Heft 10 – 2014
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Heft 10 – 2014
Jeanette begeisterte 19. Jahrgang Nr. 10/2014 EVP: 1 Euro Am 20. September feierte die beliebte Einkaufspassage SpreeCenter an der Hellersdorfer Straße ihren 20. Geburtstag. Zu den musikalischen Gästen gehörten auch die Sängerin Jeanette Biedermann und ihre Band „Ewig“, die am Nachmittag auf der Bühne vor dem Center ein Konzert gaben. Foto: Dittmann Inhalt Die Bürgerzeitung aus Marzahn-Hellersdorf Übung schafft Sicherheit Künstler-Serie in jot w.d.: Viele Leser werden sich an Sänger und Musiker ihrer Jugendzeit in der DDR erinnern. jot w.d. berichtet, was aus ihnen geworden ist. Heute: SANDOW. Seite 3 Vergangene Pracht: Der Tag des offenen Denkmals ermöglicht ungeahnte Einblicke. So erfuhr jot w.d., dass der vergammelte Ullrichplatz in Mahlsdorf einst ein prachtvolles Gartenkunstwerk war. Seite 5 Arbeitsam feiern: Anlässlich des 90. Gründungsjubiläums ihres Unternehmens vollbrachten die Mitarbeiter der Wohnungsgesellschaft Stadt und Land „90 gute Taten“, da staunt auch jot w.d. Seite 6 Letzter Walzer: Auf ihrer Abschiedstour nach 45 Jahren Bandgeschichte machte die Dresdner Gruppe „electra“ auch auf der Parkbühne Station. jot w.d. erlebte einen berührenden Abend. Seite 8 Keine Zeit verlieren: Er ist einer der ganz wenigen CDU-Politiker, der auch von Anhängern der Linken gewählt wird. jot w.d. sprach mit dem Abgeordneten Mario Czaja. Seite 10 Gerade weil sie relativ selten sind, treten bei der Bekämpfung von Erdgasbränden schnell Fehler auf. Deshalb betreibt das Kompetenzzentrum kritische Infrastrukturen (KKI) in Mahlsdorf ein technisches Sicherheitszentrum, wo solche Löschmanöver geübt werden können. Nicht nur von Feuerwehrleuten, sondern auch von Ersthelfern in den Firmen. Denn schnell hat bei der regen Bautätigkeit ein Bagger eine Gasleitung leck geschlagen, dann reicht ein Funke und alles steht in Flammen. Wie man in solchen Situationen richtig handelt und dadurch größere Schäden verhindern kann, wird hier trainiert. Foto: Nachtmann Liebe Leser, wohl jeder hat schon einmal den alten amerikanischen Slogan „Only bad news are good news“ gehört. Der sagt, dass sich schlechte Nachrichten weitaus besser verkaufen lassen, als gute. Gute Nachrichten vernimmt man, freut sich kurz und fertig; an schlechten Nachrichten bleibt man dran, will wissen, wie die Sache ausgeht. Neben all den schlechten erhalte ich auch regelmäßig „Die guten Nachrichten“, die auch viel Freude bereiten können. Gefreut hatte ich mich auf eine angekündigte Vorstellung eines neuen Bibliothekskonzeptes. Als ich jedoch zur angekündigten Zeit am angekündigten Ort eintraf, wusste außer mir niemand von diesem Termin. Pech gehabt. Eine andere gute Nach- Gute Nachrichten, schlechte Nachrichten richt hatten wir bereits im Sommer verkündet. Da galt das Versprechen, die Internetübertragung der BVV-Sitzungen in stabile Bahnen zu lenken. Am 4. September sah ich mächtig Technik im Arndt-Bause-Saal des FFM aufgebaut, sie schien auch zu funktionieren. Als ich, die Zeit eines nicht-öffentlichen Sitzungsteils zur Heimfahrt nutzend, zu Hause im Internet die Sitzung weiter verfolgen wollte, kam: Nichts. Eine Nachfrage bei den Piraten einige Tage später ergab, es hätte nach einiger Zeit doch noch funktioniert. Wieder nur Pech gehabt? Voll Vertrauen erwartete ich die Übertragung der BVV-Sitzung am 25. September. Sie ahnen schon was, oder? Genau! Überhaupt die BVV: Bis vor nicht allzu langer Zeit bekamen wir, wie es sich gegenüber der Presse auch gehört, die Sitzungsunterlagen zugesandt, auf Papier, auch elektronisch. Für den 4. September bekamen wir gar nichts. Meine Beschwerde darob bei Vorsteherin Kathrin Bernikas fruchtete nicht, für den 25. September gingen wir erneut leer aus. Ich muss nun annehmen, dass dahinter eine Absicht steckt. Ehe Sie nun aber von solch schlechten Nachrichten völlig verschreckt sind – wir haben eine Zeitung sogar ganz ohne BVV-Material zustande gebracht. Und daher wünsche ich Ihnen erst einmal viel Spaß mit dieser 218. Ausgabe von jot w.d. Ihr Ralf Nachtmann 2 jot w.d. 10/2014 Bilder und Nachrichten des Monats Eine Zeitung ist kein Buch und jot w.d. kein 80-seitiges teures Magazin mit viel bunter Werbung drin. Deshalb ist es am Ende eines jeden Monats wieder so, dass Ereignisse, über die zu berichten wünschenswert ist, keinen Platz mehr finden. Einige dieser Momente haben wir im Bild festgehalten und wollen unseren Herzenswunsch erfüllt Lesern so zumindest Nachricht geben. Egal, ob es sich dabei um den „Großkopfeten“ handelt, dessen Engagement genauso zu würdigen ist, wie das des „Unbekannten aus der Nachbarschaft“. Und dabei sollen auch die „kleinen Dinge“ nicht vergessen werden, denn sie erst machen das Leben vollkommen. Red. Kräuterbier und freche Kunst Gegen Vergessen Die Vorbereitungen für die IGA kommen immer mehr auf Touren. Nicht nur, dass Umweltsenator Michael Müller sich schon einmal testweise in eine Kabine der künftigen Seilbahn setzen durfte, es wurde auch der Berliner Künstler Erik Göngrich als einer von zehn Teilnehmern des „Kunstverfahrens der IGA Berlin 2017“ angeheuert. Er hat bereits eine Postkartenserie mit Fotos und vor allem interessanten Fragen an Menschen hergestellt. Die Mappe wird (hoffentlich) in den Info-Pavillons erhältlich sein. Genauso interessant hört sich das Projekt eine Gruppe junger Holländer an, die im Wuhletal Kräuter sammelten, um daraus ein Kräuterbier zu brauen. Noch muss das Getränk reifen, wir sind aber schon sehr gespannt auf den „Geschmack des Wuhletals“ und hoffen, zur Verkostung eingeladen zu werden. Fotos: Reineke Hellersdorf – Wie in den zurück liegenden Jahren fand auch 2014 das Bürgerfest „Schöner leben ohne Nazis“ am 7. September auf dem Alice-Salomon-Platz statt. An vielen Ständen informierten Vereine, Parteien und Initiativen über ihre Arbeit, luden zum Kosten internationaler Spezialitäten und zu Spiel und Spaß ein. Teil des Kulturprogramms war auch wieder die „Lesung gegen das Vergessen“, die von der Seniorenvertretung und vom Herausgeberverein von jot w.d. bestritten wurde. In diesem Jahr stand die Lesung ganz im Zeichen des 1. Weltkrieges. In drei Runden wurden Soldatenbriefe, u.a. von Bernd Preußer (Foto: Nachtmann), vorgetragen – vom Beginn des Krieges, aus der Mitte und vom Ende. WiFö im Gewerbegebiet Marzahn – Die Wirtschaftsförderung - ZAK (Zentrale Anlauf- und Koordinierungsstelle) des Bezirksamts bezog am 10. September neue Räumlichkeiten im econopark an der Wolfener Straße im Haus K. Auch Wirtschaftsstadtrat Christian Gräff verlagerte sein Büro vom Rathaus nach dort. Im gleichen Gebäude eröffnete Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer am 24. September das Cleantech Innovation Center. RN Aboschein Ja, ich möchte Die Bürgerzeitung aus Marzahn-Hellersdorf jeden Monat erhalten und abonniere die Zeitung zum Jahrespreis von 12 Euro incl. Zustellung, (außerhalb des PLZ-Bereiches 126** 24 Euro) Das Abonnement gilt für ein Jahr und verlängert sich automatisch um ein weiteres Jahr, wenn ich nicht spätestens zwei Wochen nach Erhalt der 12. Ausgabe schriftlich gegenüber dem jot w.d.-Herausgeber kündige. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung. Den fälligen Betrag überweise ich innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt der Rechnung. Mit meiner Unterschrift nehme ich zur Kenntnis, dass ich meine Bestellung ohne Angabe von Gründen innerhalb von 10 Tagen bei der Bestelladresse schriftlich widerrufen kann (rechtzeitige Absendung genügt). Bitte liefern Sie an folgende Adresse: Name:................................................................................... Straße:.................................................................................. PLZ, Ort:............................................................................... Telefon:................................................................................. Datum:.................. Aktuell Unterschrift:..................................... Ausschneiden und per Post an: jot w.d., Müllerstr. 45, 12623 Berlin oder per Fax: 56 20 173 email-Bestellung unter: bestell@jotwede-online.de Für Bürgermeister Stefan Komoß erfüllte sich am 26. September ein Herzenswunsch: Mit Claudia Zinke vom Verein für Sport und Jugendsozialarbeit (VSJ) unterzeichnete er den Nutzungsvertrag für die „Frauensporthalle“ im FFM. Dafür waren einige kleine Änderungen nötig: Übertragung des FFM ins Fachvermögen Schule und Sport, Bereitstellung von 200 000 Euro aus dem Schul- und Sportstätten-Sanierungsprogramm für notwendige Umbauten, Abbügeln aller Kritiker, Ausblenden des beispielsweise erbärmlichen Zustands der Sportanlage Lichtenhainer Straße. Der VSJ hat immerhin so viel Geld, das er mit Lea-Katharina Seid eine Tanzund Erlebnispädagogin (und studierte Sportwissenschaftlerin) als Projektleiterin einstellen konnte. Um die Halle (und die noch dazu kommenden Nebeneinrichtungen im Haus) ab Januar zu füllen, sollen förderungswürdige Sportvereine Hallenzeiten buchen – von Sonntag bis Donnerstag aber nur für ihre Frauen. Mit dem Durchsetzen des weitgehend abgelehnten Projekts empfiehlt sich Komoß in der SPD für höhere Aufgaben, es wartet u.a. ein nicht fertig werdender Flughafen. RN, Foto: Nachtmann jot w.d. entsteht in gemeinnütziger, ehrenamtlicher Arbeit als Bürgerzeitung für Biesdorf, Hellersdorf, Kaulsdorf, Mahlsdorf und Marzahn. Redakteure und Mitarbeiter erhalten dafür kein Entgelt. Die Redaktion freut sich über Ihre Spenden für die Herausgabe dieser Zeitung genauso wie über Ihre Kritiken, Anregungen, Informationen, Briefe, Artikel, Fotos ... So erreichen Sie die Redaktion: Post: jot w.d., Müllerstraße 45, 12623 Berlin Tel.: 56 58 70 99, email: redaktion@jotwede-online.de Im Internet unter www.jotwede-online.de Anzeigenberatung: 0179-6987186 Abo-Verwaltung: Bernd Preußer, Tel. 56 20 173 Spendenkonto IBAN: DE80 1007 0024 0496 6222 00 Vom Finanzamt anerkannte Spendenquittungen werden auf Wunsch ausgestellt und zugesandt. Die nächste Ausgabe von jot w.d. erscheint am 6. November 2014 Redaktionsschluss: 28. Oktober 2014, Anzeigenschluss: 30. Oktober 2014 IMPRESSUM jot. w. d. Die Bürgerzeitung aus Marzahn-Hellersdorf Herausgeber: Verein zur Unterstützung öffentlicher Diskussion am nordöstlichen Stadtrand e. V. Anerkannt gemeinnützige Körperschaft Müllerstraße 45, 12623 Berlin, Telefon: 56 58 70 99, Email: redaktion@jotwede-online.de Redaktion: Ingeborg Dittmann, Ulrich Clauder, Ralf Nachtmann (Leitung, Gestaltung und Produktion) Ständige Autoren: L. Schuchert, H. Sandow, D. Neidigk, H. Stehling Anzeigenleitung: Ralf Nachtmann, Tel. 0179-6987186, Abo-Verwaltung: Bernd Preußer, Tel. 56 20 173 Druck: BVZ, www.berliner-zeitungsdruck.de Erscheinungsweise: monatlich; Verkaufspreis 1 Euro; Abo-Preis: 1 Euro, Rechtsanspruch auf Belieferung haben nur Abonnenten Nächste öffentliche Redaktionssitzung: voraussichtlich Freitag, 24. Oktober, Ort und Zeit bitte telefonisch erfragen Die Redaktion behält sich das Bearbeiten von Beiträgen vor. Keine Haftung für eingesandte Beiträge und Fotos. Namentlich gezeichnete Beiträge stimmen nicht in jedem Falle mit der Meinung der Redaktion überein. Vereins- und Spendenkonto: IBAN: DE80 1007 0024 0496 6222 00 Leute jot w.d. 10/2014 Zuweilen umstritten, stets geachtet Dr. Heinrich Niemann wird 70 Der Facharzt für Sozialmedizin und Umweltjournalist trat nach der Wende in die Hellersdorfer Politiklandschaft ein. Ich lernte ihn kennen, als er sich in Kaulsdorf Süd an der Seite der Bürgerinitiative vehement gegen die Fällung der Alten Eiche stemmte, da war er noch linke Opposition. Wir kritisierten ihn hier auf den Seiten der Bürgerzeitung sehr deutlich, als er mehr als ein Jahrzehnt die bezirkliche Verantwortung für die „ökologische Stadtentwicklung“ trug und einer Verwaltung vorstand, die – aus unserer Sicht nicht zu rechtfertigende – Baumfällungen zuließ. Er kam in einen unserer Aufmacher (Abb.), als er ganz oben war: Im Wind auf dem Kienberg stehend versicherte er oder sein Nachfolger Norbert Lüdtke von der Linken kam er in all den Jahren allenfalls beim Wintersport in seiner Freizeit ernsthaft ins Straucheln. Und so bleibt er bis zum heutigen Tag ein gefragter Moderator, Gesprächspartner und Konfliktschlichter. Der ausgewiesene „Experte für kommunalpolitische Netzwerklösungen“ hat nach wie vor in der Hellersdorfer Großsiedlung sein Zuhause. Der sich im benachbarten Biesdorf nicht nur irgendwie um den schwierigen Wiederaufbau des dortigen Schlosses verdient gemacht hat, sondern mit der „Stiftung OST-WEST-Begegnungsstätte“ maßgeblich dazu beitrug. Einer, der mit dem „Verein der Freunde der Gärten der Welt“ die Vorbe- nach der Bezirksfusion mit Marzahn in diesem Blatt: Der beliebte Ausguck wird entgegen anderslautender Beschlüsse weiterhin frei zugänglich bleiben! Für den beherzten und stets konfliktreichen Stadtumbau in der Großsiedlung erntete er nicht nur Beifall. Bei so viel Engagement kein Wunder, wenn ab und zu kräftiger Gegenwind ins Gesicht weht. Er suchte also offenbar als Politiker häufig den Platz zwischen den berühmt-berüchtigten Stühlen. Doch anders als sein Vorgänger Klaus Doremühl von der SPD reitungen zur Internationalen Gartenbauausstellung 2017 mit wachem Auge begleitet. Der als Bezirksverordneter der Linken wegen seiner großen Erfahrungen und seiner Sachkunde quer durch die Parteien und über die Parteigrenzen hinaus hoch geachtet ist. Der jetzt statt Geburtstagsblumen um Geld für seinen „Pad.e.V. Eltern und Jugendliche gegen Drogenmissbrauch“ bittet. Denn Dr. Heinrich Niemann wird im Oktober siebzig. Herzlichen Glückwunsch, lieber Heiner! Uli Clauder Cott’n lud zur Party Am 24. September feierte Henry Kotowski, Chef der „Sputniks“, seinen 70. Geburtstag. Man sieht es dem Sänger und Gitarristen nicht an, aber schließlich gabs ja unlängst auch schon den 50. Bandgeburtstag einer der ersten „Beatgruppen“ der DDR. Cott’n, wohnhaft in Mahlsdorf Süd, fand für die Fete quasi gleich um die Ecke eine passende Örtlichkeit – den Saal vom Kleintierzüchterverein an der Birken-, Ecke Eichhorststraße. Der reichte gerade aus, um Verwandte, Bekannte, Freunde und Musikerkollegen wie Hugo Laartz (Modern Soul Band), Peter Pabst (Jonathan Blues Band), Biene Albrecht (Country Delight), den Jazzmusiker Conny Bauer und ehemalige und heutige Mitstreiter der Sputniks begrüßen zu können. Standesgemäß natürlich mit Live-Musik vom Feinsten. Foto: Dittmann 3 Musiklegenden des Ostens – jot w.d.-Serie, Teil 119 In der Juli-Ausgabe 2004 begannen wir, Künstler vorzustellen, die in der Jugendzeit vieler unserer Leser – also in den 50er, 60er, 70er und 80er Jahren – Schlagzeilen machten. Wie geht es den Publikumslieblingen von einst heute? jot w.d. traf viele von ihnen. Wir setzen unsere Serie in dieser Ausgabe mit der Gruppe SANDOW, einer der „anderen Bands“ fort. SANDOW Immer noch anders als die Anderen Eine Gruppe von Musikern haben wir in unserer Serie bisher noch nicht zu Wort kommen lassen: die so genannten „anderen Bands“, die Ende der 1980-er Jahre vor allem in größeren Städten quasi im „underground“ entstanden – will sagen, unabhängig von der Förderung staatlicher Organisationen oder Medien. Zumindest anfangs. So ab 1988 nahmen auch zunehmend die Medien von ihnen Kenntnis – Rundfunk, Musikzeitschriften, selbst Amiga. Sie nannten sich DekaDANCE, AG Geige, Mixed Pickles, Herbst in Peking, Skeptiker, Die Vision, Die Art, „die anderen“, Feeling B oder WK 13. Der abendfüllende Dok-Film „flüstern und SCHREIEN“ (Oktober 1988) gab ungeschminkt wider, was die Musiker und ihr immer größer werdender Fankreis in dieser „Endzeitstimmung“ im Lande bewegte. Wie WK 13 kam auch eine junge Band Namens SANDOW aus Cottbus. Alles angefangen hatte in den Kellern des PlattenbauViertels Sandow in Cottbus. Die 13-jährigen Schüler Kai-Uwe Kohlschmidt und Chris Hinze wollten Musik machen. Keinen Pop, langweiligen Rock oder irgendwas Etabliertes. Punk war das Stichwort, aber irgendwie war der ihnen zu primitiv. Sie spielten (damals noch ohne offizielle Einstufung) auf Betriebsfesten, fuhren über die Dörfer, mal kamen 20 Besucher, mal 200. Bald waren sie fünf – zu Kohlschmidt (Gitarre, Gesang, Komposition, Text) und Hinze (Gitarre, Gesang) kamen Jeanette Petersen (Keyboard, Gesang), Tilman Fürstenau (Bass), Dirk Patsch, später Tilmann Berg (Schlagzeug) – Baufacharbeiter, Gymnasiasten, Kfz-Schlosser und Textilfacharbeiterin. Noch heute, nach mehr als 30 Jahren, spielt SANDOW in der Besetzung Kohlschmidt, Fürstenau, Hinze und Berg. Jo Fabian ist für Licht und Video zuständig. Mit Songs wie „Schweigen & Parolen“, „Harmonie & Zerstörung“ und „Born in the G.D.R“ wurden sie schon bald zum Geheimtipp in der Szene. Vor allem „Born in the G.D.R.