auf ganz
neue Technologien setzt die
WoGeHe, die für ihr Kabelfernsehen junge
„Cyberreporter“ in die
Kieze auf Recherche
schickt. Und auf ein
umweltbewusstes Leben werden schon die
Jüngsten vorbereitet. In
der Kita „Rabennest“
lernen sie, Müll zu
trennen und Wasser zu
sparen. Zu Recht wurde die Einrichtung als
„grüner Lernort“ ausgezeichnet.
Ein nicht-offizielles Jubiläum
Dass vor 20 Jahren der damalige
Stadtbezirk Hellersdorf gegründet wurde, nahmen die WoGeHe
und die Helle Mitte zum Anlass,
ordentlich zu feiern. Dabei hatte
der Großvermieter gar doppelten
Anlass: Die Sanierung im Grabenviertel, ganz in der Nähe des
Stadtzentrums war abgeschlossen. Und weil die „offiziellen Stellen“ es mit
der Würdigung eher
schmal angehen ließen, ließ die
WoGeHe eine
schöne kleine Broschüre erarbeiten,
die die Schönheiten
Hellersdorfs beschreibt. Auch im
„gesunden Bereich“ wurde ein weiterer Schritt getan. Im
künftigen Ärztezentrum in Biesdorf Süd sank die übliche
Kupferröhre in den Grundstein.
Juli
August/September
Auf- und Abschwung
Internationales Flair und lokaler Zoff
Während sich Marzahner Schüler tiefgründig mit der Geschichte des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg
(„Retter der Budapester Juden“) befassten, gingen Berliner Hobbytaucher im Habermannsee der Geschichte auf
den Grund. Hatten erstere viele Fakten zusammen getragen, waren es bei letzteren Flaschen, Scherben und Müll.
An ein Stück Geschichte erinnerte auch der Enkel von
Nikolai Bersarin, der den Bezirk bersuchte. Und Geschichte
schreiben
will in Zukunft auch
das „Kistenspektakel“, das in
diesem Jahr
in punkto
kultureller
Vielfalt einen nahezu
„historis c h e n “
Sprung
machte.
Eine Doppelnummer von jot w.d.
konnte gar nicht
alle Themen fassen, die das Sommerloch füllten.
Ein Jugendfestival
brachte die Helle Mitte zum
Kochen, das Orwo-Haus wurde
von Bundespräsident Horst Köhler
als „Ort der Ideen“ ausgezeichnet,
das „Promenadenbuffett“ zeigte, wie man
gesund kochen kann. In Hellersdorf bekam das „Branitzer Karree“ diesen Namen auch offiziell, in Marzahn Nord
weist der „Wander(ver)führer“ auf
interessante Ecken hin. An der
Wuhle beginnen die Bagger, aus einem industriellen Graben wieder ein Stück „normaler“ Natur zu machen. Während nicht nur die Heimatforscher um Friedrich Wilhelm
Bretschneider trauern, kämpfen die Mieter der Wohnungsgenossenschaft „Eigentum 2000“ gegen den Verlust ihrer
Geldeinlagen nach der Pleite des Unternehmens.
Eine berühmte französische Künstlergruppe wird
das Wohnquartier Hellersdorfer Promenade von außen völlig neu gestalten.
Das Projekt ist weitaus
mehr als nur ein bunter
Tupfer. Nach der Wahl
heißt es für so manchen
Mandatsträger, Abschied
nehmen. Abschied nehmen
mussten Fans auch von der
Litfaßsäule, bei der Siggi
Trzoß fast 15 Jahre lang
„Menschen, Meinungen
und Musik“ präsentierte.
Nach Ausgabe 150 mit einem Aufgalopp der beliebtesten Altstars des Ostens
auf der Parkbühne Biesdorf war Schluss. Begonnen hat
hingegen ein unverständlicher Zoff im Quartiersrat Marzahn NordWest, der sich an zwei Artikeln unseres Autors
Torsten Preußing entzündete.
Suche nach Geschichte
Oktober
Und wen wir unter’m
Tja, manchmal staunt sogar Kolle- Sonne, Sekt und Bürgermeisterwahl? Weihnachten? Ich Aber Ute, Rauchen ist
gin Kirsten Kühnert, called: Mc K. Rosen, was sonst? Augen zu und durch! warne Euch!
doch sooo ungesund!
Hier sind die Puhdys: „Wenn wir spielen, öffnet sich für
euch alle der Höllenschlund!“
auf 2006
jot w.d. 1/2007
7
in Marzahn-Hellersdorf
angelegt wurden, nahmen zuweilen fast amerikanische Züge
an. Am Ende lachte hier im Bezirk nur einer, während es
viele lange Gesichter gab. Und in der BVV eine anhaltende
Hängepartie um ein von der SPD zu nominierendes
Bezirksamtsmitglied.
In der Rückschau stellen sich besonders zwei Dinge als
erfreulich dar: Unser Bezirk entwickelt sich immer mehr
zu einem wichtigen Gesundheitsstandort, was durch neue
Ärztehäuser, Pflegeeinrichtungen und (die ist besonders
erfreulich) eine neue Geburtsklinik belegt wird. Auch im
ökologischen Bereich geht es, in kleinen Schritten zwar,
vorwärts. Auch wenn phasenweise die Liebe zum Timbersport (Wett-Kettensägen) umweltbewusste Vernunft bei
den Verantwortlichen zu verdrängen scheint.
Nicht verdrängt wurde und wird in jot w.d. die Diskussion
um historische Verantwortung, etwa bei den Straßennamen.
Auch Verkehrsfragen, etwa der Ortsumfahrung Ahrensfelde
oder dem ÖPNV, werden wir uns in diesem Jahr erneut
zuwenden. Und nicht zuletzt setzen wir unsere beliebte
Serie über die „Musiklegenden des Ostens“ fort und weisen
auf „ganz normale“ Menschen in unseren Kiezen hin, die in
vielerlei Hinsicht des Merkens würdig sind. Denn wo Vieles
zu zersplittern scheint, ist Kontinuität nicht von Nachteil.
Glück auf 2007!
Ihr jot w.d.-Team
März
April
Mai
Gesundheit und Kultur
Gärten öffnen und schließen
Kultur für Alle
Die lange geplante bezirkliche
Kulturnacht „Kultur a lá carte“,
die zwei Tage lang viele tolle Veranstaltungen an 44 Orten bietet,
wird nur ein Teilerfolg. Denn ungeachtet aller Warnungen hielt
Kulturstadträtin Marlitt Köhnke
am März-Termin fest, was dazu
führte, dass bei „mäßigem Wetter“ sich der Zuspruch in Grenzen hielt. Gelernt hat man daraus leider nichts. Auch in diesem
Jahr gibt’s die Kulturnacht im
März. Viel Zuspruch findet seit
ihrer Eröffnung die neue Geburtsklinik im Krankenhaus Hellersdorf. Ob die Jungen und Mädchen, die dort das Licht der Welt
erblicken, später einmal statt
Kulturschaffende lieber Sportler werden, weiß man noch
nicht. Falls sie sich jedoch für’s Fahren auf BMX-Rädern
entscheiden, finden sie in Marzahn dank der Hilfe der WBG
eine ausgezeichnete Trainingshalle.
Das Schmuckstück des Bezirks, die „Gärten der Welt“,
haben einen neuen Anziehungspunkt: Den Seouler Garten.
Ein Schandfleck des Bezirks hingegen verschwindet. Die
Ruinen an der Quedlinburger Straße werden abgerissen.
Abgeschlachtet wurden alle 32 Linden am „Galgen“, obwohl das Bezirksamt Gegenteiliges versprochen hatte. Im
„Grünbereich“ kämpfen Schüler der Döblin-Schule um den
Erhalt ihres Schulgartens. Leichter zum Garten kommen
Neumieter der WoGeHe: Wer möchte, bekommt zum Mietvertrag einen Schrebergarten. Abschied hingegen nimmt Albrecht
Voigt, der „Vater des
Tierhofes“ Marzahn;
er geht in Rente. Bis
dahin haben die Azubis des neuen „lernenden Kaufhauses“
ABUrima in Hellersdorf noch einen ganz
schön weiten Weg.
November
Dezember
Manchmal haben ja selbst linke Senatoren gute Ideen. So eine
war Thomas Flierls 3-Euro-Ticket für Unterschichtler. Dumm
nur, dass kaum jemand etwas davon wusste. Bevor das Ganze sich also zum
Flop mauserte,
machte sich Flierl
selbst auf den
Weg und lud einige Hellersdorfer für drei Euro
in den Friedrichstadtpalast ein.
Auch Uwe Klett,
damals noch
Bürgermeister, hatte wohl einen kulturellen Mangel entdeckt.
Und so meldete er sich flugs in der Mahlsdorfer Zweigstelle
der Bezirksbibliothek an. Wieviele Bücher er seither ausgeliehen hat, ist nicht übermittelt. Dass auch Sport zur Kultur
gehört, wissen
wir nicht erst
seit Prof. Dietrich
Mühlberg. Eine
Begegnung mit
einem Dutzend
Alt-Stars der
DDR-Oberliga
bescherte uns
der Sportklub
der Nachbargemeinde Schöneiche. Ducke und
Co. bewiesen,
dass sie es noch
immer „drauf“
haben. Und falls
einer der Herren
um die 60 doch
einmal schlapp
zu machen droht, ist er in Marzahn-Hellesrdorf gut aufgehoben. Dies jedenfalls bewies die Gesundheitskonferenz, die
den Bezirk als modernen leistungsfähigen Medizinstandort
qualifizierte.
Keinen Arzt
brauchte, wer in
der Galerie ArtKunstRaum eine
„Brasilianische
Hühnerboulette“
des Malers Vilson Souza genoss. Er hatte sie
für die Besucher
selbst zubereitet
Das große Staunen
Keine reine Besinnlichkeit
Mit einigem Tam-Tam hatte sich nach der Wahl eine „Zählgemeinschaft“ aus SPD, FDP, CDU und Bündnisgrünen
gebildet, um Schluss zu machen mit einem PDS-Bürgermeister im Bezirk. Die sache platzte wie eine Seifenblase,
noch ehe man sich versah. Staunend besahen wir auch die
Senats-Vorgaben für die Erschließung der Berlinerr Wohngebiete durch Busse und Bahnen. In Mahlsdorf Süd (und
nicht nur dort) werden von der BVG die Vorgaben weit verfehlt. Nicht wirklich staunten
wir hingegen über einen getürkten „Leserbrief“, der uns zum Zoff in NordWest
erreichte. Gestaunt
haben wird
wohl auch
manch aus
fernen Landen angereister Faustkämpfer
über die boxerischen Qualitäten der Jungen und Männer von Eintracht.
Die nämlich hauten beim Pokal der Wohntheke fast Alles
weg, was ihnen vor die Fäuste kam.
Gegen Ende des Jahres
wird noch mal Aufschwung probiert: In Helle
Mitte öffnet das „Kulinarium“, beim Pflegewohnzentrum werden die
ersten vier Azubis nach
Abschluss ihrer Ausbildung übernommen, am
Facharztzentrum Biesdorf Süd wird der Richtkranz hoch gezogen. Auch
der historische Weihnachtsmarkt in Kaulsdorf
hat in den zehn Jahren seines Bestehens ordentlich
zugelegt. Und wie in jeder
Ausgabe schreibt jot w.d.
über viele Initiativen, Veranstaltungen und Möglichkeiten bei Kultur und Kunst, die es in die „großen“
Medien so gut wie nie schaffen. Monat für Monat kann
man lesen: Hier in Marzahn-Hellersdorf ist „voll was los“.
Strich sonst noch trafen
Politik macht manchmal ganz schön ein- Auf der Parkbühne ist Bei uns muss niemand Nicht schon wieder’n JF: Lebe lustig, lebe froh, He, du Heini, Bei klugen Fragen lasse ich es nicht
sam, nicht wahr, Frau Abgeordnete G.H.? immer voll breit was los. grimmig dreinschaun. hässliches Bild!
wie der König Salomo. ich Gerti, du nix! bewenden, ich hab’ auch ein Auge.
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jot w.d. 1/2007
Tipps und Termine
Literaturstammtisch
Hellersdorf – Am 8. Januar, 19 Uhr,
gibt es wieder einen Literaturstammtisch
im Kulturforum an der Carola-Neher-Straße 1. Edda Winkel liest aus ihrem Manuskript „Mancherlei Geschichten und eine
kleine“ – aus dem Leben einer Sechsundsechzigjährigen. Edda Winkel, von Beruf
Lehrerin, erzählt Geschichten aus dem
Alltag, in denen sie Gestern und Heute
humorvoll und ernst miteinander verknüpft. Der Stammtisch versteht sich als
Treffpunkt literarisch Interessierter und
bietet Raum zum Vortragen eigener Texte.
Sportlegenden
Hellersdorf – Beim Talk „3 nach drei“
begrüßt Moderator Siggi Trzoß am 17.
Januar Sportreporter Heinz-Florian
Oertel und Boxlegende Wolfgang
Behrendt, der 1956
als erster Sportler
Olympiagold in die
DDR holte. Die
Veranstaltung im
Kulturforum, Carola-Neher-Straße
1, beginnt 15 Uhr.
Eintritt 6 Euro (Kaffeegedeck auf Wunsch
2,60 Euro).
id, Foto: Nachtmann
Gesichter Osteuropas
Biesdorf – Am 26. Januar lädt die IG
Kirche zu Konzert und Ausstellungseröffnung in die Krankenhauskirche am Brebacher Weg (ehemals Griesinger Krankenhaus). 19 Uhr gibt es ein Klezmer-Konzert mit der Gruppe „Schnaftl Ufftschik“,
20 Uhr wird die Fotoausstellung „Gesichter Osteuropas“ eröffnet. Eintritt frei.
Krabbes Sahnehäubchen
Friedrichshagen – Am 23. Januar ist
die Schauspielerin und Kabarettistin Ingeborg Krabbe im „Bräustübl“ am Müggelseedamm 164 zu Gast in der Talkreihe
„Sahnehäubchen“. Gastgeber: Siggi
Trzoß, Beginn: 15 Uhr, Eintritt 7 Euro,
Karten unter Telefon 645 57 16.
