Vollständiger Text der Ausgabe 1/2007 (PDF-Format)
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Nr. 1/2007 12. Jahrgang Foto: Frank Ludwig Auch 2007 ein buntes Berlin Inhalt EVP: 1 Euro Die Bürgerzeitung aus Marzahn-Hellersdorf 07: Voll das Leben Künstler-Serie in jot w.d.: Viele Leser werden sich an Sänger und Musiker ihrer Jugendzeit in der DDR erinnern. jot w.d. berichtet, was aus ihnen geworden ist. Heute: Sänger HeinzJürgen Gottschalk. Seite 3 Keine Hunger-Kinder: Selbst kochen und Backen hilft besser, nicht nur im Bauch satt zu werden. Deshalb unterstützt eine Marzahner Bäckerei den Mittagstisch des DRK. Auch jot w.d. biss in ein frisches Brötchen. Steinerne Rinne: Seite 5 Mit einiger Verzögerung begannen im vergangenen Jahr die Rückbauten zur Renaturierung der Wuhle. In jot w.d. schreibt Wuhle-Kenner Heino Mosel über den Stand der Arbeiten und Versäumnisse. Seite 14 Rückblick auf 2006: Noch ein Mal blicken wir auf Ereignisse, Menschen und Bilder des vergangenen Jahres zurück und zeigen, dass uns dabei auch so mancher normalerweise nicht g e z e i g t e Schnappschuss gelang. Seiten 6-7 Steh’n wir Kopf angesichts des blühenden Winterjasmins? Oder sagen wir uns: Mit etwas Mühe, Glück und Fichelanz kommen wir noch immer über die Runden. Es sind ja schließlich nicht zwölf, wie beim Preisboxen. Und falls uns jemand ein paar Millionen zahl, lassen wir uns auch verhauen. Oder treten statt dessen für die Natur ein. Fotos: Dittmann/Nachtmann Liebe Leser, „Ich habe euch nichts anderes versprochen als Blut, Schweiß, Mühe und Tränen.“ Das sagte Winston Churchill anlässlich seiner Wahl 1943 als Kriegspremier von Großbritannien. Gemeint hat auch er damit nur das „normale Volk“, denn die „ritch guys“, die reichen Burschen des Empires, hatten auf ihren Schlössern außer ein paar Abgaben nichts zu befürchten. Blut, Schweiß und Tränen predigen auch Merkel-Münte-Consorten. Auch für die Herren Ackermann oder Pierer? Etwa für die Damen und Herren Bundestagsabgeordneten? Für die Share-Holder (die Anteilseigner) gar? Nö, muss ja nit. Reicht doch, wenn die Armen noch ärmer werden. Kein Job? Rasier dich doch, und schon klappt’s, weiß der schlaue Dicke aus der Pfalz, der noch nie bei Amte war. Du musst nur’n bisschen doof säuseln können und passend mit’m Arsch wackeln, schon bist du’n Superstar, suggeriert das „Unterschichterfernsehen“. August Bebels Taschenuhr mit Eisenkreuz im Arschwackeljahr Und die Lottobuden jammern, dass ihnen die Werbung beschnitten wird. 2007 wird das Arschwackeljahr, das den Siggelkows noch ein paar Millionen zum Troste (zum Ablass) in die Kassen spült. War da noch was? Ach ja, da ratschen welche über Kultur. Aber wir haben doch den Schmitz! Den Wowereit’schen Adlatus! Was soll da noch passieren? Und wir haben doch Briefe vom Job-Center: „Ihre Mietkosten sind zu hoch. Hier geben wir Ihnen drei Tipps, wie sie zu mindern wären.“ Anbei ein kopiertes Blatt mit freundlichen Grüßen von Frau Knake-Werner und Herrn Sarrazin. War da noch was? Ach ja, der Herr Müntefering soll ja angeblich eine der (circa fünf) vererbten Taschenuhren von August Bebel haben. Vielleicht sollte der Genosse (Bist du noch Genosse, stehst du noch zur Partei?) mal Bebels Schriften lesen statt der Bild-Zeitung. Zuweilen hilft diesem Halbgebildeten ja auch Wolf Biermann (Träger des Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland am Bande) auf die Sprünge: Für das bisschen Blechbrust haben wir noch immer genug Blech. Für neue Eiserne Kreuze reicht’s auch allemal. Und das Salair in Afghanistan ist mit dem an der BAM nicht wirklich zu vergleichen. Damals wie heute gab’s vergleichsweise viel. Für die, die arbeiten wollen, aber nicht dürfen, gibt’s vergleichsweise wenig. Alles eine Frage der Relation. Ein ScheißJahr? Nicht doch. Mit jot w.d. bleiben Sie auf dem Laufenden. Viel Spaß mit dieser (Achtung: Schon wieder ein Mini-Jubiläum) 125. Ausgabe wünscht Ihnen Ihr Ralf Nachtmann jot w.d. 1/2007 Glück auf 2007 Grußwort der Vorsteherin der BVV, Petra Wermke, zum Neuen Jahr an die Leserinnen und Leser von jot w.d. Liebe Leserinnen und Leser, das „Prosit Neujahr!“, das ich Ihnen zum Übergang von einem auf das andere Jahr entbiete, kommt wie immer von ganzem und aus vollem Herzen. Aber der fast automatisch dazu gehörende Überschwang will sich nicht so recht einstellen. Die heitere Erwartung auf das Glück in diesem neuen Jahr ist gedämpft, denn das alte hallt noch nach, obwohl der letzte Böller längst verraucht ist. 2006 war u.a. auch das Heinrich-Heine-Jahr. Sein 150. To- Ja, ich möchte destag berührte alle, nicht nur Literaten, Publizisten und Politiker. Wieder entdeckte Lieder, Verse und Sentenzen des Dichters machten überall die Runde. Beim Blättern in den vielen Zitatensammlungen stieß ich z. B. auf die Worte, die womöglich meine Überschwänglichkeit dämpften: „Der heutige Tag ist ein Resultat des gestrigen. Was dieser gewollt hat, müssen wir erforschen, wenn wir zu wissen wünschen, was jener will.“ Seit ich das las, werde ich die Frage nicht mehr los: Was hat der „gestrige Tag“, der eben noch der heutige war, gewollt, als er uns in Gestalt des Wahltages den so gewünschten bunten Bezirk auf dem BVVTablett servierte? Entsprach die beigemischte Überdosis Rost-Braun auch seinem Willen? In Marzahn Nord träumt ein Steckenpferd auf einem Regenbogen von einer friedlichen, fröhlichen und farbenfrohen Welt. Die Farbpalette des Parteienspektrums in der BVV kommt dem Regenbogen nahe, und als Freizeitpolitikerin könnte ich dazu aufrufen: Machen wir es dem Steckenpferd nach. Nur „nahe kommen“ heißt nicht identisch. Im Regenbogen finden sich nur die Spektralfarben. Braun ist nicht dabei. Politisch betrachtet wurden dafür aber eine Menge Pinsel geschwungen. Die anderen Farben blieben blasser. Mal fehlte der Pinsel, und – um im Bild zu bleiben – mal gab’s zuviel Wasser. Am Ende träumten zu viele, es ginge auch ohne uns. Glauben Sie das nicht! Auch wenn es noch so viele aktive Jugend-, Sozial- und Gemeinwesenvereine gäbe, um uns selber müssen wir selbst uns kümmern. Nichts kommt von alleine. Und ohne Sie, Ihr Fordern und Drängen, Ihr Mitwirken da und Ihr Einmischen hier, fehlte unserem Bezirk der frische Atem und das farbenfrohe Spektrum, das sein Gedeihen garantiert und den Braunschleier von ihm nimmt. Über die benötigten Pinsel sollten wir miteinander reden. Zuvor aber wünsche ich Ihnen für das neue Jahr ein Mehr an Gesundheit, Tatendrang und Lebensschwung sowie im persönlichen Leben alles erdenklich Gute! Ihre Petra Wermke Aboschein Die Bürgerzeitung aus Marzahn-Hellersdorf jeden Monat erhalten und abonniere die Zeitung zum Jahrespreis von 12 Euro incl. Zustellung, (außerhalb des PLZ-Bereiches 126** 24 Euro) Das Abonnement gilt für ein Jahr und verlängert sich automatisch um ein weiteres Jahr, wenn ich nicht spätestens zwei Wochen nach Erhalt der 12. Ausgabe schriftlich gegenüber dem jot w.d.-Herausgeber kündige. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung. Den fälligen Betrag überweise ich innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt der Rechnung. Mit meiner Unterschrift nehme ich zur Kenntnis, dass ich meine Bestellung ohne Angabe von Gründen innerhalb von 10 Tagen bei der Bestelladresse schriftlich widerrufen kann (rechtzeitige Absendung genügt). Bitte liefern Sie an folgende Adresse: Name:................................................................................... Straße:.................................................................................. PLZ, Ort:............................................................................... Telefon:................................................................................. Datum:.................. Unterschrift:..................................... Ausschneiden und per Post an: jot w.d., Müllerstr. 45, 12623 Berlin oder per Fax: 566 72 58 email-Bestellung unter: bestell@jotwede-online.de Aktuell Ein Dankeschön Liebe Leserinnen und Leser, 14 Jahre im Bezirksamt, davon 11 als Bezirksbürgermeister. Eine lange, manche meinen, eine zu lange Zeit. Für all die kritische Begleitung meiner Tätigkeit möchte ich mich an dieser Stelle bedanken. Dank für die wohlwollenden Hinweise, die Solidarität, aber auch die Kritik, die mir half, die Mühen der Ebenen zu meistern. Wer mich kennt, versteht mich: Sehr gerne hätte ich weiter Verantwortung für meinen, unseren Bezirk getragen. Die Wählerinnen und Wähler wollten es jedoch anders. Natürlich fällt mir der Abschied sehr schwer und mit der Rolle eines „Politrentners“ kann ich noch nicht viel anfangen. Der jot.w.d. wünsche ich auch weiterhin viele interessierte Leserinnen und Leser, immer den notwendigen kritischen Ton, um voranzutreiben, wo es des Anstoßes bedarf. Ein gesundes und erfolgreiches Neues Jahr wünscht Ihnen Uwe Klett Abschied bei feurigen Latino-Rhythmen Freunde und Wegbegleiter aus mehr als 14 Jahren hatten sich am 8. Dezember in der Candela Lounge versammelt, um Ex-Bürgermeister Uwe Klett Dank zu sagen für die geleistete Arbeit der vergangenen Jahre. Eine Leinwand-Bildershow ließ Erinnerungen aufkommen an die Zeit des Beginns im Jahr 1992 und alles, was danach kam. Die Retrospektive in Bild und Wort erhielt der Bürgermeister a.D. dann als Geschenk in Form eines eigens gefertigten Buches. Bei feurigen Latino-Rhythmen wurde bis Mitternacht getanzt, gelacht und so manche Erinnerung wach. Uwe Klett kam mit der Latino-Tänzerin besser zurecht, als früher mit so manchem politischen Widersacher. Foto: Dittmann 2 So erreichen Sie die Redaktion: Post: jot w.d., Müllerstraße 45, 12623 Berlin Tel.: 56 58 70 99, Fax.: 566 72 58 email: redaktion@jotwede-online.de Im Internet unter www.jotwede-online.de Anzeigen: 0179-6987186 Abo-Verwaltung: Bernd Preußer, Tel. 56 20 173 Spendenkonto: 496622200, BLZ 10070024, Deutsche Bank Vom Finanzamt anerkannte Spendenquittungen werden auf Wunsch ausgestellt und zugesandt. Die nächste Ausgabe von jot w.d. erscheint am 1. Februar 2007 Redaktionsschluss: 23. Januar 2007 Anzeigenschluss: 25. Januar 2007 IMPRESSUM jot. w. d. Die Bürgerzeitung aus Marzahn-Hellersdorf Herausgeber: Verein zur Unterstützung öffentlicher Diskussion am nordöstlichen Stadtrand e. V. Anerkannt gemeinnützige Körperschaft Müllerstraße 45, 12623 Berlin, Telefon: 56 58 70 99, Fax: 566 72 58 E-Mail: redaktion@jotwede-online.de Redaktion: Ingeborg Dittmann (V.i.S.d.P.), Ulrich Clauder, Ralf Nachtmann (Leitung, Gestaltung und Produktion) Ständige Autoren: T. Preußing, S. Birkner, B. Staacke, D. Winkler, M. Wagner Anzeigenleitung: Ralf Nachtmann, Tel. 0179-6987186, Abo-Verwaltung: Bernd Preußer, Tel. 56 20 173 Druck: BVZ, www.berliner-zeitungsdruck.de Erscheinungsweise: monatlich; Verkaufspreis 1 Euro; Abo-Preis: 1 Euro, Rechtsanspruch auf Belieferung haben nur Abonnenten Nächste Ausgabe: Donnerstag, 1. Februar 2007; Redaktionsschluss: 23. Januar, Anzeigenschluss: 25. Januar 2007 Nächste öffentliche Redaktionssitzung: voraussichtlich Freitag, 12. Januar 2007, Or t und Zeit bitte telefonisch erfragen Die Redaktion behält sich das Bearbeiten von Beiträgen vor. Keine Haftung für eingesandte Beiträge und Fotos. Namentlich gezeichnete Beiträge stimmen nicht in jedem Falle mit der Meinung der Redaktion überein. Vereins- und Spendenkonto: Deutsche Bank, BLZ 10070024, Kontonummer 49 66 222 00 jot w.d. entsteht in gemeinnütziger, ehrenamtlicher Arbeit als Bürgerzeitung für Biesdorf, Hellersdorf, Kaulsdorf, Mahlsdorf und Marzahn. Redakteure und Mitarbeiter erhalten dafür kein Entgelt. Die Redaktion freut sich über Ihre Spenden für die Herausgabe dieser Zeitung genauso wie über Ihre Kritiken, Anregungen, Informationen, Briefe, Artikel, Fotos ... Leute jot w.d. 1/2007 French Connection Die junge Französin Cécile Cuny ist in Marzahn NordWest auf Doktor-Kurs Platz vor dem Havemann-Center, 8. März 2005, 19.15 Uhr: In wenigen Minuten wird die RBB-Abendschau die Kameras aufblenden und zu ihrem Reporter Ulli Zelle schalten, um einen Vorortbericht über dieAuswirkungen des BVG-Konzeptes „2005plus“ abzufordern. Der Mikrofon-Mann im hellbraunen Überrock ist unruhig. Er weiß, die hier stehen, haben Frust im Bauch. Der muss raus. Die entsprechenden Pappenheimer stehen bereit, die Beschwichtiger von der Fachebene ebenfalls. Zelle aber will mehr. Da sieht er SIE: Cécile Cuny. Schwarzer Mantel, schwarzbraunes, welliges, bis auf die Schultern fallendes Haar, schmales Gesicht und große, warmherzige Augen in der Farbe ihres Mantels. Sie ist nicht unbedingt groß zu nennen, und dennoch würde kein Mann, erst recht nicht vom „TiWi“, sie übersehen. Mit Riesenschritten stürmt Ulli Zelle auch prompt auf sie zu: „Sie kommen vom Barnim-Gymnasium, ja? Eine Schülerin von da muss hier ’was sagen!“ Sie hätte es gekonnt. Aber Cécile ist Französin und „türkt“ nicht – wie man in der Branche sagt, wenn man „täuschen“ meint. Also ruft sie erschrocken: „Oh nein, Monsieur!“ Der Rest geht im Lachen der Zuschauer unter. Sie kennen die zierliche Frau, die in der Flämingstraße zwei kleine Zimmer bewohnt. Und der verdutzte Reporter erfährt, dass sie bereits 26 wird sowie ihr Abitur acht Jahre zuvor in ihrer Geburtsstadt Straßburg ablegte. Mit „sehr gut“ sogar. Will heißen: Für das auffällige Falkenberger – pardon – „Bildungs-Ei“ zu alt und überqualifiziert. Das ist schade für’s Fernsehen. Für Marzahn NordWest ist es ein Geschenk. Denn Cécile Cuny rückt diesen Stadtteil in den Blickwinkel Europas. Innerhalb eines deutsch-französischen Forschungsprojektes möchte sie hier aufspüren, was in Wissenschaft und Politik allgemein als „Partizipative Demokratie“ bezeichnet wird. Das Adjektiv ist aus dem lateinischen Verb partizipieren abgeleitet, das – kurz gefasst – teilhaben bedeutet. Eine pikante Sache im Nordzipfel, wo die „Teilhaber“ vielschichtiger nicht sein können und ein gutes Dutzend aktiver Einwohner argwöhnisch darüber wacht, dass ihr Teil nicht schrumpft. Aber genau um solche Abbilder sozialer Prozesse im Alltagsleben der „kleinen Leute“ geht es Cécile Cuny in Marzahn. Und Vorträge in Paris, Toulouse, Straßburg und Metz belegen schon jetzt das beachtliche Interesse an ihren Forschungen, und Referate bzw. Aufsätze in Essex, Oxford und Cambridge, den Zentren des britischen „Bildungsadels“, unterstreichen ihre Bedeutung. Das hat auch damit zu tun, wie tiefgründig und konsequent diese junge Frau schlüssige Antworten auf ihre zentrale Frage sucht: „Was befähigt heute manche Marzahner, sich der für sie neuen Spielregeln und Instrumente der Demokratie auf Dauer zu bemächtigen?“ In diesem Jahr will sie die Dissertation dazu vollenden. Es wird nicht die erste wissenschaftliche Arbeit sein, die unter ihrem Namen vom Leben am nordöstlichen Berliner Stadtrand kündet. Bereits 2004 erwarb sie in Paris mit einer 179seitigen und sehr gut bewerteten Arbeit über das deutsch-russische TschechowTheater an der Märkischen Allee 410 ihr Diplom als Sozialwissenschaftlerin. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits DiplomFotografin. Und bei dieser ungewöhnlichen Kombination inspirierte die Forscherin C.C., beide Disziplinen für ihre Arbeit zu nutzen. Entsprechend „bewaffnet“ durchstreift sie seitdem jeden Winkel, kämpft sich durch Papierberge und interviewt die Menschen vor Ort, ob im Bezirksamt oder in den Niederungen der sozialen Problemlagen. Niemand besitzt wohl mehr Detailkenntnisse über Marzahn NordWest als die stille Nachbarin Cécile. Das Quellgebiet der Wuhle als trächtigen Ort für ihre soziologischen Studien hat die Doktorandin durch die Website des Quartiersmanagements entdeckt: „Bereits in Frankreich konnte ich lesen, dass es ein Tschechow-Theater, den Bewohnerbeirat u.a. gab. Auch auf die Russlanddeutschen war ich neugierig.“ Andererseits ist Cécile seit ihrer Kindheit mit Berlin vertraut. Die Arbeit des Vaters brachte es mit sich, dass sie ab dem zehnten Lebensjahr drei Jahre das französische Gymnasium in Reinickendorf besuchte. Die Mauer stand noch und machte das Mädchen neugierig. Warum? „Weil es einfach verboten war, nach drüben zu gehen“, sagt sie, „und die Vopos an der Grenze waren auch für ein Kind beeindruckend.