“, eine Replik auf das Springsteen-Konzert in Weißensee, wurde zur SANDOW-Hymne (Jetzt, jetzt lebe ich/ Jetzt, jetzt trinke ich/ Jetzt, jetzt stinke ich/ Jetzt, jetzt rauche ich/ Jetzt, jetzt brauch ich dich/ Wir bauen auf und tapezier’n nicht mit/ Wir sind sehr stolz auf Katarina Witt). In dieser Serie erschienen bisher: Heinz-Jürgen Gottschalk, Ingo Graf, Mary Halfkath, Hans die Geige, Michael Hansen, Monika Hauff/Klaus-Dieter Henkler, Monika Herz, Jörg Hindemith, Ruth Hohmann, Andreas Holm & Thomas Lück, Lutz Jahoda, Dieter Janik, Uwe Jensen, Erhard Juza, Karat, Karussell, Barbara Kellerbauer, Britt Kersten, Jürgen Kerth, Herbert Klein, Helmut Kluwe, Zsuzsa Koncz, Jiri Korn, Henry Kotowski & Die Sputniks, Horst Krüger, Thomas Kurzhals, Aurora Lacasa, Reinhard Lakomy, Anke Lautenbach, Klaus Lenz, Lift, Wolfgang Lippert, Angelika Mann, Gisela May, Achim Mentzel, Sandra Mo & Jan Gregor, Gerti Möller, Gruppe MTS, Gaby Munk & Ingo Krähmer, Gerd Natschinski, Thomas Natschinski, Roland Brigitte Ahrens, Rosemarie Ambé, Julia Axen, Franz Bartzsch, Arndt Bause, Olaf Berger, BERLUC, HansJürgen Beyer, Hansi Biebl, Holger Biege, Dieter Birr, Helga Brauer, Uschi Brüning, Ralf Bursy, Gerd Christian, City, Tamara Danz, Kurt Demmler, Stefan Diestelmann, Dieter Dornig, Walter Eichenberg, Hartmut Eichler, electra, Engerling, IC Falkenberg, Ina-Maria Federowski, Günther Fischer, Veronika Fischer, Franke-Echo-Quintett, Dagmar Frederic, Maja Catrin Fritsche, Arnold Fritzsch, Fred Frohberg, Rainer Garden, Gitte & Klaus, Günter Gollasch, Peter Gotthardt, Dass ein Kollege von „Horch und Guck“, offenbar des Englischen unmächtig, nach einem Konzert in Doberlug-Kirchhain den Song als „Bohren in der DDR“ weiter meldete, birgt schon etwas Skurriles. Kam es doch der Wahrheit ziemlich nahe. Im November ‘89 erhielt die Band den 1. Preis beim Senatsrockwettbewerb in Westberlin, 1990 kam die LP „Der 13. Ton“ heraus (Harmonie & Zerstörung, Mania, Amuck in Boredom, Happy House, Der 13. Ton), dann „Stationen einer Sucht“ und „Kiong“ (2007). SANDOW tourte u.a. mit Rio Reiser und den Toten Hosen. Kompositionen für Hörspiele und Theater folgten, Performances wie „Aufbruch und Aufruhr“ oder NGOMA mit dem Maler Hans Scheuerecker, eigene Stücke wie „KänGURU“ 1991 an der Neuen Bühne Senftenberg. Ende der 1990-er löste sich die Band auf, kam dann wieder zusammen. In diesem Frühjahr erschien ihre Biografie „SANDOW. 30 Jahre zwischen Harmonie und Zerstörung“ von Ronald R. Klein, mit ihrer neusten Hörspiel-CD „Im Feuer“. Kohlschmidt soll in diesem Hörspiel die Anfänge noch einmal aufleben lassen. Ich habe die Scheibe noch nicht gehört. Aber was die Anfänge von SANDOW Mitte der 1980-er Jahre angeht – da könnte ich auch noch ein paar Erinnerungen beisteuern. Wie es der Zufall will, stieß ich vor kurzem in meinem ziemlich unaufgeräumten Archiv auf einen Brief von Kai-Uwe, handgeschrieben natürlich, aus dem Jahr 86. Kai-Uwe, damals 17, legte uns (der Redaktion vom „neuen leben“) in rührend bescheidener Art seine Band ans Herz. „Das soll eine Art Hilferuf sein. Denn wir kommen uns ziemlich verlassen vor hier in Cottbus“, schrieb er. Und dann, neben vielen anderen klugen Sätzen: „Gerade die Sprache, die Kommunikation zwischen Band und Publikum durch Texte, halte ich für das wichtigste. Wir spielen ja nicht, damit sich Leute im Lärm abreagieren, sondern um uns mit ihnen zu ‘unterhalten’.“ Ingeborg Dittmann Abb.: SANDOW 1985, Die Platte von 1990, SANDOW am 14. Mai 2014 beim dt-64-Festival im Kino Babylon. Fotos: privat, Förster Neudert, Omega, Peter Paulick, Ines Paulke, Jenny Petra, Eva Maria Pieckert, Die Prinzen, Die Puhdys, James W. Pulley, Thomas Putensen, Ingrid Raack, Brigitte Rabald-Koll, Reform, Gaby Rückert, Christian Schafrik, Fred Schmidt, Sonja Schmidt, Vera Schneidenbach, Frank Schöbel, Christel Schulze, Hartmut Schulze-Gerlach, Sonja Siewert & Herbert Klein, Silly, Sven Simon & Pallas Band, Reiner Süß, Dina Straat, Theo-Schumann-Combo, Tina, Regina Thoss, TRANSIT, Christiane Ufholz, Siegfried Uhlenbrock, Bärbel Wachholz, Jürgen Walter, Peter Wieland, Harald Wilk, Alfons Wonneberg, Pascal von Wroblewsky, Petra Zieger, Wolfgang Ziegler. 4 jot w.d. 10/2014 Unternehmer-Frühstück im KulturGut Marzahn – Owus und Die Linke laden am 24. Oktober, 9 Uhr, zum Unternehmer-Frühstück in das KulturGut, AltMarzahn 23, ein. Zu Gast ist Christa Bertag, die Anfang der 1990-er Jahre als engagierte Streiterin für den Erhalt von Berlin-Kosmetik in der Bitterfelder Straße bekannt wurde. Sie wird über ihre Erfahrungen aus mehr als 40 Jahren leitender Tätigkeit in der Wirtschaft zweier Gesellschaftssysteme berichten. Christa Bertag, geboren 1942, leitete ab 1986 als Generaldirektorin das Kosmetikkombinat Berlin. Anschließend besteht bei Schmalzstullen und Gurken die Möglichkeit zum Gedankenaustausch. Interessenten sind herzlich eingeladen. Öffentlicher Foto-Stammtisch Feiern, Schlemmen, Informieren Herbstfeste in den Bürgergärten des Bezirks Marzahn/Hellersdorf – Am 20. September hatten die Interkulturellen Gärten in der Golliner Straße in Marzhan Nord die Bewohner zum Herbstfest eingeladen. Auf dem mit Ballons und Girlanden geschmückten Gelände wurden den Besuchern die diesjährigen Erzeugnisse der Gärtner präsentiert. Es gab auch die Möglichkeit, sie gegen eine kleine Spende an den Verein zu erwerben. Bei einer Führung durch die Gärten und die Ausstellung zu Geschichte und Entstehung der Interkulturellen Gärten in Marzahn Nord, die Alexander Reiser und Harald Zentner als Gründer und Pächter der ersten Stunde anboten, konnten sich Interessierte über viele Facetten informieren. Ein Kulturprogramm (u.a. mit der Gesangs- gruppe von Vision e.V.), Spielund Bastelangebote für Kinder und nicht zuletzt das Kulinarische – es gab russische Spezialitäten wie Pirogen und Apfel- und Pflaumenkuchen sowie Süßigkeiten zu Tee und Kaffee – rundeten das Fest ab. Das Projekt „Interkulturelle Gärten“ wurde 2005 von Bezirksamt, Lokaler Agenda und Akteuren vor Ort (u.a. Vereinigung der Aussiedler und Verein der Migranten aus Vietnam) erarbeitet und umgesetzt. Die Hauptidee war dabei, mit dem Aufbau und dem Betreiben eines gemeinsamen Gartens Menschen verschiedener Herkunft (einheimische Deutsche, Spätaussiedler aus der GUS sowie Migranten aus Vietnam und dem ehemaligen Jugoslawien) zu- Marzahn – Am 21. Oktober, 19 Uhr, lädt die Gesellschaft für Fotografie zu ihrem 38. öffentlichen Foto-Stammtisch ins Foyer im Obergeschoss des FFM ein. Im Mittelpunkt des Abends soll die Teamausstellung zum Thema Architektur stehen. Eintritt frei. ID Zu Fuß von Venedig nach Dänemark Hellersdorf – „2000 Kilometer zu Fuß von Venedig nach Dänemark“ – selbst gelaufen und erlebt von Hans Döring. Zu einem interessanten Erlebnisbericht über Länder und Leute aus persönlicher Perspektive lädt das Stadtteilzentrum Hellersdorf-Ost, Albert-KuntzStraße 58, am 8. Oktober, 14.30 Uhr, ein. Eintritt: 2,50, Kaffeegedeck 1,50 Euro, Anmeldung Tel. 99 49 86 91. RN Singen macht Laune Marzahn – Am 8. Oktober laden Carola Röger (Moderation) und Ulrich Wilke (Klavier) wieder zum gemeinsamen Volkslieder-Singen in das Restaurant des Seniorenzentrum Landsberger Tor, Blumberger Damm 158, ein. Motto: „Der Herbst macht Blätter bunter“. Beginn 15 Uhr, Eintritt 2 Euro. Die Texte liegen vor. I.D. Parkweg beleuchtet Marzahn – Anwohner, Eltern und ansässige Einrichtungen haben immer wieder angeregt, den Weg zwischen Ludwig-RennStraße (Höhe Terrassenhaus) und Straßenbahnhaltestelle „Bürgerpark Marzahn“ auszubauen und zu beleuchten. Viele Menschen, insbesondere Schulkinder, nutzen täglich den Weg durch den Bürgerpark. Gerade in der kalten Jahreszeit ist dieser unbeleuchtete „Schulweg“ nicht ungefährlich. Im Rahmen der Initiative „Aktionsraum plus“ wurde er nun neu angelegt und mit Beleuchtung ausgestattet. -wp Großsiedlung Ob Gemüse oder Blumen – die Gärten bieten viel Gutes. Fotos: Reiser sammenrücken zu lassen und die Kommunikation unter ihnen zu fördern. Die 23 Parzellen im Garten werden heute gemeinsam von ihnen bewirtschaftet, hinzugekommen sind Bewohner aus Rumänien. Ein weiteres herbstliches Nachbarschaftsfest wird am 11. Oktober, 14 bis 18 Uhr, im Bürgergarten „Helle Oase“ an der Tangermünder Straße 127-129 in Hellersdorf gefeiert. Auf dem Programm stehen u.a. Drachenbau, Naturbasteleien, Familien- und Kinderflohmarkt, Verkehrsparcours und -quiz, Spielzeugbasar, Bewegungsspiele sowie die Siegerehrung des BalkongemüseWettbewerbs „Tomatototal“. Der Bürgergarten „Helle Oase“ mit selbst gebauten Hochbeeten zum gemeinschaftlichen Anbau von Gemüse, Kräutern und Blu- men, einer im vergangenen Jahr angelegten Streuobstwiese, einem viel besuchten KleinkinderSpielbereich sowie Streetsocceranlage und Boulebahnen ist seit 2012 auf einer rund 4000 Quadratmeter großen Stadtbrache nach Ideen von Bürgerinnen und Bürgern mit deren tatkräftiger Unterstützung entstanden. Das Gartenprojekt orientiert sich an den Prinzipien der Permakultur. Ursprünglich für die Landwirtschaft entstanden, umfasst dieses Konzept inzwischen auch Bereiche wie Energieversorgung, Landschaftsplanung und Zusammenleben. Grundprinzip ist ein ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltiges Wirtschaften zum Wohle von Mensch und Natur gleichermaßen. Alexander Reiser Petra Strachowski So lang wie möglich in eigenen vier Wänden 500. aktive Teilnehmerin der sozialen Personenbetreuung begrüßt Marzahn-Hellersdorf – Die 87Jährige Friedlieb Anklam ist die 500. aktive SOPHIA-Teilnehmerin. SOPHIA, das steht für „Soziale Personenbetreuung – Hilfen im Alltag“ und unterstützt ältere Menschen in Berlin und Brandenburg. Friedlieb Anklam wohnt in einem degewo-Seniorenwohnhaus. Hier werden bereits viele Betreuungsleistungen angeboten, doch die Seniorin möchte zusätzlich mehr Sicherheit in ihrer Wohnung. SOPHIA ermöglicht das beispielsweise mit einem Notrufarmband. Das Projekt wurde 2007 von degewo und STADT UND LAND gestartet. „Unsere Mieter wollen, so lange es möglich ist, in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben. Selbstbestimmt zu leben, ist für viele ältere Menschen enorm wichtig. SOPHIA hilft dabei“, sagt degewo-Vorstandsmitglied Frank Bielka. Teilnehmer von SOPHIA leben im Durchschnitt mindestens zwei Jahre länger Zuhause. Bei dem Angebot können Mieter zwischen verschiedenen Servicepaketen auswählen, die zwischen 16,90 und 43,90 Euro monatlich kosten. Die Pflegekassen zahlen bei Vorliegen der entsprechenden Pflegestufe einen Zuschuss. Angeboten wird beispielsweise ein Funkarmband, das Alarm auslöst, wenn es über längere Zeit nicht bewegt wird. Wenn der Träger beispielsweise bewusstlos geworden ist, wird eine rund um die Uhr besetzte Notrufzentrale benachrichtigt, die dann wieder- um die Angehörigen informiert oder einen Arzt vorbeischickt. Jeder Nutzer hat zudem einen persönlichen Ansprechpartner. SOPHIA-Geschäftsführer Rudolf Kujath sagt: „Vor allem die regelmäßigen Kontakte der über 35 ehrenamtlichen Telefonpaten Die 87-Jährige Friedlieb Anklam ist die 500. aktive Teilnehmerin bei dem Betreuungsdienst SOPHIA. Es gratulierten (v.r.n.l.) degewo Vorstandsmitglied Frank Bielka, SOPHIA-Geschäftsführer Rudolf Kujath und Jörn Richters vom degewo Kundenzentrums Nord. werden überaus geschätzt. Sie sind Gesprächspartner, Ratgeber und Vermittler von Dienstleistungen. Sie helfen gegen Isolation und Vereinsamung und unterstützen dadurch die eigene Haushaltsführung.“ SOPHIA hat seit Gründung in Berlin fast 1000 Teilnehmer betreut. Das Kerngeschäft wird ergänzt durch unterschiedliche Dienst- und Beratungsleistungen, die sich in den vergangenen Jahren neu oder weiter entwickelt haben. So bietet das Projekt auch konkrete und direkte Hilfeleistungen im Haushalt an, berät bei Antragstellungen und unterstützt Mieter bei Baumaßnahmen von Wohnungsunternehmen. SOPHIA ist u.a. Mitglied in der „Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung e.V.“ und berät Senioren und Menschen mit Einschränkungen bei nötigen Veränderungen in der Wohnung. So hat sich das Angebot als kompetenter Ansprechpartner sowohl für die unmittelbar Betroffenen als auch für Wohnungsunternehmen etabliert und ist als „Sozialer Dienstleister im Bereich des Wohnens im Alter“ EU-weit als innovatives und erfolgreiches Konzept anerkannt. L. Ackermann Kleinsiedlung jot w.d. 10/2014 5 Ein vergessenes Gartenkunstwerk Zwischen Akazienallee und Wilhelm-Bloss-Straße war einst ein prächtiger Stadtplatz Mahlsdorf – Man sieht es ihm heute nicht mehr an, aber der Ullrichplatz in Mahlsdorf Süd war einst ein kleines blühendes Paradies, ein so genannter Stadtplatz, wie er zumindest außerhalb der Berliner City kaum noch einmal anzufinden war. Doch das ist lange her. Angelegt um 1907, als die Besiedlung von Mahlsdorf Süd begann, entstand zwischen 1925 und 29 auf der 8500 Quadratmeter großen Fläche nach Plänen des ersten Großberliner Gartenbaudirektors und Landschaftsplaners Erwin Barth ein wahres Schmuckstück. Barth, Schöpfer zahlreicher Berliner Plätze (Savignyplatz, Volkspark Jungfernheide, Franz-Hals-Platz in Mahlsdorf Nord), der nach dem Machtantritt der Nazis 1933 den Freitod wählte, gestaltete den Platz nicht nur nach ästhetischen, sondern auch nach funktionalen Aspekten. Fern des Repräsentationsgedankens anderer Plätze dieser Zeit, war er für die Erholung ärmerer Bevölkerungsschichten gedacht, die sich kei- nen eigenen Garten leisten konnten. Deshalb wirkte der Platz nach Außen hin abgeschlossen, wie ein großer Garten. Den „Zaun“ bildeten ansteigende, mit Stauden und Bodendeckern reich bepflanzte Hänge. Phlox, Rittersporn, Funktien und Astern ergänzten das prächtige Bild, wie alten Fotos aus den 1930-er Jahren zu entnehmen ist. Auf der Umwegung wurden Gleditschien gepflanzt, aus den USA stammende, sommergrüne Bäume, die bis zu 20 Meter hoch werden. Der Stamm ist Dornen bewehrt, die bis zu 30 cm lang werden (was oft zu der Bezeichnung „Falscher Christusdorn“ führt). Ende Oktober bekommen die Blätter eine schöne goldgelbe Färbung. Der angestrebten Funktionalität ist auch die Dreiteiligkeit des Platzes geschuldet, etwa der Spielbereich an der Nordseite mit Sandkasten, der Ruhebereich mit Bänken und Platanengruppen an der Südseite. Breite Treppen aus Rüdersdorfer Kalk führten von beiden Seiten in die Mitte des Platzes, der heute als Fußball- Und so erbärmlich sieht der Platz heute aus. Fotos: Dittmann erfüllte sich in all den Jahren nicht, Geld für ein neues Geländer blieb angesichts der klammen Kassenlage und anderer wichtiger Aufgaben im Bezirk ein frommer Wunsch. Das Bezirksamt hat die Idee unterstützt und die verbogenen Geländerteile entfernt. Aus Spenden der Mitglieder der Ba- Biesdorf – Am 18. Oktober geht ab 14 Uhr der 23. Internationale Musik-Videoclip-Wettbewerb über die Bühne des Theater am Park, Frankenholzer Weg 4. Hierbei geht es um nichtkommerzielle Filmemacher. Der Eintritt ist frei. Infos und Teilnahmevoraussetzungen www.fivia.de. I.D. Kabarett Schwarz-Rot-Geld Marcus Weiß zeigt Grundrisse vom Ullrichplatz aus den 1930-er Jahren. wiese, zuweilen auch für kleine Siedlungsfeste genutzt wird. Im 2. Weltkrieg wurde der Platz zerstört, Schützengräben wurden ausgehoben. Die schönen Blumenbeete wurden nicht wieder angelegt, Geld für die Pflege fehlte. Auch zu DDR-Zeiten war dem einstigen Gartenkunstwerk ein eher bescheidenes Dasein beschieden. Der Mittelplatz wurde um ca. 25 cm aufgeschüttet und als Sportfläche genutzt. In den 1980-er und 90-er Jahren gab es immer wieder Ideen von Anwohnern und Mahlsdorfer Bürgern, den Platz wieder ansehnlicher zu gestalten. In der Festschrift zum 650. Jahrestag von Mahlsdorf von 1995 ist gar von einer geplanten Rekonstruktion die Rede. Doch wenn mal Geld in den öffentlichen Kassen war, dann kam das meist den beiden Großsiedlungen zugute, wo es inzwischen eine ganze Anzahl prächtiger Stadtund Spielplätze gibt. Das wissen besonders die „Süder“. Immerhin wurde der Ullrichplatz, der übrigens nach einem Mahlsdorfer Anwohner benannt wurde und im Volksmund auch Bülow- platz hieß, 1995 zum „Gartendenkmal“ erhoben und steht auf der Denkmalliste des Landes Berlin. Wer sich davon nach Mahlsdorf locken lässt, wird arg enttäuscht sein über das, was er auf dem Ullrichplatz vorfindet. Bezahlt und personell bewältigt werden kann seit Jahren nur ein grober Rückschnitt, etwa der Gleditschien (wegen der Verletzungsgefahr durch die Dornen und der Verkehrssicherungspflicht) und zwei Mal im Jahr Rasenmähen. Könnte man nicht wenigstens noch einige Bänke aufstellen und den Wildwuchs, vor allem im südlichen Teil, entfernen? Landschaftsplaner Marcus Weiß, der sich als Mahlsdorfer und Denkmalpfleger mit der Geschichte des Platzes befasst hat und Interessenten am 14. September über den Platz führte, gefällt dieser Zustand gar nicht. Auf Basis einer Bürgerinitiative sei im Frühjahr 2015 eine Parkpflegeaktion angedacht, berichtet er. Und noch in diesem