Sonntagsmatinee im FFM
Marzahn – Am 21. Januar, 11 Uhr, begrüßt Siggi Trzoß im Großen Saal des
Freizeitforums an der Marzahner Promenade wieder viele Künstler zur Sonntagsmatinee. Dabei sind u.a. die Sängerin Ines
Adler, die Schauspielerin Franziska
Troegner, der Sänger Matthias Sander
und die Gewinnerin des Grand Prix „Goldener Herbst“ 2006, Brigitte Hillmann.
Kartentelefon: 542 70 91 oder eine Stunde vor der Veranstaltung an der Theaterkasse im Foyer.
id
Sta(d)t-Licht
Hellersdorf – Unter dem Motto
„Sta(d)t-Licht“ zeigt die Galerie ArtKunstRaum an der Quedlinburger Straße
10 vom 18. Januar bis zum 17. Februar
Malerei und Skulpturen von Susanne
Schüftel (Jahrgang 1967) und Henry
Stöcker (Jahrgang 1954). Zur Ausstellungseröffnung am 18. Januar, 19 Uhr,
sind alle Interessenten herzlich eingeladen. Die Galerie, in der man auch besonderes Olivenöl erwerben kann, befindet
sich schräg gegenüber vom Eingang zur
Hellersdorfer Promenade (ca. 5 Minuten
Fußweg vom U-Bahnhof Hellersdorf,
Ausgang Riesaer Straße, entfernt).
id
Kultur & Freizeit
Mutter und Sohn im Duett
Monika und David Herz bei „3 nach drei“
Hellersdorf – Bei „3 nach drei“
werden Zwei von Einem ins
„Kreuzverhör“ genommen.
Nach zwei Bühnenpaaren (Steffi & Bert sowie Andrea & Wilfried Peetz) hatte sich Gastgeber Siggi Trzoß am 20. Dezember als Gesprächspartner Monika Herz und Sohn David eingeladen. Mutter und Sohn – und
doch seit vier Jahren auch ein
Paar auf der Bühne. „Als David
17 wurde, bemerkte ich zum ersten Mal, dass er eine Stimme
hat, die für mehr als nur für die
Badewanne taugt“, erzählt Monika. Damals hing das Herz des
Abiturienten aber vor allem am
Basketball. Als David nach einer Verletzung seine ehrgeizigen
Pläne aufgeben musste, entdeckte er sein Interesse an der Musik, lernte Gitarre spielen, studierte Songs von Schlager über
Rock bis zu Country ein. Obwohl seine Liebe der Musik gehört, die ihn im elterlichen Haus
von Kindestagen an begleitete,
entschied er sich nach Abi und
Zivildienst für ein Studium an
Monika Herz und Sohn David bei „3 nach drei“ im Kulturforum.
der FHTW, Kommunikations- den, war David gerade mal Acht.
design mit Schwerpunkt Foto- „Das war eher ein Zufall, weil
grafie. Die gemeinsamen Auf- nicht geplant“, erinnert sich
tritte mit Mutter Monika möch- Monika. „Bei einer Fernsehsente er dennoch nicht missen. Und dung um die Weihnachtszeit
der Erfolg ihrer Auftritte und 1990 in Rostock entschied man
kurzfristig, dass David einen
Touren gibt ihm Recht.
Als beide zum ersten Mal ge- Gesangspart übernimmt.“ Per
meinsam auf der Bühne stan- Video kann das Publikum im
Kulturforum die Szene noch
einmal miterleben.
Monika Herz (bürgerlicher
Name Schmidt) kommt aus
Letschin bei Seelow. Schon mit
zwei Jahren hatte sie Spaß am
Singen („zweistimmig mit meiner Mutter“), später im Volkskunstensemble des EKO in
Eisenhüttenstadt. Nach einer
Lehre als Gebrauchswerberin
legte sie 1972 den Berufsausweis als Sängerin ab und gehörFreund und Gitarrist Boris Hirschmüller nebst Tochter Tanja über- te fortan zur ersten Riege der
raschten Monika und David mit einem Ständchen. Fotos: Dittmann Schlagersänger in der DDR.
Lars Franke beim „Literarischen Frühstück“
Hellersdorf – Was hat es auf sich
mit der Napoleon-Eiche von
Altfriedland? Was ist so besonderes an der Fährkrug-Linde von
Schiffmühle? Wer frühstückte
unter der Königs-Platane von
Neuhardenberg? Wer pflanzte die
Schwarznuss von Chorin? Wer
war noch gleich der Herr Ribbeck
von Ribbeck im Havelland? Ant-
worten bietet das „Literarische
Frühstück“ am 24. Januar, 10
Uhr in der „Mark Twain“-Bibliothek im Freizeitforum Marzahn. Lars Franke liest aus seinem Buch „Von Königseichen und
Kirchenlinden“ – Vierundzwanzig Brandenburger Baumgeschichten. Eintritt frei, Anmeldung unter Tel. 54 704 144
rn
100 Mal Kofferradio
Jubiläumssendung mit Dagmar Frederic
Berlin – Am 18. Januar gehen
zwischen 16 und 17 Uhr im
„Kofferradio“ des OKB bereits
zum 100. Mal Hits und Raritäten des Ostens über den Sender.
Moderator Siggi Trzoß hat diesmal Dagmar Frederic zu Gast
live im Studio. Zwischen den
Wortbeiträgen sind Songs zu
hören wie „Du hast gelacht“,
„Tanz in der Sommernacht“ (beide mit Siegfried Uhlenbrock)
oder „Was halten Sie vom Tango?“ Zu empfangen auf UKW
97,2 sowie Kabel 92,6 oder im
Internet bei okb.
Die 101. Folge läuft am 1. Februar. Musikwünsche oder Ihre
Meinung zu den Sendungen können Sie per Fax an die Nummer
Doppelter Siggi: Trzoß und
Uhlenbrock. Foto: Nachtmann
030-9915023 senden. Weitere
Infos im Internet unter: www.siggitrzoss.de.
id
Bekannt wurde sie besonders
mit Liedern wie „Charlie, adé“
oder „Kleiner Vogel“.
Nach einer selbst auferlegten Pause
(nachdem ihr Sohn zur Schule
kam) ist die Sängerin nun wieder
öfter auf der Bühne zu erleben.
Neben der Liebe zur Musik verbinden Mutter und Sohn mindestens zwei weitere Leidenschaften: Kochen und Angeln. Für letztere wird einmal im Jahr ein Urlaub in Norwegen eingeplant.
Dann ist auch Monikas Mann und
Davids Vater Dieter Frikell mit
Leib und Seele dabei.
Die Familie lebt mit Kater
Findus und Neufundländerin
Josi in Schöneiche bei Berlin.
Dass Monika dort einem Tier
begegnet, das sie besonders fesselt („Ich lese alles darüber, was
ich in die Hände bekomme.“),
scheint indes unwahrscheinlich.
Es sind Wölfe, die sie faszinieren.
I. Dittmann
PS: Monika Herz war in der
Juniausgabe 2006 von jot w.d.
die „Musiklegende des Ostens“.
Der erste gemeinsame Bühnenauftritt von Monika und David
1990 in Rostock wurde vom
Fernsehen aufgezeichnet.
jot w.d.-Buchtipp
Elia Barceló: Das Rätsel der Masken
Ein junger französischer Literaturkritiker beschließt, die Biographie eines berühmten argentinischen
Schriftstellers zu schreiben, der in
Paris gelebt hatte und 1991 seinem Leben gewaltsam ein Ende
setzte. Um möglichst viel über ihn
zu erfahren, beginnt er Nachforschungen, die bald schon zu einem
Verwirrspiel werden, weil sich dabei
ein völlig anderes Bild als bisher
bekannt über den prominenten
Mann ergibt.
Die Autorin bietet eine Art „Literarisches Kammerspiel“, in dem nur
wenige Personen agieren. Über wichtige Dinge informiert sie in Rückblenden den Leser, der gespannt
sein darf, wie die Betroffenen, denen diese Ereignisse noch nicht bekannt sind, darauf reagieren werden. Diese ständige innere Spannung macht den Reiz des Werkes
aus, denn angesichts der Enthüllungen über den Protagonisten, der
sich als rechtes Scheusal erweist,
bleibt man sonst oft fassungslos.
Man kann noch nachvollziehen,
warum er seine Homosexualität erst
sehr spät öffentlich eingestand. In
den 50/60er Jahren war es für einen Prominenten nicht so leicht, sich
zu „outen“ wie heute. Unbegreiflich
bleibt aber die bedingungslose Liebe seiner ersten Ehefrau Amelia, mit
der er ein diabolisches Spiel trieb und
von der er sich scheiden ließ, um
eine Jüngere zu heiraten.
Hier wendet die Autorin im „Rätsel
der Masken“ die psychologischen
Prinzipien für das literarische Schaffen an, die Stefan Zweig proklamierte: „Nur am Schauer vor neuer Gewalt wächst unser Gefühl. Immer ist
darum das Außerordentliche das Maß
aller Größe.“ Am Schluss kommt noch
eine psychologische Maxime Stefan
Zweigs zum Tragen: „Nur das Seltene erweitert unseren Sinn.“
Elia Barceló zeigt anrührend und
glaubhaft, wie sich der Biograph, der
von Amelia eigentlich nur Informationen über ihren berühmten ExMann wollte, unsterblich in sie verliebt, von ihr zu einem Essen im teuersten Restaurant von Paris, im EiffelTurm, mit anschließendem Hotelbesuch eingeladen wird und sie für die
ihr angetane Schmach entschädigt.
Noch ein Tipp: Wer wissen will, welche Restaurants bzw. Bistros bei den
Künstlern und Literaten in Paris der
50er/60er Jahre angesagt waren, wo
sie sich trafen und debattierten, in
diesem Buch sind sie zu finden.
Lilo Herz, Kaulsdorfer Buchhandlung
Kultur & Freizeit
Legendärer
Rock
jot w.d. 1/2007
Kistenkonzerte für
Erwachsene
Dieser „Monster“ singt
noch immer unnachahmlich
Hellersdorf – Auch zu Jahresbeginn wartet die Kiste mit musikalischen Leckerbissen auf, die für
die „Großen“ tolle Happen sein
werden. Den Auftakt macht am
13. Januar, 20.30 Uhr, „The
Travellin’ Band“, die sich als
Revival (Wiederbelebung) der legendären Gruppe CCR versteht
und deren Hits exzellent nachspielt. Nur eine Woche später, am
20. Januar, hauen „Bellbraker“
20.30 Uhr in die Saiten und zelebrieren die australischen HardRocker AC/DC. Und nach dem
„knalligen“ Jahresauftakt folgt am
27. Januar etwas für Geist und
Seele: Haase solo. Christian Haase
reüssierte auch als Widergänger
von Rio Reiser; seine eigenen
Songs sind kein Deut schlechter.
Am 3. Februar sorgt „Return“
für Hits und Oldies. Eintritt je
nach Band 5 bis 12 Euro, Ermäßigungen auch im Vorverkauf. rn
Mit alten Hits von Renft und neuen Liedern begeisterte die Gruppe „Via 3“, in der sich Renft-Sänger
Thomas Schoppe, Renft-Gitarrist Heinz Prüfer und Andrea Timm zusammen geschlossen haben, am
Tag vor Heiligabend in der Kiste. Wie gut die alten Renft-Songs sind, merkt man auch daran, dass sie
selbst ohne Bass und Schlagzeug nichts von ihrer Faszination verlieren. Ein Gutteil macht dabei –
natürlich – der unnachahmliche Gesang von Thomas Schoppe aus. Doch auch die mal an CountryMusik, mal an die Tradition der Singer-Songwriter erinnernden Lieder von Andrea Timm fanden ein
aufmerksames und freudiges Publikum. Zum Gelingen des Abends trugen auch Heinz Prüfers zuweilen arg sarkastische Einlagen bei. Immer auch nach dem Goethe’schen Motto: Wer sich nicht selbst
zum besten haben kann, der ist nicht von den Besten.
Foto: Nachtmann
Pinoccios Reise nach Rosenheim
Kurt Schwaens Oper für Kinder erstmals im Westen gespielt
Mahlsdorf/Rosenheim –
Welch ein Erfolg für unseren
großen Komponisten Kurt
Schwaen: Seine Oper für Kinder „Pinoccios Abenteuer“
wurde 36 Jahre nach ihrer Uraufführung in Zwickau erstmals
im deutschen Westen gezeigt.
Für das „Opernfestival Gut
Immling – Chiemgau“ hat Regisseurin Verena von Kerssenbrock zwar das sonst zehnköpfige Orchester auf den Pianisten Frank Obermair „verschlankt“, dafür aber auch 12
Kinder auf der Bühne als Mäuse und Marionetten mitsingen
und -spielen lassen.
Das Publikum war begeistert, von
„pfiffig und abwechslungsreich“
bis „kurzweilig und spaßig“ reichten die Meinungen. Viel Lob gab
es auch für die fünf Darsteller, besonders Sopranistin Tanja Maria
Froidl bewältigt mit LausbubenMimik die Partie voller Spielfreude und mitreißendem Temperament – trotz stetig wachsender
Nase. Felicitas Fuchs als Fee und
Peter Kellner als Geppetto überzeugten genauso in phantasievollen Masken von Irina Roloff unter der interessanten Lichtgestaltung durch Arndt Sellentin.
Auch Schwaens Ehefrau Dr. Ina
Iske, extra aus Mahlsdorf ange-
reist, gefiel die Inszenierung in
Immling außerordentlich. Dass
Schwaens Werk es nach so langer
Zeit nun tatsächlich noch auf eine
westdeutsche Bühne geschafft
hat, ist (wie so oft) einigen Zufällen zu verdanken. Festivalintendant Ludwig Baumann suchte nach neuen Stücken für Kinder, Cornelia von Kerssenbrock,
die musikalische Leiterin, lernte
Thomas Böttcher (stellvertretender Konzertmeister des Berliner
Konzerthausorchesters) kennen,
dessen Vater hatte früher die Partie des Feuerfressers aus dem
Pinoccio gesungen. So „schnell“
kann’s also gehen.