“ Einmal konnte sie die Posten passieren – mit dem Vater und einer französischen Erlaubnis. Wenig später war die Mauer weg. Die Neugier aber nicht. Davon zeugen die Fragen, die sie heute stellt. Und Cécile vermag bis tief ins Herz zu fragen, weil sie dieselben zu öffnen versteht. Selbst BVVVorsteherin Petra Wermke erzählt, dass sie während des Interviews plötzlich weinte., „keine Ahnung, warum“. Und das eigene Herz? Laurent hat es erobert. Er ist Céciles Ehemann. Aber als Eheleute haben sie bisher nur ein halbes von zwei Jahren gemeinsam verbracht. Während nämlich sie in Berlin forscht, arbeitet er in Paris bei Peugeot. Kleine Herzen sind an solcher Trennung zerbrochen. Nicht so C. & L. Seit September haben sie umdisponiert. Die junge Frau arbeitet nun überwiegend zu Hause an der Seine. Doch die Wuhle wird sie nicht loslassen. „Kaum habe ich meinen Mann wiedergefunden“, schreibt sie, „fehlen mir die Leute von Marzahn.“ Umgekehrt ist es auch so. T. Preußing 3 Musiklegenden des Ostens – jot w.d.-Serie, Teil 30 In der Juli-Ausgabe 2004 begannen wir, Künstler vorzustellen, die in der Jugendzeit vieler unserer Leser – also in den 50er, 60er, 70er und 80er Jahren – Schlagzeilen machten. Wie geht es den Publikumslieblingen von einst heute? jot w.d. traf viele von ihnen. Wir setzen unsere Serie in dieser Ausgabe mit „Gotte“ Gottschalk, dem Sänger der „Tagesreise“, fort. Heinz-Jürgen Gottschalk Er singt die „Tagesreise“ heute noch Vielleicht hätte er ein berühmter Turner werden und vielleicht Olympiamedaillen holen können. An der Kinder- und Jugendsportschule Erfurt galt Gotte, wie er von Freunden genannt wird, als hoffnungsvolles Talent. Doch dann verfielen er und sein Mitschüler Jürgen Kerth dem Beatlesfieber. Noch an der Schule formierten sie eine Gitarrenband und gaben als 14-Jährige ihr erstes Konzert bei einer Silvesterparty. Sie gründeten die „Spotlights“, mussten sich wenig später auf höheren Geheiß umbenennen. Doch auch als „Rampenlichter“ erhielten die Jungs bald Spielverbot. 1968 gründet Gotte mit ein paar Freunden die „Nautics“. Anfang der 70er wird auch diese Band verboten. Der Erfurter, der inzwischen die Texterin Karola geheiratet hat (mit der er noch heute verheiratet ist), studiert an der Musikhochschule Weimar, wird 1973 von Bernd Römer (Karat) nach Berlin geholt und wird Sänger der legendären HorstKrüger-Band. Deren größter Hit, die „Tagesreise“ (Komp. Micha Heubach), wurde später (und bis heute) von vielen Bands nachgespielt. Gotte brachte auch Tamara Danz (später Silly) zu Krüger. „Ich hatte sie schon als 12-Jährige kennen gelernt“, sagt er. Gemeinsam mit Musikern wie Micha Behm, Axel Donner und anderen gründet er 1976 die Gruppe „Neue Generation“. 1980 besinnt sich der Sänger auf seine Songwriter-Qualitäten und entscheidet sich für eine Solokarriere. Vier Jahre darauf erscheint sein erstes Solo-Album bei Amiga „Wenn ich auf dem Rücken lieg“ mit einer Mischung aus Pop-, Rock- und Reggae-Songs. „Es lief gut, zuweilen hatte ich 15 Auftritte an einem Tag“, erinnert er sich. Im Sommer 1985 kehrt Gotte nach einem Auftritt in Westberlin nicht mehr zurück und geht nach München. Seine Frau darf mit den beiden Kindern erst drei Jahre später nachkommen. Als ein im Westen unbekannter Sänger fällt es ihm schwer, musikalisch wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Doch allmählich macht er sich als Studiomusiker für Künstler wie Gaby Albrecht, Patrick Lindner, Rex Gildo, Nicole oder Jürgen Drews unentbehrlich. Sein zweites Standbein: Chorsänger bei Studioproduktionen und bei Synchronisationen von Filmen (z.B. ist er die Singstimme von Gonzo in den Muppet-Filmen). Eine schwere Erkrankung Ende der 90er Jahre zwingt den Musiker zur Umorientierung. Er besinnt sich auf seine musikalischen Wurzeln, kehrt 2002 auch wieder Gotte bei seinem Auftritt 2006 in Hellersdorf. Foto: Nachtmann Mehr als ein Viertel Jahrhundert her: Gotte 1981. Foto: nl-Archiv in seine Heimat Erfurt zurück. Seitdem tourt er wieder als „EinMann-Unternehmen“ durch die Klubs, zuweilen auch mit ExNautics-Mitstreitern oder mit der Band „Vital“. 2005 wird auf dem Erfurter Domplatz seine Suite „Erfordia“ gemeinsam mit dem Orchester der Thüringer Philharmonie aufgeführt. 2006 zieht es den Thüringer, vor allem wegen der beiden Kinder und der Enkel, in die Hauptstadt. Mit seiner Frau Karola lebt er nun am Rande von Berlin im Grünen. Wir erlebten Gotte unlängst im Cafe 13 an der Hellersdorfer Promenade im wahrsten Sinne des Wortes als Ein-Mann-Kapelle mit Mundharmonika, Gitarre (der er auch Töne verschiedener anderer Instrumente zu entlocken weiß) und natürlich mit seinem unverwechselbaren Gesang. „Ich bin ein altes Rockfossil“, meinte der 58-Jährige und stimmte sogleich „Yesterday“ von den Beatles an. Aber auch eigene Songs wie „Der Regenmacher“, „Traum vom Baum“ „Am Morgen“, Schür’ das Feuer“ oder „Lied für einen Freund“. Totale Überraschung im Publikum, als Gotte den Gefangenenchor aus Nabucco anstimmt – auf italienisch natürlich. Gotte ist halt immer wieder für Überraschungen gut. Ingeborg Dittmann In dieser Serie erschienen bisher: Julia Axen, Hans-Jürgen Beyer, Dieter Dornig, Har tmut Eichler, Ina-Maria Federowski, Rainer Garden, Ingo Graf, Mary Halfkath, Monika Herz, Barbara Kellerbauer, Britt Kersten, Jürgen Kerth, Gerti Möller, Thomas Natschinski, Omega, Jenny Petra, Puhdys, James W. Pulley, Brigitte Rabald-Koll, Gaby Rückert, Sonja Schmidt, Vera Schneidenbach, Sonja Siewert/Herbert Klein, Reiner Süß, Tina, Regina Thoss, Bärbel Wachholz, Jürgen Walter, Peter Wieland 4 Die Vogelwelt im Winter Hellersdorf – Wie kann man im Winter Bäume bestimmen? Das erfahren die Besucher am 14. Januar, 14.30 Uhr, aus dem Munde von Diplom-Biologin Beate Kitzmann im Naturschutzzentrum Schleipfuhl. Am 28. Januar, 14.30 Uhr,werden in einem Vortrag einheimische Vogelarten vorgestellt, die den Winter bei uns verbringen. Dazu gibt’s von Steffen Gierth Nützliches über die Winterfütterung zu erfahren. Anschließend werden bei einem Rundgang Vögel beobachtet. In der Reihe „Hand in Hand durch die Natur“ gibt’s am 9. Januar, 14 Uhr, einen Neujahrsspaziergang am Schleipfuhl. Danach wird das Jahresprogramm 2007 vorgestellt. Ideen sind willkommen. Zum Thema „Die Natur des Jahres 2007 – was kommt nach Kleiber und Rosskastanie?“ wird am 23. Januar, 14 Uhr, informiert. Treffpunkt für alle Veranstaltungen: Naturschutzzentrum, Hermsdorfer Straße 11 A. I. Dittmann Fünf „Dörfer“ im Wandel Marzahn – In der Reihe „Gespräche zur Geschichte gibt es am 10. Januar,19 Uhr, eine Sonderführung durch die Ausstellung „MarzahnHellersdorf. Dörfer – Siedlungen – Stadt. 1870-1970“. Wie im vergangenen Jahr bietet das Bezirksmuseum eine abendliche Ausstellungsführung durch die derzeitige Ausstellung an, die verschiedene Autoren anhand von Tafeln und ausgewählten Objekten vorstellen. Den Besuchern wird so die Möglichkeit gegeben, in einen Dialog mit den „Machern“ zu treten, ihre Fragen, Anregungen und Wünsche vorzubringen. Zudem besteht die Möglichkeit, sich über den aktuellen Stand bei der Vorbereitung des dritten Bausteins der Dauerausstellung, der im August 2007 eröffnet werden soll, zu informieren. In den Jahren zwischen 1870 und 1970 vollzogen sich tiefgreifende Veränderungen im Leben von Biesdorf, Hellersdorf, Kaulsdorf, Mahlsdorf und Marzahn. Die Verbindungen zur Hauptstadt Berlin wurden enger, 1920 wurden die bis dahin kommunal selbständigen Orte eingemeindet. Große Siedlungsgebiete entstanden. Die Einwohnerzahl vervielfachte sich, städtische Lebensgewohnheiten hielten nach und nach Einzug. Erste kleine Industriebetriebe entstanden. Jahrzehntelang formten die Rieselfelder die Landschaft um Hellersdorf und Marzahn. Auch politisch und kulturell waren die hundert Jahre eine Zeit vielfachen Wandels. Die damit verbundenen Prozesse werden in chronologischen und thematischen Ausstellungstafeln und mit vielen Objekten veranschaulicht, ergänzt durch multimediale Elemente und Lesemappen. Bezirksmuseum, Alt-Marzahn 51, geöffnet Di bis Do 10-17 Uhr, So 11-17 Uhr, Archiv Mi und Do von 10-17 Uhr. Eintritt frei. jot w.d. 1/2007 Großsiedlung Die Kirche ist wieder im Dorf Neujahrsgolf für Jedermann Helwichstorp lebt am Cottbusser Platz auf Hellersdorf – Acht Stelen aus Edelstahl machen die Umrisse eines Gebäudes sichtbar, das einst an der Wiege von Hellersdorf stand: eine Feldsteinkirche. Die gehörte zu Helwichsdorp, einem kleinen Nest mit Kirche, Friedhof und ein paar Häuschen, das es mindestens seit 1375 gibt. Denn in diesem Jahr fand es Erwähnung im Landbuch Kaiser Karl IV. Das Dörfchen, kleiner noch als Mahlsdorf oder Kaulsdorf, befand sich südlich des heutigen UBahnhofes Cottbusser Platz. Das weiß man so genau, weil man Anfang der 1980er Jahre genau dort bei Ausgrabungsarbeiten die Reste des mittelalterlichen Helwichsdorp fand. Einige davon sind im Stadtmuseum Berlin zu sehen. Als Erinnerung an den historischen Ort – sozusagen die Wiege der 20-jährigen Großsiedlung Hellersdorf – wurde kürzlich ein so genannter Denkraum am U-Bahn-Ausgang geschaffen. Dazu gehören neben den Stelen u.a. eine Info-Tafel mit wichtigen Daten zur Entwicklung, ein Platz mit einem Findling und in Treppenstufen eingelassene Buchstaben, welche die historisch überlieferten unterschiedlichen Schreibweisen von Hellersdorf dokumentieren. Leider ist in der Literatur zu Hellersdorf (auch in der 200-seitigen Festschrift der MAZZ Verlagsgesellschaft, die 1996 über Hellersdorf erschien) gar nichts oder wenig über die einstige Ansiedlung, die später zur Wüstung wurde, zu finden. Ausführlichere Beschreibungen beginnen erst mit dem 19. Jahrhundert – mit Vorwerk, Rittergut und Gutshof. I. Dittmann Marzahn – Am ersten Sonntag nach dem Neujahrstag, am 7. Januar, findet im Kleingolfzentrum Marzahn, Wittenberger Straße 50, das traditionelle Neujahrsgolfen statt. Es ist ein Publikumswettstreit und somit offen für jeden, der einen Schläger halten kann und sich zutraut, zweimal hintereinander die 18 Filzbahnen zu spielen. Das Neujahrsgolfen ist ein Freizeitspaß, bei dem in Dreiergruppen gespielt wird. Diese werden vor dem Start (11 Uhr) ausgelost. Ab 10 Uhr ist Warm- und Einspielen erlaubt. Eigene Schläger und Bälle zum Spiel sind gestattet, eine kostenlose Ausleihe von Anlagenmaterial ist möglich. Es gibt einige Preise zu gewinnen. Wer etwa in beiden Runden das gleiche Ergebnis spielt, erhält einen Sonderpreis, ebenso die besten Spieler unter 18 bzw. über 60. Wer an Bahn 6 eine 6 spielt, erhält einen Trostpreis. Wer sich bis 6. Januar 18 Uhr anmeldet, kann eine Urkunde, in die das Ergebnis eingetragen wird, bestellen. Der Einsatz beträgt 6 Euro je Teilnehmer und wird unter die jeweils besten vier Spieler der Gruppen „Publikum“ und „Vereins-Minigolfer“ im Verhältnis 40–30–20– 10 als Prämie ausgeschüttet. Rückfragen und Info Tel. 933 60 17, email: filzi.minigolf@arcor.de Reinhard Kneist Eine der vier Doppelstelen, die auf das versunkene alte Hellersdorf hinweisen. Nicht weit weg davon zwei Bauwerke, die vermutlich in nicht allzu ferner Zeit auch zum „alten Hellersdorf“ gehören könnten. Im gepflasterten Weg sind Metallplatten mit den verschiedenen historischen Schreibweisen Hellersdorfs eingelassen. Fotos: Nachtmann Neuer Parkplatz für Drahtesel Hönow – Jahrelang jeden Morgen das gleiche Bild. Fahrradfahrer, die am U-Bahnhof Hönow in die U 5 umsteigen wollen, suchen verzweifelt nach einem Laternenpfahl, einem freien Geländer oder einer anderen Befes- Die beiden Bürgermeister Dagmar Pohle und Klaus Ahrens probierten den neuen Fahrrad-Parkplatz gleich nach der „Eröffnung“ aus. Knapp 300 Velos finden nun Platz am U-Bahnhof Hönow. Foto: Nachtmann tigungsmöglichkeit für ihr gutes Stück. Die wenigen Fahrradständer sind längst vergeben. Da verpasst man schnell mal seine geplante Bahn und fängt an zu fluchen. Das hat nun alles sein Ende. Spätestens seit dem 11. Dezember. An diesem Tag übergaben die Bürgermeister aus Marzahn-Hellersdorf und Hoppegarten und der Ortsbürgermeister von Hönow einen neuen, sogar überdachten Fahrrad-Parkplatz. 288 Räder haben Platz in der Anlage, die vom Land Berlin (Planung) sowie dem Fernwärmeunternehmen EKT GmbH finanziert wurde. Damit hat das jahrelange Ringen um solch eine Anlage ein gutes Ende gefunden. Weshalb die Verwirklichung eines solch relativ kleinen Bauvorhabens, an dem Berlin und Brandenburg beteiligt sind, fast sechs Jahre dauerte, ist schwer zu verstehen. Wie viele Briefe, Sitzungen, Abstimmungen und Beschlüsse hat das gebraucht, ehe man vor zirka einem Jahr zur Einigung kam. Da will man gar nicht glauben, dass noch vor ein paar Jahren die Fusion BerlinBrandenburg in greifbarer Nähe schien. I. Dittmann Berlins oberste Minigolfer Egon Schacke, Vorsitzender des Bahnengolfverbandes Berlin-Brandenburg e.V. (BVBB), hat die Marzahner Anlage (hier beim Einlochen an Bahn 10) schon des öfteren gespielt. Foto: Kneist Die Flügel sind wieder dran Marzahn – Nachdem am 6. Juli ein Unwetter die vier Flügel der Marzahner Bockwindmühle zerstört hatte, konnte Müller Jürgen Wolf nach einer aufwändigen Reparatur das „gute Stück“ im Dezember symbolisch an „Besitzerin“ Bürgermeisterin Dagmar Pohle übergeben. Die 30 000 Euro teuren Arbeiten wurden aus Spenden von Marzahner Unternehmen und Eigenleistung der Mitglieder des Mühlenvereins geleistet und bezahlt. Korn mahlen konnte Müller Wolf in der Zwischenzeit trotzdem. Die Mühle verfügt über ein elektrisches Mahlwerk. -erren Wirtschaft & Soziales jot w.d. 1/2007 5 Mittagstisch als Hilfe zur Selbsthilfe Statt „Suppenküche“ Sozialprojekt zum Mitmachen für Kinder und Eltern Marzahn – Im Kinder- und Jugendhilfezentrum des DRK an der Sella-Hasse-Straße 19 können Kinder aus dem Kiez jeden Tag gemeinsam in familiärer Atmosphäre ein Mittagessen einnehmen. Doch sie lassen es sich nicht einfach vorsetzen, sondern sind daran beteiligt – am Auswählen und Einkaufen der Produkte, am Zubereiten der Speisen, am Tisch decken oder dem Abwasch danach. Die nötigen Räumlichkeiten dafür stellt die gegenüberliegende Thüringen-Oberschule zur Verfügung, und ein finanzieller Zuschuss kommt von Bäcker Feihl. Auch Brötchen, Brot und Kuchen steuert die Backstube an der Wolfener Straße hin und wieder bei. Für die Unterstützung des Projektes hat sich Bäcker Feihl etwas ganz Besonderes ausgedacht. „Wir wollten nicht einfach mal einen Scheck rüberreichen, sondern uns dauerhaft an dem Projekt beteiligen“, sagt Herr Feihl. Und das geht so: In der Bäckerei wurden neue Teigwaren entwikkelt: ein Bärlauchbrot, ein spezielles Brötchen, der Wurzelzwerg, und der „Ameisenkuchen“. Teile des Verkaufserlöses fließen nun monatlich in den „Pädagogischen Mittagstisch“. Kinder aus der Thüringen-Oberschule konnten am 14. Dezember dieses Gebäck schon mal kosten. Mehr noch, sie durften gemeinsam mit dem stellvertretenden Produktionsleiter Andreas Taggeselle Infotag zu alternativen Heilverfahren Biesdorf – Zu einem „Tag der Naturheilkunde und alternativen Medizin“ lädt die Berliner Niederlassung der Gesundheitsfirma Tian Qi Med am Sonnabend, 13. Januar, ins Schloss Biesdorf ein. Zwischen 11 und 18 Uhr gibt es neben einer ganzen Reihe interessanter Vorträge (etwa von Fr. Dr. Bei Wang über die klinische Anwendung traditioneller chinesischer Medizin oder von der Ärztin Claudia Buntrock über Naturheilverfahren in der ambulanten Praxis) auch jede Menge Schnupper- bzw. Kennenlernangebote. Diese reichen von Klangschalenmassage über Bioenergetische Meditation bis zu Nikotinentwöhnung und Ortomolekularmedizin. Insgesamt stehen 14 Vorträge und 32 Probierangebote auf dem Programm. Das Schlosspersonal sorgt für Imbiss und eine Tee-Verkostung. Zum Auftakt 11 Uhr zeigt eine Kindergruppe Übungen aus der Kampfkunst-Sportart Taekwondo. rn Gar nicht so einfach, das Brötchenformen. Auch Bürgermeisterin Pohle probierte es. Brötchen backen. Am Backofen drückte zu guter Letzt „Backmeister“ Andreas (13) auf den Knopf Nr. 23. Nach 20 Minuten kamen die duftenden Schrippen ins Körbchen. Da langte auch Bürgermeisterin Dagmar Pohle zu, die es sich nicht nehmen ließ, den Kindern beim Backen über die Schulter zu sehen. Der Mittagstisch ist Bestandteil des Tagesablaufes im DRK-Zen- trum, erläutert Katrin Nikiforob vom DRK-Kreisverband Berlin Nordost. Der Mittagstisch soll kein Angebot für „hungernde Kinder“ sein. „Wir gehen mit den Kindern einkaufen. Sie sollen lernen, mit Geld umzugehen, gesunde Zutaten auszuwählen, an der Vorbereitung des Essens beteiligt zu sein, den Tisch zu decken und danach wieder Ordnung zu schaffen.