Herbst soll eine Info-Tafel aufgestellt werden. Immerhin ein Anfang. Ingeborg Dittmann Fleißige Bürger beim Aktionstag für ein schönes Berlin Biesdorf – Für den 12. und 13. September waren die Bürger von Berlin zur Beteiligung am „Aktionstag für ein schönes Berlin“ aufgerufen. Auch im Bezirk Marzahn-Hellersdorf wurden von Bürgern einige Aktivitäten organisiert. Man brauchte beispielsweise in Biesdorf nicht lange suchen, um ein nützliches Betätigungsfeld zu finden. Auf Initiative der Basisgruppe 59 der Partei Die Linke entstand der Vorschlag, das Absperrgeländer zwischen dem Vorplatz des S-Bahnhofes Biesdorf und dem Parkplatz vor den Schranken gegenüber der Gaststätte „Paule“ zu streichen. Seit ewigen Zeiten rostet es braun vor sich hin, und dann hatte auch noch ein „verwegener“ Autofahrer seine Spuren hinterlassen. Die Hoffnung, das hohe Unkraut würde das Geländer grün verdecken, VideoclipWettbewerb im TaP sisgruppe wurde Material gekauft und mit drei Leuten ging es am 12. September ab 10 Uhr zur Sache. Das Unkraut war bald mit einer Handsense gemäht und zusammengeharkt, das Geländer gereinigt und von grobem Rost befreit. Danach konnte der erste weiße Farbanstrich aufgetragen werden. Um ein einwandfreies Farbbild zu erreichen, musste einen Tag später ein zweites Mal gestrichen werden. Nun strahlt das alte Geländer in neuem Glanz und kann so ruhig noch ein paar Jahre stehen, den Aktiven und allen Biesdorfer Bürgern zum Nutzen. Claas Reise Biesdorf/Marzahn – Mit Berliner Herz und Schnauze geht es zu im Kabarettprogramm mit Klaus Zeim und Manfred Rupp (ehemals „Kneifzange“). Das bekannte Berliner Kabarett, gegründet 1955, hatte im Oktober 2011 seinen Spielbetrieb eingestellt. Ehemalige Ensemblemitglieder sind aber weiterhin auf Tour und erfreuen ihr Publikum mit satirischen Bestandsaufnahmen der politischen Situation der „chaotischen Republik Deutschland“, wie der Ankündigung des Programms „Schwarz – Rot – Geld“ zu entnehmen ist. Zu erleben am 26. Oktober, 15 Uhr, im Theater im Park, Frankenholzer Weg 4, Eintritt 10 Euro (Karten Tel. 37 30 82 21) sowie am 31. Oktober, 20 Uhr, in der Studiobühne des FFM, Eintritt 16 Euro, Karten Tel. 542 70 91. I.D. Tanz in den Herbst Biesdorf – Am 11. und am 25. Oktober kann jeweils ab 14.30 Uhr wieder das Tanzbein im TaP, Frankenholzer Weg 4, geschwungen werden. Die LiveMusik kommt von „The Voices“ und Hartmut Haker. Eintritt 7,50 Euro. Einsichten einer Sechzigjährigen Mahlsdorf – Die Philosophin und Heilpraktikerin Christine Eschenbach, in Thüringen geboren, meint: „Erst seit ich in Mahlsdorf lebe, braucht meine Seele nicht ständig im Thüringer Wald aufzutanken, um gesund zu bleiben.“ Am 17. Oktober, 16 Uhr, stellt sie im Café Mahlsdorf, Hönower Straße 65, ihre CD und Broschüre „Einsichten einer Sechzigjährigen“ vor. Über die Herbstzeit eines Menschenlebens und mehr spricht sie und wird ihre Lieder anstimmen – vom Baum, der sich wandelt oder vom Ochs in uns, der sich vor einen Karren spannen lässt. RN Kleintierschau Die Arbeiten zur Verschönerung haben sich gelohnt, wie dieser Vorher-Nachher-Vergleich zeigt. Fotos: Reise Kaulsdorf – Am 18. und 19. Oktober veranstaltet der Kleintierzuchtverein Kaulsdorf-Süd an der Eichhornstraße 8a seine traditionelle Kleintierausstellung mit ca. 120 Rassekaninchen und 80 Geflügel. Geöffnet Sbd 9-17.30, So 9-14 Uhr, Info Tel. 747 82 393. RN 6 jot w.d. 10/2014 Links & rechts der Wuhle Gute Taten tun tut auch den Tätern gut Mitarbeiter von Stadt und Land begehen 90. Betriebsjubiläum mit 90 guten Taten Hellersdorf – Am 7. Juli konnte das städtische Wohnungsunternehmen Stadt und Land seinen 90. Gründungstag begehen. Doch schon zu Jahresbeginn war den Mitarbeitern klar: Statt einer tollen Firmenparty wollen sie aus diesem Anlass sich auf den sozialen Gründungsgedanken (für Minderbemittelte gesunde Kleinwohnungen mit Dauergärten zu billigen Preisen schaffen) besinnen und eine große Ehrenamtsaktion starten. „90 gute Taten“ hieß das ehrgeizige Ziel. Von Anfang März bis Ende September lief die Jubiläumsaktion. Besonderes Augenmerk sollte den Kiezen, in denen die Mieter des städtischen Unternehmens zu Hause sind, gelten. Also Neukölln, Tempelhof-Schöneberg, TreptowKöpenick und Hellersdorf. Im Fokus standen die Bereich Bildung, Integration, Soziales, Nachbarschaft, Sport und Kultur. Doch auch in ihrer privaten Umgebung wurden Männer und Frauen der Wohnungsgesellschaft aktiv. Heike Lingenfelder war mit einem Team aus dem Servicebüro Hellersdorf beim Garteneinsatz in der Kita „Springmäuse“ an der Stollberger Straße. Dort werden 180 Kinder betreut. Die Kita wurde mehrfach als „Bewegungsfreundliche Kita“ zertifiziert. Ein Grund dafür ist der große Garten mit vielen Bäumen, der den Kindern viele Bewegungsmöglichkeiten lässt. Viel Grün braucht aber auch viel Pflege. Foto: -sul Den Startschuss gab Sabine Rickmann, Bereichsleiterin Technik bei Stadt und Land, und organisierte eine Puppentheateraufführung für Familien mit schwerkranken Kindern. Es folgten ein umfangreiches Bewerbungstraining des Neuköllner Mentoring-Projektes „Hürdenspringer“, dem Team des Figurentheaters Grashüpfer im Treptower Park wurde bei der Reparatur der bekannten Märchenjurte geholfen. Am 29. und 30. März waren Mitarbeiter in Hellersdorf im Rahmen von „Kultour à la carte“ bei einem märchenhaften und farbenfrohen Wochenende unter dem Motto „Alice im Wunderland“ in der neuen Begegnungsstätte am Baltenring 74 aktiv. Im Juni ging es zum Garteneinsatz in die Kita Rappelkiste in Hellersdorf, dort wurden neben Unkrautbeseitigung auch Spielgeräte repariert und gestrichen. Kinder einer Marzahner Schule lernten in einer Projektwoche zur Nachhaltigkeit die Solaranlagen auf den Dächern von Stadt und Land und eine Regenwasseraufbereitungsanlage in Hellersdorf kennen. Im August wurde Hilfe im Interkulturellen Generationengarten Blohmgarten in Lichtenrade benötigt. Er bietet auf mehr als 5000 Quadratmetern interessierten Menschen die Möglichkeit, gärtnerisch tätig zu sein und sich Gemüse selbst anzubauen. Gut 30 Familien nutzen diese Gelegenheit. Allerdings ist das Gelände so groß, dass die Pflege der Grünanlagen nicht alleine zu bewältigen ist. Beim öffentlichen Sommerfest konnte der Garten dank des Einsatzes in aller Pracht erstrahlen. Am 10. September halfen die Mitglieder des Betriebsrates an Multipler Sklerose Erkrankten, die Gärten der Welt zu besuchen. Einige von ihnen sind bereits auf einen Rollstuhl angewiesen und mussten geschoben werden. Zum Ende der halbjährlichen Aktion ging es am 18. September noch einmal in die Kita Rappelkiste zum Prinzessinnen- und Ritterfest anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Einrichtung. Am 26. September wurde im Garten der Kita Hummelburg am Blumberger Damm (Integrationskita für 160 Kinder mit und ohne Behinderung) ein Häuschen aufgebaut, damit das Umfeld der Kinder noch schöner wird. So konnten die Mitarbeiter von Stadt und Land „90 gute Taten“ feiern. Ralf Nachtmann Abschied mit doppelter Wehmut Zum Tod des Mahlsdorfer Bildhauers Karl-Günter Möpert Kaulsdorf – Es war keine sonderlich große Menschenmenge, doch immerhin gut 50 Frauen und Männer, die sich am 22. September mittags auf dem Friedhof an der Dorfstraße einfanden. Es galt, Karl-Günter Möpert zu gedenken, der 81-jährig verstorben war. Gerade noch hatten wir ihn (siehe jot w.d. 8/2013) anlässlich seines 80. Geburtstages und der dafür organisierten Hommage in der Krankenhauskirche am Brebacher Weg gewürdigt. Nun sprach seine Bildhauer-Kollegin Christa Sammler, für die er viele Jahre Lehrer und väterlicher Ratgeber und Freund war, gedenkende Worte. Wohl so, wie es ihm selbst auch gefallen hätte: Unprätentiös, auf Werk und Wirken ein- gehend, bar von Dingen, die bei Lebenden unter „Tratsch und Klatsch“ fallen. Besonders hob sie ihn als Gründer des bis heute bestehenden Bildhauersymposiums in Reinhardtsbrunn in der Sächsischen Schweiz hervor, das er 1980 ins Leben rief und das bis heute zu den bedeutendsten seiner Art in ganz Europa zählt. In einem Nachruf geht auch das Bezirksamt auf Möperts Wirken ein, hebt dabei aber ausgerechnet die Bronzeplastik „Denkmal für die Erbauer Marzahns“ in der Marzahner Promenade, die er zusammen mit Karl Hillert schuf, hervor. Dabei verstand er sich trotz all seiner Bronzearbeiten hauptsächlich als Steinbildhauer. Nun, zumindest wurde auf seine Der Brunnen ist nicht nur in erbärmlichem Zustand, er ist insgesamt gefährdet. Foto: Nachtmann Sandsteinskulpturen „Träumende“ im Parsteiner Ring oder die „Hauseingangszeichen“ in der Zossener Straße hingewiesen. Auch darauf, dass sich Möperts Werke ebenfalls in Lichtenberg, Weißensee, Köpenick und in anderen Städten der früheren Republik finden. Kulturstadträtin Juliane Witt verspricht, Karl-Günter Möpert und seinem Schaffen ein ehrendes Gedenken bewahren und einige seiner Kunstwerke, u.a. dokumentiert in dem Bildband „Kunst in der Großsiedlung“, in öffentlicher Obhut zu halten. Wir hoffen, dass ihr Engagement auch für den Brunnen mit den „tanzenden Mädchen“ gelten wird, der in Mahlsdorf neben der in Bälde ab- zureißenden Kaufhalle steht. Die Investoren von Rewe, die einen Neubau errichten, haben zwar angekündigt, „das Kunstwerk“ irgendwo in den neu zu schaffenden Parkplatz zu integrieren. Ob sie aber damit den gesamten Brunnen oder nur die Säulenskulptur meinten, ist nach wie vor ungewiss. Hier gilt es, rechtzeitig zu handeln und sich beispielsweise mit Baustadtrat Christian Gräff (dessen Abteilung schließlich Baugenehmigungen erteilt und dazu Auflagen erteilen kann) ins Benehmen zu setzen. Denn ein abgerissenes Kunstwerk kann niemand ersetzen, wie die traurige Geschichte nicht nur im Bezirk Marzahn-Hellersdorf beweist. Ralf Nachtmann Sommer 2014: Das Peacezeichen vergammelt Wie aber wird der Frieden erhalten, wenn schon die Zukunft seiner Zeichen ungewiss ist? Wir in Europa haben uns mehr oder weniger an sich wiederholende Kriegsberichte mit schrecklichen Bildern aus Afrikanischen Ländern, aus Afghanistan, aus dem Irak, aus Syrien, dem GazaStreifen und aus Israel gewöhnt. Neu dazu kamen in diesem Jahr erschreckende Nachrichten über brutale bewaffnete Auseinandersetzungen im ukrainischen Bürgerkrieg mit vielen Todesopfern unter der Zivilbevölkerung. Seit 25 Jahren gab es mit dem Mauerfall eine vermeintliche Ruhepause zumindest in Zentraleuropa. Jetzt, genau 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, beginnen die Weltmächte unverhohlen wieder, mit dem Feuer zu spielen. Jetzt genau ist es auch angezeigt, sich die Mahnmale im Bezirk näher anzuschauen. Was sagen sie über Kriege und den Kampf gegen Kriegsabenteuer aus? Nicht erst seit zwei Ausgaben ist das ausdrücklich ein Thema in dieser Zeitung, aber nun wollen wir es auch konkret wissen: Wie konnte es kommen, dass gerade das symbolträchtige und einst gut sichtbare Hellersdorfer Peacezeichen im Jelena-Santic-Friedenspark in diesem Sommer so vergammeln konnte? Da traf sich im Frühsommer die örtliche GrünflächenProminenz wenige Schritte entfernt und setzt mit großer Geste Bäume quasi als Grundsteinlegung für die östlichen Erweiterungsflächen der Internationalen Gartenschau 2017. Und wenige Meter entfernt, in der Nähe des künftigen Haupteingangs, ver- gisst man aus Mangel an Mitteln für die bezirkliche Grünpflege das Peacezeichen? Oder ist die Fläche schon in „Obhut“ der neuen Pächter Grün Berlin GmbH? Das Peacezeichen und die Umbenennung des Rohrbruchparks in Jelena-Santic-Friedenspark verdanken wir dem Engagement junger Leute aus dem Bezirk während Neu bepflanzt: Das Zeichen für den Frieden. Foto: Clauder des Balkankriegs beim Zerfall Jugoslawiens. Es war der Krieg, an dem Deutschland erstmals seit 1945 wieder mitgewirkt hatte. Also viel zu aktuell der Anlass für Erinnerung, als dass man das Zeichen an der Hellersdorfer Magistrale einfach von Unkraut überwuchern lassen darf. Das sagten sich einige Aktivisten von der Linken und machten das Peacezeichen durch eine neue Bepflanzung wieder sichtbar. Das allein ist großes Lob wert. Eine Nachfrage in der BVV soll nun die bezirkliche Verantwortung für die künftige Pflege klarstellen. Hoffen wir auf klare Zusagen. Denn in den gegenwärtigen Unterlagen zur IGA einschließlich des Nutzungsvertrages mit Grün Berlin kommt das Peacezeichen nicht vor. Uli Clauder Blick zum Nachbarn Erkner – Werke von ihm und seinem Vater begegnen uns in Berlin auf Schritt und Tritt. Die „Wasserglocke“ im Friedrichshain, der Brunnen am Strausberger Platz, das geschmiedete APortal der Berliner Stadtbibliothek ... Die Metallkünstler Fritz (1910 bis 1967) und Achim Kühn (1942) – Vater und Sohn – haben ihre metallenen Spuren landesweit an zahlreichen exponierten Plätzen hinterlassen: Brunnen, Skulpturen, Mobilés, Landschaftskunst, Stadtmöblierung, Kirchengerät, Portale, Gitter, Geländer für öffentliche Gebäude und Gotteshäuser. Allein Achim Kühn, Schmied, Architekt, Bildhauer, Fotograf und Restaurateur, konnte im Auftrag seiner Heimatstadt sieben Brunnen in Berlin aufstellen. Zwischen 5 Zentimeter und 15 Metern bewegen sich die Dimensionen der von ihm entworfenen Metallplastiken. Anhand von Zeichnungen, Modellen und Fotos werden nun erstmalig in der Historischen Forschungsstelle des Leibniz-Instituts für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) Erkner realisierte und nicht realisierte Kunst-amBau-Projekte sowie Skulpturen der Jahre 1967 bis 1990 des renommierten Künstlers Achim Kühn gezeigt. „Stahl ist nun einmal mein Material. Man kann vielschichtig arbeiten. Dabei kenne ich keine Scheu, ob kleine Plastik oder große Fassade“, ist Meister Kühn ganz in seinem Metier. In der von seinem Vater Fritz Kühn im Jahr 1937 gegründeten Atelier-Werkstatt, unweit vom S- 22. Kunstauktion zugunsten „Kinder von Tschernobyl“ Lichtenberg – Bereits zum 22. Mal veranstaltet der Aktionskreis Evangelischer Kirchen „Kinder von Tschernobyl“ eine Kunstversteigerung, deren Erlös dazu eingesetzt wird, Kindern aus der seit dem Atomunglück verstrahlten Umgebung einen Erholungsurlaub in Deutschland zu ermöglichen. Die Palette der Werke reicht von Blättern von Mitgliedern des „Graphik-Collegium“ Lichtenberg (teils extra für die Auktion gestaltet) bis hin zu interessanten Stücken aus Sammlungen der Freunde und Unterstützer. Die Auktion, deren Schirmherren Bürgermeister Andreas Geisel und Kulturstadträtin Kerstin Beurich sind, findet unter der bewährten Leitung von Helmut Müller am 7. November, 19 Uhr, im der Galerie Ratskeller im Rathaus Lichtenberg, Möllendorffstraße 6, statt. Besichtigungen der Exponate sind daselbst vom 3. bis 5. November, 10 bis 19 Uhr, sowie über die Internetseite des Aktionskreises www.aktionskreis-kinder-vontschernobyl.de möglich. RN jot w.d. 10/2014 7 Ein Leben mit Stahl Krimitalk im Kriminaltheater Achim Kühn stellt im Leibniz-Institut aus Friedrichshain – In der neuen Reihe „Blaulicht – Prominente im Verhör“ befragt „Ermittler“ Lutz Hoff am 15. Oktober im Berliner Kriminaltheater den bekannten RBBModerator Uwe Madel. Beginn 20 Uhr, Palisadenstraße 48, Karten Tel. 47 99 74 88. I.D. Achim Kühn vermag dem „schweren Material“ Stahl Filigranität abzugewinnen wie kaum ein Zweiter. Foto: Neidigk Bahnhof Grünau gelegen, klingen bis heute die Schmiedehämmer. Dort findet der Besucher auch Außenplastiken mit so klangvollen Namen wie „Schwarm kleiner und großer Kraniche“ oder „Stahlbibliothek“ und „Sommergeflüster“ sowie zahlreiche klingende und windbewegte Stahl- plastiken. Achim Kühns Archiv belegt bisher 180 Auftragswerke für den öffentlichen und kirchlichen Raum sowie 50 Restaurierungsobjekte. Auf zwei Etagen zeigt nun das IRS noch bis zum 29. November einen Ausschnitt aus Achim Kühns Schaffen bis zur Wende. Diese interessante Schau stimmt nachdenklich. An einigen Fotos seiner Werke liest man „nach 1990 vernichtet“. Dazu gehören unter anderem eine Brunnenanlage in Frankfurt/Oder und eine geschmiedete Tür vom ehemaligen Palasthotel Berlin. Zu dieser Liste zählen auch einige Werke seines Vaters Fritz Kühn, den immerhin der Pariser Louvre 1969 posthum mit einer Personalausstellung ehrte. Man ist betroffen, was an Kulturgut auf dem Schrott der Geschichte landete. Nach Fritz Kühns frühem Tod 1967 hatten Sohn Achim und seine Frau Helgard das Atelier und die Werkstatt übernommen und führten die Familientradition, in der seit lägerem auch ihre Tochter Coco als Künstlerin aktiv ist, weiter. Doch der Kampf um Grundstück, Museum und Nachlassproblematik zog sich über 20 Jahre. Berlin tat sich bekanntlich schwer mit dem Nachlass des berühmten Berliner Metallbildhauers. Die Leibniz-Gemeinschaft sorgte für ein Happy End: Fritz Kühns Nachlass wird in die bereits bestehenden Sammlungen der Bau- und Planungsgeschichte des 20. Jahrhunderts im IRS integriert. Erkner erweist den beiden großen Metall-Bildhauern der Hauptstadt seine Reverenz und zeigt eine sehenswerte und beeindruckende Schau der Schmiedekunst. Dagmar Neidigk Zu sehen bis 29. November, Di und Do 13-17 Uhr im Pavillon der Historischen Forschungsstelle des IRS, Flakenstraße 2831, 15537 Erkner. Phantasie und Spurensuche Karlshorst – Noch bis zum 29. Oktober kann die Ausstellung „Realitäten im Spiel der Phantasie“ im Kulturhaus Karlshorst, Treskowallee 112 (Foyer in der 1. Etage), besichtigt werden. Helga Schönfeld zeigt Kunstdrucke digitaler Fotografien und abstrakter Strukturen. Geöffnet Montag bis Sonnabend 11-19 Uhr, Sonntag 14-18 Uhr. Parallel dazu gibt es eine weitere Schönfeld-Schau in der Cafeteria „Neue Kapelle“ im Ev. Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge, Herzbergstraße 79, Haus 63. Bis zum 15. November sind einige ihrer beeindrukkenden Arbeiten unter dem Titel „Spurensuche – ein Versuch Unsichtbares sichtbar zu machen“ zu sehen; geöffnet täglich 11.30 bis 14.30 Uhr. I.D. Kunst ist keine Mathematik Andreas Dresen und Hans-Dieter Schütt bei „Einfach lesen“ Hoppegarten – Am Abend des 5. September war im Gemeindesaal an der Lindenallee kaum noch ein Stuhl frei. Viele Hoppegartener und Nachbarn waren der Einladung der Gruppe „mach art“ zur Lesung mit dem Regisseur Andreas Dresen gefolgt. Der mehrfach Preis gekrönte Filmemacher und der Autor Hans-Dieter Schütt stellten die soeben im be.braverlag erschienene Autobiografie „Glücks Spiel“ vor. Zur Einstimmung liefen zwei ca. 20-minütige Dokumentar-Studentenfilme von Dresen aus den Jahren 1988/89, gedreht während seines Studiums an der Babelsberger Hochschule für Film und Fernsehen, die schon damals das Talent des heutigen Spielfilmregisseurs für Alltagsgeschichten ahnen ließen. Wer seine Filme wie „Stilles Land“, „Halbe Treppe“, „Whisky mit Wodka“, „Sommer vorm Balkon“, „Wolke 9“ oder „Halt auf freier Strecke“ gesehen hat, weiß, wovon die Rede ist. Es ist die Einfühlsamkeit, die Liebe zu den einfachen Menschen, deren Lebensumstän- den, Problemen und Träumen, die den 1963 in Gera als Sohn des Theaterregisseurs Adolf Dresen und der Schauspielerin Barbara Bachmann geborenen Filmemacher bei der Umsetzung seiner Drehbuchvorlagen (oft von Wolf- Andreas Dresen war zu Gast in der Reihe „Einfach lesen“ im Gemeindesaal Hoppegarten und berichtete u.a. von seinen sonderbaren Flughafenerlebnissen in Moskau. Foto: Dittmann gang Kohlhase) charakterisieren. Dennoch maße er sich nicht an, so Dresen im anschließenden Gespräch mit Hans-Dieter Schütt, dem Autor seiner Biografie „Glücks Spiel“, in seinen Filmen das wirkliche Leben wiederzuspiegeln. „Dazu muss man auf die Straße gehen, nicht ins Kino, wo die Wirklichkeit durch die Brille des Regisseurs, den Blick des Kameramanns, die Verdichtung der Dinge“ schon mal nicht eins zu eins abgelichtet würde. Kunst sei eben keine Mathematik nach dem Motto 1 plus 1 gleich 2. Zudem nähme jeder Mensch entsprechend seiner Erfahrungen ein Kunstwerk – egal ob Film, Buch oder Malerei – anders wahr. Anschließend las Dresen aus einem Manuskript über seine Erlebnisse als Transitreisender – auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo. Das schilderte er so prägnant, dass man als Zuhörer das beklemmende Gefühl dieser bürokratischen Tortour fast körperlich mit empfand. Dresen ist eben auch ein brillanter Erzähler. Ingeborg Dittmann Musikshow „Petit Palais“ Friedrichshagen – Am 10. Oktober präsentieren Katrin Lau, Beatrice Sowa und Sven Simon im Bräustübl, Müggelseedamm 164, das Beste aus ihren Programmen „Souvenirs, Souvenirs“ und „Simply The Best“. Am 17. Oktober gibt’s den Sachsendreyer „Cafe Melangsch“ – eine Revue, die aus dem Rahmen fällt. Beginn 19.45 Uhr, Einlass ab 18 Uhr. Karten Tel. 37 44 67 69. I.D. Schorn bei Hoff Köpenick – In der Reihe „Prominente im Gespräch“ ist am 19. Oktober im Stadttheater Cöpenick, Friedrichshagener Straße 9, die Schauspielerin Uta Schorn zu Gast bei Lutz Hoff. Beginn 16 Uhr, Karten Tel. 650 16 234. An gleicher Stelle gastiert am 16. Oktober, 19.30 Uhr, die „Bunte Bühne Lübbenau“ mit Sketchen von Herricht und Preil. I.D. 8 jot w.d. 10/2014 Kultur & Freizeit Tipps und Termine The Last Waltz Zwischen Melancholie und Hoffnung Nach 45 Jahren geht die Dresdner Band electra auf Abschiedstour Marzahn – Bekannt wurden die beiden Mitglieder von „Blackbird“ vor allem durch die Gruppe LIFT, der Yvonne Fechner (Gesang, Violine, Keyboard, Mandoline) und Bodo Kommnick (Gesang, Gitarre, Percussion) seit vielen Jahren angehören. In der Musikszene sind sie auch als erfahrene Studiomusiker bekannt, die u.a. mit den Prinzen, Karat, Udo Jürgens, Ich & Ich, Silbermond oder Adel Tavil im Studio standen. Bei „Blackbird“ führen die beiden Künstler ihre eigenen Ideen und ihre Kreativität zusammen und überraschen mit Songs von emotionaler Intensität. Zu erleben am 11. Oktober, 20 Uhr, in der Studiobühne des FFM, Eintritt 12 Euro, Karten Tel. 542 70 91 oder an der Abendkasse. I.D. Kabarett in der Kirche Marzahn – Am 18. Oktober ist die Kabarettistin Barbara Kuster mit ihrem Programm „Haltung ist alles!“ in der Dorfkirche Marzahn zu erleben. Die Künstlerin ist u.a. durch die Sendungen „Ladies Night“ (WDR) oder „Intensivstation“ (NDR) bekannt. Beginn 20 Uhr, Eintritt 15/10 Euro, Kartenvorverkauf im Gemeindebüro. Info www.barbarakuster.de oder www.dorfkirche-marzahn.de. An gleicher Stelle gastiert am 12. Oktober unter dem Motto „Ein Strauß bunter Melodien“ das Iris Ensemble mit Gisela Maron in der Kirche. Beginn 16 Uhr. I.D. Wer war Ottomar Geschke Marzahn – In der Reihe „Marzahn-Hellersdorfer Gespräche zur Geschichte“ geht es am 8. Oktober, 18 Uhr, im Bezirksmuseum, Alt-Marzahn 51/55, um Ottomar Geschke (1882-1957). Der Historiker Lutz Heuer berichtet in Wort und Bild über das Leben des einstigen KPD-Funktionärs, der als Abgeordneter im Preußischen Landtag, im Deutschen Reichstag und nach Gründung der DDR in der Volkskammer aktiv war. Nach dem Machtantritt der Nazis wurde er verhaftet und saß in mehreren Konzentrationslagern. Zwischen 1945 und 1949 lebte Geschke in Biesdorf. I.D. 9. Kunst- und Keramikmarkt Marzahn – Am 8. und 9. November, jeweils 10 bis 18 Uhr, veranstaltet die Agrarbörse im KulturGut, Alt-Marzahn 23, sowie rund um die Keramikscheune SchaMottchen den 9. Kunst- und Keramikmarkt. Mehr als 50 Keramiker und Kunsthandwerker präsentieren an diesem Wochenende ihre Arbeiten. Zu erleben sind auch Schauvorführungen im Filzen, Spinnen und Kunststricken. Keramikern, Korbflechtern und Drechslern kann man beim Arbeiten zusehen. In der Holzwerkstatt gibt es ein Bastelangebot für Kinder, die Soziale Bücherstube lädt zum Stöbern ein. Im Saal des KulturGutes läuft jeweils ab 14 Uhr ein musikalisches Programm. Es gibt Kaffee und Kuchen, Glühwein und Deftiges vom Grill. Der Eintritt ist frei. I.D. Biesdorf – Ein bisschen wehmütig war mir am 19. September schon zumute auf der Parkbühne Biesdorf bei diesem „letzten Walzer“ einer Band, die in diesen Tagen ihren 45. Geburtstag begeht und die ich schon seit Anfang der 1970-er Jahre gut kenne. In dieser Zeit habe ich die Musiker um Bandchef Bernd Aust, der all die Jahre die Fäden in der Hand hielt, in Abständen immer wieder bei Konzerten erlebt, ob solo, als Mitwirkende einer Großveranstaltung oder als „SachsenDreier“ gemeinsam mit Lift und der Stern Combo Meißen. Und die meisten ihrer Songs haben mich, obgleich schon zig Mal gehört, immer wieder aufs Neue berührt: „Einmal ich, einmal du“, „Wenn die Blätter fallen“, „Frau im Spiegelglas“, „Nie zuvor“, „Sieh in die Kerzen“, „Das kommt, weil deine Seele brennt“, „Tritt ein in den Dom“ und natürlich die großartige Rock-Suite „Sixtinische Madonna“. Doch es sind nicht nur die Songs, die über all die Jahre im Stefan Trepte von „electra“ berührt mit seiner Interpretation auf der Parkbühne die Herzen. Foto: Dittmann Ohr geblieben sind. Auch die Interpretation der langjährigen Sänger von electra – Peter „Mampe“ Ludewig, Gisbert Koreng (nach 19 Jahren „Abstinenz“ seit 2007 wieder dabei) und vor allem Stefan Trepte (der auch einige Songs aus seiner „Reform“-Zeit mitbrachte) – ist immer wieder ein Erlebnis. So auch bei diesem „Abschiedskonzert“ auf der Parkbühne, das die Dresdener im Wechsel mit der Berliner Blueslegende „Engerling“ bestritten. Da waren sie (bis auf Peter Ludewig) alle wieder dabei: die Gründer von electra Bernd Aust und Wolfgang Riedel, Stefan Trepte (bis 1975 und ab 1989 wieder dabei), Gisbert Koreng, Andreas Leuschner, Ekkehard Lipske und Falk Möckel. Und als die Lichter (wegen der öffentlichen Ordnung) gegen 22 Uhr auf der Parkbühne ausgehen mussten, brachte Stefan mit dem wunderschönen Lied „Sieh in die Kerzen“ noch einmal „Licht ins Dunkel“ und in die Seele. Ingeborg Dittmann Selbstverteidigung mit Stift und Pinsel Die Malerin, Illustratorin und Keramikerin Antje Püpke stellt in der „Kiste“ aus Hellersdorf – Mucksmäuschenstill war es, als ich etwas verspätet am 11. September die „Kiste“ an der Heidenauer Straße betrete. Nanu, sollte hier nicht gerade eine Ausstellungseröffnung der Kaulsdorfer Künstlerin Antje Püpke stattfinden? An der gedeckten Tafel saßen jede Menge Leute und schauten interessiert zur Bühne. Dort las Anja Höft aus ihren Geschichten. Sie fand die Kombination von Lesung und Vernissage spannend, hörte ich später von Antje. Da hatte sie ihre Ausstellung „KUNST FU 5 – Selbstverteidi- gung mit Stift und Pinsel“ gerade eröffnet und dem staunenden Publikum einige Überraschungen (bislang verborgen unter einem großen Tuch) präsentiert. Ihre originellen und witzigen Exponate erläuterte sie sogleich den Gästen mit einem Augenzwinkern. Nur soviel: Die „Vorführung“ begann mit einer Klopapierrolle. Die kann ja zu allerhand nützlich sein. Die Arbeiten an den Wänden – farbenfrohe Malereien, Illustrationen und Karikaturen – wurden danach in Augenschein genommen (alle können auch käuflich erworben werden). Außer die Illustrationen, die Antje für ein neues Kinderbuch erarbeitet hat. Die gelernte Porzellanmalerin (Ausbildung in Meißen in der Fachrichtung Blumenmalerei) ist im Bezirk bekannt wie ein bunter Hund. Sie gibt Malkurse für Kinder und Erwachsene, u.a. im Kunsthaus Flora, der „Bunten Stube“ in Mahlsdorf und im Atelier Schwarzburger Straße, und sie ist seit 2010 Mitglied der FrauenKunstKaravane. Noch bis zum 31. Oktober sind ihre Bilder in der „Kiste“ zu sehen. Ein Besuch lohnt sich. I. Dittmann Antje Püpke zur Ausstellungseröffnung. Foto: Dittmann Mahlsdorfer Rock Blues Summer Angelockt von rockigen Klängen an einem schönen Spätsommerabend in meiner Nachbarschaft in Mahlsdorf Süd, stand ich am 6. September vor einem Privatgrundstück an der Spitzwegstraße, nahe am Langenbeckplatz. Nachbarn hatten zum „3. Mahlsdorfer Rock Blues Summer“ eingeladen und Hunderte Gäste waren gekommen – Freunde der veranstaltenden Familien, aber auch Anwohner und Neugierige, die sich von den rockigen und bluesigen Klängen angezogen fühlten. Noch nie habe ich so viele gut gelaunte Menschen aller Generationen auf zwei Privatgrund- stücken gesehen, die bei Lekkerem vom Grill und einem guten Tropfen, vor allem aber bei in Ohr und Beine gehender Musik zusammen feierten. Letztere kam live und professionell von der Terrassenbühne des Nachbarhauses von einer „Nachbarschafts-Band“, der u.a. ein Lehrer, ein OrthopäDie „NachbarschaftsBand“ musizierte zur Freunde der viele Gästen aller Altersgruppen von der Terrasse des Hauses herab in den Garten. Fotos: Dittmann de, ein Ingenieur und ein Rentner angehören, die seit Jahren gemeinsam musizieren – aus Spaß an der Freude. Hochachtung vor meinen Nachbarn, die solch ein kommunikatives Miteinander ohne Zutun öffentlicher Quellen mit großem Engagement initiieren. I. Dittmann Kultur & Freizeit jot w.d. 10/2014 So wahr wie die Prawda Ausstellung in der Akademie der Künste räumt mit Wahrheiten auf Tiergarten – Ein Foto lügt nie – dieser Satz dürfte zu den ältesten Irrtümern der neuen Medien gehören – wie der vor 175 Jahren erfundenen Daguerreotypie/Fotografie. Die Ausstellung „Schwindel der Wirklichkeit – Vertigo of Reality“ befasst sich in der Akademie der Künste mit genau dieser Frage: Was ist eigentlich echt? Genauer gesagt: Sie rüttelt sicher geglaubte Gewissheiten gründlich durcheinander. Die Wahrnehmung des Betrachters steht im Zentrum. Und wird kräftig getäuscht. Internet, Smartphones, Chatrooms – nie waren wir enger und unbetrügbarer mit der Wirklichkeit vernetzt als heute. Kein Fehler bleibt unbemerkt, wenn sich der Pianist beim Konzert vergreift. Tausende von Kilometern entfernt können wir heute live dabei sein, wenn der Klavierspieler den versteckten Knopf betätigt und den Ablauf der fehlerfreien MP3-Datei startet. Die Kuratoren haben es sich zur Aufgabe gemacht, Objekte zu präsentieren, die in Interaktion mit dem Betrachter funktionieren. Und dabei oft irritieren. So zeigen verschiedene Ausstellungsstücke den Besucher in irgendeiner Weise selbst. In einem einfachen Fall mit acht Sekunden Zeitverzögerung, was der Abgebildete allerdings nicht weiß. Und nicht versteht, warum die aus dem Gesicht geschnippte Locke nicht verschwindet. In einer weiteren Installation erscheint der Besucher auf dem Bildschirm. Dort zoomt die Kamera auf sein Auge. Ein Algorithmus beginnt, das Auge zu zerstören – glücklicherweise nur das Bild auf dem Monitor. Ein weiterer Strang zeigt das Zusammenwachsen von Schein und Wirklichkeit dank moderner Computertechnik. „Auf welcher Seite wollen Sie stehen?“, fragt ein von Künstlern umgebautes Computerspiel. Zur Auswahl stehen „Flüchtling oder Grenzschützer?“ Jagen oder entkom- men: Ein banales Spiel wird hier erschreckend real. Banale Realität zeigt auch ein Film von Harun Farocki über US-Militärs. An Computerspielen sammeln sie Praxiserfahrung mit virtuellen Panzerfahrzeugen in realitätsnaher HindukuschLandschaft unter dem Sonnenstand Afghanistans. Szenarien wie „Feindbeschuss“ oder „Bombenanschlag“ dienen sowohl der Schulung als auch der Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen. Nicht vorgesehen sind Fallschirmjäger Putinscher Prägung, die sich völlig versehentlich zehn Kilometer ins Nachbarland verlau- In der Installation von Christian Falsnaes setzen die Besucher Kopfhörer auf und folgen dann den bisweilen drolligen Anweisungen. Außenstehende wundern sich über die vermeintliche Theaterperformance. Christian Falsnaes, Justified Beliefs, Performance, 2014. Foto: Christian Falsnaes/courtesy of PSM, Berlin fen. Als gewiss gelten ja auch die Nachrichten in glaubwürdigen Zeitungen. Ein Ausstellungsobjekt zeigt einen technischen Trick, mit dem sich die sichere Übertragung glaubwürdiger Zeitungen aus dem Internet lokal manipulieren lässt. Wer Lust hat, die Schlagzeile von „Le Monde“ oder der Süddeutschen zu verändern, kann in der Ausstellung andere Besucher auf den Leim führen. 