Bleibt zu hoffen, dass es der
„Pinoccio“ künftig wieder öfter
auf die Bühnen schaffen wird.
Gleiches gilt für die beiden neuen Liedzyklen, die Kurt Schwaen
nach Texten von Peter Hacks
(einst meistgespielter Gegenwartsdramatiker) komponierte
und die am 26. November vergangenen Jahres bei einer der
„Hellersdorfer Serenaden“ in der
Interpretation der aus Norwegen
stammenden Sängerin Heidi
Abrahamsen uraufgeführt wurden.
R. Nachtmann
(nach Informationen der
„Mitteilungen des KurtSchwaen-Archivs“)
Wenn der Paul mit der Paula ...
Sonntagsgeschichten,
Hellersdorf – Im Dezember stellten
Autor Siegfried Trzoß und der apercu
Verlag in der Hellen Passage am FritzLang-Platz 50 kurzweilige „Sonntagsgeschichten“ vor. Diese sind in dem gerade erschienenen Büchlein „Wenn der
Paul mit der Paula...“ nachzulesen.
1992 begann der Autor seine ersten kleinen Geschichten und Gedichte aufzuschreiben. Die eine oder andere konnten Besucher der „Litfaßsäule“ oder der
Sonntagsmatineen dann live vorgetragen hören.
Paul und Paula, ein Ehepaar im besten
Alter, machen sich auf ihre Weise Gedanken um vieles, was in ihrer kleinen
Welt und der großen drum herum so geschieht. Die Namensgleichheit mit dem
berühmten Filmpaar der 70er Jahre
scheint kein Zufall. Wäre das von Angelika Domröse und Wilfried Glatzeder
verkörperte junge Paar heute doch auch
schon „Fünfzig plus“. Und würde sich
so seine Gedanken über Politiker und
die jeden Tag passieren
Promis, Verwandte, Nachbarn oder auch das
machen, was man Gesundheitsreform nennt.
Oder in die Verlegenheit kommen, ihren
Enkeln und Neffen erklären zu müssen, was
„ein scharfes Luder“ ist oder warum die
Helle Mitte in Hellersdorf „Helle Mitte“
heißt. Das will Paulas Neffe Peter wissen,
das heißt: dessen Lehrerin. Da ist Paul ratlos. In seinen Träumen fragt er die Feldbusch, die Christiansen, sogar Pfarrer Fliege und den Kleinen Muck. Eine Antwort
bekommt er nicht.
Haben Sie, liebe Leser, eine Erklärung? Oder
eine Idee, warum Helle Mitte Helle Mitte
heißt? Damit könnten Sie Paul aus seinem
„Trauma“ erlösen, Siggi Trzoß vielleicht zu
einer neuen Geschichte verhelfen und sich
selbst zu einem von uns gestifteten Exemplar des Paul-und-Paula-Büchleins. I.D.
Stilecht im goldenen Sessel las Siggi kurz vor
Weihnachten aus seinem Buch. Foto: Nachtmann
Schreiben, faxen oder mailen Sie ihren in ein paar Sätze gekleideten Vorschlag bis zum 24. Januar an: jot w.d.,
Müllerstr. 45, 12623 Berlin.
9
Tipps und Termine
„Sehr geehrte Staatsgewalt“
Lichtenberg/Marzahn – Am 9. Januar, 19 Uhr, berichtet Cornelia Schwenkenbecher, Gerichtsreporterin, über
„Menschen vor
Gericht“. Sie erzählt von den
Menschen hinter
den Fällen. Es sind
traurige, manchmal
skurrile, zuweilen
auch haarsträubende Geschichten
über komplizierte
Lebenswege, soziale Orientierungslosigkeit und Überforderung. Ort: Studio Bildende Kunst
Lichtenberg, John-Sieg-Str. 13, Eintritt
3/erm.2 Euro.
Am 10. Januar, 15 Uhr, heißt es im
Kursana Seniorenzentrum Landsberger
Tor (Blumberger Damm 158) wieder
„Singen macht Laune“ mit den schönsten Volksliedern. Moderation: Carola
Röger, Klavierbegleitung: Ulrich Wilke,
Texte liegen vor, Eintritt 2,50 Euro.
Wunderliches über und von Karl Valentin können Besucher am 23. Januar, 15
Uhr, aus dem Munde der Schauspielerin
Uta Ernst hören. Dargeboten werden
heitere und unverwechselbare Szenen des
beliebten Münchners, die gemeinsam mit
dessen langjähriger Partnerin Liesl Karlstadt entstanden sind („In der Apotheke“, „Im Hutladen“, „Buchbinder Wanniger“). Ort: Studio Bildende Kunst
Lichtenberg, John-Sieg-Str. 13, Kartenreservierung: Tel. 5 53 22 76, Eintritt: 3/
erm. 2 Euro. Carola Röger, Kulturring
Dieter Mann beim Talk
Marzahn – In ihrer Talkreihe „Wenn die
Neugier nicht wär’“ begrüßt die Sängerin Barbara Kellerbauer am 13. Januar
in der Studiobühne des FFM, Marzahner
Promenade 55, den Schauspieler Dieter
Mann. Beginn 20 Uhr, Kartenreservierung unter Telefon 542 70 91.
10
jot w.d. 1/2007
Die Sehnsucht des
Kapitäns nach der See
Joseph-Conrad-Lesung an der ASFH
Hellersdorf – Noch vor Jahresschluss war in der Alice-SalomonHochschule eine literarische Bühnencollage besonderer Art zu erleben. Die Hochschule und die PeterWeiss-Bibliothek Hellersdorf hatten
die Literaten und Weltreisenden
Fred Kurer und Heiko Strech eingeladen, um mit Leben und Werk des
Kapitäns und Dichters Joseph
Conrad bekannt zu machen. Dieser wurde 1857
in Polen geboren und ist
1924 in England verstorben. Dazwischen liegen
Jahre des fleißigen Lernens und Arbeitens, er brachte es
immerhin vom Schiffsjungen bis
zum anerkannten Kapitän der englischen Handelsmarine; er befuhr die
Weltmeere und hielt sich in verschiedenen Erdteilen auf. Die Erlebnisse
und Abenteuer in der Seefahrerei
schrieb er auf, und so wurde er im
fortgschrittenen Alter Schriftsteller.
Auch als solcher wurde Conrad anerkannt und schließlich berühmt.
Sein abenteuerliches Leben diente als
Vorlage für Filme.
Von all dem berichteten Kurer und
Strech, dazu zogen sie auch Auszüge aus den zahlreichen Werken
Conrads heran. Der treffliche Dialog zwischen beiden Akteuren ließ
vor den interessierten Zuhörern das
Bild eines ruhelosen Menschen entstehen, der seinen Träumen nachging, dabei immer strebte und viele
Abenteuer bestehen musste. Sein
Leitspruch war: „Dem Traum folgen und abermals dem Traum – und
so – bis zum Ende.“ Aber Conrad
war Realist genug, um die Auswirkungen von Rassismus und Kolonialismus in der imperialistischen
Gesellschaft zu sehen
und in seinen Romanen
zu geißeln. Damit wurde er zum romantischsten Realisten und zum
realistischsten Romantiker. Heute gilt Conrad als Klassiker
der englischen Moderne.
Aber nicht nur von der Sprache des
Kapitäns und Dichters waren die
Besucher der literarischen Veranstaltung angetan. Anerkennung galt auch
den beiden Vermittlern Kurer und
Strech. Alle waren vom abschließenden fiktiven Interview mit dem Kapitän (er in Uniform) beeindruckt.
Noch einmal wurde deutlich, dass
Conrads Schreibtrieb so groß war
wie des Kapitäns Sehnsucht nach
der See. Für diese Erkenntnis und
das entsprechende Erlebnis ist den
Herren Kurer und Strech sowie der
Leitung der Alice-Salomon-Hochschule zu danken.
Siegfried Birkner
Einblick in die Arbeit
eines Bundestagsmitglieds
Petra Pau war im Erzählcafé zu Gast
Hellersdorf – Die Besucher des
Erzählcafés im Klub 74 konnten Petra Pau, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, als Gast begrüßen. Das Aufführen weiterer
Funktionstitel würde den Umfang
des Kurzberichts von einer Veranstaltung der Peter-Weiss-Bibliothek
und des Klubs 74 sprengen.
Nur soviel. Die Frage nach
einer Mitgliedschaft in
lohnenden Aufsichtsräten beantwortete sie
ehrlich mit dem Verweis auf ihre zeitweilige Zugehörigkeit zum
Aufsichtsrat
der
Hellersdorfer Wohnungsbaugenossenschaft „Grüne Mitte“. Damals wie
heute verfügt sie
nicht über Nebeneinnahmen und
Vergütungen, obwohl sie zahlreichen Kuratorien,
Vereinen und Gremien angehört.
Nicht zu vergessen: Petra Pau ist
Mitbegründerin des Verereins zur
Förderung der alternativen Bibliothek Hellersdorf e.V. und gehört noch
heute dem Verein an wie sie auch
immer noch Bürgerin von MarzahnHellersdorf ist.
Wie eine gute Bekannte wurde sie
im Erzählcafé begrüßt, schließlich ist
Petra Pau wegen ihres aufrechten
Eintretens für die Belange ihrer
Wählerinnen und Wähler bekannt
und anerkannt. Sie schilderte ihren
politischen Werdegang vom Mitglied der Hellersdorfer Bezirksverordneten-Versammlung über ihre
Tätigkeit im Berliner Abgeordnetenhaus bis zum Wirken im Bundestag
sowie in ihrer Partei. Dabei verschwieg sie nicht die Schmähungen, die sie mit Gesine Lötsch als fraktionsloses Bundestagsmitglied ertragen
musste. Freimütig
antwortete sie den Besuchern auf Fragen
zum Zusammenwirken
mit Abgeordnten anderer Oppositionsfraktionen, wenn es um einen
Konsens geht. Sie bekannte,
durchaus Rat bei einem erfahrenen Abgeordneten
der FDP zu suchen,
wenn sie Fragen auf
ihrem Spezialgebiet
Bürgerrechte und Demokratie hat. Schließlich schilderte
sie den Ablauf des Tages einer Abgeordneten. Als sie die Vielfalt verantwortlicher Tätigkeiten im Wahlkreis und in der ganzen Republik
beschrieb, wuchs die Hochachtung
vor der Hellersdorfer Abgeordneten
im höchsten deutschen Parlament.
Petra Pau wurde mit dem Wunsch
verabschiedet: „Bleibe, was und wie
du bist! Eine von uns sollst du auch
weiterhin sein!“ Siegfried Birkner
Links & rechts
Alles Gute für 2007 – auch für
den Bürgerhaushalt?
Hellersdorfer Aktivisten wollen weitermachen
2007 hat begonnen, viele sind traditionsgemäß mit guten Vorsätzen ins
neue Jahr gegangen, und mancher hat
sie längst wieder vergessen. Wie das
im noch unvollständigen neuen Bezirksamt ist, weiß ich natürlich nicht.
Aber die Weiterführung des Bürgerhaushaltes, der nun zum Verantwortungsbereich von Bezirksstadtrat
Bernd Mahlke zählt, sollte wohl zu
den guten Vorsätzen gehören, an deren Erfüllung auch gearbeitet wird.
Als einer der Bürger, die von Anfang an an diesem Projekt mitgearbeitet haben, habe ich da schon einige Erwartungen. Die wichtigste: Wir
müssen schnell erfahren, wie es denn
nun weitergehen soll. Wir hatten ein
Pilotprojekt mit drei Stadtteilen –
soll es da noch eine weitere Runde
geben oder sollte man nicht – wie
unsere Lichtenberger Nachbarn – den
Bürgerhaushalt für den ganzen Bezirk machen? Wollen wir versuchen,
im Schnellverfahren noch etwas für
das bereits laufende Jahr zu erreichen oder gehen wir gleich 2008 an?
Vielleicht kann man auch beides verbinden? Es gibt auch aus 2006 noch
manches zu tun, obwohl es ja einen
offiziellen Abschlussbericht gibt.
Wenn wir wirklich einen Bürgerhaushalt wollen, dann kann es nicht
damit getan sein, dass Vorlagen zwischen Bezirksamt und BVV hin und
her gehen, in denen mitunter einfach
festgestellt wird, dass es „so nicht
geht“, wie die Bürger sich das vorgestellt haben. An erster Stelle sollte doch das Nachdenken darüber
stehen, ob man den Gedanken der
aktiv Beteiligten nicht etwas abgewinnen kann, das sich im weiteren
umsetzen lässt, auch wenn der Vorschlag selbst nicht realisierbar ist.
Dazu wäre es am besten, miteinander zu reden und nicht nur Vorlagen
zu schreiben (auch wenn es die natürlich geben muss).
Womöglich engagieren sich Bürger in künftiger Zeit auch für das mehr
und mehr verfallende Dorfmuseum in Marzahn.
Foto: Dittmann
Und diese Kommunikation muss
wohl von Anfang an noch besser
werden. Bei den Grünflächen beispielsweise ergab sich nach manchen
längeren Diskussionen schließlich,
dass der Bezirk gar nicht Eigentümer der betreffenden Fläche ist und
deshalb auch nicht zuständig. Das
ist nicht gerade ermunternd, als
Bürger weiß man das normalerweise nicht, solche Informationen sollten schon am Anfang bereitgestellt
werden.
Mehr Information
und Kommunikation
Aber vor allem müssen wir ganz
schnell weiterarbeiten. Man sollte
sich vielleicht an die Wahlbeteiligung
vom 17. September 2006 erinnern –
in manchem Stimmbezirk lag sie bei
25 Prozent oder wenig darüber!
Würden in der BVV die nicht abgegebenen Stimmen durch leere Stühle repräsentiert, so blieben immerhin 28 der 55 Plätze leer – das ist
schon bedenklich für eine lebendige
Demokratie. Und da ist es doch eine
wichtige Aufgabe, mit den Bürgern,
die sich bereits zur aktiven Mitarbeit bereitgefunden haben, sorgfältig und kontinuierlich zu arbeiten
und sie nicht durch Abwarten zu
„vergraulen“. Sie sind ein „Schatz“
für die Abgeordneten und das Bezirksamt, und Schätze muss man
bekanntlich hüten und pflegen – was
mitunter auch Beschwerlichkeiten
mit sich bringt.