“ Die Mentalität, „jetzt hole ich mir ein Sterne lügen nicht? Wahrsagen und Bauchtanz in „Helle Mitte“ Foto: Nachtmann kostenloses Mittagessen ab“, wie das in anderen Einrichtungen (etwa der „Arche“ in Hellersdorf) geschehe, wolle man nicht fördern, heißt es bei den Beteiligten. Deshalb werden auch Eltern einbezogen. Viele Eltern wissen gar nicht mehr, wie wichtig ein gemeinsames Essen im Kreis der Familie für Sozialverhalten und Persönlichkeitsentwicklung der Kinder ist. I. Dittmann Jungen und Mädchen führen Kampfkünste vor. Foto: Jost Ein Stück Aufschwung NILES investiert in neue Fertigungshalle Hellersdorf – Was das neue Jahr wohl mit sich bringt? Die Antwort darauf könnte sie geben: Wahrsagerin Shakira wird zum Beginn des neuen Jahres von 11 bis 14 und von 15 bis 19 Uhr am Donnerstag und Freitag (11. und 12. Januar) sowie von 10 bis 13 und 14 bis 18 Uhr am Sonnabend (13. Januar) in der Hellen Passage für interessierte Besucher einen Blick in die Zukunft wagen. „Mit meinen Weissagungen gehe ich verantwortungsbewusst um. Ich erkenne in jedem Menschen die persönlichen, ganz besonderen Fähigkeiten. Und es macht mir große Freude, die positiven Kräfte meines Besuchers zu spiegeln, zu offenbaren und spielerisch mit dem jeweils erwählten Orakel Antworten auf seine Fragen zu finden. All das in positiv ungezwungener Atmosphäre und mit einem freundlichen Augenzwinkern“, so Shakira über ihre Arbeit. Die professionelle Hellseherin kann bereits auf über 15 Jahre Berufserfahrung als Wahrsagerin zurückblikken. Ihre Spezialgebiete sind neben der Weissagung das Lesen aus Handlinien, Schicksalsdeutung, Pendeln, Schriftdeutung und Tarot. Des Weiteren können die Besucher der Hellen Passage während dieser drei Tage orientalische Tanzshows bewundern. Die „Orientgirls“ verzaubern das Publikum mit Bauchtanz-Vorführungen in kunstvoll-erotischen Kostümen und verführen Sie in die Welt von 1000 und einer Nacht. Vorstellungen: Donnerstag und Freitag 17, 17.30 und 18 Uhr, Sonnabend 15, 15.30 und 16 Uhr. A.K. Marzahn – Die täglichen Wirtschaftsnachrichten verkünden es: Gerade im für seine Qualität weltweit gerühmten deutschen Maschinenbau geht es steil aufwärts. Die Auftragsbücher platzen zumeist aus allen Nähten. Ein wenig vom Glanz des Aufschwungs fällt nun auch auf Marzahn West. Denn die dort seit einigen Jahren beheimatete Werkzeugmaschinenfabrik NILES investiert drei Millionen Euro in eine neue Fertigungs- und Montagehalle, in der auch Sozial- und Schulungsräume Platz finden werden. Kurz vor Weihnachten stachen Wirtschaftsstaatssekretär Volkmar Strauch, Bürgermeisterin Dagmar Pohle, Werkleiter Frank Reichel und die beiden Geschäftsführer der Kapp-Gruppe (zu der NILES gehört), Martin Kapp und Helmut Nüssle, den symbolischen Spaten in die Marzahner Erde. Auch wenn mit dieser Investition direkt keine neuen Arbeitsplätze verbunden sind, „stellt sie doch die Basis dafür“ dar, wie Martin Kapp betonte. Die Zahnräder mit einem Durchmesser von bis zu fünf Metern, die die 135 NILES-Mitarbeiter herstellen, werden in alle Welt exportiert. Sie finden Platz in Schiffen, Zügen, Bergbaumaschinen und Walzwerken. -erren In einem DDR-Lexikon könnte er auftauchen als Minister, Spitzendiplomat, Parteiarbeiter. Oder eher überhaupt nicht. Zu wenig angepasst, zu oft in Fettnäpfe getreten. Heute würde man ihn mediengerecht kurz „Reformer“ nennen. Darüber hätte er sicher geschmunzelt. Er wohnte mit seiner Frau Ursula in seinen letzten Lebensjahren in der Riesaer Straße in einer der typischen Wohnungen der Hellersdorfer Großsiedlung. Wenn es Sommer wurde, zog es die Siebers stets hinaus zur Strausberger Familiendatsche. Günter Sieber verstarb am 28.November 2006 im Alter von 76 Jahren. Als ich die Nachricht las, klang mir das für ihn so typische spöttische Lachen in den Ohren, mit dem er seine Erzählungen über alte DDR-Zeiten und störrisch gewordene ehemalige Mitstreiter garnierte. Als er kurz vor der Wende als Abteilungsleiter für Internationale Verbindungen im Zentralkomitee der SED über Gespräche der Parteioberen mit Gorbatschow berichtete, war dieses Lachen eher heiser und bitter als spöttisch. Was ihn nicht an kurzen, bissigen und eindeutigen Kommentaren hinderte: Der Zug war abgefahren, und er hatte wohl eher als die meisten anderen seiner Genossen wichtige Ursachen und Wirkungen erkannt. Spätestens als Honecker ihn Anfang der siebziger Jahre abservierte, war ihm klar geworden, dass selbst die halbherzigen Ulbrichtschen Ansätze für eine modernere Wirtschaftspolitik keine Chance mehr hatten. Von Anfang der sechziger Jahre bis zu Honeckers Machtantritt hatte er diese „Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung“ genannten Reformen Kalt gestellter Reformer auf reale wirtschaftliche Entwicklungen kaum Illusionen über den Zustand des Sozialismus mehr gehegt haben. Er konnte in Polen zusätzlich frühzeitig erkennen, wo die herkömmliche sowjetische Großmachtpolitik an politische und ökonomische Grenzen stieß. Als dann Gorbatschow auftauchte, war Günter Sieber wieder in Berlin und machte mit seinem heiseren Spott jüngeren Mitstreitern für einen besseren Sozialismus deutlich: Die in Moskau begonnene Politik der kritischen Offenheit und Demokratisierung stand auch anderswo auf der Tagesordnung, wurde jedoch zunehmend von Honeckers alter Garde vor allem als Bedrohung eigener Existenz gesehen. Schwer zu sagen, ob Parteiarbeiter Sieber nach 1985 in Kenntnis der tatsächlichen Lage in Moskau, Warschau und Berlin resignierte oder frühzeitig den Lauf der Geschichte nach 1989 erahnte. Seine damaligen sarkastischen Kommentare lassen wohl beide Varianten zu. Nach dem erzwungenen Abdanken von Honecker und Krenz blieb er ein bekennender demokratischer Linker: Trotz langwieriger Erkrankung stellte er seine Erfahrung im „Rat der Alten“ der PDS zur Verfügung. Auch jetzt mussten einige Leute Günter Siebers spöttische Seitenhiebe ertragen, wenn er sie wegen rosaroter Brille bezüglich des Staatssozialismus aufs Korn nahm. Leute seines Schlages gibt es nicht viele. Sie bleiben sich treu. Und nehmen kein Blatt vor den Mund, wenn sich vermeintliche Mitstreiter ohne erkennbares Rückgrat schon wieder neuen Herren andienen wollen. U. Clauder Zum Tod von Günter Sieber unter anderem als Minister für Handel und Versorgung unterstützt. Mehr oder weniger offen prangerte er die darauf folgende zentralistische Wirtschaftsstrategie von Honecker und Mittag an, die kaum ökonomische Hebel wie flexible Preisgestaltung einsetzte und wenig Anreize für höhere Effizienz über eine betriebliche Gewinnorientierung bot. Dann Botschafter in Warschau. Eine Strafversetzung in das von immer tieferen Krisen in immer kürzeren Abständen geschüttelte Polen sollte es wohl sein. Günter Sieber dürfte dort mit seinem Fachblick 6 jot w.d. 1/2007 Rückblick So sah jot w.d. das Jahr 2006 „Nochmal richtig feiern“, hatte ich als Jahreslosung im Januar ausgegeben. Der kollektive Weltmeisterschaftstaumel mitsamt kurzatmig neu erwachter Patriotismusdebatten und -parolen hat sich mittlerweile wieder gelegt. Wir haben auch gefeiert. Und weil so ein zehnjähriges jot w.d.-Jubiläum nicht einfach mit einer kleinen Party abgetan sein darf, nutzten wir die Gelegenheit und schauten von Februar an jeden Monat auf einen ganzen Jahrgang unserer Zeitung zurück. Und im Mai trafen Herausgeber und Redaktion mit vielen Freunden, Lesern und Abonnenten im Mahlsdorfer Kunsthaus Flora zusammen, um den Geburtstag recht zünftig zu begehen. Ganz so zünftig, wie es bei der Planung erwartet wurde, ging es beim neuen „Demokratie-Projekt“ Bürgerhaushalt nicht zu. Zu wenige Marzahner, Hellersdorfer oder Biesdorfer interessierten sich für die Möglichkeiten der Teilhabe am Verteilen nicht vorhandenen Geldes. Dass diese Wenigen dann auch noch von Bezirksamt und BVV arg vor den Kopf gestoßen wurden (fast alle Vorschläge wurden abgeschmettert), ist ein Ärgernis, wie wir es in diesem Jahr nicht noch einmal erleben wollen. Erlebnisträchtig war zuweilen auch der Wahlkampf, den die Parteien führten. Senatoren kamen und gingen. Die harten Bandagen, die beim Reizthema Straßenausbaubeiträge Januar Februar Juni Zukunft und Vergangenheit Volle Pulle Leben gleich zum Jahresbeginn mit heißen Samba-Rhythmen in Hellersdorf. Auch ein neues Stückchen „Demokratie“ geht im Bezirk an den Start, denn neben unseren Nachbarn in Lichtenberg sollen nun auch Marzahner und Hellersdorfer (erst mal in drei Stadtteilen) über die Verwendung öffentlichen Geldes mitentscheiden dürfen. Auch der Stadtumbau geht weiter; mittlerweile wurden 35 000 Wohnungen in der Großsiedlung modernisiert. Dass Stadtumbau stellenweise auch in der Kleinsiedlung nötig wäre, das haben die Verantwortlichen in all den Jahren nicht gemerkt. Tolle Leistungen zeigten unterdessen unsere Musikschüler. Sie gewannen beim BundesWettbewerb „Jugend musiziert“. Zukunft und Vergangenheit Im Bezirksmuseum Alt Marzahn wird der erste Teil der Dauerausstellung zur Geschichte der Großsiedlung eröffnet. Noch einmal werden Leben und Technologien der DDRZeit lebendig. Auf ganz neue Technologien setzt die WoGeHe, die für ihr Kabelfernsehen junge „Cyberreporter“ in die Kieze auf Recherche schickt. Und auf ein umweltbewusstes Leben werden schon die Jüngsten vorbereitet. In der Kita „Rabennest“ lernen sie, Müll zu trennen und Wasser zu sparen. Zu Recht wurde die Einrichtung als „grüner Lernort“ ausgezeichnet. Ein nicht-offizielles Jubiläum Dass vor 20 Jahren der damalige Stadtbezirk Hellersdorf gegründet wurde, nahmen die WoGeHe und die Helle Mitte zum Anlass, ordentlich zu feiern. Dabei hatte der Großvermieter gar doppelten Anlass: Die Sanierung im Grabenviertel, ganz in der Nähe des Stadtzentrums war abgeschlossen. Und weil die „offiziellen Stellen“ es mit der Würdigung eher schmal angehen ließen, ließ die WoGeHe eine schöne kleine Broschüre erarbeiten, die die Schönheiten Hellersdorfs beschreibt. Auch im „gesunden Bereich“ wurde ein weiterer Schritt getan. Im künftigen Ärztezentrum in Biesdorf Süd sank die übliche Kupferröhre in den Grundstein. Juli August/September Auf- und Abschwung Internationales Flair und lokaler Zoff Während sich Marzahner Schüler tiefgründig mit der Geschichte des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg („Retter der Budapester Juden“) befassten, gingen Berliner Hobbytaucher im Habermannsee der Geschichte auf den Grund. Hatten erstere viele Fakten zusammen getragen, waren es bei letzteren Flaschen, Scherben und Müll. An ein Stück Geschichte erinnerte auch der Enkel von Nikolai Bersarin, der den Bezirk bersuchte. Und Geschichte schreiben will in Zukunft auch das „Kistenspektakel“, das in diesem Jahr in punkto kultureller Vielfalt einen nahezu „historis c h e n “ Sprung machte. Eine Doppelnummer von jot w.d. konnte gar nicht alle Themen fassen, die das Sommerloch füllten. Ein Jugendfestival brachte die Helle Mitte zum Kochen, das Orwo-Haus wurde von Bundespräsident Horst Köhler als „Ort der Ideen“ ausgezeichnet, das „Promenadenbuffett“ zeigte, wie man gesund kochen kann. In Hellersdorf bekam das „Branitzer Karree“ diesen Namen auch offiziell, in Marzahn Nord weist der „Wander(ver)führer“ auf interessante Ecken hin. An der Wuhle beginnen die Bagger, aus einem industriellen Graben wieder ein Stück „normaler“ Natur zu machen. Während nicht nur die Heimatforscher um Friedrich Wilhelm Bretschneider trauern, kämpfen die Mieter der Wohnungsgenossenschaft „Eigentum 2000“ gegen den Verlust ihrer Geldeinlagen nach der Pleite des Unternehmens. Eine berühmte französische Künstlergruppe wird das Wohnquartier Hellersdorfer Promenade von außen völlig neu gestalten. Das Projekt ist weitaus mehr als nur ein bunter Tupfer. Nach der Wahl heißt es für so manchen Mandatsträger, Abschied nehmen. Abschied nehmen mussten Fans auch von der Litfaßsäule, bei der Siggi Trzoß fast 15 Jahre lang „Menschen, Meinungen und Musik“ präsentierte. Nach Ausgabe 150 mit einem Aufgalopp der beliebtesten Altstars des Ostens auf der Parkbühne Biesdorf war Schluss. Begonnen hat hingegen ein unverständlicher Zoff im Quartiersrat Marzahn NordWest, der sich an zwei Artikeln unseres Autors Torsten Preußing entzündete. Suche nach Geschichte Oktober Und wen wir unter’m Tja, manchmal staunt sogar Kolle- Sonne, Sekt und Bürgermeisterwahl? Weihnachten? Ich Aber Ute, Rauchen ist gin Kirsten Kühnert, called: Mc K. Rosen, was sonst? Augen zu und durch! warne Euch! doch sooo ungesund! Hier sind die Puhdys: „Wenn wir spielen, öffnet sich für euch alle der Höllenschlund!“ auf 2006 jot w.d. 1/2007 7 in Marzahn-Hellersdorf angelegt wurden, nahmen zuweilen fast amerikanische Züge an. Am Ende lachte hier im Bezirk nur einer, während es viele lange Gesichter gab. Und in der BVV eine anhaltende Hängepartie um ein von der SPD zu nominierendes Bezirksamtsmitglied. In der Rückschau stellen sich besonders zwei Dinge als erfreulich dar: Unser Bezirk entwickelt sich immer mehr zu einem wichtigen Gesundheitsstandort, was durch neue Ärztehäuser, Pflegeeinrichtungen und (die ist besonders erfreulich) eine neue Geburtsklinik belegt wird. Auch im ökologischen Bereich geht es, in kleinen Schritten zwar, vorwärts. Auch wenn phasenweise die Liebe zum Timbersport (Wett-Kettensägen) umweltbewusste Vernunft bei den Verantwortlichen zu verdrängen scheint. Nicht verdrängt wurde und wird in jot w.d. die Diskussion um historische Verantwortung, etwa bei den Straßennamen. Auch Verkehrsfragen, etwa der Ortsumfahrung Ahrensfelde oder dem ÖPNV, werden wir uns in diesem Jahr erneut zuwenden. Und nicht zuletzt setzen wir unsere beliebte Serie über die „Musiklegenden des Ostens“ fort und weisen auf „ganz normale“ Menschen in unseren Kiezen hin, die in vielerlei Hinsicht des Merkens würdig sind. Denn wo Vieles zu zersplittern scheint, ist Kontinuität nicht von Nachteil. Glück auf 2007! Ihr jot w.d.-Team März April Mai Gesundheit und Kultur Gärten öffnen und schließen Kultur für Alle Die lange geplante bezirkliche Kulturnacht „Kultur a lá carte“, die zwei Tage lang viele tolle Veranstaltungen an 44 Orten bietet, wird nur ein Teilerfolg. Denn ungeachtet aller Warnungen hielt Kulturstadträtin Marlitt Köhnke am März-Termin fest, was dazu führte, dass bei „mäßigem Wetter“ sich der Zuspruch in Grenzen hielt. Gelernt hat man daraus leider nichts. Auch in diesem Jahr gibt’s die Kulturnacht im März. Viel Zuspruch findet seit ihrer Eröffnung die neue Geburtsklinik im Krankenhaus Hellersdorf. Ob die Jungen und Mädchen, die dort das Licht der Welt erblicken, später einmal statt Kulturschaffende lieber Sportler werden, weiß man noch nicht. Falls sie sich jedoch für’s Fahren auf BMX-Rädern entscheiden, finden sie in Marzahn dank der Hilfe der WBG eine ausgezeichnete Trainingshalle. Das Schmuckstück des Bezirks, die „Gärten der Welt“, haben einen neuen Anziehungspunkt: Den Seouler Garten. Ein Schandfleck des Bezirks hingegen verschwindet. Die Ruinen an der Quedlinburger Straße werden abgerissen. Abgeschlachtet wurden alle 32 Linden am „Galgen“, obwohl das Bezirksamt Gegenteiliges versprochen hatte. Im „Grünbereich“ kämpfen Schüler der Döblin-Schule um den Erhalt ihres Schulgartens. Leichter zum Garten kommen Neumieter der WoGeHe: Wer möchte, bekommt zum Mietvertrag einen Schrebergarten. Abschied hingegen nimmt Albrecht Voigt, der „Vater des Tierhofes“ Marzahn; er geht in Rente. Bis dahin haben die Azubis des neuen „lernenden Kaufhauses“ ABUrima in Hellersdorf noch einen ganz schön weiten Weg. November Dezember Manchmal haben ja selbst linke Senatoren gute Ideen. So eine war Thomas Flierls 3-Euro-Ticket für Unterschichtler. Dumm nur, dass kaum jemand etwas davon wusste. Bevor das Ganze sich also zum Flop mauserte, machte sich Flierl selbst auf den Weg und lud einige Hellersdorfer für drei Euro in den Friedrichstadtpalast ein. Auch Uwe Klett, damals noch Bürgermeister, hatte wohl einen kulturellen Mangel entdeckt. Und so meldete er sich flugs in der Mahlsdorfer Zweigstelle der Bezirksbibliothek an. Wieviele Bücher er seither ausgeliehen hat, ist nicht übermittelt. Dass auch Sport zur Kultur gehört, wissen wir nicht erst seit Prof. Dietrich Mühlberg. Eine Begegnung mit einem Dutzend Alt-Stars der DDR-Oberliga bescherte uns der Sportklub der Nachbargemeinde Schöneiche. Ducke und Co. bewiesen, dass sie es noch immer „drauf“ haben. Und falls einer der Herren um die 60 doch einmal schlapp zu machen droht, ist er in Marzahn-Hellesrdorf gut aufgehoben. Dies jedenfalls bewies die Gesundheitskonferenz, die den Bezirk als modernen leistungsfähigen Medizinstandort qualifizierte. Keinen Arzt brauchte, wer in der Galerie ArtKunstRaum eine „Brasilianische Hühnerboulette“ des Malers Vilson Souza genoss. Er hatte sie für die Besucher selbst zubereitet Das große Staunen Keine reine Besinnlichkeit Mit einigem Tam-Tam hatte sich nach der Wahl eine „Zählgemeinschaft“ aus