44 Künstler zeigen Arbeiten an der Grenze zwischen Wirklichkeit und Simulation. Zur Ausstellung agiert das von Manos Tsangaris entwickelte „Metabolische Büro zur Reparatur von Wirklichkeit“. Dieses Büro ist ein offenes Labor, eine Werkstatt. Hier wird als Fortsetzung des seit Novembe 2013 tagenden „Vorbereitungsbüros“ über künstlerische, politische und individuelle Wirklichkeiten geforscht und diskutiert. Eingeladen sind mehr als 160 Gäste aus den Bereichen Musik, Bildende Kunst, Film und Medien, Literatur, Architektur, Performance und Philosophie. Online präsentiert sich das Projekt mit Live-Streams, Videos, Interviews und einem Journal auf der Internetseite www.schwindelderwirklichkeit.de. Henson Stehling Zu sehen bis 14. Dezember, Akademie der Künste, Hanseatenweg 10. Rock, Beat, Blues und Lieder – alles in der Kiste Hellersdorf – Der Konzertoktober in der Kiste ist diesmal von ganz klassischer Rockmusik geprägt. Am 10., 17. und 25. Oktober gibt’s die härteren Klänge – vorgetragen von „Hey Tonight“, „Tino Standhaft“ und „Lord Zeppelin“. Erstere haben sich dem Rock der 60-er und 70er Jahre verschrieben, letztere konzentrieren sich namensgemäß auf die große Band mit der „Cosmic Energy“. Standhaft bringt die Songs von Neil Young nahe. Am 24. Oktober und 1. November wird die Beat-Kiste geöffnet. Drinnen sind die Poorboys und der Berlin Beat Club. Recht interessant scheint das Gastspiel von Stellmäcke & Müller am 31. Oktober in der Lieder-Kiste zu werden. KistenChef Fred Schöner kündigt „Lieder und andere Gemeinheiten“ an und sagt: Stellmäcke ist vieles – Musiker, Kabarettist, Schauspieler und Poet. Seine Konzerte sind Ohrenkino mit pointiertem Witz und erstaunlichen Ideen. Mit berührender Stimme, absurden Geschichten und Wortspielereien besingt er aus immer wieder überraschender Perspektive den Zustand der Welt. Begleitet wird Stellmäcke an diesem Abend vom Multiinstrumentalisten Michael Müller. Der spielt Gitarren, Bass, Schlagzeug und singt – am liebsten alles gleichzeitig. Das Duo steht für eine mehrstimmige Mischung aus deutschem Folk, Chanson, Jazz und Rock. Den internationalen Höhepunkt gibt’s bereits am 11. Oktober. Beim Kisten-Blues ist Will Wil- de aus Großbritannien (das ja nun doch groß bleibt) zu Gast. Mit 16 Jahren entdeckte Will die Mundharmonika für sich. Obwohl er sich jahrelang von Größen wie Muddy Waters, Sonny Boy Williamson und Buddy Guy beeinflussen ließ und mit traditionellem Chicago Blues heranwuchs, fokussiert er sich darauf, mit einem eigenen Sound die Blues-Zukunft zu prägen. Beginn der Konzerte jeweils 21 Uhr, Karten 7 bis 13 Euro, Info Tel. 99 87 481, www.kiste.net. RN Jedes Jahr ein neuer Krimi – Kommissar Charitos ermittelt wieder Beinahe jedes Jahr bringt Petros Markaris – der wohl bekannteste und erfolgreichste Gegenwartsautor Griechenlands, der auch schon Goethe und Brecht in seine Heimatsprache übersetzt hat – seinen Lesern einen Krimi nahe, der mehr mit den Missetaten von Politikern, Bankiers, Unternehmern und berühmten Personen zu tun hat als mit den Verbrechen, die Kommissar Kostas Charitos eigentlich aufklären sollte. Denn, wie es der Zufall so will, sind es genau die vorher angeführten „sozialen Kreise“, die den größten Dreck am Stekken haben oder bis zum Hals drinstecken. Markaris prangert ohne Angst und ohne Beschönigungen Jahr für Jahr, Verbrechen nach Verbrechen, den Untergang, die systematische Zerstörung seines Landes an. In diesem Jahr präsentiert sich ein Mörder, der seine Verbrechen als der „nationale Steuereintreiber“ unterzeichnet. Der Sinn seiner Missetaten ist, die von ihm ermittelten Steuerhinterzieher zu zwingen, ihre Schulden mit dem Staat zu begleichen, sonst kommen sie auf den Friedhof in ein frühes Grab. Und die angewandte „Medizin“ scheint tatsächlich in gewissen Kreisen zu wirken. Kommissar Charitos wird leider durch private Probleme von der Jagd auf den Schierlings-Killer abgelenkt. Dank der politischen und vor allem finanziellen Misere überlegt sich Tochter Katerina ernsthaft, ein Angebot der UNO anzunehmen und nach Afrika zu gehen, denn trotz des mit der Promotion abgeschlossenen Jurastudiums findet sie im Heimatland keine auch nur einigermaßen bezahlte Arbeitsstelle. Und ihr Ehemann Fanis will doch tatsächlich den sicheren Posten als Arzt in seiner Klinik aufgeben und mit ihr gehen. Für den Kommissar gibt es einen zusätzlichen Ansporn, den (wie bei Makaris immer) geschickt konstruierten Fall zu lösen. Seine Vorgesetzten haben ihm die Aufnahme in den gehobenen Polizeidienst und damit ein wesentlich höheres Gehalt in Aussicht gestellt. Ob es wirklich dazu kommt, erfährt der Leser diesmal nicht. Gut möglich, dass im nächsten Buch statt des Kommissars ein Kriminalrat Charitos ermitteln wird. Hans Sandow Petros Makaris: Zahltag, Diogenes, 11,90 Euro. 9 Tipps und Termine Wer spielt mit Tischtennis? Marzahn – Der Verein für Bewegungsspiele Stern Marzahn e.V. (VfB Stern Marzahn) ist Nachfolgeverein der BSG Sternradio Berlin. Von dieser hat er noch die Note mit dem Stern und den Bären im Logo. Gegründet wurde der Sportverein am 4. April 1963. Nach der Wende musste er sich in TSV Marzahn 63 umbenennen, und seit 1999 hat er wieder den Stern im Namen. Derzeit hat der kleine Verein nur noch eine Tischtennisabteilung. Die 30 Mitglieder zwischen 9 und mehr als 70 Jahren suchen neue Mitspieler, vom Anfänger bis zum „Könner“ ist jeder willkommen. Trainiert wird Mo, Di, und Fr in der Sporthalle der Schule am Grünen Stadtrand, Geraer Ring 54, im Jugendbereich sogar mit „Ballroboter“. Interessenten melden sich am besten bei Achim Plötz, Tel. 51 29 330, email achimploetz@t-online.de, oder schauen einfach mal beim Training rein. Mehr Info www.stern-marzahn-tt.de. RN Katzen & Anderes Hellersdorf – Noch bis zum 27. Oktober ist im Kulturforum, Carola-NeherStraße 1, die Ausstellung „Katzen & Anderes“ der Künstlerin Regine RöderEnsikat zu sehen. Die Ölmalereien kann man Mo-Fr 9 bis 16 Uhr (Mi bis 18 Uhr) anschauen, Eintritt frei. Ramba, Samba bei Matilde Hellersdorf – Im Oktober kann in einem Schnupperkurs im Frauenzentrum Matilde, Stollberger Straße 55, zu heißen brasilianischen Rhythmen getanzt werden. Die Brasilianerin Clecia weiht Interessentinnen in die Geheimnisse von Samba, Pagodge und Forro ein. Der Kurs findet mittwochs 15 bis 16 Uhr statt. Pro Stunde fallen 3/2,50 Euro an. Infotage zur Radfahrausbildung Hellersdorf – Am 22. und 29. Oktober lädt die Jugendverkehrsschule, Erich-Kästner-Straße 100, jeweils von 10-17 Uhr, Eltern, Großeltern, Erzieher sowie die Schüler der 2. bis 5. Klassenstufen zu einem Informations- und Aktionstag rund um die Radfahrausbildung ein. Das Team der Jugendverkehrsschule und die Verkehrssicherheitsberater der Polizei möchten insbesondere Eltern darüber aufklären, wie die Radfahrausbildung verläuft, welche Anforderungen an die Schüler gestellt werden bzw. wie sie die Ausbildung ihrer Kinder unterstützen und vorbereiten können. Dazu werden praktische Übungen mit dem Fahrrad gezeigt. FKK zeigt „Oase“ im Saal der Empfänge Marzahn – Die zehn Künstlerinnen der FrauenKunstKarawane zeigen noch bis 26.Oktober ihre neue Ausstellung „Oase“ im Saal der Empfänge im Orientalischen Garten. Die Schau ist den Gärten der Welt gewidmet. Die Künstlerinnen waren in diesem Sommer in der wohl schönsten Oase des Bezirkes unterwegs und haben ihre Eindrücke in Bildern künstlerisch umgesetzt. 10 jot w.d. 10/2014 jot w.d.-Interview Eigene und fremde Herzensanliegen Obwohl als Senator stark beansprucht, engagiert sich Mario Czaja auch in seinem Wahlkreis Inmitten der Flüchtlingskrise hat Sozialsenator Mario Czaja als zuständiges Berliner Regierungsmitglied alle Hände voll zu tun. Mehr als 1000 Menschen kommen monatlich in die Hauptstadt, das sind so viele wie etwa im Jahr 1995. Czaja muss Aufnahmekapazitäten schaffen, in materieller wie in personeller Hinsicht. Was in 20 Jahren sukzessive weggespart wurde, soll er in 20 Wochen wieder beschaffen. Zeitweise ist das eine Sisyphus-Arbeit. Dennoch fand er am 10. September Zeit, die Fragen von jot w.d., die sich allesamt nicht um dieses Thema drehten, zu beantworten. jot w.d.: Herr Czaja, seit Monaten stehen Sie auf erstem oder zweiten Platz im Monatsranking der beliebtesten Berliner Politiker. Wann hat es das schon mal gegeben, dass die Spitzenposition an einen Sozialsenator vergeben wurde; das muss Ihre Position in Senat und Abgeordnetenhaus doch mächtig stärken? Mario Czaja: Zu weit oben bei Beliebtheitsumfragewerten zu stehen, ist beruflich und politisch immer auch eine heikle Situation. Dadurch sinkt die Zahl der Neider nicht. Wenn man der „Benjamin“ im Senat ist, birgt das nicht unbedingt Vorteile. Ich schau weniger auf diese Zahlen, auch wenn diese Art der Anerkennung gut tut. Das gilt genauso für Busfahrer, Pflegekräfte oder Journalisten. jot w.d.: In Berlin, so zumindest die öffentliche Wahrnehmung, dreht sich das Allermeiste um die Innenstadt. Nun hat auch noch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit das Handtuch geworfen, es gibt einen wochenlangen Wahlkampf um die Nachfolge. Lähmt das die Regierung? Lässt sie die Außenbezirke jetzt mehr oder minder links liegen? Mario Czaja: Da tu ich mich selber schwer, das zu bewerten. Wir haben einen Koalitionsvertrag mit der SPD und Themen, die für Marzahn-Hellersdorf relevant sind. Das Straßenausbaubeitragsgesetz ist abgeschafft, die TVO ist geplant, da ist Michael Müller schon durch seine Funktion als Senator ein wichtiger Partner. Aber auch die anderen Senatsmitglieder haben Kontinuität signalisiert. Man könnte sagen, es wäre wichtiger, dass Michael Müller Senator für Stadtentwicklung bleibt. Wir können uns wenig Zeitverzug leisten. Das wird auch eine besondere Verantwortung von Stefan Komoß als Mitglied der SPD-Führung sein. Wir haben in Marzahn-Hellersdorf ja wachsende Kinderzahlen, Familien brauchen bald mobile Unterrichtseinheiten, der Bau des neuen Ortszentrums Mahlsdorf muss bald umgesetzt werden. Die ökonomische Entwicklung des Bezirks läuft allerdings sehr gut. Und was die Kandidaten angeht: Müller und Saleh verfügen über mehr politische Erfahrung als Stöß, sie könnten wohl etwas schneller in die Themen eingearbeitet sein. Wichtig ist die Gesprächsfähigkeit zu allen dreien. jot w.d.: Als Senator, noch dazu in Ihrem Ressort in der momentanen Lage, sind Sie doch sehr eingespannt, haben für Ihren Wahlkreis logischerweise weniger Zeit. Wie stark leidet die Arbeit als Abgeordneter darunter? Mario Czaja: Ich habe schon früher hohen Wert darauf gelegt, eine gute Infrastruktur für meine Arbeit im Wahlkreis zu haben. In meinem dortigen Büro arbeiten die Kolleginnen und Kollegen sehr intensiv. Meine Bürgersprechstunde findet weiterhin regelmäßig statt, und sie ist gut besucht. Ich erlebe aber auch, besondere Herausforderung, aber auch da ist dem Bezirk in der Vergangenheit sehr viel gelungen. Nehmen Sie die Statik-Probleme der Turnhallen. An allen vier betroffenen Einrichtungen gibt es ein abgestimmtes Programm. Aber das kostet auch mehrere Millionen Euro und geht natürlich zulasten des Tiefbaus. jot w.d.: Ein lange Zeit umstrittenes und noch immer nicht gelöstes Problem ist die Suche nach einer Freibademöglichkeit. Die CDU und auch Sie selbst hatten sich ja gegen die Idee eines Bades am Elsensee durchgesetzt. Nun herrscht Stillstand. Sehen Sie eine Lösung? Mario Czaja: Ja, der Bezirk hat kein eigenes Freibad, und das darf nicht dauerhaft so bleiben. weise umso heftiger aufeinander. Muss da noch mehr moderiert werden? Mario Czaja: Es ist auch mein Eindruck, das es weitaus mehr Zuspruch als Gegnerschaft gibt. Ich nehme wahr, dass die IGA eine große Chance für den Bezirk ist, 2017 eine besondere überregionale Aufmerksamkeit zu erreichen und dass die Gärten der Welt noch weiter ausgebaut werden können. Sie sind mit mehr als 70 000 Besuchern im Jahr ein wichtiges touristisches Ereignis für ganz Berlin. Baufragen sind in ökologischer Hinsicht öfter umstritten. Ich sage eher: Erhalten wir so viel wie möglich natürliches Grün. Aber mein Eindruck ist auch, dass die Umgestaltung dort mit Vorsicht gemacht wird, dass auf Einwände eingegangen wird. Etwa bei der Mario Czaja am Schreibtisch in seinem Senatorenbüro an der Oranienstraße. Foto: Nachtmann dass mir die Bürger mit hohem Bürgermeister Stefan Komoß sitzt Seilbahn; die Idee halte ich übriRespekt und mit Rücksicht auf im Aufsichtsrat der Berliner gens für hervorragend. Denn die meine Senatorentätigkeit begeg- Bäderbetriebe. Es gibt Erweite- Alternative hieße ja, mehr nen. Es gibt viel Verständnis, dass rungsmöglichkeiten am Kinder- Individualverkehr ohne gesonderManches in „kurzer Zeit“ gehört bad „Platsch“. Das halte ich für te Erschließung durch U- oder Swerden muss. Im Nachhinein einen sinnvollen Weg, ein Spaß- Bahn. Ohne eine solche Lösung bleiben wir natürlich an den Pro- bad im Tierpark eher nicht. Denn wäre die IGA ganz gestorben. blemen dran. Und vergessen Sie wir wissen doch, dass Freibäder bitte nicht: Ich hatte ja auch frü- immer ein Zuschussgeschäft sind. jot w.d.: Viel gewaltiger noch tobt her einen Job nebenher. Insofern Und wir wollen auch, dass Men- der Streit um die geplante Frauhat sich das Zeitbudget nicht in schen mit jedem Geldbeutel ba- ensporthalle im Freizeitforum solchen Größenordnungen verrin- den gehen können. Ich meine, Marzahn. Die CDU hat dem eher gert, wie man vermuten könnte. dass Eine Schwimmhalle und ein widerwillig zugestimmt. Hätten Hinsichtlich der Fragen für mei- Freibad nebeneinander die beste Sie das nicht stoppen können? nen Wahlkreis Mahlsdorf/Kauls- Lösung sind. Daher hoffe ich, In jeder Koalition – und faktisch dorf und den ganzen Bezirk Mar- dass der Liegenschaftsfonds das haben wir ja eine Koalition aus zahn-Hellersdorf treffe ich mich Grundstück des früheren Werner- SPD und CDU in der BVV, die jede Woche einmal länger mit bades bald veräußern kann, da- zuweilen von den Grünen unterStefan Komoß. Wir sind ja beide mit das Geld in das Freibadpro- stützt wird – gibt es auch Wünauch Kreisvorsitzende unserer jekt fließen kann. Das steht auch sche von führenden Protagonisten Parteien. Die Hauptthemen des so in der Vorlage des Abgeordne- einer Seite, sich mit dem einen Bezirks sind weitreichend. Da tenhauses. Ich erwarte, dass das oder anderen Projekt zu verwirklichen. Für Stefan Komoß ist das gibt es eine ganze Reihe von Ver- auch genau so umgesetzt wird. eine Herzensangelegenheit, für kehrsfragen zu lösen, es herrscht immer noch Kitaplatz-Mangel, jot w.d.: Weniger im Ganzen, da- uns nicht. Aber: Das darf kein zuobwohl die Stadträtin Juliane für mehr im Detail, wird die IGA sätzliches Geld kosten, das für die Witt da sehr gut arbeitet. Die 2017 im Bezirk diskutiert. Dafür Schul- und Sportstättensanierung Schulsanierungen sind eine ganz aber prallen die Meinungen zeit- vorgesehen ist. jot w.d.: Ein Thema, das Sie als Sozialsenator betrifft, ist das Urteil zu den „Kosten der Unterkunft“ für Empfänger von Sozialgeld. Eine große Mehrzahl der Betroffenen, und nicht nur die, hielten und halten das Modell „Warmmiete bezahlen“, wie es Berlin praktiziert, für gut. Es gibt Erhebungen, dass etwa zehn Prozent der Empfänger schon lange höhere Wohnkosten haben, diese aber durch einen Mix aus Abzwacken vom Geld zum Lebensunterhalt, ein bisschen Zusatzoder Schwarzarbeit und ein wenig „G’schaftlhuberei“ bestreiten. Jetzt entsteht der Eindruck, Berlin habe trotz Erwartbarkeit dieser Prozesse nicht rechtzeitig einen „Plan B“ entwickelt. Und das bei allgemein rasant steigenden Mieten. Wie kommen Sie und vor allem die Betroffenen da raus? Mario Czaja: Also: Der Bundesgesetzgeber hat neben „Ausführungsvorschriften“ auch die „Satzungsregelung“, also die Rechtsverordnung, zugelassen. Diesen Weg sind wir in Berlin gegangen. Andere Bundesländer, ja selbst das Bundesministerium, haben darauf gesetzt, dass Berlin Vorreiter sein wird. Wir haben alle zwischenzeitlichen Gerichtsurteile in die Wohnkostenverordnung eingearbeitet. Die Vorsitzende Richterin des Landessozialgerichts hat gesagt, unsere Verordnung habe Rechtsfrieden und Sicherheit geschaffen, insbesondere durch unsere Anwendung von Mietspiegel und Heizkostenspiegel. Dies sieht das Bundessozialgericht auch vor. Die Richter dort aber nehmen in jedem einzelnen Verfahren den Höchstsatz, um ihre Zahlen zu berechnen. Uns aber sagen sie, die allgemeine Anwendung des Höchstsatzes könne nicht sein, und fordern Individualprüfungen. Abgesehen davon, dass man dies ohnehin nur bei einer überschaubaren Anzahl von vorhandenen Fällen machen kann und nicht in einer Großstadt wie Berlin, haben wir gesagt, dass dabei Aufwand und Nutzen in keinerlei zumutbarem Verhältnis stehen. Es handelt sich ja um kleine Summen von gerade mal 10 bis maximal 20 Euro. Doch der Richter am Bundessozialgericht ließ uns wissen: Realitätsnähe ist bei einer juristischen Prüfung nicht relevant. Fakt ist: Erst einmal können wir die Tabelle weiter anwenden, aber eben nicht als „Satzung“, sondern als „Ausführungsvorschrift“. Für eine neue Ausführungsvorschrift müssen wir erst einmal die vollständige Urteilsbegründung abwarten. Das Gericht fordert voraussichtlich eine zweistufige Prüfung – einmal der Bruttokaltmiete und dann der Heizkosten. Offen ist auch die Härtefallregelung. Da geht es u.a. um den zehnprozentigen Zuschlag für Rentner. Insgesamt glaube ich nicht, dass Empfänger von Wohngeld Angst haben müssen. Fragen: Ralf Nachtmann Umwelt & Verkehr jot w.d. 10/2014 11 Alternativen ernsthaft prüfen Bündnisgrüne fordern bei Ortsumfahrung Ahrensfelde Informationen für die Öffentlichkeit Marzahn – Die Planungen zur künftigen Ortsumfahrung Ahrensfelde sind offenbar in einer Sackgasse gelandet. Das glauben die Bündnisgrünen des Bezirks und berufen sich dabei auf einen Vertreter der Bundesregierung, der in einer Anzeigenzeitung mit den Worten zitiert wird: „Das Bundesverkehrsministerium verlangt Änderungen bei der Finanzierung“. Daraufhin erklärt der Senat auf eine kleine Anfrage von Harald Moritz: „Die Beauftragung weiterer Planungsphasen ist vom Entscheid des Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur auf die vorliegenden Prüfmitteilungen des Prüfungsamtes des Bundes und der Positionierung der Länder Berlin und Brandenburg abhängig.“ In der Antwort auf eine Kleine Anfrage von Renate Künast und anderen bündnisgrünen Bundestagsabgeordneten erklärte die Bundesregierung: „Belastbare Aussagen zur Perspektive erforderlicher weiterer Planungs- und Verfahrensschritte sind hier derzeit noch nicht möglich.