Wir in der Arbeitsgruppe Hellersdorf Süd wollen jedenfalls weitermachen und haben geplant, Herrn
Mahlke im Februar zu einem Gespräch einzuladen, damit wir gemeinsam beraten können, wie es
weitergehen soll. Wenn man uns da
zuvorkommt, sind wir bestimmt
nicht böse!
Bernd Preußer
PS: In einem Treffen mit Journalisten hat der neue Finanzstadtrat
Bernd Mahlke versichert, dass dieses Projekt nicht nur fortgeführt,
sondern schrittweise erweitert wird.
Sein Ziel sei es, diese Art von Mitwirkung im gesamten Bezirk zu etablieren, auch wenn dies einige Zeit
in Anspruch nehmen wird.
Red.
Stets zur Rettung bereit
Berufsfeuerwehr zog in Neubau um
Hellersdorf – Weithin sichtbar
von der Cecilienstraße ist der Neubau, in den im Dezember die Feuerwache Hellersdorf einzog. Das
Gebäude am Kummerower Ring
80, das innerhalb von zwei Jahren
für mehr als 2,5 Millionen Euro
gebaut wurde, hat eine Nutzfläche von 1300 Quadratmetern, in
der Fahrzeughalle finden fünf Wagen Platz.
Das bisher gemeinsam mit der Freiwilligen Feuerwehr genutzte Gebäude in der Hellersdorfer Straße
steht nun der FFW allein zur Verfügung. Damit verbessern sich die
Arbeitsbedingungen für beide
Wehren wesentlich. Die Feuerwache Hellersdorf unter Leitung von
Brandamtsrat Dirk Aldus hat eine
Besatzung von 60 Mann und verfügt über zwei Löschfahrzeuge,
davon eines mit Drehleiter, sowie
drei Rettungswagen.
Im Jahr 2005 rückten die Männer
insgesamt 10 173 Mal aus.
rn
Von ihrem neuen Standort aus brechen die Männer der Feuerwehr Jahr für
Jahr mehrere Tauend mal zu Rettungseinsätzen auf.
Foto: Nachtmann
der Wuhle
jot w.d. 1/2007
Eislaufen in „Helle Mitte“
Nach 5 Jahren Pause gibt es wieder eine
Eislaufbahn in Hellersdorf
Licht in der Dunkelheit
Europaviertel wird illuminiert
Hellersdorf – Seit dem 18. Dezember werden jeden Abend von Einbruch der Dunkelheit an bis gegen
22 Uhr großformatige Lichtbilder an
die Fassade des künftigen „Europaviertels“ an der Stendaler/Ecke
Quedlinburger Straße geworfen.
Dabei bekommt man eine Vorstellung von den im kommenden Frühjahr geplanten Fassadenmalereien.
Diese Pläne kann man sich seit kur-
Wer hätte das gedacht? Die Eisbahn kommt zurück.
Hellersdorf – Tatsächlich: Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Vom 19. Januar bis 4. März
kann Jung und Alt täglich von 10
bis 22 Uhr auf einer Eisbahn in
der Hellen Mitte seine Runden auf
Schlittschuhen drehen. Am ca. 700
Quadratmeter großen Eisareal auf
dem Alice-Salomon-Platz können
sich die Besucher bei Glühwein,
Crepes und Bratwurst aufwärmen
und stärken. Für 2,50 Euro gibt’s
jeweils um 10, 12, 14, 16, 18 und
20 Uhr für 90 Minuten Eislaufspaß. Wer keine eigenen Schlittschuhe hat, kann sie für ebenfalls
2,50 Euro leihen.
Für die Kids aus Hellersdorf, Marzahn und dem Umland haben sich
die Veranstalter eine ganz beson-
zem auch in der Infobox Quedlinburger/Ecke Stendaler Straße anschauen. Äußerlich ist der Container durch seine farbenprächtige Bemalung zu erkennen.
Während der Eröffnung der Infobox
informierten Projektmanager Andreas Wunderlich und Halim Bensaid,
der Chef der weltweit tätigen französischen Künstlergruppe „Cité de
la Création“, über die weitere Ge-
staltung des Europaviertels in den
kommenden zwei Jahren.
Junge Leute, die noch einen Job
suchen und sich an der Ausführung der Fassadenmalerei (ab kommendem Frühjahr) beteiligen wollen, können sich melden. Am besten im QuartiersmanagementStadtteilbüro an der Hellersdorfer
Promenade, Telefon: 99 28 287
oder 99 28 89 40.
id
Foto: Archiv
dere Überraschung einfallen lassen:
Täglich an den Wochentagen von
10 bis 11.30 Uhr steht die Eisbahn
Gruppen aus Schulen, Kindergärten oder anderen Kindereinrichtungen kostenlos zur Verfügung.
Höchstens die Leihgebühr für
Schlittschuhe ist zu bezahlen.
Kinder-Gruppen sollten unbedingt
unter der Hotline 0163-5654121
reservieren.
Eröffnung ist am 19. Januar, 16
Uhr, weitere Veranstaltungen rund
um die Eisbahn wie Glühweinpartys, Shows mit prominenten
Überraschungsgästen aus dem
Sportbereich, Eishockeyturniere
und Schlittschuhlaufkurse unter
Anleitung professioneller Eislauftrainer sind geplant.
A.K.
Koalition billigt
Wohnungsverkäufe
Hellersdorf – Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land hat im Dezember 877 Wohnungen im Quartier Alte
Hellersdorfer Straße an einen Niederländischen Finanzinvestor verkauft. Die Koalition, die Verkäufe nicht mehr zulassen
wollte, hat gegenüber dem Senat jedoch
nicht auf „Erlass einer Gesellschafterweisung“ gedrungen, um diese Veräußerung zu unterbinden. Denn es handelte sich
um ein „Altgeschäft“, das der Bestandssicherung dient und bereits vor längerer
Zeit angebahnt wurde.
„Es handelt sich bei den genannten Beständen um teilsanierte Wohnungen in
Plattenbauweise. Dieses Quartier ist sanierungsbedürftig und bislang schwer vermietbar. Mittel zur Sanierung der Bestände kann die Stadt und Land auf absehbare
Zeit nicht aufbringen“, bestätigte PDSLandeschef Klaus Lederer die Zustimmung. Die bei der Gesellschaft noch vorhandenen Mittel sollen zur Sanierung im
Quartier Schleipfuhl verwendet werden.
Damit sind dann alle Bestände der kommunalen Gesellschaft in Hellersdorf saniert.
Der Käufer sei bereit und in der Lage, die
dringend erforderliche Vollsanierung der
derzeit nur zu 70 Prozent vermieteten
Bestände zu Jahresbeginn zu vollziehen.
Er sichere in vollem Umfang vertragliche
Mieterschutzrechte zu.
„Einem Kaufangebot einer Genossenschaft konnte nicht entsprochen werden,
weil das Land Berlin die im Rahmen des
Angebots seitens der Genossenschaft erwarteten Kaufpreiszuschüsse in Höhe ei-
11
nes Drittels und erforderliche Sanierungsmittel nicht zur Verfügung stellen kann“,
macht Lederer weiter deutlich. Ebenso,
dass es keine weiteren Verkäufe großer Bestände von Stadt und Land, „gleich an
wen“, geben werde. Nur noch „In-sichGeschäfte“ sollen erlaubt werden. -erren
Bereits am Eröffnungstag fand die Infobox eine ganze Reihe interessierter Besucher, die sich über das
künftige Aussehen des Viertels informieren wollten. Darunter waren neben Bewohnern auch Gäste aus
anderen Stadtteilen. Viele sagten, dass ihnen die Pläne sehr gut gefielen.
Foto: Nachtmann
Die Fassade kann nur der Anfang sein
Sicherlich ist es beachtenswert, gar
schon sensationell zu nennen,
wenn man die ersten gelungenen
Versuche der Fassadenmalerei im
künftigen Europaviertel rund um
die Hellersdorfer Promenade betrachtet. Mit französischer Raffinesse aus Lyon, Beständigkeit und
dezentem Sendungsbewusstsein
der deutschen Macher von Wunderlich & Co. und etlichen Millionen der neuen Eigentümer mit
Hauptsitz im österreichischen
Graz kann etwas gelingen, das mehr
ist als ein Versuch, Platte einmal
anders zu nehmen und zu denken.
Europa in seiner Vielfalt nach
Hellersdorf und Hellersdorf damit
weiter in die Mitte Berlins zu rükken, sollte kein Traum bleiben.
Damit dies aber wirklich gelingt,
sind mehr denn jeh Kräfte des
Quartiers durch Eigentümer, der
die Rechnung schließlich bezahlt
und das Bezirksamt, das eine
Standortaufwertung für die gesamten Großsiedlungen geschenkt erhält, zu bündeln.
Vergessen wir nicht, dass gerade
dieses Quartier nördlich der Hellen Mitte sozial in einer Schieflage ist und somit durch Senat und
Bezirk zum „Präventionsgebiet“
mit der Einrichtung eines Quartiersmanagements erklärt wurde.
Management hin und her – die
Menschen im Quartier mit ihren
sozialen Ängsten und Nöten mit
nach Europa zu nehmen, sie zum
Mitmachen zu animieren ist mehr
als das Gestalten von Fassaden.
Eine Bündlung aller Initiativen und
Ideen für das „Neue Europa“ kann
nur gelingen, wenn der Eigentümer
und die anderen Macher – auch
das Bezirksamt – eine Zukunftsstrategie den Wohnungs- und Gewerbemietern im Quartier präsentieren, deren Umsetzung zur eigenen Sache gemacht wird.
Auf eine solche Initialzündung
wartet man noch. Paris und Venedig, der Rote Platz und Schloss
Gripsholm – wer möchte da nicht
wohnen? Aber unser „gemeinsames Haus Europa in Hellersdorf“
ist bisher nur im Winternebel deutbar. Wenn dieser sich verzogen hat,
dann aber los. Mit klaren Botschaften, Mitmachangeboten und
öffentlichen Debatten. Und einer
Verantwortung, die greifbar ist.
R.S.
„Eine für alle!“ – Einheitliche Rufnummern ab 2007
Die STADT UND LAND hat ihr Telefonnetz modernisiert. Künftig sind das Stammhaus in
der Werbellinstraße 12 und alle Servicebüros über eine Einwahl erreichbar.
Seit 01. Januar 2007 gilt einheitlich:
(030) 68 92-0
Alle Mitarbeiter der STADT UND LAND werden dann unter
neuer Telefonnummer erreichbar sein. Die Sekretariate unserer Servicebüros erreichen Sie unter folgendem Ruf:
Servicebüro Am Wuhletal
(030) 68 92-70 00
Servicebüro Am Cecilienplatz
(030) 68 92-70 00
Selbstverständlich sind wir weiterhin zu den
gewohnten Servicezeiten für Sie da:
montags bis mittwochs
08.00 bis 16.00 Uhr
donnerstags
09.00 bis 19.00 Uhr
freitags
08.00 bis 14.30 Uhr
Ihren Vermieter/Verwalter treffen Sie
persönlich zu den Sprechzeiten:
dienstags
09.00 bis 13.00 Uhr
donnerstags
14.00 bis 18.00 Uhr
12
Ehrung für ErnstHaeckel-Oberschule
Hellersdorf – Die Ernst-HaeckelOberschule (Gesamtschule mit
gymn. Oberstufe) an der Lukkenwalder Straße wurde vom europaweiten Netzwerk „Schule
ohne Rassismus – Schule mit Courage“ ausgezeichnet. Damit ist sie
nach der Otto-Nagel-Oberschule
die zweite Schule im Bezirk, die
diesen Titel in Empfang nehmen
konnte. In Berlin gibt es insgesamt
16 solcher Schulen und in ganz
Deutschland 311.
„Mit Euren Unterschriften setzt
Ihr ein Zeichen gegen alle Formen
von Diskriminierung und Rassismus für ein gewaltfreies und respektvolles Miteinander, das über
Eure Schule hinaus in die Stadt
Berlin hineinwirkt. Ihr seid mit
Eurem Engagement ein Vorbild für
andere Schülerinnen und Schüler“,
heißt es in der Urkunde. Die Patenschaft übernimmt der interkulturelle Verein Babel. Die Initiative wurde 1995 gegründet. Eine
Schule kann den Titel erhalten,
wenn sich 70 Prozent ihrer Schüler, Lehrer und des technischen
Personals dafür aussprechen. RS
jot w.d. 1/2007
Der Jugend Vertrauen und Verantwortung
Junge Abgeordnete aus Marzahn-Hellersdorf zogen erstmals ins Berliner Parlament ein
Marzahn-Hellersdorf – In ein „richtiges“ Parlament gewählt zu werden, zählt sicher zu den Höhepunkten einer politischen Karriere.
Besonders, wenn man jung ist und noch so ziemlich am Anfang
steht. Freude und Stolz werden aber recht schnell vom Parlamentsalltag in den Hintergrund geschoben. Wie der Start von drei „Neu-
Projektmesse
„denk!mal ’07"
Berlin – Am 27. Januar begeht
das Berliner Abgeordnetenhaus
den Gedenktag für die Opfer des
Nationalsozialismus. Aus diesem
Anlass lädt der Parlamentspräsident Walter Momper Jugendliche,
bis 21 Jahre, zur Projektmesse
„Jugendforum denk!mal ’07" vom
22.-29. Januar ein. Schulen, Schulklassen und Jugendgruppen, die
sich mit Rechtsextremismus in
Geschichte oder Gegenwart befassen, können sich präsentieren. Der
Hellersdorfer Abgeordnete Sven
Kohlmeier lädt Jugendliche aus
dem Bezirk ein, sich an der
Projektmesse zu beteiligen. „Gerade Marzahn-Hellersdorf, wo die
NPD ins Bezirksparlament eingezogen ist, braucht engagierte junge Bürger. Die Projektmesse
denk!mal 07 ist eine gute Gelegenheit, das bunte Marzahn-Hellersdorf zu präsentieren.“
Einsendeschluss für Projekte:
9. Januar. Info und Anmeldeformular unter www.denkmalberlin.de, Rückfragen bei der
Verwaltung des Abgeordnetenhauses, Tel. 2325-2012.
en“ aus unserem Bezirk im Berliner Abgeordnetenhaus lief, wollte
jot w.d. von Sven Kohlmeier, Stefan Ziller und Sebastian Czaja nach
deren ersten „100 Tagen“ erfahren. Gern hätte jot w.d. die Reihe mit
Abgeordneten aus CDU und PDS komplettiert, jedoch haben beide
Parteien keine „Neuen“ bzw. keine „Jungen“ aus unserem Bezirk.