SPD, FDP, CDU und Bündnisgrünen gebildet, um Schluss zu machen mit einem PDS-Bürgermeister im Bezirk. Die sache platzte wie eine Seifenblase, noch ehe man sich versah. Staunend besahen wir auch die Senats-Vorgaben für die Erschließung der Berlinerr Wohngebiete durch Busse und Bahnen. In Mahlsdorf Süd (und nicht nur dort) werden von der BVG die Vorgaben weit verfehlt. Nicht wirklich staunten wir hingegen über einen getürkten „Leserbrief“, der uns zum Zoff in NordWest erreichte. Gestaunt haben wird wohl auch manch aus fernen Landen angereister Faustkämpfer über die boxerischen Qualitäten der Jungen und Männer von Eintracht. Die nämlich hauten beim Pokal der Wohntheke fast Alles weg, was ihnen vor die Fäuste kam. Gegen Ende des Jahres wird noch mal Aufschwung probiert: In Helle Mitte öffnet das „Kulinarium“, beim Pflegewohnzentrum werden die ersten vier Azubis nach Abschluss ihrer Ausbildung übernommen, am Facharztzentrum Biesdorf Süd wird der Richtkranz hoch gezogen. Auch der historische Weihnachtsmarkt in Kaulsdorf hat in den zehn Jahren seines Bestehens ordentlich zugelegt. Und wie in jeder Ausgabe schreibt jot w.d. über viele Initiativen, Veranstaltungen und Möglichkeiten bei Kultur und Kunst, die es in die „großen“ Medien so gut wie nie schaffen. Monat für Monat kann man lesen: Hier in Marzahn-Hellersdorf ist „voll was los“. Strich sonst noch trafen Politik macht manchmal ganz schön ein- Auf der Parkbühne ist Bei uns muss niemand Nicht schon wieder’n JF: Lebe lustig, lebe froh, He, du Heini, Bei klugen Fragen lasse ich es nicht sam, nicht wahr, Frau Abgeordnete G.H.? immer voll breit was los. grimmig dreinschaun. hässliches Bild! wie der König Salomo. ich Gerti, du nix! bewenden, ich hab’ auch ein Auge. 8 jot w.d. 1/2007 Tipps und Termine Literaturstammtisch Hellersdorf – Am 8. Januar, 19 Uhr, gibt es wieder einen Literaturstammtisch im Kulturforum an der Carola-Neher-Straße 1. Edda Winkel liest aus ihrem Manuskript „Mancherlei Geschichten und eine kleine“ – aus dem Leben einer Sechsundsechzigjährigen. Edda Winkel, von Beruf Lehrerin, erzählt Geschichten aus dem Alltag, in denen sie Gestern und Heute humorvoll und ernst miteinander verknüpft. Der Stammtisch versteht sich als Treffpunkt literarisch Interessierter und bietet Raum zum Vortragen eigener Texte. Sportlegenden Hellersdorf – Beim Talk „3 nach drei“ begrüßt Moderator Siggi Trzoß am 17. Januar Sportreporter Heinz-Florian Oertel und Boxlegende Wolfgang Behrendt, der 1956 als erster Sportler Olympiagold in die DDR holte. Die Veranstaltung im Kulturforum, Carola-Neher-Straße 1, beginnt 15 Uhr. Eintritt 6 Euro (Kaffeegedeck auf Wunsch 2,60 Euro). id, Foto: Nachtmann Gesichter Osteuropas Biesdorf – Am 26. Januar lädt die IG Kirche zu Konzert und Ausstellungseröffnung in die Krankenhauskirche am Brebacher Weg (ehemals Griesinger Krankenhaus). 19 Uhr gibt es ein Klezmer-Konzert mit der Gruppe „Schnaftl Ufftschik“, 20 Uhr wird die Fotoausstellung „Gesichter Osteuropas“ eröffnet. Eintritt frei. Krabbes Sahnehäubchen Friedrichshagen – Am 23. Januar ist die Schauspielerin und Kabarettistin Ingeborg Krabbe im „Bräustübl“ am Müggelseedamm 164 zu Gast in der Talkreihe „Sahnehäubchen“. Gastgeber: Siggi Trzoß, Beginn: 15 Uhr, Eintritt 7 Euro, Karten unter Telefon 645 57 16. Sonntagsmatinee im FFM Marzahn – Am 21. Januar, 11 Uhr, begrüßt Siggi Trzoß im Großen Saal des Freizeitforums an der Marzahner Promenade wieder viele Künstler zur Sonntagsmatinee. Dabei sind u.a. die Sängerin Ines Adler, die Schauspielerin Franziska Troegner, der Sänger Matthias Sander und die Gewinnerin des Grand Prix „Goldener Herbst“ 2006, Brigitte Hillmann. Kartentelefon: 542 70 91 oder eine Stunde vor der Veranstaltung an der Theaterkasse im Foyer. id Sta(d)t-Licht Hellersdorf – Unter dem Motto „Sta(d)t-Licht“ zeigt die Galerie ArtKunstRaum an der Quedlinburger Straße 10 vom 18. Januar bis zum 17. Februar Malerei und Skulpturen von Susanne Schüftel (Jahrgang 1967) und Henry Stöcker (Jahrgang 1954). Zur Ausstellungseröffnung am 18. Januar, 19 Uhr, sind alle Interessenten herzlich eingeladen. Die Galerie, in der man auch besonderes Olivenöl erwerben kann, befindet sich schräg gegenüber vom Eingang zur Hellersdorfer Promenade (ca. 5 Minuten Fußweg vom U-Bahnhof Hellersdorf, Ausgang Riesaer Straße, entfernt). id Kultur & Freizeit Mutter und Sohn im Duett Monika und David Herz bei „3 nach drei“ Hellersdorf – Bei „3 nach drei“ werden Zwei von Einem ins „Kreuzverhör“ genommen. Nach zwei Bühnenpaaren (Steffi & Bert sowie Andrea & Wilfried Peetz) hatte sich Gastgeber Siggi Trzoß am 20. Dezember als Gesprächspartner Monika Herz und Sohn David eingeladen. Mutter und Sohn – und doch seit vier Jahren auch ein Paar auf der Bühne. „Als David 17 wurde, bemerkte ich zum ersten Mal, dass er eine Stimme hat, die für mehr als nur für die Badewanne taugt“, erzählt Monika. Damals hing das Herz des Abiturienten aber vor allem am Basketball. Als David nach einer Verletzung seine ehrgeizigen Pläne aufgeben musste, entdeckte er sein Interesse an der Musik, lernte Gitarre spielen, studierte Songs von Schlager über Rock bis zu Country ein. Obwohl seine Liebe der Musik gehört, die ihn im elterlichen Haus von Kindestagen an begleitete, entschied er sich nach Abi und Zivildienst für ein Studium an Monika Herz und Sohn David bei „3 nach drei“ im Kulturforum. der FHTW, Kommunikations- den, war David gerade mal Acht. design mit Schwerpunkt Foto- „Das war eher ein Zufall, weil grafie. Die gemeinsamen Auf- nicht geplant“, erinnert sich tritte mit Mutter Monika möch- Monika. „Bei einer Fernsehsente er dennoch nicht missen. Und dung um die Weihnachtszeit der Erfolg ihrer Auftritte und 1990 in Rostock entschied man kurzfristig, dass David einen Touren gibt ihm Recht. Als beide zum ersten Mal ge- Gesangspart übernimmt.“ Per meinsam auf der Bühne stan- Video kann das Publikum im Kulturforum die Szene noch einmal miterleben. Monika Herz (bürgerlicher Name Schmidt) kommt aus Letschin bei Seelow. Schon mit zwei Jahren hatte sie Spaß am Singen („zweistimmig mit meiner Mutter“), später im Volkskunstensemble des EKO in Eisenhüttenstadt. Nach einer Lehre als Gebrauchswerberin legte sie 1972 den Berufsausweis als Sängerin ab und gehörFreund und Gitarrist Boris Hirschmüller nebst Tochter Tanja über- te fortan zur ersten Riege der raschten Monika und David mit einem Ständchen. Fotos: Dittmann Schlagersänger in der DDR. Lars Franke beim „Literarischen Frühstück“ Hellersdorf – Was hat es auf sich mit der Napoleon-Eiche von Altfriedland? Was ist so besonderes an der Fährkrug-Linde von Schiffmühle? Wer frühstückte unter der Königs-Platane von Neuhardenberg? Wer pflanzte die Schwarznuss von Chorin? Wer war noch gleich der Herr Ribbeck von Ribbeck im Havelland? Ant- worten bietet das „Literarische Frühstück“ am 24. Januar, 10 Uhr in der „Mark Twain“-Bibliothek im Freizeitforum Marzahn. Lars Franke liest aus seinem Buch „Von Königseichen und Kirchenlinden“ – Vierundzwanzig Brandenburger Baumgeschichten. Eintritt frei, Anmeldung unter Tel. 54 704 144 rn 100 Mal Kofferradio Jubiläumssendung mit Dagmar Frederic Berlin – Am 18. Januar gehen zwischen 16 und 17 Uhr im „Kofferradio“ des OKB bereits zum 100. Mal Hits und Raritäten des Ostens über den Sender. Moderator Siggi Trzoß hat diesmal Dagmar Frederic zu Gast live im Studio. Zwischen den Wortbeiträgen sind Songs zu hören wie „Du hast gelacht“, „Tanz in der Sommernacht“ (beide mit Siegfried Uhlenbrock) oder „Was halten Sie vom Tango?“ Zu empfangen auf UKW 97,2 sowie Kabel 92,6 oder im Internet bei okb. Die 101. Folge läuft am 1. Februar. Musikwünsche oder Ihre Meinung zu den Sendungen können Sie per Fax an die Nummer Doppelter Siggi: Trzoß und Uhlenbrock. Foto: Nachtmann 030-9915023 senden. Weitere Infos im Internet unter: www.siggitrzoss.de. id Bekannt wurde sie besonders mit Liedern wie „Charlie, adé“ oder „Kleiner Vogel“. Nach einer selbst auferlegten Pause (nachdem ihr Sohn zur Schule kam) ist die Sängerin nun wieder öfter auf der Bühne zu erleben. Neben der Liebe zur Musik verbinden Mutter und Sohn mindestens zwei weitere Leidenschaften: Kochen und Angeln. Für letztere wird einmal im Jahr ein Urlaub in Norwegen eingeplant. Dann ist auch Monikas Mann und Davids Vater Dieter Frikell mit Leib und Seele dabei. Die Familie lebt mit Kater Findus und Neufundländerin Josi in Schöneiche bei Berlin. Dass Monika dort einem Tier begegnet, das sie besonders fesselt („Ich lese alles darüber, was ich in die Hände bekomme.“), scheint indes unwahrscheinlich. Es sind Wölfe, die sie faszinieren. I. Dittmann PS: Monika Herz war in der Juniausgabe 2006 von jot w.d. die „Musiklegende des Ostens“. Der erste gemeinsame Bühnenauftritt von Monika und David 1990 in Rostock wurde vom Fernsehen aufgezeichnet. jot w.d.-Buchtipp Elia Barceló: Das Rätsel der Masken Ein junger französischer Literaturkritiker beschließt, die Biographie eines berühmten argentinischen Schriftstellers zu schreiben, der in Paris gelebt hatte und 1991 seinem Leben gewaltsam ein Ende setzte. Um möglichst viel über ihn zu erfahren, beginnt er Nachforschungen, die bald schon zu einem Verwirrspiel werden, weil sich dabei ein völlig anderes Bild als bisher bekannt über den prominenten Mann ergibt. Die Autorin bietet eine Art „Literarisches Kammerspiel“, in dem nur wenige Personen agieren. Über wichtige Dinge informiert sie in Rückblenden den Leser, der gespannt sein darf, wie die Betroffenen, denen diese Ereignisse noch nicht bekannt sind, darauf reagieren werden. Diese ständige innere Spannung macht den Reiz des Werkes aus, denn angesichts der Enthüllungen über den Protagonisten, der sich als rechtes Scheusal erweist, bleibt man sonst oft fassungslos. Man kann noch nachvollziehen, warum er seine Homosexualität erst sehr spät öffentlich eingestand. In den 50/60er Jahren war es für einen Prominenten nicht so leicht, sich zu „outen“ wie heute. Unbegreiflich bleibt aber die bedingungslose Liebe seiner ersten Ehefrau Amelia, mit der er ein diabolisches Spiel trieb und von der er sich scheiden ließ, um eine Jüngere zu heiraten. Hier wendet die Autorin im „Rätsel der Masken“ die psychologischen Prinzipien für das literarische Schaffen an, die Stefan Zweig proklamierte: „Nur am Schauer vor neuer Gewalt wächst unser Gefühl. Immer ist darum das Außerordentliche das Maß aller Größe.“ Am Schluss kommt noch eine psychologische Maxime Stefan Zweigs zum Tragen: „Nur das Seltene erweitert unseren Sinn.“ Elia Barceló zeigt anrührend und glaubhaft, wie sich der Biograph, der von Amelia eigentlich nur Informationen über ihren berühmten ExMann wollte, unsterblich in sie verliebt, von ihr zu einem Essen im teuersten Restaurant von Paris, im EiffelTurm, mit anschließendem Hotelbesuch eingeladen wird und sie für die ihr angetane Schmach entschädigt. Noch ein Tipp: Wer wissen will, welche Restaurants bzw. Bistros bei den Künstlern und Literaten in Paris der 50er/60er Jahre angesagt waren, wo sie sich trafen und debattierten, in diesem Buch sind sie zu finden. Lilo Herz, Kaulsdorfer Buchhandlung Kultur & Freizeit Legendärer Rock jot w.d. 1/2007 Kistenkonzerte für Erwachsene Dieser „Monster“ singt noch immer unnachahmlich Hellersdorf – Auch zu Jahresbeginn wartet die Kiste mit musikalischen Leckerbissen auf, die für die „Großen“ tolle Happen sein werden. Den Auftakt macht am 13. Januar, 20.30 Uhr, „The Travellin’ Band“, die sich als Revival (Wiederbelebung) der legendären Gruppe CCR versteht und deren Hits exzellent nachspielt. Nur eine Woche später, am 20. Januar, hauen „Bellbraker“ 20.30 Uhr in die Saiten und zelebrieren die australischen HardRocker AC/DC. Und nach dem „knalligen“ Jahresauftakt folgt am 27. Januar etwas für Geist und Seele: Haase solo. Christian Haase reüssierte auch als Widergänger von Rio Reiser; seine eigenen Songs sind kein Deut schlechter. Am 3. Februar sorgt „Return“ für Hits und Oldies. Eintritt je nach Band 5 bis 12 Euro, Ermäßigungen auch im Vorverkauf. rn Mit alten Hits von Renft und neuen Liedern begeisterte die Gruppe „Via 3“, in der sich Renft-Sänger Thomas Schoppe, Renft-Gitarrist Heinz Prüfer und Andrea Timm zusammen geschlossen haben, am Tag vor Heiligabend in der Kiste. Wie gut die alten Renft-Songs sind, merkt man auch daran, dass sie selbst ohne Bass und Schlagzeug nichts von ihrer Faszination verlieren. Ein Gutteil macht dabei – natürlich – der unnachahmliche Gesang von Thomas Schoppe aus. Doch auch die mal an CountryMusik, mal an die Tradition der Singer-Songwriter erinnernden Lieder von Andrea Timm fanden ein aufmerksames und freudiges Publikum. Zum Gelingen des Abends trugen auch Heinz Prüfers zuweilen arg sarkastische Einlagen bei. Immer auch nach dem Goethe’schen Motto: Wer sich nicht selbst zum besten haben kann, der ist nicht von den Besten. Foto: Nachtmann Pinoccios Reise nach Rosenheim Kurt Schwaens Oper für Kinder erstmals im Westen gespielt Mahlsdorf/Rosenheim – Welch ein Erfolg für unseren großen Komponisten Kurt Schwaen: Seine Oper für Kinder „Pinoccios Abenteuer“ wurde 36 Jahre nach ihrer Uraufführung in Zwickau erstmals im deutschen Westen gezeigt. Für das „Opernfestival Gut Immling – Chiemgau“ hat Regisseurin Verena von Kerssenbrock zwar das sonst zehnköpfige Orchester auf den Pianisten Frank Obermair „verschlankt“, dafür aber auch 12 Kinder auf der Bühne als Mäuse und Marionetten mitsingen und -spielen lassen. Das Publikum war begeistert, von „pfiffig und abwechslungsreich“ bis „kurzweilig und spaßig“ reichten die Meinungen. Viel Lob gab es auch für die fünf Darsteller, besonders Sopranistin Tanja Maria Froidl bewältigt mit LausbubenMimik die Partie voller Spielfreude und mitreißendem Temperament – trotz stetig wachsender Nase. Felicitas Fuchs als Fee und Peter Kellner als Geppetto überzeugten genauso in phantasievollen Masken von Irina Roloff unter der interessanten Lichtgestaltung durch Arndt Sellentin. Auch Schwaens Ehefrau Dr. Ina Iske, extra aus Mahlsdorf ange- reist, gefiel die Inszenierung in Immling außerordentlich. Dass Schwaens Werk es nach so langer Zeit nun tatsächlich noch auf eine westdeutsche Bühne geschafft hat, ist (wie so oft) einigen Zufällen zu verdanken. Festivalintendant Ludwig Baumann suchte nach neuen Stücken für Kinder, Cornelia von Kerssenbrock, die musikalische Leiterin, lernte Thomas Böttcher (stellvertretender Konzertmeister des Berliner Konzerthausorchesters) kennen, dessen Vater hatte früher die Partie des Feuerfressers aus dem Pinoccio gesungen. So „schnell“ kann’s also gehen. Bleibt zu hoffen, dass es der „Pinoccio“ künftig wieder öfter auf die Bühnen schaffen wird. Gleiches gilt für die beiden neuen Liedzyklen, die Kurt Schwaen nach Texten von Peter Hacks (einst meistgespielter Gegenwartsdramatiker) komponierte und die am 26. November vergangenen Jahres bei einer der „Hellersdorfer Serenaden“ in der Interpretation der aus Norwegen stammenden Sängerin Heidi Abrahamsen uraufgeführt wurden. R. Nachtmann (nach Informationen der „Mitteilungen des KurtSchwaen-Archivs“) Wenn der Paul mit der Paula ... Sonntagsgeschichten, Hellersdorf – Im Dezember stellten Autor Siegfried Trzoß und der apercu Verlag in der Hellen Passage am FritzLang-Platz 50 kurzweilige „Sonntagsgeschichten“ vor. Diese sind in dem gerade erschienenen Büchlein „Wenn der Paul mit der Paula...“ nachzulesen. 1992 begann der Autor seine ersten kleinen Geschichten und Gedichte aufzuschreiben. Die eine oder andere konnten Besucher der „Litfaßsäule“ oder der Sonntagsmatineen dann live vorgetragen hören. Paul und Paula, ein Ehepaar im besten Alter, machen sich auf ihre Weise Gedanken um vieles, was in ihrer kleinen Welt und der großen drum herum so geschieht. Die Namensgleichheit mit dem berühmten Filmpaar der 70er Jahre scheint kein Zufall. Wäre das von Angelika Domröse und Wilfried Glatzeder verkörperte junge Paar heute doch auch schon „Fünfzig plus“. Und würde sich so seine Gedanken über Politiker und die jeden Tag passieren Promis, Verwandte, Nachbarn oder auch das machen, was man Gesundheitsreform nennt. Oder in die Verlegenheit kommen, ihren Enkeln und Neffen erklären zu müssen, was „ein scharfes Luder“ ist oder warum die Helle Mitte in Hellersdorf „Helle Mitte“ heißt. Das will Paulas Neffe Peter wissen, das heißt: dessen Lehrerin. Da ist Paul ratlos. In seinen Träumen fragt er die Feldbusch, die Christiansen, sogar Pfarrer Fliege und den Kleinen Muck. Eine Antwort bekommt er nicht. Haben Sie, liebe Leser, eine Erklärung? Oder eine Idee, warum Helle Mitte Helle Mitte heißt? Damit könnten Sie Paul aus seinem „Trauma“ erlösen, Siggi Trzoß vielleicht zu einer neuen Geschichte verhelfen und sich selbst zu einem von uns gestifteten Exemplar des Paul-und-Paula-Büchleins. I.D. Stilecht im goldenen Sessel las Siggi kurz vor Weihnachten aus seinem Buch. Foto: Nachtmann Schreiben, faxen oder mailen Sie ihren in ein paar Sätze gekleideten Vorschlag bis zum 24. Januar an: jot w.d., Müllerstr. 