“ Gleichzeitig schübe das Bundesverkehrsministerium die Verantwortung für die nächsten Schritte auf die beteiligten Bundesländer ab, kritisieren die Grünen. Es „hält zunächst die Klärung noch Die rote Linie zeigt die bisher favorisierte Trasse. Sie würde, weil Berlin nicht für eine andere Variante zahlen will, in Marzahn quer durch ein Wohngebiet führen, eingerahmt von sechs Meter hohen Mauern. In die Hönower Weiherkette Dass zum Zwecke Wasser fließe offener Einzelfragen der ins Planfeststellungsverfahren eingebrachten Projektplanung durch die zuständigen Länder Berlin und Brandenburg für geboten“. Nun fordern die Oppositionspolitiker die beteiligten Bundesländer auf, die Planungen für die „Troglösung“ zu stoppen und Alternativen zu prüfen. Dazu gehört aus bündnisgrüner Sicht vor allem die Prüfung einer S-Bahn-Verlängerung nach Blumberg. „Darüber hinaus fordern wir, dass Senat und Bezirksamt die Anwohner in einer Anwohnerversammlung über den aktuellen Planungsstand informieren“, verlangt auch Bernadette Kern von der Grün-Fraktion der BVV. Die Abwägung der verschiedenen Varianten müsse unter Einbeziehung der Betroffenen diskutiert werden. „Eine Planung hinter verschlossenen Türen halten wir für nicht mehr zeitgemäß“, sagt Kern. „Das gegenseitige Zuschieben von Verantwortungen ist ein Armutszeugnis“, setzt sie hinzu. „Werden die bisherigen Planungen realisiert, droht die Zerschneidung der Landschaft in erheblichem Maß. Die geplante Um- gehungsstraße trennt die Siedlungsgebiete Ahrensfelde sowie Marzahn voneinander. Dies wird zu einer erhöhten Verkehrsbelastung im Wohngebiet um die Havemannstraße beitragen.“ R. Nachtmann Alle Pläne und Ansprechpartner (Sabine Röding, Elke Klemm) beim verantwortlichen Landesamt für Bauen und Verkehr des Landes Brandenburg sind im Internet bei der Adresse www.o-sp.de/ lbvbrandenburg/plan/uebersicht.php?pid=17542 zu finden. Mahlsdorf – Manch Spaziergänger wird sich vielleicht über die rege Erdbautätigkeit in den vergangenen Monaten in Mahlsdorf Nord, im Musikerviertel und (hier zu sehen) am „Tegelitz-Wäldchen“ gewundert haben. Dort wurden mehrere Abschnitte des Wernergrabens saniert und vielfach mit so genannten Steingabionen eingefasst. Die Arbeiten waren bereits seit 2011 geplant, wurden mit der Entwicklung des Baugebietes an der Dürerund Sudermannstraße jetzt vordringlich. Letztere soll künftig für den Verkehr geöffnet werden. Foto: Nachtmann Hellersdorf – Das Freilandlabor Marzahn lädt am 7. Oktober zur traditionellen Herbstwanderung in der Hönower Weiherkette ein. Der goldene Herbst bietet letzte wärmende Sonnenstrahlen, bunte Blätter und süße Früchte. Anfang Oktober sind schon die ersten Nachtfröste möglich, aber die machen Wildfrüchte wie Schlehen und Vogelbeeren erst lecker. Start ist 14 Uhr am U-Bahnhof Hönow; für Erwachsene fällt ein Startgeld von 2 Euro an. Die Wanderung bis zum Beerenpfuhl dauert etwa 2 Stunden. Info Tel. 99 89 017. Problem Holzheizungen Energie aus Luft und Boden Partikelemission gefährdet die Gesundheit Mehr Bauherren setzen auf Wärmepumpen Karlsruhe – Rund 15 Millionen Öfen und Heizkessel für Holz gibt es in Deutschland – von der Mehrfamilienhaus-Pelletheizung bis hin zum Bollerofen für Scheitholz. Aus einer aktuellen Auswertung des Umweltbundesamtes folgt, dass private Holzöfen und -kamine die Feinstaubbelastung in bestimmten Gemeinden in Deutschland relevant erhöhen. Am Karlsruher Institut für Technologie forscht Hanns-Rudolf Paur über die Entstehung und Abscheidung von Feinstäuben aus Verbrennungsprozessen. „Der Rohstoff Holz ist ein Naturprodukt mit starken Qualitätsunterschieden von Charge zu Charge“, sagt Paur, Leiter der Abteilung Aerosol- und Partikeltechnologie am KIT. „Nach der- zeitigem Stand der Technik ist es nicht möglich, die Verbrennung eines Ofens so zu optimieren, dass Holzbrennstoffe staubfrei verbrennen.“ Heizöl oder Gas wird bereits in der Raffinerie beziehungsweise an der Quelle aufwendig gereinigt und verbrennt nahezu partikelfrei. Naturbelassenes Holz dagegen enthält neben Kohlenstoff und Wasserstoff viele Spurenelemente, die die Verbrennung beeinflussen und die sich je nach Baumart, Jahrgang und Standort unterscheiden können. „Letztlich werden Holzöfen noch viel stärker als Öl- oder Gasbrenner darauf angewiesen sein, dass die Abgase über passende Filtersysteme gereinigt werden.“ Monika Landgraf Berlin – Laut dem Statistischen Bundesamt ist der Anteil von Wärmepumpen als primäre Heizquelle in neugebauten Wohngebäuden 2013 auf 32,2 Prozent (plus 2) gestiegen. Bei Einfamilienhäusern liegt der Anteil von Wärmepumpen sogar bei 33,8 Prozent. Karl-Heinz Stawiarski, Geschäftsführer des Bundesverbandes Wärmepumpe, bewertet die Entwicklung als Vertrauensbeweis der Bauherren: „Der stetige Anstieg der Neubauten mit Wärmepumpe zeigt, dass Endkunden die Wärmepumpe immer mehr als das Heizsystem der Zukunft wahrnehmen, mit dem sie auch noch in 20 Jahren ihr Haus zuverlässig beheizen können“. Seit 2007 hat sich der Anteil der Bauherren, die sich für die Wärmepumpe entscheiden, nahezu verdreifacht. Be- sonders häufig entschieden sich Bauherren für Luftwärmepumpen. 22,9 Prozent der installierten Heizungen im Neubau nutzen die Wärmequelle Luft, wohingegen der Anteil erdgekoppelter Wärmepumpen von 10 Prozent auf 9,2 Prozent gesunken ist. Stawiarski sieht diesen Rückgang in der leichteren Erschließbarkeit der Wärmequelle sowie der gestiegenen Effizienz der Luftwärmepumpen begründet. Diese seien einfacher zu installieren und daher günstiger in der Anschaffung. Er empfiehlt allerdings, auch die Zusatznutzen einer Erdwärmeanlage zu berücksichtigen. So könne man sich mit erdgekoppelten Anlagen das konstante Temperaturniveau des Erdreichs, das ganzjährig bei ca. 10 Grad liegt, zunutze machen. R. Nachtmann Obstgehölze für die IGA gepflanzt Marzahn – Anlässlich der Eröffnung des Umweltfestes pflanzten die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Petra Pau, Bürgermeister Stefan Komoß sowie Vertreter der Städtepartner, der IGA und der Kleingartenanlage „Am Kienberg“ die ersten Obstgehölze für die IGA Berlin 2017. In deren Rahmen sind am Hangfuß des Kienbergs Gehölzsäume, Streuobstwiesen und fugenreiche Natursteinmauern mit offenen Wiesenbereichen geplant, in die die bereits heute dort vorhandenen Obstbäume integriert werden. Ziel ist es, einen eigenständigen gärtnerischen Beitrag in Vorbereitung der IGA zu schaffen und diesen für interessierte Besucher ab 2017 zugänglich zu machen. In den kommenden Jahren soll dazu an dieser Stelle eine bedeutende Sammlung alter einheimischer Obstgehölze in einer Kleingartenanlage entstehen. Um dies zu erreichen, werden in den nächsten Monaten auf den öffentlich zugänglichen Wegen in der Kleingartenanlage über 200 alte einheimische Obstgehölze gepflanzt und aufgezogen. Neues Busnetz im Nordosten Marzahn – Der Busverkehr im Raum Ahrensfelde, Hohenschönhausen, Buch und Panketal, der auch für Marzahner interessant ist, wurde unlängst neu gestaltet. Die Angebote der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und der Barnimer Busgesellschaft (BBG) wurden verstärkt und besser aufeinander abgestimmt. Herzstück des neuen Busnetzes ist die Buslinie 893, die an den Wochentagen nunmehr ganztägig im 20Minuten-Takt verkehrt. Die Linie führt vom S-Bahnhof Zepernick über S-Bahnhof und Klinikum Buch, Schwanebeck, Lindenberg und Siedlung Wartenberg zum S-Bahnhof Hohenschönhausen und zum Prerower Platz. Der Südeingang des Klinikums Buch wird tagsüber alle 10 Minuten zusätzlich mit den Buslinien 259 und 353 erreicht. Alle Informationen zum neuen Fahrplan stehen in einer kostenfreien Broschüre mit Fahrplänen und einer Ortskarte, in der Linienverläufe und Haltestellen eingezeichnet sind. Sie ist u.a. an Fahrkartenausgaben, in Rathäusern und Einkaufszentren sowie beim Fahrer der Busse der BBG und unter VBB.de erhältlich. RN Am Kilinikum Buch kann man nun von Bussen der BBG in die der BVG umsteigen. Foto: VBB 12 jot w.d. 10/2014 Literatur Dörrgemüse, trocken Brot, Marmelade, Heldentod Höhepunkte der Formulierkunst Der Erste Weltkrieg im Spiegel seiner Lieder Das letzte Buch des Kabarettisten Dieter Hildebrandt In seinem neuen Liederbuch hat Werner Hinze sich dem Ersten Weltkrieg gewidmet und eine Fülle an spannenden Liedern und interessanten Details ausgegraben. Den einzelnen Kapiteln gehen jeweils einführende Abschnitte voraus, denen es gelingt, uns aufschlussreich in das Thema einzuführen. Zug um Zug bekommen wir ein Bild von der Zeit ab 1871 bis ungefähr 1920. Ein Bild, das jeder einzelne in alle Richtungen erweitern kann und sollte. Der Erste Weltkrieg wurde begleitet von einer noch nie dagewesenen Fülle an Liedern und Liederbüchern, Propagandapostkarten und Ähnlichem – in allen am Krieg beteiligten Ländern. Das Gros stellen dabei propagandistische und traditionelle Soldaten- oder Kriegslieder sowie ganz gewöhnliche Volkslieder dar. In dem vorliegenden Buch habe ich, man könnte sagen selbstverständlich, auf die Wiedergabe kriegsverherrlichender Lieder verzichtet, mit einigen wenigen Ausnahmen, um einerseits diese Art Propaganda deutlich zu machen und andererseits, um sie bestimmten Bildern oder Liedern entgegenzustellen. Hauptsächlich dokumentier werden Lieder, die die Situation, das Leben der Soldaten und der Zivilbevölkerung deutlich machen. Die von deren Sorgen, Ängsten, aber auch gelegentlichen Freuden handeln. Manche Lieder stellten in einer derart existenzielDiese Ballade vom „revolüzzenden Lampenputzer“ ist eines der bekanntesten Gedichte von Erich Mühsam. Bei der nächsten Matinee in der Peter-Weiss-Bibliothek, Hellersdorfer Promenade 24, am 19. Oktober, 10.30 Uhr, wird sie mit der Stimme von Ernst Busch zu hören sein. Erich Mühsam (1878-1934), Dichter, Anarchist, len Situation, dem Tod oft näher als dem Leben, eine Hilfe dar, derartige Grenzerfahrungen zu verarbeiten. Das Liederbuch „Dörrgemüse, trocken Brot, Marmelade, Heldentod“ bringt uns, ohne etwas zu verherrlichen oder gar historisch auf die falsche Fährte zu lenken, auf spannende Art und Weise den Sorgen und Ängsten aus der Zeit des Ersten Weltkriegs näher. Die Informationen über jene Phase sind so umfangreich, dass sie uns einerseits umfassend ins Geschehen einführen und andererseits genügend Anregungen bieten, uns intensiver mit einigen der Themen zu beschäftigen. Mit einem Rückblick auf die Zeit zwischen den Kriegen (1871-1914), kurzen Repliken auf das Soldatenlied, seiner Veränderung während des Krieges, der Wandervogelbewegung, der katholischen Kirche, der Musik im Stellungskrieg, der Sexualität, dem deutschen Kolonialismus oder der „Heimatfront“ folgen kurze Kapitel zu militaristischen und anderen Nachwirkungen und zum Desertieren. Die Hintergrundinformationen zu den Liedern, die mit einem guten Notenbild dargebracht und Akkorden versehen sind, vervollständigen das ansehnliche Buch. Regina Engel (Musik von unten) Werner Hinze: Dörrgemüse, trocken Brot, Marmelade, Heldentod; 144 S. 19,50 Euro. Das ist kein Buch, das man so schnell liest wie einen guten Krimi. Bei Dieter Hildebrandt lohnt es sich immer, noch einmal ein paar Seiten zurückzugehen und noch einmal zu lesen. Man könnte eine Pointe nicht gleich verstanden haben, versucht den Text so zu lesen, wie es der Meister getan hätte. Hildebrandt zu lesen bedeutet für viele, ihn zugleich zu hören. Mit den bewusst und kunstvoll gesetzten Pausen, die dem Zuhörer gelassen werden. Etwa so, wie man Sergej Michalkows „Der Hase im Rausch“ nicht lesen kann, ohne zugleich den genialen Eberhard Esche zu hören. Ob Dieter Hildebrandt ahnte, dass dieses Buch wirklich seine letzte Zugabe sein würde, weiß ich nicht. In den flugs aus den Schubladen vieler Redaktionen geholten Nachrufen hieß es, der im November 2013 im Alter von 86 Jahren gestorbene Kabarettist und Autor hätte noch mehrere Tourneen geplant. Sein Krebstod sei für ihn fast wie aus dem heiteren Himmel gekommen. Wobei heiter an dieser Stelle ziemlich makaber klingt. Es stimmt traurig, dass es keine Chance gibt, Hildebrandt noch einmal zu erleben. Dabei sind wir doch von so vielen Dingen, Personen und Tatsachen umgeben, die ge- radezu dazu einladen, von ihm auf die Schippe genommen zu werden. Allein Mitglieder der bayerischen Staatsregierung etwa böten Anlass für abendfüllende Programme. Wenn Hildebrandt feststellt, die ehemalige Bundesministerin Ilse Aigner spreche zwei Fremdsprachen, rede aber immer noch so, wie man es ihr auf der Grundschule vergeblich versucht habe abzugewöhnen, ist das für mich ein Höhepunkt der Formulierkunst. Aber auch andere bayerische Politikergrößen wie der Seehofer-Horst bekommen von Hildebrandt den beißenden Spott, den sie verdient haben. Besondere Perlen bietet Hildebrandt, wenn er sich mit dem heutigen Sport beschäftigt. Beispiel gefällig? „Inzwischen ist man dazu übergegangen, jeden einzelnen Spieler zu interviewen. Dabei kommen Erkenntnisse heraus, die man als Fernsehzuschauer für den Alltag dringend benötigt. Ein Reporter fragte allen Ernstes: „Wie kam es, dass Sie das Tor geschossen haben?“ Und der Spieler sagte: „Na ja, ick hab gedacht, den mach ich rein.“ „Na und dann?“ „Dann hab ick ihn reinjemacht.“ Hans Sandow Dieter Hildebrandt: Letzte Zugabe, Blessing, 19,99 Euro. „War einmal ein Revoluzzer“ Kriegsgegner, sah schon sehr früh die Gefahr, die dann zum 1. Weltkrieg wurde, und warnte in seinen satirischen und spöttisch gesellschaftskritischen Gedichten davor. 1919 gehörte er mit Ernst Toller und Gustav Landauer zu den Initiatoren der Bayerischen Räterepublik und bekämpfte nach Haftentlassung als leidenschaftlicher Publizist, Versammlungsredner, politisch-satirischer Lyriker und Dramatiker die Weimarer Klassenjustiz. In der Nacht des Reichs- tagsbrandes wurde er von der SA verhaftet und am 9. Juli 1934 im KZ Oranienburg ermordet. Seinen 80. Todestag nehmen Angela Friedrich und Hans Hübner, dessen Vater 1933/34 selbst im KZ Oranienburg inhaftiert war, zum Anlass, mit dem literarischen Programm „Menschen, laßt die Toten ruhn und erfüllt ihr Hoffen“ an Mühsam zu erinnern. Gedichte und Lieder, historische Tonaufnahmen, eine Filmdokumentation und eine Ausstellung rücken diesen Dichter wieder in unsere Erinnerung. Eintritt kostenlos; da die Bibliothek nicht sehr groß ist, empfehlen wir, einen Platz zu reservieren Tel. 99 12 008. Gerda Maron Da muss es wuseln – Blick in den Alltag großer Familien Je ärmer im Geiste, um so reicher an Kindern. Es ist ein Vorurteil, aber es wird immer wieder gern genommen. An der Verhütung gespart, und dann Vater Staat zahlen lassen. Sehenden Auges in die Überforderung laufen, und dann Hilfe von der staatlichen Gemeinschaft einfordern. Mehrfach im Jahr schnappen Familien mit drei und mehr Nachkommen solche Sprüche auf. Doch was geht wirklich ab in großen Familienverbünden? Die Bundeszentrale für politische Bildung hat im jüngst erschienenen Buch „Kinderglück“ den Alltag von elf großen Familien beleuchtet. Mit dem Klischee räumen die Berichte gründlich auf. Statt ungebildeter und sozial schwacher Fernsehkonsumenten stehen hier meist sowohl Kinder wie auch Eltern mitten im Leben: Mit hoch strukturiertem Alltag, Vereinsleben, Musikschulbesuch und Großen, die nach ihren kleinen Geschwistern schauen. Und einer Menge von Problemen, trotzdem, die aber nicht im Vordergrund zu stehen scheinen: Verlorene Turnbeutel, vergessene Fahrkarten, Koordinationshöchstleistungen. Eigentlich der ganz normale Wahnsinn, nur eben vier- und sechsfach. Am Rande erscheinen immer mal die Sonderprobleme wie Familientarife an Zoo- und Schwimmbadkasse, die maximal zwei Kinder vorsehen. Fast immer zu wenig Geld und zu kleine Wohnungen. Die Konstellationen sind dabei so vielfältig wie das Leben der Großfamilien. So berichtet eine moderne Frau aus aristokratischem Hause über ihre Kindheit in einem hessischen Schlösschen, wo möglichst zahlreiche Geschwister zur Adelstradition gehörten. Vorgestellt wird beispielsweise auch das lesbische Pärchen aus dem Saarland, das fünf Kinder aus den zwei gescheiterten (Männer)-Beziehungen der Mutter großzieht. Sozial schwach, kritisch beäugt im Brennpunktgebiet, finanziell immer auf Kante, aber dennoch geachtet und eben nicht verkommen. Alle Kinder sind „was Ordentliches“ geworden. Eine noch größere Familie berichtet, wie es kam und wie es funktioniert, dass sie mit ihren acht Nasen wegen mehr Kinder- freundlichkeit von Bonn nach Frankreich gezogen ist. Arbeit in Deutschland, kinderreich leben im Elsass, das mindert die Steuerbelastung enorm. Akribische Koordination und Überraschungen bietet auch die syrisch-deutsche Patchworkfamilie. Dort brachte er zwei, sie drei Kinder mit in die Ehe, und zwei kamen noch gemeinsam hinzu. Zudem müssen immer noch Besuchszeiten und Impulse der verlassenen Partner abgestimmt werden. Den Blick in eine „richtige Migrantenfamilie“ aus der Türkei gibt es auch. In einer der Geschichten aus dem Buch beschreibt Joachim Wuermeling das Leben seines Großvaters. Der hatte sich im Dritten Reich nicht mit den Nazis gemein gemacht und trotz Hochschulabschluss und fünf Kindern bis Kriegsende ein bedeutungsarmes und finanzschwaches Leben an der Ideologie vorbei geführt. Unter Adenauer wurde