Manches ist schon
recht abenteuerlich
Debatten der Fraktion
dauern manchmal ewig
Auch 16 Jahre nach der
Einheit viel altes Westberlin
Sven Kohlmeier hätte man als Berlins jüngstem SPD-Kreisvorsitzenden eigentlich Einblicke ins Parlamentsgeschäft zugetraut. Trotzdem war er ziemlich überrascht an seinem ersten Arbeitstag. „Man kommt hierher wie eine
Jungfrau“, erzählt er mit leichtem Sarkasmus.
„Es gibt nur ein Büro, einen Schreibtisch, ein
paar Billy-Regale, sonst nichts.“ Kein Papier,
keine Briefköpfe, keine Visitenkarten.
Von sich reden gemacht hat Sebastian Czaja
bereits zu seiner Zeit als Bezirkspolitiker.
Erinert sei nur an sein Zerwürfnis mit der CDU
(und dem Bruder als Kreisvorsitzenden) und
seinen fast spektakulären Übertritt zur FDP.
Nun sitzen die beiden wieder zusammen im
Abgeordnetenhaus.
Wenigstens ein Sofa steht im Dreierbüro, in
dem Sven Kohlmeier beim Auslosen der Plätze am Schreibtisch die „Niete“ gezogen hat.
Offiziell gilt Stefan Ziller von den Bündnisgrünen ja als Nachrücker, der erst Ende November seinen Platz im Gebäude des Preußischen Landtags bekam. „Aber es war ja von
vorn herein klar, dass ich nach der Wahl von
Sybill Klotz zur Bezirksstadträtin kommen
werde“, gibt sich Ziller selbstbewusst. „Daher war ich von Anfang an bei allen Sitzungen
der Fraktion und ihren Beschlüssen dabei.“
Und obwohl die Grünen-Fraktion mit 16 Mitgliedern eher klein ist, dauern ihre Fraktionssitzungen immer am längsten. „Weil bei uns
jeder was zu allen Themen sagen darf“, erklärt
Ziller das scheinbare Paradoxon. Dies ist auch
eine Folge extrem flacher Hierarchien, die ein
wenig an die Frühzeit der Grünen erinnert. Es
habe durchaus Versuche gegeben, so etwas
aufzubauen, erinnert sich der junge Abgeordnete. „Aber bei uns sind ja 11 oder 12 Neue“,
erzählt er. „Die haben das abgeklatscht.“ Dafür ist das Klima nun sehr kollegial. Einen gewissen Nachteil hätte dieser massive Personalwechsel trotzdem, glaubt Ziller. „Alle von uns
suchen noch mehr oder minder ihren richtigen
Weg im Parlamentssystem“, weiß er. Und, dass
dafür nicht viel Zeit zur Verfügung steht. In
den Ausschüssen Stadtentwicklung/Verkehr
und Bauen/Wohnen will er sich hauptsächlich
den Themen „soziale Stadt“ und – logisch –
Umwelt und lokale Agenda zuwenden.
Alles muss sich der „Neuling“ selbst (auf eigene Rechnung) besorgen. „Und dabei von Null
auf Hundert starten“, wie Kohlmeier anmerkt.
In seinem Dreierbüro bekam er den „blödesten“ Platz am Schreibtisch, dafür den „besten Stuhl“. Und wer erwartet hätte, dass die
„alten Hasen“ so eine Art Patenschaft über die
Neuen übernehmen, irrt. „Ein besonderes Problem ist der de facto herrschende Fraktionszwang“, gesteht der Abgeordnete ein. Die Jüngeren möchten gern über Fraktionsgrenzen hinweg zusammen arbeiten. Das wird in
Fraktionsführungen nicht sonderlich wohl gelitten. „Die Gruppe der unter 33-Jährigen
sucht trotzdem das Gespräch auch mit Mitgliedern der Opposition“, erzählt Kohlmeier,
der auch schon erste Frustrationen aushalten
musste. „Die alt Eingesessenen machen das
Parlamentsgeschehen praktisch unter sich
aus“, weiß er zu berichten. Denn schließlich
ginge es in der Hauptsache immer nur um
Macht und Einfluss. Doch es ist nicht alles
schlecht. Kohlmeier erhielt etwa Sitz in den
von ihm gewünschten Ausschüssen (Bildung/
Jugend, Recht, Verwaltungsreform), und er ist
auch schon mit „kleinen Anfragen“ aktiv geworden. Dass er „seinen“ Bezirk darüber nicht
vergisst, ist nicht allein der Tatsache geschuldet, dass er vielleicht einmal wieder gewählt
werden will. „Ich bin hier viel unterwegs, will
immer Bescheid wissen“, erzählt er. Und wenn
es um Fragen geht, die Marzahn-Hellersdorf
betreffen, sucht er auch gern das Gespräch mit
einigen der anderen 12 Abgeordneten aus dem
Bezirk. Nun versucht er, seine Kollegen zu
einer Gesetzesänderung zu bewegen. „Ich will,
dass die Mitarbeiter der BVV-Fraktionen in
den Bezirken in Zukunft ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen müssen.“ Damit will
Kohlmeier nicht nur der Bezahlung verurteilter rechter Straftäter einen Riegel vorschieben.
„Diesen Leuten muss der Eingriff ins Parlamentsgeschehen überhaupt verwehrt werden.“
Noch ist der Schreibtisch leer, doch einen Mangel an Arbeit erwartet Stefan Ziller nicht. Und
der Platz am Fenster ist nicht mit dem Platz an
der Sonne zu verwechseln.
Und dass er dabei nicht immer einen direkten
Bezug zu seinem Bezirk haben wird, stört
Ziller nicht. Für ihn ist die Stadt mehr, als die
Summe ihrer Kieze. „Die gesamtstädtische
Sicht leidet darunter nicht“, ist er überzeugt.
Und da mache es auch gar nichts, dass er in
seiner Fraktion fast der Einzige aus dem Osten
der Stadt ist. „Ost-West-Denken ist mir als
ganz Jungem sowieso fremd“, leht er derartige
Debatten ab. Aber natürlich will er sich mit
den Kollegen aus seinem Bezirk in anderen
Fraktionen austauschen. „Es ist gut, dass sich
manche schon aus dem Bezirk kennen“, ist er
überzeugt. Und bedauert „im Interesse der
Sache“, dass gerade in den Regierungsfraktionen der „Fraktionsdruck ganz enorm“
ist. Und einen richtigen „Erfolg“ kann er auch
schon verbuchen. Weil ihn die teils endlosen
Debatten in der Fraktion störten, hat er dort
eine generelle Redezeitbegrenzung beantragt.
Und die Abstimmung zwar knapp, aber doch
mit 9 zu 7 Stimmen gewonnen.
Boxring Eintracht
kämpft international
Hellersdorf – Gleich international startet die Hellersdorfer Boxstaffel ins Jahr 2007. Am Sonnabend, 27. Januar, beginnt 16 Uhr
in der Sporthalle Havelländer Ring
32 der Vergleichskampf gegen die
Mannschaft KS „Wanda“ aus Krakau/Polen. Am Start ist u.a. Dustin
Dirks, internationaler Deutscher
Juniorenmeister im Halbschwergewicht. Besonders spannend
dürften die Kämpfe in den schweren Gewichtsklassen werden.
Eintritt: Erwachsene 2/Jugendliche 1 Euro. Info: Tel. 56 33 569,
www.sc-eintracht-berlin.de
Horst Gülle, Cheftrainer
Jugend
Ob Sebastian Czaja als sportpolitischer Sprecher seiner Fraktion auch mal im Trainingsanzug ins Büro kommt, wollte er nach 100
Tagen noch nicht verraten. Fotos: Nachtmann
Und an einem will Czaja von vornherein keinen Zweifel lassen: „Wir müssen uns gemeinsam für unseren Bezirk stark machen.“ Gemeint sind damit die 12 anderen Abgeordneten
aus Marzahn-Hellersdorf. „Nur zum Vergleich“, fügt er hinzu, „das entspricht der Größe der gesamten FDP-Fraktion.“ Und noch
etwas hat Czaja recht schnell begriffen. „Es
dauert Monate, bis man als Neuer im alltäglichen Parlamentsbetrieb drin ist“, sagt er, ohne
darüber großes Bedauern aufkommen zu lassen. Denn der Hilfe der wenigen verbliebenen
„Alten“ in seiner Fraktion ist sich Czaja gewiss.
„Das ist ja auch keine Einbahnstraße“, erzählt
er. Die Älteren nähmen durchaus die Meinung
der Jungen und Neuen ernst. „Man lernt stets
voneinander.“ Thematisch wird sich Czaja,
ähnlich wie schon in der BVV, den Themen
Sport, Hochschulen/Wissenschaft/Forschung
und den Finanzen (darunter besonders denen
der Bezirke) zuwenden. „Reine Bezirksthemen
gibt es ja gar nicht mehr, auch nicht in den
Bezirken“, ist der junge Abgeordnete überzeugt. Auch in der Opposition fühlt er sich
nicht schlecht. „Die Entscheidungswege sind
kürzer“, berichtet er. Im Alltag gäbe es sogar
mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Und der Druck
aus der Fraktion sei natürlich geringer, als bei
Regierungsparteien. Das bekam er zu spüren,
als er versuchte einige der SPD- und PDS-Abgeordneten aus Marzahn-Hellersdorf zur Ablehnung der Grundsteuererhöhung zu bewegen. Ohne Erfolg natürlich. Überhaupt würde
sich Czaja zuweilen etwas mehr interfraktionelle Arbeit wünschen, doch dies sei eher
schwierig. Dann sich schon lieber mal im persönlichen informellen Gespräch austauschen.
Und noch etwas musste Czaja in den ersten
Monaten im Abgeordnetenhaus schmerzlich
erfahren: „Es gibt noch jede Menge altes Westberlin im Politikbetrieb.“ Weitaus schlimmer
jedoch sei der weit verbreitete Eindruck, dass
„sich die Berliner Verwaltung noch immer ein
Abgeordnetenhaus hält“.
R. Nachtmann
Ausblick auf 2007
jot w.d. 1/2007
13
Wir leben nicht im Paradies
Bürgermeisterin Dagmar Pohle: Es soll auch wieder investiert werden – Bürgerhaushalt muss
transparenter werden – Künftig klare Worte, was nicht geht, statt vager Versprechungen
Das vergangene Jahr stand nicht
allein im Zeichen der Fußballweltmeisterschaft. Die Wahl in
Berlin und den Bezirken brachte
auch einige nicht ganz erwartete
politische Veränderungen mit
sich. Zum traditionellem Ausblick sprach jot w.d. kurz vor dem
Jahreswechsel mit der neuen Bürgermeisterin Dagmar Pohle.
jot w.d.: Frau Bürgermeisterin,
sprichwörtlich gesehen kehren
neue Besen ja besonders gut. Welche Aufgaben wollen Sie im Jahr
2007 als erstes anpacken?
Dagmar Pohle: Zunächst muss
ein arbeitsfähiges Bezirksamt hergestellt werden (Anm.: Die Position Bildung, Kultur und Sport ist
noch unbesetzt.). Dann müssen wir
uns rasch über die Schwerpunkte
der Arbeit verständigen. Schließlich sind drei oder gar vier Neue in
dem Gremium. Im Mittelpunkt
der Arbeit werden auch künftig
Fragen des Stadtumbaus und der
Arbeitsförderung stehen. Außerdem müssen wir zusammen mit
den Bürgern mehr für ein besseres
Image unseres Bezirks tun.
jot w.d.: Da muss Ihnen die Kampagne des Arche-Pastors Siggelkow zu den hungernden Kindern
in Hellersdorf aber ärgerlich vorkommen.
Dagmar Pohle: Herr Siggelkow
thematisiert, dass es in ganz
Deutschland und nicht nur in
Marzahn-Hellersdorf Armut gibt.
Das ist richtig und wichtig. Allerdings artikuliert die „Arche“ so
Altschulden arbeitet. Und die Debatte, wie neben dieser Konsolidierung auch wieder investiert werden kann, muss erst noch geführt
werden. Denn Investitionen sind
dringend nötig.
eine Art Alleinvertretungsanspruch bezüglich dieser Armut.
Das ist zu kritisieren. Auch seine
Kritik am Bezirksamt ist nicht
nachvollziehbar, denn die dem
Projekt bereitgestellten Mittel in
Höhe von 18 000 Euro hat die
Arche bisher nicht in Anspruch
genommen.
jot w.d.: Darüber, wie das wenige
verfügbare Geld eingesetzt werden soll, können ja auch die Einwohner mit entscheiden. Stichwort
Bürgerhaushalt. Doch haben BVV
und Bezirksamt in der Vergangenheit die Mehrzahl der von den Bürgern gewünschten Dinge abgeschmettert. Ist das Projekt
noch zu retten?
Dagmar Pohle: Bei den
vorgetragenen Ideen hatte
Vieles weniger mit „klassischem“ Bürgerhaushalt zu
tun. Auch sind viele Dinge
gar nicht durch den Einsatz öffentlicher Mittel zu
lösen. Trotzdem müssen wir in
Zukunft mehr Transparenz schaffen. Und natürlich noch mehr engagierte Bürger zum Mittun gewinnen. Das gelingt auf Dauer nur,
wenn man auch deutlich sagt, was
eben nicht geht. So wie die Politik
einen realistischen Haushalt aufzustellen verpflichtet ist, müssen
dies auch die Bürger tun.
jot w.d.: Dafür muss man die Bürger aber etwas besser an die Hand
nehmen, ihnen Hilfestellung geben.