45, 12623 Berlin. 9 Tipps und Termine „Sehr geehrte Staatsgewalt“ Lichtenberg/Marzahn – Am 9. Januar, 19 Uhr, berichtet Cornelia Schwenkenbecher, Gerichtsreporterin, über „Menschen vor Gericht“. Sie erzählt von den Menschen hinter den Fällen. Es sind traurige, manchmal skurrile, zuweilen auch haarsträubende Geschichten über komplizierte Lebenswege, soziale Orientierungslosigkeit und Überforderung. Ort: Studio Bildende Kunst Lichtenberg, John-Sieg-Str. 13, Eintritt 3/erm.2 Euro. Am 10. Januar, 15 Uhr, heißt es im Kursana Seniorenzentrum Landsberger Tor (Blumberger Damm 158) wieder „Singen macht Laune“ mit den schönsten Volksliedern. Moderation: Carola Röger, Klavierbegleitung: Ulrich Wilke, Texte liegen vor, Eintritt 2,50 Euro. Wunderliches über und von Karl Valentin können Besucher am 23. Januar, 15 Uhr, aus dem Munde der Schauspielerin Uta Ernst hören. Dargeboten werden heitere und unverwechselbare Szenen des beliebten Münchners, die gemeinsam mit dessen langjähriger Partnerin Liesl Karlstadt entstanden sind („In der Apotheke“, „Im Hutladen“, „Buchbinder Wanniger“). Ort: Studio Bildende Kunst Lichtenberg, John-Sieg-Str. 13, Kartenreservierung: Tel. 5 53 22 76, Eintritt: 3/ erm. 2 Euro. Carola Röger, Kulturring Dieter Mann beim Talk Marzahn – In ihrer Talkreihe „Wenn die Neugier nicht wär’“ begrüßt die Sängerin Barbara Kellerbauer am 13. Januar in der Studiobühne des FFM, Marzahner Promenade 55, den Schauspieler Dieter Mann. Beginn 20 Uhr, Kartenreservierung unter Telefon 542 70 91. 10 jot w.d. 1/2007 Die Sehnsucht des Kapitäns nach der See Joseph-Conrad-Lesung an der ASFH Hellersdorf – Noch vor Jahresschluss war in der Alice-SalomonHochschule eine literarische Bühnencollage besonderer Art zu erleben. Die Hochschule und die PeterWeiss-Bibliothek Hellersdorf hatten die Literaten und Weltreisenden Fred Kurer und Heiko Strech eingeladen, um mit Leben und Werk des Kapitäns und Dichters Joseph Conrad bekannt zu machen. Dieser wurde 1857 in Polen geboren und ist 1924 in England verstorben. Dazwischen liegen Jahre des fleißigen Lernens und Arbeitens, er brachte es immerhin vom Schiffsjungen bis zum anerkannten Kapitän der englischen Handelsmarine; er befuhr die Weltmeere und hielt sich in verschiedenen Erdteilen auf. Die Erlebnisse und Abenteuer in der Seefahrerei schrieb er auf, und so wurde er im fortgschrittenen Alter Schriftsteller. Auch als solcher wurde Conrad anerkannt und schließlich berühmt. Sein abenteuerliches Leben diente als Vorlage für Filme. Von all dem berichteten Kurer und Strech, dazu zogen sie auch Auszüge aus den zahlreichen Werken Conrads heran. Der treffliche Dialog zwischen beiden Akteuren ließ vor den interessierten Zuhörern das Bild eines ruhelosen Menschen entstehen, der seinen Träumen nachging, dabei immer strebte und viele Abenteuer bestehen musste. Sein Leitspruch war: „Dem Traum folgen und abermals dem Traum – und so – bis zum Ende.“ Aber Conrad war Realist genug, um die Auswirkungen von Rassismus und Kolonialismus in der imperialistischen Gesellschaft zu sehen und in seinen Romanen zu geißeln. Damit wurde er zum romantischsten Realisten und zum realistischsten Romantiker. Heute gilt Conrad als Klassiker der englischen Moderne. Aber nicht nur von der Sprache des Kapitäns und Dichters waren die Besucher der literarischen Veranstaltung angetan. Anerkennung galt auch den beiden Vermittlern Kurer und Strech. Alle waren vom abschließenden fiktiven Interview mit dem Kapitän (er in Uniform) beeindruckt. Noch einmal wurde deutlich, dass Conrads Schreibtrieb so groß war wie des Kapitäns Sehnsucht nach der See. Für diese Erkenntnis und das entsprechende Erlebnis ist den Herren Kurer und Strech sowie der Leitung der Alice-Salomon-Hochschule zu danken. Siegfried Birkner Einblick in die Arbeit eines Bundestagsmitglieds Petra Pau war im Erzählcafé zu Gast Hellersdorf – Die Besucher des Erzählcafés im Klub 74 konnten Petra Pau, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, als Gast begrüßen. Das Aufführen weiterer Funktionstitel würde den Umfang des Kurzberichts von einer Veranstaltung der Peter-Weiss-Bibliothek und des Klubs 74 sprengen. Nur soviel. Die Frage nach einer Mitgliedschaft in lohnenden Aufsichtsräten beantwortete sie ehrlich mit dem Verweis auf ihre zeitweilige Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat der Hellersdorfer Wohnungsbaugenossenschaft „Grüne Mitte“. Damals wie heute verfügt sie nicht über Nebeneinnahmen und Vergütungen, obwohl sie zahlreichen Kuratorien, Vereinen und Gremien angehört. Nicht zu vergessen: Petra Pau ist Mitbegründerin des Verereins zur Förderung der alternativen Bibliothek Hellersdorf e.V. und gehört noch heute dem Verein an wie sie auch immer noch Bürgerin von MarzahnHellersdorf ist. Wie eine gute Bekannte wurde sie im Erzählcafé begrüßt, schließlich ist Petra Pau wegen ihres aufrechten Eintretens für die Belange ihrer Wählerinnen und Wähler bekannt und anerkannt. Sie schilderte ihren politischen Werdegang vom Mitglied der Hellersdorfer Bezirksverordneten-Versammlung über ihre Tätigkeit im Berliner Abgeordnetenhaus bis zum Wirken im Bundestag sowie in ihrer Partei. Dabei verschwieg sie nicht die Schmähungen, die sie mit Gesine Lötsch als fraktionsloses Bundestagsmitglied ertragen musste. Freimütig antwortete sie den Besuchern auf Fragen zum Zusammenwirken mit Abgeordnten anderer Oppositionsfraktionen, wenn es um einen Konsens geht. Sie bekannte, durchaus Rat bei einem erfahrenen Abgeordneten der FDP zu suchen, wenn sie Fragen auf ihrem Spezialgebiet Bürgerrechte und Demokratie hat. Schließlich schilderte sie den Ablauf des Tages einer Abgeordneten. Als sie die Vielfalt verantwortlicher Tätigkeiten im Wahlkreis und in der ganzen Republik beschrieb, wuchs die Hochachtung vor der Hellersdorfer Abgeordneten im höchsten deutschen Parlament. Petra Pau wurde mit dem Wunsch verabschiedet: „Bleibe, was und wie du bist! Eine von uns sollst du auch weiterhin sein!“ Siegfried Birkner Links & rechts Alles Gute für 2007 – auch für den Bürgerhaushalt? Hellersdorfer Aktivisten wollen weitermachen 2007 hat begonnen, viele sind traditionsgemäß mit guten Vorsätzen ins neue Jahr gegangen, und mancher hat sie längst wieder vergessen. Wie das im noch unvollständigen neuen Bezirksamt ist, weiß ich natürlich nicht. Aber die Weiterführung des Bürgerhaushaltes, der nun zum Verantwortungsbereich von Bezirksstadtrat Bernd Mahlke zählt, sollte wohl zu den guten Vorsätzen gehören, an deren Erfüllung auch gearbeitet wird. Als einer der Bürger, die von Anfang an an diesem Projekt mitgearbeitet haben, habe ich da schon einige Erwartungen. Die wichtigste: Wir müssen schnell erfahren, wie es denn nun weitergehen soll. Wir hatten ein Pilotprojekt mit drei Stadtteilen – soll es da noch eine weitere Runde geben oder sollte man nicht – wie unsere Lichtenberger Nachbarn – den Bürgerhaushalt für den ganzen Bezirk machen? Wollen wir versuchen, im Schnellverfahren noch etwas für das bereits laufende Jahr zu erreichen oder gehen wir gleich 2008 an? Vielleicht kann man auch beides verbinden? Es gibt auch aus 2006 noch manches zu tun, obwohl es ja einen offiziellen Abschlussbericht gibt. Wenn wir wirklich einen Bürgerhaushalt wollen, dann kann es nicht damit getan sein, dass Vorlagen zwischen Bezirksamt und BVV hin und her gehen, in denen mitunter einfach festgestellt wird, dass es „so nicht geht“, wie die Bürger sich das vorgestellt haben. An erster Stelle sollte doch das Nachdenken darüber stehen, ob man den Gedanken der aktiv Beteiligten nicht etwas abgewinnen kann, das sich im weiteren umsetzen lässt, auch wenn der Vorschlag selbst nicht realisierbar ist. Dazu wäre es am besten, miteinander zu reden und nicht nur Vorlagen zu schreiben (auch wenn es die natürlich geben muss). Womöglich engagieren sich Bürger in künftiger Zeit auch für das mehr und mehr verfallende Dorfmuseum in Marzahn. Foto: Dittmann Und diese Kommunikation muss wohl von Anfang an noch besser werden. Bei den Grünflächen beispielsweise ergab sich nach manchen längeren Diskussionen schließlich, dass der Bezirk gar nicht Eigentümer der betreffenden Fläche ist und deshalb auch nicht zuständig. Das ist nicht gerade ermunternd, als Bürger weiß man das normalerweise nicht, solche Informationen sollten schon am Anfang bereitgestellt werden. Mehr Information und Kommunikation Aber vor allem müssen wir ganz schnell weiterarbeiten. Man sollte sich vielleicht an die Wahlbeteiligung vom 17. September 2006 erinnern – in manchem Stimmbezirk lag sie bei 25 Prozent oder wenig darüber! Würden in der BVV die nicht abgegebenen Stimmen durch leere Stühle repräsentiert, so blieben immerhin 28 der 55 Plätze leer – das ist schon bedenklich für eine lebendige Demokratie. Und da ist es doch eine wichtige Aufgabe, mit den Bürgern, die sich bereits zur aktiven Mitarbeit bereitgefunden haben, sorgfältig und kontinuierlich zu arbeiten und sie nicht durch Abwarten zu „vergraulen“. Sie sind ein „Schatz“ für die Abgeordneten und das Bezirksamt, und Schätze muss man bekanntlich hüten und pflegen – was mitunter auch Beschwerlichkeiten mit sich bringt. Wir in der Arbeitsgruppe Hellersdorf Süd wollen jedenfalls weitermachen und haben geplant, Herrn Mahlke im Februar zu einem Gespräch einzuladen, damit wir gemeinsam beraten können, wie es weitergehen soll. Wenn man uns da zuvorkommt, sind wir bestimmt nicht böse! Bernd Preußer PS: In einem Treffen mit Journalisten hat der neue Finanzstadtrat Bernd Mahlke versichert, dass dieses Projekt nicht nur fortgeführt, sondern schrittweise erweitert wird. Sein Ziel sei es, diese Art von Mitwirkung im gesamten Bezirk zu etablieren, auch wenn dies einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Red. Stets zur Rettung bereit Berufsfeuerwehr zog in Neubau um Hellersdorf – Weithin sichtbar von der Cecilienstraße ist der Neubau, in den im Dezember die Feuerwache Hellersdorf einzog. Das Gebäude am Kummerower Ring 80, das innerhalb von zwei Jahren für mehr als 2,5 Millionen Euro gebaut wurde, hat eine Nutzfläche von 1300 Quadratmetern, in der Fahrzeughalle finden fünf Wagen Platz. Das bisher gemeinsam mit der Freiwilligen Feuerwehr genutzte Gebäude in der Hellersdorfer Straße steht nun der FFW allein zur Verfügung. Damit verbessern sich die Arbeitsbedingungen für beide Wehren wesentlich. Die Feuerwache Hellersdorf unter Leitung von Brandamtsrat Dirk Aldus hat eine Besatzung von 60 Mann und verfügt über zwei Löschfahrzeuge, davon eines mit Drehleiter, sowie drei Rettungswagen. Im Jahr 2005 rückten die Männer insgesamt 10 173 Mal aus. rn Von ihrem neuen Standort aus brechen die Männer der Feuerwehr Jahr für Jahr mehrere Tauend mal zu Rettungseinsätzen auf. Foto: Nachtmann der Wuhle jot w.d. 1/2007 Eislaufen in „Helle Mitte“ Nach 5 Jahren Pause gibt es wieder eine Eislaufbahn in Hellersdorf Licht in der Dunkelheit Europaviertel wird illuminiert Hellersdorf – Seit dem 18. Dezember werden jeden Abend von Einbruch der Dunkelheit an bis gegen 22 Uhr großformatige Lichtbilder an die Fassade des künftigen „Europaviertels“ an der Stendaler/Ecke Quedlinburger Straße geworfen. Dabei bekommt man eine Vorstellung von den im kommenden Frühjahr geplanten Fassadenmalereien. Diese Pläne kann man sich seit kur- Wer hätte das gedacht? Die Eisbahn kommt zurück. Hellersdorf – Tatsächlich: Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Vom 19. Januar bis 4. März kann Jung und Alt täglich von 10 bis 22 Uhr auf einer Eisbahn in der Hellen Mitte seine Runden auf Schlittschuhen drehen. Am ca. 700 Quadratmeter großen Eisareal auf dem Alice-Salomon-Platz können sich die Besucher bei Glühwein, Crepes und Bratwurst aufwärmen und stärken. Für 2,50 Euro gibt’s jeweils um 10, 12, 14, 16, 18 und 20 Uhr für 90 Minuten Eislaufspaß. Wer keine eigenen Schlittschuhe hat, kann sie für ebenfalls 2,50 Euro leihen. Für die Kids aus Hellersdorf, Marzahn und dem Umland haben sich die Veranstalter eine ganz beson- zem auch in der Infobox Quedlinburger/Ecke Stendaler Straße anschauen. Äußerlich ist der Container durch seine farbenprächtige Bemalung zu erkennen. Während der Eröffnung der Infobox informierten Projektmanager Andreas Wunderlich und Halim Bensaid, der Chef der weltweit tätigen französischen Künstlergruppe „Cité de la Création“, über die weitere Ge- staltung des Europaviertels in den kommenden zwei Jahren. Junge Leute, die noch einen Job suchen und sich an der Ausführung der Fassadenmalerei (ab kommendem Frühjahr) beteiligen wollen, können sich melden. Am besten im QuartiersmanagementStadtteilbüro an der Hellersdorfer Promenade, Telefon: 99 28 287 oder 99 28 89 40. id Foto: Archiv dere Überraschung einfallen lassen: Täglich an den Wochentagen von 10 bis 11.30 Uhr steht die Eisbahn Gruppen aus Schulen, Kindergärten oder anderen Kindereinrichtungen kostenlos zur Verfügung. Höchstens die Leihgebühr für Schlittschuhe ist zu bezahlen. Kinder-Gruppen sollten unbedingt unter der Hotline 0163-5654121 reservieren. Eröffnung ist am 19. Januar, 16 Uhr, weitere Veranstaltungen rund um die Eisbahn wie Glühweinpartys, Shows mit prominenten Überraschungsgästen aus dem Sportbereich, Eishockeyturniere und Schlittschuhlaufkurse unter Anleitung professioneller Eislauftrainer sind geplant. A.K. Koalition billigt Wohnungsverkäufe Hellersdorf – Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land hat im Dezember 877 Wohnungen im Quartier Alte Hellersdorfer Straße an einen Niederländischen Finanzinvestor verkauft. Die Koalition, die Verkäufe nicht mehr zulassen wollte, hat gegenüber dem Senat jedoch nicht auf „Erlass einer Gesellschafterweisung“ gedrungen, um diese Veräußerung zu unterbinden. Denn es handelte sich um ein „Altgeschäft“, das der Bestandssicherung dient und bereits vor längerer Zeit angebahnt wurde. „Es handelt sich bei den genannten Beständen um teilsanierte Wohnungen in Plattenbauweise. Dieses Quartier ist sanierungsbedürftig und bislang schwer vermietbar. Mittel zur Sanierung der Bestände kann die Stadt und Land auf absehbare Zeit nicht aufbringen“, bestätigte PDSLandeschef Klaus Lederer die Zustimmung. Die bei der Gesellschaft noch vorhandenen Mittel sollen zur Sanierung im Quartier Schleipfuhl verwendet werden. Damit sind dann alle Bestände der kommunalen Gesellschaft in Hellersdorf saniert. Der Käufer sei bereit und in der Lage, die dringend erforderliche Vollsanierung der derzeit nur zu 70 Prozent vermieteten Bestände zu Jahresbeginn zu vollziehen. Er sichere in vollem Umfang vertragliche Mieterschutzrechte zu. „Einem Kaufangebot einer Genossenschaft konnte nicht entsprochen werden, weil das Land Berlin die im Rahmen des Angebots seitens der Genossenschaft erwarteten Kaufpreiszuschüsse in Höhe ei- 11 nes Drittels und erforderliche Sanierungsmittel nicht zur Verfügung stellen kann“, macht Lederer weiter deutlich. Ebenso, dass es keine weiteren Verkäufe großer Bestände von Stadt und Land, „gleich an wen“, geben werde. Nur noch „In-sichGeschäfte“ sollen erlaubt werden. -erren Bereits am Eröffnungstag fand die Infobox eine ganze Reihe interessierter Besucher, die sich über das künftige Aussehen des Viertels informieren wollten. Darunter waren neben Bewohnern auch Gäste aus anderen Stadtteilen. Viele sagten, dass ihnen die Pläne sehr gut gefielen. Foto: Nachtmann Die Fassade kann nur der Anfang sein Sicherlich ist es beachtenswert, gar schon sensationell zu nennen, wenn man die ersten gelungenen Versuche der Fassadenmalerei im künftigen Europaviertel rund um die Hellersdorfer Promenade betrachtet. Mit französischer Raffinesse aus Lyon, Beständigkeit und dezentem Sendungsbewusstsein der deutschen Macher von Wunderlich & Co. und etlichen Millionen der neuen Eigentümer mit Hauptsitz im österreichischen Graz kann etwas gelingen, das mehr ist als ein Versuch, Platte einmal anders zu nehmen und zu denken. Europa in seiner Vielfalt nach Hellersdorf und Hellersdorf damit weiter in die Mitte Berlins zu rükken, sollte kein Traum bleiben. Damit dies aber wirklich gelingt, sind mehr denn jeh Kräfte des Quartiers durch Eigentümer, der die Rechnung schließlich bezahlt und das Bezirksamt, das eine Standortaufwertung für die gesamten Großsiedlungen geschenkt erhält, zu bündeln. Vergessen wir nicht, dass gerade dieses Quartier nördlich der Hellen Mitte sozial in einer Schieflage ist und somit durch Senat und Bezirk zum „Präventionsgebiet“ mit der Einrichtung eines Quartiersmanagements erklärt wurde. Management hin und her – die Menschen im Quartier mit ihren sozialen Ängsten und Nöten mit nach Europa zu nehmen, sie zum Mitmachen zu animieren ist mehr als das Gestalten von Fassaden. Eine Bündlung aller Initiativen und Ideen für das „Neue Europa“ kann nur gelingen, wenn der Eigentümer und die anderen Macher – auch das Bezirksamt – eine Zukunftsstrategie den Wohnungs- und Gewerbemietern im Quartier präsentieren, deren Umsetzung zur eigenen Sache gemacht wird. Auf eine solche Initialzündung wartet man noch. Paris und Venedig, der Rote Platz und Schloss Gripsholm – wer möchte da nicht wohnen? Aber unser „gemeinsames Haus Europa in Hellersdorf“ ist bisher nur im Winternebel deutbar. Wenn dieser sich verzogen hat, dann aber los. Mit klaren Botschaften, Mitmachangeboten und öffentlichen Debatten. Und einer Verantwortung, die greifbar ist. R.S. „Eine für alle!