Franz-Josef Wuermeling Westdeutschlands erster Familienminister. Stockkonservativ zwar, aber bemüht, Familien unabhängiger zu machen von parteiengestörten Lebensläufen. Dabei führte er Kindergeld ebenso ein wie das Jugendschutzgesetz und die Fahrpreisermäßigung bei der Bahn für kinderreiche Familien, boshaft „Karnickelpass“ genannt. Blut und Boden war in den Fünfzigern kein Thema mehr. Der Minister sah Familien als Sinn, Fundament und Stütze staatlicher Ordnung überhaupt. Das Buch „Kinderglück. Leben in großen Familien“, verfasst von Rocco Thiede und herausgegeben vom Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V., ist in der Bundeszentrale für politische Bildung erschienen und nur dort online (www.bpb.de/186621) bestellbar. Es kostet großfamilienfreundliche 4,50 Euro inkl. Porto. Ebook-Leser und Computermaniacs können das Buch als pdf oder e-pub ebenfalls kostenlos downloaden. Henson Stehling Feuilleton jot w.d. 10/2014 13 Trauerorte oder Propagandastätten? Zur Tradition deutschen Krieger-Gedenkens – Teil 2 Im Rahmen unserer Berichterstattung zum Thema „100 Jahre Erster Weltkrieg“ schrieben wir in Ausgabe 8/2014 auch über die Problematik des kompletten Wiederaufbaus des Denkmals in Biesdorf. Wolfgang Brauer, Vorsitzender des Heimatvereins, findet die dort dokumentierten Arbeiten der Biesdorfer Gymnasiasten zum Biesdorfer Kriegerdenkmal „geradezu vorbildlich“ und nahm dies zum Anlass, umfassend über die „Kriegerdenkmale“ nachzudenken. Aber die Niederlage sollte ja nicht endgültig sein. Das Spandauer Gardegrenadierregiment Nr. 5 verlor bei Tannenberg, 1916 an der Somme und in den fürchterlichen Flandernschlachten 1918 über 4000 Mann. 1922 errichtete es ein Kriegerdenkmal im heutigen Stabholzpark. Die Bronzeplastik August Schreitmüllers trägt den Titel „Die Wacht“. Ein nackter Krieger, lockeres Tuch, antikes Kurzschwert. Er trägt den deutschen Stahlhelm. Es ist schwer zu sagen, wessen Auge schärfer blickt: das des Kriegers oder das des neben ihm hockenden Ares? Die beiden sollen im Felde besiegt worden sein? Die Botschaft ist eindeutig. Noch süßlich-verlogener kommt ein an der Trabrennbahn Karlshorst stehendes Denkmal (Foto: Brauer) daher. Etwas verschämt wird es gern „Rennreiterdenk- mal“ genannt. Das ist Blödsinn, das Reiterdenkmal von Willibald Fritsch ist ein Kriegerdenkmal. Reichspräsident Paul von Hindenburg enthüllte es am 23. September 1925. Es erinnert an 161 Gefallene, 22 Berufs- und 139 Herrenreiter. Am Sokkel geht es vom Leutnant bis zu den Prinzen von Reuss und Sachsen-Weimar aufwärts. Hier fehlen zwar Schwert und Adler, aber der stählerne Blick des antik daherkommenden Reiters ist derselbe wie in Spandau. Hier feierte sich eine Kriegerkaste selber ab. Diese Leute gierten nach einem zweiten Waffengang. Die Herren verkehrten im „Herrenklub“ in der Jägerstraße. Eine ihrer führenden Gestalten hieß Franz von Papen. Der hievte Hitler in den Sattel. Zwei Nummern kleiner waren die Kriegerdenkmäler in den Dörfern unserer Gegend. Zudem sind sie in der Regel ziemlich uniform und künstlerisch ohne Wert. Es handelt sich um Serienarbeiten aus dem Katalog: Stein auf Sockel, Namenstafel (zumeist aus poliertem Granit), stilisierter Helm oder Adler auf Kugel. Oftmals wurde eine Umfriedung aus einer geschmiedeten Kette angelegt. Es sollte irgendwie nach Heldenfriedhof aussehen. Da liegt aber niemand. Heute findet man gelegentlich an Jubiläumstagen oder am Totensonntag an diesen Steinen ein Grablicht. Es handelt sich dabei im besten Falle um einen traurig stimmenden Irrtum. Es gibt eine weitere Gemeinsamkeit: Diese Denkmäler stehen alle auf kirchlichem Grund und Boden. Der Grund ist banal: Nach dem Bürgerkrieg 1918/1920 wur- de der Stadtbezirk Lichtenberg sozialdemokratisch regiert. Die SPD-Mehrheit in der BVV verweigerte den Kriegervereinen – neben dem Militär waren diese die Hauptauftraggeber solcher Denkmalsetzungen – öffentlichen Boden für ihre Propagandamonumente. Ausnahme: Das Kriegerdenkmal in Alt-Marzahn steht auf bezirkseigenem Grund. Es wurde am 1. August 1920 eingeweiht. Das Groß-Berlin-Gesetz trat erst am 1. Oktober 1920 in Kraft. Der Kriegerverein hatte hier noch das Sagen. Sozialdemokraten und Juden waren in diesen Vereinigungen unerwünscht. Kommunisten kamen sowieso nicht auf die Idee, da eintreten zu wollen. Das Marzahner Denkmal präsentiert sich heute übrigens auch nicht mehr wie zu seiner Entstehungszeit. Damals zierte es ein stilisierter Kürassierhelm, der wurde aber um 1933 durch einen Adler (ohne Weltkugel) ersetzt. Dazu kam ein Eisernes Kreuz. Der Adler ist weg, das Kreuz ist noch da. Der „Rest“ möge wegbleiben. Die Namenstafel selbst spricht hinreichend zu uns. Ganz anders ist die Situation in Kaulsdorf. Die sich dort an der Kirchhofsmauer zeigende schlichte Gedenksituation ist nicht die historische. Auch hier wollte man ursprünglich einen öffentlichen Platz, den Wilhelmplatz, für ein „Gefallenen-Denkmal“. Die Lichtenberger BVV lehnte das am 21. Oktober 1925 ab. Man wich auf Kirchenland aus und errichtete eine metallene Soldatenfigur mit Stahlhelm und Handgranate, am Sockel die Inschrift „Unbesiegt“. Das war wie in Spandau die in Bronze gegossene Dolchstoß-Legende Hindenburgs und Ludendorffs. Die Soldatenfigur und die am Sockel angebrachten Bronzetafeln wurden 1951 von der Kirchgemeinde als Buntmetall abgeliefert. Das Mahlsdorfer Kriegerdenkmal transportiert dieselbe Botschaft: „Und wenn wir auch aus dem Weltkriege nicht als Sieger heimgekehrt sind und der blindwütige Haß rachsüchtiger Feinde uns die Waffen aus der Hand geschlagen hat, wisset Ihr Enkel und Urenkel, in aller Not und deutscher Nacht sind wir nicht verzweifelt, bis zu unserem Tode halten wir an dem Vertrauen zu unserem Volke fest, daß der Geist des eisernen Volkes von 1914 bis 1918 nicht sterben darf...“ Das findet sich im Bericht des Mahlsdorfer Chronisten Paul Großmann über die Einweihung des Denkmales am 4. September 1927. (Teil 3 in Ausgabe 11/2014) Tai Chi an einsamen Stränden Kabarettistin und jot w.d.-Kolumnistin Dagmar Gelbke genießt trotz Erkältung und Albträumen gewittrige Tage auf Formentera und geht auf Rentnerfahrt in den sonnigen Süden Wie unterschiedlich doch das Publikum reagiert! Wenn wir auf der „Carlsburg“ über Falkenberg unser Weiberprogramm „Wir sind nicht alt! Aber sexxy!“ ankündigen, ist es ruck-zuck ausverkauft. Im Stadttheater Cöpenick, wo wir es am 4. Oktober, 19.30 Uhr, spielen wollen, läuft der Kartenvorverkauf so schlecht, dass wir eventuell noch absagen müssen. Oder liegt der Termin einfach ungünstig, jetzt, wo alle Kleingärten winterfest gemacht werden müssen und dabei die letzten schönen Herbsttage genutzt werden. Während ich dies schreibe, sitze ich schwer erkältet bei meiner Freundin Marianne auf der Sonneninsel Formentera, die, seitdem ich hier bin, zur Gewitterinsel konvertierte. Gut, es hatte fast ein Jahr (!) lang nicht geregnet, aber muss denn ausgerechnet ich die Regentrude sein unter dem Motto: Lasst mich die auch noch spielen? Trotzdem ist hier ein magischer Ort, der positive Energien ausstrahlt und unruhige Geister wie mich erdet – noch. Denn auch hier findet ein Ausverkauf der Umwelt an die Italiener statt, die viermal am Tag duschen müssen, oder an „Herr der Ringe“-Stars wie Orlando Bloom, die mit den Ankern ihrer Riesenyachten die für die Wasserqualität verantwortliche Posidonia-Alge ausrotten. Aber noch löst die Insel meine inneren Blockaden der vergangenen Monate - die man an den Träumen zu Urlaubsbeginn ablesen konnte. Oder ist das kein Albtraum, wenn Dagmar Frederic mit mir sauer ist, weil ich in einer Kolumne nicht erwähnt habe, dass sie gerade einen kleinen Sohn geboren hat? Oder wenn Lothar Bölck, der mdrKabarettist, als Wasserleiche in einer Badewanne liegt und blubbernd zu mir sagt: Du könntest ein Weltstar sein, wenn Du ein anderes Gesicht hättest? Inzwischen schlafe ich – trotz Erkältung – wie ein Baby und habe sogar Muße, klassische Epen zu lesen wie Dschingis Aitmatows „Der Tag zieht den Jahrhundertweg“. Mein Gott, war das ein Erzähler! Man kann der ollen DDR nur dankbar sein, dass solche Literatur in der Schule Pflichtliteratur war. Apropos: Ich habe ja Anfang September meine Klausur über die Geschichte Deutschlands von 1871-1945 geschrieben, in einem furchtbar hässlichen Hörsaal in der altehrwürdigen Goethe-Universität zu Frankfurt am Main. Ich hatte Glück und konnte ein Thema wählen, über das ich einiges wusste: Die Weimarer Republik. Ob ich bestanden habe, erfahre ich erst in zwei Monaten, wo ich doch – wie mir einer meiner Träume leider sehr richtig eröffnet hat - die tragenden Säulen der damaligen Politik einfach vergessen habe zu erwähnen: Die verfassungsrechtlich garantierte Arbeitsrechts- und Sozialpolitik, die bis heute Grundlage unserer Demokratie ist. Mann, ich Schussel aber auch! Dass Frankfurt am Main mein Klausur-Ort war, lag daran, dass meine diesjährige, geführte Rentnerreise an die Costa Brava dort begann. Zehn Stunden im Bus mit netten Hessen, Rheinländern, Pfälzern und Schwaben, von Genua aus mit unglaublich vielen heimkehrenden Marokkanern auf einer Fähre nach Tanger bis Barcelona, von dort in ein Hotel in Malgrat de Mar. In insgesamt 10 ausgefüllten Tagen haben wir auf einer Pyrenäen-Fahrt Andorra besucht, uns wurde Barcelona gezeigt und das Dali-Museum in Figueras sowie das Wohnhaus des genialen Künstlers im romantischen Fischerdorf Cadaquès nahe der französischen Grenze – alles im Preis inbegriffen. Auch inbegriffen im niedrigen Preis: der stinkende Abfluss im Hotelzimmer, den ich aber hingenommen habe, weil ich risikofreudig nur ein halbes Doppelzimmer gebucht hatte und dann wirklich ein Einzelzimmer ohne Aufpreis nutzen durfte. Und die allabendliche Musikbeschallung am Urlaubsort! Oh ja, dort hat der Bär gesteppt. Auf jeder Hotelterrasse eine andere Band unserer Generation (also lang- aber grauhaarige Rockmusiker) und ich habe oft gedacht: Vor ein paar Jahren noch hättest du das nicht ertragen. Aber es blieb einem gar nichts anderes übrig, als sich darauf einzulassen und mitzutanzen – ich will doch sowieso wieder öfter tanzen gehen. Meckern hätte auch gar nichts gebracht, jedenfalls nicht bei dem Preis. (Wer wissen will, wie viel ich für diese Reise ausgegeben habe, informiere sich bei dem Reiseveranstalter, der gerade im „Trend“ ist.) An den freien Tagen habe ich mich dann aber auf meine geliebten Individualtouren ins Hinterland begeben, per Fahrrad, per Bus, per pedes, habe abseits vom Trubel an einsamen Ständen mein Tai Chi praktiziert und mich um das Elend der Welt und die Wasserqualität des Mittelmeeres gesorgt. Ja, wir Menschen sind doch unbelehrbar. Wir wählen AfD, weil wir, ähnlich wie in der Weimarer Republik, nicht mehr in der Lage sind, in politischen Zusammenhängen zu denken, und durchleuchtet man die „vorbildliche“ Umweltpolitik der Bundesregierung, dann muss man wirklich dankbar sein für jeden noch so gewitternden Urlaubstag auf Formentera. In diesem Sinne bin ich dankbar für meine „frühe Geburt“. Eure Daggie 14 jot w.d. 10/2014 Empfehlungen 13. Lange Nacht der Senioren Schwoof und Tanz im FFM bis der Bus-Shuttle kommt Marzahn – Einmal im Jahr kann man in der Mehrzweckhalle des Freizeitforums bei Stimmung, guter Laune, Show und Tanz eine „lange Nacht“ mit Partner oder Freunden verbringen. Am 26. Oktober ist es wieder soweit. Da strömen die Damen und Herren in der zweiten Lebenshälfte aus allen Richtungen (bis hin nach Neuenhagen oder Strausberg) herbei, um einen gemütlichen Abend mit Show-Meister Siegfried „Siggi“ Trzoß und seinen Gästen aus der Unterhaltungsszene zu verbringen. Dass dabei bis zur „Geisterstunde“ fleißig das Tanzbein geschwungen wird, auch wenn man die 80 weit überschritten hat, wissen wir aus vergangenen Langen Nächten. In diesem Jahr sind Dagmar Frederic (Foto: Nachtmann) und Sandra Mo dabei, der Gentleman des deutschen Schlagers, Kay Dörfel, und das Piano-Supertalent 2013, Thomas Krüger. Alenka Genzel & Frank Matthias wollen ihr Publikum mit Musical- und Operettenmelodien erobern, die „DonegalsIrish- Dance“ mit leidenschaftlichem Tanz. Wie in den vergangenen Jahren führen das Gesangsund Ehepaar Andrea & Wilfried Peetz musikalisch durch den Abend. Für einen sicheren Heimweg nach der Veranstaltung sorgt wieder die Dr. Herrmann Touristik GmbH mit einem Bus-Shuttle (Anmeldung Tel. 0800-562 70 04). Beginn 19 Uhr (Einlass ab 18 Uhr), Eintritt 18 Euro (inklusive Begrüßungsgetränk). I. Dittmann Von Julia Axen bis Wolfgang Ziegler Hits von damals – „Kofferradio“ erfüllt Hörerwünsche Berlin – Jeden Sonnabend zwischen 14 und 15 Uhr ist „Kofferradio“-Zeit beim Sender Alex Berlin, zu empfangen über das Berliner Kabelnetz 92,6, Antenne 88,4 und 90,7 bzw. per Internet: www.alex-berlin.de, www.siggitrzoss.de, www.radio-today.de. Vorschläge der Hörer bestimmen die Geburtstags- und Erinnerungssendung am 4. Oktober. Aus der Vielzahl der Wünsche hat Moderator Siggi Trzoß u.a. folgende Songs ausgewählt: „Weil du heut Geburtstag hast“ (Sven Simon), „Immer am Ball“ (Karney/Lippert), „Weil ich dich so lieb hab“ (Baltuttis/Frohberg), „Dicke International“ (Helga Hahnemann) und „Musik ist mein Leben“ (Nina Lizell). Neuaufnahmen von Platte und Funk von vor 50 Jahren erklingen am 11. Oktober. Da gibt es ein Der Herbst ist da und meine Rückenschmerzen auch In jot w.d. 8/2014 versprach Heilpraktikerin Christine Eschenbach, regelmäßig eine zur Jahreszeit passende Übung zu empfehlen, die „ganz ohne Chemie“ auskommt. Wie kommt es, dass bestimmte Beschwerden zu bestimmten Jahreszeiten verstärkt auftreten? Dieses Phänomen wird von der so genannten Chronobiologie erforscht. Es gibt hierzu eine Reihe von Studien. Die Chronobiologie erlangt für den Menschen schon deshalb immer größere Wichtigkeit, da der Lebensstil der Menschen in unserem Kulturkreis immer mehr von den Rahmenbedingungen, die die biologische Uhr vorgibt, abweicht: Schichtarbeit, unnatürliche Essgewohnheiten, Bewegungsmangel. Die meisten Menschen verbringen immer weniger Zeit in freier Natur. So entsteht ein fortwährendes Lichtdefizit, das Schlaf- und Essstörungen, Energielosigkeit bis hin zu schwe- ren Depressionen begünstigt. Es gibt aber auch von den Jahreszeiten abhängige Rhythmen, die ebenso autonom im Körper ablaufen und nur bemerkt werden, wenn Beschwerden auftauchen. Insbesondere unsere Gelenke und Muskeln sind hier gemeint, und die werden im Alter immer wetterfühliger. Um gut durch den Herbst zu kommen ist es hilfreich, täglich mehrmals folgende Übung konsequent durchzuführen: Die linke Hand in den Nacken legen bis die Fingerspitzen auf die rechte Seite des Nackens reichen und die rechte Hand ans Steißbein legen und umgekehrt. Beide Seiten einige Zeit halten, bis die Beschwerden nachlassen. Wem diese Übung Schwierigkeiten bereitet, halte einfach 3 mal 10 Minuten erst den einen dann den anderen Zeigefinger und/oder den einen kleinen Finger, dann den anderen kleinen Finger mit der anderen Hand fest. Wiederhören mit Volkmar Böhm („Heiße Noten nicht verboten“), Christian Schafrik („Schön war deine Liebe“), den Sputniks („Gitarrentwist“), Helga Brauer („Liebeskummer lohnt sich nicht“), Rica Deus („Halt mich fest, mein Matrose“), Sonja Siewert („Täglich 24 Stunden“) und vielen anderen. Ausschnitte aus der 54. Schlagerstunde von und mit Siggi Trzoß gehen am 18. Oktober über den Sender. Der Moderator präsentiert den Berliner Sänger Wolfgang Ziegler, der bei dieser beliebten Veranstaltung garantiert nicht „im Regen stand“, wie es der Kaulsdorfer in seinem Erfolgstitel „Verdammt“ besingt. Zum Ausklang des Monats am 25. Oktober wird wieder an Geburtstagskinder des Monats erinnert. Dabei sind Bärbel Wachholz, Wolfgang Ziegler, Gerti Möller, Thomas Natschinski, Andreas Holm, Eva-Maria Hagen, Rolf Herricht, das Duo Munk/Krähmer und viele andere. Auch hier sprechen die Kofferradio-Hörer ein gewichtiges Wort mit bei der Titelauswahl. Musikwünsche können schriftlich an Kofferradio, Alex-Berlin, Voltastraße 6, 13355 Berlin (Fax 030 - 99 150 23, email an: kofferradio@siggitrzoss.de) gerichtet werden. I. Dittmann, Foto: Nachtmann Sommer 2014: Wenn die Pferde durchgehen ... Es ist ein schöner Sommertag im Grünen. Wir sitzen im sanft schaukelnden Wagen und schauen auf die sich bewegenden braunen Pferderücken. Der Sandweg verschluckt fast alle Geräusche bis auf das gelegentliche Schnauben der Pferde, ab und zu übersieht der Kutscher eine Wurzel und es rumpelt. Das Gespräch der Reisegesellschaft dreht sich um Urlaubsquartiere, das Badewetter und den schönen Wald, durch den die Pferde jetzt nicht mehr zuckeln, sondern wohl schon traben. Ihre Rücken sehen in der Sonne verschwitzt aus. Das Laufen mögen sie, sagt eine Pferdekennerin im Wagen. Ich halte dagegen: Wir haben doch alle Zeit der Welt, ist schließlich Urlaub, wozu die Hatz! Als ob er meinen Einwand