Dagmar Pohle: Man muss jetzt
sehen, was sinnvoll ist. Und auch
die Verwaltung motivieren. Denn
auch von dort gab es nicht nur freudige Zustimmung für den Bürgerhaushalt.
jot w.d.: Ein Grundsatz des bezirklichen Finanzgebarens in den
vergangenen Jahren war der Abbau von Schulden. Es wurde nichts
mehr investiert. Wird sich dies
unter einer neuen Bürgermeisterin und einem neuen Finanzstadtrat ändern?
Dagmar Pohle: Die Senatsfinanzverwaltung geht davon aus, dass
der Bezirk weiter am Abbau von
jot w.d.: In der Vergangenheit
stellte sich mehrfach der Eindruck ein, dass hauptsächlich die
Großsiedlung den Bezirk ausmacht, dass dorthin sich fast alle
Aktivitäten zu richten hätten. Doch
wohnt immerhin ein Drittel der
Menschen im Siedlungsgebiet. Ist
der Süden des Bezirks abgehängt?
Dagmar Pohle: Ich finde
nicht, dass das Siedlungsgebiet hinten runter fällt.
Auch dort setzen wir
Schwerpunkte. Denken Sie
nur an den Neubau des
Seniorenheims in Biesdorf
Süd, das Stadteilzentrum
Mahlsdorf oder das im Entstehen begriffene Ärztehaus. Ich selbst werde weiterhin
oft dort unterwegs sein, und Stadtrat Christian Gräff wird sich auch
besonders um dortige Probleme,
etwa Verkehrsfragen, kümmern.
jot w.d.: Die Bewohner in Süd
werden von Teilen der politischen
Klasse oftmals allein wegen ihres
Grundbesitzes als a priori „reich“
angesehen. Das trifft aber auf viele, etwa das Rentnerehepaar, gar
nicht zu. Nun hat Berlin die Grundsteuer um mehr als ein Fünftel erhöht. Droht jetzt auch bei den Siedlern Armut und Not?
Dagmar Pohle: Das kann man
jetzt noch nicht abschätzen. Es
gibt im Siedlungsgebiet nur ganz
wenige Transferempfänger, also
Menschen, die Arbeitslosen- oder
Sozialgeld beziehen. Und man darf
nicht vergessen: Wir leben nicht
im Paradies, sondern in der kapitalistischen Gesellschaft. Außerdem werden den Kommunen von
Bundes- und Landesregierungen
immer mehr Lasten und Kosten
aufgebürdet. Davon können die
Bürger nicht unberührt bleiben.
Trotzdem hat in der Politik niemand die Absicht, Bürger aus ihren Häusern zu vertreiben. Wer
glaubt, einen Ansruch auf Unterstützung zu haben, der nicht umgesetzt wird, soll sich wehren.
Auch dafür haben wir ja eine
Ombudsstelle eingerichtet.
jot w.d.: Vor und nach der Wahl
hieß es aus fast allen Parteien, ein
„weiter so nach Klett“ könne es
nicht geben. Gilt das immer noch?
Dagmar Pohle: Das hängt ja
nicht allein von der Bürgermeisterin ab, sondern auch davon, wie
die Fraktionen in der BVV und das
Bezirksamt zu sachorientierter Arbeit finden. Ich brauche ein hohes
Maß an Verbindlichkeit in der Verwaltung. Wir müssen klare Aufgaben stellen, damit sich die Verwaltung an Bürgerinteressen orientieren und sich als Dienstleister am
Bürger begreifen kann. Und wenn
wir etwas nicht umsetzen können,
dann werden wir das klar und deutlich sagen.
Fragen: Ralf Nachtmann
Wer hat wohl Schwein im Jahr des Schweins?
jot w.d.-Kolumnistin Dagmar Gelbke glaubt an ein Glücksjahr 2007
Foto: Dittmann
Auch wenn wir nun anno 2007
schreiben – noch haben wir es
nicht überstanden, das verflixte
Hunde-Jahr. Oder gibt es jemanden, der sagt, es war bis jetzt das
schönste Jahr seines Lebens?
Dann bitte ich um Leserzuschriften! Jedenfalls endet es erst am
18. Februar, wenn der eigentlich
treue „Hund“ die Jahresregentschaft des asiatischen Tierkreises
an das glückliche, ehrliche, lebenslustige „Schwein“ übergibt.
Man sagt, in Schweinejahren gibt
es die meisten Lottomillionäre!
Und schon scheinen sich abendund morgenländischer Aberglaube endlich anzunähern: Mit einer
„7“ in der Jahreszahl müssten wir
doch nun glücklicheren Zeiten
entgegen gehen!
Aber schauen wir uns einmal vergangene Schweinejahre an, die uns
alle 12 Jahre ereilen. Was geschah
z.B. 1935, 1947, 1959, 1971,
1983, 1995?
1935 werden die Nürnberger Rassegesetze verabschiedet.
1947 findet die tragische Irrfahrt
der EXODUS statt. In England
werden die Bergwerke verstaatlicht, und ein Amerikaner namens
Chuck Yeager durchbricht als erster Mensch die Schallmauer. Der
Staat Preußen wird aufgelöst. Und
der „UFO-Absturz“ von Roswell
fällt in dieses Jahr.
1959 kommen Fidel Castro und
Che Guevara an die Macht, China annektiert Tibet, der Dalai
Lhama muss ins Exil, und in der
DDR wird die LPG-Pflicht eingeführt. In den USA stürzt ein
Flugzeug mit den Rock’n’RollGiganten Buddy Holly, Richie
Valens und Jiles Perry Richardson ab, es war „The Day The
Music Died“, der Tag, an dem
die Musik starb. Welcher alte
Rocker kennt den Song nicht.
Die Sowjetunion schickt die erste Raumstation Soljut 1 zum
Mond, und Soljut 3 liefert erstmals Bilder von der Rückseite
des Mondes. Die Computertomografie beginnt ihren Siegeszug
durch die Gesundheitskassen,
und der Schah von Persien heiratet Farah Diba.
1971 wird zum Jahr zur Bekämpfung der Rassendiskriminierung
erklärt. Also wird in der Schweiz
endlich das Wahlrecht für Frauen
eingeführt – und in England das
erste Frauenhaus eröffnet. In den
USA wird die Zigaretten-Reklame
verboten. In der DDR tritt Walter
Ulbricht zurück, und in Kanada
gründet man die Umweltorganisation Greenpeace.
1983 nennt sich „Internationales
Jahr der Kommunikation“, deshalb vielleicht erstmals ein Konzert „Rock für den Frieden“ im
Palast der Republik mit Künst-
lern aus Ost und West. Papst Johannes Paul II. rehabilitiert
Galileo Galilei, die USA besetzen die Karibik-Insel Grenada,
und die erste Swatch-Uhr kommt
auf den Markt. Am 1.9., dem
damaligen Ost-Weltfriedenstag
(im Westen war es ja seit 1967
der Neujahrstag), schiesst das
Sowjetische Militär ein koreanisches Passagierflugzeug ab. 269
Passagiere sterben.
1995 Gift-Anschlag auf die UBahn in Tokio. Bombenanschlag
in Oklahoma. Bundestag billigt
Bosnien-Einsatz der Bundeswehr.
Massaker von Srebrenica. Bombenanschlag auf Pariser Metro.
Chaostage mit 2000 Teilnehmern
in Hannover. Aber auch Christos
verhüllter Reichstag in Berlin.
So also sehen glückliche Schweine-Jahre aus. Glückliche Schweine waren auch Bismarck, Thomas
Mann, Ernest Hemingway, Humphrey Bogart; noch glücklichere
sind Loriot, Pavarotti, Elton John
und Arnold Schwarzenegger.
Die Schweine, die ich kenne, sind
liebe, betont fröhliche und hilfs-
bereite Menschen. Allerdings ist
ihre astrologisch-verbriefte Ehrlichkeit eher eine hartnäckige Sturheit unter dem Motto: Was ich richtig finde, ist richtig. Und das Richtige verkehrt sich schnell mal ins
Gegenteil unter der Losung: Was
interessiert mich mein Geschwätz
von gestern?
Also, lassen wir uns überraschen
vom Neuen Jahr. Was soll’s,
schwieriger sind wohl Pferde-Jahre: 1989 – Mauerfall, 2001 – World
Trade Center ... Das haben wir
dann erst wieder 2013.
Na prima, DREIZEHN! Das
passt doch wieder zu meiner These der philosophischen Annäherung zwischen Abend- und Morgenland ...
Okay, okay, ich hör ja schon auf
zu unken! Außerdem: Wer, wenn
nicht ich, wird anno 2007 ein
glückliches Jahr haben? Ich, die ich
am 20.07. geboren wurde...
Und ich geb’ von meinem Glück
allen jot w.d.-Lesern von Herzen
ab! Ehrlich!!!
In diesem Sinne bis zum nächsten
Mal!
Eure Daggie Gelbke
14
Je reicher, desto
weniger
Zukunftsangst
Berlin – „Das Stimmungsbild in
Deutschland hat sich verändert. Die Schere zwischen Ost und West geht erstmals
wieder deutlich auseinander.“ So fasst
Rita Jakli, Leiterin des R+V-Infocenters,
die Ergebnisse der Studie „Die Ängste
der Deutschen 2006“ zusammen. Im
Westen bessert sich die Stimmung spürbar, gleichzeitig haben die Ängste im
Osten den höchsten Stand seit 15 Jahren erreicht. Dort haben 55 Prozent der
Menschen große Angst vor der Zukunft.
Im Westen dagegen ist die Zahl von 50
auf 43 Prozent gesunken. Die Sorge
um steigende Preise, Unzufriedenheit
mit den Politikern und hohe Arbeitslosenzahlen belegen die Plätze 1 bis 3
der Ängste-Liste.
Ängste im Osten
auf Rekordniveau
Während die Stimmung sich im Westen
Deutschlands deutlich verbessert hat,
steigt der Angstindex im Osten auf den
höchsten Stand seit Beginn der Befragungen vor 15 Jahren. Nach mehreren
Jahren der Annäherung driftet die Stimmungslage in den alten und neuen Bundesländern wieder weit auseinander. Dieses Ergebnis spiegelt die Wirtschaftslage in den neuen Bundesländern wider:
Beim Thema eigene Arbeitslosigkeit trennen Ost und West 20 Prozentpunkte (67
gegenüber 47 Prozent), bei der Angst
vor geringerem Lebensstandard im Alter sind es 18 Prozentpunkte, beim Anstieg der Lebenshaltungskosten 15 Prozentpunkte. Und auch die Kritik an Politikern ist im Osten mit 14 Prozentpunkten Unterschied deutlich stärker ausgeprägt. Gründe dafür nennt der Politologe
Prof. Manfred G. Schmidt von der Uni
Heidelberg: „Der Wirtschaftsaufschwung
geht am Osten vorbei. Zugleich sind dort
die Erwartungen an den Staat und das
Sicherheitsbedürfnis traditionell höher.“
Sieben von zehn Deutschen fürchteten sich
2006 vor Teuerung. Zu recht. Grafik: R+V
Die Studie zeigt, dass jene Menschen
zuversichtlicher in die Zukunft blicken,
die über ein hohes Haushaltseinkommen
verfügen, Wohneigentum besitzen, einer
Religionsgemeinschaft angehören oder
sich sehr häufig im Internet informieren.
„Diese Merkmale sind bei den Bürgern
in den neuen Bundesländern unterdurchschnittlich repräsentiert“, erklärt Rita
Jakli, die auch folgendes feststellen konnte: Frauen sind ängstlicher als Männer,
besonders bei Angst vor schwerer Erkrankung oder der Sorge, im Alter zum
Pflegefall zu werden. Männer hatten
bisher größere Angst, ihren Arbeitsplatz
zu verlieren. Inzwischen empfinden die
Frauen dieses Problem als ebenso drängend. Berufseinsteiger, junge Paare und
Eltern zwischen 20 und 39 Jahren haben die größten Ängste.
Jugendliche zwischen 14 und 19 Jahren
sowie über 60-Jährige sind deutlich gelassener. Und: Bildung schützt offenbar
vor Angst; Menschen mit Abitur und/oder
abgeschlossenem Studium sind zuversichtlicher.
-erren
jot w.d. 1/2007
Natur & Umwelt
Wertvolle Tiere verlassen das Wuhletal
Natuerschützer warnen vor weiteren Versäumnissen bei der Renaturierung
Hellersdorf – Am 13. Dezember
wurde in einer öffentlichen Veranstaltung des Senates und des Bezirksamtes mit dem bauausführenden Ingenieurbüro über den
Stand der Renaturierung des Wuhletals und die nächsten Vorhaben
bis 2008 informiert. Es war insgesamt bezüglich der bautechnischen
Arbeiten eine beeindruckende Bilanz. Die Wehre an der Köthener
Straße und an der B1 sind rückgebaut. Der Düker nördlich der
Landsberger Allee befindet sich im
Umbau. Die Gewässerbettgestaltung im oberen Bereich der Neuen
Wuhle ist bereits fertig. Im Kienbergbereich wurden drei Fußgängerbrücken fertig gestellt. Gegenwärtig ist das gesamte Wuhletal
zwischen Klärwerk und B1 ein
großer Bauplatz. Acht Bagger und
weitere Technik kommen zum
Einsatz.
Es wird richtig rangeklotzt, vielleicht ein bisschen zu monumental: Beim Anblick der Fußgängerbrücke über die Alte Wuhle am
Kienberg musste ich unwillkürlich
an eine Brücke denken, die eine
nicht gebaute Straße überspannt.
Angesichts dieser aktuellen Bautätigkeit sollte in der Euphorie
aber nicht ganz vergessen werden,
dass diese Maßnahmen mit einem
unvertretbaren Zeitverzug nach
Schließung des Klärwerkes im Februar 2003 durchgeführt werden
und dass inzwischen eine andauernde Grundwasserabsenkung von
ca. einem Meter eingetreten ist.
Über die gravierenden Folgen für
den Naturhaushalt wurde in jot
w.d. wiederholt berichtet.