“ – Einheitliche Rufnummern ab 2007 Die STADT UND LAND hat ihr Telefonnetz modernisiert. Künftig sind das Stammhaus in der Werbellinstraße 12 und alle Servicebüros über eine Einwahl erreichbar. Seit 01. Januar 2007 gilt einheitlich: (030) 68 92-0 Alle Mitarbeiter der STADT UND LAND werden dann unter neuer Telefonnummer erreichbar sein. Die Sekretariate unserer Servicebüros erreichen Sie unter folgendem Ruf: Servicebüro Am Wuhletal (030) 68 92-70 00 Servicebüro Am Cecilienplatz (030) 68 92-70 00 Selbstverständlich sind wir weiterhin zu den gewohnten Servicezeiten für Sie da: montags bis mittwochs 08.00 bis 16.00 Uhr donnerstags 09.00 bis 19.00 Uhr freitags 08.00 bis 14.30 Uhr Ihren Vermieter/Verwalter treffen Sie persönlich zu den Sprechzeiten: dienstags 09.00 bis 13.00 Uhr donnerstags 14.00 bis 18.00 Uhr 12 Ehrung für ErnstHaeckel-Oberschule Hellersdorf – Die Ernst-HaeckelOberschule (Gesamtschule mit gymn. Oberstufe) an der Lukkenwalder Straße wurde vom europaweiten Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ ausgezeichnet. Damit ist sie nach der Otto-Nagel-Oberschule die zweite Schule im Bezirk, die diesen Titel in Empfang nehmen konnte. In Berlin gibt es insgesamt 16 solcher Schulen und in ganz Deutschland 311. „Mit Euren Unterschriften setzt Ihr ein Zeichen gegen alle Formen von Diskriminierung und Rassismus für ein gewaltfreies und respektvolles Miteinander, das über Eure Schule hinaus in die Stadt Berlin hineinwirkt. Ihr seid mit Eurem Engagement ein Vorbild für andere Schülerinnen und Schüler“, heißt es in der Urkunde. Die Patenschaft übernimmt der interkulturelle Verein Babel. Die Initiative wurde 1995 gegründet. Eine Schule kann den Titel erhalten, wenn sich 70 Prozent ihrer Schüler, Lehrer und des technischen Personals dafür aussprechen. RS jot w.d. 1/2007 Der Jugend Vertrauen und Verantwortung Junge Abgeordnete aus Marzahn-Hellersdorf zogen erstmals ins Berliner Parlament ein Marzahn-Hellersdorf – In ein „richtiges“ Parlament gewählt zu werden, zählt sicher zu den Höhepunkten einer politischen Karriere. Besonders, wenn man jung ist und noch so ziemlich am Anfang steht. Freude und Stolz werden aber recht schnell vom Parlamentsalltag in den Hintergrund geschoben. Wie der Start von drei „Neu- Projektmesse „denk!mal ’07" Berlin – Am 27. Januar begeht das Berliner Abgeordnetenhaus den Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Aus diesem Anlass lädt der Parlamentspräsident Walter Momper Jugendliche, bis 21 Jahre, zur Projektmesse „Jugendforum denk!mal ’07" vom 22.-29. Januar ein. Schulen, Schulklassen und Jugendgruppen, die sich mit Rechtsextremismus in Geschichte oder Gegenwart befassen, können sich präsentieren. Der Hellersdorfer Abgeordnete Sven Kohlmeier lädt Jugendliche aus dem Bezirk ein, sich an der Projektmesse zu beteiligen. „Gerade Marzahn-Hellersdorf, wo die NPD ins Bezirksparlament eingezogen ist, braucht engagierte junge Bürger. Die Projektmesse denk!mal 07 ist eine gute Gelegenheit, das bunte Marzahn-Hellersdorf zu präsentieren.“ Einsendeschluss für Projekte: 9. Januar. Info und Anmeldeformular unter www.denkmalberlin.de, Rückfragen bei der Verwaltung des Abgeordnetenhauses, Tel. 2325-2012. en“ aus unserem Bezirk im Berliner Abgeordnetenhaus lief, wollte jot w.d. von Sven Kohlmeier, Stefan Ziller und Sebastian Czaja nach deren ersten „100 Tagen“ erfahren. Gern hätte jot w.d. die Reihe mit Abgeordneten aus CDU und PDS komplettiert, jedoch haben beide Parteien keine „Neuen“ bzw. keine „Jungen“ aus unserem Bezirk. Manches ist schon recht abenteuerlich Debatten der Fraktion dauern manchmal ewig Auch 16 Jahre nach der Einheit viel altes Westberlin Sven Kohlmeier hätte man als Berlins jüngstem SPD-Kreisvorsitzenden eigentlich Einblicke ins Parlamentsgeschäft zugetraut. Trotzdem war er ziemlich überrascht an seinem ersten Arbeitstag. „Man kommt hierher wie eine Jungfrau“, erzählt er mit leichtem Sarkasmus. „Es gibt nur ein Büro, einen Schreibtisch, ein paar Billy-Regale, sonst nichts.“ Kein Papier, keine Briefköpfe, keine Visitenkarten. Von sich reden gemacht hat Sebastian Czaja bereits zu seiner Zeit als Bezirkspolitiker. Erinert sei nur an sein Zerwürfnis mit der CDU (und dem Bruder als Kreisvorsitzenden) und seinen fast spektakulären Übertritt zur FDP. Nun sitzen die beiden wieder zusammen im Abgeordnetenhaus. Wenigstens ein Sofa steht im Dreierbüro, in dem Sven Kohlmeier beim Auslosen der Plätze am Schreibtisch die „Niete“ gezogen hat. Offiziell gilt Stefan Ziller von den Bündnisgrünen ja als Nachrücker, der erst Ende November seinen Platz im Gebäude des Preußischen Landtags bekam. „Aber es war ja von vorn herein klar, dass ich nach der Wahl von Sybill Klotz zur Bezirksstadträtin kommen werde“, gibt sich Ziller selbstbewusst. „Daher war ich von Anfang an bei allen Sitzungen der Fraktion und ihren Beschlüssen dabei.“ Und obwohl die Grünen-Fraktion mit 16 Mitgliedern eher klein ist, dauern ihre Fraktionssitzungen immer am längsten. „Weil bei uns jeder was zu allen Themen sagen darf“, erklärt Ziller das scheinbare Paradoxon. Dies ist auch eine Folge extrem flacher Hierarchien, die ein wenig an die Frühzeit der Grünen erinnert. Es habe durchaus Versuche gegeben, so etwas aufzubauen, erinnert sich der junge Abgeordnete. „Aber bei uns sind ja 11 oder 12 Neue“, erzählt er. „Die haben das abgeklatscht.“ Dafür ist das Klima nun sehr kollegial. Einen gewissen Nachteil hätte dieser massive Personalwechsel trotzdem, glaubt Ziller. „Alle von uns suchen noch mehr oder minder ihren richtigen Weg im Parlamentssystem“, weiß er. Und, dass dafür nicht viel Zeit zur Verfügung steht. In den Ausschüssen Stadtentwicklung/Verkehr und Bauen/Wohnen will er sich hauptsächlich den Themen „soziale Stadt“ und – logisch – Umwelt und lokale Agenda zuwenden. Alles muss sich der „Neuling“ selbst (auf eigene Rechnung) besorgen. „Und dabei von Null auf Hundert starten“, wie Kohlmeier anmerkt. In seinem Dreierbüro bekam er den „blödesten“ Platz am Schreibtisch, dafür den „besten Stuhl“. Und wer erwartet hätte, dass die „alten Hasen“ so eine Art Patenschaft über die Neuen übernehmen, irrt. „Ein besonderes Problem ist der de facto herrschende Fraktionszwang“, gesteht der Abgeordnete ein. Die Jüngeren möchten gern über Fraktionsgrenzen hinweg zusammen arbeiten. Das wird in Fraktionsführungen nicht sonderlich wohl gelitten. „Die Gruppe der unter 33-Jährigen sucht trotzdem das Gespräch auch mit Mitgliedern der Opposition“, erzählt Kohlmeier, der auch schon erste Frustrationen aushalten musste. „Die alt Eingesessenen machen das Parlamentsgeschehen praktisch unter sich aus“, weiß er zu berichten. Denn schließlich ginge es in der Hauptsache immer nur um Macht und Einfluss. Doch es ist nicht alles schlecht. Kohlmeier erhielt etwa Sitz in den von ihm gewünschten Ausschüssen (Bildung/ Jugend, Recht, Verwaltungsreform), und er ist auch schon mit „kleinen Anfragen“ aktiv geworden. Dass er „seinen“ Bezirk darüber nicht vergisst, ist nicht allein der Tatsache geschuldet, dass er vielleicht einmal wieder gewählt werden will. „Ich bin hier viel unterwegs, will immer Bescheid wissen“, erzählt er. Und wenn es um Fragen geht, die Marzahn-Hellersdorf betreffen, sucht er auch gern das Gespräch mit einigen der anderen 12 Abgeordneten aus dem Bezirk. Nun versucht er, seine Kollegen zu einer Gesetzesänderung zu bewegen. „Ich will, dass die Mitarbeiter der BVV-Fraktionen in den Bezirken in Zukunft ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen müssen.“ Damit will Kohlmeier nicht nur der Bezahlung verurteilter rechter Straftäter einen Riegel vorschieben. „Diesen Leuten muss der Eingriff ins Parlamentsgeschehen überhaupt verwehrt werden.“ Noch ist der Schreibtisch leer, doch einen Mangel an Arbeit erwartet Stefan Ziller nicht. Und der Platz am Fenster ist nicht mit dem Platz an der Sonne zu verwechseln. Und dass er dabei nicht immer einen direkten Bezug zu seinem Bezirk haben wird, stört Ziller nicht. Für ihn ist die Stadt mehr, als die Summe ihrer Kieze. „Die gesamtstädtische Sicht leidet darunter nicht“, ist er überzeugt. Und da mache es auch gar nichts, dass er in seiner Fraktion fast der Einzige aus dem Osten der Stadt ist. „Ost-West-Denken ist mir als ganz Jungem sowieso fremd“, leht er derartige Debatten ab. Aber natürlich will er sich mit den Kollegen aus seinem Bezirk in anderen Fraktionen austauschen. „Es ist gut, dass sich manche schon aus dem Bezirk kennen“, ist er überzeugt. Und bedauert „im Interesse der Sache“, dass gerade in den Regierungsfraktionen der „Fraktionsdruck ganz enorm“ ist. Und einen richtigen „Erfolg“ kann er auch schon verbuchen. Weil ihn die teils endlosen Debatten in der Fraktion störten, hat er dort eine generelle Redezeitbegrenzung beantragt. Und die Abstimmung zwar knapp, aber doch mit 9 zu 7 Stimmen gewonnen. Boxring Eintracht kämpft international Hellersdorf – Gleich international startet die Hellersdorfer Boxstaffel ins Jahr 2007. Am Sonnabend, 27. Januar, beginnt 16 Uhr in der Sporthalle Havelländer Ring 32 der Vergleichskampf gegen die Mannschaft KS „Wanda“ aus Krakau/Polen. Am Start ist u.a. Dustin Dirks, internationaler Deutscher Juniorenmeister im Halbschwergewicht. Besonders spannend dürften die Kämpfe in den schweren Gewichtsklassen werden. Eintritt: Erwachsene 2/Jugendliche 1 Euro. Info: Tel. 56 33 569, www.sc-eintracht-berlin.de Horst Gülle, Cheftrainer Jugend Ob Sebastian Czaja als sportpolitischer Sprecher seiner Fraktion auch mal im Trainingsanzug ins Büro kommt, wollte er nach 100 Tagen noch nicht verraten. Fotos: Nachtmann Und an einem will Czaja von vornherein keinen Zweifel lassen: „Wir müssen uns gemeinsam für unseren Bezirk stark machen.“ Gemeint sind damit die 12 anderen Abgeordneten aus Marzahn-Hellersdorf. „Nur zum Vergleich“, fügt er hinzu, „das entspricht der Größe der gesamten FDP-Fraktion.“ Und noch etwas hat Czaja recht schnell begriffen. „Es dauert Monate, bis man als Neuer im alltäglichen Parlamentsbetrieb drin ist“, sagt er, ohne darüber großes Bedauern aufkommen zu lassen. Denn der Hilfe der wenigen verbliebenen „Alten“ in seiner Fraktion ist sich Czaja gewiss. „Das ist ja auch keine Einbahnstraße“, erzählt er. Die Älteren nähmen durchaus die Meinung der Jungen und Neuen ernst. „Man lernt stets voneinander.“ Thematisch wird sich Czaja, ähnlich wie schon in der BVV, den Themen Sport, Hochschulen/Wissenschaft/Forschung und den Finanzen (darunter besonders denen der Bezirke) zuwenden. „Reine Bezirksthemen gibt es ja gar nicht mehr, auch nicht in den Bezirken“, ist der junge Abgeordnete überzeugt. Auch in der Opposition fühlt er sich nicht schlecht. „Die Entscheidungswege sind kürzer“, berichtet er. Im Alltag gäbe es sogar mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Und der Druck aus der Fraktion sei natürlich geringer, als bei Regierungsparteien. Das bekam er zu spüren, als er versuchte einige der SPD- und PDS-Abgeordneten aus Marzahn-Hellersdorf zur Ablehnung der Grundsteuererhöhung zu bewegen. Ohne Erfolg natürlich. Überhaupt würde sich Czaja zuweilen etwas mehr interfraktionelle Arbeit wünschen, doch dies sei eher schwierig. Dann sich schon lieber mal im persönlichen informellen Gespräch austauschen. Und noch etwas musste Czaja in den ersten Monaten im Abgeordnetenhaus schmerzlich erfahren: „Es gibt noch jede Menge altes Westberlin im Politikbetrieb.“ Weitaus schlimmer jedoch sei der weit verbreitete Eindruck, dass „sich die Berliner Verwaltung noch immer ein Abgeordnetenhaus hält“. R. Nachtmann Ausblick auf 2007 jot w.d. 1/2007 13 Wir leben nicht im Paradies Bürgermeisterin Dagmar Pohle: Es soll auch wieder investiert werden – Bürgerhaushalt muss transparenter werden – Künftig klare Worte, was nicht geht, statt vager Versprechungen Das vergangene Jahr stand nicht allein im Zeichen der Fußballweltmeisterschaft. Die Wahl in Berlin und den Bezirken brachte auch einige nicht ganz erwartete politische Veränderungen mit sich. Zum traditionellem Ausblick sprach jot w.d. kurz vor dem Jahreswechsel mit der neuen Bürgermeisterin Dagmar Pohle. jot w.d.: Frau Bürgermeisterin, sprichwörtlich gesehen kehren neue Besen ja besonders gut. Welche Aufgaben wollen Sie im Jahr 2007 als erstes anpacken? Dagmar Pohle: Zunächst muss ein arbeitsfähiges Bezirksamt hergestellt werden (Anm.: Die Position Bildung, Kultur und Sport ist noch unbesetzt.). Dann müssen wir uns rasch über die Schwerpunkte der Arbeit verständigen. Schließlich sind drei oder gar vier Neue in dem Gremium. Im Mittelpunkt der Arbeit werden auch künftig Fragen des Stadtumbaus und der Arbeitsförderung stehen. Außerdem müssen wir zusammen mit den Bürgern mehr für ein besseres Image unseres Bezirks tun. jot w.d.: Da muss Ihnen die Kampagne des Arche-Pastors Siggelkow zu den hungernden Kindern in Hellersdorf aber ärgerlich vorkommen. Dagmar Pohle: Herr Siggelkow thematisiert, dass es in ganz Deutschland und nicht nur in Marzahn-Hellersdorf Armut gibt. Das ist richtig und wichtig. Allerdings artikuliert die „Arche“ so Altschulden arbeitet. Und die Debatte, wie neben dieser Konsolidierung auch wieder investiert werden kann, muss erst noch geführt werden. Denn Investitionen sind dringend nötig. eine Art Alleinvertretungsanspruch bezüglich dieser Armut. Das ist zu kritisieren. Auch seine Kritik am Bezirksamt ist nicht nachvollziehbar, denn die dem Projekt bereitgestellten Mittel in Höhe von 18 000 Euro hat die Arche bisher nicht in Anspruch genommen. jot w.d.: Darüber, wie das wenige verfügbare Geld eingesetzt werden soll, können ja auch die Einwohner mit entscheiden. Stichwort Bürgerhaushalt. Doch haben BVV und Bezirksamt in der Vergangenheit die Mehrzahl der von den Bürgern gewünschten Dinge abgeschmettert. Ist das Projekt noch zu retten? Dagmar Pohle: Bei den vorgetragenen Ideen hatte Vieles weniger mit „klassischem“ Bürgerhaushalt zu tun. Auch sind viele Dinge gar nicht durch den Einsatz öffentlicher Mittel zu lösen. Trotzdem müssen wir in Zukunft mehr Transparenz schaffen. Und natürlich noch mehr engagierte Bürger zum Mittun gewinnen. Das gelingt auf Dauer nur, wenn man auch deutlich sagt, was eben nicht geht. So wie die Politik einen realistischen Haushalt aufzustellen verpflichtet ist, müssen dies auch die Bürger tun. jot w.d.: Dafür muss man die Bürger aber etwas besser an die Hand nehmen, ihnen Hilfestellung geben. Dagmar Pohle: Man muss jetzt sehen, was sinnvoll ist. Und auch die Verwaltung motivieren. Denn auch von dort gab es nicht nur freudige Zustimmung für den Bürgerhaushalt. jot w.d.: Ein Grundsatz des bezirklichen Finanzgebarens in den vergangenen Jahren war der Abbau von Schulden. Es wurde nichts mehr investiert. Wird sich dies unter einer neuen Bürgermeisterin und einem neuen Finanzstadtrat ändern? Dagmar Pohle: Die Senatsfinanzverwaltung geht davon aus, dass der Bezirk weiter am Abbau von jot w.d.: In der Vergangenheit stellte sich mehrfach der Eindruck ein, dass hauptsächlich die Großsiedlung den Bezirk ausmacht, dass dorthin sich fast alle Aktivitäten zu richten hätten. Doch wohnt immerhin ein Drittel der Menschen im Siedlungsgebiet. Ist der Süden des Bezirks abgehängt? Dagmar Pohle: Ich finde nicht, dass das Siedlungsgebiet hinten runter fällt. Auch dort setzen wir Schwerpunkte. Denken Sie nur an den Neubau des Seniorenheims in Biesdorf Süd, das Stadteilzentrum Mahlsdorf oder das im Entstehen begriffene Ärztehaus. Ich selbst werde weiterhin oft dort unterwegs sein, und Stadtrat Christian Gräff wird sich auch besonders um dortige Probleme, etwa Verkehrsfragen, kümmern. jot w.d.: Die Bewohner in Süd werden von Teilen der politischen Klasse oftmals allein wegen ihres Grundbesitzes als a priori „reich“ angesehen. Das trifft aber auf viele, etwa das Rentnerehepaar, gar nicht zu. Nun hat Berlin die Grundsteuer um mehr als ein Fünftel erhöht. Droht jetzt auch bei den Siedlern Armut und Not? Dagmar Pohle: Das kann man jetzt noch nicht abschätzen. Es gibt im Siedlungsgebiet nur ganz wenige Transferempfänger, also Menschen, die Arbeitslosen- oder Sozialgeld beziehen. Und man darf nicht vergessen: Wir leben nicht im Paradies, sondern in der kapitalistischen Gesellschaft. Außerdem werden den Kommunen von Bundes- und Landesregierungen immer mehr Lasten und Kosten aufgebürdet. Davon können die Bürger nicht unberührt bleiben. Trotzdem hat in der Politik niemand die Absicht, Bürger aus ihren Häusern zu vertreiben. Wer glaubt, einen Ansruch auf Unterstützung zu haben, der nicht umgesetzt wird, soll sich wehren. Auch dafür haben wir ja eine Ombudsstelle eingerichtet. jot w.d.: Vor und nach der Wahl hieß es aus fast allen Parteien, ein „weiter so nach Klett“ könne es nicht geben. Gilt das immer noch? Dagmar Pohle: Das hängt ja nicht allein von der Bürgermeisterin ab, sondern auch davon, wie die Fraktionen in der BVV und das Bezirksamt zu sachorientierter Arbeit finden. Ich brauche ein hohes Maß an Verbindlichkeit in der Verwaltung. Wir müssen klare Aufgaben stellen, damit sich die Verwaltung an Bürgerinteressen orientieren und sich als Dienstleister am Bürger begreifen kann. Und wenn wir etwas nicht umsetzen können, dann werden wir das klar und deutlich sagen. Fragen: Ralf Nachtmann Wer hat wohl Schwein im Jahr des Schweins? jot w.d.