gehört hätte, dreht sich der Kutscher das erste Mal zu uns um. Ich sehe sein erhitztes, höhnisch grinsendes Gesicht, der drohende kurze Blick ohne Worte verheißt nichts Gutes. Dieses Bauchgefühl haben wohl alle Mitreisenden, abrupt ist es aus mit der gelösten Urlaubslaune. Fortan wenden sich die Gesprächsthemen Kreuzfahrtschiffen an Riffen zu, havarierten Reisebussen, ertrunkenen Kindern am Strand. Der Wagen ist inzwischen nicht mehr im Grünen, sondern in einer ausgetrockneten Grasgegend, durch die galoppierenden Pferde wird jede Menge Staub aufgewirbelt. Immer wieder bremst der Kutscher unvermittelt. Schlechte Scherze sind diese Einlagen, denn alle fallen wiederholt durcheinander! Jetzt verstummen auch die Gespräche. Warum protestieren wir nicht? Haben wir einen Urlaubsausflug gebucht? Ja doch, eben keinen Abenteuertrip! Keiner wagt dem Kutscher etwas zu sagen, denn seine Peitsche knallt beängstigend dicht über den Pferderücken und der eine stechende Blick aus kalten Augen hat uns allesamt eingeschüchtert. Und jetzt, ermutigt durch unser Schweigen, brüllt er auch noch unflätig den Pferden Flüche der schlimmsten Art zu, um sie noch mehr anzutreiben. Wir klammern uns am krachenden Wagen fest und haben inzwischen schlicht und einfach Angst. Als uns auf dem schmalen Weg einige Reiter entgegen kommen, scheuen die Pferde und unser Wagen kippt um, wie kaum anderes zu erwarten war. Die Entgegenkommenden sehen uns in den Staub und das dürre Gras fallen, aber auch sie machen keine Anstalten zu helfen. Als sie dem Kutscher dreckig zulachen, wird uns innerhalb einer Sekunde das abgesprochene üble Spiel klar: Sie sind gut sichtbar bewaffnet und machen sich ohne jede Skrupel daran, uns Urlauber auszurauben. Überrumpelt liegen wir am Boden und müssen zusehen, wie Geld, Uhren und Wertsachen in ihren Taschen verschwinden. Wir sind ihnen zahlenmäßig klar überlegen, und ich würde zu gern aufstehen und aufbegehren, die anderen ebenfalls dazu ermuntern, bleibe aber mucksmäuschenstill und wie mit Bleigewichten an den Boden gefesselt liegen ... Schweißgebadet wache ich auf. Vor mir auf dem Tisch liegt das bunte Programm der Westernstadt El Dorado bei Templin. Dort sahen wir mit den Enkeln vor einigen Tagen diverse Stuntshows, auch gut eingeübte Überfälle von Gangstern auf Pferdekutschen. Und auf dem Schoß habe ich einen aktuellen Artikel über brutale bewaffnete Auseinandersetzungen im ukrainischen Bürgerkrieg mit vielen Todesopfern unter der Zivilbevölkerung. Uli Clauder direkt – Briefe & Antworten jot w.d. 10/2014 15 Schwuler, Literat, Kommunist Gedenktafel für Ronald M. Schernikau wurde in Hellersdorf enthüllt Während Massen von Menschen dem Osten den Rücken kehrten, machte sich einer auf in die entgegengesetzte Richtung – von West nach Ost. Im September 1989 erhält Ronald M. Schernikau die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik und bezieht eine Neubauwohnung in der Cecilienstraße 241 in Hellersdorf, damals benannt nach Albert Norden, einem früheren Politbüromitglied der SED. Fast 23 Jahre nach seinem Tod prangt nun dort am Eingang des Wohnhauses eine Tafel zu seiner Erinnerung. „Die Anmaßung der Welt vergessen und uns ihr zuwenden“ heißt es darauf. Zur feierlichen Enthüllung an einem sonnigen Freitagmorgen sind viele Freunde und Wegbegleiter Schernikaus erschienen. Seine Mutter, Ellen Schernikau, und sein Lebensgefährte und Nachlassverwalter Thomas Keck, der aus Schernikaus Hauptwerk „Legende“ liest. Juliane Witt, Kulturstadträtin in Marzahn-Hellersdorf, die durch die Veranstaltung führt, sagt: „Es ist ein gutes Signal, wenn wir jetzt mit einer Informationstafel an den Menschen, Künstler und selbstbewussten Homosexuellen erinnern.“ Tatsächlich findet mit der Enthüllung ein fünfjähriger Prozess ei- nen wunderbaren Abschluss. Damals hatten Carsten Schatz und ich die Idee geboren, Schernikau an diesem Ort zu ehren. Natürlich gibt es dabei immer sehr persönliche Geschichten und Erlebnisse. Mit „Die Tage in L.“ hat seller und ist heute sogar Bestandteil des Deutschunterrichts an vielen Schulen. Im Jahr der Veröffentlichung zog Schernikau von Lehrte bei Hannover nach West-Berlin. Dort begann er ein Studium der Germanistik, Psy- chologie und Philosophie und wurde Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Westberlins (SEW). Nach zunächst erfolglosen Bewerbungen konnte er 1986 ein Studium am Institut für Literatur Johannes R. Becher in Leip- mich ein Buch Schernikaus in den 1990-er Jahren sehr bewegt und geprägt, in dem ich viele meiner eigenen inneren Brüche und Konflikte aus dieser Zeit der Umbrüche gespiegelt fand. Den meisten Menschen ist Schernikau durch seine „Kleinstadtnovelle“ bekannt. In diesem Buch aus dem Jahr 1980 beschrieb der damals erst 19-jährige Autor das Aufwachsen als schwuler, unangepasster Jugendlicher in einer spießigen westdeutschen Kleinstadt. Der Roman wurde sofort ein Best- Die Gedenktafel und Schernikau in seiner Hellersdorfer Wohnung. Fotos: Archiv, Schernikau.net zig beginnen. Als westdeutscher Staatsbürger war er damit eine absolute Ausnahme. Seine Abschlussarbeit am Literaturinstitut war das Buch „Die Tage in L.“, das in der Bundesrepublik vom Konkret Verlag veröffentlicht wurde. Nach seiner Übersiedlung arbeitete er als Dramaturg für Hörfunk und Fernsehen beim Henschelverlag in OstBerlin. Am 20. Oktober 1991 starb Ronald M. Schernikau an den Folgen einer AIDS-Erkrankung. Nur wenige Tage zuvor hat- Der Kapitalismus hatte nur eine Chance: So zu tun, als sei er keiner. Er würde den Leuten mit dem Stundenlohn erzählen müssen, sie seien Herren ihrer selbst. Das hat geklappt. Herzlichen Glückwunsch. Plastetüten in die Plastetonne Beim diesjährigen Ernte- und Umweltfest beteiligten sich Bündnis 90/Die Grünen Marzahn-Hellersdorf an der Aktion „Berlin tüt was“. Nach dem Motto: „Wer 10 Plastiktüten am bündnisgrünen Infostand abgibt, erhält einen Stoffbeutel“ wurde in der lokalen Presse dazu aufgerufen, vorhandene Plastikbeutel abzugeben. Viele Menschen kamen dieser Aufforderung nach und gaben weitaus mehr als 10 Plastiktüten an den Infoständen ab. Zeitweise war der Andrang so groß, dass noch Stoffbeutel aus der Geschäftsstelle nachgeholt werden mussten. Stephan Patzelt, Sprecher des bündnisgrünen Kreisverbandes, freut sich sehr über die hohe Beteiligung und bedankt sich „bei Allen, die bei dieser Aktion mitgemacht und damit einen Beitrag zum Umweltschutz geleistet“ haben. C. Streich Stolperstellen werden beseitigt Schon seit längerem ist der Zugang zum S-Bahnhof Kaulsdorf beschwerlich. Auf dem Bahnhofsvorplatz sind die Gehwegplatten mehr Stolperstellen als ein unbeschwerter Zugang. Im Winter bilden sich durch Schnee und gefrorenes Eis gefährliche Eisflächen. Dies betrifft den bisherigen Zugang vor der Unterführung auf den Bahnsteig. Der Zugang mit Fahrstuhl und Brücke ist neu gebaut, hier gibt es keine Beanstandung. In Anbetracht des unweigerlich kommenden Winters habe ich bei der Deutschen Bahn um eine Reparatur gebeten. Der Regionalbereich Ost DB hat mitge- teilt, dass die Stolperstellen überprüft wurden. Hier drückt offensichtlich die Wurzel eines Kastanienbaums den Fußbodenbelag nach oben und verursacht so den Schaden. In Kürze wird DB Netz ein Angebot zur Begradigung der Fläche erhalten, welches dann bei gegebener Finanzierung umgehend beauftragt wird. Die Klärung des Themas der Liegenschaftsund Zuständigkeitsgrenzen hatte hier leider etwas gedauert. Ich freue mich, dass die gefährliche Stolperstelle, bei der schon Menschen gestürzt sind, nun repariert wird. Sven Kohlmeier, MdA Ronald M. Schernikau te er sein Werk „Legende“ fertiggestellt, welches posthum und nur durch die Unterstützung namhafter Autoren wie Peter Hacks, Elfriede Jelinek, Dietrich Kittner und Hermann L. Gremliza erschienen ist. Jörg Sundermeier, dessen Verbrecher-Verlag sich des literarischen Erbes Schernikaus inzwischen mit großem Engagement angenommen hat, schrieb einst über Schernikaus Erstlingswerk: Die „Kleinstadtnovelle“ ... ist kein „schwules“ Buch, so wenig wie es ein „antiprovinzielles“ oder „feministisches“ Buch ist. Es beschreibt lediglich die Verhältnisse, wie sie sind. Und es zeigt, dass man sie ändern kann. Und ändern muss. Ich bin sehr dankbar. Für die Gestaltung und Realisierung der Gedenktafel zu Ehren Ronald M. Schernikaus gebührt dem Amt für Weiterbildung und Kultur, der Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land und vor allem Thomas Keck, ohne den dies alles nicht möglich gewesen wäre, großer Dank. Dass die Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land sich für Produktion, Kostenübernahme und Montierung sofort und sehr unkompliziert bereitgefunden hat, war für mich besonders erfreulich. Klaus Lederer jot w.d. 10/2014 Die Energiewende findet statt, oder? Letzte Seite Verbrauchertipp: Schnell zu viel Geld Der Weg „Schnell zu viel Geld“ ist denkbar einfach: Er führt stets über die Zwischenstation „Etikettenschwindel“: Anders gesagt. Sie drehen jemandem eine gefragte Leistung erfolgreich an, aber das, was drauf steht, ist nicht drin. Beispiele gibt es wie Sand am Meer, denn wir kommen schließlich zu den Grundlagen unseres Reichtums. Nehmen wir mal als Paradebeispiel und todsicheren Tipp die Ausbildung zum Banker. Sie verkaufen künftig ein durch und durch faules Finanzprodukt, verpackt in die branchenübliche Zusicherung von hohen Extragewinnen, der Käufer ist der Dumme. Na gut, am Ende Sie dann auch, wenn das weltweite Finanzsystem zusammenbricht. Aber ein paar Jährchen können Sie bis dahin ja vielleicht überheblich grinsend von Ihrem Bankarbeitsplatz im Cabrio zu Ihrer schicken Wohnung im angesagten Stadtviertel fahren. Als noch schnelleren Weg zu Reichtum empfehle ich die unorthodoxe, kurze Ausbildung zum Dshihad-Kämpfer beim Islamischen Staat oder zum Söldner bei der Gegenseite. Hier sind nicht einmal besondere Kenntnisse gefragt, sondern nur Bekenntnisse: Hinfliegen, Sprengstoffgürtel umschnallen, und als Märtyrer erwarten Dich nach dem geglückten Attentat mit vielen Opfern unvorstellbare himmlische Reichtümer. Wo hier der Etiketten- schwindel verborgen ist? Na in der gut verhüllten Gefahr, auf ewig in der Hölle oder noch länger im dreckigen Knast einer Diktatur zu schmoren ... Aha, Sie bevorzugen weniger gefährliche Wege zum schnellen Geld? Fangen Sie doch einfach bei einer großen Zeitung an. Da muss allerdings draufstehen „Ausgabe für Marzahn und Hellersdorf“. Sie werfen das ansonsten nicht kostenlose Blatt dank vieler Anzeigen erfolgreich und kostenfrei in die hiesigen Briefkästen ein, und der Leser merkt überhaupt nicht, dass in der renommierten Berliner Traditionszeitung buchstäblich null Komma nichts über Marzahn oder Hellersdorf geschrieben wurde! Sie streichen dafür viel Geld ein, wenn Ihnen die Zeitung gehören sollte, oder eben etwas weniger, wenn Sie das Blatt nur verteilen. Übrigens ganz im Gegensatz zur jot w.d.: Da steht leider auch drin, was der Titel „Bürgerzeitung aus Marzahn-Hellersdorf“ verspricht. Aber Geld machen Sie damit nicht. Weder als Herausgeber noch als Verteiler. Weil eben der notwendige Etikettenschwindel fehlt. Extrem dumm gelaufen, meint Euer Schwejk Da war der Wind wohl ein bisschen zu stark und sorgte statt für Strom für Bauschutt. So jedenfalls kürzlich entdeckt auf einem Feld südöstlich von Berlin. Foto: Nachtmann ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ Quadratisch, praktisch, verführerisch Unfriedliches jot w.d.-Preisrätsel Der Kiez gefaltet – 5. Teil (Ende) Die Abteilung Stadtentwicklung hat eine fünfteilige Reihe Faltblätter „Stadtumbau für die Hosentasche“ heraus gegeben. Unser Autor durchleuchtet jenes für den Kiez Marzahn NordWest. Der 1. Teil erschien in Ausgabe 6/2014). Die intensive Beschäftigung mit dem Nordwestmarzahner Faltplan zum Stadtumbau soll keine Zerreißprobe sein, sondern eine Ergänzung mittels des Blicks aufs Ganze. Das unter Schirmherrschaft des Bezirksstadtrats für Wirtschaft und Stadtentwicklung von Marzahn-Hellersdorf entstandene Kartenwerk, das seine Nutzer an markante Orte des Stadtumbaus führen möchte, ist gewissermaßen „Pars pro toto“, Teil vom Ganzen. Das Ganze allerdings wäre mehr gewesen – wie in den voran gestellten Folgen bereits dargestellt. Mehr allerdings nicht für die „Wanderer“, sondern für die Hiergebliebenen und vielleicht auch für diejenigen, die seit fast fünf Jahren das örtliche Quartiersmanagement auf völlig andere Füße gestellt haben. Auf Füße jedoch, die bislang nicht einmal vermochten, ähnliche Spuren allein im Hosentaschenformat zu treten. Neben Zeugnissen des Stadtumbaus – leider nicht das Steckenpferd, das mit dem Regenbogen träumt – empfiehlt und markiert der Faltplan „Besondere Ziele“, ohne sie allerdings näher vorzustellten. Und gerade sie – 13 an der Zahl – hätten das Ganze besonders abrunden können. So wäre aus ortsverbundener Sicht z.B. interessant zu erfahren, ob eigentlich im „A – Kieztreff West“ noch jemand daran denkt, dass es einen Briefwechsel zwischen der damaligen Marzahner Sozialdezernentin und dem Bewohnerbeirat gab. Darin sicherte sie dem Rat zu, alles zu tun, damit der Treff erhalten bleibe. Sie hat ihr Wort gehalten. Was unter „B – Grünzug Geraer Ring mit Plansche“ angeboten wird, sollte hinsichtlich des Worts „Plansche“ ernsthaft geprüft werden. In der Dokumentation „Kunst in der Großsiedlung“ ist die- ser Ort als „Wassersprühfeld“ ausgewiesen, das auch „Tierbrunnen“ genannt wird und verschiedene Gefahrenmomente – wie z.B. Aquaplaning – in sich birgt. Und dann erst „C – Sportplätze 1.FC Marzahn“, wo noch eine ’94 hinzugehört: Kein Wort, kein Impuls aus der damals bahnbrechenden Entscheidung, mit der Kombination von Bürgerhaushalt und Sozialer Stadt den Fußballern vom Geraer Ring endlich eine wettkampffähige Heimstatt zu geben. Die würden noch heute ihre Heimspiele auswärts austragen müssen, wären nicht in einer kollektiven Kraftanstrengung knapp eine Million Euro für die Plätze und den Sanitärtakt aufgebracht worden. „Zum Barnimplatz“ nur so viel: Es sollte den hiesigen Meinungsführern doch arg zu denken geben, dass das Bezirksamt diesen umstrittenen Platz in Marzahn Nord als „Besonderen Ort“ ausweist, aus dem Quartiersbüro aber immer wieder das Echo dringt: „Gefährlicher/gefürchteter Or t“. Auf diese Weise reiht das Faltbogen-Alphabet bis „M – TschechowTheater“, das absolut ein besonderer, ja ein „besonders besonderer Ort“ ist, Wanderziele aneinander. Und es ist deshalb auch verständlich, dass die Autoren darauf verzichteten, die verschwundenen Orte aufzulisten – wie den etwa 900.000 Euro schweren Gesundheitscontainer in Marzahn West, der neuen Kita-Plätzen weichen musste, weil die alten längst abgerissen waren. Eine „Preisfrage“ jedoch bleibt: Was ist das? „L – Kiek inStadtteilzentrum“. In der offiziellen Liste des Bezirksamts Marzahn-Hellersdorf steht ein so genannter Ort nicht. Es könnte allerdings sein, dass der Stadtteil Marzahn Nord zwischenzeitlich umbenannt wurde, während die Ämter permanent wie Gottes Mühlen malen. In diesem unwahrscheinlichen Fall wäre aber Christian Gräff mit seinem hübschen flotten „Falter“ auf Ballhöhe. Torsten Preußing 1 E S S T E I A N 2 3 4 E I 5 A SCH W U 6 7 A M 8 9 10 F E F T Es sind Armeebegriffe mit zehn Buchstaben folgender Bedeutung zu bilden: 1. militärischer Überfall, 2. wollen die Atommächte erneut versuchen (ü=ue), 3. Name der BI gegen den Bombenabwurfplatz (2 Worte), 4. Flugabwehr-Geschoss, 5. Friedenssymbol (2 Worte), 6. Erfinder der bekanntesten Feuerwaffe, 7. im Kampf verletzte Soldaten (Mz.), 8. militärischer Flugzeugführer, 9. Kampfunterbrechung, 10. damit wird nur auf Scheiben und Blumen auf dem Rummelplatz geschossen. Die Buchstaben in den markierten Feldern ergeben – neu sortiert – eine Friedhofsstelle, die gefallene Soldaten erhalten sollen. Schicken Sie Ihre Lösung bis 30. Oktober (Poststempel) an jot w.d., Müllerstr. 45, 12623 Berlin, Kennwort Rätsel, und gewinnen Sie u.a. ein Hörbuch. Auflösung des Preisrätsels aus jot w.d. 9/2014: 1. Spaßmacher, 2. Dachdecker, 3. Baumeister, 4. Fluglehrer, 5. Entwickler, 6. Milchbauer, 7. Stewardess, 8. Kunstmaler, 9. Dekorateur, 10. Schaffnerin. Das Lösungswort lautete: Ausbildung. Die Preise gingen per Post an die Gewinner. Herzlichen Glückwunsch! ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ Europa feiert die DDR kurz vor deren 65. Jahrestag Oh je, oh je, wie muss das den Hubertus Knabe schmerzen, wenn er das sieht. Belgier und Spanier sind ohnehin komische Völkchen, da kann man schon mal verschmerzen, dass sie vielfach die DDR auf ihren Autoschildern prangen lassen. Jetzt aber auch die Franzosen! Und das nach Adenauer und de Gaulle! Nach Kohl und Chirac! In Hohenschönhausen erwartet man sicher bereits den Untergang des Abendlandes. Aber unsere kleine Serie ist noch nicht zu Ende. Das Beste kommt wie stets am Schluss.