Sicher, die der Natur geschlagenen
Wunden werden nach Abschluss
der Bautätigkeit in kurzer Zeit
vernarben und heilen. Auch die
Artenvielfalt wird sich den neuen
Bedingungen anpassen. Diesen
Prozess gilt es zu unterstützen.
Die Maßnahmen zur Renaturierung des Wuhletals sehen deshalb
auch vor, begleitende Biotopverbünde zu schaffen und schutz-
Der Neselsee begrünt sich nach Trockenfall. Aufnahme vom Okt. 2006
würdige Biotope zu sichern. Zu
diesem Maßnahmekomplex gab es
in der Veranstaltung keine umfassende Information, so dass das
Vorgehen eher verschwommen
blieb.
So ergab sich z.B. mit dem Dükerbau, dass die Alte Wuhle zwischen
Landsberger Allee und Wuhleteich
seit Monaten trocken gelegt ist.
Als Folge trockneten auch die
Feuchtgebiete am Rohrbruch unterhalb des Kienberges aus. Erforderlich ist hier eine unverzügliche
Wiedervernässung bis zum zeitigen Frühjahr. Andernfalls tritt ein
erneuter Verlust der jährlichen
Reproduktionsrate vieler Pflanzen- und Tierarten ein. Die Planungen sehen hierfür den viel zu
späten Zeitpunkt Ende April 2007
vor, was nicht hingenommen werden darf.
Das Wasserangebot im Wuhletal
ist nach Schließung des Klärwerkes sehr begrenzt. Umso wichtiger ist es, mit dem vorhandenen
Wasser so zu wirtschaften, dass
es so lange wie möglich im Wuhletal verweilt. So könnte man etwa
im Frühjahr ankommendes Wasser im Hellersdorfer Graben in den
beiden Grabenstaus anstauen. Es
könnte dann im Sommer die Wassersituation verbessern. Auch der
nördliche Kaulsdorfer Teich (ein
lägen zur Zeit ca. 1000 Anmeldungen für eine Unterschutzstellung
vor, die Bearbeitung erfordere Zeit,
außerdem wäre für den Stadtbezirk erst vor kurzem die Hönower
Weiherkette unter Schutz gestellt
worden! Auch hier hatte es bekanntlich
zehn
Jahre
Bearbeitungsdauer gegeben. Angesichts solcher Grundhaltungen ist
zu befürchten, dass die Natur weiterhin auf der Strecke bleiben wird.
Wir sollten einmal bedenken: „Wer
mit der Natur nicht teilen will, der
wird eines Tages keine Natur mehr
haben“. Dieser Prozeß vollzieht
sich auch im Wuhletal. Es sind
längst nicht mehr nur Weißstorch
und Rohrweihe, Rotbauchunke und
Laubfrosch, die aus dem Wuhletal
verschwunden sind. Die Liste ist
viel länger! Das Schlimmste aber:
Kaum einer merkt es. Hauptsache,
es ist alles nur immer akkurat gepflegt.
Heino Mosel
Regenrückhaltebecken) enthält
Reserven. Der Überlauf für überschüssiges Wasser leitet direkt in
die Neue Wuhle- warum nicht in
die beiden südlichen, inzwischen
entschlammten Teiche?
Völlig unverständlich ist
die Haltung der Behörden
zur Sicherung von schutzwürdigen Biotopen. In
Bestandserfassungen
2001/02 wurden in den
Biotopen um den Rohrbruch und dem Wuhleteich
über 40 Rote-Liste-Arten
nachgewiesen. Hinzu
kommen noch 25 Arten,
die nach der Bundesartenschutzverordnung unter Schutz stehen. Das ist
ein einzigartiger Reichtum
von unschätzbarem Wert,
auch für die Erholung. Hier
befindet sich der wertvollste Biotopverbund im gesamten Wuhletal. Anzunehmen wäre, dass dies
auch die letzten Beamten
vom Sessel reißen müsste,
um diese Flächen wirksam
zu sichern. Statt dessen
war zu hören, dass diese
Flächen nicht unter Schutz
gestellt werden können.
Nicht nachvollziehbar ist Das Wehr an der B 1/5 zeigt sich nach dem
die Begründung: Dem Senat Umbau als „steinerne Rinne“. Fotos: Mosel
Diese Mieterinitiative ist einmalig
Erfolgreiche Bilanz der „Grüninspektoren“ im 13. Jahr
Hellersdorf –Am 14. Dezember trafen sich
die Grüninspektoren in der Candela
Lounge an der Hellersdorfer Promenade
zu ihrem Jahresabschluss. Der Klub der
Grüninspektoren, einer vor 13 Jahren von
der Wohnungsgesellschaft WoGeHe ins
Leben gerufenen Mieterinitiative, ist aus
Hellersdorf nicht mehr wegzudenken. Die
aktuell 36 Mitglieder betreuen 32 Grundstücke in der Großsiedlung.
Bei regelmäßigen Kontrollgängen halten
sie protokollarisch den Zustand der Grünanlagen, Wohnhöfe und des Wohnumfeldes fest, notieren Mängel, Vandalismus- und andere Schäden. Ihrem wachsamen Blick entgeht kein verletztes Bäumchen, kein defektes Spielgerät. 160
Beobachtungsprotokolle gingen der
Wohnbautengesellschaft zu. „Bei Schäden
oder anderen Beobachtungen, die ein
schnelles Reagieren erfordern, können
unsere Mitarbeiter so rasch Abhilfe schaf-
Die Grüninspektoren bei ihrem Rundgang im Grabenviertel.
fen“, freute sich Geschäftsführer Rudolf
Kujath. Er dankte den engagierten Mietern
für ihre wertvolle ehrenamtliche Arbeit,
die „viel dazu beiträgt, dass sich alle Bewohner im Kiez wohlfühlen können“.
Foto: Nachtmann
Anschließend informierte er über Vermietungszustand, den Rückbau im Quartier an der Alten Hellersdorfer und weitere
Sanierungsvorhaben. Für Mieter an der
Zossener Straße sollen PKW-Stellplätze
geschaffen werden. 1,2 Millionen Euro
werden dafür ausgegeben. An der Jenaer
Straße 54/56 werden zwei Sechsgeschosser für Altersgerechtes Wohnen umgebaut. Weitere zwei Blöcke im Gebiet am
Schleipfuhl werden 2007/08 saniert. Investitionssumme: 13 Millionen Euro.
Nach dem Verkauf von 877 Wohnungen
in Hellersdorf Nord (wir berichteten) verfügt die Gesellschaft nunmehr noch über
16 000 Wohnungen in Hellersdorf.
Da gibt es also auch weiterhin viel zu tun
für die Damen und Herren Grüninspektoren. Sieben von ihnen sind übrigens
schon von Anfang an dabei. Und immer
wieder stößt Nachwuchs dazu. „Wer sich
aus unserem Klub verabschiedet, tut es aus
Alters- oder Gesundheitsgründen oder
weil er wegzieht. Den Stab hat noch keiner geworfen“, sagt der „oberste Grüninspektor“ Lothar Brückner.
Ingeborg Dittmann
direkt – Briefe & Antworten
jot w.d. 1/2007
15
Wer sind die Namensgeber
für Straßen und Plätze?
Weniger Hundekot in NordWest
Ich beachte mit großem Respekt
Ihr verdienstvolles Engagement für
die Rückbenennung von Straßen,
denen aus rassistischen Gründen
in der Nazizeit andere Namen als
die ursprünglichen verpasst wurden. Dabei unterstütze ich den Vorschlag, im Zusammenhang mit der
Rückbenennung durch knappe Information den jeweiligen Namensgeber bekannt zu machen (wie das
z.B. auch bei der Prinzessin Cecilie
geschah – ein Kotau vor den Hohenzollern?).
Ich halte das aus mehreren Gründen für wichtig (Wissensvermittlung, Förderung von Identität für
Zugezogene). Halten Sie es für
möglich und sinnvoll, in jot.w.d.
eine Spalte einzurichten, in der
mehr oder weniger regelmäßig über
die Namensgeber von Hellersdorfer Straßen informiert wird? Es
gibt meines Wissens für Berlin eine
entsprechende Dokumentation,
die bei einem solchen Vorhaben
hilfreich sein kann.
Hans Kaiser
Hunde brauchen Auslauf. Der Aus- Wenn doch, sind diese Hinterlassenlauf muss aber auch Grenzen ha- schaften zu beseitigen. Jeder Hunben. Die Grenzen sind dort erreicht, dehalter sollte mithelfen, dass sein
wo Hundekot zu einer Belastung für Hund nicht Andere über Gebühr
die Menschen wird. „Fehltritte“ durch Hundekot belastet und gekönnen recht unangenehm sein – vor sundheitlich gefährdet.
allem, wenn der Tritt in ein Hunde- Die Stadtverordnung von Berlin verhäuflein erfolgt. So bieten die Hin- langt von jedem Hundehalter, die
terlassenschaften der Vierbeiner, Hinterlassenschaften ihrer Vierbeiwenn sie Gehwege, Parkanlagen oder ner zu beseitigen. Bei ZuwiderhandSpielplätze verunzieren, immer wie- lung kann es 35 Euro kosten.
der Ärger. Wer hat sich darüber nicht Auch wir in Marzahn Nordwest
schon einmal geärgert?
möchten saubere Gehwege, GrünWas viele nicht wissen: Hundekot anlagen und Spielplätze haben. Der
ist eine Infektionsquelle. So sind Bewohnerbeirat hat deshalb das Prozum Beispiel bis zu zwanzig Pro- jekt „picobello“ erarbeitet und wird
zent der Hunde, bei jungen Hunden mit Beginn der warmen Jahreszeit
sogar wesendlich mehr, von Spul- 20 Beutelspender im Stadtteil instalwürmern befallen.
lieren. Helfen Sie mit,
Hunde sollten desdamit unser Stadtteil
halb auf Gehwegen,
sauberer wird. Unterin Anlagen, auf Liestützen Sie uns bei der
gewiesen, KinderRealisierung dieses
spielplätzen und
Projektes, sprechen
ähnlichen von MenSie mit Ihren Nachschen besuchten Orbarn und Hundehalten nicht ihr „Getern.
Rolf Palisch,
schäft“ verrichten. Wer tritt da gern rein?
Mitglied des BBR
Verehrte Redaktion,
bei Wanderungen durch Hellersdorf
achte ich – nicht nur der Orientierung wegen – auch auf Straßennamen. Bei vielen sind mir die Persönlichkeiten, die durch Benennung
von Straßen oder Plätzen geehrt
werden, wenigstens in allgemeinen
Zügen bekannt. Bei gar manchen
weiß ich jedoch nicht, wer die betreffenden Namensgeber sind.
So werde ich als Bewohner der
Carola-Neher-Straße von Bekannten oft gefragt, wer Carola Neher
war, und kann eher zufällig sachkundig antworten. Bei Wikipedia
im Internet findet man wichtige Informationen über die 1942 in der
Sowjetunion unter mysteriösen
Umständen verstorbene Schauspielerin. Auch über Tschudi habe
ich dort einen Eintrag gefunden.
Der Kunsthistoriker Hugo von
Tschudi wurde 1902 von Wilhelm
II als Direktor der Berliner Nationalgalerie geschasst und ging nach
München. Wer aber weiß heute
noch davon?
Sehr geehrter Herr Kaiser,
in der Tat gibt es diese Dokumentation, das „Lexikon Berliner Straßennamen“, herausgegeben vom
Luisenstädtischen Bildungsverein.
Dort sind im Übrigen nicht nur die
aktuellen Straßennamen beschrieben, sondern auch deren frühere
Bezeichnungen.
Für den früheren Bezirk Hellersdorf gibt es auch eine verdienstvolle Zusammenstellung zum
Thema. Hermann Zech: „Straßen
im Bezirk Hellersdorf“; erschienen als Nr. 2 der Hellersdorfer Heimathefte, mit einer Einleitung „Zur
Geschichte der Straßen und Straßennamen im Bezirk“ von Harald
Kintscher und Dieter Winkler.
Wir greifen Ihren Vorschlag gern
auf und werden in Zukunft eine
kleine entsprechende Rubrik in jot
w.d. einrichten. Leser, die dafür
spezielle Wünsche oder Vorschläge haben, können sich jederzeit an
die Redaktion wenden. Wir werden versuchen, diese rasch aufzunehmen.
Die Red.
Wie man erreicht, dass Hunde
überall gern gesehen werden
Neujahrswünsche für jot w.d.
Ich wünsche ein erfolgreiches, gesundes und glückliches Jahr 2007.
Petra Pau, MdB, Bundestags-Vizepräsidentin
Haben Sie Dank für die angenehme Zusammenarbeit. Bei all Ihren Vorhaben wünschen wir viel Freude
und ein Päckchen Zeit, sie umzusetzen.
Rudolf Kujath, Dagmar Neidigk
Stadt und Land Wohnbauten Gesellschaft
Ein friedvolles und gutes neues Jahr. Möge sich auch
2007 die Gelegenheit zur Zusammenarbeit bieten.
Ursula Gobes, GF Mittendrin in Hellersdorf
Dank für die angenehme Zusammenarbeit und das
uns entgegengebrachte Vertrauen. Gesundheit, Erfolg und persönliches Wohlergehen im Neuen Jahr.
Dagmar Pohle, Bezirksbürgermeisterin
Petra Wermke, BVV-Vorsteherin
Im Zeichen des Neuen
Bibliothek schlägt Denkmal für Peter Weiss vor
Wie an jedem Jahresende trafen sich die
Mitglieder des Vereins zur Förderung der
alternativen Bibliothek Hellersdorf e.V.
zu ihrer Jahresversammlung.
Schon Tradition, gab es am Anfang eine
literarische Feinheit. Es wurden Sonette
des Vereinsmitglieds Dr. Friedrich Pfefferkorn gelesen, die Schmunzeln hervorriefen, aber die Mitglieder auch zum
Nachdenken anregten.