-Kolumnistin Dagmar Gelbke glaubt an ein Glücksjahr 2007 Foto: Dittmann Auch wenn wir nun anno 2007 schreiben – noch haben wir es nicht überstanden, das verflixte Hunde-Jahr. Oder gibt es jemanden, der sagt, es war bis jetzt das schönste Jahr seines Lebens? Dann bitte ich um Leserzuschriften! Jedenfalls endet es erst am 18. Februar, wenn der eigentlich treue „Hund“ die Jahresregentschaft des asiatischen Tierkreises an das glückliche, ehrliche, lebenslustige „Schwein“ übergibt. Man sagt, in Schweinejahren gibt es die meisten Lottomillionäre! Und schon scheinen sich abendund morgenländischer Aberglaube endlich anzunähern: Mit einer „7“ in der Jahreszahl müssten wir doch nun glücklicheren Zeiten entgegen gehen! Aber schauen wir uns einmal vergangene Schweinejahre an, die uns alle 12 Jahre ereilen. Was geschah z.B. 1935, 1947, 1959, 1971, 1983, 1995? 1935 werden die Nürnberger Rassegesetze verabschiedet. 1947 findet die tragische Irrfahrt der EXODUS statt. In England werden die Bergwerke verstaatlicht, und ein Amerikaner namens Chuck Yeager durchbricht als erster Mensch die Schallmauer. Der Staat Preußen wird aufgelöst. Und der „UFO-Absturz“ von Roswell fällt in dieses Jahr. 1959 kommen Fidel Castro und Che Guevara an die Macht, China annektiert Tibet, der Dalai Lhama muss ins Exil, und in der DDR wird die LPG-Pflicht eingeführt. In den USA stürzt ein Flugzeug mit den Rock’n’RollGiganten Buddy Holly, Richie Valens und Jiles Perry Richardson ab, es war „The Day The Music Died“, der Tag, an dem die Musik starb. Welcher alte Rocker kennt den Song nicht. Die Sowjetunion schickt die erste Raumstation Soljut 1 zum Mond, und Soljut 3 liefert erstmals Bilder von der Rückseite des Mondes. Die Computertomografie beginnt ihren Siegeszug durch die Gesundheitskassen, und der Schah von Persien heiratet Farah Diba. 1971 wird zum Jahr zur Bekämpfung der Rassendiskriminierung erklärt. Also wird in der Schweiz endlich das Wahlrecht für Frauen eingeführt – und in England das erste Frauenhaus eröffnet. In den USA wird die Zigaretten-Reklame verboten. In der DDR tritt Walter Ulbricht zurück, und in Kanada gründet man die Umweltorganisation Greenpeace. 1983 nennt sich „Internationales Jahr der Kommunikation“, deshalb vielleicht erstmals ein Konzert „Rock für den Frieden“ im Palast der Republik mit Künst- lern aus Ost und West. Papst Johannes Paul II. rehabilitiert Galileo Galilei, die USA besetzen die Karibik-Insel Grenada, und die erste Swatch-Uhr kommt auf den Markt. Am 1.9., dem damaligen Ost-Weltfriedenstag (im Westen war es ja seit 1967 der Neujahrstag), schiesst das Sowjetische Militär ein koreanisches Passagierflugzeug ab. 269 Passagiere sterben. 1995 Gift-Anschlag auf die UBahn in Tokio. Bombenanschlag in Oklahoma. Bundestag billigt Bosnien-Einsatz der Bundeswehr. Massaker von Srebrenica. Bombenanschlag auf Pariser Metro. Chaostage mit 2000 Teilnehmern in Hannover. Aber auch Christos verhüllter Reichstag in Berlin. So also sehen glückliche Schweine-Jahre aus. Glückliche Schweine waren auch Bismarck, Thomas Mann, Ernest Hemingway, Humphrey Bogart; noch glücklichere sind Loriot, Pavarotti, Elton John und Arnold Schwarzenegger. Die Schweine, die ich kenne, sind liebe, betont fröhliche und hilfs- bereite Menschen. Allerdings ist ihre astrologisch-verbriefte Ehrlichkeit eher eine hartnäckige Sturheit unter dem Motto: Was ich richtig finde, ist richtig. Und das Richtige verkehrt sich schnell mal ins Gegenteil unter der Losung: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? Also, lassen wir uns überraschen vom Neuen Jahr. Was soll’s, schwieriger sind wohl Pferde-Jahre: 1989 – Mauerfall, 2001 – World Trade Center ... Das haben wir dann erst wieder 2013. Na prima, DREIZEHN! Das passt doch wieder zu meiner These der philosophischen Annäherung zwischen Abend- und Morgenland ... Okay, okay, ich hör ja schon auf zu unken! Außerdem: Wer, wenn nicht ich, wird anno 2007 ein glückliches Jahr haben? Ich, die ich am 20.07. geboren wurde... Und ich geb’ von meinem Glück allen jot w.d.-Lesern von Herzen ab! Ehrlich!!! In diesem Sinne bis zum nächsten Mal! Eure Daggie Gelbke 14 Je reicher, desto weniger Zukunftsangst Berlin – „Das Stimmungsbild in Deutschland hat sich verändert. Die Schere zwischen Ost und West geht erstmals wieder deutlich auseinander.“ So fasst Rita Jakli, Leiterin des R+V-Infocenters, die Ergebnisse der Studie „Die Ängste der Deutschen 2006“ zusammen. Im Westen bessert sich die Stimmung spürbar, gleichzeitig haben die Ängste im Osten den höchsten Stand seit 15 Jahren erreicht. Dort haben 55 Prozent der Menschen große Angst vor der Zukunft. Im Westen dagegen ist die Zahl von 50 auf 43 Prozent gesunken. Die Sorge um steigende Preise, Unzufriedenheit mit den Politikern und hohe Arbeitslosenzahlen belegen die Plätze 1 bis 3 der Ängste-Liste. Ängste im Osten auf Rekordniveau Während die Stimmung sich im Westen Deutschlands deutlich verbessert hat, steigt der Angstindex im Osten auf den höchsten Stand seit Beginn der Befragungen vor 15 Jahren. Nach mehreren Jahren der Annäherung driftet die Stimmungslage in den alten und neuen Bundesländern wieder weit auseinander. Dieses Ergebnis spiegelt die Wirtschaftslage in den neuen Bundesländern wider: Beim Thema eigene Arbeitslosigkeit trennen Ost und West 20 Prozentpunkte (67 gegenüber 47 Prozent), bei der Angst vor geringerem Lebensstandard im Alter sind es 18 Prozentpunkte, beim Anstieg der Lebenshaltungskosten 15 Prozentpunkte. Und auch die Kritik an Politikern ist im Osten mit 14 Prozentpunkten Unterschied deutlich stärker ausgeprägt. Gründe dafür nennt der Politologe Prof. Manfred G. Schmidt von der Uni Heidelberg: „Der Wirtschaftsaufschwung geht am Osten vorbei. Zugleich sind dort die Erwartungen an den Staat und das Sicherheitsbedürfnis traditionell höher.“ Sieben von zehn Deutschen fürchteten sich 2006 vor Teuerung. Zu recht. Grafik: R+V Die Studie zeigt, dass jene Menschen zuversichtlicher in die Zukunft blicken, die über ein hohes Haushaltseinkommen verfügen, Wohneigentum besitzen, einer Religionsgemeinschaft angehören oder sich sehr häufig im Internet informieren. „Diese Merkmale sind bei den Bürgern in den neuen Bundesländern unterdurchschnittlich repräsentiert“, erklärt Rita Jakli, die auch folgendes feststellen konnte: Frauen sind ängstlicher als Männer, besonders bei Angst vor schwerer Erkrankung oder der Sorge, im Alter zum Pflegefall zu werden. Männer hatten bisher größere Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Inzwischen empfinden die Frauen dieses Problem als ebenso drängend. Berufseinsteiger, junge Paare und Eltern zwischen 20 und 39 Jahren haben die größten Ängste. Jugendliche zwischen 14 und 19 Jahren sowie über 60-Jährige sind deutlich gelassener. Und: Bildung schützt offenbar vor Angst; Menschen mit Abitur und/oder abgeschlossenem Studium sind zuversichtlicher. -erren jot w.d. 1/2007 Natur & Umwelt Wertvolle Tiere verlassen das Wuhletal Natuerschützer warnen vor weiteren Versäumnissen bei der Renaturierung Hellersdorf – Am 13. Dezember wurde in einer öffentlichen Veranstaltung des Senates und des Bezirksamtes mit dem bauausführenden Ingenieurbüro über den Stand der Renaturierung des Wuhletals und die nächsten Vorhaben bis 2008 informiert. Es war insgesamt bezüglich der bautechnischen Arbeiten eine beeindruckende Bilanz. Die Wehre an der Köthener Straße und an der B1 sind rückgebaut. Der Düker nördlich der Landsberger Allee befindet sich im Umbau. Die Gewässerbettgestaltung im oberen Bereich der Neuen Wuhle ist bereits fertig. Im Kienbergbereich wurden drei Fußgängerbrücken fertig gestellt. Gegenwärtig ist das gesamte Wuhletal zwischen Klärwerk und B1 ein großer Bauplatz. Acht Bagger und weitere Technik kommen zum Einsatz. Es wird richtig rangeklotzt, vielleicht ein bisschen zu monumental: Beim Anblick der Fußgängerbrücke über die Alte Wuhle am Kienberg musste ich unwillkürlich an eine Brücke denken, die eine nicht gebaute Straße überspannt. Angesichts dieser aktuellen Bautätigkeit sollte in der Euphorie aber nicht ganz vergessen werden, dass diese Maßnahmen mit einem unvertretbaren Zeitverzug nach Schließung des Klärwerkes im Februar 2003 durchgeführt werden und dass inzwischen eine andauernde Grundwasserabsenkung von ca. einem Meter eingetreten ist. Über die gravierenden Folgen für den Naturhaushalt wurde in jot w.d. wiederholt berichtet. Sicher, die der Natur geschlagenen Wunden werden nach Abschluss der Bautätigkeit in kurzer Zeit vernarben und heilen. Auch die Artenvielfalt wird sich den neuen Bedingungen anpassen. Diesen Prozess gilt es zu unterstützen. Die Maßnahmen zur Renaturierung des Wuhletals sehen deshalb auch vor, begleitende Biotopverbünde zu schaffen und schutz- Der Neselsee begrünt sich nach Trockenfall. Aufnahme vom Okt. 2006 würdige Biotope zu sichern. Zu diesem Maßnahmekomplex gab es in der Veranstaltung keine umfassende Information, so dass das Vorgehen eher verschwommen blieb. So ergab sich z.B. mit dem Dükerbau, dass die Alte Wuhle zwischen Landsberger Allee und Wuhleteich seit Monaten trocken gelegt ist. Als Folge trockneten auch die Feuchtgebiete am Rohrbruch unterhalb des Kienberges aus. Erforderlich ist hier eine unverzügliche Wiedervernässung bis zum zeitigen Frühjahr. Andernfalls tritt ein erneuter Verlust der jährlichen Reproduktionsrate vieler Pflanzen- und Tierarten ein. Die Planungen sehen hierfür den viel zu späten Zeitpunkt Ende April 2007 vor, was nicht hingenommen werden darf. Das Wasserangebot im Wuhletal ist nach Schließung des Klärwerkes sehr begrenzt. Umso wichtiger ist es, mit dem vorhandenen Wasser so zu wirtschaften, dass es so lange wie möglich im Wuhletal verweilt. So könnte man etwa im Frühjahr ankommendes Wasser im Hellersdorfer Graben in den beiden Grabenstaus anstauen. Es könnte dann im Sommer die Wassersituation verbessern. Auch der nördliche Kaulsdorfer Teich (ein lägen zur Zeit ca. 1000 Anmeldungen für eine Unterschutzstellung vor, die Bearbeitung erfordere Zeit, außerdem wäre für den Stadtbezirk erst vor kurzem die Hönower Weiherkette unter Schutz gestellt worden! Auch hier hatte es bekanntlich zehn Jahre Bearbeitungsdauer gegeben. Angesichts solcher Grundhaltungen ist zu befürchten, dass die Natur weiterhin auf der Strecke bleiben wird. Wir sollten einmal bedenken: „Wer mit der Natur nicht teilen will, der wird eines Tages keine Natur mehr haben“. Dieser Prozeß vollzieht sich auch im Wuhletal. Es sind längst nicht mehr nur Weißstorch und Rohrweihe, Rotbauchunke und Laubfrosch, die aus dem Wuhletal verschwunden sind. Die Liste ist viel länger! Das Schlimmste aber: Kaum einer merkt es. Hauptsache, es ist alles nur immer akkurat gepflegt. Heino Mosel Regenrückhaltebecken) enthält Reserven. Der Überlauf für überschüssiges Wasser leitet direkt in die Neue Wuhle- warum nicht in die beiden südlichen, inzwischen entschlammten Teiche? Völlig unverständlich ist die Haltung der Behörden zur Sicherung von schutzwürdigen Biotopen. In Bestandserfassungen 2001/02 wurden in den Biotopen um den Rohrbruch und dem Wuhleteich über 40 Rote-Liste-Arten nachgewiesen. Hinzu kommen noch 25 Arten, die nach der Bundesartenschutzverordnung unter Schutz stehen. Das ist ein einzigartiger Reichtum von unschätzbarem Wert, auch für die Erholung. Hier befindet sich der wertvollste Biotopverbund im gesamten Wuhletal. Anzunehmen wäre, dass dies auch die letzten Beamten vom Sessel reißen müsste, um diese Flächen wirksam zu sichern. Statt dessen war zu hören, dass diese Flächen nicht unter Schutz gestellt werden können. Nicht nachvollziehbar ist Das Wehr an der B 1/5 zeigt sich nach dem die Begründung: Dem Senat Umbau als „steinerne Rinne“. Fotos: Mosel Diese Mieterinitiative ist einmalig Erfolgreiche Bilanz der „Grüninspektoren“ im 13. Jahr Hellersdorf –Am 14. Dezember trafen sich die Grüninspektoren in der Candela Lounge an der Hellersdorfer Promenade zu ihrem Jahresabschluss. Der Klub der Grüninspektoren, einer vor 13 Jahren von der Wohnungsgesellschaft WoGeHe ins Leben gerufenen Mieterinitiative, ist aus Hellersdorf nicht mehr wegzudenken. Die aktuell 36 Mitglieder betreuen 32 Grundstücke in der Großsiedlung. Bei regelmäßigen Kontrollgängen halten sie protokollarisch den Zustand der Grünanlagen, Wohnhöfe und des Wohnumfeldes fest, notieren Mängel, Vandalismus- und andere Schäden. Ihrem wachsamen Blick entgeht kein verletztes Bäumchen, kein defektes Spielgerät. 160 Beobachtungsprotokolle gingen der Wohnbautengesellschaft zu. „Bei Schäden oder anderen Beobachtungen, die ein schnelles Reagieren erfordern, können unsere Mitarbeiter so rasch Abhilfe schaf- Die Grüninspektoren bei ihrem Rundgang im Grabenviertel. fen“, freute sich Geschäftsführer Rudolf Kujath. Er dankte den engagierten Mietern für ihre wertvolle ehrenamtliche Arbeit, die „viel dazu beiträgt, dass sich alle Bewohner im Kiez wohlfühlen können“. Foto: Nachtmann Anschließend informierte er über Vermietungszustand, den Rückbau im Quartier an der Alten Hellersdorfer und weitere Sanierungsvorhaben. Für Mieter an der Zossener Straße sollen PKW-Stellplätze geschaffen werden. 1,2 Millionen Euro werden dafür ausgegeben. An der Jenaer Straße 54/56 werden zwei Sechsgeschosser für Altersgerechtes Wohnen umgebaut. Weitere zwei Blöcke im Gebiet am Schleipfuhl werden 2007/08 saniert. Investitionssumme: 13 Millionen Euro. Nach dem Verkauf von 877 Wohnungen in Hellersdorf Nord (wir berichteten) verfügt die Gesellschaft nunmehr noch über 16 000 Wohnungen in Hellersdorf. Da gibt es also auch weiterhin viel zu tun für die Damen und Herren Grüninspektoren. Sieben von ihnen sind übrigens schon von Anfang an dabei. Und immer wieder stößt Nachwuchs dazu. „Wer sich aus unserem Klub verabschiedet, tut es aus Alters- oder Gesundheitsgründen oder weil er wegzieht. Den Stab hat noch keiner geworfen“, sagt der „oberste Grüninspektor“ Lothar Brückner. Ingeborg Dittmann direkt – Briefe & Antworten jot w.d. 1/2007 15 Wer sind die Namensgeber für Straßen und Plätze? Weniger Hundekot in NordWest Ich beachte mit großem Respekt Ihr verdienstvolles Engagement für die Rückbenennung von Straßen, denen aus rassistischen Gründen in der Nazizeit andere Namen als die ursprünglichen verpasst wurden. Dabei unterstütze ich den Vorschlag, im Zusammenhang mit der Rückbenennung durch knappe Information den jeweiligen Namensgeber bekannt zu machen (wie das z.B. auch bei der Prinzessin Cecilie geschah – ein Kotau vor den Hohenzollern?). Ich halte das aus mehreren Gründen für wichtig (Wissensvermittlung, Förderung von Identität für Zugezogene). Halten Sie es für möglich und sinnvoll, in jot.w.d. eine Spalte einzurichten, in der mehr oder weniger regelmäßig über die Namensgeber von Hellersdorfer Straßen informiert wird? Es gibt meines Wissens für Berlin eine entsprechende Dokumentation, die bei einem solchen Vorhaben hilfreich sein kann. Hans Kaiser Hunde brauchen Auslauf. Der Aus- Wenn doch, sind diese Hinterlassenlauf muss aber auch Grenzen ha- schaften zu beseitigen. Jeder Hunben. Die Grenzen sind dort erreicht, dehalter sollte mithelfen, dass sein wo Hundekot zu einer Belastung für Hund nicht Andere über Gebühr die Menschen wird. „Fehltritte“ durch Hundekot belastet und gekönnen recht unangenehm sein – vor sundheitlich gefährdet. allem, wenn der Tritt in ein Hunde- Die Stadtverordnung von Berlin verhäuflein erfolgt. So bieten die Hin- langt von jedem Hundehalter, die terlassenschaften der Vierbeiner, Hinterlassenschaften ihrer Vierbeiwenn sie Gehwege, Parkanlagen oder ner zu beseitigen. Bei ZuwiderhandSpielplätze verunzieren, immer wie- lung kann es 35 Euro kosten. der Ärger. Wer hat sich darüber nicht Auch wir in Marzahn Nordwest schon einmal geärgert? möchten saubere Gehwege, GrünWas viele nicht wissen: Hundekot anlagen und Spielplätze haben. Der ist eine Infektionsquelle. So sind Bewohnerbeirat hat deshalb das Prozum Beispiel bis zu zwanzig Pro- jekt „picobello“ erarbeitet und wird zent der Hunde, bei jungen Hunden mit Beginn der warmen Jahreszeit sogar wesendlich mehr, von Spul- 20 Beutelspender im Stadtteil instalwürmern befallen. lieren. Helfen Sie mit, Hunde sollten desdamit unser Stadtteil halb auf Gehwegen, sauberer wird. Unterin Anlagen, auf Liestützen Sie uns bei der gewiesen, KinderRealisierung dieses spielplätzen und Projektes, sprechen ähnlichen von MenSie mit Ihren Nachschen besuchten Orbarn und Hundehalten nicht ihr „Getern. Rolf Palisch, schäft“ verrichten. Wer tritt da gern rein? Mitglied des BBR Verehrte Redaktion, bei Wanderungen durch Hellersdorf achte ich – nicht nur der Orientierung wegen – auch auf Straßennamen. Bei vielen sind mir die Persönlichkeiten, die durch Benennung von Straßen oder Plätzen geehrt werden, wenigstens in allgemeinen Zügen bekannt. Bei gar manchen weiß ich jedoch nicht, wer die betreffenden Namensgeber sind. So werde ich als Bewohner der Carola-Neher-Straße von Bekannten oft gefragt, wer Carola Neher war, und kann eher zufällig sachkundig antworten. Bei Wikipedia im Internet findet man wichtige Informationen über die 1942 in der Sowjetunion unter mysteriösen Umständen verstorbene Schauspielerin. Auch über Tschudi habe ich dort einen Eintrag gefunden. Der Kunsthistoriker Hugo von Tschudi wurde 1902 von Wilhelm II als Direktor der Berliner Nationalgalerie geschasst und ging nach München. Wer aber weiß heute noch davon? Sehr geehrter Herr Kaiser, in der Tat gibt es diese Dokumentation, das „Lexikon Berliner Straßennamen“, herausgegeben vom Luisenstädtischen Bildungsverein. Dort sind im Übrigen nicht nur die aktuellen Straßennamen beschrieben, sondern auch deren frühere Bezeichnungen. Für den früheren Bezirk Hellersdorf gibt es auch eine verdienstvolle Zusammenstellung zum Thema. Hermann Zech: „Straßen im Bezirk Hellersdorf“; erschienen als Nr. 2 der Hellersdorfer Heimathefte, mit einer Einleitung „Zur Geschichte der Straßen und Straßennamen im Bezirk“ von Harald Kintscher und Dieter Winkler. Wir greifen Ihren Vorschlag gern auf und werden in Zukunft eine kleine entsprechende Rubrik in jot w.d. einrichten. Leser, die dafür spezielle Wünsche oder Vorschläge haben, können sich jederzeit an die Redaktion wenden. Wir werden versuchen, diese rasch aufzunehmen. Die Red. Wie man erreicht, dass Hunde überall gern gesehen werden Neujahrswünsche für jot w.d. Ich wünsche ein erfolgreiches, gesundes und glückliches Jahr 2007. Petra Pau, MdB, Bundestags-Vizepräsidentin Haben Sie Dank für die angenehme Zusammenarbeit. Bei all Ihren Vorhaben wünschen wir viel Freude und ein Päckchen Zeit, sie umzusetzen. Rudolf Kujath, Dagmar Neidigk Stadt und Land Wohnbauten Gesellschaft Ein friedvolles und gutes neues Jahr. Möge sich auch 2007 die Gelegenheit zur Zusammenarbeit bieten. Ursula Gobes, GF Mittendrin in Hellersdorf Dank für die angenehme Zusammenarbeit und das uns entgegengebrachte Vertrauen. Gesundheit, Erfolg und persönliches Wohlergehen im Neuen Jahr. Dagmar Pohle, Bezirksbürgermeisterin Petra Wermke, BVV-Vorsteherin Im Zeichen des Neuen Bibliothek schlägt Denkmal für Peter Weiss vor Wie an jedem Jahresende trafen sich die Mitglieder des Vereins zur Förderung der alternativen Bibliothek Hellersdorf e.V. zu ihrer Jahresversammlung. Schon Tradition, gab es am Anfang eine literarische Feinheit. Es wurden Sonette des Vereinsmitglieds Dr. Friedrich Pfefferkorn gelesen, die Schmunzeln hervorriefen, aber die Mitglieder auch zum Nachdenken anregten. Den Mitgliedern des Vereins lag zwar ein exakt ausgearbeiteter Bericht des Vorstandes über die zahlreichen Aktivitäten im Jahr 2006 vor, der von der Vorsitzenden Gisela Peter ergänzt wurde; aber die Vereinsmitglieder hielten sich nicht beim Erreichten auf, sondern setzten sich mit Ideen zur besseren Verwurzelung der Peter-Weiss-Bibliothek im Förderprogramm „Soziale Stadt“ auseinander. Dieses vom Quartiersmanagement Hellersdorfer Promenade getragene Programm wird künftig auch von Bedeutung für Existenz und Perspektiven der Bibliothek an ihrem gegenwärtigen Standort sein. Die vom Vereinsvorstand eingereichten Vorschläge wurden nun auch von der Mit- gliederversammlung bestätigt. Es geht um die Projekte „Lust am Lesen“ und „Erlebte Geschichte im Wohngebiet“ (siehe jot w.d. 11/2006) sowie „Bessere Ausgestaltung des Versammlungsraums in der Peter-Weiss-Bibliothek“. Während der Versammlung wurde überlegt, wie im künftigen Europa-Viertel Leben und Wirken des Malers, Schriftstellers und Theatermanns Peter Weiss gewürdigt werden können, war er doch ein bewusster Europäer. An eine Informationsstelle und sogar an ein Denkmal wurde gedacht. Schließlich sollen nach Planung des Investors viele Touristen ins Europa-Viertel kommen. Diese werden in der Peter-Weiss-Bibliothek zwar kaum Bücher ausleihen, aber auf Peter Weiss sollen sie aufmerksam gemacht werden. Also steht noch viel Arbeit bevor. Aber die engere Verbindung von Bibliothek und Bewohnern des Europa-Viertels, der Gewinn neuer Leser aus dem Bibliotheksumfeld werden die Lust auf Neues im Verein zur Förderung der alternativen Bibliothek Hellersdorf e.V. wecken und wachsen lassen. Siegfried Birkner Alles Gute und viel Erfolg für Euch im neuen Jahr. Kerstin Ehser, Tokyo (ehemals Hellersdorferin) Auch aus Steinen, die in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. – Ein erfolgreiches neues Jahr wünscht das Team des FFM & die GSE gGmbH Danke für die angenehme Zusammenarbeit und das entgegen gebrachte Vertrauen. Lars P. Klemer, PVB Presse Ver trieb Berlin Wir bedanken uns für die gute Zusammenarbeit und freuen uns auf die gemeinsame Arbeit im neuen Jahr. Klaus Mätz, Vors. der SPD-Fraktion Wir wünschen Besinnung auf die wirklich wichtigen Dinge und viele Lichtblicke im kommenden Jahr. Ulrich Ebersbach, Berliner Zeitungsdruck Du weißt, dass du im Jahr 2007 bist, wenn ... jot w.d. 1/2007 1) Du unabsichtlich Deine PIN-Nummer in die Mikrowelle eingibst 2) Du schon seit Jahren Solitär nicht mehr mit richtigen Karten gespielt hast 3) Du eine Liste mit 15 Tel.-Nummern hast, um Deine Familie zu erreichen, die aus 3 Personen besteht 4) Du eine E-Mail an Deinen Kollegen schickst, der direkt neben Dir sitzt 5) Du den Kontakt zu Freunden verloren hast, weil sie keine Email-Adresse haben 6) Du nach einem langen Arbeitstag nach Hause kommst und Dich mit Firmenname am Telefon meldest 7) Du auf Deinem Telefon zu Hause die Null wählst, um ein Amt zu bekommen 8) Du seit 4 Jahren auf Deinem Arbeitsplatz bist, allerdings für 3 verschiedene Firmen 10) Alle Fernsehwerbungen eine Web-Adresse am Bildschirmrand zeigen 11) Du Panik bekommst, wenn Du ohne Handy aus dem Haus gehst und umdrehst, um es zu holen 12) Du morgens aufstehst und erstmal Dein Mailprogramm startest, bevor Du Kaffee trinkst 13) Du den Kopf neigst, um zu lächeln ;-) 14) Du diesen Text liest und Dich gut beschrieben findest 15) Schlimmer noch, Du bereits weisst, wem Du diesen Text weitergibst 16) Du zu beschäftigt bist, um festzustellen, dass in dieser Liste die 9 fehlt 17) Du die Liste jetzt nochmal durchgehst, um nachzuschauen, ob wirklich die 9 fehlt ... ... den Kopf neigst, lächelst ... und diesen Text weiterschickst... Georg Ringsgwandl, Kabarettist Letzte Seite Lupenreine Demokratie unter der Lupe Einst ging man aus freien Stücken zur großen oder kleinen Demo, um für Frieden auf der Welt, Gerechtigkeit für Randgruppen, den Sturz eines Tyrannen oder die Verkehrsberuhigung einer Straße einzutreten. Eine Demo oder Kundgebung lebte von einer authentischen Meinungsäußerung vieler Gleich- und Ähnlichgesinnter auf der Straße. Alle großen Umstürze begannen mit solch zumeist friedlichen Zusammenrottungen: Die Februarrevolution gegen den russischen Zaren vor 90 Jahren ebenso wie die Wende hierzulande vor 18 Jahren mit ihren Keine-Gewalt-Kerzen-Demos. Diese romantischen Zeiten scheinen vorbei: Die Krankenkassen kaufen sich Demo-Ärzte im Weißkitteloutfit, um in Berlin gegen die Gesundheitsreform medienwirksam zu protestieren. Kein Arzt mehr da, der ohne Bezahlung das gleiche für die geliebten Kassen tun würde? Die orangene Revolution in Kiew zahlte an Demo-Teilnehmer schon mal Dollars, um Menschenmassen auf die Straße zu bewegen. Waren da lupenreine Demokraten als Putins westorientierte Widersacher am Werk? Auch die Teilnehmer mancher Gewerkschaftsaktion hierzulande scheinen sehr kräftig aus diversen Aktionskassen gesponsort zu werden. Gibt es zu wenig willige Aufmüpfige? Oder zu abgehobene Bosse, für die immer weniger bereit sind, sich auf langen Marschzügen einen Schnupfen zu holen? Ob für Unternehmeraktionen Tankgutscheine gezahlt werden, um Anreize zu schaffen, etwa für’s Mitmachen bei den in diesen Kreisen typischen Auto-Korsos? Und einige Sportereignisse und so manche Parteitage treiben auch nicht mehr die Begeisterung der Zuschauer in kreischende Dimensionen, sondern ordern zu diesem Zwecke bezahlte Claqueure, auf Amerikanisch Cheerleader genannt. Schwejk denkt da gleich weiter: Ist der Massen-Demonstrant der Zukunft vielleicht ein Billigimport aus Osteuropa oder ein Zeitarbeiter aus HartzIV-Kreisen? Er könnte am Vormittag in Berlin Mitte für die Medien eine gigantische Volksempörung gegen zu hohe Steuern inszenieren, gesponsert by BILD. Am Nachmittag würde er von den Sozis dafür bezahlt, „Mehr Steuern für den Ausbau des Sozialstaats“ zu rufen. Am Abend könnte er dann bei einer ADAC-Großdemo den empörten Autofahrer darstellen, der sich gegen Autobahngebühren für PKW wehrt, um bei den Grünen am nächsten Morgen zu rufen: Mit der Autobahnmaut neue Fahrradwege bezahlen! Wir alle hätten etwas von diesem neuen Job: Weniger Arbeitslose, mehr unterhaltsame Bilder in den Abendnachrichten. Schließlich sollte sich bei Greenpeace auch eine Art Hardcore-Demonstrant anlernen lassen. Er wäre für vorher genau abgesprochene Schlägereien mit der Polizei ausgebildet. Möglich sind auch von CNN live übertragene Attacken auf Seinesgleichen, inszeniert als vermeintlicher politischer Gegner. Ebenso sollte Duschen unter Wasserwerferstrahl gekonnt absolviert werden. Hier wäre freilich die Gage höher und die Anzahl der Akteure begrenzt. Ein willkommener Nebeneffekt: Die von mir vorgeschlagene Ausgestaltung unserer lupenreinen Mediendemokratie würde böse Islamisten, die weiter Vorbehalte gegen westliche Werte hegen, endgültig ins politische Aus katapultieren. Euer Schwejk ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ Bilanz gefälscht? Nein, nicht von den nur wenigen immer mal wieder entdeckten Wirtschaftsskandalen, wie Bestechungen bei Müllverbrennungsanlagen, GammelfleischPraktiken, Siemens-Manipulationsgewohnheiten, manchmal sogar entdeckten Korruptionszahlungen und schwarzen, „brutalst“ unaufgeklärten Parteispenden-“Ehrenworten“ soll hier die Rede sein. Nein, es geht um eine Bilanz, von der wir alle etwas haben: Fünf Jahre nach der Einführung des Euro hat der frühere Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer zu den Weihnachtsfeiertagen die Europäische Währungsunion als Erfolg bezeichnet. Jeder kann bei sich und für sich selbst nun vergleichen, wer recht hat: Er oder Gregor Gysi, der vor der Einführung des Euro sinngemäß sagte, es sei besser, erst das wirtschaftliche Niveau der EU-Staaten einander anzugleichen und erst danach eine einheitliche Währung einzuführen. Für wen besser, oder, wie der alte Lateiner frug: Cui bono, wem nutzt es? Den Millionen oder den Millionären? Beispielsweise hat die Supermarktkette mit der Kaffekanne im Logo gleich nach der Einführung des Euro beispielsweise Bananen statt im amtlich festgelegten Kurs 1: 1,96583 (so wurden damals jedenfalls immer noch funktionstüchtige spezielle Taschenumrecher angeboten) tatsächlich 1:1 verkauft. Und ein in Florida lebender Cousin des Verfassers spottete per E-Mail: „Also bei Euch in Germany haben sie einfach die Buchstaben DM hinterm Preis gestrichen und dieses Euro-Zeichen hinter gemalt. Gratulation!“ Man hat zwar konsequent Löhne, Gehälter und Renten halbiert; doch wie es mit den Preisen weiterging, kann nachlesen, wer etwa die Kataloge diverser Versandhäuser als Zeitdokumente fünf Jahre und länger aufhob. Dazu registriere man, dass die Eigentümer der verschiedensten Großunternehmen (um die schrecklichen Termini von Karl Marx zu vermeiden) mit Hilfe der vielen Beschäftigten Milliarden an Gewinnen in den erwähnten fünf Jahren eingefahren haben. Und trotztem immer wieder darüber frech und ohne Scham in aller Öffentlichkeit über Zehntausende von Entlassungen schwadronieren. Wozu gerade zum Fest der Christen der evangelische Bischof Wolfgang Huber deutliche Worte ausprach. Nun schaue man auf all das, was nicht nur schon in der jüngeren Vergangenheit, sondern erst recht auch als Neujahrs-Zumutungen auf den ewig nur noch geschröpften Bürger zukommt (der allein der politischen Optik wegen nicht mehr Untertan genannt wird): Gas, Wasser, Strom, BSR, Grundsteuer... Alles wird nicht etwa teurer; nein, es wird nur im Preis angehoben! Die erhöhte Mehrwertsteuer betrifft nicht, wie der naive Verfasser annahm, Diejenigen, die Mehrwert anhäufen, sondern den „kleinen Mann“ als Kunden. Zwar war die SPD vor der Bundestagswahl strikt gegen solche Erhöhung, was die CDU unverhohlen forderte. Heute, nach der großen Kapitulation in der Großen Koalition mit der CDU, erhöht sie fleißig mit. Dies ist wohl eine Art Geheimrezept für das nachträgliche Gewinnen einer verlorenen Wahl. Das zweite Rezept solcher Art, zu tun als wäre man wer, ist die plumpe Empfehlung zur Abschaffung der Arbeitslosigkeit: Vier Millionen lassen sich einfach nur die Haare schneiden, waschen und rasieren sich. Auch die Frauen? Scharlatanerie, Hokus Pokus, Simsalabim als Politik? „Na dann, prost Neujahr!“ ruft Martin Wager Gesundes jot w.d.-Preisrätsel 1 O R 2 3 4 A M 5 6 I G 7 8 9 10 N Ü T B L A P F O H A M Ü N Es sind Begriffe mit zehn Buchstaben folgender Bedeutung zu bilden: 1. nicht nur Eichhörnchen sammeln sie (Mz.), 2. hier kann man gesunde Sachen kaufen, 3. er muss in den Korb geworfen werden, 4. ob rot oder weiß – frisch zubereitet schmeckt er am besten, 5. etwas bittere, doch sehr gesunde Südfrucht, 6. in ihm soll man besonders schonend zubereiten können, 7. diese Stäbchen sind giftig und machen süchtig (Mz.), 8. Oberbegriff für geistige Getränke (Mz.), 9. manchmal braucht man es trotz Zuzahlung doch, 10. hohe Auszeichnung für Freizeit-Sportvereine (2 Worte). Die Buchstaben in den markierten Feldern ergeben – neu sortiert – unseren Wunsch für Sie im Neuen Jahr. Schicken Sie Ihre Lösung bis 25. Januar (Datum des Poststempels) an jot w.d., Müllerstr. 45, 12623 Berlin, Kennwort Rätsel und gewinnen Sie einen Jahreskalender „Augen einer Landschaft“, ein „Promi-Kochbuch“ von Daggie Gelbke oder eine CD. Auflösung des Preisrätsels aus jot w.d. 12/2006: 1. Australien, 2. Frostbeule, 3. abstumpfen, 4. Nordafrika, 5. Gleitschuh, 6. Grog mit Rum, 7. Chorwinter, 8. Skifliegen, 9. Schwimmbad, 10. Schneeball. Das Lösungswort lautete: Stalingrad. Die Preise gingen per Post an die Gewinner. Herzlichen Glück- wunsch! ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ 5 Was wir 007 nicht mehr sehen wollen. Foto: Nachtmann