Den Mitgliedern des
Vereins lag zwar ein exakt ausgearbeiteter Bericht des Vorstandes über
die zahlreichen Aktivitäten im Jahr 2006 vor, der
von der Vorsitzenden
Gisela Peter ergänzt wurde; aber die Vereinsmitglieder hielten sich nicht beim Erreichten auf, sondern setzten sich mit
Ideen zur besseren Verwurzelung der
Peter-Weiss-Bibliothek im Förderprogramm „Soziale Stadt“ auseinander. Dieses vom Quartiersmanagement Hellersdorfer Promenade getragene Programm
wird künftig auch von Bedeutung für Existenz und Perspektiven der Bibliothek
an ihrem gegenwärtigen Standort sein.
Die vom Vereinsvorstand eingereichten
Vorschläge wurden nun auch von der Mit-
gliederversammlung bestätigt. Es geht um
die Projekte „Lust am Lesen“ und „Erlebte Geschichte im Wohngebiet“ (siehe
jot w.d. 11/2006) sowie „Bessere Ausgestaltung des Versammlungsraums in der
Peter-Weiss-Bibliothek“.
Während der Versammlung wurde überlegt, wie im künftigen Europa-Viertel
Leben und Wirken des Malers, Schriftstellers und Theatermanns
Peter Weiss gewürdigt werden können, war er doch ein
bewusster Europäer. An eine
Informationsstelle und sogar
an ein Denkmal wurde gedacht. Schließlich sollen nach
Planung des Investors viele
Touristen ins Europa-Viertel kommen.
Diese werden in der Peter-Weiss-Bibliothek zwar kaum Bücher ausleihen, aber
auf Peter Weiss sollen sie aufmerksam
gemacht werden. Also steht noch viel
Arbeit bevor. Aber die engere Verbindung
von Bibliothek und Bewohnern des Europa-Viertels, der Gewinn neuer Leser
aus dem Bibliotheksumfeld werden die
Lust auf Neues im Verein zur Förderung
der alternativen Bibliothek Hellersdorf
e.V. wecken und wachsen lassen.
Siegfried Birkner
Alles Gute und viel Erfolg für Euch im neuen Jahr.
Kerstin Ehser, Tokyo (ehemals Hellersdorferin)
Auch aus Steinen, die in den Weg gelegt werden, kann
man Schönes bauen. – Ein erfolgreiches neues Jahr
wünscht
das Team des FFM & die GSE gGmbH
Danke für die angenehme Zusammenarbeit und das
entgegen gebrachte Vertrauen.
Lars P. Klemer, PVB Presse Ver trieb Berlin
Wir bedanken uns für die gute Zusammenarbeit und
freuen uns auf die gemeinsame Arbeit im neuen Jahr.
Klaus Mätz, Vors. der SPD-Fraktion
Wir wünschen Besinnung auf die wirklich wichtigen Dinge und viele Lichtblicke im kommenden Jahr.
Ulrich Ebersbach, Berliner Zeitungsdruck
Du weißt, dass du
im Jahr 2007 bist, wenn ...
jot w.d. 1/2007
1) Du unabsichtlich Deine PIN-Nummer in die Mikrowelle eingibst
2) Du schon seit Jahren Solitär nicht mehr mit richtigen Karten gespielt hast
3) Du eine Liste mit 15 Tel.-Nummern hast, um Deine Familie zu erreichen, die aus 3 Personen besteht
4) Du eine E-Mail an Deinen Kollegen schickst, der direkt neben Dir sitzt
5) Du den Kontakt zu Freunden verloren hast, weil sie keine Email-Adresse haben
6) Du nach einem langen Arbeitstag nach Hause kommst und Dich mit Firmenname am Telefon meldest
7) Du auf Deinem Telefon zu Hause die Null wählst, um ein Amt zu bekommen
8) Du seit 4 Jahren auf Deinem Arbeitsplatz bist, allerdings für 3 verschiedene Firmen
10) Alle Fernsehwerbungen eine Web-Adresse am Bildschirmrand zeigen
11) Du Panik bekommst, wenn Du ohne Handy aus dem Haus gehst und umdrehst, um es zu holen
12) Du morgens aufstehst und erstmal Dein Mailprogramm startest, bevor Du Kaffee trinkst
13) Du den Kopf neigst, um zu lächeln ;-)
14) Du diesen Text liest und Dich gut beschrieben findest
15) Schlimmer noch, Du bereits weisst, wem Du diesen Text weitergibst
16) Du zu beschäftigt bist, um festzustellen, dass in dieser Liste die 9 fehlt
17) Du die Liste jetzt nochmal durchgehst, um nachzuschauen, ob wirklich die 9 fehlt ...
... den Kopf neigst, lächelst ... und diesen Text weiterschickst...
Georg Ringsgwandl, Kabarettist
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Lupenreine Demokratie
unter der Lupe
Einst ging man aus freien Stücken zur großen oder kleinen Demo, um für Frieden auf
der Welt, Gerechtigkeit für Randgruppen,
den Sturz eines Tyrannen oder die
Verkehrsberuhigung einer Straße einzutreten. Eine Demo oder Kundgebung lebte von
einer authentischen Meinungsäußerung vieler Gleich- und Ähnlichgesinnter auf der
Straße. Alle großen Umstürze begannen mit
solch zumeist friedlichen Zusammenrottungen: Die Februarrevolution gegen den russischen Zaren vor 90 Jahren ebenso wie
die Wende hierzulande vor 18 Jahren mit
ihren Keine-Gewalt-Kerzen-Demos.
Diese romantischen Zeiten scheinen vorbei:
Die Krankenkassen kaufen sich Demo-Ärzte
im Weißkitteloutfit, um in Berlin gegen die
Gesundheitsreform medienwirksam zu protestieren. Kein Arzt mehr da, der ohne Bezahlung das gleiche für die geliebten Kassen
tun würde? Die orangene Revolution in Kiew
zahlte an Demo-Teilnehmer schon mal Dollars, um Menschenmassen auf die Straße zu
bewegen. Waren da lupenreine Demokraten
als Putins westorientierte Widersacher am
Werk? Auch die Teilnehmer mancher
Gewerkschaftsaktion hierzulande scheinen
sehr kräftig aus diversen Aktionskassen
gesponsort zu werden. Gibt es zu wenig
willige Aufmüpfige? Oder zu abgehobene
Bosse, für die immer weniger bereit sind,
sich auf langen Marschzügen einen Schnupfen zu holen? Ob für Unternehmeraktionen
Tankgutscheine gezahlt werden, um Anreize zu schaffen, etwa für’s Mitmachen bei
den in diesen Kreisen typischen Auto-Korsos? Und einige Sportereignisse und so manche Parteitage treiben auch nicht mehr die
Begeisterung der Zuschauer in kreischende
Dimensionen, sondern ordern zu diesem
Zwecke bezahlte Claqueure, auf Amerikanisch Cheerleader genannt.
Schwejk denkt da
gleich weiter: Ist der
Massen-Demonstrant der Zukunft
vielleicht ein Billigimport aus Osteuropa oder ein Zeitarbeiter aus HartzIV-Kreisen? Er könnte am Vormittag in
Berlin Mitte für die Medien eine gigantische Volksempörung gegen zu hohe Steuern inszenieren, gesponsert by BILD. Am
Nachmittag würde er von den Sozis dafür
bezahlt, „Mehr Steuern für den Ausbau des
Sozialstaats“ zu rufen. Am Abend könnte
er dann bei einer ADAC-Großdemo den
empörten Autofahrer darstellen, der sich
gegen Autobahngebühren für PKW wehrt,
um bei den Grünen am nächsten Morgen
zu rufen: Mit der Autobahnmaut neue
Fahrradwege bezahlen!
Wir alle hätten etwas von diesem neuen
Job: Weniger Arbeitslose, mehr unterhaltsame Bilder in den Abendnachrichten.
Schließlich sollte sich bei Greenpeace auch
eine Art Hardcore-Demonstrant anlernen
lassen. Er wäre für vorher genau abgesprochene Schlägereien mit der Polizei ausgebildet. Möglich sind auch von CNN live
übertragene Attacken auf Seinesgleichen,
inszeniert als vermeintlicher politischer
Gegner. Ebenso sollte Duschen unter
Wasserwerferstrahl gekonnt absolviert
werden. Hier wäre freilich die Gage höher
und die Anzahl der Akteure begrenzt.
Ein willkommener Nebeneffekt: Die von
mir vorgeschlagene Ausgestaltung unserer
lupenreinen Mediendemokratie würde böse
Islamisten, die weiter Vorbehalte gegen
westliche Werte hegen, endgültig ins politische Aus katapultieren.
Euer Schwejk
○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○
Bilanz gefälscht?
Nein, nicht von den nur wenigen immer mal wieder
entdeckten Wirtschaftsskandalen, wie Bestechungen bei Müllverbrennungsanlagen, GammelfleischPraktiken, Siemens-Manipulationsgewohnheiten,
manchmal sogar entdeckten Korruptionszahlungen
und schwarzen, „brutalst“ unaufgeklärten Parteispenden-“Ehrenworten“ soll hier die Rede sein.
Nein, es geht um eine Bilanz, von der wir alle
etwas haben: Fünf Jahre nach der Einführung des
Euro hat der frühere Bundesbankpräsident Hans
Tietmeyer zu den Weihnachtsfeiertagen die Europäische Währungsunion als Erfolg bezeichnet. Jeder kann bei sich und für sich selbst nun vergleichen, wer recht hat: Er oder Gregor Gysi, der vor der
Einführung des Euro sinngemäß sagte, es sei besser, erst das wirtschaftliche Niveau der EU-Staaten einander anzugleichen und erst danach eine
einheitliche Währung einzuführen. Für wen besser,
oder, wie der alte Lateiner frug: Cui bono, wem
nutzt es? Den Millionen oder den Millionären?
Beispielsweise hat die Supermarktkette mit der
Kaffekanne im Logo gleich nach der Einführung
des Euro beispielsweise Bananen statt im amtlich
festgelegten Kurs 1: 1,96583 (so wurden damals
jedenfalls immer noch funktionstüchtige spezielle
Taschenumrecher angeboten) tatsächlich 1:1 verkauft. Und ein in Florida lebender Cousin des Verfassers spottete per E-Mail: „Also bei Euch in
Germany haben sie einfach die Buchstaben DM
hinterm Preis gestrichen und dieses Euro-Zeichen
hinter gemalt. Gratulation!“
Man hat zwar konsequent Löhne, Gehälter und
Renten halbiert; doch wie es mit den Preisen weiterging, kann nachlesen, wer etwa die Kataloge
diverser Versandhäuser als Zeitdokumente fünf
Jahre und länger aufhob. Dazu registriere man,
dass die Eigentümer der verschiedensten Großunternehmen (um die schrecklichen Termini von Karl
Marx zu vermeiden) mit Hilfe der vielen Beschäftigten Milliarden an Gewinnen in den erwähnten
fünf Jahren eingefahren haben. Und trotztem immer wieder darüber frech und ohne Scham in aller
Öffentlichkeit über Zehntausende von Entlassungen schwadronieren. Wozu gerade zum Fest der
Christen der evangelische Bischof Wolfgang Huber
deutliche Worte ausprach.
Nun schaue man auf all das, was nicht nur schon in
der jüngeren Vergangenheit, sondern erst recht
auch als Neujahrs-Zumutungen auf den ewig nur
noch geschröpften Bürger zukommt (der allein der
politischen Optik wegen nicht mehr Untertan genannt wird): Gas, Wasser, Strom, BSR, Grundsteuer... Alles wird nicht etwa teurer; nein, es wird nur
im Preis angehoben! Die erhöhte Mehrwertsteuer
betrifft nicht, wie der naive Verfasser annahm, Diejenigen, die Mehrwert anhäufen, sondern den „kleinen Mann“ als Kunden.
Zwar war die SPD vor der Bundestagswahl strikt
gegen solche Erhöhung, was die CDU unverhohlen
forderte. Heute, nach der großen Kapitulation in
der Großen Koalition mit der CDU, erhöht sie fleißig
mit. Dies ist wohl eine Art Geheimrezept für das
nachträgliche Gewinnen einer verlorenen Wahl.
Das zweite Rezept solcher Art, zu tun als wäre
man wer, ist die plumpe Empfehlung zur Abschaffung der Arbeitslosigkeit: Vier Millionen lassen sich
einfach nur die Haare schneiden, waschen und rasieren sich. Auch die Frauen?
Scharlatanerie, Hokus Pokus, Simsalabim als Politik? „Na dann, prost Neujahr!“ ruft Martin Wager
Gesundes jot w.d.-Preisrätsel
1
O R
2
3
4
A M
5
6
I G
7
8
9
10
N Ü
T B
L A
P F
O H
A M
Ü N
Es sind Begriffe mit zehn Buchstaben folgender Bedeutung zu bilden:
1. nicht nur Eichhörnchen sammeln sie
(Mz.), 2. hier kann man gesunde Sachen
kaufen, 3. er muss in den Korb geworfen
werden, 4. ob rot oder weiß – frisch zubereitet schmeckt er am besten, 5. etwas bittere, doch sehr gesunde Südfrucht, 6. in ihm
soll man besonders schonend zubereiten
können, 7. diese Stäbchen sind giftig und
machen süchtig (Mz.), 8. Oberbegriff für
geistige Getränke (Mz.), 9. manchmal
braucht man es trotz Zuzahlung doch, 10.
hohe Auszeichnung für Freizeit-Sportvereine (2 Worte).
Die Buchstaben in den markierten Feldern ergeben – neu sortiert – unseren
Wunsch für Sie im Neuen Jahr.
Schicken Sie Ihre Lösung bis 25. Januar (Datum des Poststempels) an jot w.d., Müllerstr.
45, 12623 Berlin, Kennwort Rätsel und gewinnen Sie einen Jahreskalender „Augen
einer Landschaft“, ein „Promi-Kochbuch“ von Daggie Gelbke oder eine CD.
Auflösung des Preisrätsels aus jot w.d. 12/2006: 1. Australien, 2. Frostbeule, 3. abstumpfen, 4. Nordafrika, 5. Gleitschuh, 6. Grog mit Rum, 7. Chorwinter, 8. Skifliegen, 9.
Schwimmbad, 10. Schneeball. Das Lösungswort lautete: Stalingrad. Die Preise gingen
per Post an die Gewinner. Herzlichen Glück- wunsch!
○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○
5
Was wir 007 nicht mehr sehen wollen.
Foto: Nachtmann